Kriusilla Farm: Workcamp in Estland - Bericht einer Freiwilligen - SCI Schweiz
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Newsletter 3/2018 Afghanisches Essen am Lakesplash Festival, p. 3 Kriusilla Farm: Traditional Yurt-building in Germany, p. 4 Workcamp in Estland Youth Exchange “Diverse”, 13 - 20 July 2018 in Spain, s. 8 Bericht einer Freiwilligen 2018 2015 August März| |Août Mars| Agosto newsletter 1Nr. 323 | Marzo || Newsletter 337
intro Editorial Liebe Freundinnen und Freunde mit seinem ersten Workcamp in Viel Spass bei der Lektüre, des SCI, Deutschland und wie das Errichten Loretta Scherler einer traditionellen Yurte zum in- Der SCI Schweiz hat ein neues Pro- terkulturellen Austausch beitragen jekt lanciert: „Create a Common kann (s. 4/5) und Sarah lässt uns Understanding“ ermöglicht asyl- auf Seite 6/7 an ihren Erlebnissen suchenden Jugendlichen in der im Langzeiteinsatz in Ushgorod, Schweiz die Teilnahme in unseren Ukraine teilhaben und teilt ihre Ge- Workcamps und fördert somit den danken zu der Sprache, den Unter- interkulturellen Austausch zwisch- richtsmethoden und dem Krieg vor en der lokalen Bevölkerung, den Ort auf den zwei Seiten mit uns. internationalen Freiwilligen sowie Was ist eigentlich ein Youth den Asylsuchenden. Reza Jafari aus Exchange? An diesem neuen Aus- Afghanistan hat im Juli an unserem tauschprogramm von Erasmus+ Workcamp „Lakesplash Festival“ nahmen diesen Sommer vier in Tavannes teilgenommen und Jugendliche aus der Schweiz teil zusammen mit 8 Freiwilligen aus und erzählen davon auf Seite 8. aller Welt eine unvergessliche Zeit Und zuletzt reisen wir in Gedanken erlebt. Mehr dazu erfahrt ihr auf nach Estland zu der Kriusilla Farm, Seite 3. wo Erika viel Wertvolles während Reza und die beiden Freiwillige aus Taiwan Daniel schildert seine Erfahrungen ihrem Workcamp gelernt hat. am Lakesplash Festival 2018 Editorial Chères amies et amis du SCI Suisse, Understanding” qui permet aux de ses expériences à long terme à jeunes demandeurs d’asile en Ushgorod, Ukraine à la page 6/7 et Le SCI Suisse a lancé un Suisse de participer à nos de ses réflexions sur la langue, les nouveau projet: “Create a Common chantiers de travail et favorise ainsi méthodes d’enseignement et la les échanges interculturels entre la guerre locale. population locale, les volontaires Qu’est-ce qu’un échange de internationaux et les demandeurs jeunes? Quatre jeunes suisses ont d’asile. Reza Jafari d’Afghanistan participé à ce nouveau programme a participé à notre chantier d’échange Erasmus+ cet été et en “Lakesplash Festival” à Tavannes parlent à la page 8. en juillet et a vécu un moment inoubliable avec 8 volontaires du Enfin, nous nous rendons en Es- monde entier. Pour en savoir plus, tonie à la ferme de Kruisalla, où lisez la page 3. Erika a appris beaucoup de choses Daniel décrit ses expériences avec précieuses pendant son camp de son premier camp de travail en Alle- travail. magne et comment la construction d’une yourte traditionnelle peut Je vous souhaite une bonne contribuer à l’échange intercul- lecture, Youth Exchange “Diverse” in Illora, Spain turel (p. 4/5) et Sarah nous fait part Loretta Scherler 2
report/ch Afghanisches Essen und Taekwondo am Lakesplash Festival in Tavannes Reza Jafari, Asylsuchender in der Schweiz, Teilnehmer Programm “Create a Common Understanding” Vom 9. – 18.7. verbrachte ich eine unglaubliche Zeit mit Freiwilligen aus aller Welt am Bielersee im Workcamp „Lakesplash Festival“ in Tavannes. Wir waren 8 TeilnehmerInnen aus Bern und Zürich, den Niederlanden, Russland, Serbien und Taiwan. Für mich war es eine sehr besondere Erfahrung, an einem SCI-Workcamp teilzunehmen, denn ich bin ein asylsuchender Jugendlicher aus Afghanistan hier in der Schweiz und habe seit meiner Ankunft noch nie etwas Ähnliches gemacht. Am ersten Tag reisten wir alle Trainer und so kamen wir jeden Am letzten Abend des Festivals gab an und Francesco vom Festival Morgen in den Genuss eines kurzen es erneut eine kleine Party für alle erzählte uns etwas zu der 20-jähri- Taekwondo-Trainings. Freiwilligen. Das Allerschönste an gen Geschichte des Festivals. Pro Am zweiten Tag machten wir einen dieser Workcamperfahrung war der Tag kommen rund 1‘500 Festival- Ausflug nach Biel und versuchten Kontakt und der Austausch mit den besucherInnen an das Reggae- uns auf dem See mit „Stand-up- Leuten aus aller Welt und auch mit Festival und schon am ersten Tag Paddling (SUP)“. Das war eine su- den SchweizerInnen vor Ort. Es war begannen wir mit dem Aufbau der per Erfahrung und wir hatten viel als lebten wir wie eine kleine Fami- Infrastruktur. Spass in der Gruppe. lie zusammen während dieser Zeit. Übernachten konnten wir in Zelten In den nächsten Tagen halfen Ich habe auch viel Neues über die im einem Garten, in der Nähe des wir beim Aufbau der Bühne und Schweizer Kultur gelernt. Bahnhofs Tavannes. Leider war den verschiedenen Bars. Am es sehr laut, da es viel Zugverkehr Abend konnten wir mit Pedalos Der Kontakt zu den lokalen Leuten gab. Wir trugen aber Ohropax – das über den Bielersee fahren. Am war sehr bereichernd und auch die Zelten und die Ohropax waren eine Vorabend des Festivals kochte Freundschaften, die ich innerhalb völlig neue Erfahrung für mich! ich afghanisches Essen für meiner Gruppe geschlossen habe Gemeinsam gingen wir einkaufen alle und wir organisierten eine – auch jetzt noch bleiben wir in und bereiteten jeweils unser Früh- kleine Party für alle HelferInnen Kontakt und wer weiss, vielleicht stück vor. Die zwei Freiwilligen des Festivals und die Leute aus trifft man sich ja einmal wieder in aus Taiwan waren Taekwondo- dem Dorf. der Zukunft. Internationale Freiwillige, der Campcoordinator und ich (ganz links) Essen vorbereiten während dem Festival 3
report/int “Yurt-Building in Germany” - My first workcamp experience Daniel Pace, Workcampteilnehmer This workcamp, which goal it was to build an entire yurt from scratch, took place in Lell- wangen, a very small town in the south of Germany, close to Lake Constance. well organised and open to sugges- tions and remarks. It was very hot during the days but we always had enough breaks, refreshments and food to meet our needs. A typical work day was from the morning until the end of the afternoon. Besides the work, there was always free time in the evening, except when there was a study part. We had a study part about relation- ships and another one about yurt building. We also had a free day in the middle of the camp, where we decided to go the Lake Constance. The organisers gave us all the necessary instructions about the different options, how to get there and even paid our transportation tickets. This trip with the other partici- Building a Yurt in Lellwangen 2018 pants was necessary in order to get our minds off the work and also to From Switzerland, the journey was well maintained. We slept in tents get to know each other better by not so long: about four hours to get on the ground of a farmer. It had having fun together. Even though there. Some people needed several a very friendly and close-to-nature this one-day trip was not restful, we days to get there! atmosphere. There was a beautiful would have regretted it if we didn’t view over the Lake Constance and travel. The participants in the workcamp when the sky was very clear, we came from the following countries: could even see the alps. In the end, unfortunately, despite Germany, Switzerland, Belgium, When the real work started, ev- the hard work and willpower, we Czech republic, Italy, Spain, Russia eryone was very motivated and couldn’t finish the yurt. Some and Mexico. supportive. The work was very var- reasons for that are that we were ied and suited to our abilities. The only 10 instead of 12 participants, The place was very friendly and construction supervisers were very we worked slower than expected 4
report/int because the weather was really hot After this beautiful moment, we people and learned and we did some mistakes which had a special celebration for our a lot of new things. delayed us by about one day. last dinner around the fire. The goal I especially liked the atmosphere Despite all this, we were proud of of this celebration was to promote and the sincere friendships which what we achieved and symbolically cultural diversity. resulted from this experience. mounted the roof of the yurt on our I will never forget this first last evening all together. workcamp where I met amazing Yurt construction work International volunteers and Daniel from Switzerland (second from the left) 5
Ostwärts - Vers l’Est Zwei Monate in Ushgorod, Ukraine Sarah Weinhold, Teilnehmerin Programm “Ostwärts” Im Frühling lebte ich für zwei Monate bei einer Gastfamilie in der ukrainischen Stadt Ushgorod. Ushgorod ist die Hauptstadt vom Oblast Transkarpatien und liegt im Westen der Ukraine nahe der Grenze zur Slowakei und zu Ungarn, nur wenige Stunden entfernt von Lemberg. Im Rahmen meines Aufenthaltes der hohen Heizungs- und Miet- Erlernen der russischen Sprache habe ich begonnen Russisch zu le- kosten in der Ukraine normal. Es Meinen Aufenthalt habe ich mit rnen, in einer öffentlichen sowie war interessant, in einer Gastfami- sehr geringen Russischkenntnis- einer privaten Schule Englisch un- lie zu wohnen. Einerseits konnte ich sen begonnen: Ich konnte eine terrichtet und in einem Heim für mich mit meiner Gastmutter und Hand voll Sätze sprechen sowie Kinder und Jugendliche mit geis- meinem Gastbruder praktisch nur das kyrillische Alphabet lesen und tiger und körperlicher Beeinträchti- auf Russisch unterhalten und prof- schreiben. Am Ende des Aufen- gung gearbeitet. itierte so sprachlich, andererseits thaltes erreichte ich das Niveau A1/ erhielt ich so einen Einblick in ein- A2. Da ich hauptsächlich Englisch Leben in der Gastfamilie en ukrainischen Familienalltag und unterrichtete und ich mich privat Meine Gastfamilie bestand neben konnte beispielsweise an Ostern di- hauptsächlich mit den Englisch- meiner Gastmutter, welche Mitte rekt erleben, wie dieses Fest in der lehrerinnen auf Englisch unterhielt, sechzig war, aus ihrer Tochter (40) Ukraine gefeiert wird.Toll war, dass hatte ich im Alltag oft gar nicht die und ihrem Sohn (41). Dass sich zwei die Gastmutter im Verlaufe der Zeit Gelegenheit, meine Russischkennt- bis drei Generationen einer Familie alle wichtigen ukrainischen Nation- nisse wirklich zu trainieren. Im Kin- eine Wohnung teilen, ist aufgrund algerichte gekocht hat. derheim konnte ich mich nur auf Russisch unterhalten, weswegen ich von dort sprachlich am meisten profitierte. Auf meinem Lernweg lachte ich mit den Kindern oft über mich, wenn ich beispielsweise fragte, ob sie die Pizza in den Bäu- men auch sehen könnten, obwohl ich eigentlich den Vogel meinte. Im Englischunterricht konnte ich me- ine neu erlernten Russischkennt- nisse gebrauchen, wenn die Kinder und Teenager laut auf Ukrainisch denkend nach englischen Wörtern suchten und ich ihnen bei Überset- zungen je länger je mehr und bess- er auf die Sprünge helfen konnte. Anfänglich nahm ich es teilweise als Problem war, dass ich in einer Stadt, in welcher mehrheitlich Ukrainisch gesprochen wurde, Russisch lernen wollte. Mit der Zeit konnte ich aber immer mehr Englischunterricht in der Privatschule 6
Ostwärts - Vers l’Est Parallelen zwischen den beiden Sprachen erkennen und Stück für Stück mehr Ukrainisch verstehen. Freiwilligeneinsätze Als Primarlehrerin interessierte ich mich für das Schulsystem in der Ukraine. Dieses ist noch stark kommunistisch geprägt (wenig Ei- genverantwortung der Lernenden), auch weil viele Lehrerinnen noch im selben Stil wie früher arbeiten bis sie etwa 70 sind, da sie sich den Rentenstand aufgrund der tiefen Der Marktplatz in Ushgorod Rente nicht leisten können. Vor al- lem die jungen Lehrerinnen sind Gesponsert wird das Heim von wieder begegnen kann. Obwohl aber sehr interessiert an westli- Hilfsorganisationen. Die Infrastruk- sie ihre eigenen Sorgen haben, ver- chen Unterrichtsmethoden mit tur und die Anzahl Betreuungs- suchen aber einige aus Ushgorod Gruppenarbeiten und individuellen personen pro Kopf sind deswegen und Umgebung Kleider, Essen oder Lernaufträgen. Aus diesem Grund sehr gut – im Vergleich zu öffent- Geld für die Soldaten an der Front freuen sie sich sehr, wenn eine lichen ukrainischen Schulen zu spenden. Fachkraft aus einem westlichen geradezu luxuriös. Im Verlaufe der Von der kritischen Lage um Land kommt und sie gewisse Meth- Zeit stellte ich aber fest, dass es Donezk zu profitieren, versucht oden einmal in die Realität umge- wohl auch besser wäre, Geld in die die medizinische Fakultät der Uni- setzt vorgelebt bekommen. Grund- Weiterbildung der sehr motivierten versität Ushgorod: Vor der Krise sätzlich erschien mir das Hauptpro- und lieben BetreuerInnen zu steck- war Donezk ein beliebter Ort für blem der öffentlichen Schulen aber en: Diese waren sich den Umgang ausländische Studierende, welche kein mangelndes pädagogisches mit Autisten nicht gewohnt, liessen aus Ländern wie der Türkei, Indien, Know-how, sondern der tiefe Lohn die Kinder stundenlang auf einem Pakistan oder einigen Ländern Afri- der Lehrkräfte zu sein. Um als Stuhl sitzen oder schlugen sie sogar kas an einem günstigen Ort in einer alleinstehende Person sich selbst bei Missachtung von Anweisungen. günstigen Uni in Europa Medizin und eventuell noch Kinder ernähren studieren wollen. Die medizinische zu können, müssen ukrainische Ushgorod und der Krieg Fakultät in Ushgorod versucht nun Lehrkräfte nach der Schule ent- Eine der Standardfragen, welche dieselben Studierenden in ihre Uni- weder noch in einem anderen Be- ich bei Verkündigung meines Rei- versität zu locken. Mit Erfolg: Das reich – zum Beispiel als Verkäuferin seziels hörte, war: „Ist es da nicht Fussballfeld nahe des Flusses Usch – arbeiten oder Nachhilfeunterricht gerade sehr gefährlich wegen dem wird die meiste Zeit als Cricketfeld erteilen. Dadurch haben sie keine Krieg?“ Meine Antwort nach der für die pakistanischen und indi- Zeit, den Unterricht spannend und Reise: Dass im Land Krieg herrscht, schen Auslandstudierenden individuell vorzubereiten, weswe- sieht man am direktesten im Stadt- genutzt. gen die Kinder am Schulstoff wenig friedhof anhand der Gräber ge- interessiert sind und dementspre- fallener Soldaten, an den Instruk- Bei den Kindern und Jugendlichen, chend nicht viel vom Unterricht tions- und Werbefilmen der Armee, welche ich unterrichtete, erlebte mitnehmen. welche an den Bildschirmen im ich wegen der instabilen poli- Eingangsbereich der Universität tischen Verhältnisse, über welche Im Heim für Kinder und Jugendli- gezeigt werden, an den in Uniform zwar aufgrund der Sowjetvergan- che mit Beeinträchtigung konnte gekleideten Studenten und an genheit fast nie in der Öffentlich- ich erleben, dass rein finanzielle den verletzten Kriegsveteranen, keit gesprochen wird, eine starke Unterstützung aber nicht alles ist. welche man in der Stadt immer Orientierungslosigkeit. 7
Youth Exchange “Diverse”– Youth Exchange in Spain Giorgio Ostinelli, Participant and group leader 2018 My scepticism was very high, I have to admit it. An all-covered stay of one week in Spain where I could discuss social issues and experience cultural diversity with other 30 people from all over Europe? It must be a joke or a randomly dream that I had... The “culture effect” is dominant in every social group or country; it pushes humans towards a spe- cific direction which is often a dead end. Yes, because outwards closure and incapability to understand the differences are the common denominator in our modern society. This project wanted to tackle all this through a 7 days experience made not only of learning and activities, but of friends and laughs, new encoun- ters and long nights at the bar. Because it’s only through the knowledge of new people from different social frames and countries that you can really broaden your sight, avoiding the dead end which we spoke before. Well, I’m sorry but I have to be honest and present the other side I mean, if it would be real, who games. Informal teaching? Games? of the coin as well. Unfortunately wouldn’t jump at it? I’ve got great That sounded strangely to me these Youth Exchange Erasmus+ news for all the young curious coming from University, where projects aren’t always available people interested in learning and everything is formal and detached to us Swiss people, but that’s discovering our complex society: from practical experiences. another story, rooted in the that wasn’t a dream or a joke. It aftermaths of the national was “just” one of the great oppor- But I can assure you that those voting of the 9th of February 2014 tunities which are offered by SCI games where more eloquent than after which Switzerland was kicked Switzerland and its partners. half of the lectures that I had. Role out of the Erasmus+-program. games and debates were the bread Therefore I consider myself even This Youth Exchange in particu- and butter of our days in Illora, luckier for participating in such an lar had the aim to emphasize the allowing us to deepen our experience. importance of cultural diversity, knowledge of those latent social dialogue and understanding of the phenomenons that normally we Next time if you have the chance: “other” in today’s society through aren’t able to recognise or even don’t hesitate; discover the informal teaching, activities and see. fantastic world of youth projects! 8
report/int “Von Birkenquast und Propolis” - Meine Zeit auf der Kriusalla Farm in Estland Erika Brand, Teilnehmerin Workcamp Meinen Aufenthalt in Estland begann ich mit ein paar Touristentagen in der Hauptstadt Tallinn. Tallinn hat eine sehr schöne, von einer Stadtmauer umschlossene Altstadt, welche einen mittelalterlichen Charme aufweist. Rund ein Drittel der Bevölkerung (insgesamt 1.3 Millionen Einwohner) lebt in Tallinn. Am Freitag den 22. Juni fuhr ich mit renoviert. Jedoch hat es sehr stark man wird sich bewusst, wie ab- dem Zug nach Kehra, einem Dorf gewindet und der Strom fiel aus. Da hängig der Mensch vom Strom ist. mit etwa 1’000 EinwohnerInnen. das Wassersystem mit dem Strom Jedoch waren wir alle wieder froh, Schon nach ein paar Minuten Zug- verbunden ist, floss kein Was- als wir nach zwei Tagen wieder fahrt befindet man sich irgendwo ser und wir hatten keinen Strom. warm duschen konnten. im Nirgendwo. Überall sieht man Glücklicherweise besitzt Monika Am ersten Abend fand ein Mittsom- viel Wald und nur wenige Häuser, einen Holzherd und die Dusche merfest in der Nähe des Hofs statt, was mir persönlich sehr gefällt. befindet sich in der Sauna, welche welches wir besuchten. Die Sonne (Ein bisschen) abgelegen ist im- nicht mit dem Wassersystem ver- geht um etwa elf Uhr abends un- mer gut. Am Bahnhof in Kehra bunden ist. So konnten wir dort ter, bei schönem Wetter wird es in wurde ich herzlich von Monika und kaltes Wasser schöpfen und damit der Nacht höchstens dämmerig. ihrem Mann empfangen. Etwa zehn kochen. Es war eine spannende Er- Am Mittsommerfest spielte eine Kilometer von Kehra befindet sich fahrung, ohne Strom zu leben und Band, ein imposantes Feuer wurde der Ort Pikva, wo Monika und ihre Familie auf der “Kriusilla Tee” zu- hause sind. „Tee“ bedeutet in Est- nisch so viel wie „Farm“ oder „Bau- ernhof“ und fast jeder Hof ist mit einem Strassenschild gekennzeich- net. Man findet die Tees sogar auf dem Navigationsgerät eingezeich- net. In der Nähe von Kehra fliesst der Fluss Jägala, wo die Esten baden gehen und zum Teil befin- det man sich im Sumpfgebiet. Eine sehr spezielle und schöne Gegend war mein erster Gedanke. Auf der Kriusilla Farm angekom- men fühlte ich mich sofort wohl und Zuhause. Das Wohnen ist sim- pel, jedoch gemütlich und der Ort strahlt eine positive Atmosphäre aus. Am Ankunftstag der vier weit- eren Freiwilligen (Finnland, USA, Tschechien und Schweiz) wurde das Wassersystem des Hauses Die Freiwilligen am Propolis sortieren 9
report/int Burg von Kuressaare auf der Insel Saaremaa angezündet und es wurden diverse strengeren Tag machten wir un- und drehten an einem Hebel. Durch Wettkämpfe durchgeführt. Zum ser eigenes Mittsommerfeuer mit das Drehen der Trommel wird der Spass machten wir Freiwilligen Schlangenbrot, Pouletkeu- Honig aus der Wabe hinausge- beim Seilziehen mit, bei welchem len, welche wir auf Heugabeln schleudert. Das Prinzip funktioniert wir klar verloren. Nachdem der brätelten, Kefir (sauermilch- ähnlich wie bei einer Waschmas- Strom zurück war, bekochte uns artiges Nationalgetränk) und guten chine. In den nächsten Tagen be- Monika immer mit köstlichen Gesprächen. schäftigten wir uns mit diversen Speisen. Sie besitzt einen riesi- Am nächsten Tag wurden wir in die Arbeiten rund um die Imkerei. Wir gen Vorrat an hausgemachten Bienenarbeit eingeführt um selber füllten etwa 40kg Honig in Gläser Leckereien, wie Johannisbeeren- Honig herzustellen. Bevor wir zu ab, kratzten die Rahmen sauber, oder Rhabarbererdbeermarme- den Bienenhäusern aufbrachen, schliffen und färbten Bienenhäuser lade, selbstgemachten Säften, zogen wir einen Imkeranzug an und und trennten Propolis von Dreck. Apfelwein, eingelegtem Gemüse nahmen einen „Smoker“ mit. Ein Die Propolis ist eine von Bienen und natürlich dem hauseigenen „Smoker“ ist ein Imkereigerät, das hergestellte harzartige Masse mit Honig. der Raucherzeugung in der Imkerei antibiotischer und antiviraler Gestärkt nach einem reichhalti- dient und die Bienen ruhig stellt. Wirkung, welche Monika zusätzlich gen Frühstück machten wir uns In den Bienenhäusern befinden zum Honig verkaufen kann. an den ersten Arbeitstag. Auf dem sich viele Holzrähmen mit Bienen- Nach einigen Arbeitstagen durften Programm stand Holzstämme in waben drin. Wir überprüften jeden wir Monika auf die Insel „Saare- kleine Stücke sägen und diese in Rahmen auf Waben mit Honig und maa“ begleiten, weil sie dort eine Reihen zu Holzhaufen stapeln. Für nahmen diese mit. Danach legten Weiterbildung besuchte. Monika den Winter braucht die Familie wir jeweils vier Rahmen in eine ist nämlich Primarlehrerin. Wir viel Feuerholz. Nach einem eher Trommel mit Schleuderfunktion übernachteten in Kuressaare, dem 10
report/int Hauptort der Insel. Dort besichtig- sie Lehrerin ist. Ich war von der dass man Birkenzweige trocknet ten wir eine Burg und badeten im modernen Schulanlage positiv und diese zu einem „Birkenquast“ Meer, welches etwa 16 Grad Cel- überrascht. zusammenbindet. Der Birkenquast sius warm war. Die Besichtigung Am Mittwoch und Donnerstag half wird mit warmem Wasser be- des Kaali Kraters ausserhalb von uns der ehemalige Nachbarsjunge feuchtet. Durch leichtes Peitschen Kuressaare war sehr beeindruck- von Monika den Unterstand fertig- auf die Haut wird mit den Birken- end. Am nächsten Tag mieteten wir zustellen. Er zeigte uns den Um- zweigen ein angenehmer Massa- Fahrräder und fuhren auf der Insel gang mit der Motorsäge und wir geeffekt erzielt. herum. Am letzten Tag besuchten bearbeiteten die Baumstämme so, wir mit Monika den Sääre Leucht- dass man diese ineinander stellen Schon bald war Freitag und wir turm am südlichsten Punkt von konnte und der Unterstand stabil mussten uns alle verabschieden. Saaremaa. Wir verbrachten eine stand. Am Abend assen wir alle Ich habe eine wundervolle Zeit in super Zeit und der Besuch der In- gemeinsam bevor wir uns in die Estland und dessen Natur erlebt. sel ist sehr empfehlenswert. Die Sauna stürzten. Die Sauna muss Zudem habe ich auch viele nützli- Sonnenuntergänge sind etwa drei bis vier Stunden vor In- che Sachen gelernt. Monika und unbeschreiblich schön. betriebnahme aufgeheizt werden. Ihre Familie waren tolle und herzli- Zurück auf der Kriusilla Farm an- In Estland wird zwischen den Sau- che Gastgeber, welche ich ins Herz gekommen verarbeiteten wir wie- nagängen Bier getrunken und ein geschlossen habe. Zudem hatte ich der Holzstämme zu Feuerholz und Bieraufguss darf nicht fehlen. Eine mit den anderen drei Freiwilligen säuberten Propolis. Am Sonntag weitere Tradition besteht darin, eine lustige und tolle Zeit. gingen wir in den lutherischen Gottesdienst in einer kleinen Kirche in Pikva. Obwohl wir vom Gottes- dienst in Estnisch nicht viel bis gar nichts verstanden, war es ein interessantes Erlebnis. In unserer zweiten Arbeitswoche bauten wir einen Unterstand für das Feuerholz. Zusätzlich säuber- ten wir die Baumstämme in dem wir die Baumrinde mit Werkzeugen abkratzten. An einem Nachmittag fuhren wir mit Monika an einen nahegele- genen See, wo wir badeten. Wir waren alleine und es war sehr idyl- lisch. An diesem See kann man frei zelten und es gibt ein paar Feuer- stellen. Danach besuchten wir eine Outdoorsportanlage, wo wir auf einen Turm aus der Sowjetzeit kletterten und eine schöne Aussi- cht bewunderten. Die Sportanlage wird im Winter zum Skifahren und Saunieren benutzt, im Som- mer kann man Beachvolleyball oder Disk Golf spielen. Auf dem Heimweg zeigte uns Monika das Dorf Aegviidu, der Ort an welchem Upper image: Monikas Bienenhäuser auf der Farm/ Image below: Kriusalla Farm in Estland 11
Auf unserer Webseite www.scich.org werden laufend neue Veranstaltungen publiziert. Impressum / Rédaction Reproduction souhaitée avec mention AG Bern, 100% Recycling-Papier Offizielle Zeitung des Service Civil In- des sources (et copie au SCI Suisse, Abo: 30.- pro Jahr / par an ternational Schweizer Zweig. Erscheint s.v.p.). Postkonto / CCP: 80-33387-4 viermal jährlich. Journal officiel du Ser- Redaktion: Loretta Scherler, Reza IBAN: CH26 0900 0000 8003 3387 4 vice Civil International branche Suisse. Jafari, Erika Brand, Daniel Pace, Sarah Paraît quatre fois par an. Weinhold, Giorgio Ostinelli SCI Schweiz Auflage / Tirage: 1‘200 Exemplare / Layout: Loretta Scherler Monbijoustr. 32 / 3001 Bern exemplaires Photos: Reza Jafari, Erika Brand, Daniel Telefon: 031 381 46 20 / info@scich.org Nachdruck mit Quellenangaben Pace, Sarah Weinhold, Freiwillige SCI www.scich.org erwünscht. Übersetzungen: Kevin Burgat (Beleg bitte an SCI Schweiz). Druck Bubenberg Druck- und Verlags 12
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