Technik und Tipps Radio DRS: Musikaufnahmen und ihre Archivierung zur Analogzeit

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Technik und Tipps

Radio DRS: Musikaufnahmen und ihre Archivierung zur Analogzeit
Ein Gespräch mit Roman Flury

(EM) In den Schweizer Ra-                     Kapellmeister gewesen, und dort hatte        sikerverbandes noch ein Problem. Stu-
diostationen lagern Aufnah-                   ich im Theater-Chor gesungen und auch        dio Bern konnte mit dem Berner Stadt-
meschätze. Was lässt sich über                in seiner Jazzband mitgespielt. Dadurch      orchester schon früh einiges an raren Ei-
Auswahl von und Umgang mit                    hatte ich in Basel bereits als Student ein   genproduktionen realisieren.
Musikaufnahmen bei Radio                      paar Aufträge, sei es indem ich kom-
DRS in früheren Jahrzehnten                   ponierte, Arrangements für das Orches-       E.M.: Natürlich, mir kommt da gerade
sagen und wie wurden die an-                  ter schrieb oder als Zuzüger am Klavier,     Ferruccio Busonis Oper «Turandot» in
gesammelten Dokumente ar-                     an der Hammondorgel oder als Gitar-          den Sinn, mit Otto Ackermann und dem
chiviert? Was existiert noch?                 rist mitwirken konnte, wenn das Orches-      Berner Orchester von 1959; die ist
Wir haben mit Roman Flury,                    ter für die damals recht häufigen Schall-    doch auf Discocorp, respektive IGI (I
dem langjährigen Programm-                    plattenaufnahmen verstärkt werden            grandi interpreti, California) erst Mitte
gestalter von Radio DRS im                    musste. Ich empfand solche Plattenauf-       der 70er-Jahre auf LP erschienen und
Studio Basel, ein ausführliches               nahmen, speziell mit Künstlern wie Lale      war ja lange Zeit die einzige erhältli-
Gespräch über seine Arbeit ge-                Andersen oder Vico Torriani, stets als       che Produktion dieser Oper; die dürfte
führt.                                        ein Erlebnis. Besonders eindrücklich         bestimmt schwarz publiziert worden
                                              waren für mich als Pianisten die Auf-        sein?
                                              nahmen zum Film «Gletscherpilot Her-
                                              mann Geiger». Möckel hatte eine aus-             Roman Flury: Ja, eindeutig! Vermut-
                                              gedehnte Musik dazu geschrieben; für         lich über irgendeine Bandkopie aus
                                              die Lawinenniedergänge gab es Kla-           dem Radiostudio, das gab es halt im-
                                              vierpassagen mit donnernden Oktaven.         mer wieder. Sehr zahlreich waren übri-
                                              Solche kleinen Verdienstmöglichkeiten        gens solche Eigenproduktionen nicht;
                                              dauerten bis 1951. Dann wirkte ich bis       erst in den 70er-Jahren war genügend
                                              1953 als Kapellmeister und Korepetitor       Geld für grössere Projekte vorhanden.
                                              am Stadttheater Basel. Nach meinem           Basel konnte eine interessante Zusam-
                                              Studienabschluss begann im Frühling          menarbeit für Gemeinschaftsproduktio-
                                              1955 meine Festanstellung beim Ra-           nen mit München verwirklichen (etwa
                                              diostudio Basel in der Musikabteilung.       Heinrich Sutermeisters Opern «Die Zau-
                                              Hauptaufgaben waren zu Beginn die            berinsel» und «Romeo und Julia».)
                                              Produktion von Volksmusikaufnahmen
                                              und -Sendungen, später Jazzproduktio-        Die drei Studios der Deutsch-
                                              nen, schliesslich Opern und Kammer-          schweiz und ihre Kompeten-
                                              musik.                                       zen

                                              Ernst Müller: Liefen da die Sendungen        E.M.: Gab es eine genaue Kompetenz-
Roman Flury 1975, zur Zeit seiner Tätigkeit   bereits über UKW?                            aufteilung zwischen den drei Deutsch-
bei Radio DRS 2                                                                            schweizer Studios Zürich, Bern und Ba-
                                                  Roman Flury: Erst im Dezember            sel?
Ernst Müller: Wann hat Ihre Arbeit bei        1956 wurde das 2. Programm als Kon-
Radio DRS begonnen?                           trastprogramm auf UKW eröffnet. Erst             Roman Flury: Die war durchaus klar:
                                              hier konnten wirklich anspruchsvolle E-      Die Leitung für E-Musik lag in Basel. Die
    Roman Flury: Im Herbst 1946 kam           Musikprojekte realisiert werden. Das 1.      Verantwortung für Unterhaltung im wei-
ich zum Studium ans Konservatorium            Programm war weiterhin für Volksmusik        testen Sinne lag bei Zürich; und Bern
nach Basel. Im Frühling 1947 spielte          oder Hörspiele zuständig. Mit dem 2.         war für Information und Hörspiel zu-
ich zum ersten Mal in einer Schulfunk-        Programm erlebten die Opernsendun-           ständig. Jedes Studio hatte einen Drittel
sendung über Arthur Honegger bei Ra-          gen einen Aufschwung. Gesendet wur-          des Sendeprogramms zu bestreiten.
dio Basel Klavier. Zudem kannte ich           den Gesamtaufnahmen ab Schallplat-           Kleine musikalische Produktionsbe-
Hans Möckel, den musikalischen Chef           ten und Eigenproduktionen (jeden Sonn-       standteile (von der Volksmusik bis zur
des ein Jahr zuvor gegründeten «Unter-        tag und zusätzlich am Donnerstagnach-        Avantgarde) blieben durchaus in Zürich
haltungsorchesters Beromünster Cedric         mittag). Eigene, vom Radio produzierte       und Bern bestehen, so auch die Pro-
Dumont». Möckel war zuvor am Stadt-           Live-Aufnahmen waren damals wegen            duktion und Übertragung von lokalen
theater meiner Heimatstadt St. Gallen         der teils horrenden Forderung des Mu-        Sinfoniekonzerten. Was solche lokalen

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Konzerte betrifft, hiess dies für die 60er- und 70er-Jahre auf
Basel bezogen beispielweise Folgendes: Jährlich wurden in             Zur Person:
der Regel fünf Sinfoniekonzerte der Basler AMG und etwa               Roman Flury war von 1955 bis 1989 Programmgestalter
drei des Basler Kammerorchesters aufgenommen; entspre-                bei Radio DRS. 1927 in St. Gallen geboren und aufge-
chend zeichnete Radio Zürich Konzerte des Zürcher Tonhal-             wachsen, studierte er später in Basel und Bern und pro-
le-Orchesters und solche aus St. Gallen und Winterthur auf.           movierte als Musikwissenschaftler. Er besitzt auch ein Kla-
                                                                      vierdiplom und lernte Komposition bei Walther Geiser und
                                                                      Dirigieren bei Alexander Krannhals. Er ist zudem ein lei-
                                                                      denschaftlicher Tierfotograf und –Filmer. Der digitalen Tech-
                                                                      nik hat er sich früh geöffnet. Mit grossem technischem und
                                                                      musikalischem Wissen und Fingerspitzengefühl bereitet er
                                                                      heute vor allem die Aufnahmen einzelner von ihm hoch ge-
                                                                      schätzter Pianisten für den Eigengebrauch und zur Doku-
                                                                      mentation optimal mit dem PC auf (etwa die Duo-Art-Rol-
                                                                      len-Aufnahmen von Ferruccio Busoni in der korrekten Ge-
                                                                      schwindigkeit oder die Aufnahmen seines Lehrers und Vor-
                                                                      bildes, des Pianisten Paul Baumgartner, in klanglich
                                                                      optimaler und natürlicher Ausgewogenheit). Und dies mit
                                                                      erstaunlichen Resultaten.

In den frühen 50er-Jahren stand das Radiostudio Basel auf dem Bru-
derholz noch einsam in der Landschaft.

E.M.: Als Programmgestalter haben Sie in den langen Jah-
ren von 1955 bis 1989 unter mehreren Abteilungsleitern ge-
arbeitet.

     Roman Flury: Zuerst war das bis etwa 1970 Conrad
Beck, der Komponist, dann sein Nachfolger Hans Vogt, der
zuvor Pianist und Konservatoriumslehrer gewesen war. Er
war eine bescheidene und wirklich universelle und noble Per-
sönlichkeit. Später hatte der Komponist Rudolf Kelterborn die-        Eine private Leidenschaft: Tierfilmer Roman Flury im Winter
sen Posten inne und in den 80er-Jahren dann Andreas Wern-             1978/79 auf der Pirsch mit seiner Super-8-Filmkamera
li, ein Musikwissenschaftler aus Zürich. Ich selbst habe bloss
bei Vakanzen hie und da die Stellvertretung inne gehabt. Die
                                                                     kauf konnte dazugehören. Nehmen wir ein Beispiel. Für ei-
Position des Abteilungsleiters hat mich nie wirklich interes-
                                                                     nige Zeit hatte ich den Bereich der «Alten Musik» zu betreu-
siert, denn viele der häufigen Reorganisationsmodelle, die
                                                                     en und stellte die Sonntagmorgensendungen mit Bach-Kan-
uns die immer stärker ausgebaute Verwaltung der General-
                                                                     taten zusammen (als Gottesdienstumrahmung). Natürlich be-
direktion SRG aus Bern bescherte, brachten für mein per-
                                                                     zog ich aus Schallplattenzeitschriften wie dem englischen
sönliches Empfinden doch recht weltfremde Betriebsmodelle
                                                                     «Gramophone» Informationen und schaffte Platten an. Für
mit sich. Ich denke da an sogenannte Mengenpläne (wie
                                                                     zeitgenössische Musik wurden oft Aufnahmen aus Amerika
viel kosten 30 Minuten Kammermusik? Könnte man nicht
                                                                     bestellt. Ganz nebenbei: Zu Beginn meiner Radiozeit liess
Künstlerlöhne vereinheitlichen usw.).
                                                                     ich mit Akribie sehr viele Schellackplatten von grossen Sän-
                                                                     gern oder Instrumentalisten zurück bis 1900 anschaffen (bei-
Die Arbeit des Programmgestalters
                                                                     spielsweise von Eugène d’Albert etc.). Ab 1957 produzier-
                                                                     te ich etwa 250 Sendungen mit dem Titel «Die historische
E.M.: Wie sah Ihre Tätigkeit als Programmgestalter aus?
                                                                     Schallplatte» und dies vor allem mit Tonträgern, die man
                                                                     nachträglich ins Archiv einbezogen hatte.
    Roman Flury: Jeder Programmgestalter wählte zu seinen
                                                                         Aufnahmen übernahm man in der Regel in Form von han-
Sendungen das genaue Programm aus und verfasste in der
                                                                     delsüblichen Platten in den Studiobestand.
Regel die Begleittexte, die dann von einer Sprecherin oder
einem Sprecher vorgetragen wurden. Der Programmgestal-
                                                                     E.M.: Existierten da nicht auch noch die sogenannten «Tran-
ter blieb bis Ende der 80er-Jahre anonym. Die Textarbeit war
                                                                     scription discs» von anderen Radiostationen?
je nach Charakter der Sendung unterschiedlich. Für eine
Oper hatte man die kompletten Einführungen zu den einzel-
                                                                        Roman Flury: Natürlich: Diese Angebote von ausländi-
nen Akten zu verfassen. Wir Programmgestalter, so etwa
                                                                     schen Sendern gelangten über die Generaldirektion in un-
auch gebildete, vielseitige und gewandte Menschen wie Pi-
                                                                     sere Studios, etwa von der BBC, vom südafrikanischen Rund-
us Kölliker und Walter Vogt, wirkten stets im Hintergrund und
                                                                     funk oder aus Holland – das Holland Festival spielte eine be-
blieben dabei unerwähnt. Unter dem Begriff Programmge-
                                                                     deutende Rolle.
stalter hat sich vieles subsumiert, auch der Schallplattenein-

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E.M.: Wurden diese gegen Entgelt angeboten?                        Diese Agentur veranstaltete teilweise gemeinsam mit der Mi-
                                                                   gros sehr teure Konzerte. Wir konnten von der Migros für
    Roman Flury: Nein, sie waren gratis und meist mit dem          das Basler Studio solche Konzerte erwerben. Wir reisten ab
Recht auf einmalige Sendung verbunden. Allerdings war dies         und zu nach Zürich, um Jazzkonzerte in der Tonhalle aufzu-
von Land zu Land unterschiedlich. Die Discs der BBC zum            zeichnen. So entstanden Aufnahmen mit Duke Ellington,
Beispiel waren zeitlich befristet: Innerhalb einer bestimmten      Count Basie, Benny Goodman, Oscar Peterson, Miles Da-
Zeit durften sie einmal gesendet werden; danach waren die          vis, Stan Kenton, sogar Billie Holliday (einzelne davon auch
Platten zu vernichten. Bänder des österreichischen oder            in Basel, etwa Gerry Mulligan, J.J. Johnson, Dave Brubeck).
holländischen Rundfunks hatte man nach der Sendung                 Zudem fallen mir noch Dizzy Gillespie in Luzern und das viel-
zurückzuschicken. Als im Laufe der 70er-Jahre allerorts das        seitige Angebot von «Jazz in der Aula» in Baden ein. In Ba-
Sparen angesagt war, schickten wir Leerbänder nach Wien,           sel gab es auch reine Studioproduktionen, z.B. mit Stephane
auf welche dort die Konzertaufnahmen kopiert wurden. Mit           Grappelli, Bruno Spoerri, George Gruntz etc.
der Zeit galt dies auch für den Austausch mit der BBC, nach-
dem man in England aufgehört hatte, Platten eigens für die         Die meisten Tondokumente existieren bis heu-
Verteilung an andere Radiostationen zu pressen. Es bedeu-          te in den Studios
tete ja tatsächlich einen riesigen Aufwand, kleine Stückzah-
len von Platten zu pressen, um Konzertaufnahmen an ande-           E.M.: Diese Aufnahmen wurden einmal gesendet und dürf-
re Radiostationen zu schicken! Grundlage für die Befristung        ten heute nicht mehr existieren. Ist das richtig?
der Senderechte waren Verträge mit den Musikergewerk-
schaften, die je nach Land eine unterschiedliche Rolle spiel-          Roman Flury: Das stimmt so nicht. Natürlich hing dies vom
ten.                                                               Veranstalter ab. Gerade von der Agentur Kantorowicz er-
    Ein regelmässiger Programmaustausch fand im Zusam-             hielten wir aber unbeschränkte Senderechte und das Recht
menhang mit allen Festivals mit den deutschen Sendern und          zur Weitergabe an die übrigen SRG-Stationen der Schweiz
mit Österreich statt: So gelangten Aufnahmen aus Salzburg          (neben Bern und Zürich also auch für Lugano, Lausanne und
in die Schweiz oder von den Luzerner Festwochen nach Ber-          Genf). In der Regel schloss die SRG das Engagement eines
lin…                                                               Künstlers oder Orchesters mit der vertraglichen Bedingung
                                                                   ab, dass in der Folge ein zeitlich unbeschränktes Senderecht
E.M.: Haben die Verantwortlichen von Radio DRS darüber             innerhalb aller Stationen der SRG galt. Wir konnten zum Bei-
entschieden, was anlässlich der Luzerner Festspielen aufge-        spiel jede Kammermusikproduktion ohne Weiteres auch nach
zeichnet wurde?                                                    Lausanne oder Lugano schicken (und umgekehrt).

    Roman Flury: Radio Basel war für Aufnahmen in Luzern zu-       E.M.: Gab es auch Konkurrenz zwischen den einzelnen Stu-
ständig. Die einzige Einschränkung für Aufzeichnungen wa-          dios?
ren die Verträge des Festivals mit den Künstlern. Wenn Solis-
ten, Dirigenten oder Orchester die Einwilligung nicht erteilten,       Roman Flury (lachend): Natürlich hatte jedes Studio sei-
erübrigte sich das Ganze. Alles andere wurde aber in der           nen Ehrgeiz und man rümpfte bei Aufnahmen anderer Studi-
Regel aufgezeichnet und konnten anderen Sendern ohne               os gegenseitig oft die Nase, wir etwa über die Aufnahme-
grosse Restriktionen angeboten werden. Luzern war in erster        technik in Bern oder Zürich, das gab es wohl überall. Selbst
Linie aus touristischen Gründen an einer Weiterverbreitung in-     bei unserem guten Austausch von Aufnahmen des «Orches-
teressiert.                                                        tre de la Suisse Romande» hatten wir ab und zu Vorbehalte
                                                                   zur Aufzeichnungsqualität. Durch den Austausch aber, um zur
E.M.: Wie fielen die Entscheide, was man im Laufe einer            vorherigen Frage zurückzukehren, sind sehr viele Aufnahmen
Konzertsaison aufzeichnete und was nicht?                          erhalten geblieben. Es sind jedenfalls auf Bändern mehr Auf-
                                                                   nahmen erhalten geblieben, als gelöscht worden sind.
    Roman Flury: Dies geschah jeweils an Sitzungen der
ganzen Musikredaktion von vielleicht drei Personen. Man            E.M.: Existieren diese Bänder heute tatsächlich noch im Kel-
wählte vom Zyklus von neun Konzerten in Zürich oder Basel          ler des Radiostudios Basel?
je fünf aus und achtete darauf, dass sich die einzelnen Pro-
gramme gegenseitig ergänzten. Kriterien waren also etwa:              Roman Flury: Aber ja, zurück bis 1947 ist das meiste
interessante und abwechslungsreiche Programme, Ausge-              noch erhalten und archiviert.
wogenheit der Verteilung auf Instrumentalsolisten (Violine, Kla-
vier, Cello usw.) und unterschiedliche Dirigentenpersönlich-       E.M.: Vinylplatten aber, so sagt man zumindest in den Krei-
keiten.                                                            sen unseres Vereins, wurden entsorgt. Plattenliebhaber konn-
                                                                   ten zu gewissen Zeiten Platten für einen symbolischen Betrag
E.M.: Und wie sah es mit der Übertragung von Jazzkonzer-           abholen.
ten aus?
                                                                       Roman Flury: Das waren aber bestimmt keine Platten mit
    Roman Flury: Das kam relativ spät. Im Grunde gab es            Archivnummern, sondern Exemplare, die als Werbung dem
bloss eine grosse Agentur für Jazzvermittlung in der Schweiz,      Radio geschenkte worden waren. Aufnahmen und Platten
die Konzertagentur Kantorowicz in Zürich; diese hatte prak-        existieren weitgehend noch. Es gab durchaus vereinzelte Un-
tisch alle grossen amerikanischen Veranstalter am Draht. Spe-      geschicklichkeiten. In einem Studio überspielte man bei-
ziell Norman Granz mit seinem «Jazz at the Philharmonic».

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Technik und Tipps Radio DRS: Musikaufnahmen und ihre Archivierung zur Analogzeit
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                                                                     schlicht sagte: «Stereo kommt nie!», häufig mit der Begrün-
                                                                     dung, dass die Konsumenten den Unterschied doch nicht hör-
                                                                     ten. Die ersten Stereogeräte beschafften wir über das Kon-
                                                                     servatorium und die «Stiftung Radio Basel» hinter dem Rücken
                                                                     der PTT, ohne dass dies die SRG etwas kostete. Erst mit der
                                                                     Zeit hat man ausschliesslich in Stereo aufgenommen. Ich er-
                                                                     innere mich: 1958 zeichneten wir bereits Duke Ellington im
                                                                     Kongresshaus Zürich in Stereo auf, auch Count Basie in der
                                                                     Mustermesse Basel und im Kongresshaus etwa 1960 oder
                                                                     1961... Alle Kammermusik und alle Orchesteraufnahmen
                                                                     wurden in der Folge in Stereo aufgezeichnet, selbstver-
                                                                     ständlich auch die Produktionen mit Orchestern, die für das
                                                                     Radiostudio gemietet wurden.
Roman Flury im Radiostudio Basel beim Erfassen neuer Schallplatten
(1957)                                                                   Lange drängten wir auf eine Umstellung der Sendungen
                                                                     auf Stereo. Es war eine paradoxe Situation: Die Aufzeich-
spielsweise handelsübliche Schellack-Platten auf Bänder und          nungen der Luzerner Festwochen zeichneten wir in Stereo auf
gab die Platten dann weg; auf Bänder allerdings, die von             und schickten die Aufnahmen an ausländische Radiostatio-
schlechter Qualität waren und die man nach ein paar Jahren           nen weiter; jahrelang sendeten die deutschen Sender diese
wegwerfen musste.                                                    Konzerte in Stereo, wir weiterhin in Mono. In der Schweiz
                                                                     konnte der private Musikliebhaber unsere Luzerner Konzerte
E.M.: Bis wann wurden im Studio 78er-Platten für Sendungen           vom Südwestfunk in Stereo empfangen, das Schweizer Ra-
geschnitten? Galt dies bloss bis zum Auftauchen der Band-            dio sendete weiter Mono. Unser Drängen zugunsten von Ste-
maschinen?                                                           reo war lange Zeit in der Schweiz völlig hoffnungslos, weil
                                                                     die SRG auf die Einführung des Farbfernsehens setzte. Diese
   Roman Flury: Auf Platten schnitt man von der Frühzeit des         Priorität besetzte Köpfe und Finanzen. 1971 kam das Farb-
Radios bis etwa 1948. Ich habe indessen noch miterlebt,              fernsehen, sieben Jahre später erst konnte das Radio auf Ste-
dass man diese später, sei es zu einem einzelnen Sende-              reo umstellen. Man darf nicht vergessen, dass das Ganze
zweck oder zur Archivierung, auf Bänder überspielte.                 auch eine Frage der Senderausrüstung durch die PTT war, ei-
                                                                     ne Frage der Leitungen von den Studios zu den Sendern.
Maschinen von Willy Studer hatten das Mono-                          Dies stellte ganz neue Anforderungen, für welche die ganze
pol in den Studios                                                   Infrastruktur nicht vorhanden war. Das Radio war auf einem
                                                                     ständigen Rückzugsgefecht gegenüber dem Fernsehen.
E.M.: Erfolgten die Aufnahmen von den 50er-Jahren an weit-
gehend auf Studer-Maschinen?                                         E.M.: Ab wann erfolgten Digitalaufzeichnungen?

    Roman Flury: Etwa 1948 kamen die ersten Bandmaschi-                  Roman Flury: Zum ersten Mal 1980 in Basel bei einem
nen der Firmen Motosacoche und dann Philips. Das waren               Klavierabend von Abdel-Rahman El Bacha im Hans-Huber
Maschinen mit 30 Zoll, (also 76 cm/sec. Bandgeschwin-                Saal. Treibende Kraft war Jürg Jecklin, der sich von Albrecht
digkeit). In Gebrauch waren diese bis und mit 1952. Da-              Gasteiner, der damals Sanyo-Betriebsleiter war, einen PC-
nach erfolgte die Umstellung der Bandgeschwindigkeit von             Wandler und ein Video-Aufzeichnungsgerät entleihen konn-
76 auf 38 cm/sec. Diese Umstellung war radikal und auf-              te. Die Wiedergabe wurde gross angekündigt und zum rie-
wendig, denn archivwürdige 76 cm-Bänder mussten auf 38               sigen Ärger der Verantwortlichen in Bern gesendet. Ich erin-
cm umkopiert werden. Etwa gleichzeitig kamen mit der A27             nere mich gut: Jürg Jecklin und ich wurden nach Bern zur Ge-
die ersten Studer-Maschinen in die Studios, denen später die         neraldirektion zitiert. Meinung war dort, digital komme nie
A 60, C 37 usw. folgten. Nun hatte Studer das Monopol,               und man habe kein Geld dafür. Wir mussten uns von Direk-
einzig die ersten Stereo-Aufnahmen im Sommer 1958 mach-              tor Schürmann und dem technischen Stab den Vorwurf ge-
ten wir mit einer Telefunken M5. Nebenbei erwähnt: Mit ei-           fallen lassen, Dinge hinter dem Rücken der Berner Verant-
nem Prototypen der Studer A 27 wurde bereits 1950 der                wortlichen zu machen; zudem seien wir gar nicht kompetent,
letzte Auftritt von Dinu Lipatti an den Luzerner Festwochen auf-     wir hätten unsere Kompetenzen überschritten. Ab 1980 nah-
genommen – ein bewegendes Dokument, das später auf LP                men wir das meiste zunächst digital und analog nebenein-
erschien.                                                            ander auf. Beim Erscheinen der CD hat sich die ganze Dis-
                                                                     kussion dann erübrigt.
Duke Ellington 1958 in Zürich in Stereo
                                                                     Alles ist sorgfältig registriert
E.M.: Machte das Radio tatsächlich bereits im Sommer
1958 Aufnahmen in Stereo? Die Sendungen liefen beim                  E.M.: Können wir auf die Frage der Archivierung aller Ton-
Schweizer Radio doch erst ab 1978 in Stereo?                         dokumente zu sprechen kommen?

   Roman Flury: Das Ganze ging etappenweise vor sich:                   Roman Flury: Was die Registrierung betrifft, hatte im Grun-
Die PTT, die bekanntlich lange für die Studioausrüstungen zu-        de jedes Studio sein eigenes System. Mit gutem Gewissen
ständig war, opponierte gegen Stereo, weil man bei der PTT           kann ich ausschliesslich über das Studio Basel sprechen. Es

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Zwei Bilder aus den Anfangszeiten des Hi-Fi- und Tonband-Bastlers, mit obligater Pfeife (1957)

gab drei Grundelemente: Sachkatalog,            Sachkatalog aufgeführt, denn es gab ja               Roman Flury: Das ist unterschiedlich:
Nummernkatalog und Registerbücher.              Aufnahmen mit einmaligem Senderecht,             Je nach Qualität des Materials, Lage-
Man stelle sich das folgendermassen             die im Sachkatalog keinen Sinn mehr              rung oder Temperatur konnte sich die
vor: Ab etwa 1938 wurde jede Auf-               ergeben hätten. Dieses ganze System              Lackschicht lösen, so dass die Aufnah-
nahme mit fortlaufenden Nummern in              galt bis in die 80er-Jahre.                      men unrettbar verloren waren; solche
einem Ordner registriert: Es gab ein                                                             Dokumente konnte man tatsächlich nur
Blatt für jede Aufnahme mit Angaben             Lackfolien, Acetatplatten und                    noch wegwerfen. Anderseits habe ich
über Künstler, Studio, die detaillierte Mi-     später Bänder                                    gerade in den letzten Wochen für mich
krophonaufstellung, Umstände, Anzahl                                                             privat ab Originallackfolien aus dem
Platten oder Bänder. (Daneben existier-         E.M.: Wie erfolgte die Lagerung der              Jahre 1947 Paul Baumgartners Inter-
te eine Kartei mit Angaben zu Honora-           riesigen Menge von Schallplatten und             pretation von Schuberts «Wanderer-
ren usw.) Die Registratur war in zwei Ex-       Bändern?                                         Fantasie» auf CD überspielt; die Folien
emplaren vorhanden (eines lag beim                                                               waren in tadellosem Zustand und klang-
Abteilungsleiter, eines im Sekretariat).            Roman Flury: Die ursprünglichsten            lich wunderbar erhalten, und dies ob-
Zusätzlich stand in der Phonothek (auch         Tonträger waren ja Folien (in den 30er-          wohl sie in den letzten 20 Jahren in mei-
Schallarchiv genannt) ein Zettelkatalog         Jahren Gelatinefolien oder Ähnliches             ner Garage lagerten.
mit Angabe von Komponist, Werk, Aus-            und in den 40er-Jahren Lackfolien). Die-             Als man in den 50er-Jahren merkte,
führenden und weiteren Details. Neben           se waren gemäss Registratur nummeriert           dass sich gewisse Dokumente auflös-
diesem Sachkatalog existierte eine Ko-          und in Hüllen in schweren Metallbüch-            ten, nahm man durchaus Selektionen
pie der vorher genannten Registratur auf        sen gelagert. Das «Selberschneiden»              vor und kopierte einige Aufnahmen, die
kleinen Karteikarten. Hier konnte man           auf Folie betrifft die Zeit von 1938 bis         man für wertvoller hielt, auf Band. Un-
nach Datum blättern. Das ermöglichte            1949.                                            bedingt erhalten wollte man vor allem
dem Programmgestalter, der eine be-                 Ganz nebenbei: Für den Operateur             Einmaliges, etwa die Uraufführung ei-
stimmte Sendung zu konzipieren hatte –          war die Handhabung während der                   nes Auftragswerks von Paul Sacher mit
vielleicht musste eine Stunde mit Kam-          Sendung eine anspruchsvolle Sache: Es            dem Basler Kammerorchester. Löschent-
mermusik gefüllt werden – in der Pho-           wurde ja stets fortlaufend auf zwei              scheide fielen natürlich oft zeitbedingt
nothek in den Verzeichnissen zu suchen          Geräten mit fliessenden Übergängen               und aus dem Moment heraus.
und auszuwählen; er nahm dann die               geschnitten (die neue Folie lief schon,
Kärtchen zwischenzeitlich heraus und            während die alte noch dem Ende ent-              Löschen oder nicht?
verfasste in seinem Büro das Pro-               gegenlief). Bei der Sendung musste der
grammblatt für die Radiozeitung und             Operateur also im richtigen Moment               E.M.: Waren auch Kapazitätsgründe
den Sprecher. Die Kärtchen wurden               die nächste Folie anlaufen lassen und in         Anlass, Aufnahmen aus dem Archiv zu
während der Sendung vom Sprecher                wenigen Sekunden durch «Aufholen»                entfernen?
mit dem Sendedatum abdatiert und ins            oder Bremsen synchron mit der auslau-
Sekretariat weitergereicht, welches die         fenden Folie werden, damit ein für den               Roman Flury: Bei den Bändern un-
SUISA-Liste schrieb und die Kärtchen            Hörer nicht wahrnehmbarer Übergang               ternahm man alle drei oder vier Jahre
wieder im Archiv versorgte. Sachkata-           von einer Maschine zur anderen mög-              eine kleine Löschaktion. Und dies klar
log und Nummernkatalog wurden ge-               lich war!                                        aus Kapazitätsgründen oder im Zusam-
trennt nach den Kriterien Industrieschall-                                                       menhang mit Zügelaktionen von Ar-
platten und Eigenproduktionen des Ra-           E.M.: Diese Lackfolien und Acetatplat-           chivteilen aus einem schlechten Raum
dios geführt. Von den Eigenproduktio-           ten haben sich im Laufe der Zeit ja lei-         im obersten Geschoss, wo die Hitze
nen war übrigens nicht alles im                 der aufgelöst.                                   gross war, in einen Keller, der vielleicht

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                                            der höchstens Mitarbeitern im Aussen-          E.M.: Unterdessen hat sich wohl diese
                                            dienst zur Verfügung, die zum Beispiel         Aufgabe insofern erübrigt, als die meis-
                                            Reportagen mit «Eintagsfliegen-Charak-         ten Werke auf CD greifbar sind.
                                            ter» zu machen hatten, oder man ver-
                                            wendete sie für Sprachaufnahmen                     Roman Flury: Das ist richtig; damals
                                            nochmals. Es ist zu bedenken, dass die         war es eine fundamentale Aufgabe des
                                            Bänder wegen der zahlreichen Schnitt-          Radios, abseits des Standardrepertoires
                                            stellen nicht mehr für neue Musikauf-          zu produzieren. Standardwerke nahm
                                            nahmen zu gebrauchen waren.                    man bloss auf, wenn ein Mann wie Ar-
                                                                                           turo Benedetti Michelangeli kam und
                                            E.M.: Gibt es verloren gegangene Auf-          nichts anderes als die «Images» von De-
                                            nahmen, die sie persönlich vermissen?          bussy oder eine Sonate Beethovens zu
                                                                                           spielen bereit war. (Lachend:) Vielleicht
                                                 Roman Flury: Ja durchaus, ich denke       muss man aus heutiger Sicht anfügen,
                                            da an Opernaufnahmen der späten                dass lokale Künstler ab und zu dazu
                                            40er-Jahre aus dem Basler Stadttheater         «verurteilt» waren, irgendwelche «kno-
                                            auf Folien. Aber nochmals: das meiste          chendürren» Werke (wie etwa die Kla-
                                            ist erhalten. Vinylplatten sind für den Pro-   viersonate von Ferdinand Ries) einzu-
                                            grammgebrauch durch CDs abgelöst               studieren, um engagiert zu werden.
Der Schweizer Pianist Paul Baumgartner
(1903–1976)                                 worden, aber als Materie sind diese            Aber trotzdem: mit dieser Repertoire-
                                            meines Wissens durchaus noch exis-             philosophie waren die Radioproduktio-
                                            tent. Ich habe eher die Befürchtung,           nen der 60er und 70er viel interessan-
                                            dass unter den älteren CDs einiges ka-         ter als heute, weil sie eine deutlich grös-
Feuchtigkeitsprobleme aufgeben konn-        putt gehen könnte, weil sich vereinzeltes      sere Bandbreite abdeckten. Man war
te. Abteilungsleiter und Programmge-        CD-Material als nicht beständig er-            damals auch bereit, bestimmte Gefäs-
stalter gingen jeweils die Register-        weist.                                         se zu schaffen, um den Hörern Werke
bücher durch und bestimmten nach kur-                                                      zugänglich zu machen, zu denen sie
zer Diskussion einige Aufnahmen zum         Das Radio hatte einen Kultur-                  sonst keinen Zugang gehabt hätten
Löschen. Ein wichtiges Kriterium von        auftrag                                        (zum Beispiel sämtliche Kammermusik-
Conrad Beck als Verantwortlicher konn-                                                     werke von Haydn oder Schumann). In
te sein, dass es sich bei bestimmten Auf-   E.M.: Über den Inhalt von Radiopro-            der Sendung «Die Kammermusikstunde»
zeichnungen um (junge) Künstler han-        duktionen haben wir noch nicht ge-             konnte ich wirklich Werke senden, die
delte, die ja bestimmt wieder für Auf-      sprochen.                                      der Musikliebhaber nicht auf Platte ge-
nahmen ins Radiostudio kämen. So er-                                                       funden hätte. Für den symphonischen
innere ich mich, dass man gegen                 Roman Flury: Kurz gesagt: Es ging          Bereich mieteten wir in Basel jeden
meine Einwände Aufnahmen von Alfred         beim Radio darum, die lokalen Ver-             Sommer für 14 Tage das BOG-Orches-
Brendel aus dem Jahre 1950, als dieser      pflichtungen wahrzunehmen, das Musik-          ter. So konnten wir Unübliches wie Wer-
als Student noch bei Edwin Fischer und      leben von Zürich, Bern und Basel und           ke von Joseph Rheinberger oder von Al-
Paul Baumgartner in Basel Kurse be-         die führenden lokalen Künstler zu doku-        bert Dietrich, dem Zeitgenossen und
suchte, einfach löschte, etwa seine h-      mentieren. Aber auch Künstler aus dem          Freund von Brahms, produzieren. Oder
Moll Sonate von Liszt.                      Ausland, die damals durchaus auch da-          auch Werke von Schweizer Komponis-
    Grundsätzlich sind aber die meisten     von gelebt haben, von einer Radiostati-        ten wie Schnyder von Wartensee oder
Aufnahmen erhalten geblieben. Natür-        on zur nächsten zu reisen, um Aufnah-          Hermann Goetz.
lich waren es Ermessensentscheide,          men zu machen. Wichtig ist die Fest-
welche Aufnahmen von lokalen Künst-         stellung, dass bei all diesen Aufnahmen        E.M.: Sind denn die 50 Platten der Se-
lern oder jungen Interpreten, von denen     das Repertoire eine grosse Rolle ge-           rie CTS (Communauté du travail
man annahm, dass sie bald wieder für        spielt hat. Man wollte Werke doku-             Suisse), die ausschliesslich Schweizer
Aufnahmen zur Verfügung stünden,            mentieren, die nicht auf Platte erhältlich     Komponisten dokumentieren, in Zusam-
nach einiger Zeit gelöscht werden soll-     waren. Da hat man sehr viel geleistet,         menarbeit mit dem Radio entstanden?
ten. In der Regel bot das etwa vierköp-     zum Teil auch Noten gekauft, etwa Auf-
fige Gremium, das entschied, eine gute      führungsmaterialien aus dem späten                 Roman Flury: Nein, das war ein Un-
Garantie dafür, dass zumindest eine         18. und frühen 19. Jahrhundert, seien          ternehmen des Tonkünstlervereins. Viele
der vier Personen berechtigt Einspruch      das Streichquartette oder kleine Beset-        dieser Platten basieren aber durchaus
erhob und damit das Eliminieren einer       zungen. Es wurden an lokale Künstler           auf Aufnahmen, die in Radiostudios vor-
Aufnahme verhinderte.                       Aufträge erteilt, Werke einzustudieren         handen waren. Nur vereinzelt wurden
                                            und bei uns aufzunehmen. Grundsätz-            indessen Anregungen dieser Kommissi-
E.M.: Hat man Bänder gelöscht, um           lich waren das Werke (als Beispiel nen-        on ans Radio herangetragen, wir soll-
auf ihnen wieder neue Aufnahmen ma-         ne ich das Septett von Camille Saint-          ten dies oder jenes produzieren.
chen zu können:                             Saëns), die für unsere Hörer auf Platten
                                            nicht oder nur sehr schwer greifbar wa-
    Roman Flury: Nein, das nicht; man       ren.
löschte sie schlicht und stellte die Bän-

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Technik und Tipps Radio DRS: Musikaufnahmen und ihre Archivierung zur Analogzeit
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                                                                   Landgasthof Riehen für das Radiosinfonieorchester in Betrieb.
                                                                   Aber das ist eine traurige Geschichte sondergleichen: die
                                                                   Stadt Basel und das Radiosinfonieorchester. Es gibt in Basel
                                                                   die Mentalität, den Fünfer und das «Weggli» haben zu wol-
                                                                   len: Man will alles in Basel haben, aber kein Geld dafür aus-
                                                                   geben.

                                                                        Die Studios M1 und M3 waren technisch hervorragend
                                                                   ausgerüstet. In beiden standen übrigens in den 70er-Jahren
                                                                   wunderbare Steinway-Flügel. Beide Aufnahmestudios sind
                                                                   verschwunden. Im M3 ist heute der Sender «Virus» einquar-
                                                                   tiert. Im M1 hat es Büros und die Phonothek. Die wertvollen
                                                                   Aufnahmestudios sind durch Verwaltung, Pop und DRS 3 er-
                                                                   setzt. Damit ist natürlich auch das ganze Leben mit Künstlern,
                                                                   die damals für Aufnahmen da waren und denen man im
                                                                   Haus und in der Kantine begegnete, etwa das Vegh Quar-
Roman Flury (am Klavier sitzend) mit dem Pianisten Conrad Hansen   tett, das Yuval oder das Beaux Art Trio, aus dem Studio ver-
(1906-2002) in der Steinway-Fabrik Hamburg bei der Auswahl eines   schwunden. Die Kammermusikproduktionen waren eine wun-
neuen Flügels für das Radiostudio Basel (1979)                     derbare Sache. Wenn ich mir erlauben darf, es überspitzt zu
                                                                   formulieren: Heute geht man herum und hängt da oder dort
Über sehr gute Radiostudios und ihr Ver-                           Mikrophone hinein und sendet zu einer Zeit, in der keiner hin-
schwinden                                                          hört. In diesem Sinne kann man nicht mehr von einem ei-
                                                                   gentlichen Kulturprogramm sprechen. Aber seien wir ehrlich:
E.M.: Gibt es Dinge, die Sie beim heutigen Radio grundsätz-        Auch beim Sündwestfunk oder beim Bayerischen Rundfunk ist
lich vermissen oder denen Sie nachtrauern?                         das breitgefächerte Repertoire der 70er-Jahre nicht mehr prä-
                                                                   sent. Das mag durchaus auch mit der allgemeinen Orches-
    Roman Flury: Durchaus: In den 70er-Jahren hatte das Ra-        terkrise zusammenhängen.
diostudio Basel ein grosses Kammermusikstudio, das M3.                  Formulieren wir es wertfreier: Der Kulturauftrag öffentlich-
Hier konnte vom einzelnen Pianisten bis zu einem mittelgros-       rechtlicher Stationen wird heute anders verstanden als in den
sen Jodlerchor alles auftreten und aufgenommen werden.             70er-Jahren.
Dann gab es das Studio M1, das grosse Orchesterstudio al-
so, in dem bis 1970 das Unterhaltungsorchester einquartiert           Ich möchte aber betonen, dass ich gerne auf meine Zeit
war und das an bestimmten Tagen auch sonst zur Verfügung           beim Radio zurückblicke. Es gab viele wunderbare Begeg-
stand. Im M1 hatte ein Kammerorchester Platz. Dort mach-           nungen mit Künstlern und Kollegen. Und ich hatte natürlich im-
ten wir zum Beispiel Aufnahmen mit Quincy Jones oder Kurt          mer wieder ein befriedigendes Gefühl, wenn eine mit Über-
Edelhagen. Zusätzlich gab es noch das M2, ein kleineres            zeugung vorbereitete Sendung den Weg zu unseren Hörern
Studio, das bald in ein Hörspielstudio umgewandelt wurde.          fand.
In den 50er-Jahren entstanden im M2 noch Klavieraufnah-
men, etwa jene mit dem bedeutenden Schweizer Pianisten             E.M.: Ich bedanke mich im Namen unserer Mitglieder herz-
Paul Baumgartner. Zudem war noch das Aussenstudio im               lich für das interessante Gespräch.

                                                                                            Das Radiostudio Basel im März 2010:
                                                                                            Wie geht es weiter? Was bleibt in Basel?
                                                                                            Zur Zukunft von Gebäude und Radio Ba-
                                                                                            sel ist im Moment einiges unklar.

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