Haus - Gehöft - Weiler - Dorf - Michael Meyer (Hrsg.) Siedlungen der Vorrömischen Eisenzeit im nördlichen Mitteleuropa

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Haus - Gehöft - Weiler - Dorf - Michael Meyer (Hrsg.) Siedlungen der Vorrömischen Eisenzeit im nördlichen Mitteleuropa
Michael Meyer (Hrsg.)

    Haus – Gehöft – Weiler – Dorf

Siedlungen der Vorrömischen Eisenzeit im
        nördlichen Mitteleuropa
Haus - Gehöft - Weiler - Dorf - Michael Meyer (Hrsg.) Siedlungen der Vorrömischen Eisenzeit im nördlichen Mitteleuropa
Berliner
 Archäologische
  Forschungen

       Herausgegeben von
Michael Meyer und Wolfram Schier

            Band 8
Haus - Gehöft - Weiler - Dorf - Michael Meyer (Hrsg.) Siedlungen der Vorrömischen Eisenzeit im nördlichen Mitteleuropa
Michael Meyer (Hrsg.)

         Haus – Gehöft – Weiler – Dorf

     Siedlungen der Vorrömischen Eisenzeit im
             nördlichen Mitteleuropa

Internationale Tagung an der Freien Universität Berlin
               vom 20.–22. März 2009

 Verlag Marie Leidorf GmbH . Rahden/Westf.
                    2010
Haus - Gehöft - Weiler - Dorf - Michael Meyer (Hrsg.) Siedlungen der Vorrömischen Eisenzeit im nördlichen Mitteleuropa
400 Seiten mit 274 Abbildungen, 13 Tabellen, 16 Diagrammen und 49 Karten

                            Gedruckt mit finanzieller Unterstützung der
                                      GERDA-HENKEL-STIFTUNG
                                                       und der
       ARCHÄOLOGISCHEN GESELLSCHAFT IN BERLIN UND BRANDENBURG

                         Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

                  Meyer, Michael (Hrsg.):
                  Haus – Gehöft – Weiler – Dorf ; Siedlungen der Vorrömischen Eisenzeit im
                  nördlichen Mitteleuropa ; internationale Tagung an der Freien Universität Berlin
                  vom 20.–22. März 2009 / hrsg. von Michael Meyer.
                     Rahden/Westf. : Leidorf, 2010
                     (Berliner Archäologische Forschungen ; Bd. 8)
                     ISBN 978-3-89646-518-4

             Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.
                  Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

                                      Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier

                                              Alle Rechte vorbehalten
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                                         Geschäftsführer: Dr. Bert Wiegel
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                                              ISBN 978-3-89646-518-4
                                                 ISSN 1611-3551

Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, CD-ROM, DVD, I n t e r n e t oder einem
anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages Marie Leidorf GmbH reproduziert werden oder
          unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

       Herausgegeben für den Lehrstuhl für Prähistorische Archäologie der Freien Universität zu Berlin,
                                     Altensteinstr. 15, D-114195 Berlin
                                   Koordination: Michael Meyer, Berlin
                                   E-Mail: michael.meyer@fu-berlin.de
                           Internet: http://www.geschkult.fu-berlin.de/e/praehist

                                 Umschlagentwurf: Michael Meyer, Berlin
                        Titelvignette: Felicitas Hofmann und Gregor Gebuhr, Berlin
            Rekonstruktion und Grundriss eines Langhauses aus der Siedlung Berlin-Buch, Fpl. 10
                                       (S. 219, Abb. 3 in diesem Band)
               Satz, Layout, Bildnachbearbeitung und Redaktion: Morten Hegewisch, Berlin
                           Druck und Produktion: druckhaus köthen GmbH, Köthen
Haus - Gehöft - Weiler - Dorf - Michael Meyer (Hrsg.) Siedlungen der Vorrömischen Eisenzeit im nördlichen Mitteleuropa
Michael Meyer (Hrsg.): Haus – Gehöft – Weiler – Dorf. Berliner Archäologische Forschungen 8 (Berlin 2010), S. 49–60

      Vegetation und Landwirtschaft während der Vorrömischen Eisenzeit im
                           Norddeutschen Tiefland

                                            Karl-Ernst Behre (Wilhelmshaven)

                         Einleitung                                       Auf den armen Altmoränenböden im Nordwesten herrsch-
                                                                          ten bodensaure Eichenmischwälder, in denen der vorher
Sowohl in der Vegetation wie auch in der Landwirtschaft                   hohe Anteil von Linde und Ulme schon stark zurückge-
ist die Vorrömische Eisenzeit nicht einfach die gleitende                 gangen war (Overbeck 1975; Behre/Kučan 1994). Die
Fortsetzung der Bronzezeit, da sich hier erhebliche Ver-                  Linde verschwand bereits während der Vorrömischen Ei-
änderungen abgespielt haben. Dazu trugen drei Dinge                       senzeit ganz aus diesen Wäldern, weil sie auf den etwas
bei: direkte menschliche Eingriffe, die sich gegenüber                    besseren Böden stockte, die bei der Besiedlung bevorzugt
der vorangegangenen Zeit besonders in Norddeutschland                     wurden, aber auch, weil sie in dem kühler und feuchter
wesentlich verstärkt haben, wobei neue Wirtschaftsfor-                    werdenden Klima an Konkurrenzkraft gegenüber ande-
men entwickelt wurden, Einwanderung und Ausbreitung                       ren Bäumen einbüßte. Nur auf den lössreichen Böden des
neuer Baumarten sowie Einführung und Anbau neuer                          Mittelgebirgsvorlandes hielt sich die Linde noch länger
Kulturpflanzenarten und schließlich die nacheiszeitliche                  (Freund 1994; Bittmann 2004). Auch die zu Beginn der
Klimaverschlechterung.                                                    Periode noch mit etwas größeren Anteilen vertretene Kie-
                                                                          fer erlosch um Christi Geburt auf den Mineralböden NW-
Die Klimaverschlechterung war in den 800 Jahren vor                       Deutschlands und erhielt sich nur noch an ganz wenigen
Christi Geburt sehr stark, was sich besonders deutlich                    Reliktstandorten auf den Rändern von Hochmooren, bis
im Hochmoorwachstum zeigt, das in dieser Zeit vom                         sie auch dort verschwand. Die heutigen Kiefernforsten im
Schwarztorf zum Weißtorf umschlug. Die neuen Kli-                         Nordwesten sind durchweg gepflanzt. Die in den Wäldern
mabedingungen hatten zudem Auswirkungen auf die                           heute vielfach dominierende Fichte hatte nur die südöstli-
Konkurrenzkraft der einzelnen Pflanzenarten und trugen                    che Lüneburger Heide erreicht, wohin sich vom Harz her
damit zu Änderungen in der Waldzusammensetzung bei.                       ein vorgeschobenes Fichtenareal bis nach Hermannsburg
Auch im Wechsel des Kulturpflanzenbestandes werden                        erstreckte. Auch später reichte das natürliche Fichtenvor-
die Auswirkungen des Klimawandels erkennbar. Für die                      kommen nicht weiter nach Norden.
Landschaft und Landwirtschaft war hingegen die Bedeu-
tung des Eisens – der namengebenden großen Innovation                     Von den Wärmezeigern im Wald – Mistel als Anzeiger
dieser Zeitperiode – relativ gering. Hier war besonders                   für Sommerwärme und Efeu als Anzeiger für milde
die Einführung der eisernen Sense wichtig, die vor allem                  Winter – geht der letztere in der Vorrömischen Eisenzeit
für die Wiesenmahd eingesetzt wurde und damit die Heu-                    deutlich zurück, während die Mistel schon zu Beginn des
gewinnung wesentlich erleichterte. Später wurde mit ihr                   Subatlantikums im Raum nördlich von Hannover völlig
auch Getreide gemäht.                                                     verschwindet.

Bei dem nun folgenden Überblick muss bedacht werden,                      Kennzeichnend für diesen Zeitabschnitt ist die Ausbrei-
dass die bisherigen Kenntnisse zu den archäobotanischen                   tung von Buche und Hainbuche. Beide sind erst im späten
Fragen noch lückenhaft sind, da es bisher aus dieser Zeit                 Subboreal hier im Norden eingetroffen und breiten sich
in Norddeutschland nur wenige große Siedlungsgrabun-                      jetzt aus. Um Christi Geburt hat die Buche in den Pollen-
gen unter Einbeziehung naturwissenschaftlicher Metho-                     diagrammen einen Anteil von zumeist um 5 % erreicht,
den gibt.                                                                 und der bis dahin fast allein von der Eiche beherrschte
                                                                          Eichenmischwald formte sich nach und nach zu einem
                                                                          Buchen-Eichenwald (Fago-Quercetum) um. Auf rein na-
 Die natürlichen Wälder im Norddeutschen                                  türliche Weise würde das Eindringen der Buche in die
                 Tiefland                                                 Wälder sehr lange dauern, denn bei einem Mannbarkeits-
                                                                          alter von etwa 40 Jahren kann diese nur kleine Schrit-
Der Anfang der Vorrömischen Eisenzeit um 800 v. Chr.                      te machen und muss sich dabei noch gegen die bereits
erfolgte zeitgleich mit dem Beginn des vegetationsge-                     bestehende Bewaldung durchsetzen. Doch der Mensch
schichtlichen Abschnittes Subatlantikum. Um diese Zeit                    beschleunigte diesen Vorgang, indem er durch Rodungen
hatte die Waldvegetation ihre Klimaxphase bereits über-                   leere Flächen schuf, die sich später neu bewaldeten.
schritten, denn die nacheiszeitliche Klimaverschlech-
terung war schon im Gange und führte ebenso wie die                       Dabei konnte die Buche ihren Konkurrenzvorteil als
Siedlungstätigkeit bereits zur Veränderung der Wälder.                    Schattholz voll ausnutzen, da sie nicht erst in einen ge-
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Abb. 1. Die Ausbreitung von Buche (Fagus) und Hainbuche (Carpinus) nach mehreren Pollendiagrammen aus dem Odergebiet
               nordöstlich von Berlin. Rechts abgekürzt die prähistorischen Epochen (aus Jahns/Herking 2002).

schlossenen Wald eindringen musste. Manche Pollendia-          mensetzung etwas anders. Vor allem sind dort die regio-
gramme zeigen deshalb eine stufenweise Ausbreitung             nalen Unterschiede deutlich stärker, in denen die Vertei-
der Buche, die sich an die Siedlungstätigkeit anpasst.         lung der nährstoffreichen Jungmoränenböden und der
Nach den ersten Schritten in der Vorrömischen Eisenzeit        z. T. ausgedehnten armen Sander- und Talsandflächen
erfolgte die Hauptausbreitung der Buche danach bis ins         reflektiert werden. Von den kontinentaleren Verhältnis-
Mittelalter. Noch etwas später als die Buche ist die Hain-     sen profitierten besonders die Linde, die in den damals
buche in den Norden vorgedrungen. Sie befindet sich in         vorherrschenden Eichenmischwäldern eine große Rol-
der Vorrömischen Eisenzeit am Beginn ihrer Ausbrei-            le spielte (Krausch 1965), sowie auf armen Böden die
tung, erreicht aber im Nordwesten noch keinen nennens-         Kiefer. Von der Elbe nach Osten nimmt der Anteil der
werten Anteil am Wald.                                         Kiefer stetig zu, mit der Eiche bildet sie zusammen den
                                                               Eichen-Kiefernwald, so im Havelland (Wolters 2002).
Der Anteil der Siedlungszeiger steigt in der Vorrömi-          Auch wenn sie vielfach angepflanzt ist, gehört die Kiefer
schen Eisenzeit in den Pollendiagrammen deutlich an;           im Osten bis heute zum natürlichen Waldbestand.
hier ist es besonders die Heide, die sich unter dem Ein-
fluss zunehmender Beweidung in den Siedlungsgebieten           Während der Vorrömischen Eisenzeit breiten sich Buche
ausdehnt; es kommt aber noch nicht zu großen geschlos-         und Hainbuche aus, und zwar viel schneller als im We-
senen Heideflächen.                                            sten, da sie auf den guten Böden sehr konkurrenzkräftig
                                                               sind (Abb. 1). Dieses zeigt sich besonders in den Jung-
Im Nordosten ist wegen der dort vorherrschenden guten          moränengebieten z. B. Mittelmecklenburgs (Schoknecht
Böden und des kontinentaleren Klimas die Waldzusam-            1996) oder an der Oder (Jahns/Herking 2002). Speziell
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                                     Vegetation und Landschaft im Norddeutschen Tiefland

Abb. 2. Rest eines Hudewaldes (Neuenburger Urwald im Kreis
Friesland) mit Eichen als Mastbäumen. Ein ähnliches Aussehen
hatten die siedlungsnahen Wälder in der Vorrömischen
                           Eisenzeit.

das Schattholz Linde wird vielfach vom Schattholz Bu-
che verdrängt. Bald nach Christi Geburt dominieren in
Mecklenburg und dem nördlichen Brandenburg weithin
Buchenwälder, während weiter südlich – ab dem Groß-
raum Berlin – Kiefern- und Eichen-beherrschte Wälder
das Bild bestimmen (Brande 1996).

Wie im Westen gehen die Wärmezeiger Efeu und Mistel             Abb. 3. Regelmäßig geschneitelte Bäume, wie die Eschen,
stark zurück, doch kommt auch die letztere in einigen öst-      entwickeln sich zu charakteristischen Krüppelformen. Wie
lichen Gebieten noch bis heute vor. Das ist insbesondere        auch bei uns seit dem Neolithikum bis in die frühe Neuzeit,
in Berlin der Fall, wo das Stadtklima die Ursache ist.          wird in entlegenen Alpentälern wie auf dem Bild auch heute
                                                                noch im Spätsommer das Laubheu geschnitten und für die
Siedlungszeiger einschließlich der Besenheide nehmen                             Winterfütterung getrocknet.
schon ab dem Beginn der Vorrömischen Eisenzeit gene-
rell deutlich zu und weisen auf die fortgesetzte anthropo-      Einen ökologischen Sonderfall, der zudem besonders gut
gene Öffnung der Landschaft, wobei allerdings regionale         untersucht ist, stellen die Auenwälder an den Unterläufen
Unterschiede erkennbar sind.                                    der großen Flüsse dar (Behre 1985). Die Flüsse wurden
                                                                begleitet von einem natürlichen Uferwall, hinter dem
Neben den Rodungen für den Ackerbau formten beson-              sich ausgedehnte niedriggelegene Moore befanden. Der
ders zwei Dinge den Wald um: Einmal war es die Wald-            Uferwall selber war bewaldet, wobei es eine Zonierung
weide, durch die der Wald um die Siedlungen geöffnet            gab, die der Überflutungshäufigkeit angepasst war: die
wurde. Dieser entwickelte sich dabei zu einem lichten           höchsten Flächen waren von der Hartholzaue besetzt, da-
Hudewald, in dem vielfach einige Eichen geschützt wur-          runter folgte die Weichholzaue und nach dem Weidenge-
den, damit sie als Mastbäume Eicheln für die im Wald            büsch das Röhricht (Abb. 4). In diese Wälder drangen in
weidenden Schweine liefern konnten (Abb. 2). Derartige          der Vorrömischen Eisenzeit um 550 v. Chr. die Menschen
Hudewälder gab es vom Neolithikum bis in die Neuzeit            ein. Sie rodeten die höchstgelegenen und damit sichersten
und an wenigen Stellen sind Reste davon noch bis heute          Flächen und legten Siedlungen an, von denen mehrere an
erhalten geblieben. In der Vorrömischen Eisenzeit waren         der Ems von W. Haarnagel (1969) sorgfältig gegraben
sie in den Siedlungsgebieten weit verbreitet. Zum ande-         wurden. Hatzum-Boomborg ist die wichtigste von ihnen.
ren war es die ebenfalls seit dem Neolithikum betriebene        Die Hartholzaue wurde von den Bewohnern zerstört und
Laubheugewinnung, bei der im Herbst Zweige vor allem            verschwand endgültig während der folgenden Siedlungs-
von Esche, Ulme und Linde, aber auch von anderen Bäu-           phase in der Römischen Kaiserzeit. Bis zum Mittelalter
men geschnitten wurden, um das Laub zu trocknen und             wurde dann auch die Weichholzaue zur Wirtschaftsfläche
es im Winter als Futter für das Vieh zu benutzen. Bäume,        und heute gibt es dort keine Wälder mehr.
die regelmäßig geschneitelt wurden, bekamen dadurch
ein ganz charakteristisches Aussehen, wie man es noch           Erst das Holzmaterial aus den archäologischen Untersu-
heute auf dem Balkan und in entlegenen Alpentälern fin-         chungen lieferte die Erkenntnis, dass es derartige Hart-
den kann (Abb. 3).                                              holzauenwälder auch an den Unterläufen der großen
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Abb. 4. Querschnitt durch den Uferwall in einer Flussmarsch mit der ursprünglichen Bewaldung. Die Zonierung der Gehölze richtete
                                               sich nach der Überflutungshäufigkeit.

                                                                   nordwestdeutschen Flüsse gegeben hat (Abb. 5). Heute
                                                                   gibt es von ihnen in Mitteleuropa nur noch wenige Re-
                                                                   likte, z. B. am oberen Rhein, der mittleren Donau oder
                                                                   an der Theiß.

Abb. 5. Vegetation und Besiedlung vor und während der
Vorrömischen Eisenzeit in der Flussmarsch der unteren Ems.            Die Entwicklung des Ackerbaus und die
Die ersten Siedler drangen in die höchstgelegenen Bereiche des             ersten Umweltverwüstungen
Uferwalles ein, die von einem Hartholzauenwald eingenommen
wurden, und vernichteten diesen in wenigen Jahrhunderten.          Die Vorrömische Eisenzeit ist in Norddeutschland durch
Auch die Weichholzaue wurde bald genutzt; demgegenüber             das erstmalige Auftreten großer planmäßiger Flursysteme
 blieben die rückseitig gelegenen Moore siedlungsfeindlich.
53
                                      Vegetation und Landschaft im Norddeutschen Tiefland

Abb. 6. Das Celtic field von Vaassen in den nördlichen           Abb. 7. Das Celtic field von Flögeln-Haselhörn/Niedersachsen.
Niederlanden ist eine der am besten erhaltenen Kammerfluren      A: aufgemessene erhaltene Wälle, B: ehemalige Wälle nach
aus der Vorrömischen Eisenzeit und zeigt noch heute die damals   Luftaufnahmen, C Grabungsfläche Flögeln-Eekhöltjen (aus
angelegten Wälle. Die schwarzen Punkte sind Grabhügel (aus                             Zimmermann 1976).
                       Brongers 1976).

gekennzeichnet. Es sind Kammerfluren, die bereits in der
späten Bronzezeit in England bekannt und dort unter dem
Namen ‘Celtic fields’ beschrieben worden sind. Losge-
löst von der ethnischen Herkunft ist dieser unglücklich
gewählte Name auch für das festländische Europa beibe-
halten worden. Sie sind hier zahlreich von den Niederlan-
den über Norddeutschland bis nach Südskandinavien und
in das Baltikum verbreitet; in Dänemark nennt man sie
‘Oldtidsagre’ (Abb. 6 und 7). Ihre Größe reicht von weni-
gen ha bis zu mehreren hundert ha. Allein im nördlichen
Elbe-Weser-Dreieck sind durch moderne Befliegungen
und die Auswertung alliierter Luftaufnahmen aus dem
Zweiten Weltkrieg inzwischen mehr als 80 dieser Fluren
bekannt (Zimmermann 1995). Besonders eingehend unter-
sucht wurden sie zunächst in den Niederlanden bei Vaas-
sen (Brongers 1976), danach in Nordwestdeutschland bei
Flögeln (Zimmermann 1976; 1995; Gebhardt 1976; Behre
2000) und später in Nord-Estland (Lang 1994); dort sind
sie überall auch besonders gut erhalten.

An dieser Stelle kann nur eine kurze Zusammenfassung
der Entwicklung dieser Fluren gegeben werden.

Gemeinsam ist allen Celtic fields die Aufteilung in recht-
eckige Kammern. Die festländischen Celtic fields sind so-
wohl in den Niederlanden wie auch in Nordwestdeutsch-
land durch ein System breiter Wälle gekennzeichnet, die
die Netzmaschen umgeben (Abb. 8 und 9). In Flögeln               Abb. 8. Schnitt durch einen Wall des Celtic field von Flögeln-
sind diese zwischen 8 und 16 m breit und erreichen eine                         Haselhörn (Foto Zimmermann).
Höhe von bis zu 80 cm. Sie sind im Walde zum Teil noch
hervorragend erhalten, da das Gebiet wahrscheinlich seit
der Urgeschichte nicht mehr beackert worden ist. Unter
diesen Wällen war in der Regel die alte PCF(Prä-Celtic-          zeigen die Baumpollenkurven das bereits beschriebene
Field)-Oberfläche noch vorhanden.                                Ausklingen der Linde und die Ausbreitung der Buche in
                                                                 der Vorrömischen Eisenzeit. Die in den Proben 18 und
Das Pollendiagramm aus einem solchen Wall (Abb. 10)              19 erfasste PCF-Oberfläche weist für Pollenanalysen
gibt Aufschluss über die Bewirtschaftung. Zunächst               extrem hohe und ungewöhnliche Werte vom Getreide-
54                                                 Karl-Ernst Behre

                                                              Typ auf. Damit ist ein langdauernder Ackerbau in dieser
                                                              Ebene nachgewiesen. Um diese Zeit war die Umgebung
                                                              offen, denn der dominierende Erlenpollen stammt aus
                                                              den benachbarten Niederungen und in der näheren Um-
                                                              gebung wurde nur wenig Baumpollen erzeugt. Die Pro-
                                                              ben ab Nr. 16 kommen aus dem Wallauftrag. Wie die
                                                              immer noch sehr hohen Getreidewerte zeigen, betrieb
                                                              man auf dem Wall ständig weiter Ackerbau. Dabei er-
                                                              kennt man aus dem allmählich auf- oder absteigenden
                                                              Verlauf der Baumpollenkurven, dass der Bodenauftrag
                                                              nicht in einem Zuge, sondern nach und nach erfolgte.
                                                              Die Verarmung der Umgebung, die auch die Düngung
                                                              notwendig machte, wird durch die Podsolierung und
                                                              die stark zunehmende Verheidung angezeigt, die sich in
                                                              Bracheperioden dort ausbreitete. Ein Teil des Heidepol-
                                                              lens dürfte auch durch Bioturbation von der im Mittel-
                                                              alter verheideten Oberfläche in den Boden gelangt sein.
                                                              Dieses gilt auch für den steilen Gipfel der Kiefer, der
                                                              auf die in den letzten 200 Jahren angelegten Kiefernfor-
                                                              sten zurückzuführen ist.

                                                              Für die frühe Zeit der PCF ist eine Parzellenstruktur nicht
                                                              nachgewiesen. Erst danach wurden die Wälle als Acker-
                                                              flächen angelegt und ständig aufgehöht. Da der Anbau
                                                              nicht mehr auf der ebenen Fläche, sondern auf den Wäl-
                                                              len stattfand, wird diese Ackerform z. T. auch als ‘Celtic
                                                              banks’ bezeichnet.
Abb. 9. Wallaufbau im Celtic field von Flögeln-Haselhörn.
Über dem gewachsenen Boden liegen hier mehr als 60 cm         Der Nährstoffgehalt der Wälle ist stark erhöht. Dieses
  Auftrag aus Humus und Mineralboden (Foto Gebhardt).         wurde durch zahlreiche Phosphatbestimmungen nachge-

                                                              Abb. 10. Wallaufbau und vereinfachtes Pollendiagramm aus
                                                              dem Celtic field von Flögeln-Haselhörn. Die mit bis zu 34 %
                                                              extrem hohen Pollenwerte vom Getreide-Typ im PCF-Horizont
                                                              zeigen, dass dort bereits vor der Anlage der Wälle intensiv
                                                              Ackerbau betrieben worden ist, der sich dann in der jüngeren
                                                              Auftragsphase auf den Wällen fortsetzte (aus Behre/Kučan
                                                                                         1994).
55
                                    Vegetation und Landschaft im Norddeutschen Tiefland

         Abb. 11. Schematische Darstellung der Entwicklung und des Aufbaus der Celtic fields von Flögeln-Haselhörn.

           Abb. 12. Rekonstruktion der Bewirtschaftung der Celtic fields von Flögeln-Haselhörn (Zeichnung Haupt).

wiesen, die aus den Wällen mit 600–900 ppm Phosphor             fields gebracht (Abb. 11). Damit sind die Wälle der Cel-
um vielfach höhere Werte ergaben, als aus den natür-            tic fields bei Flögeln sowohl mit organischem Dünger
lichen Böden außerhalb der Altackerfluren, die nur 50–          als auch mit mineralischem Dünger aus dortigen Böden
150 ppm erbrachten. Die Parzellen innerhalb der Wälle           gezielt verbessert worden, hinzu kamen Abfälle aus den
liegen mit ihren Phosphatwerten dazwischen. Weitere             Siedlungen.
bodenkundliche Untersuchungen (Gebhardt 1976) ha-
ben gezeigt, dass die Aufträge der Wälle nicht nur aus          Das Einsammeln des aufgebrachten Humusbodens führte
Humus, sondern auch aus Mineralboden bestehen (Abb.             zur teilweisen Entblößung der umgebenden Waldböden,
11). Der letztere wurde nachweislich z. T. über eine ge-        und da auch die Mineralbodenentnahme offensichtlich
wisse Entfernung aus einem Parabraunerdegebiet in die           flächig erfolgte, verstärkte dieses noch die Eingriffe in
auf armen Podsolen liegenden Teilgebiete der Celtic             die natürliche Oberfläche (Abb. 12). In jener Zeit kam es
56                                                          Karl-Ernst Behre

Abb. 13. Die Kurve der Siedlungszeiger im Pollendiagramm Immenmoor zeigen den Ablauf der Bewirtschaftung der benachbarten Celtic
fields von Flögeln-Haselhörn: Zwischen 700 v. Chr. und 100 n. Chr. fand eine viermalige Rotation statt. Diese reflektieren auch die Glühreste
der Torfe, die den aus den Äckern eingewehten Sand anzeigen. Nach 100 n. Chr. ändert sich die Wirtschaftsweise (aus Behre/Kučan 1994).

im Umkreis der Celtic fields zu den ersten großen Um-                    viermalige Rotation der Bewirtschaftung mit Abständen
weltverwüstungen, und zwar in einem Umfang, wie man                      von jeweils etwa 200 Jahren stattgefunden. Der beschrie-
ihn sich heute nicht mehr vorstellen kann. Dabei spielt                  bene Rotationsverlauf läßt sich auch in den Glührestkur-
eine besondere Rolle, dass die Celtic fields teilweise                   ven deutlich erkennen, in denen die Einwehung von Sand
mehr als 100 ha abdecken und auf armen Altmoränenbö-                     aus den Ackerflächen in den Torf sichtbar wird.
den liegen, bei denen eine natürliche Waldregeneration
nur sehr langsam stattfindet.                                            Der Nachweis dieses langjährigen Rotationssystems in
                                                                         den Pollendiagrammen endet um 100 n. Chr. und ent-
Wann diese jüngere Phase mit dem Aufbringen des                          spricht damit der Scherbendatierung. Wie weiter un-
Bodenmaterials einsetzt, ließ sich bisher nicht exakt                    ten gezeigt wird, findet um diese Zeit auch ein starker
datieren. Der Schleier aus Scherben, der mit dem or-                     Wechsel in der Zusammensetzung der Kulturpflan-
ganischem Hausabfall auf die Äcker kam und aus den                       zenarten statt. Bemerkenswert ist, dass man bei jener
Grabungsschnitten geborgen wurde, reicht zeitlich vom                    Rotation nicht den Auftrag der verlassenen Ackerwäl-
ersten vorchristlichen bis zum ersten nachchristlichen                   le nutzte, denn man konnte ja nicht voraussehen, dass
Jahrhundert, mit einzelnen Stücken auch noch in das                      man nach mehreren Generationen wieder dorthin zu-
frühe zweite Jhdt., umfasst aber offenbar nur den jün-                   rückkehrte.
geren Abschnitt dieser Wirtschaftsform, die um 100
n. Chr. endet.                                                           Derartige Kammerfluren gibt es auch in Schleswig-Hol-
                                                                         stein im Ausselbeker Gehege. Abweichend von früheren
Sowohl von dem niederländischen Vaassen wie auch von                     Vorstellungen zeigen die neueren Untersuchungen von
Flögeln wird angenommen, dass von den ausgedehnten                       Klamm (1997) und Menke (1997), das auch hier eine ähn-
Celtic fields jeweils nur ein Teil gleichzeitig beackert wor-            liche Entwicklung ablief, wie sie von Flögeln beschrieben
den ist. Diese Vorstellung konnte in den Pollendiagrammen                wurde. Die dortigen Äcker waren zunächst flächenhaft,
aus den Kesselmooren der Siedlungskammer Flögeln sehr                    entsprechend konnten auch unter den Wällen Pflugspuren
klar bestätigt werden (Abb. 13; Behre/Kučan 1994). Diese                 nachgewiesen werden. In der Spätphase der Ackerperiode
zeigen einen ausgeprägten Rhythmus der wichtigsten Sied-                 wurden dann Wälle aus Lehm und Humus aufgetragen,
lungszeigerkurven. Nach diesen Befunden hat hier eine                    auf denen sich der Ackerbau nun fortsetzte.
57
                                    Vegetation und Landschaft im Norddeutschen Tiefland

Eine andere Form der Celtic fields bilden die vor allem        Heideplaggen zu sogenannten Plaggeneschen aufgehöht
aus England beschriebenen Fluren. Sie besitzen eben-           wurden.
falls eine Kammerung, doch anders als auf dem Fest-
land erfolgte dort die Beackerung in den Parzellen             Das wichtigste Ackergerät war der Pflug. Auch hier hat
selber. Die sie umgebenden Wälle sind so schmal oder           es in der Vorrömischen Eisenzeit eine wichtige Innova-
bestehen zum Teil aus abgelegten Steinen, dass sie als         tion gegeben, indem in deren jüngerem Abschnitt erst-
Begrenzungswälle anzusehen sind. Nicht selten sind             mals der schollenwendende Streichbrettpflug auftritt.
dort aus den Parzellenflächen auch Pflugspuren nach-           Seine Pflugspuren wurden sowohl in der Marsch wie auf
gewiesen. Zum Teil dürfte es sich hier um nicht bis zum        der Geest nachgewiesen, sind aber insgesamt noch sehr
Ackerwallstadium ausgereifte Celtic fields handeln, in         selten. Jedenfalls ist dessen Einführung nicht mit dem
vielen Fällen war wegen der kalkreichen Böden aber             System der Celtic fields verbunden, denn wie zahlreiche
auch keine nachhaltige Düngung nötig und so blieb die          Funde von inzwischen eisenbewehrten Pflugscharen des
Kammerstruktur erhalten, ohne dass Ackerwälle ent-             Ards gezeigt haben, war dieser weiterhin das wichtigste
standen.                                                       Pfluggerät (Zimmermann 1995).

Der wesentliche Fortschritt des Ackerbaus in der Vorrö-
mischen Eisenzeit ist demnach die Einführung der inten-          Änderungen in der Zusammensetzung der
siven Düngung armer Böden. Es gibt zwar gelegentliche                       Kulturpflanzen
Hinweise auf Düngung, die vielleicht schon seit dem
späten Neolithikum stattfand, doch wurde dazu zumeist          Die Kenntnisse über die Artenzusammensetzung und
Viehdung benutzt. Zur Düngung der Celtic fields wurde          insbesondere zur Häufigkeit der einzelnen Kulturpflan-
erstmals in großem Umfang gesammeltes und gegrabenes           zenarten sind für das Norddeutsche Tiefland noch lüc-
Bodenmaterial aus Humus und Mineralboden eingesetzt,           kenhaft und können sich durch Neufunde noch deutlich
dessen mächtige Akkumulationen sich bis heute erhalten         verändern.
haben. Auch an anderen Orten, wo auf armen Böden Äc-
ker der Vorrömischen Eisenzeit nachgewiesen sind, wenn         Die ursprünglich begrenzte Artenzahl hatte sich bereits
auch nicht in der Art der Celtic fields, wurden sie in ähn-    in der jüngeren Bronzezeit durch das Eintreffen von
licher Weise gedüngt. Bereits seit langem bekannt sind         Hirse, Dinkel und Linse aus dem Süden und das Wie-
die Plaggenböden auf der Insel Sylt, die von Kroll (1987)      derauftreten von Erbse und Lein deutlich vermehrt.
eingehend untersucht worden sind. Dort benutzte man            Hinzu kamen Pferdebohne und als weitere Ölpflanze
in der Vorrömischen Eisenzeit Plaggen aus Heiden und           neben dem Lein der Leindotter, die sich in Deutschland
Sumpfwiesen der Geest, später wurde auch Marschboden           allgemein erst in der Jüngeren Bronzezeit ausgebreitet
aufgetragen. Diese Art von Plaggenwirtschaft wurde je-         haben, und auch der Saathafer erschien jetzt mit al-
doch anders durchgeführt als die mittelalterliche, die mit     lerersten Körnern. Damit war ein guter Grundbestand
dem „ewigen“ Roggenanbau verbunden war (vgl. Behre             vorhanden, der sich in der Vorrömischen Eisenzeit vor
2008).                                                         allem quantitativ erheblich veränderte, wobei es aber
                                                               deutliche Unterschiede zwischen dem Westen und dem
Das Wirtschaftssystem der Celtic fields und mit ihm die        Osten des Tieflandes gab, die zum Teil auf die ver-
beschriebene Humus- und Mineraldüngung endet um                schiedenen Bodenqualitäten zurückzuführen sind (vgl.
100 n. Chr. Über die Form des Ackerbaus in der fol-            Tab. 1).
genden Römischen Kaiserzeit ist kaum etwas bekannt.
Es fehlen dort jedoch zu Düngezwecken aufgetragene             Bereits völlig im Anbau verschwunden war hier das Ein-
Böden. Da vor allem im Altmoränengebiet kontinuier-            korn als einfachste Weizenart. Als Hauptgetreide wurden
licher Ackerbau ohne Düngung nicht möglich ist, muss           Emmer und die beiden Gerstenformen Nackt- und Spelz-
man eine geregelte Wechselwirtschaft mit Brachezeiten          gerste kultiviert. Nur die Rispenhirse spielte daneben
annehmen, während der die Böden durch Vieheintrieb             noch eine wichtige Rolle, während der Dinkel bislang
gedüngt wurden. Ein wichtiger Faktor dürfte dabei die          nur aus dem Beginn der Periode in Hamburg-Langenbek
großflächige Einführung des Roggens um 100 n. Chr.             sicher nachgewiesen ist (Kučan 1986) und auch in späte-
sein. Dieser gedeiht auch auf ärmeren Böden und da             ren Abschnitten fehlt.
er damals als Sommerroggen angebaut wurde (Behre
1992), gab es im Winter Brachezeiten, die zur Bewei-           Saathafer und Kulturroggen wurden in der Vorrömischen
dung genutzt werden konnten. Dieses änderte sich, als          Eisenzeit wahrscheinlich zum Teil in Norddeutschland
man im Mittelalter den Winterroggen einführte, der             entwickelt, waren aber erst sehr gering vertreten (Tab.
zudem im „ewigen Roggenbau“ ständig auf den glei-              1). Der Saathafer wurde aus dem hier vorkommenden
chen Feldern kultiviert wurde. Damit wurde eine re-            Flughafer domestiziert. Sein wichtigster vorchristlicher
gelmäßige Düngung mit Material von außen nötig und             Fundplatz ist Rullstorf bei Lüneburg, wo ein großer Fund
es entwickelte sich die im Nordwesten weit verbreitete         inzwischen mehrfach bearbeitet worden ist (Kroll 1980;
Plaggenwirtschaft, bei der die Ackerflächen zumeist mit        zuletzt Kirleis 2003). Ab Christi Geburt gehört der Saat-
58                                                   Karl-Ernst Behre

                               JBZ        Vorrömische EZ           Röm. Kaiserzeit
                                            frühe     späte
                                       -800                      ±0     +100

 Emmer               NW        ●●●        ●●           ●           ◦        ◦              Triticum dicoccon
                     NO        ●●●        ●●           ●●●         ●●       ●●
 Nacktgerste         NW        ●●●        ●●●●         ●●●●        ●●                      Hordeum vulgare nudum
                     NO        ●●         ●            ●●                   ●●
 Spelzgerste         NW        ●●●●       ●●●●         ●●●         ●●       ●●●●           Hordeum vulgare
                     NO        ●●●●       ●●●          ●●●●                 ●●●●
 Nacktweizen         NW        ●          ●            ●           ◦        ◦              Triticum aestivum s. l.
                     NO        ●          ●            ●           ●●       ●●
 Dinkel              NW                   ●                                                Triticum spelta
                     NO        ●                       cf.
 Rispenhirse         NW        ●          ●            ●●          ●●       ●●             Panicum miliaceum
                     NO        ●●         ●            ●●                   ●●●
 Saathafer           NW        cf.        ●            ●           ●●       ●●             Avena sativa
                     NO        cf.        cf.          cf.                  ●
 Roggen              NW                   ◦                        ●        ●●●            Secale cereale
                     NO        ◦          ●            ●                    ●●●
                     NW                                ●                    ●
 Erbse               NO        ●          ●            ●                    ●              Pisum sativum

 Linse               NW                                                                    Lens culinaris
                     NO        ●●         ●            ●
 Pferdebohne         NW        ●          ●            ●●          ●●       ●●             Vicia faba
                     NO        ●●         ●            ●●                   ●
 Lein                NW        ●          ●●           ●●          ●●       ●●             Linum usitatissimum
                     NO        ●          ◦            ●●●         ●●       ●●
                     NW        ●          ●            ●           ●        ●●
 Leindotter          NO        ●          ●            ●                                   Camelina sativa

Tab. 1. Die wichtigsten Kulturpflanzen zwischen Jungbronzezeit und Römischer Kaiserzeit im Norddeutschen Tiefland. Die Punkte
geben die durchschnittliche Häufigkeit an, cf. bedeutet unsichere Bestimmung. Die Entwicklung verlief im Westen und Osten des
                            Tieflandes unterschiedlich und ist deshalb in getrennten Zeilen angegeben.

hafer dann zum festen Bestand der allgemein angebauten           Pferdebohne in der Vorrömischen Eisenzeit und später
Kulturpflanzen.                                                  durch, während der Linsenanbau in Norddeutschland
                                                                 offenbar am Ende der Periode eingestellt wurde. Der
Demgegenüber wurde der Roggen bereits früh in Ana-               Lein als Öl- und Faserpflanze und der Leindotter brei-
tolien domestiziert, kam zu uns jedoch nur als Unkraut           teten sich ebenfalls deutlich aus.
und durchsetzte die Getreidefelder. Er war noch nicht
als Kulturpflanze anerkannt und wurde nach Mög-                  Zum Schluss der Vorrömischen Eisenzeit fand dann ein
lichkeit ausgemerzt. Erst durch die Klimaverschlech-             erheblicher Wechsel beim Getreidebau statt. Im Nord-
terung während der Vorrömischen Eisenzeit erkannte               westen verschwand der Emmer auf den Geestböden
man seine im Gegensatz zu anderen Getreiden sehr zu-             vollständig, wurde aber in den feuchten Marschen und
verlässigen Erträge auch unter schlechten Klima- und             ebenso im Nordosten noch bis in das Mittelalter in be-
Bodenbedingungen. Bei der Ausbreitung geholfen hat               schränktem Umfang weiter kultiviert. Etwas später, um
ihm dabei die Einführung der bodennahen Ernteweise               100 n. Chr., verschwand im Nordwesten die Nacktgerste,
an Stelle der Ährenernte. Dadurch konnten seine ur-              die bis dahin eine wichtige Rolle gespielt hatte. Gleich-
sprünglich unerwünschten Ähren nicht mehr so leicht              zeitig mit deren Niedergang setzte sprunghaft starker
ausgelesen werden; er geriet beim Dreschen verstärkt             Roggenanbau ein.
in das Saatgut und konnte jetzt auf dem Acker seine
Fähigkeiten zeigen, die dann anerkannt wurden. Es                Wie wir seit einiger Zeit wissen, wurde bereits damals
wurde hier eine Art, die bereits alle Kulturpflanzen-            der Roggen zusammen mit der schon vorhandenen
merkmale mitbrachte, verspätet gezielt angebaut;                 Spelzgerste eine der zwei wichtigsten Kulturpflanzen.
dieser Vorgang, der beim Roggen offenbar mehrfach                Auf Grund der pollenanalytischen Daten wurde die er-
während der Vorrömischen Eisenzeit in getrennten                 ste starke Roggenausbreitung bisher in das Mittelalter
Gebieten Mittel- und Osteuropas stattfand, wird als              gelegt, denn die Pollenwerte in der ersten Hälfte des
Akkulturation bezeichnet (Behre 1992). Der gezielte              ersten Jahrtausends sind noch relativ gering. Im ar-
Roggenanbau war in der Vorrömischen Eisenzeit je-                chäobotanischen Roggenmaterial aus dieser Zeit zeigen
doch noch gering, meist wuchs der Roggen in Misch-               jedoch die beigemengten Unkräuter, dass es sich hier
kulturen. An Leguminosen setzten sich Erbse und                  im Gegensatz zum mittelalterlichen Winterroggen um
59
                                    Vegetation und Landschaft im Norddeutschen Tiefland

Sommerroggen handelt, und es wird angenommen, dass             cultivation was practiced by large scale manuring with
dieser wesentlich weniger Pollen streut als der Winter-        humus and mineral soil. The stock of cultivated plants
roggen. Das konnte allerdings noch nicht nachgeprüft           changed considerably in the Pre-Roman Iron Age. Dur-
werden, weil es so gut wie keinen Sommerroggenanbau            ing this period rye as well as oats were grown for the
mehr gibt. Die plötzliche starke Zunahme des Roggens           first time as cultivated plants although in small quantities
um 100 n. Chr. wird damit erklärt, dass der Roggen als         only. The main crops were the two forms of barley, Em-
Nacktgetreide von der aufgegebenen Nacktgerste die             mer and beside these millet, supplemented by flax, gold-
Funktion als Hauptbrotgetreide übernahm, denn die              of-pleasure as well as pie and horse bean. In the West a
noch verbliebene Spelzgerste war zum Backen wenig              sharp change occurred around AD 100 in the course of
geeignet. Bemerkenswert an diesem Befund ist, dass je-         which the up to then much cultivated naked barley disap-
ner starke Wechsel bei den Getreidearten, zu dem auch          peared and was replaced by rye. This is explained by the
noch die volle Ausbreitung des Saathafers gehört, mit          use of rye as new grain for bread.
dem Ende der Bewirtschaftung in Form der Celtic fields
zusammenfällt.
                                                                               Anschrift des Verfassers
                 Zusammenfassung                               Prof. Dr. Karl-Ernst Behre, Niedersächsisches Institut für
                                                               historische Küstenforschung, Postf. 2062, D-26360 Wil-
Während der Vorrömischen Eisenzeit bestanden die na-           helmshaven, E-mail behre@nihk.de
türlichen Gehölze auf den Altmoränenböden des Nord-
westens überwiegend aus Eichenwäldern, im Nordosten
kamen erhebliche Anteile der Kiefer sowie in geringerer                                    Literatur
Zahl der Linde hinzu. Im Laufe dieser Zeitperiode fand
in beiden Teilgebieten die erste Ausbreitung von Buche         Behre 1985
und Hainbuche statt, im Osten stärker als im Westen. Die           K.-E. Behre, Die ursprüngliche Vegetation in den deutschen
Wälder wurden durch Waldweide und Laubfutterentnah-                Marschgebieten und deren Veränderung durch prähistorische Be-
me aufgelichtet und es kam zunehmend zu Verheidun-                 siedlung und Meeresspiegelbewegungen. Verhandl. Gesellsch.
gen. Der Ackerbau erfuhr einen starken Umbruch durch               Ökologie 13, 1985, 85–96.
die Ausbildung großer planmäßiger Kammerfluren, den            Behre 1992
‘Celtic fields’. Diese liegen zumeist auf armen Böden              K.-E. Behre, The history of rye cultivation in Europe. �����������
                                                                                                                            Vegetation
und zu ihrer Bewirtschaftung wurde zum ersten Male                 Hist. Archaeobotany 1, 1992, 141–156.
intensive Humus- und Mineralbodendüngung betrieben.            Behre 2000
Im Kulturpflanzenbestand fanden in der Vorrömischen                K.-E. Behre, Frühe Ackersysteme, Düngemethoden und die Ent-
Eisenzeit vielfache Veränderungen statt. In dieser Zeit            stehung der nordwestdeutschen Heiden. Arch. Korrbl. 30, 2000,
wurden erstmals Roggen und Saathafer als Kulturpflan-              135–151.
ze angebaut, jedoch nur in geringen Mengen. Die beiden         Behre 2008
Gerstenformen, Emmer und daneben Rispenhirse bilde-                K.-E. Behre, Landschaftsgeschichte Norddeutschlands (Neumün-
ten das Hauptgetreide, ergänzt durch Lein, Leindotter              ster 2008).
sowie Erbse und Pferdebohne. Um 100 n. Chr. erfolgte           Behre/Kučan 1994
im Westen ein scharfer Wechsel, indem die bis dahin                K.-E. Behre/D. Kučan, Die Geschichte der Kulturlandschaft und
viel kultivierte Nacktgerste verschwand und durch den              des Ackerbaus in der Siedlungskammer Flögeln, Niedersachsen,
Roggen ersetzt wurde. Erklärt wird dieser Befund mit der           seit der Jungsteinzeit. Probleme Küstenforsch. südl. Nordseegebiet
Verwendung des Roggens als neuem Brotgetreide.                     21 (Oldenburg 1994).
                                                               Bittmann 2004
                                                                   F. Bittmann, Vegetations- und Landschaftsgeschichte. In: M. Fan-
                       Summary                                     sa/F. Both/H. Haßmann (Hrsg.) Archäologie Niedersachsen 2004,
                                                                   53–62.
During the Pre-Roman Iron Age the woodland on the              Brande 1996
old moraine soils mainly consisted of oak forests. In the          A. Brande, Type Region D-s, Berlin. In: Berglund, B. u.a. (Hrsg.)
Northeast they were supplemented by a considerable                 Palaeoecological events during the last 15 000 years, Wiley (Chich-
share of pine and some linden. During this period the              ester 1996) 518–523.
spread of beech and hornbeam took place in both re-            Brongers 1976
gions, in the east stronger than in the west. The forests          J. A. Brongers, Air photography and Celtic field research in the
were thinned out by grazing and the gathering of leaf              Netherlands. Nederlandse
                                                                                �����������������������������
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fodder, and heathland increased. Agriculture changed           Freund 1994
dramatically by the creation of large field systems in             H. Freund, Pollenanalytische Untersuchungen zur Vegetations-
rectangular patterns, the so-called Celtic fields. In most         und Siedlungsentwicklung im westlichen Weserbergland. Abhandl.
cases they are situated on poor soils and for the first time       Westfäl. Museum f. Naturkunde 56/1 (Münster 1994).
60                                                             Karl-Ernst Behre

Gebhardt 1976                                                             Kučan 1986
    H. Gebhardt, Bodenkundliche Untersuchungen der eisenzeitlichen            D. Kučan, Ältereisenzeitliche Kulturpflanzenreste aus der Sied-
    Ackerfluren von Flögeln-Haselhörn, Kr. Wesermünde. Probleme               lung Hamburg-Langenbek. Probleme Küstenforsch. südl. Nord-
    Küstenforsch. südl. Nordseegebiet 11, 1976, 91–100.                       seegebiet 16, 1986, 87–98.
Haarnagel 1969                                                            Lang 1994
    W. Haarnagel, Die Ergebnisse der Grabung auf der ältereisenzeitli-        V. Lang, Celtic and Baltic fields in North Estonia. Acta
                                                                                                                                  ���������������
                                                                                                                                       Arch. 65,
    chen Siedlung Boomborg/Hatzum, Kreis Leer, in den Jahren 1965             1994, 203–219.
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Jahns/Herking 2002                                                            B. Menke, Vegetations- und Bodenentwicklung im Bereich der cel-
    S Jahns/Ch. Herking, Zur holozänen und spätpleistozänen Vege-             tic fields im Gehege Ausselbek bei Ülsby, Kreis Schleswig-Flens-
    tationsgeschichte im westlichen unteren Odergebiet. Röm.-Germ.            burg. Offa 52, 1995 (1997), 7–28.
    Forsch. 60, 33–48 (Mainz 2002).                                       Overbeck 1975
Kirleis 2003                                                                  F. Overbeck, Botanisch-geologische Moorkunde (Neumünster 1975).
    W. Kirleis, Vegetationsgeschichtliche und archäobotanische Un-        Schoknecht 1996
    tersuchungen zur Landwirtschaft und Umwelt im Bereich der prä-            Th. Schoknecht, Pollenanalytische Untersuchungen zur Vegetations-,
    historischen Siedlungen bei Rullstorf, Ldkr. Lüneburg. Probleme           Siedlungs- und Landschaftsgeschichte in Mittelmecklenburg. Beitr. z.
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Klamm 1997                                                                Wolters 2002
    M. Klamm, Archäologische und bodenkundliche Untersuchungen                S. Wolters, Vegetationsgeschichtliche Untersuchungen zur spätgla-
    der eisenzeitlichen Ackerflur im Gehege Ausselbek bei Ülsby,              zialen und holozänen Landschaftsentwicklung in der Döberitzer
    Kreis Schleswig-Flensburg. Offa 52, 1995 (1997), 29–43.                   Heide (Brandenburg). Diss. Botanicae 388 (Stuttgart 2002).
Krausch 1965                                                              Zimmermann 1976
    H.-D. Krausch, Natürliche Vegetation 1:650 000. Historischer             W. H. Zimmermann, Die eisenzeitlichen Ackerfluren – Typ „Celtic
    Handatlas von Brandenburg und Berlin (Berlin 1965).                      field“ – von Flögeln-Haselhörn, Kr. Wesermünde. Probleme Kü-
Kroll 1980                                                                   stenforsch. südl. Nordseegebiet 11, 1976, 79–90.
    H. Kroll, Einige vorgeschichtliche Vorratsfunde von Kulturpflan-      Zimmermann 1995
    zen aus Norddeutschland. Offa 37, 1980, 372–383.                         W. H. Zimmermann, Ackerbau in ur- und frühgeschichtlicher Zeit
Kroll 1987                                                                   auf der Geest und in der Marsch. In: H.-E. Dannenberg/H.-J. Schul-
    H. Kroll, Vor- und frühgeschichtlicher Ackerbau in Archsum auf           ze (Hrsg.), Geschichte des Landes zwischen Elbe und Weser 1 (Sta-
    Sylt. Röm.-Germ. Forsch. 44, 1987, 51–158.                               de 1995) 289–315 .
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