Kunst & Kontext #17 Juni 2019 - Kunst&Kontext
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Kunst & Kontext Außereuropäische Kunst und Kultur im Dialog # 17 Juni 2019 Sammeln in Karamoja 2018 Arktis-Sammlungen in der Schweiz Kunstkammer Berlin (1800– 1856) 6,50 Euro
www.shikra.de | Traditionelle und Zeitgenössische Afrikanische Kunst Fotografie - Limitierte Editionen Antiquarische Kunstbücher mit Sonderabschnitt aus der Kegel-Konietzko Sammlung 10 Jahre shikra – ausgesuchte afrikanische Kunst shikra wurde im August 2005 als Online-Galerie für traditionelle und moderne afrikanische Kunst gegründet. shikra präsentiert eine erlesene Auswahl verschiedenster Kunst- gegenstände aus zahlreichen afrikanischen Ländern. shikra Ansorgestr. 5, 22605 Hamburg, Germany Phone: +49 (0)175-245 08 68 info@shikra.de · www.shikra.de
Vorab! Die Themen dieses Heftes sind beispielhaft für die vier nur träumen können. Astrid Gonnon begann mit ihrer Säulen einer Objekt-orientierten Provenienzforschung: Arbeit zu Parkas aus Darm- oder Fischhaut, als Martin Kooperation mit Herkunftsgemeinschaften – Überblick noch wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bernischen Hi- zu vielen Sammlungsbeständen – Objektbiographie – storischen Museums war. Ihr Beitrag zeigt die mögliche Systematische Sammlungsbearbeitung. Bereits im neun- Tiefe der Analyse. ten Jahr berichten die Autoren in Kunst&Kontext zu die- sen Themen und dokumentieren so den Fortbestand Systematische Sammlungsbearbeitung einer Jahrzehnte alten, wenn auch stets marginalen Tra- Eine Objektgruppe (Federschmuck) – ein Kontinent dition des Faches Ethnologie. (Tiefland Südamerika) – ein Zeitabschnitt (1800-1856) und die Königliche Kunstkammer Berlin. Schon vor zehn Reaktive Kooperation mit Herkunftsgemeinschaften Jahren konnten die Objekte und verschiedene Inventar- Während sich im November 2018 eine missionarische bücher fotografiert werden, dadurch war eine Inventur Welle zur „Restitution“ aufbaute, fand im Nordosten und Feststellung des Fehlbestandes möglich. Seit Som- Ugandas eine Sammeltour statt. Sammeln in Afrika heu- mer 2018 wurden die Aktenjahrgänge zwischen 1800 und te? Geht das? Darf man das? Ja, es geht und man darf, 1856 in drei Archiven durchsucht und die Eingangslisten denn die etwa 180 Objekte wurden in enger Zusammen- zweier Sammler entdeckt, somit konnten erstmals die arbeit mit der Lira Universität (Uganda) für drei ugandi- diesen im Inventarbuch zugeschriebenen Stücke über- sche Museen gesammelt. Spontan ergab sich bei der Auf- prüft werden. Es zeigte sich, dass ein Teil der Sammlung teilung der Stücke eine weitere Frage: Ist es möglich mit Olfers/Sello nicht – wie bislang vermutet – verschwunden europäischen Museen eine mehrjährige Kooperation zu ist, sondern etwa seit den 1870er-Jahren der Sammlung beginnen? Briefe an sechs Museen wurden formuliert Hoffmannsegg/Sieber zugeschrieben wird. Ursache war und drei Objekte je Institution als Schenkung ausge- die mangelhafte Dokumentation in den 1820er-Jahren. sucht. Die Reaktion in Deutschland war freundlich und Die Zuordnungen zum Sammler, zur Region und zum verhalten – jedenfalls nicht euphorisch und aktiv. Die Ku- Objekttypus sind Rekonstruktionen späterer Zeit und ratorinnen sind bereits mit Projekten ausgelastet, es fehlt viele davon unsicher oder falsch. Einige Fragen mussten das Geld und vielleicht auch ein spontaner Optimismus. leider offen bleiben, denn wegen der Vorbereitungen Dabei wäre es die Gelegenheit wahrzunehmen, was vor zum Humboldt Forum war für den Autor seit über sieben Ort von afrikanischen Museen benötigt wird. Jahren der Zugang zu den Objekten nicht mehr möglich. Arktissammlungen in der Schweiz – Überblick und Die Objekt-orientierte Provenienzforschung ist deut- Objektbiographie lich mehr als der Rekonstruktionsversuch einer Erwerbs- Ausgehend von einer Tagung in Zürich 2018 entstanden situation, der mangels Informationen meist in globalhi- eine Reihe von Artikeln zu den Beständen aus der Arktis storischen Spekulationen endet. Das Objekt vermittelt in Schweizer Museen. Verantwortlicher Redakteur ist prüfbare naturwissenschaftliche Erkenntnisse, die auf Martin Schultz, Nordamerika-Intendent in Göteborg Material, Herstellungstechnik und Nutzungsspuren ba- und Stockholm, der gemeinsam mit den Museen und sieren. Diese Art der Forschung findet heute in den viel- Spezialisten diesen Überblick erarbeitete. Dass auch eine fach umbenannten Museen kaum noch statt, denn es feh- Anzahl kleiner, wenig bekannter Museumssammlungen len die Spezialisten. behandelt ist, zeigt die jahrelangen Recherchen von Mar- tin. Viele Reisen waren notwendig und die Bereitschaft Brüssel, den 19. Juni 2019 der Museen zur Zusammenarbeit. Andreas Schlothauer Restauratoren publizieren seit Jahren die Objektbio- graphien, von denen Kultur- und Sozialanthropologen 1 Kunst & Kontext # 17 Juni 2019
Kunst & Kontext # 17 Juni 2019 Cover-Motiv Karamoja, Uganda Im Dorf Nacara der Matheniko-Karamojong trug Vorab 1 zunächst eine junge Frau die mit Perlen verzierte Lederschürze. Dann stellte sich heraus, dass diese ihrer Mutter gehörte. Anna Aiko ist nach eigenen UGANDA Angaben 55 Jahre alt, und ihre Mutter hat das Stück hergestellt, als sie noch »ein junges Mädchen« war, Sammeln am Mount Moroto 2018 3 d. h. in den 1970er-Jahren. Gemäß den Feldnotizen von Modesta Anamo lautet die indigene Bezeichnung Drei Galerien in Kampala 17 »egete«. Wenn ein Mädchen verheiratet wird, dann legt ihr die Mutter diese Lederschürze an, um zu zeigen, dass der Brautpreis bezahlt wurde. Gleiches A r k t i s - Sa m m l u n g e n gilt, wenn das Mädchen nach einer Scheidung wieder in Schweizer Museen zurückkehrt. Der Umhang erhielt die Sammlungs- nummer LUCT2018.044 und war eines von drei Objek- verantwortlich: Martin Schultz ten, welche die beiden Kuratoren (Peter, Modesta) Einleitung 22 als Schenkung für das Historische und Völkerkunde- museum in St. Gallen aussuchten. Heute trägt es die Arctic Riches Revealed in Swiss Museums 24 Inventarnummer VK2019.016. Cerny Inuit Collection 34 St. Lawrence Island Archaeological Field Project 36 Krieger, Schamane, Walfänger? 44 St. Gallen und die nordamerikanische Arktis 50 Parka Inuit du Groenland 54 Dekorierte Speerschleudern 68 Kunstkammer Berlin Humboldt und die Folgen 71 Wundersame Vermehrung der Sammlung Hoffmannsegg 88 Impressum + Autoren 96 2 Kunst & Kontext # 17 Juni 2019 Inhalt
Sammeln in Uganda für drei ugandische Museen Lira University Collecting Tour 2018 to Karamoja Vom 1. bis zum 9. Dezember 2018 war ein Team von Die Region Karamoja in Uganda insgesamt neun Personen (fünf Ugander, vier Deutsche) im Nordosten Ugandas und erwarb in einem etwa zwan- Im Nordosten Ugandas leben an der Grenze zu Kenia zig-Kilometer-Umkreis um den Ort Moroto insgesamt etwa seit dem 17. Jahrhundert verschiedene Gruppen der 175 Objekte von den Matheniko-Karamojong, den Tepeth Karamojong, die ihren Ursprung in Äthiopien sehen. Sie und den Turkana. Das Sammlungskonzept war zuvor von sind bis heute überwiegend Viehzüchter, sammeln und Andrew Ojulong und Modesta Anamo Okenyi, zwei Mit- jagen aber auch und legen in der Nähe ihrer Siedlungen arbeitern der Lira Universität, formuliert worden. (Beilage) kleine Felder an. Weiterhin gibt es Dörfer der Tepeth mit Gesammelt wurde für drei ugandische Museen: das Kara- eigener Sprache1, die sich in ihrer materiellen Kultur nur moja Museum and Cultural Centre in Moroto, das Lira wenig von den Karamojong unterscheiden. Außerdem University Museum und das Uganda National Museum sind vor einigen Jahren wegen einer Dürreperiode Turka- in Kampala. na aus Kenia eingewandert. Bis etwa 2011 kam es in dem Gebiet häufig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen Abb. 1 Blick auf das Massiv des Mount Moroto (über 3.000 Meter) 3 Kunst & Kontext # 17 Juni 2019 Uganda
Abb. 2 Landkarte von Uganda (Quelle: www.bradtguides.com) Abb. 3 Landkarte des Distrikts Karamoja im Museum von Moroto mit vielen Toten und Verletzten. Die Karamojong be- Drei Museen in Uganda trachteten sich selbst als stolze Krieger (ngijokan), und der Raub von Vieh bei benachbarten Clans gehörte zur Die drei Museen sind hinsichtlich ihrer Geschichte, traditionellen Lebensweise mit entsprechenden Zeremo- Sammlungen, Gebäude und Struktur sehr unterschied- nien und Festen. (Onyang/O‘Kasick 2007) Viele Männer lich. besaßen Sturmgewehre (vor allem AK47), die bei Vieh- diebstahl und Streitigkeiten eingesetzt wurden. Jugend- Karamoja Museum and Cultural Centre liche lernten schon im Alter von 10 bis 12 Jahren den Um- Das Gebäude des Museums in Moroto wurde im Jahr gang mit den Waffen, und Spiele2 mit diesen gehörten 2008 mit Unterstützung der französischen Botschaft in zum sportlichen Alltag. Nicht umsonst hieß Karamoja Uganda errichtet und bietet etwa 60 Quadratmeter Aus- auch »the land of the warrior nomads«. stellungsfläche. (Abb. 4) Vorausgegangen waren paläonto- Ab dem Jahr 2006 begann die Armee Ugandas damit, logische Grabungen in der Umgebung, bei denen 18 bis die Waffen zu beschlagnahmen. Diese Befriedungspoli- 20 Millionen Jahre alte Knochenreste und Zähne ver- tik forderte zwar auf beiden Seiten weitere Opfer, war je- schiedener Tiere gefunden wurden, darunter fossile Af- doch so erfolgreich, dass heute kaum noch Vorfälle zu fenarten. 24 Objekte der Karamoja sind in vier Vitrinen verzeichnen sind. Spätestens seit dem Jahr 2011 ist der ausgestellt, und in weiteren fünf befinden sich paläonto- Aufenthalt in dem Gebiet für Ausländer unproblema- logische Funde. Der Kurator des Museums, Peter Apaja tisch. Seitdem sind auch viele chinesische, europäische (Abb. 5), ist einziger Mitarbeiter und wohnt mit seiner Fa- und amerikanische Organisationen mit Projekten vertre- milie in dem Teil des Gebäudes, der ursprünglich für ten. Büro und Depot vorgesehen war. 4 Kunst & Kontext # 17 Juni 2019 Uganda
Lira University Museum Im Norden Ugandas, etwa 270 Kilometer westlich von Moroto, liegt die Stadt Lira. Der langjährige Bürgerkrieg in dieser Region (LRA-Konflikt) wurde mit internationaler Ver- mittlung im Jahr 2008 offiiziell beendet. (Dag- ne 2011: 8 f.) Die Gründung einer Universität in der Stadt Lira war Bestandteil der Friedensver- einbarungen, und ab 2010 wurde mit dem Bau begonnen. Der Tropenmediziner Ekkehard Doehring arbeitete im Rahmen einer Herder- Professur des Deutschen Akademischen Aus- Abb. 4 a Karamoja Museum and Cultural Centre, gegründet 2008 tauschdienstes zwischen 2013 und 2017 jeweils in den Wintermonaten an der Universität und wirkte beim Aufbau der medizinischen Ab- teilung mit. Während seiner Aufenthalte ent- stand mithilfe der Hertie Stiftung und der Stiftung Umverteilen eine Sammlung mit dem Schwerpunkt traditionelle Krankenbehand- lung und Heilung. Die mehr als 650 Objekte sind derzeit in der Bibliothek der Universität ausgestellt. (Abb. 6) Verantwortliche Kuratorin ist Modesta Anamo, die an der Lira Universität Anthropologie studiert hat. (Abb. 5) Uganda National Museum Mit dem Anlegen von Sammlungen wur- Abb. 4 b Karamoja Museum and Cultural Centre, gegründet 2008 de im Jahr 1902 begonnen, doch als offiziel- les Gründungsjahr des Museums gilt 1908. Anfangs waren die Objekte in einem kleinen Haus (»Fort Lugard«) ausgestellt, und ab 1942 standen Räume in der Makerere Universität zur Verfügung. Das heutige National Muse- um mit seiner ethnografischen Sammlung von etwa 100.000 Objekten liegt im Zent- rum Kampalas, nahe der britischen Botschaft. Das Gebäude wurde von dem deutschen Ar- chitekten Ernst May (1886-1970) entworfen und 1953 eingeweiht. Die Struktur der Dau- erausstellung hat sich seitdem kaum verän- dert, so auch die Vitrinen, die Landkarten und Modelle sowie die Objekt- und Wandtex- te. (Abb. 7) Allerdings wurden von den ugan- dischen Kuratoren einige Objekte und Texte in den Vitrinen zielgerichtet ergänzt und er- setzt.3 In einer Vitrine ist die Geschichte des Abb. 5 Peter Apaja (Kurator am Moroto Museum) und Modesta Anamo (Kuratorin am Lira Museums und in einer weiteren der vorkolo- University Museum) 5 Kunst & Kontext # 17 Juni 2019 Uganda
Abb. 6 a, b, c Lira University Museum, gegründet 2013 Abb. 7 a, b, c Uganda National Museum in Kampala, gegründet 1908 6 Kunst & Kontext # 17 Juni 2019 Uganda
niale innerafrikanische Handel erläutert. Spätestens seit auch wenn sie nicht den heutigen europäischen Ausstel- dem 18. Jahrhundert sind europäische Importe nachweis- lungsdesignstandards entspricht. Die Objektauswahl und bar, und im Gegenzug gelangten Waren von hier, z. B. El- -kombination sowie die Texte zeigen, dass den Kuratoren fenbein und Sklaven, an die Küste. Zu direkten Kontakten die Details auch aus eigener Erfahrung bekannt waren. mit Europäern kam es ab Mitte des 19. Jahrhunderts. Auf Einige Dioramen und Puppen verbildlichen Zusammen- Landkarten sind historische Einwanderungsbewegun- hänge. Diese Darstellungsformen sind in den letzten Jahr- gen und archäologische Fundstätten dargestellt. Mehrere zehnten in den meisten Völkerkundemuseen Deutsch- hundert ethnografische Objekte sind zu sehen und bieten lands durch eine unverständliche Ideologie ausgerottet einen hervorragenden Überblick zur materiellen Kultur worden, während sie z. B. in Volkskunde-, Naturkunde-, und zur Geschichte Ugandas. Diese sind nicht nach eth- Technik- und Archäologiemuseen nach wie vor verbreitet nischer Herkunft sortiert und ausgestellt; vielmehr wird sind. Insgesamt ist die auf den ersten Eindruck überholt in jeder Vitrine ein Thema behandelt, und so sind stets wirkende Ausstellung weitaus moderner als die inhalts- mehrere Ethnien vertreten. Dieser ugandische Kulturver- leeren und hyperdesignten europäischen Präsentationen, gleich ist am traditionellen Alltag orientiert und zeigt die die oft von nur minimalen Grundkenntnissen über Ethni- Vielfalt und die Ähnlichkeiten. Die Herstellung, Bearbei- en, Material und Herstellung zeugen. tung und Lagerung von Nahrungsmitteln war und ist ein wichtiger Teil des Lebens auf dem Lande und mit Vitrinen Vorgeschichte des Projektes zu »Fischerei«, »Jagd«, »Viehhaltung«, »Nutzpflanzen«, und Vorbereitung in Kampala »Bierherstellung« und »Salz-« und »Honiggewinnung« vertreten. In den Vitrinen zum Handwerk – »Eisenverhüt- Der Tropenmediziner Ekkehard Doehring hatte seit dem tung«, »Waffen und Schilde«, »Holzschnitzerei«, »Töpfe- Jahr 1984 regelmäßig in verschiedenen Regionen Ugan- rei«, »Flechtarbeiten«, »Lederbearbeitung«, »Architektur« das gearbeitet und war seit 2010 insgesamt sieben Mal in – werden nicht nur die Erzeugnisse gezeigt, sondern zum Moroto. Die ursprüngliche Idee war eine Sammelreise im Teil auch das Ausgangsmaterial und die Werkzeuge. As- Gebiet des Mount Moroto, um den vorhandenen Bestand pekte des sozialen Lebens sind mit Vitrinen zu »Gesund- des Lira University Museums zu ergänzen. Das gemein- heit«, »Justiz«, »Feste und Kopfschmuck«, »Masken aus nützige Research Centre for Material Culture (RCMC)4 Uganda, Kongo und Nigeria«, »Zeremonialkleidung und sagte Unterstützung zu und erweiterte das Projekt da- -schmuck« sowie »Spiele und Tanz« vertreten. hingehend, dass auch für das örtliche Museum in Moroto Das Ergebnis ist eine der didaktisch besten Ausstel- und für das National Museum in Kampala Objekte erwor- lungen zur Geschichte und materiellen Kultur Ugandas, ben werden sollten. Die ugandischen Museumsmitarbei- ter sollten selbst die Objekte erwerben, und der Ankauf war systematisch zu dokumentie- ren. Die deutschen Beteiligten sollten beim Erwerb assistieren und anschließend die Ob- jekte fotografieren. Für den Ankauf wurde ein Gesamtetat von 1.000 € bereitgestellt, weitere 2.000 € waren für Logistik und Honorare vor Ort nötig. Die Organisation lag in den Hän- den von Ekkehard Doehring und fand in en- ger Abstimmung mit der Lira Universität statt. Während der Tagung »Museum Coopera- tion between Africa and Europe« des Völker- kundemuseums der Universität Zürich im Dezember 2017 (Laely 2018) hatte der Autor den Kurator des National Museums, Nelson Abb. 8 Nelson Abiti, Kurator des National Museums in Kampala Abiti (Abb. 8), kennengelernt. Dieser wurde 7 Kunst & Kontext # 17 Juni 2019 Uganda
mehrere Monate vorher von dem Projekt unterrichtet, Treffen mit dem Kurator Peter Apaja (Abb. 5), selbst Kara- konnte aber wegen anderweitiger Termine nicht mit- mojong, der spontan seine Teilnahme zusagte. Am selben kommen. Zwei Tage vor Antritt der Reise besuchten Ek- Tag trafen wir unsere beiden Dolmetscher Marc Lolem kehard Doehring und der Autor das Museum. Mit dem (Abb. 9) und Luka Nangole (Abb. 10), zwei junge Männer der Kurator und der Direktorin Rose Mwanja Nkaale wurde Karamojong, die Klaus Herforth von seinen Aufenthalten verabredet, dass die Kuratorin des Lira University Muse- kannte. Der Vater von Marc ist ein Matheniko, seine Mut- ums und der Kurator des Moroto Museums gemeinsam ter eine Tepeth, und bei Luka sind beide Eltern Karamo- die Objekte für das National Museum Kampala auswäh- jong. Jeweils einer der beiden war an den folgenden vier len sollten. Am 30. November trafen zwei weitere deut- Sammlungstagen als Dolmetscher und unverzichtbare sche Teilnehmer ein. Klaus Herforth, pensionierter Gym- Kontaktperson anwesend. Sie brachten uns ausschließ- nasiallehrer, reist seit 1980 mindestens einmal pro Jahr lich zu Dörfern, die zuvor von dem Projekt unterrichtet für mehrere Wochen bzw. Monate in afrikanischen Län- worden waren. Den veräußernden Personen war daher dern und war fünf Mal in Moroto. Dominique Loeding ist bekannt, dass die Stücke für ugandische Museen erwor- Textil-Restauratorin der Stiftung »Historische Museen ben wurden. Hamburg - Altonaer Museum« und interessierte sich be- Am ersten Tag (Montag, dem 3. Dezember) hatten wir sonders für die Aufbewahrung der Objekte in den Depots einen Termin im Büro bei District Commissioner Sagal der Museen. Abram, und Modesta präsentierte seiner Stellvertreterin Christine Hon-Akot das Projekt. Anschließend besuchten Ankunft in Moroto und Cattle Market wir den »Cattle market«, der jeden Montagvormittag in Moroto stattfindet. (Abb. 11) Dort trafen sich auch diesmal Die Anreise über teils gut ausgebaute Straßen dauerte mehrere Hundert Karamojong aus der Umgebung. Mo- zwei Tage. Unser stets entspannter Fahrer James kannte desta interessierte sich besonders für die Händler, die die nicht ganz zuverlässig ausgeschilderte Strecke von medizinische Pflanzen anboten. (Abb. 12) Auf den ersten früheren Touren. Obwohl die beiden auf der Internetsei- Blick dominiert europäische Kleidung. Bei genauer Be- te des Museums genannten Telefonnummern veraltet obachtung sind dann einige der Objekttypen sichtbar, die waren und so vorher kein Kontakt hatte hergestellt wer- in den nächsten Tagen erworben wurden. (Abb. 13) den können, gelang gleich am ersten Tag im Museum ein Abb. 9 Marc Lolem Abb. 10 Luka Nangole in einer Siedlung der Tepeth mit Modesta und drei Dorfbewohnern 8 Kunst & Kontext # 17 Juni 2019 Uganda
Abb 11 Cattle Market in Moroto am 3. Dezember 2018 Abb. 12 Verkaufsstand von Medizinpflanzen und -produkten Abb. 13 Ein Ring aus weißem Elfenbein zeigt den Reichtum des Trägers, der an der Anzahl seiner Rinder gemessen wird. Die Karamojong haben eine Vorliebe für bunten Hals- schmuck und Stoffe sowie für Armreife. Die früher typi- sche Kopfbedeckung mit eingesteckten Straußenfedern ist in den letzten Jahrzehnten durch den von jedem ein- zelnen Mann selbst hergestellten Hut ersetzt worden. Von diesem gibt es zwei Typen: das Barett – Typ Che Gue- vara – (Abb. 12, rechts) und den Zylinderhut. (Abb. 11, 14) Beson- ders typisch für die Region sind die Kopfstützen, die auch als Hocker gebraucht werden können. (Abb. 14) Nicht auf dem Markt aber in den Dörfern reichlich vorhanden wa- ren Behälter, die mit der Herstellung und Aufbewahrung von Milchprodukten verbunden sind. (Abb. 18) Abb. 14 Typische Attribute der Karamoja-Männer sind Kopfstütze und Zylinderhut 9 Kunst & Kontext # 17 Juni 2019 Uganda
Sammeln am Mount Moroto Am Nachmittag des dritten Dezember waren wir in dem etwa acht Kilometer von Moroto entfernten Dorf Nacara der Matheniko-Kara- mojong (Abb. 15), das Marc und Luka ausgesucht hatten. Hier wurde der mit Perlen bestickte Le- derumhang erworben (Abb. 16), der das Cover- Motiv dieses Heftes bildet und sich heute im Historischen und Völkerkundemuseum St. Gallen befindet. (Kasten 1) Am Dienstag, dem 4. Dezember, hatte Peter Apaja seinen Sammeltag. Beide Dörfer, zuerst eines der Tepeth bei Tapach, etwa 15 Kilometer südöstlich von Moroto (Abb. 10), und dann eines der Matheniko-Karamojong, etwa zehn Kilo- meter westlich von Moroto, hatte er ausge- wählt. Auffällig war, dass viele alte und beschä- digte, offensichtlich nicht mehr genutzte Objekte angeboten wurden. (Abb. 18) Begeistert suchte Peter nach Stücken, die er zur Ergän- zung der vorhandenen Sammlung benötigte, und erwarb innerhalb weniger Stunden 30 Ob- jekte für sein Museum. (Abb. 17-19, 23) Weitere 22 Stücke wählte er wenige Tage später gemein- sam mit Modesta aus dem Gesamtbestand. Bei den von älteren Verkäufern erworbenen Stü- cken wurde darauf geachtet, dass diese im ört- lichen Museum (Moroto) bleiben. An allen Sammlungstagen arbeiteten Mo- desta und der Autor als Team. Erstere wählte die Stücke für das Lira Museum, notierte die Antworten auf ihre Fragen, die Luka oder Marc Abb. 15 a, b Dorf Nacara der Matheniko-Karamojong, etwa acht Kilometer westlich von Moroto übersetzt hatten, und bezahlte den jeweiligen Preis an die Verkäufer. (Abb. 20) Der Autor foto- Vom Kleidungsstück zum Cover-Motiv Im Dorf Nacara der Matheniko-Karamojong trug zunächst eine junge Frau die mit Perlen verzierte Lederschürze. (Abb. 15, links) Dann stellte sich heraus, dass diese ihrer Mutter gehörte. (Abb. 16, rechts) Anna Aiko ist nach eigenen Angaben 55 Jahre alt, und ihre Mutter hat das Stück her- gestellt, als sie noch »ein junges Mädchen« war, d. h. in den 1970er-Jahren. Gemäß den Feldnotizen von Modesta lautet die indigene Bezeich- nung »egete«. Wenn ein Mädchen verheiratet wird, dann legt ihr die Mutter diese Lederschürze an, um zu zeigen, dass der Brautpreis bezahlt wurde. Gleiches gilt, wenn das Mädchen nach einer Scheidung wieder zurückkehrt. Der Umhang erhielt die Sammlungsnummer LUCT2018.044 und war eines von drei Objekten, welche die beiden Kuratoren (Peter, Modesta) als Schenkung für das Historische und Völkerkundemuseum in St. Gallen aussuchten. Heute trägt es die Inventarnummer VK2019.016. Da das Farbmuster des Schurzes den Autor ästhetisch sehr anspricht, diente das Erwerbsfoto als Vorlage für Janine Heers, die das Cover-Motiv von Kunst&Kontext Nr. 17 malte. Wenn nun noch ein namhafter Künstler und ein paar Kunsthistoriker die Schönheit der Gestaltung entdecken, dann wird aus einem Kleidungsstück Kunst und aus Anna Aiko eine Künstlerin. 10 Kunst & Kontext # 17 Juni 2019 Uganda
Abb. 16 a, b Erwerb einer mit Perlen verzierten Leder- schürze im Dorf Nacara (rechts Anna Aiko; links ihre Tochter) Abb. 17 Peter Apaja beim Ankauf im Dorf der Tepeth bei Tapach Abb. 18 Angebotene Holz- schalen im Dorf Lokitumo der Matheniko-Karamojong Abb. 19 Peters Gemüts- zustand am Nachmittag seines Sammeltages 11 Kunst & Kontext # 17 Juni 2019 Uganda
Abb. 20 Modesta Anamo mit einer jungen Frau, die sieben Armreife anbot Abb. 21 Sieben Armreife aus Aluminium (Slg. Nr. LUCT 2018.108), nur sechs davon sind heute im Moroto Museum. grafierte, notierte die Preise, verwaltete das Geld und von Dominique und von Ekkehard gekauft und aus dem brachte die Stücke zum Auto. (Kasten 2) Modesta erwarb in Ankaufsetat erstattet. In diesen Fällen ist die Erwerbssi- den Dörfern vor allem verschiedene Gefäße aus Holz und tuation nicht dokumentiert worden. Schmuck. In den Dörfern der Karamojong waren wir Eine schwierige Situation entstand nur ein Mal beim stets von einer Traube aufgeregter Verkäuferinnen um- Kauf von sieben verzierten Armreifen aus Aluminium für geben. Auf das Angebot wurde nicht nur lautstark, son- das Moroto Museum. (Abb. 20, 21) Die junge Frau war bereit, dern auch mit dem Handrücken auf Schulter oder Ober- alle sieben zu verkaufen, und der Kaufpreis bereits über- arm klopfend aufmerksam gemacht. Besonders bei den geben. Während der Verhandlungen hatte ein junger jungen Frauen waren dies durchaus kräftige und unge- Mann immer wieder erregt auf sie eingeredet, ging weg duldige Schläge, denn bei teilweise mehr als 20 Anbiete- und kam kurz darauf zurück. Als sie begann, die einzel- rinnen konnten wir uns jeweils nur auf eine Person kon- nen Reife von ihrem Arm zu entfernen, steigerte sich sei- zentrieren. Regelmäßig steigerte sich die Stimmung ne Aufregung. Unser Dolmetscher Luka war gerade nicht nach etwa einer Stunde ins Chaotische, was dazu führte, anwesend, aber es ging offensichtlich um einen Armreif, dass wir selten länger als 60 bis 90 Minuten kaufend an ei- den sie behalten sollte. Die Situation entschärfte sich so- nem Ort blieben. fort, als der Autor durch Zeichen vermitteln konnte, dass Klaus Herforth hatte den Auftrag, auf eigene Faust der gezahlte Kaufpreis auch für sechs Reifen der gleiche Stücke zu erwerben, die ihm als selten auffielen. Darunter bleiben würde. Wie uns Luka kurz darauf übersetzen waren z. B. Armreife aus Aluminium und Plastik, Finger- konnte, waren ihr die sieben Armreife von ebenso vielen ringe und Amulette aus Knochen, Ketten aus Glasperlen, Freunden geschenkt worden, letztlich behielt die junge Metallwerkzeuge, Messer, Schröpfhörner, Tabakpfeifen Frau also nur das Geschenk des protestierenden Liebha- und Schnupftabakhörner. Einige weitere Stücke wurden bers. 12 Kunst & Kontext # 17 Juni 2019 Uganda
Abb. 22 a-c Darstellung der Verwendung von Kalebasse (Slg. Nr. LUCT2018.093) und Schöpflöffel (Slg. Nr. LUCT2018.089) von Margaret Moru im Dorf Lokitumo Zur Dokumentation der Objekte Mehrfach demonstrierten uns die Verkäuferinnen Bei jedem Stück, das Peter oder Modesta erwarben, wurde die verkau- spontan den Gebrauch der Objekte. So zeigte uns die fende Person vom Autor mit dem Stück fotografiert. Außerdem wur- etwa 70 Jahre alte Margaret Moru im Dorf Lokitumo der den von Modesta bzw. Peter der Name und das Alter der Verkäuferin, Matheniko-Karamojong mit einer Milchkalebasse (agu- die indigene Bezeichnung und das Alter des Stückes, dessen Material rum) und dem zugehörigen Schöpflöffel, wie die Milch und Verwendung erfragt. Die Objekte erhielten am Kauftag Samm- getrunken wird. Die Kalebasse erhielt die Sammlungs- lungsnummern (z. B. LUCT2018.001), die einerseits direkt auf das Objekt geschrieben wurden und andererseits auf selbstklebende Eti- nummer LUCT2018.093 und der Löffel die Nummer ketten. Dabei steht »LUCT2018« für Lira University Collecting Tour LUCT2018.089. Erstere befindet sich heute in der Samm- 2018. Alle Objekte wurden einzeln fotografiert, sodass sechs Ansichten lung des Lira University Museum, der Löffel im National vorhanden sind: vier Seiten (90° Drehung), oben, unten. Im Dateina- Museum Kampala – eine unbeabsichtigte Aufteilung. men der Fotos stehen die Sammlungsnummer, der Objekttyp und das Material. Die Objektfotos sind mit dem zugehörigen Feldfoto über die Sammlungsnummer verknüpft. Diese Struktur ermöglicht eine Übergabe der drei Sammlungen und Datenbank-ähnliche Suche, ohne dass ein Programm erforderlich ist. Symposium im Goethe-Zentrum Kampala So kann mit den Fotos auf fast allen Computertypen gearbeitet wer- den; auch alte Rechner bzw. Programme sind kein Problem. Die Insgesamt 52 Objekte wurden am Freitag, dem 7. Dezem- gesamte Dokumentation wurde den drei Museen jeweils auf USB- ber 2018, dem Moroto Museum übergeben; das Museum Stick beim Abschluss des Projektes übergeben. Insgesamt wurden 175 Objekte aus mehr als 20 verschiedenen Materialien gesammelt. Bei der Lira Universität erhielt am Montag, dem 10. Dezem- der gemeinsamen Sichtung mit Peter Apaja wurden 41 Objekttypen ber, 66 Stücke (Abb. 24), und die Übergabe von 36 Objekten unterschieden und Suchbegriffe festgelegt. Der Thesaurus differen- an das National Museum Kampala fand am Montag, dem ziert nach Objekttypen und Materialien. 17. Dezember, statt. In Lira nahm »Deputy Vice Chancel- object type: apron, arrow tip, bell, beater, belt, blood sucker, bowl, bra- lor Prof. Okaka Opio Dokotum (PhD)« die Objekte entge- celet, breast cloth, comb, family chair, fighting knife, finger ring, flask, funnel (bowl), gourd, hat (man), headdress, headrest (man), hoe gen, wie die örtliche Presse berichtete. (LUJA 2018) (or axe), jar, lip disc, money box, mortar, necklace, pendant, pillow, Die Objekte, die dem Uganda National Museum über- pot, shoes, snuffbox, spear, spear sharpener, spoon, staff, stirring star, geben wurden (Abb. 27), waren während des Symposiums stool man, tobacco pipe, trough, tweezer, warrior skirt, winnower »Traditionel Artefacts – Contemporary Art« ausgestellt, material: aluminium, bone, bronce, claw, clay, cowry, glass bead, das vom Goethe-Zentrum (Abb. 25) und dem DAAD in Kam- horn, iron, ivory, latex, leather, metal, ostrich eggshell, ostrich feather, porcupine fin, reed, stone, textile, wardhog tooth, wood. pala am Freitag, dem 14. Dezember 2018 (14.00 – 18.00 Uhr), realisiert wurde. Moderiert von einer Kunststuden- 13 Kunst & Kontext # 17 Juni 2019 Uganda
Abb. 23 a-d Dokumentierende Erwerbsfotos im Dorf der Tepeth am 4. Dezember 2018 tin der Makerere Universität, Rubina (Abb. 26), stellten Ek- kehard, Peter, Modesta, Andreas und Dominique jeweils in kurzen Vorträgen den ca. 20 Teilnehmern unterschied- liche Aspekte des Projektes vor. Nelson Abiti fasste ab- schließend die Beiträge zusammen und gab einen Ein- blick in die Arbeit des National Museums. (Abb. 8) Spontanes Ergebnis der Sammelreise – der Wunsch nach Kooperation Während des Projektes wurde von Peter Apaja und Modesta Anamo mehrfach der Wunsch nach Kontakten zu Museen in Europa und weiterer Zusammenarbeit ge- äußert. Zum einen, um gemeinsam mit diesen zu sammeln und dadurch den Aufbau der Museumssammlungen in Lira und Moroto zu unterstützen. Zum anderen aber auch, um von den Erfahrungen europäischer Museen bei der Etikettierung, der Sammlungsdokumentation, der Lagerung und der Bewahrung von Objekten zu profitie- ren. Die meisten Probleme vor Ort wären mit den passen- den Mitteln einfach und schnell zu lösen. So fehlen z. B. bei den Vitrinen in Moroto Dichtungsbänder; die Folge sind eindringender Staub und Insektenbefall. Was vor Ort teuer und umständlich zu besorgen ist, könnte bei ei- nem nächsten Besuch aus Europa mitgebracht werden. Abb. 24 a-b Übergabe der Sammlung an den Vizekanzler der Lira Universität, Die Vertreter der Lira Universität und des Moro- Okaka Opio Dokotum (oben) to Museums verfassten Briefe an sechs Museen (Beilage) Studenten der Medizin beim Betrachten der Objekte (unten) und wählten jeweils zwei bzw. drei Objekte aus, die als 14 Kunst & Kontext # 17 Juni 2019 Uganda
Abb. 26 Rubina, die Moderatorin des Symposiums (links) und zwei Teilnehmer Abb. 25 Gemeinsames Gebäude von Alliance Française und Goethe-Zentrum in Kampala Geschenke den jeweiligen DirektorInnen vom Autor (als Boten) im ersten Halbjahr 2019 persönlich übergeben worden sind.5 Die angesprochenen Museen in Dänemark (Kopenhagen), Deutschland (Berlin, Frankfurt, Ham- burg, Stuttgart) und der Schweiz (St. Gallen) könnten durch diese Kooperation systematisch von ugandischen Kuratoren angelegte Sammlungen der Karamojong, Te- peth oder Turkana inklusive sehr detaillierter Informa- tionen erhalten. Abb. 27 Objekte und Feldfotos der Sammeltour, heute im Uganda Die Reaktionen der sechs Museen und National Museum die Planungen für 2020 mit eigenen laufenden Projekten bereits am Rande ihrer Das Historische und Völkerkundemuseum St. Gallen Kapazitäten. Lars Koch, der Direktor des Ethnologischen (Schweiz) sagte spontan Unterstützung zu, wodurch eine Museums Berlin, war nicht uninteressiert, auch wenn die zweite Sammeltour in Moroto mit den ugandischen Mu- Afrika-Kuratorin derzeit mit der Eröffnung des Hum- seen für Januar/Februar 2020 geplant werden kann. Die boldt Forums 2019 und 2020 mehr als ausgelastet ist. Die Direktorinnen des Weltkulturen Museums Frankfurt Übergabe der zwei Objekte an Barbara Plankensteiner, (Eva Raabe) und des Linden-Museums Stuttgart (Inés de die Direktorin des MARKK Hamburg, ist für Ende Juni Castro) antworteten den ugandischen Museen, sind aber terminiert. Das Nationalmuseum Museum Kopenhagen 15 Kunst & Kontext # 17 Juni 2019 Uganda
der Diskurs nur auf die »politische Verantwortung« ge- genüber ehemaligen deutschen Kolonien beschränkt. Der Vizekanzler der Lira Universität, Okaka Opio Do- kotum, freut sich schon jetzt auf die Zusammenarbeit. Text und Fotos Andreas Schlothauer (in Zusammenarbeit mit Ekkehard Doehring) BEILAGEN Beilage 1 Sammlungskonzept der Lira Universität vom November 2018 Beilage 2 Brief der Lira Universität an die Direktorinnen von vier deut- schen Museen A n m e r k u ngen 1 In der Umgebung von Moroto sollen die meisten Tepeth inzwischen Karamojong sprechen und ihre eigene Sprache weitgehend aufgege- ben haben. (Mündliche Mitteilung von Peter Apaja und Marc Lolem) 2 Eines der Spiele unter Freunden war, dass eine Person ruhig stand und die andere aus einiger Entfernung möglichst knapp an dieser vor- beischoss. Natürlich kam es auch zu Treffern mit teilweise gravieren- den Folgen. (Mündliche Mitteilung von Peter Apaja am 4. Dezember 2018) 3 So sind z. B. einige Objekte der Karamojong im Jahr 2013 neu einge- fügt worden (Kopfstütze, Halsreif), und die archäologische Landkarte wurde in den 2000er-Jahren ergänzt. Abb. 28 Okaka Opio Dokotum mit Symbolen der Herrschaft (Stab) und 4 Das Research Center for Material Culture (RCMC) wurde 2018 ge- der Fruchtbarkeit (Straußenei) gründet und ist als gemeinnützig anerkannt. Es initiiert u. a. Projekte der Zusammenarbeit von Museen und indigenen Gemeinschaften. Durch Aufenthalte vor Ort werden die Kooperationsmöglichkeiten war aus personellen und finanziellen Gründen nicht ein- festgestellt. Nach der Herstellung von direkten Kontakten kann unter- mal in der Lage, die Objekte anzunehmen. Die ethnogra- stützend ein erster Aufenthalt begleitet werden, dann endet das Pro- jekt für das RCMC. fische Abteilung hat seit Jahren einen schweren Stand, 5 Bei der Auswahl der Museen hat der Autor beraten. Dabei spielten und einen Kurator für den Kontinent Afrika gibt es dort bestehende Kontakte und das mögliche Interesse der Museen eine Rol- seit Anfang der 2000er-Jahre nicht mehr. (Dadurch ste- le, aber auch praktische Erwägungen. Da die Übergabe mit Reisen ver- hen diese drei Objekte wieder zur Verfügung. Interes- bunden war, wurden vor allem die Museen berücksichtigt, an denen der Autor bereits Termine wegen anderer Projekte vereinbart hatte. sierte Museen können sich beim Autor melden.) Wie im Januar 2019 vermeldet wurde, will das Aus- Literatur wärtige Amt »mit der ,Agentur für Internationale Museums- Dagne, Ted: Uganda: Current Conditions and the Crisis in North kooperation‘ [...] zukünftig die Museumszusammenarbeit zwi- Uganda, CRS Report for Congress 2011 (digitale Version: www.crs.gov) Laely, Thomas, Marc Meyer, Raphael Schwere (Hrsg.): Museum Co- schen deutschen und vorwiegend [sic] afrikanischen Ländern operation between Africa and Europe. A New Field for Museum Stu- stärken und internationale Kooperationen weiter ausbauen. An dies, Bielefeld und Kampala 2018 der Umsetzung des mit rund 8 Millionen Euro vom Bundestag Onyang, Sylvester, Jeremy O‘Kasick: Karamoja: Uganda‘s Land of War- geförderten Konzepts beteiligt sich unter anderen auch das Goe- rior Nomads, Little Wolf Press 2007 the-Institut.« (PM Goethe-Institut, 21. Januar 2019) Im Juni Ugan d a I n t e r ne t 2019 haben wir den Präsidenten des Goethe-Instituts, LUJA, the official website of Lango United Journalists Association Klaus-Dieter Lehmann, und die Staatssekretärin im Aus- www.langojournalists.wordpress.com »Lira University get artifacts«, Dezember 2018 wärtigen Amt, Michele Müntefering, über die jeweilige Anamo, Modesta, Andrew Ojulong, Ekkehard Doehring: Lira Universi- Pressestelle von der Anfrage der beiden ugandischen Mu- ty Museum of African Culture and Traditional Medicine, in: seen informiert. Auch dieser Artikel wird zielgerichtet Nile Journal (www.nilejournal.net), 23. April 2019 verteilt, und wir können dann im nächsten Jahr berich- Pressemitteilung des Goethe-Instituts vom 21. Januar 2019 ten, ob die Restitutionsdebatte in Deutschland auf ech- Goethe-Institut unterstützt »Agentur für internationale Museums- tem Interesse an afrikanischen Museen basiert oder sich kooperation« 16 Kunst & Kontext # 17 Juni 2019 Uganda
Drei Galeristen in Kampala »Over 90 % of the material cultural legacy of sub-Saharan Afri- (»Fakes«) diffamiert. Sie bleiben die ewigen Zulieferer ca remains preserved and housed outside of the African conti- der Kunsthändler in Europa und den USA, welche ihrer- nent«. (Savoy/Sarr 2018: 3) seits die Preise vorgeben. Übereinstimmend berichteten die drei interviewten Galeristen in Kampala, dass seit Die Behauptung, dass sich kaum noch materielles Kul- Jahren bzw. Jahrzehnten europäische Galeristen bei ih- turerbe auf dem Kontinent Afrika befinde, ist eine Le- nen Stücke erwürben, allerdings fehle bei deren Weiter- gende, die sich spätestens Ende der 1970er-Jahre vor al- verkauf dann stets der Hinweis »Provenienz: Galerie X in lem im frankophonen Kunsthandel ausbildete. Seit den Kampala«. 1990er-Jahren übernahmen panafrikanische und europä- Eine Möglichkeit, diese Strukturen zu verändern, be- ische Intellektuelle bzw. Aktivisten die Legende, ohne al- stünde darin, hiesige Sammler mit afrikanischen Händ- lerdings zu wissen, wer diese erfunden hatte. lern in direkten Kontakt zu bringen. Daher werden im Wesentliches Ziel war wohl, die Vormachtstellung spezi- folgenden Beitrag drei (von mehr als 20) Galeristen der alisierter Galerien in Europa und Nordamerika zu ze- ugandischen Hauptstadt Kampala vorgestellt – ohne dass mentieren und so reiche Sammler an sich zu binden. Da- es darum ginge, deren Ware anzupreisen oder die Quali- mals hieß die Botschaft: »Nur in Brüssel, Paris und New tät derselben zu beurteilen. York werden die alten und authentischen Kunstwerke Alle drei Galeristen reisen (bzw. reisten), um die Stücke aus Afrika angeboten.« Seit den 1920er-Jahren definierte vor Ort zu erwerben. Sie wurden bzw. werden in Regio- ein sich elitär gebender Kunsthandel den Kanon »afrika- nen gesammelt, die europäische Händler oder Sammler nischer Kunst«, der seither ausschließlich auf europäi- normalerweise nicht besuchen. Die Objekte kommen aus schen ästhetischen Bewertungen und Interpretationen dem Osten und dem Norden des Kongo, dem Süden Su- basiert und vor allem aus monetären Gründen tradiert dans, aus Tansania, Kenia und Uganda – Gebiete, die von wird. Als Folge werden die Galeristen in afrikanischen Kampala aus innerhalb weniger Tage erreichbar sind. Ländern als Anbieter bestenfalls drittklassiger Objekte Auch wenn der Ankaufspreis in den Dörfern für die afri- und schlimmstenfalls als Veräußerer von Fälschungen kanischen Händler meist bei nur wenigen Euro (zwi- schen zwei und 30 €) liegen mag, so sind die Reisekosten bei der Bildung der Ver- kaufspreise zu bedenken. Werden die im Lager verbleibenden Restanten berücksich- tigt, die nicht oder nur langsam verkäuflich sind, so muss der Abgabepreis einer Galerie in Kampala bei den als wichtig betrachte- ten Stücken (Figuren, Masken, Hockern, fi- gurativ verzierten Stäben etc.) mindestens bei einigen Hundert Euro liegen. Natürlich gibt es auch Objekte, wie z. B. Holzgefäße, Löffel, Keramik und Schmuck, die für ge- ringere Preise (30 bis 50 €) angeboten wer- den. Die Interviews wurden auf Englisch mit- geschrieben, den Interviewten per Mail ge- schickt; und ihre Korrekturen eingearbeitet. Abb. 1 a Jerome Mahanga in seiner Galerie, links im Regal seine Literatur 17 Kunst & Kontext # 17 Juni 2019 Uganda
Abb. 1 a, b Angebot in der Galerie von Jerome Jerome Mahanga Adresse Nsambya Juakali handcraft, Katwe Road Off Ggaba Road, Kampala E-Mail jerome.mahanga@yahoo.com Telefon Uganda: +256 712 712 839 Name und Alter: Ich heiße Jerome Mahanga und wurde vor 52 Jahren in Burundi geboren. Wann hast Du als Kunsthändler begonnen? Das war vor etwa 30 Jahren in Burundi. Nach Uganda kam ich 1999, und meine erste Galerie in Kampala war nicht weit von hier, neben der US-amerikanischen Botschaft. Als im Jahr 2007 Wie hast Du damals die Objekte erworben? Königin Elisabeth (UK) Uganda besuchte, wurden wir von dort Ich bin in den 1990er- und 2000er-Jahren sehr viel gereist, vor vertrieben. allem im Osten von Kongo, in der damaligen Provinz Katanga bzw. Shaba. Dort kaufte ich Objekte bei den Hemba, Luba, Tab- wa, Songye, Kasikasingo, Bangu-Bangu, etc. Heute bin ich ein alter Mann. Einige Jüngere haben für mich den Job des Reisens übernommen und bringen mir die Stücke nach Kampala mit. Was war der »Juakali market«? Im Jahr 2007 war ich einer der Initiatoren und Gründungsmit- glieder der »Juakali handcraft market association«. Siehst Du vor meiner Galerie das offene Gelände? (Abb. 2) Dort gab es ein- mal 125 verschiedene Shops, die vom Kunsthandwerk über Schmuck und Souvenirs bis hin zur traditionellen afrikanischen Kunst alles anboten. Eine große Zahl von reisenden Ausländern kam jeden Tag auf diesen Markt. Wir waren bekannt und eine Touristenattraktion. Dieser erfolgreiche Markt endete abrupt im Februar 2013, als alle Geschäfte zerstört wurden. Ein neues Ge- bäude sollte dort gebaut werden. [Von dem auch im Dezem- ber 2018 nichts zu sehen war.] Wie ist die Situation heute? In meinem Laden biete ich alte Objekte und Souvenirs an. In Abb. 2 Hier war von 2007 bis 2013 der »Juakali market« in Kampala diesem Gebäude hier in der Katwe Road und auf der Rückseite 18 Kunst & Kontext # 17 Juni 2019 Uganda
sind mehr als 20 Galerien. Meine Kunden sind hauptsächlich wichtiger Objekte an die Galeristen, und so machen wir bis heu- Weiße aus Europa und Nordamerika, aber leider ist ihre Zahl te Geschäfte miteinander. heute viel geringer als in der Zeit des Juakali market. Manchmal Verkaufst Du auch Objekte an Sammler in Uganda? kommt nur ein Besucher pro Woche, manchmal sind es mehr. Ja, hier lebt ein Italiener, der viel bei mir gekauft hat. Dann gibt Aus welcher Region kommen Deine Objekte? es einen Niederländer, der eine sehr große Sammlung hat. Aber Hauptsächlich aus dem Kongo, aber auch aus Uganda, aus ich habe nur einen gebürtigen Ugander, der regelmäßig bei mir Tansania und aus dem Sudan. Stücke erwirbt. Zu welchem Preis verkaufst Du die Stücke? Warum sammeln Afrikaner in Uganda oder in Burundi Der Preis eines Milchbehälters aus der Karamojong-Region nicht? liegt z. B. bei 30 Dollar, einige der kleineren Masken kosten um Die meisten unserer Leute fürchten sich vor den Objekten, denn die 50 und die größeren mehrere Hundert Dollar. Für meine diese könnten eventuell mächtig oder gefährlich sein. Dann sind wichtigsten Objekte musst Du einige Tausend Dollar bezahlen. da außerdem die Christen und Muslime, die vor den Objekten Ich kann Dir gern ein paar davon zeigen; sie sind in einer eige- warnen. Außerdem musst du schon etwas Geld übrig haben, um nen Kammer dort hinten. die Stücke erwerben zu können, und du brauchst auch Platz. Hast Du Kontakt zu Galeristen in Europa? Schau Dich um, wie es bei mir aussieht, wie eng es ist mit all den Ja, schon in den 1990er-Jahren habe ich einige in Burundi ken- vielen Stücken. nengelernt. Darunter ein paar sehr bekannte Kunsthändler aus Welches sind Deine Lieblingsstücke? Belgien und Frankreich. Sie kamen dann auch regelmäßig nach (Jerome holt zwei Stücke aus der rückwärtigen Kammer:) Eine Kampala. [Jerome nennt mehrere Namen, die hier nicht wieder- Figur der Luba und ein Hocker der Songye. Letzteren besitze ich gegeben werden.] Das ist heute anders; wahrscheinlich sind vie- seit etwa 20 Jahren. le von ihnen zu alt. Manchmal schicke ich per E-Mail Fotos sehr Joseph Ngolombe Itöngwa-Sadjo hatte seine erste Galerie in den 1980er-Jahren in Bukavu, in der Adresse Joseph Ngolombe Arts Gallery, Katwe Road Off Nähe des Lake Kivu und einige Kilometer vom Kahuzi-Biéga Ggaba Road, Kampala Nationalpark entfernt. Sehr viele weiße Sammler, Touristen Internet www.jnisafrica.com und Händler kamen damals nach Bukavu und kauften Objekte. E-Mail ngolombes@gmail.com Infolge des Zusammenbruchs des Mobutu-Regimes in Zaire Telefon Uganda: +256 700 182 422 und +256 780 337254 (1997) zog meine Familie in das Herz von Ostafrika, nach Nai- Telefon Kenia: +254722750867 und +254733129409 robi in Kenia. Dort konnte ich meine Liebe und Leidenschaft Statements von Joseph Ngolombe: weiterentwickeln, und meine eigenen Reisen zum Sammeln his- • Es ist nicht wahr, dass es in Afrika keine traditionellen torischer und traditioneller afrikanischer Objekte begannen. Objekte und Kunstwerke mehr gibt. Wir haben in Afrika Wo erwirbst Du die Objekte? riesige Gebiete, die von vielen Stämmen mit reicher tra- Ich habe mich für Uganda, die Perle Afrikas, entschieden und ditioneller materieller Kultur bewohnt sind. Kaum einer Kampala als strategisches Zentrum für meine Sammelreisen ge- besucht sie, und es gibt wenig Berichte über sie. wählt, die mich zu kaum bekannten Stämmen und Kulturen in • Außerdem hat jede Generation ihre eigene Kreativität. Ost- und Zentralafrika führen. Nach Uganda, in den Süden des Warum sollte nur das, was historisch ist, »große Kunst« Sudans, nach Kenia, Äthiopien, Tansania, in das Gebiet der De- sein? mokratischen Republik Kongo und der Zentralafrikanischen Republik. Name und Alter: Ich heiße Joseph Ngolombe Itöngwa-Sadjo Wie ist die Situation heute? und wurde 1978 in Bukavu (Ost-Zaire/ D. R. Kongo) geboren. Seit etwa 13 Monaten bin ich in dieser Galerie in Kampala. Es Wann hast Du als Kunsthändler begonnen? kommen Besucher und Sammler aus West- und Zentralafrika, Traditionelle afrikanische Kunst war immer Teil meines Lebens, Europa, Südafrika und den USA, aber nicht sehr viele. Vielleicht denn schon mein Vater Mzee Ngolombe bzw. Rogatien Dunia liegt es daran, dass wir noch nicht lange hier sind. (* 1942) war Kunsthändler. Er hat schon 1962 angefangen und 19 Kunst & Kontext # 17 Juni 2019 Uganda
Abb. 3 a-c Joseph Ngolombe Itöngwa-Sadjo in seiner Galerie Wie wählst Du die Objekte aus? derschurze aus Kenia (Turkana, Pokoth, Rendille) bzw. der Ira- Ich kaufe wie ein Sammler und wähle nur das aus, was mich an- qui aus Tansania liegen zwischen 250 und 5.000 Dollar, je nach spricht, was mir sehr gut gefällt. Qualität, Größe und Machart. Aus welcher Region kommen Deine Objekte? Ich habe sehr viele teure Stücke in meiner Privatsammlung, die In Uganda sammle ich bei den Basoga, Sebei, Baganda, Bagishu, ich aber nicht online anbiete. Wenn ein ernsthaft interessierter Banyankole, Karamojong, Kakwa, Lango, Acholi, Hima, Luo, Käufer kommt, kann dieser gern meine Sammlung besichtigen, etc. In der Demokratischen Republik Kongo sind es die Luba, und dann verkaufe ich auch. Zwei Beispiele kann ich Dir hier Ngbaka, Lega, Kumu, Kusu, Kuba, Bali, Ndaaka, Azande, zeigen, einen Hocker der Zimba (Abb. 3 links) und eine erstaunli- Songye, Boyo, Bembe, Kongo, Shi, Nyanga und die Banyamu- che Figur der Luba. lenge. Und im Süd-Sudan sind es hauptsächlich die Balanda, Hast Du Kontakt zu Galeristen in Europa? Bongo, Dinka, Bari, Luo/Jurchol, Zande, Mundari, Ambororo, Ja, zu Kunsthändlern aus England, Belgien und Frankreich. Nyamusa, Bulnuer, Shilluk etc. Manchmal kommen sie hierher, oder ich schicke Fotos übers In- Viele dieser Gebiete sind gefährlich, und es kommt dort immer ternet. Sie überweisen das Geld, und ich sende das Stück nach wieder zu Kämpfen. Daher plane ich meine Reisen sehr gut. Es Europa. ist sehr vieles zu bedenken. Bei meiner Ankunft nehme ich im- Verkaufst Du auch Objekte an Sammler in Uganda? mer Kontakt zur örtlichen Polizei und zu staatlichen Autoritä- Ja, aber es gibt hier nicht so viele Sammler. Weitere Kunden le- ten auf, wenn diese vorhanden sind. Ich treffe die örtlichen ben in Ost-, Zentral- oder Westafrika, vor allem in Kenia, Tan- Chiefs und suche mir einen Übersetzer. sania, Nigeria, Kamerun, Ghana und dem Kongo. Zu welchem Preis verkaufst Du die Stücke? Warum sammeln nur so wenige Afrikaner? Das ist sehr unterschiedlich, angefangen bei 50 bis 200 Dollar, Viele Afrikaner erkennen den Wert und die Bedeutung alter tra- bis hin zu einigen Tausend. Dieser seltene und alte Schild der ditioneller afrikanischer Kunst nicht. Im Gegenteil: Die meisten Luo hier kostet 1.000 Dollar, und diese mit Perlen verzierten Le- haben ganz falsche Vorstellungen davon. Warum? Weil die tra- 20 Kunst & Kontext # 17 Juni 2019 Uganda
ditionellen Rituale bei vielen Stämmen nicht öffentlich stattfan- Historische, traditionelle Objekte bedeuten nichts für sie. den, sondern an geheimen Plätzen, und weil nur eingeweihte Aus meiner Sicht müssten die Afrikaner über ihre eigenen tradi- Mitglieder einbezogen waren. tionellen Kulturen und deren Geschichten aufgeklärt werden. Sehr viele Afrikaner betrachten diese antiken Objekte als Vieles davon geht heute durch die globale Modernisierung und »dreckig« und denken, dass diese nur im Besitz von Hexen und Digitalisierung verloren. Ritualspezialisten sein dürften. Was sind Deine Pläne für die Zukunft? Andere sind durch moderne religiöse Predigten verwirrt und Ich möchte ein geräumiges Informationszentrum der traditio- schämen sich, ein altes afrikanisches Kunstwerk zu besitzen nellen Kunst Afrikas für Studenten, Forscher, Sammler und Au- oder damit gesehen zu werden. Sie befürchten, dass die Leute toren im Herzen von Kampala aufbauen. Dort hätte ich dann denken, sie seien Hexer oder würden alte Rituale praktizieren. mehr Platz, um in vielen Räumen die historischen Objekte aus Besonders stark sind diese Vorurteile aus Unwissenheit, wenn vielen Ländern Afrikas auszustellen. eine Figur mit einer alten Krustenpatina überzogen ist, die sie Welches sind Deine Lieblingsstücke? dreckig aussehen lässt. Sie sammeln dann lieber modernes Das kann ich gar nicht sagen, ich bin von sehr vielen Objekten Handwerk, Deko-Kunst oder Gemälde. Die sind in ihren Augen fasziniert. sauber und schön bunt. Wann hast Du als Kunsthändler begonnen? Das war 1999 in Kabinda (Kongo). Ich sammelte in den Dörfern und kaufte dort Objekte, die ich dann in der Hauptstadt Kinshasa wieder ver- kaufte. Aus welcher Region kommen Deine Objek- te? Ich bin hauptsächlich in der Provinz Kasaï-Ori- ental unterwegs und kaufe dort bei den Songye, Luba, Hemba, Bangubangu, Kusu, Zela, Lega, Shi, Bembe, Buyu, Kuba, Lele etc. Zu welchem Preis verkaufst Du die Stücke? Einige Stücke kosten etwa 10 bis 20 Dollar. Vor allem Figuren sind teurer, diese kosten dann bis zu 7.000 Dollar. Abb. 4 Sebastien Kabangu in seiner Galerie Hast Du Kontakt zu Galeristen in Europa? Ja, hauptsächlich in französischsprachigen Ländern, also Bel- gien und Frankreich. Ein sehr bekannter belgischer Kunsthänd- Sebastien Kabangu ler wurde sogar in unserem Dorf geboren. Congolese Gallery - African Antique Crafts Wie ist die Situation heute? Adresse Nsambya Juakali handcraft, Katwe Road Off Wir sind etwa 20 Shops und Galerien in diesem Gebäude und Ggaba Road, Kampala dem angrenzenden Hof. Aber es kommen längst nicht so viele E-Mail sebatienka@yahoo.fr Besucher wie damals in der Zeit des Juankali market. phone Uganda +256 788 524 734 und +256 752 614 535 Verkaufst Du auch Objekte an Sammler in Uganda? Ja, aber es gibt nicht sehr viele Sammler hier. Einige meiner Name und Alter: Ich heiße Sebastien Kabangu und bin 39. Kunden sind aus Tansania, Kenia, Burundi und Ruanda. Geboren bin ich in der Provinz Kasaï-Oriental der Demokrati- schen Republik Kongo. Ich bin Songye. 21 Kunst & Kontext # 17 Juni 2019 Uganda
Thema: Sammlungen aus der Arktis in Schweizer Museen Mit diesem Heft widmet sich Kunst&Kontext zum Netzwerken. zweiten Mal Schweizer Museumssammlungen. Dieses Valentin Boissonnas stellt in seinem Beitrag über Mal steht nicht eine Sammler- und Händlerfamilie (Ar- Speerschleudern Ostgrönlands ein neues Forschungs- thur Speyer, Kunst&Kontext Nr. 12) im Fokus, sondern projekt vor, das sich mit der Technologie dieser erst spät eine Region: die Arktis. von Europäern kontaktierten Region befasst. Der erste Beitrag von Florian Gredig, Igor Krupnik Die Re-staurierung eines Darmhautparkas des Ber- und Martin Schultz entstand im Anschluss an eine Ta- nischen Historischen Museums war das Masterprojekt gung des »Netzwerkes Arktissammlungen der Schweiz», von Astrid Gonnon. Neben der Restaurierung entwick- die im November 2018 in Zürich stattfand. Erstmals elte sie ein Transport- und Aufbewahrungsbehältnis für werden hier die ethnologischen Objektbestände aus der das fragile Objekt. Arktis in Schweizer Sammlungen beschrieben. Über- sichten zu den Beständen in Bibliotheken und Archiven sowie naturhistorischen Sammlungen sind in Zukunft noch zu erarbeiten. Das Museum Cerny Inuit Collection in Bern besitzt sehr reichhaltige zirkumpolare Bestände und ist auf das Thema Klimawandel fokussiert. Seit mehreren Jahren schickt das Museum Wanderausstellungen auf Reisen und macht durch Veranstaltungen auf die Bedeutung des Themas aufmerksam. Am Bernischen Historischen Museum findet sich eine archäologische Sammlung von der St. Lorenz-Insel in Alaska, die im Rahmen einer Reihe von Ausgrabungen des Bernischen Historischen Museums und der Univer- sität von Bern durchgeführt wurden. Der Artikel von Sabine Bolliger Schreyer und Martin Schultz gibt einen Einblick in die Geschichte dieser archäologischen Exkur- sionen. Der anschließende Artikel von Bolliger Schreyer, Schultz und Elisabeth Anliker-Bosshard stellt ein beson- deres Grab der Punuk-Kultur auf der St. Lorenz-Insel vor: Der Tote war von zahlreichen Pfeilen durchbohrt und wurde sorgsam bestattet. Der folgende Artikel widmet sich gleichfalls einer Mu- seumssammlung – den Arktisbeständen des Historischen und Völkerkundemuseums in St. Gallen. Seit mehr als Fig. 5 Parka, West Greenland, around 1900, leather, ivory, 100 Jahren ist man hier an Arktisforschung interessiert sinew, Otto Nordenskjöld (HVM St. Gallen, Inv. No. D 1007) (Siehe folgender Artikel) und erwarb Sammlungen mit Hilfe von internationalen 22 Kunst & Kontext # 17 Juni 2019 Arktis
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