L'oiseau - AOP, die Grundlage eines Qualitätsprodukts - Le Gruyère AOP
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F a c h z e i t s c h r i f t d e r S o r t e n o r g a n i s a t i o n G r u y è r e l’oiseau Nr. 55 - November 2021 AOP, die Grundlage eines Qualitätsprodukts
INHALT 03 EDITORIAL 10 DIE AOPS SIND KEINE MUSEUMSSTÜCKE 04 EINE TOLLE AUSZEICHNUNG AUS 12 DIE AOP ZUM SCHUTZ DES NAMENS UND DEM WAADTLAND FÜR DIE KÄSEREI ZUR GEWÄHRLEISTUNG DER QUALITÄT GRANDCOUR 14 VERBINDUNG ZWISCHEN PRODUKT UND 05 DIE GENUGTUUNG, GUTE MILCH FÜR TERROIR AUFWERTEN GRUYÈRE AOP ZU PRODUZIEREN 16 SCHÜTZEN, UND ZWAR IMMER, OHNE 06 PIERRE-ANDRÉ BARRAS, «Z’ALP GA IN QUALITÄTSABSTRICHE DER DNA» 18 DER GRUYÈRE AOP IN VERBINDUNG MIT 07 FOKUS AUF DIE KÄSEREI IN MONTRICHER GROSSEN VERANSTALTUNGEN 08 DEN NACHWUCHS FÖRDERN, EINE 20 REZEPTE WICHTIGE AUFGABE FÜR WILLIAM BERTHOUD 09 ECHTHEIT UND NÄHE IM ZENTRUM DER IDENTITÄT DES GRUYÈRE AOP 2 www.gruyere.com Impressum Herausgeber: Interprofession du Gruyère Redaktion : Übersetzung : Grafische Gestaltung : Place de la gare, Postfach 12, CH - 1663 Pringy Interprofession du Gruyère Trait d’Union, 3000 Bern Effet-i-media bepbep@bluewin.ch interprofession@gruyere.com Microplume, www.microplume.ch www.traitdunion.ch www.gruyere.com Politext, 1754 Avry FR Gedruckt in der Schweiz Auflage : 2’800 Exemplare www.politext.ch
Editorial Während gewisse Teile der Schweizer Landwirtschaft Gruyère und die Verkaufsakteure im Ausland – sei dies in wie die Zuckerrüben, Kartoffeln oder auch der Europa oder in Nordamerika – heute aus. Auch wenn nichts Weinbau Mühe bekunden, geht es der Gruyère- in Stein gemeisselt ist, dann ist diese Grundlage doch essen- Wertschöpfungskette gut. Ja, diese verschiedenen ziell. Ohne permanentes Engagement zur Aufrechterhaltung Sektoren leiden, was entweder auf klimatische des Images und der Attraktivität dieses edlen Käses, des oder ökologische Probleme oder auch auf Importe Gruyère AOP, würden sich die Konsumenten oder die Gros- zu tiefen Preisen zurückzuführen ist. Es ist aber sverteiler rasch nach anderen Käsen umsehen. wünschenswert, dass Lösungen gefunden wer- Diese beiden Eckpfeiler, Qualität und Marketing, wären den, um diese Produktionen zu sichern und vor ohne klare und präzise Definition des Produkts, d. h. einem allem die Attraktivität für die Konsumentenkreise Pflichtenheft, und als Folge davon der Appellation d’Origine aufrechtzuerhalten. Protégée (AOP) auf Sand gebaut. AIn diesem Sinne ist es interessant festzustellen, Dieser wichtige Aspekt wird im Magazin dass der Gruyère AOP in der nunmehr seit «L’oiseau» durch einige Personen beleuchtet, über anderthalb Jahren anhaltenden turbu- die bei der Anerkennung und Umsetzung lenten Zeit für Käufer aus nah und fern nach der AOP eine Schlüsselrolle gespielt ha- wie vor ein sicherer Wert ist. Die Zahlen ben. Dieser Ansatz hat es ermöglicht, die per Ende September bestätigen diese verschiedenen Märkte für den Gruyère Analyse mit einem noch nie dagewe- AOP zu halten, ja sogar zu erweitern. senen Rekordwert im Export über neun Vor allem aber konnte er der Wert- Monate. Diese konstante Nachfrage hat schöpfungskette und ihrem gesamten es den Instanzen der Sortenorganisation Produktionsgebiet eine Zukunft bieten. Gruyère ermöglicht, wichtige Produktions- Auch wenn die Arbeit im Zusammenhang steigerungen zu beschliessen, was sicher bei mit diesem erstklassigen Produkt für alle allen Akteuren willkommen ist. nicht ganz einfach ist, so hat sie zumindest das Diese Situation, die sich von einem Tag auf den ande- Verdienst, all jenen, die den Gruyère AOP täglich her- ren verschlechtern kann, hat jedoch nichts mit Zufall zu tun. stellen, Perspektiven zu eröffnen. Ganz im Gegensatz zu den Das positive Image des Gruyère AOP beruht auf langjähriger zahlreichen Sektoren, die derzeit Mühe bekunden. Es liegt an Arbeit, die sich auf mehrere Eckpfeiler stützt: Einer unter ih- jedem von uns, sich den Herausforderungen zu stellen, damit nen, und dabei keineswegs der geringste, ist das ständige wir im Jahr 2031 gelassen das 30-jährige Bestehen der AOP Streben nach ausgezeichneter Qualität. Qualität bezüglich der und gleichzeitig das 10-jährige Jubiläum des «Centre du lait Fütterung, der Milch, im Kessi und bei der Pflege im Keller. cru» in Grangeneuve feiern können, dessen treibende Kraft Ein anderer Eckpfeiler betrifft die erheblichen Investitionen in unter anderem der Gruyère AOP war. die Verkaufsförderung und Werbung. Auch wenn 3 die Schweizerische Käseunion (SKU) den Markt Philippe Bardet in den 80er-/90-er Jahren geöffnet hat, so zahlt Direktor der IPG sich die Stärkung durch die Sortenorganisation
© Aliénor Held Jean-Daniel Jäggi Eine tolle Auszeichnung aus dem Waadt land für die Käserei Grandcour Der Gruyère AOP der Käserei Grandcour wurde zu ziehen. Drei Jahre später wurde eine ganz neue Käserei von der Waadtländer Regierung zum Käse des eingeweiht. Jean-Daniel Jäggi ist sehr zufrieden mit der Jahres 2021 ausgezeichnet. Der unter der Leitung Käsereieinrichtung. «Das Einzige, das nicht geplant war, ist des Käsers Jean-Daniel Jäggi hergestellte Käse der ständig wachsende Erfolg des Ladens. Der lokale Verkauf wird dieses Jahr bei offiziellen Empfängen zusam- ist beträchtlich geworden. Auch im Sommer läuft es gut, da wir men mit dem neuen Ehrenwein des Staatsrates die Campingplätze entlang des Sees beliefern. Deshalb hätten serviert. Es handelt sich um den Jahrgang 2019 des wir einen etwas grösseren Fertigungsraum insbesondere für Domaine de Autecour, AOC La Côte, im Eigentum Joghurt und Butter bauen sollen.» der Familie Schenk. Die Käserei Grandcour stellt jährlich 304 Tonnen Gruyère AOP «Zurzeit sind die Aufträge für offizielle Empfänge wegen der her. «Es ist ein leidenschaftlicher Beruf» freut sich Jean- Pandemie nicht so zahlreich,» schmunzelt Jean-Daniel Jäggi. Daniel Jäggi. «Gute Milch erfordert sorgfältiges Arbeiten. «Aber es ist trotzdem eine schöne Anerkennung der Arbeit, Aber da es sich um ein Naturprodukt handelt, können im- die unsere Milchproduzenten und unsere Käserei geleistet mer Überraschungen vorkommen.» Zum Glück bilden seine haben. Ausserdem berichteten die Medien im vergangenen vier Mitarbeiter der Käseherstellung ein tolles Team, dem er Dezember positiv über diese Auszeichnung und wir konnten vertraut. neue Kundinnen und Kunden gewinnen.» Als er vor etwa zwölf Jahren keinen qualifizierten Mitarbeiter Wie alle seine Mitkonkurrenten für die Waadtländer fand, suchte er beim regionalen Arbeitsvermittlungszentrum Auszeichnung erreichte auch Le Gruyère AOP von Grandcour (RAV). Das RAV schlug ihm Benjamin Ozoekwe Chijioke vor, einen Durchschnitt von mehr als 19 Punkten bei der Taxation der nichts über Käse wusste. Doch der junge Nigerianer pas- zwischen Mai 2019 und April 2020. Die Gründe für diesen ste sich schnell an, und so gut, dass er das Eidgenössisches Erfolg? Es spielen viele Faktoren eine Rolle. Doch Jean- Fähigkeitszeugnis (EFZ) als Käser erwerben konnte. Er ist heu- Daniel Jäggi ist überzeugt, dass eine gute Kommunikation te sein Stellvertreter. «Es war ein schöner gemeinsamer Weg mit seinen acht Produzenten sehr wichtig ist. «Seit mehr als und er versteht sich gut mit den Milchproduzenten. Später 20 Jahren arbeite ich hier. Wir konnten eine gegenseitige stellte ich wiederum über das RAV auch Aubert Atiogbe, aus Vertrauensbeziehung aufbauen. Ich habe das Glück, dass sie Togo ein, weil ich glaube, dass wir alle eine Chance verdient zweimal am Tag ihre Milch liefern. Wir haben einen persön- haben. Und es läuft sehr gut.» lichen Kontakt. Wenn es ein Problem gibt, sprechen wir es Der Käser sieht gelassen in die Zukunft. «Wir hatten eine gute sofort an.» Entwicklung in den letzten zehn Jahren. Wir werden alles tun Im Jahr 1997 begann Jean-Daniel Jäggi in der alten Käserei um das zu erhalten.» Jean-Daniel Jäggi engagiert sich auch 4 von Grandcour zu arbeiten. Im Jahr 2002 über- im Vorstand der Westschweizer Käser. Er ge- nahm er die Milch der Produzenten von Delley niesst den Austausch mit seinen Berufskollegen. und Chevroux. Dies war die Gelegenheit für die Gemeinsam setzen sie sich dafür ein, die Passion Milchgenossenschaft, einen Neubau in Erwägung zu diesem Beruf und seine Werte zu bewahren.
© Aliénor Held ©? Mathias Mayor Die Genugtuung, gute Milch für Gruyère AOP zu produzieren Mathias Mayor ist Präsident der Käserei Mathias Mayor kümmert sich gerne um seine Tiere. «Es ist genossenschaft Grandcour und Umgebung. wichtig, einen wirtschaftlich erfolgreichen Betriebszweig Dieser Milchproduzent ist gerade dabei, den land- zu haben. Es ist aber ebenso wichtig, Freude an der Arbeit wirtschaftlichen Betrieb zu übernehmen, den er zu haben. Wenn es der Kuh gut geht, sie ein Kalb hat und seit 29 Jahren mit seinem Vater bewirtschaftet. gute Milch gibt sowie die Analysenergebnisse der Käserei gut sind, ist das eine grosse Genugtuung. Auf der anderen Der in Ressudens in der Gemeinde Grandcour liegende Seite ist es hart, wenn ein Tier krank ist und geschlachtet Betrieb gehört schon seit zahlreichen Generationen der werden muss. Aber wenn wir für Tiere verantwortlich sind, Familie von Mathias Mayor. «Im Alter von 16 Jahren wand- gehört das auch zu unserem Job.» te ich mich natürlich unseren Betrieb zu,» erinnert er sich. «Ich absolvierte die Landwirtschaftsschule und begann Im Laufe der Jahre wurde der Tabakanbau aufgegeben und dann auf dem Hof zu arbeiten. Mir liegt die Kontinuität des wir haben nur noch Weizen, Gerste, Mais und Grünland Familienerbes am Herzen und ich habe das Rindvieh gern.» für die Kühe. Mathias Mayor konzentriert sich hauptsäch- lich auf die Viehhaltung, während sein pensionierter Vater Mathias Mayor arbeitete zunächst auf dem alten Bauernhof aushilft. «Ich erinnere mich an die Zeit, als es noch rund mit seinem Vater. Damals hatten sie 25 Kühe und bauten zwanzig Bauernhöfe im Dorf gab. Heute sind es noch 8 Getreide und Tabak an. «Es war eng im Stall, aber es funk- Betriebe, davon 5 in Grandcour und 3 zwischen Chevroux tionierte recht gut.» und Delley. Und da die Produktionsquote gleichblieb, folgte Vor 20 Jahren übernahm Mathias den landwirtschaftli- die zunehmende Grösse der Betriebe der Abnahme der chen Betrieb eines Cousins der Familie und gründete eine Produzenten.» Betriebsgemeinschaft mit seinem Vater. Da sie an einem Vor gut einem Jahr erklärte sich Mathias Mayor bereit, den einzigen Standort waren, gewährte ihm sein Vater ein im Vorsitz im Vorstand der Käsereigenossenschaft Grandcour Grundbuch eingetragenes Baurecht. Dieser Status hatte und Umgebung zu übernehmen. «Mit dem Rückgang der sich sehr bewährt. Anzahl Produzenten hatte ich das Gefühl, ein Engagement Gemeinsam bauten sie einen neuen Betrieb. Sie halten akzeptieren zu müssen.» Er war bereits Präsident, als der zurzeit rund 50 Kühe in einem Laufstall. An Arbeit fehlt es Gruyère AOP der Käserei Grandcour von der Waadtländer nicht, aber sie sind gut eingerichtet. «Das ist eine gros- Regierung zum Spitzenkäse des Jahres 2021 ausgezeich- se Verbesserung für unser Vieh. Die Tiere haben mehr net wurde. «Diese Auszeichnung hat mich gefreut,» sagt Freiraum und bewegen sich viel. Dadurch sind sie weniger er. «Ich arbeite zwar nicht um Preise zu gewinnen, aber 5 gestresst. Das hat Einfluss auf die Qualität der es ist trotzdem eine schöne Anerkennung der Milch, wie das auch die gesamte Fütterung hat. Arbeit der Produzenten und der Käser.» Ich bin überzeugt, dass das ein Plus für das Endprodukt ist.»
© Aliénor Held Pierre-André Barras Pierre-André Barras, «z’Alp ga in der DNA» Seit seinem 8. Lebensjahr verbrachte Pierre-André mochten Käse. Aber es wäre schwierig gewesen, alles zu Barras mit einer Ausnahme alle seine Sommer essen...» auf der Alp «Le 3 e des Groins», in der Gemeinde Von klein auf kümmerten sich die vier Kinder von Pierre- Gruyères, auf einer Höhe von 1350 Metern. Der Ort André um die Kühe und Rinder, während Pierre-André mit ist wunderschön mit einem herrlichen Blick auf den grosser Sorgfalt und Liebe zum Detail Gruyère d’Alpage AOP, Vounetz oberhalb Charmey, les Dents Vertes und Vacherin fribourgeois AOP d’alpage, Quark und Tommes de das Hochmatt-Massiv. Sogar der Kantonstierarzt chèvre (Ziegenkäse) herstellte. Heute ist eines seiner Kinder, sagte bei einem Höflichkeitsbesuch während der Cédric, sogar Landwirt geworden. Jagdsaison einmal: «Diese Schweine haben die schönste Terrasse im ganzen Kanton!» André und Jacques, Pierre-Andrés Vater und Onkel, hat- ten im Jahr 1959 die Gelegenheit, diese Alp zu kaufen. Die Die ersten sechs Jahre verbrachte Pierre-André als Familie Barras bewirtschaftet seit dem Jahr 2000 auch die Hüttenjunge bei Paul Privet, dem Alphirten. Er war sofort Alpen «Le 4e des Groins» sowie «Les Matzru», die sie an die begeistert vom täglichen Leben in den Bergen. Er trieb die Landwirtschaftsschule Grangeneuve verpachtet. Die weitläufi- Tiere in den Stall, kümmerte sich um das Holz und riss die gen Weiden bieten dem Vieh eine reiche und vielfältige Flora, Disteln aus. Dann begannen sie, einige Kühe zu alpen und die dem Gruyère d’Alpage AOP seinen unverwechselbaren die Milch mit der Herstellung von Gruyère d’Alpage AOP Geschmack verleiht. Darüber hinaus haben die verschiedenen zu verwerten. «Nach und nach konnte ich auch bei der persönlichen Umgestaltungen und die Anpassungen an die Produktion mithelfen», erinnert er sich. «Es war die Zeit, als vom Amt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen ge- die Milchkontingentierung eingeführt wurde. Dann übernahm forderten Standards zur Qualität seiner Käse beigetragen und ich. Das war im Jahr 1979.» die Arbeit erleichtert: Einbau eines elektrischen Rührwerks In jenem Sommer war er 16 Jahre alt und Christophe und einer pneumatischen Presse, Anschaffung grösserer Gremaud, der Hüttenjunge war 12 Jahre alt. Den ganzen Kessi, Installation von Sonnenkollektoren, Renovation der Vormittag über waren sie mit der Produktion von Gruyère Wände und des Bodens des «Trintsâbyo» (Fabrikationsraum), d’Alpage AOP beschäftigt. Der Ältere war für die technischen eines Käsekellers, der Wasserauffanganlagen, und dieses Aspekte der Käseherstellung zuständig, der Jüngere für das Jahr, die Einrichtung der Rohrmelkanlage. Kein Wunder, dass Rühren von Hand beim «Vorkäsen» der Gruyère d’Alpage AOP Pierre-André Barras im Laufe der Jahre eine Goldmedaille sowie für die rund 40 Stück Vieh, inklusiv Kühe. Bevor er für seinen Gruyère d’Alpage AOP, für seinen Vacherin fri- auf die Alp ging, verbrachte Pierre-Alain drei Tage in einer bourgeois AOP d’alpage und sogar für seinen Quark beim Molkerei, um seine Kenntnisse zu vervollständigen. Dann Wettbewerb anlässlich des 100. Jahrestags des Freiburger kam ein Berater während der ersten drei Tage auf die Alp, um Alpwirtschaftlichen Vereins gewonnen hat. die Produktion in die Wege zu leiten. Der Sommer verlief gut. Letztes Jahr produzierte Pierre-André Barras 165 Laibe 6 Damals stellte er während der Alpsaison etwa Gruyère d’Alpage AOP und 2 Tonnen Vacherin Fribourgeois hundert kleine Käselaibe schwarz her. «Heute AOP d’Alpage. Er hat immer etwas Vorrat kann ich es sagen, es gibt ja eine Verjährungsfrist», im Alpgebäude wie auch in Pensier für den sagt er mit einem Lächeln. «Wer hat es nicht Direktverkauf. Im letzten Sommer hielten zahl- getan! Wir waren eine grosse Familie und wir reiche Wanderer an, um bei ihm einzukaufen.
© Aliénor Held Etienne Aebischer Fokus auf die Käserei in Montricher Vielleicht haben Sie ihn in einem Videospot im 2020 als Selbständiger leitet. Fernsehen, Kino oder Internet gesehen oder auf ei- Etienne Aebischer hat 5 Mitarbeitende für die Produktion und nem Plakat in einer der grossen Schweizer Städte. 2 Teilzeitfahrer, um die Milch bei den 18 Produzenten abzuho- Etienne Aebischer, Chef der Käserei «Fromagerie len. Sein Vater hilft als pensionierter Käser zwei- bis dreimal Gourmande» in Montricher, wirkt in der Werbe die Woche mit. Er hat seine Leidenschaft an Etienne weiterge- kampagne für den Gruyère AOP unter Leitung der geben. Seine Frau und 3 Mitarbeiterinnen sind für den Laden IPG mit. Der Käser und sein Team wurden für die zuständig. «Mit meinem kleinen Team ist die Organisation Dauer der Dreharbeiten zu Schauspielern. der Arbeitszeiten einfacher geworden. Ich habe jedes zweite Das Kamerateam bestand aus 15 Personen: 2 Regisseure Wochenende frei. Das ist schön. Mein Vater hatte 7 Tage die im Restaurant, 1 Visagistin im Sitzungszimmer und 9 Woche gearbeitet. Zum Glück ändern sich die Zeiten. Das ist Fachpersonen in der Käserei für Bild, Ton, Licht und Regie so- wichtig, wenn wir junge Leute für diesen Beruf begeistern wie 3 Mitglieder der IPG. «Es war eine tolle Erfahrung zu sehen, wollen!» wie diese Profis arbeiten», erinnert sich Etienne Aebischer. Sie «Zudem habe ich auch das Glück, motivierte Produzenten zu wussten, wie sie sich an unsere Arbeitsbedingungen mit dem haben, die eine gute Milchqualität garantieren. Sie reagieren Dampf und der Feuchtigkeit anpassen konnten. Manchmal schnell. Wenn ein Problem auftritt, suchen sie sofort eine wurden wir aufgefordert, unsere Gesten anzupassen, um gute Lösung mit den Melkberatern.» Die Liebe zur gut ausgeführ- Bilder zu erhalten. Wir waren beeindruckt von der Anzahl der ten Arbeit, von der Milchproduktion bis zur Käseherstellung, Fachleute, die zwei Tage lang an der Produktion von zwei Spots wurde mehrfach ausgezeichnet. arbeiteten, einem 30-Sekunden-Spot für das Fernsehen und einem 50-Sekunden-Spot für das Kino. «Wir sind 6 Personen, Etienne Aebischer erhielt eine Goldmedaille für den Gruyère um 5 Millionen Kilo Milch zu verarbeiten», schmunzelt er! AOP, den er zwischen 2014 und 2019 produziert hat und von Fromco affiniert wurde. Somit gehört er zu den besten Diese Spots wurden in der Käserei «Fromagerie Gourmande» Herstellern unseres Produkts. Im Jahr 2020 wurde sein gedreht, die im Jahr 2015 nach dem Zusammenschluss der Gruyère AOP vom Waadtländer Staatsrat als Spitzenkäse Käsereigenossenschaften von Apples, Ballens, Mont-la- ausgezeichnet. Ville und Montricher am Fusse des Jura gebaut wurde. Der Neubau war ehrgeizig und umfasst einen Produktionsraum, Aber aus Erfahrung weiss er, dass niemand vor negativen einen Keller der bis 6000 Laibe aufnehmen kann, einen Überraschungen sicher ist. Wenn wegen einer Klimaanlage Verkaufsladen und ein Restaurant. Die Gesellschaft konnte die Luftfeuchtigkeit um 0.5% sinkt, muss möglichst Beihilfen im Rahmen eines Projekts für regionale Entwicklung schnell eine Lösung gefunden werden. Etienne Aebischer, in Anspruch nehmen. Etienne Aebischer, der sich beim Bau der auch Taxateur der Branche ist, stellt sich gerne den 7 des Gebäudes für die ganze Produktionskette Herausforderungen. Er verteidigt diesen Beruf entschied, ist seit 2019 zusammen mit seiner täglich und setzt auf Qualität, um den Geschmack Frau auch verantwortlich für den Verkaufsladen, des Gruyère AOP an die Konsumentinnen und während Christophe Pingoud, das Restaurant seit Konsumenten im In- und Ausland weiterzugeben.
© Aliénor Held William Berthoud Den Nachwuchs fördern, eine wichtige Aufgabe für William Berthoud William Berthoud ist Präsident der Käsereigenos W illiam Berthoud war 16 Jahre lang Mitglied der senschaft Semsales, deren Gruyère AOP vom Bildungskommission. Er kennt daher die von den Lernenden Freiburger Staatsrat zum Spitzenkäse des Jahres geforderten Kenntnisse voll und ganz. «Wir müssen sie dort 2021 ernannt wurde. Der Milchproduzent bewirt- abholen wo sie sind und ihnen helfen, sich zu entwickeln. schaftet den Familienbetrieb, den er von seinem Wichtig ist, dass sie im Laufe des Jahres vorankommen. Vater und dieser von seinem Grossvater übernom- Wenn sie nicht aus der Landwirtschaft kommen, müssen men hat. Er hält rund 60 Kühe. sie von Grund auf alles lernen. Ansonsten gehe ich etwas mehr ins Detail. Wenn sie aus der Deutschschweiz kommen, «Ich glaube an das Sprichwort Wer rastet, der rostet...» sagt spreche ich bis Weihnachten Deutsch, und nachher vergesse William Berthoud mit Entschlossenheit. «Ob als Präsident ich diese Sprache» sagt er schmunzelnd. der Käsereigenossenschaft oder als Milchproduzent, mir ist es wichtig, mit der Zeit zu gehen, zu modernisieren und William Berthoud legt bei seinen Lernenden Wert auf die dabei eng mit der Familientradition und wenn möglich mit Hygiene. Mit Laufställen und Melkständen ist dies ein- der Weitergabe von Generation zu Generation verbunden facher. «Wir könnten der Ansicht sein, dass es keinen zu bleiben.» Es ist daher nicht verwunderlich, wenn der Zusammenhang gibt. Und trotzdem, mit mehr Platz, den Familienbetrieb im Laufe der Jahre mehrere Veränderungen belüfteten und hellen Räumen hilft es indirekt, die Hygiene erfahren hat. Im Jahr 1979 modernisierte sein Vater den zu verbessern. Und das ist natürlich sehr wichtig für die Milchviehstall und im Jahr 2011 wagte William den grossen Produktion von Milch zur Herstellung von Gruyère AOP.» Schritt zum Laufstall, als er die Möglichkeit zur Vergrösserung Die Lernenden leben während ihrer Ausbildungszeit in der des Betriebs hatte. Mit der Zunahme der Landfläche war das Familie und Williams Ehefrau Noémie ist für die Aufnahme eine gute Chance, die Arbeit zu erleichtern. und Betreuung dieser Jugendlichen zuständig. «Eigentlich William Berthoud arbeitete viele Jahre lang mit seinem Vater gehören sie zur Familie. Wir beziehen sie in unsere und einem Lernenden zusammen. Heute bewirtschaftet er Freizeitgestaltung mit ein, sofern sie das wollen. Manchmal seinen Betrieb mit zwei Lernenden. Seit seinen Anfängen bin ich etwas Ersatz-Mutter. Wenn sie eine Grippe oder bildete er 28 Personen aus. Diese Aktivität liegt ihm am Verletzung haben, bin ich da und kümmere mich um sie. Für Herzen. Das ist sein Beitrag damit der Beruf weiterbesteht. manche bin ich auch eine Vertrauensperson. Ich passe mich Zudem gefällt ihm der Kontakt zu den jungen Menschen. ihren Bedürfnissen an und schätze diese Rolle sehr.» «Sie sind alle verschieden. Wir müssen ihnen zuhören und Bei der Familie Berthoud ist die Nachfolge gesichert. Der sie so nehmen wie sie sind, damit sie ihr Bestes geben Sohn Rémy macht derzeit eine Lehre als Landwirt und die können. Die einen mögen lieber das Vieh, die anderen die Tochter Adeline will Agraringenieurin werden. «Wir haben Maschinen.» William Berthoud bildete junge Frauen und ihnen immer Freiheit bei der Berufswahl gelassen. Sie waren 8 junge Männer aus, Jugendliche aus der Region es, die sich für die Landwirtschaft interessierten oder der Deutschschweiz, einige sind 15 oder 16 und sich für diesen Weg entschieden. Das freut Jahre alt, andere sind älter und kommen für eine uns natürlich sehr!» äussern sich Noémie und Zweitausbildung zu ihm. William gemeinsam.
© Aliénor Held Manu Piller Echtheit und Nähe im Zentrum der Identität des Gruyère AOP Der Gruyère AOP aus der Käserei Semsales wird seinen Platz finden. Jeder muss sich anpassen: «Ich war während des ganzen Jahres 2021 die Gäste bei sehr gut darauf vorbereitet. Aber es lief nicht so, wie ich es Staatsempfängen des Kantons Freiburg erfreuen. mir vorgestellt hatte. Nicht weniger gut, aber anders. Er hat Der Staatsrat verlieh die Auszeichnung für den be- den vorteilhaften Enthusiasmus der Jugend und ich besitze sten Gruyère AOP an den Käser Manu Piller, der mit die jahrelange Erfahrung. Wir lernten viel, indem wir unsere seinem Sohn Loïc sowie zwei Angestellten und ei- Standpunkte miteinander verglichen und jeder einen Beitrag nem Lehrling zusammenarbeitet. Sie produzieren leistete. Heute läuft alles gut und ich bin ein wenig stolz, diese 220 Tonnen Gruyère AOP pro Jahr. Leidenschaft mit meinem Sohn zu teilen.» Manu Piller steckt voller Ideen und Energie und scheut sich Um auf die Qualität seiner Gruyère AOP zu setzen, legt Manu nicht, die Ärmel hochzukrempeln, um seinen Käse zu vertei- Piller grossen Wert auf eine enge Zusammenarbeit mit sei- digen, den er so schätzt! Im Jahr 1997 engagierte er sich bei nen Partnern, den Milchproduzenten. Dies gilt, wenn alles der Gründung der Sortenorganisation Gruyère. Auch heute ist gut geht, aber auch wenn etwas nicht ganz in Ordnung ist: er als Delegierter an den Entscheidungen beteiligt. Auf die «Wenn ich am Morgen ein Problem bei einer gelieferten Milch Frage, was er beitragen möchte, antwortet er sofort: «Heute feststelle, gehe ich gegen Abend vor dem Melken zu dem wollen wir immer etwas Neues bringen. Ich bin der Ansicht, betreffenden Produzenten. Ich führe eine Analyse durch und dass wir zunächst einmal das Erreichte konsolidieren müssen. wir versuchen, das Problem gemeinsam zu lösen, ohne be- Wir haben eine Struktur, die solid ist. Wenn es zu schnell geht, reits über Sanktionen zu sprechen, was nichts bringen würde. gibt es Probleme mit der Umsetzung. Wir müssen zuhören, Glücklicherweise reagieren die Leute gut darauf. Sie schätzen mit der modernen Welt mitgehen, aber nicht hinterherlaufen. die Art und Weise, wie ich die Dinge angehe. Zumal die Identität unseres Gruyère AOP auf seiner Echtheit, Manu Piller empfängt häufig Besuchergruppen, um ihnen die seiner Nähe und nicht auf der Globalisierung beruht.» Arbeit in der Käserei und im Keller vorzustellen und natür- Seit Manu Piller im Jahr 1994 die Käserei Semsales über- lich auch für eine Degustation. «Unsere Türen öffnen, das nahm, haben sich die Räumlichkeiten stark verändert. Im ist immer die beste Werbung. Wenn Konsumentinnen oder Jahr 2000 wurden die Keller renoviert und im 2015 wurde Konsumenten nach dem Besuch einer Käserei vor einem die Käserei geräumt, um sie total zu erneuern. Während der Stand mit etwa fünfzig Käsesorten stehen, werden sie sich sechsmonatigen Bauzeit war der Betrieb eingestellt. In die- zum Gruyère AOP hingezogen fühlen, weil die Werte unseres sem Moment kam sein Sohn Loïc dazu: «Es war der richtige Hartkäses im Gedächtnis sind.» Zeitpunkt. Er konnte sich an den Umbauten und der Auswahl In ein paar Monaten wird Manu Piller seine Besucherinnen der Anlagen beteiligen. Ich habe die Gelegenheit genutzt, um und Besucher noch besser empfangen können, da er ein ihm Verantwortung zu übergeben. Als wir die Käserei wieder Gebäude gegenüber seines Tea-Room-Ladens erworben hat. in Betrieb nahmen, war er mit den neuen Einrichtungen zu- Es war etwas eng. Derzeit renoviert er es, um es in einen frieden. Er konnte selbstverständlich den Lead übernehmen Laden für den Verkauf lokaler Produkte, ein Restaurant und und seinen Platz einnehmen.» einen Keller für die Besucherinnen und Besucher 9 Der Beginn der Arbeit mit dem eigenen Sohn ist umzuwandeln. Eine neue Herausforderung für natürlich eine grosse Umstellung, auch wenn die kommenden Jahre! es Freude macht. Jeder muss seinen Weg und
Rund um AOP © Aliénor Held Jean-Marc Chappuis ?? Die AOPs sind keine Museumsstücke Jean-Marc Chappuis ist stellvertretender Direktor Auf dieser Grundlage wurde die Schaffung der AOP beim Bundesamt für Landwirtschaft. Zum erforderlich. Ein weiterer Vorteil einer geschützten Zeitpunkt der Umsetzung der AOP war er beim Ursprungsbezeichnung ist, dass sie das gemeinsame Institut für Agrarwirtschaft der ETH Zürich tätig. Management des Produkts und den Schutz seines Ansehens Mit seinen Kolleginnen Dominique Barjolle und ermöglicht. Die AOP ist ein gemeinschaftliches und wirt- Martine Jaques-Dufour arbeitete er am Schutz schaftliches Gut, das von sämtlichen Unternehmen genutzt der Regionalprodukte und der Organisation der wird, welche die gleiche Bezeichnung verwenden. Wertschöpfungsketten. Jean-Marc Chappuis war Für die Wertschöpfungskette des Gruyère ist dies natür- anschliessend Sekretär der Kommission, welche die lich von erstrangiger Bedeutung. Bedenken Sie, dass sich Interkantonale Zertifizierungsstelle OIC ins Leben unter der AOP-Bezeichnung 1800 Milchproduzenten, 154 rief, und die garantiert, dass Produkte mit den Käsereien, 57 Alpen und 11 Affineure vereinen. Sie alle ha- Bestimmungen des Pflichtenhefts übereinstimmen. ben eines gemeinsam: Sie wollen das Image des Gruyère AOP schützen, indem ein hochwertiger Käse hergestellt wird Weshalb dieses Bedürfnis, die lokalen Produkte zu und Nachahmungen und eine widerrechtliche Verwendung schützen? der Bezeichnung vermieden werden. Die Idee, die geografischen Angaben von Lebensmitteln zu schützen, liegt bereits mehrere Jahrhunderte zurück. Die Bei Einführung des Gruyère AOP im Jahr 2001 kritisier- Versuchung, diese Produkte nachzuahmen, zu fälschen oder te die Wettbewerbskommission (WEKO) die Aktivitäten widerrechtlich zu verwenden, war schon immer sehr gross. der Sortenorganisation. Sie stellte sich die Frage der Ein weiteres Problem stellt die Gattungsbezeichnung dar. Wettbewerbsbehinderung. Dies ist dann der Fall, wenn ein Produkt derart verbreitet Bezüglich der Konkurrenz entscheidet das Kriterium der ist, dass seine Bezeichnung mit einer Käsesorte, einem Grösse des Referenzmarktes, also das Gebiet, auf wel- Rezept, in Verbindung gebracht wird. Dieses Risiko be- chem der Wettbewerb ausgetragen wird. Beim Gruyère AOP stand in Frankreich bei der Bezeichnung «Gruyère», die einer handelt es sich zumindest um den europäischen Markt, da 10 Vielzahl von Halbhartkäsen zugeordnet wurde. Teilweise ist für den Käse zwischen der EU und der Schweiz ein freier dies noch beim Emmentaler der Fall, dessen Bezeichnung Markt besteht. Der europäische Markt ist jedoch riesig, und in Europa nicht formell durch die gegenseitige Anerkennung die Konkurrenz gross. Es gibt Dutzende, ja Hunderte von geschützt ist. Hartkäsen in Europe, die mit dem Gruyère AOP, der kaum
1 % des globalen Marktes ausmacht, direkt konkurrieren. von zentraler Bedeutung, dass die Kühe ins Freie können. Für die Wertschöpfungskette des Gruyère AOP besteht da- Wären sie den ganzen Tag eingesperrt – wie das bei gewis- her keine Möglichkeit, den Preis künstlich anzuheben, was sen Bezeichnungen der Fall ist – hätte dies sicherlich sehr sonst effektiv als Wettbewerbsbehinderung gelten wür- negative Auswirkungen auf das Image eines Produkts wie de. Wenn die Preise aber steigen, weil dieses Produkt ein dem Gruyère AOP. hochwertiges Produkt darstellt, und es die Konsumenten nachsuchen, dann ist das ist etwas anderes! Dann gilt näm- Sie sagen, dass sich das Pflichtenheft weiterentwickeln lich das Gesetz von Angebot und Nachfrage. kann. Doch in den vergangenen 20 Jahren hat sich kaum etwas getan! Sind wir Ihrer Meinung nach am Ende des Umsetzungs Zu Beginn benötigte die Wertschöpfungskette Stabilität. prozesses der AOP? Die Gefahr der widerrechtlichen Ver wendung und Das Schutzsystem ist ausgereift und wirksam. Nachahmung war sehr real. Doch damit nicht Die Aufnahme des Pflichtenheftes und der genug. Das Risiko der Industrialisierung des Schutz der Bezeichnung waren entschei- Produkts war gross. In der Deutschschweiz dende Schritte. Aber der Prozess ist noch waren bereits entsprechende Versuche un- nicht abgeschlossen. Die AOPs sind kei- ternommen worden. Dieser Umstand war ne Museumsstücke. Es sind Produkte, dann auch einer der Hauptgründe, wes- die sich aus wirtschaftlicher Sicht auf halb sich die Westschweiz mobilisierte. sehr dynamischen Märkten mit poten- Heute bleibt das Schreckgespenst der ziell starken Konkurrenten behaupten Industrialisierung in Erinnerung, und der müssen. Somit entwickeln sich das Wille, das handwerkliche Erzeugnis zu Produkt und sein Umfeld weiter. Gewisse schützen, ist sehr stark. Zweifellos aus technische Innovationen entstehen, wie diesem Grund ist das Pflichtenheft prak- die Pflegeroboter bei den Affineuren oder tisch unverändert geblieben. die automatischen Melksysteme bei den Es ist wichtig zu wissen, dass die Umsetzung Produzenten. Es ist wichtig, sich gut zu überlegen, der AOP des Gruyère das Ergebnis eines echten ob diese eingesetzt werden sollen oder nicht. Sind die Kampfs darstellt. Die Diskussionen waren heftig, die technologischen Entwicklungen zu weitreichend, besteht Ansichten zwischen den verschiedenen Akteuren der die Gefahr, dass die anspruchsvollen Konsumenten ihren Schweizer Käseproduktion, aber auch innerhalb der Käse nicht wieder erkennen. Wenn sie diese Feststellung Wertschöpfungskette, sehr unterschiedlich. äussern, könnte dies dem über Jahre erworbenen guten Ruf schaden. Die Herstellung dieses Qualitätsprodukts, Schliesslich obsiegten die produktbezogenen Interessen das der Gruyère AOP darstellt, bleibt also ein dynamischer über die Einzelinteressen der Unternehmen. Alle wurden Prozess, in welchem die traditionelle Komponente unver- sich bewusst, dass es sich bei der Herstellung von Gruyère zichtbar bleibt. AOP nicht nur um ein Recht handelt, sondern auch um eine kollektive Verantwortung und Engagement. Diese kul- Angesichts dieser Tatsache ist es sehr wichtig, dass auch turelle Dimension war bei jenen, welche die Anfänge der die Erwartungen der Gesellschaft mit einbezogen wer- den. Diese können sich ändern, zum Beispiel AOP des Gruyère begleitet hatten, sehr ausgeprägt. Und 11 es ist wichtig, dass diese Dimension weiterhin im Zusammenhang mit der Umwelt oder dem im Mittelpunkt der Debatten zur Zukunft des Tierschutz. Beispielsweise ist für das Image Gruyère AOP steht.
Rund um AOP © Aliénor Held ?? Jacques Chavaz Die AOP zum Schutz des Namens und zur Gewährleistung der Qualität Jacques Chavaz war von 2002 bis 2014 stellvertre- Aufwand war gross, um alle von den Vorteilen einer streng tender Direktor des BLW und in dieser Funktion eingeschränkten Gesamtproduktion zu überzeugen, und die verantwortlich für die Märkte, insbesondere für Sortenorganisation Gruyère leistete dabei hervorragende die Qualitätsförderung. Ausserdem leitete er die Arbeit. Schweizer Delegation bei den Verhandlungen mit der Europäischen Union und bei der WTO für Sie haben also mit der Sortenorganisation Gruyère an Agrarprodukte. Jacques Chavaz stand somit im der Feinabstimmung der Wertschöpfungskette gearbei- Zentrum der Verhandlungen, die zur europäischen tet, aber Sie haben auch die Anerkennung der AOP/IGP Anerkennung der Schweizer AOP und insbesondere auf internationaler Ebene verhandelt! des Gruyère AOP führten. In der Tat. Wir haben an der Anerkennung der Schweizer Als ich meine Stelle beim Bundesamt für Landwirtschaft AOP, an deren internationalem Schutz gearbeitet, denn antrat, hatte der Gruyère gerade seine Eintragung im AOC- die Wahrnehmung und die Regeln waren bezüglich Register erhalten. Es galt nun, an deren Umsetzung zu Ursprungsschutz extrem heterogen. Und dann fanden arbeiten. Zwischen der Sortenorganisation Gruyère und dem Verhandlungen auf europäischer Ebene statt, die zur ge- BLW gelang es uns, eng und kohärent zusammenzuarbeiten genseitigen Anerkennung der AOP und IGP führten. Ich und all die Fragen zu lösen, die sich stellten. Natürlich war muss sagen, dass der Gruyère in diesen Diskussionen oft der Gruyère nicht das erste Produkt, das eine AOC erhielt, eine wichtige Rolle spielte. Es war eine lange, oft schwie- aber es war die bei weitem grösste Organisation, die ge- rige, aber spannende Arbeit. Wir befanden uns in einer schaffen wurde. Eine Feinabstimmung des Pflichtenhefts Versuchsphase, die zwei Jahre gedauert hat und während und der Zertifizierung waren erforderlich. So musste zum der wir den Weg frei gemacht haben. Schliesslich dauerte Beispiel die Qualität einheitlich beurteilt werden, gewisse es dann zwei weitere Jahre, bis wir am Ziel waren. Mitglieder der Wertschöpfungskette, die das Pflichtenheft Was zählt, ist, dass es uns gelungen ist, Ordnung in nicht gewissenhaft einhielten, mussten zurechtgewiesen diesem sehr sensiblen Bereich der geschützten Ursprungs werden, und vor allem war eine gute Mengensteuerung bezeichnungen zu schaffen. zu gewährleisten. Dieser letzte Punkt war entscheidend. Bis 2007/2009 verfügten die Produzenten über individu- Welche Hindernisse standen dem Zustandekommen ei- elle Kontingente. Gewisse Molkereien gewährten jedoch nes Abkommens über die AOP-IGP im Wege? 12 keinen externen Einblick in die Qualität des hergestellten Das Projekt war ein Novum. Es gab kein Musterabkommen, Gruyère. Mit der AOC wurde die Steuerung strenger, dies das man hätte aus der Schublade ziehen können. Also ha- im gemeinsamen Interesse der Wertschöpfungskette. Der ben wir nach der richtigen Rechtsform gesucht, um auf die
richtigen Mechanismen zur Umsetzung und Aktualisierung Fragen auf einer anderen Grundlage angegangen werden. zugreifen zu können. Der gegenseitige Schutz der AOP- Zum Beispiel über Abkommen, die indirekt mit Marken zu- IGP ist per Definition ein Bereich, der sich verändert. Man sammenhängen. Bis diese Länder die AOP-IGP einführen, kann keinen Zustand am Tag X festlegen. Zum Zeitpunkt der dürfte es noch mehrere Generationen dauern. Verhandlungen beispielsweise verzeichnete die EU 100 bis 200 neue AOP und IGP pro Jahr, die Schweiz zwei bis drei. Ich möchte auf die Beobachterrolle zurückkommen, Es musste also ein Mechanismus gefunden werden, der die Sie Ende der 90-er-Jahre innehatten. Sie waren diese Realität widerspiegelte. Geschäftsleitungsmitglied in Grangeneuve und Di- rektor des Holsteinzuchtverbands. Haben Sie damals Anschliessend setzten wir alles daran, um die Probleme angesichts des sehr unabhängigen Charakters der Pro- zu identifizieren und konkrete Lösungen zu finden. Wie duzenten an einen Konsens geglaubt? sollte man zum Beispiel damit umgehen, wenn beidseits der Grenzen die gleiche Bezeichnung zu finden war? Es gab einige Visionäre, die von der Idee einer AOC begei- Typischerweise befand sich gerade der Gruyère in dieser stert waren, und die den Prozess eingeläutet haben. Die Situation. Das Problem war komplex: Die Franzosen hielten Charta hat der Bildung der Wertschöpfungskette einen Schub an der Bezeichnung fest, da sie diese seit langem benutz- verschafft. Zu sagen ist, dass seitens der Produzenten, ten. Glücklicherweise hatten sie begonnen, Ordnung in ihren Käser und Affineure seit langem die Idee bestand, einen Ursprungsbezeichnungen zu schaffen. Noch vor 30 Jahren Qualitätskäse herzustellen. Zeitweise gab es eine gewisse wurden praktisch alle Hartkäse Gruyère genannt, inklusive Zurückhaltung gegenüber dem einen oder anderen Punkt Comté und Beaufort. Bei der Umsetzung ihrer eigenen AOPs des Pflichtenheftes. Der Beitritt erfolgte schrittweise. schufen sie die AOP des Comté und Beaufort. Doch sie Tatsächlich kamen die grössten Schwierigkeiten von gewis- wollten auch den Namen Gruyère für einen Käse behalten, sen Industrieunternehmen, die eine andere Vision von der der nicht weit von der Schweizer Grenze hergestellt wurde. Entwicklung des Gruyère hatten. Da eine AOP per Definition Sie machten eine gewisse historische Legitimität geltend, eine kohärente geografische und historische Abgrenzung denn dieser Käse wurde früher von Schweizer Käsern her- haben muss, bestanden auch seitens der Deutschschweiz gestellt, die anschliessend nach Frankreich auswanderten. einige Probleme. Einige Produzenten konnten sich schwer- Diese französischen Gruyère waren also keine neuen, in- lich vorstellen, die Herstellung dieses Käses aufzugeben. dustriell hergestellten Käse. Schliesslich konnte mit der Bezeichnung «Gruyère-France IGP» eine Lösung gefunden Ein Schlusswort? werden. Die Schweiz behielt die Exklusivität der AOP und Ich möchte einen Aspekt unterstreichen, für den sich die die Bezeichnung «Gruyère» ohne geografische Ergänzung. Sortenorganisation Gruyère stark engagiert hat, und der Le «Gruyère-France IGP» hat auch die Besonderheit, dass mir für die Aufwertung der AOP sehr wichtig scheint. Es er Löcher aufweist. handelt sich um das Corporate Design des Gruyère AOP. Es ist der Sortenorganisation Gruyère gelungen, dasselbe Die geschützten Ursprungsbezeichnungen funktionieren durchzusetzen, wenn auch nicht ohne Schwierigkeiten. in Europa, nicht aber in den Vereinigten Staaten. Warum? Heute überstrahlt dieses Erscheinungsbild die anderen Ganz einfach, weil abgesehen von Grossbritannien (aufgrund Elemente des Verteilers auf der Verpackung. Um an dieses seiner Vergangenheit in der EU) die angelsächsische Welt Ziel zu gelangen, brauchte es grosse Beharrlichkeit. Ich bin kein grosser Fan von AOPs ist. Der öffentliche Schutz von aber überzeugt, dass die Aufwertung der AOP auch über ein Bezeichnungen ist dort eher verpönt. Die Angelsachsen glau- starkes Image und gemeinsame Verkaufsförderung geht. ben an die Vorrangstellung von Marken, die von privaten Die Authentizität und die aussergewöhnliche Qualität des Unternehmen geführt werden. Ohne öffent- Gruyère AOP reichen für seinen kommerziel- 13 lichen Schutz sind direkte Verhandlungen von len Erfolg in diesem wettbewerbsorientierten Land zu Land unmöglich. Also müssen diese und sich schnell verändernden Umfeld der Grossverteiler alleine nicht aus.
Rund um AOP © Aliénor Held ?? Dominique Barjolle Verbindung zwischen Produkt und Terroir aufwerten Dominique Barjolle hat den Umsetzungsprozess der die Produktion von Gruyère ausserhalb des angestamm- AOP für den Gruyère genau verfolgt. Nach einer ten Gebiets, und insbesondere in der Deutschschweiz, Doktorarbeit, welche die Schweizer Landwirtschaft zuliess. Da der Emmentaler damals mit Problemen zu mit jener Frankreichs vergleicht, und einer kämpfen hatte, suchten die Deutschschweizer nach neuen Vergleichsarbeit der AOPs in Europa, hat diese Verarbeitungsmöglichkeiten für ihre Milch. Und so wandten Forscherin an der Umsetzung des Pflichtenhefts sie sich sehr gerne dem Gruyère zu, der einen Zukunftsmarkt unseres Hartkäses mitgewirkt. Sie ist zusammen darstellte. mit Stéphane Boisseaux Co-Autorin des Buchs «La Die Gruyère-Akteure hatten übrigens bereits Überlegungen Bataille des AOC en Suisse» (PPUR, 2004). In die- zu einer «Gruyère-Charta» angestellt, welche eine Zone sem Artikel wirft sie einen Blick auf diese Zeit der definierte, in der der Gruyère hergestellt wurde. Aber an- Reflexion und des Wandels. sonsten waren sie über ihre finanzielle Situation beunruhigt. Mit der Liberalisierung des Milchmarktes wurde zwingend Sie wussten nicht, wie der Handel mit Gruyère aufrechterhal- eine neue Gesetzgebung erforderlich, und es mussten ten werden konnte. In der Folge liessen sie sich von einem neue Strukturen definiert werden, um die Käseprodukte Modell inspirieren, das sich jenem des Parmigiano in Italien zu verwerten und ihnen zu besseren Chancen bei den und des Comté in Frankreich annäherte. Verbrauchern zu verhelfen. So ergab sich die Notwendigkeit, Wertschöpfungsketten und AOPs (früher sprach man von Also wurde die Gruyère-Charta zugunsten einer AOP- AOCs) zu schaffen. Vorgehensweise aufgegeben? In unserer Forschungsarbeit haben wir uns an die Wir sind sofort an die Redaktion eines Pflichtenheftes AOP Verantwortlichen verschiedener Produkte gewandt, um gegangen, das der europäischen Verordnung entsprach. Wir das Interesse zu analysieren, das eine AOP darstellen haben gehofft, dass die grossen Linien durch die Schweizer könnte. Verfügte dann ein Produkt über ein Potenzial, Gesetzgebung übernommen würden. Diese Arbeit erstreckte als AOP anerkannt zu werden, schlugen wir ihnen eine sich über mehrere Jahre. Vorgehensweise vor, und unterstützten sie bei der Erstellung der Pflichtenhefte. Wurden die Überlegungen durch die Produzenten, Käser und Affineure angestellt? 14 Haben die Gruyère-Akteure den Stellenwert eines An den Überlegungen zur Chart a beteiligten sich solchen Vorgehens sofort erkannt? auch Vertreter der Schweizerischen Käseunion, des Sie zeigten sehr schnell Interesse an der AOP. Unter anderen Zentralverbands schweizerischer Milchproduzenten (heu- störten sie sich daran, dass die Schweizerische Käseunion te SMP) und des Schweizerischen Milchkäuferverbands
(heute Fromarte). Bezüglich des Pflichtenhefts bestand wirtschaftliche Interessen gelegt, hätten wir den Ast abge- die Idee in der Bildung einer kleineren Arbeitsgruppe und sägt, auf dem wir sassen. Es wäre uns nicht gelungen, die in der Fokussierung auf die lokalen Akteure. Diese wollten Identität des Produkts zu wahren. autonom, unabhängig werden. Die Schweizer Dachverbände Es sei darauf hingewiesen, dass wir keine unumstössliche nahmen an unseren Sitzungen nur als Gäste teil. und unveränderliche Qualität forderten, denn diese kann sich Die Schweizerische Käseunion lehnte sich gegen diese wandeln. Beispielsweise dann, wenn sich das Klima ändert. neue AOP-Gesetzgebung auf, denn sie wollte nicht zum Aber diese mikrobiologische Kette auf mehreren Ebenen Verschwinden verdammt sein. So wurde die Sortenorga- muss gewahrt werden. nisation Gruyère denn in der Folge nicht gegen sie, aber ohne sie, gegründet. Waren die Gruyère-Akteure für diese Argumente empfänglich? Wie wurde das Pflichtenheft konkret gestaltet? Ja. Sie waren sich der Risiken einer Standardisierung und Ziel war es, eine Arbeitsplattform zu schaffen, welche die Trivialisierung der Geschmäcker bewusst. Wir befinden uns Vielfalt der Regionen und Berufe rund um den Gruyère gut in Weinbaukantonen, wo man bereits seit einiger Zeit über abbildet. In den Diskussionen war es das Produkt, das je- Terroirs für den Wein spricht. den Einzelnen bei seinen Überlegungen leiten sollte. Es Die Affineure erkannten im Gaumen, aus welcher Käserei der ging nicht in erster Linie um das kurzfristige wirtschaftliche Gruyère stammte, wussten, ob es ein Alpkäse oder ein Käse Interesse, sondern um die Aufwertung der Verbindung zwi- aus dem Talgebiet war. Für sie war der Begriff des Terroirs schen Produkt und Herkunftsgebiet. etwas ganz Alltägliches. Die Affineure sind uns von Anfang Im Jahr 1994 haben wir dann am Institut für Agrarwirtschaft an gefolgt. der ETH im Auftrag des BLW eine Studie durchgeführt, Auch die Käser waren sehr motiviert. Die AOP war eine um diese Verbindung zu verstehen und zu dokumentie- unglaubliche Anerkennung ihrer Arbeit. Sie waren die trei- ren. Diese Studienarbeit zeigte alle Elemente auf, die ab bende Kraft bei den Diskussionen rund um die Gründung der Bodenqualität bis zum Teller des Verbrauchers von Bedeutung Sortenorganisation und das Pflichtenheft. sind. Genannt seien beispielsweise die Wiesenpflege, die Zusammensetzung der Flora, die Rasse, die Fütterung der Die Produzenten standen der Wertschöpfungskette we- Kühe, die Handgriffe der Milchproduzenten, die Tatsache, niger nahe. Die meisten unter ihnen waren nicht nur eine hochwertige Milch in eine nahegelegene Käserei zu Milchproduzenten für den Gruyère. Sie produzierten auch liefern, innerhalb kurzer Zeit mit Rohmilch zu arbeiten, die Fleisch, bauten Getreide, Tabak und anderes an. Es war für Handgriffe des Käsers, die Art und Weise, wie Milch ent- sie deshalb schwieriger, die gesamte Kausalkette zwischen rahmt wird, die Arbeit mit Lab und vor allem Hefen, deren ihren täglichen Handgriffen und dem Endprodukt zu erken- Aufgaben für die vielfältigen Geschmacksnoten in Verbindung nen. Doch schon bald merkten sie, dass der Gruyère für sie mit dem Terroir wesentlich sind, die Reifungsbedingungen eine echte Ressource darstellte. Wir haben das Glück, dass und vieles mehr. die Milchproduzenten in der Westschweiz auch Eigentümer der Käserei sind, was die Dinge erleichtert. Ich habe fest- Haben Sie sich bei den Überlegungen rund um das gestellt, dass sie sich stärker engagieren, wenn sie ihrem Pflichtenheft auf diese Verbindung mit dem Terroir Käser nahestehen. Gewisse Freiburger und Waadtländer gestützt? Produzenten sind ebenfalls zu treibenden Kräften geworden. Für die Konsumentenkreise und Feinschmecker war es wichtig, den typischen Geschmack des Gruyère wiederzu- Wenn Sie nun auf die vergangenen zwanzig Jahre des finden. Wir waren davon überzeugt, dass dies der Schlüssel Gruyère zurückblicken, was beeindruckt Sie besonders? zum Erfolg war, selbst für den Handel. Indem sich der Le Gruyère AOP war für die ganze Westschweizer Gruyère auf die Qualität und Typizität fokussierte, konnte Landwirtschaft eine enorme treibende Kraft. Andere er neue Märkte erschliessen. Dies war unsere Käsesorten haben sich in der Folge diesem 15 Hauptbotschaft, die bereits andere Produkte in Begriff der AOP angenähert, einer AOP, die für Frankreich, Spanien usw. zum Erfolg geführt hat- den Milchpreis in der Region zu einem wichtigen te. Hätten wir das Schwergewicht auf kurzfristige Pfeiler geworden ist.
Rund um AOP © Aliénor Held Frédéric Brand ?? Schützen, und zwar immer, ohne Qualitätsabstriche Frédéric Brand, heutiger Direktor des Amts für Sind Preis und Absatz garantiert, interessiert man sich kaum Landwirtschaft, Weinbau und Meliorationen mehr für den Schutz der Namens und der Identität. Genau des Kantons Waadt, hat sich angesichts der das war während eines Jahrhunderts bis zum Ende der 90er- Abschaffung der Planwirtschaft im Milchmarkt Jahre der Fall. und der Herausforderung der Globalisierung 1991 wurde dann das europäische Register der geschützten aktiv am Schutz und an der Anerkennung un- Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geografischen seres Gruyère AOP beteiligt. Im Rahmen des Angaben geschaffen. Ein Jahr später lehnte das Schweizer Bundesamts für Landwirtschaft war er an der Volk den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) Auflösung der Schweizerischen Käseunion be- ab. Das Dossier wurde daraufhin ad acta gelegt, aber im Jahr teiligt, bevor er sich dann dem Register der 1995 wieder aufgenommen. geschützten Ursprungsbezeichnungen (AOC) zuwandte. In diesem Zusammenhang stand er War man sich zu jenem Zeitpunkt bereits bewusst, im Zentrum der Diskussionen zwischen Staat, welches Interesse die Konsumentenkreise an lokalen Politikern und professionellen Akteuren rund um Produkten haben könnten? folgende Themen: Festlegung der geografischen Bezeichnung, Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Nein, wir hatten nicht den Anspruch, Pioniere des Lokalen des Gruyère AOP und insbesondere Verbesserung zu werden. Wir wollten eine kollektive Organisation grün- des Einkommens der Produzenten. Frédéric Brand den, welche die Akteure des Gruyère vereinte. Und wir erinnert sich: wollten ausserdem diesen Namen schützen – zuerst auf dem Schweizer, dann auf dem europäischen Markt. Damals Wir wurden uns bewusst, dass wir der Planwirtschaft nicht gab es eine Verordnung über die administrative Bezeichnung einfach den Stecker ziehen konnten, ohne eine andere der Käse (ohne geografisches Gebiet) wie den Gruyère, Organisation anzubieten. Auf einem völlig freien Markt hätte Emmentaler, Sbrinz. Diese Verordnung sollte abgeschafft sich der Milchpreis jeden Tag ändern können. Deshalb ent- werden, also mussten ein neues System gefunden, eine stand die Idee der Sortenorganisationen und des Schutzes Sortenorganisation gegründet werden. Auch musste der der geografischen Namen. Name gemäss den EU-Regeln definiert werden, die wir übernommen hatten. 16 Hat also der europäische Kontext die Schweizer Akteure dazu veranlasst, sich für die Zukunft zu wappnen? Damals gab es flexiblere, weniger strenge Regeln, wel- Wir haben uns in der Tat von der Erfahrung der südeuropä- che den Gruyère definierten. Welche sollten nun für das ischen Länder inspirieren lassen. Aber alles brauchte Zeit. Pflichtenheft gewählt werden?
Die Grundregel lautete und lautet noch immer: Wir müssen Die Verordnung über die Branchen- und Produzentenorgani das Produkt immer schützen, ohne Qualitätsabstriche zu sationen und die GUB-/GGA-Verordnung bildeten die beiden machen. Bei der Definition eines Produkts gibt es normaler- Gesetzesgrundlagen zur Gründung der Sortenorganisati- weise vier bis fünf grundlegende Punkte. Gelingt es, diese on. Es gilt das Einstimmigkeitsprinzip, indem nämlich die zu definieren, dann charakterisiert man damit die gesamte Mehrheit der Delegierten der Produzenten, der Käser und Wertschöpfungskette und das Endprodukt. der Affineure einen Beschluss gutheissen müssen. Diese Organisaion ist für die Kohäsion und den Erhalt der Qualität Der Gruyère kennt ein umfangreiches und anspruchsvolles des Gruyère AOP zentral. Pflichtenheft. Hier einige Kernpunkte: - Die Milch muss ausschliesslich von Produzenten stam- Ein weiterer Stolperstein war der Schutz des Namens men, die der jeweiligen Käserei angeschlossen sind. Das Gruyère. Welche Strategie haben Sie damals gewählt? Einzugsgebiet einer Käserei beträgt höchstens 20 km. Es gab schon immer einen Konflikt zwischen Frankreich - Die Aufbereitung und Verabreichung von Silofutter jegli- und der Schweiz bezüglich der Urheberschaft des Namens cher Art ist verboten. Gruyère. Wir trafen den wichtigen Entscheid, keinen natio- - Der Milch werden Betriebskulturen und Lab beigesetzt. nalistischen Kampf daraus machen zu wollen, und kamen zu - Bei der Auslagerung aus dem feuchten Reifungskeller folgendem Schluss: Die Franche-Comté und die Westschweiz muss der Gruyère mindestens fünf Monate alt sein. Davon sind zwei Regionen, die sich bezüglich Kostenumfeld und muss die Reifung während mindestens drei Monaten im Käsekultur ähneln – abgesehen natürlich vom Wechselkurs Produktionsgebiet erfolgt sein. zwischen dem Euro und dem Schweizer Franken. Man darf auch nicht vergessen, dass die Freiburger Käser mit ihrem Man kann sich vorstellen, dass es bei gewissen Punkten Know-how in die Franche-Comté ausgewandert sind und zu lebhaften Diskussionen kam. dort Gruyère hergestellt haben. Wir haben es also vorge- Ich erinnere mich insbesondere an Auseinandersetzungen zogen, zwischen der Westschweiz und der Franche-Comté über die Reifungsdauer des Gruyère sowie das Sammelgebiet zusammenzuarbeiten, um den Gruyère bestmöglich und auf mit zweimaliger Lieferung pro Tag. Hinter diesen Themen globaler Ebene zu verteidigen. steckten Kosten- und Identitätsargumente. Das ist ein kompletter Gesinnungswandel, denn bei uns Bei Diskussionen rund um die AOC gibt es unabhän- sieht man den Gruyère vor allem als einen Schweizer gig vom Lebensmittel immer zwei wichtige Aspekte: das Käse. Wasser und die Zeit. Stellt man ein Produkt schnell und mit Ja, wir haben unsere Haltung und unsere Strategie geändert, viel Wasser her, spart man viel. Stellt man einen Käse mit und uns auf die Relokalisierung konzentriert. Vorher konnte Betriebskulturen her und lässt ihn während acht Monaten der Begriff Gruyère überall in der Welt verwendet werden, in reifen, dann ist es schwieriger, über die Runden zu kommen. Frankreich, Indien, in den Vereinigten Staaten oder Estland. Wird ein Herstellungsverfahren verändert, dann riskiert man Dank der Relokalisierung wurde der Begriff Gruyère aus der immer, dass etwas schiefläuft. Wird zum Beispiel die Milch Norm C10 des Codex Alimentarius gestrichen. Der Codex nur noch einmal täglich geliefert, ändert dies zwar an der trägt zur Förderung des globalen Lebensmittelhandels bei, Herstellungsart nichts. Aber die Milch muss in diesem Fall und die Norm C10 erteilte das Recht, den Begriff Gruyère für auf vier Grad gekühlt werden. Dadurch wird eine andere alle Käsesorten weltweit zu verwenden. Mit dieser Strategie Flora in der Milch gefördert. Und genau dies wird sich auf haben wir schliesslich den Gruyère AOP in der Westschweiz die Produktqualität auswirken. und den Gruyère français IGP in der Franche-Comté. Diskutiert man über gewisse Punkte im Pflichtenheft AOC, Vor 20 Jahren erhielt der Gruyère die Appellation dann spürt man, wie Emotionen hochkommen; es ist ein d’Origine Contrôlée. Wie nehmen Sie diese Entwicklung Kampf zwischen Traditionalisten und Progressiven, zwischen wahr? Differenzierung und Trivialisierung. Soll eine Änderung vor- genommen werden, so muss zuerst gemeinsam definiert Der Sortenorganisation Gruyère ist es gelungen, ihrem Käse werden, welche Elemente für den Gruyère typisch sind, und und sämtlichen Akteuren dieses Hartkäses einen hohen an denen zwingend festgehalten werden muss. Stellenwert zu verschaffen. Sie zahlt den besten Milchpreis in der Schweiz. Dies wäre ohne gemeinsames Management Im Vergleich zu Deutschland, gibt es 300 Mal weniger der Mengen, der Identität und des Namens Gruyère nicht Käsereien, was das Ergebnis eines starken industriellen möglich gewesen. Die Mengen- und Qualitätssteuerung Entwicklungsprozesses ist, der sich dadurch erklärt, dass wird von der Sortenorganisation Gruyère bestimmt, die es zweifellos keine gemeinsame Definition gab. Identitätsmarke jedoch im Pflichtenheft festgelegt. Das 17 Ganze ist ein toller Erfolg. War die Organisation der Sortenorganisation Gruyère eine Schutzmassnahme zur Wahrung der typischen Elemente?
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