Landtag von Baden-Württemberg - Wahlperiode - Landtag Baden Württemberg

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Landtag von Baden-Württemberg                                                     Drucksache 17 / 2299
17. Wahlperiode                                                                   4.4.2022

Kleine Anfrage
des Abg. Emil Sänze AfD

und

Antwort
des Ministeriums für Verkehr

Telematische Überwachung – wie geht die Landesregierung
mit der Tatsache um, dass das Sicherheitssystem der TESLA-
Automobile Videoüberwachung im öffentlichen Bereich auf-
zeichnet?

Kleine Anfrage

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie positioniert sie sich in rechtlicher Hinsicht zu dem am 4. September 2021
   auf dem Internetprotal „anwalt.de“ berichteten Sachverhalt, TESLA-Automobile
   (und möglicherweise auch die Automobile und Fahrzeuge anderer Hersteller)
   sammelten über eingebaute Sicherheitsfunktionen permanent Nutzerdaten und
   Umgebungsdaten und sendeten diese angeblich ohne Rechtsgrundlage und ohne
   weitere Einsehmöglichkeit und Zugriffsmöglichkeit des Fahrzeugnutzers an den
   Fahrzeughersteller (Zitat anwalt.de: „(…) Diese Daten gehören in der Regel
   nicht den Fahrzeugbesitzern, sondern den Autoherstellern, was sich aus den all-
   gemeinen Geschäftsbedingungen in den meisten Fällen auch ergibt. D. h., dass
   die Besitzer keinen Einfluss haben auf diese Art der Daten und diese auch nicht
   selbständig auslesen können, vielmehr meist auch nicht dürfen. (…).“?

2. Wie bewertet sie rechtlich Geschäftsmodelle von Versicherungsunternehmen
   folgender Art, welche günstigere Tarifkonditionen im Austausch für das automa-
   tisierte Sammeln von Nutzerverhaltens-Daten anbieten – Zitat anwalt.de: „(…)
   Nun hat das Folgen: Diese Daten können viel über die Nutzer aussagen und auch
   gegen die Fahrer verwendet werden. So gibt es teilweise schon spezielle Versi-
   cherungstarife, die bei Verwendung einer Blackbox, ähnlich in einem Flugzeug
   günstiger sind als andere Tarife. Hierbei senden diese Sammelstellen dann Daten
   über das Fahrverhalten an die Versicherung. Gesetzliche Regelungen außer die-
   jenigen der DSGVO oder des BDSG fehlen# hierbei. (…).“?

3. Was ist ihr über den weiteren Verbleib und insbesondere die weitere Nutzung
   durch welche Akteure der infolge der unter Frage 1 und 2 angesprochenen
   Datensammelaktivitäten der ausländischen und inländischen Wirtschaft in Baden-
   Württemberg (und Deutschland) generierten Nutzerdaten (Nutzerverhalten, räum-
   liche Bewegungsprofile, anfallende Umgebungsdaten) bekannt?

Eingegangen: 4.4.2022 / Ausgegeben: 25.5.2022                                                                1
Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet      Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeich-
abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente            net mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“.
Landtag von Baden-Württemberg                                                             Drucksache 17 / 2299

            4. Finden nach ihrer Kenntnis (vgl. Frage 3 und vor dem Hintergrund ihrer Antwort
                auf die Kleine Anfrage Drucksache 17/2027) in irgendeiner Form in Deutsch-
                land oder in der EU wissenschaftlich-technische Aktivitäten statt, in denen
                öffentlich finanzierte Stellen bei der Entwicklung von Technologie – zum
                Beispiel Künstlicher Intelligenz, Verkehrsleitung, Medizindiagnostik – mit
                Wirtschaftsunternehmen zusammenarbeiten, welche durch die automatisierte
                Überwachung von Nutzerverhalten in Baden-Württemberg (und Deutschland)
                entsprechende strukturierte Datenmengen anhäufen?

            5. Finden nach ihrer Kenntnis (und vor dem Hintergrund ihrer Antwort auf die
                Kleine Anfrage Drucksache 17/2027) in irgendeiner Form im Nicht-EU-Ausland
                wissenschaftlich-technische Aktivitäten statt, in denen öffentlich finanzierte
                Stellen bei der Entwicklung von Technologie – zum Beispiel Künstlicher Intel-
                ligenz, Verkehrsleitung, Medizindiagnostik; auch ein „Einmessen“ für militä-
                rische Zwecke wäre denkbar – mit Wirtschaftsunternehmen zusammenarbeiten,
                welche durch die automatisierte Überwachung von Nutzerverhalten in Baden-
                Württemberg (und Deutschland) entsprechende strukturierte Datenmengen an-
                häufen?

            6. Falls Frage 4 oder Frage 5, oder beide, mit Ja beantwortet werden: wie ist eine
                solche Zusammenarbeit dann rechtlich geregelt, insbesondere wo bereits die
                Sammlung der Daten selbst (im Hinblick vor allem auf die informationelle
                Selbstbestimmung der Technik nutzenden Bundesbürger) möglicherweise in einer
                rechtlichen Grauzone stattfindet?

            7. In welchen technischen Bereichen neben der Fahrzeugtechnik werden nach ihrer
                Kenntnis ebenfalls automatisiert Nutzerdaten erfasst und in Deutschland oder
                im Ausland von welchen privaten oder öffentlichen Stellen gesammelt und auf-
                bereitet?

            8. Welche Zwecke werden damit – vgl. Frage 7 und vor dem Hintergrund ihrer
               Antwort auf die Kleine Anfrage Drucksache 17/2027 – nach ihrer Kenntnis jeweils
               von welchen Stellen im Inland oder im Ausland verfolgt?

            9. Sollte die unter den Fragen 1 bis 8 erfragte Thematik grundsätzlich mögliche
                Rechtsverstöße privater oder öffentlicher Stellen offengelegt haben (bitte die ge-
                naue Art der Rechtsverstöße aufführen), welche öffentlichen Stellen haben nach
                ihrer Kenntnis bisher welche Anstrengungen unternommen, solche Rechtsver-
                stöße zu ahnden?

            1.4.2022

            Sänze AfD

            Begründung

            Am 4. September 2021 berichtete das Internetportal „anwalt.de“ (nicht den gül-
            tigen Rechtschreibregeln folgend) über eine in TESLA-Fahrzeugen installierte
            Sicherheitsfunktion. Diese sammle Daten über das Nutzerverhalten sowie über
            die Umgebung, in der die Fahrzeuge betrieben werden. Diese Daten würden live
            und ohne Rechtsgrundlage auch an den Fahrzeughersteller übertragen, was einen
            Rechtsverstoß darstelle: „(…) Wo dies vor allen Dingen die Fahrer betrifft, sind
            moderne Fahrzeuge wie Tesla mit einer großen Anzahl von Videoüberwachungs-
            systemen ausgerüstet. So befindet sich in diesen Fahrzeugen regelmäßig im Be-
            reich der Spiegel, Rückspiegel, B-Säule im Blinker sowie direkt am Heck eine
            von bis zu 8 Kameras. Recherchen haben ergeben, dass diese Kameras während
            des Betriebs des Fahrzeuges ständig Aufnahmen vornehmen und hierbei Personen
            und vor allem ihre Gesichter filmen sowie Nummernschilder anderer Fahrzeuge.
            Auch Fahrspuren anderer Fahrzeuge werden hierbei erfasst. Daneben gibt es bei
            Tesla auch einen Wächtermodus, bei dem das Fahrzeug im Ruhezustand selbsttätig
            und ohne dass man es steuern kann auf eigene Veranlassung hin Videoaufnahmen
            der Umgebung macht. Nicht genug: diese Daten werden nach einem Bericht des

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Landtag von Baden-Württemberg                                                             Drucksache 17 / 2299

            ARD-Magazins „Kontraste“ vom 17. September 2020 auch ständig an Tesla in die
            USA übertragen – und zwar Live und ohne Rechtsgrundlage. Das stellt regelmäßig
            einen Datenschutzverstoß dar, weil in Deutschland die anlasslose Videoüberwa-
            chung verboten ist und aus diesem Grunde Dashcams, die vergleichbare Zwecke
            erfüllen, nämlich den Straßenverkehr dauerhaft während der Fahrt zum Erwachen
            ebenfalls verboten sind. (…).“ Telematische Überwachung von Maschinenfunkti-
            onen und Bewegungsdaten wird z. B. auch von einem in Mannheim bzw. Bruchsal
            ansässigen Landtechnikkonzern umfassend eingesetzt und als Nutzervorteil be-
            worben. Ähnliche Anwendungen weiterer Fahrzeug- und Maschinenhersteller sind
            als Stand der Technik anzunehmen. Auf den End-Verbleib und die weitere Nut-
            zung der in „Black Boxes“ bzw. telematisch gesammelten Daten haben die Nutzer
            keinen Einfluss. Bei Versicherungs-Geschäftsmodellen, die im Gegenzug für die
            Sammlung von Nutzerdaten heute Tariferleichterungen anbieten, kann nach An-
            sicht des Fragestellers angenommen werden, dass die Anbieter die automatisierte
            Überwachung des Nutzerverhaltens mittels einer „Black Box“ als normativen Re-
            gelfall etablieren wollen. Angesichts mutmaßlicher Regelungslücken interessiert
            die Haltung der Landesregierung zu Eingriffen bzw. Übergriffen der Wirtschaft in
            die informationelle Selbstbestimmung der Bürger.

            Antwort

            Mit Schreiben vom 18. Mai 2022 Nr. VM5-0141.5-25/18/1 beantwortet das Minis-
            terium für Verkehr im Einvernehmen mit dem Ministerium des Innern, für Digitali-
            sierung und Kommunen und dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus
            die Kleine Anfrage wie folgt:

            1. Wie positioniert sie sich in rechtlicher Hinsicht zu dem am 4. September 2021
                auf dem Internetprotal „anwalt.de“ berichteten Sachverhalt, TESLA-Automobile
                (und möglicherweise auch die Automobile und Fahrzeuge anderer Hersteller)
                sammelten über eingebaute Sicherheitsfunktionen permanent Nutzerdaten und
                Umgebungsdaten und sendeten diese angeblich ohne Rechtsgrundlage und ohne
                weitere Einsehmöglichkeit und Zugriffsmöglichkeit des Fahrzeugnutzers an den
                Fahrzeughersteller (Zitat anwalt.de: „(…) Diese Daten gehören in der Regel
                nicht den Fahrzeugbesitzern, sondern den Autoherstellern, was sich aus den all-
                gemeinen Geschäftsbedingungen in den meisten Fällen auch ergibt. D. h., dass
                die Besitzer keinen Einfluss haben auf diese Art der Daten und diese auch nicht
                selbständig auslesen können, vielmehr meist auch nicht dürfen. (…).“?

            Die Europäische Kommission hat einen Vorschlag für eine Verordnung des Europäi-
            schen Parlaments und des Rates über harmonisierte Vorschriften für einen fairen Daten-
            zugang und eine faire Datennutzung (Datengesetz) vorgelegt (siehe dazu Frühwarn-
            bogen vom 1. April 2022 zum Vorschlag für ein Datengesetz COM [2022] 68 final).
            Die Landesregierung begrüßt eine europaweite Regelung zum Interessenausgleich
            der Datennutzung zwischen Fahrzeugnutzenden und Fahrzeugherstellern.

            2. Wie bewertet sie rechtlich Geschäftsmodelle von Versicherungsunternehmen
                folgender Art, welche günstigere Tarifkonditionen im Austausch für das automa-
                tisierte Sammeln von Nutzerverhaltens-Daten anbieten – Zitat anwalt.de: „(…)
                Nun hat das Folgen: Diese Daten können viel über die Nutzer aussagen und
                auch gegen die Fahrer verwendet werden. So gibt es teilweise schon spezielle
                Versicherungstarife, die bei Verwendung einer Blackbox, ähnlich in einem Flug-
                zeug günstiger sind als andere Tarife. Hierbei senden diese Sammelstellen dann
                Daten über das Fahrverhalten an die Versicherung. Gesetzliche Regelungen
                außer diejenigen der DSGVO oder des BDSG fehlen hierbei. (…).“?

            Die Erhebung und Nutzung von Fahrdaten und Daten zum Nutzer/-innenverhalten,
            die aus der Nutzung und dem Betrieb des Fahrzeuges herrühren, ist Gegenstand
            bilateraler Vertragsbeziehungen zwischen dem Versicherungsunternehmen und
            der Versicherungsnehmerin/dem Versicherungsnehmer. Die Inanspruchnahme ent-
            sprechender Versicherungstarife ist Angelegenheit der Versicherungsnehmerin/des
            Versicherungsnehmers und unterliegt der freien Wahl. Insoweit kann die Landes-
            regierung hierzu keine weiteren Angaben machen.

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            3. Was ist ihr über den weiteren Verbleib und insbesondere die weitere Nutzung
                durch welche Akteure der infolge der unter Frage 1 und 2 angesprochenen Daten-
                sammelaktivitäten der ausländischen und inländischen Wirtschaft in Baden-
                Württemberg (und Deutschland) generierten Nutzerdaten (Nutzerverhalten,
                räumliche Bewegungsprofile, anfallende Umgebungsdaten) bekannt?

            Der Landesregierung liegen hierzu keine Informationen vor.

            4. Finden nach ihrer Kenntnis (vgl. Frage 3 und vor dem Hintergrund ihrer
                Antwort auf die Kleine Anfrage Drucksache 17/2027) in irgendeiner Form
                in Deutschland oder in der EU wissenschaftlich-technische Aktivitäten statt,
                in denen öffentlich finanzierte Stellen bei der Entwicklung von Technologie –
                zum Beispiel Künstlicher Intelligenz, Verkehrsleitung, Medizindiagnostik – mit
                Wirtschaftsunternehmen zusammenarbeiten, welche durch die automatisierte
                Überwachung von Nutzerverhalten in Baden-Württemberg (und Deutschland)
                entsprechende strukturierte Datenmengen anhäufen?

            5. Finden nach ihrer Kenntnis (und vor dem Hintergrund ihrer Antwort auf die
                Kleine Anfrage Drucksache 17/2027) in irgendeiner Form im Nicht-EU-Aus-
                land wissenschaftlich-technische Aktivitäten statt, in denen öffentlich finanzierte
                Stellen bei der Entwicklung von Technologie – zum Beispiel Künstlicher Intelli-
                genz, Verkehrsleitung, Medizindiagnostik; auch ein „Einmessen“ für militärische
                Zwecke wäre denkbar – mit Wirtschaftsunternehmen zusammenarbeiten, welche
                durch die automatisierte Überwachung von Nutzerverhalten in Baden-Württem-
                berg (und Deutschland) entsprechende strukturierte Datenmengen anhäufen?

            6. Falls Frage 4 oder Frage 5, oder beide, mit Ja beantwortet werden: wie ist eine
                solche Zusammenarbeit dann rechtlich geregelt, insbesondere wo bereits die
                Sammlung der Daten selbst (im Hinblick vor allem auf die informationelle
                Selbstbestimmung der Technik nutzenden Bundesbürger) möglicherweise in einer
                rechtlichen Grauzone stattfindet?

            Die Fragen 4 bis 6 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam be-
            antwortet.

            Der Landesregierung liegen hierzu keine Informationen vor.

            7. In welchen technischen Bereichen neben der Fahrzeugtechnik werden nach ihrer
                Kenntnis ebenfalls automatisiert Nutzerdaten erfasst und in Deutschland oder
                im Ausland von welchen privaten oder öffentlichen Stellen gesammelt und auf-
                bereitet?

            Für den Betrieb von Streckenbeeinflussungsanlagen, zum Beispiel auf der B 27
            zwischen Tübingen und Stuttgart sowie auf der B 14 zwischen Stuttgart und Waib-
            lingen, werden fahrstreifenbezogen Verkehrsdaten (Fahrstreifenbelegung, Geschwin-
            digkeit) erfasst. Die Daten dienen der unmittelbaren Steuerung der Anlagen und
            haben durch die verkehrsrechtliche Anordnung digitaler Verkehrszeichen unmit-
            telbare Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit und den Verkehrsfluss. Die Ver-
            arbeitung der Verkehrsdaten erfolgt unmittelbar vor Ort in der Unterzentrale zu den
            Verkehrsbeeinflussungsanlagen und in der Verkehrsrechnerzentrale in Stuttgart. Eine
            Datenverarbeitung außerhalb der Verkehrsrechnerzentrale (in Deutschland oder im
            Ausland) findet nicht statt. Personenbezogene oder -beziehbare Daten sowie Nutzer-
            oder Bewegungsdaten werden dabei jedoch nicht erfasst.

            Darüber hinaus kann die Landesregierung hierzu keine weiteren Angaben machen.

            8. Welche Zwecke werden damit – vgl. Frage 7 und vor dem Hintergrund ihrer Ant-
                wort auf die Kleine Anfrage Drucksache 17/2027 – nach ihrer Kenntnis jeweils
                von welchen Stellen im Inland oder im Ausland verfolgt?

            Der Landesregierung liegen hierzu keine Informationen vor.

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Landtag von Baden-Württemberg                                                          Drucksache 17 / 2299

            9. Sollte die unter den Fragen 1 bis 8 erfragte Thematik grundsätzlich mögliche
                Rechtsverstöße privater oder öffentlicher Stellen offengelegt haben (bitte die
                genaue Art der Rechtsverstöße aufführen), welche öffentlichen Stellen haben
                nach ihrer Kenntnis bisher welche Anstrengungen unternommen, solche Rechts-
                verstöße zu ahnden?

            Die Landesregierung kann hierzu keine Angaben machen.

            Hermann
            Minister für Verkehr

                                                                                                         5
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