Langfristperspektiven der öffentlichen Finanzen in der Schweiz

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                   Langfristperspektiven der
                   öffentlichen Finanzen
                   in der Schweiz
Bericht über die Langfristperspektiven der öffentlichen Finanzen in der Schweiz                  2

                            Impressum
                           Herausgeber                       Eidg. Finanzverwaltung EFV
                          		                                 Bundesgasse 3
                          		                                 3003 Bern
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                             Cette publication existe également en français.
                          		 La presente pubblicazione è disponibile anche in lingua italiana.
                          		 This brochure is also available in English.

                           Autoren W. Weber, P. A. Bruchez, C. Colombier, D. Gerber

                          		 Bern, April 2008
Bericht über die Langfristperspektiven der öffentlichen Finanzen in der Schweiz                                                    3

Executive Summary

                          In den kommenden Jahrzehnten wird sich die              wird für diese Indikatoren das Konzept der Finan-
                          Struktur der schweizerischen Bevölke­rung stark         zierungslücke (Fiscal Gap) verwendet, das interna-
                          verändern. Die geburtenstarken Jahrgänge – die          tional weit verbreitet ist. Der Fiscal Gap gibt an,
                          sog. Baby-Boom-Gene­ration – werden in den              um wie viel der Budgetsaldo heute permanent
                          kommenden 20 Jahren in Pension gehen. Gleich-           verbessert werden müsste, damit am Ende des
                          zeitig ist die Geburtenrate stark gesunken und die      betrachteten Zeithorizonts ein bestimmter Schul-
                          Lebenserwartung steigt weiter an, sodass sich das       denstand nicht überschritten wird.
                          Verhältnis zwischen der älteren und der jüngeren
                          Generation immer mehr verschiebt. Diese Verän-          Das Ergebnis der Analysen zeigt, dass die Staats-
                          derung der demografischen Struktur hat auch             ausgaben in den drei genannten Bereichen bis
                          Auswirkun­gen auf die Finanzen der öffentlichen         2050 in Relation zum BIP gemäss den Projekti-
                          Haushalte.                                              onen um 5,0 Prozentpunkte ansteigen werden.
                                                                                  Diese Zunahme liegt ungefähr im Rahmen ande-
                          Aus diesem Grund ist eine vermehrt langfristige         rer europäischer Länder. Ohne Gegenmassnah-
                          Optik in der Finanzpolitik notwendig. Internatio-       men nimmt dabei die Verschuldung gemessen an
                          nal wird diesem Anliegen zunehmend Rechnung             der Schuldenquote von Bund, Kantonen und Ge-
                          getragen. Organisationen wie die EU, der IWF            meinden unter Berücksichtigung der Vermögens-
                          oder die OECD, aber auch Länder wie Grossbri-           position der Sozialwerke von heute knapp 50 Pro-
                          tannien oder Deutschland führen regelmässig             zent des BIP auf rund 130 Prozent des BIP zu. Die
                          Langfristanalysen für die öffentlichen Finanzen         demografischen Auswirkungen schlagen sich in
                          durch. Der Zweck solcher Studien besteht darin,         den öffentlichen Haushalten ab 2025 immer stär-
                          die Öffentlichkeit auf einen notwendigen Hand-          ker nieder, was zu kontinuierlich steigenden Fehl-
                          lungsbedarf aufmerksam zu machen, damit früh-           beträgen und damit zu einem steilen Anstieg der
                          zeitig Reformmassnahmen diskutiert und einge-           Verschuldung bis zum Ende der betrachteten Zeit-
                          leitet werden können.                                   periode führt.

                          Der Bericht über die Langfristperspektiven der öf-      Für den Fiscal Gap werden zwei Varianten berech-
                          fentlichen Finanzen der Schweiz stellt eine Ge-         net. In der ersten Variante wird als Grenzwert für
                          samtschau über die Entwicklung der Haushalte            die Verschuldung die Schuldenquote im Jahr
                          des Bundes, der Kan­to­ne, der Gemeinden und            2003, d.h. 49 Prozent des BIP verwendet. Der Fis-
                          der Sozialwerke (AHV, IV, ALV) bis 2050 dar. Die-       cal Gap beläuft sich dabei auf 1,4 Prozent des BIP.
                          ser Zeithorizont wurde gewählt, da sich der             Die zweite Variante bezieht sich auf den (nomi-
                          Grossteil der Auswirkungen der veränderten De­          nellen) Schuldenstand 2003, d.h. 216 Milliarden
                          mografie erst bis dahin in den öffentlichen Haus-       Franken, was im Zeitverlauf eine abnehmende
                          halten niedergeschlagen haben wird. Ausgehend           Schuldenquote impliziert. Da dieser Grenzwert für
                          von den heute geltenden gesetzlichen Rege-              die Verschuldung im Jahr 2050 strenger ist als bei
                          lungen werden für den entsprechenden Zeitraum           der ersten Variante, fällt der Fiscal Gap höher aus
                          Projektionen der Einnahmen und der Ausgaben             und beträgt 2,0 Prozent des BIP. Die zweite Vari-
                          der drei Staatsebenen und der Sozialwerke er-           ante entspricht der Philosophie der Schulden-
                          stellt. Die Ausgaben in den Bereichen Alterssiche-      bremse auf Bundesebene, die bekanntlich eine
                          rung/IV, Gesundheit und Langzeitpflege werden           nominelle Konstanthaltung der Verschuldung
                          dabei explizit modelliert, da diese von den demo-       über den Konjunkturzyklus hinweg anstrebt. Bei
                          grafischen Veränderungen am stärksten betroffen         der Ermittlung des durch den Fiscal Gap angege-
                          sind. Die übrigen Ausgaben (exkl. Zinszahlungen)        benen Korrekturbedarfs wird davon aus­
                          wie auch die Einnahmen werden jeweils mit dem           gegangen, dass der Budgetsaldo ab dem Jahr
                          BIP fortgeschrieben. Die Gesamtschau umfasst            2010 permanent im entsprechenden Ausmass
                          neben den Ausgaben- und Einnahmenprojekti-              verbessert wird. Falls eine Verbesserung erst spä-
                          onen Indikatoren, welche die Nachhaltigkeit der         ter erfolgt, fällt der Korrekturbedarf entsprechend
                          Finanzpolitik messen. Im vorliegenden Bericht           höher aus.
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                           Die Erstellung von Projektionen über mehrere           men rechtzeitig beschlossen und umgesetzt wer-
                          Jahrzehnte ist mit einer hohen Unsicherheit be-         den. Nur so können die bestehenden Sozialwerke
                          haftet. Es muss deshalb mit Nachdruck darauf            langfristig gesichert und künftige Generationen
                          hingewiesen werden, dass der vorliegende Bericht        nicht übermässig belastet werden. Wird hingegen
                          keine eigentlichen Prognoseaussagen erhält. Die         zugewartet, so sind später weit drastischere
                          Langfristperspektiven sind vielmehr «wenn-              Massnahmen erforderlich, um nicht in eine dro-
                          dann»-Aussagen (wenn die Politik nicht ändert,          hende Schuldenspirale zu geraten. Ein zu langes
                          dann könnte sich eine Finanzierungslücke in             Hinauszögern notwendiger Reformen würde un-
                          einem bestimmten Ausmass ergeben) zu verste-            seren Sozialstaat gefährden und die Solidarität
                          hen. Um der hohen Unsicherheit Rechnung zu              zwischen den Generationen überstra­pazieren. In
                          tragen, wurden zudem für wichtige makroökono-           den kommenden Jahrzehnten ist zudem mit wei-
                          mische Annahmen Sensitivitätsanalysen durch­            teren, in diesem Bericht nicht berücksichtigten
                          geführt. Diese zeigen, dass der Fiscal Gap bei          Faktoren wie beispielsweise dem Klimawandel
                          einem höheren Wachstum der Arbeitsproduktivi-           und der Verknappung der natürlichen Ressourcen
                          tät merklich geringer ausfällt, während alternative     zu rechnen, die beträchtliche Auswirkun­gen auf
                          Annahmen hinsichtlich des Zinssatzes einen weni-        Wirtschaft und Gesellschaft wie auch auf die öf-
                          ger starken Einfluss haben.                             fentlichen Finanzen haben können. Es muss daher
                                                                                  unterstrichen werden, dass für die staatlichen
                          Insgesamt ist festzuhalten, dass die durch die zu-      Haushalte noch weitere, wenn auch schwer quan-
                          nehmende Alterung unserer Gesell­schaft entste-         tifizierbare Risiken bestehen, die zu zusätzlichen
                          henden Probleme für die öffentlichen Haushalte          Belastungen führen können.
                          bewältigt werden können, falls Reformmassnah-
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Inhaltsverzeichnis

                          1.     Einführung                                                7

                          2.     Langfristige Trends                                       9
                          2.1.   Demografie                                                9
                          2.2.   Wirtschaftsentwicklung                                   11
                          2.3.   Übrige Trends                                            13

                          3. Methodik                                                     15
                          3.1. Definition der Nachhaltigkeit und Konzept des Fiscal Gap   15
                          3.2. Projektion der Ausgaben und Einnahmen                      16

                          4.     Ergebnisse                                               19
                          4.1.   Demografieabhängige Ausgaben                             19
                          4.2.   Verschuldung und Fiscal Gap                              21
                          4.3.   Bedeutung des Basisjahrs                                 23
                          4.4.   Sensitivitätsanalysen                                    23

                          Exkurs: Öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtungen             26

                          5.     Internationaler Vergleich                                29

                          6.     Fazit                                                    30

                          Literatur                                                       31
Bericht über die Langfristperspektiven der öffentlichen Finanzen in der Schweiz                                                     7

1. Einführung

                          Angesichts der Tatsache, dass gesunde öffentliche       sentlichen Auswirkungen der Alterung der Gesell-
                          Finanzen eine wichtige Voraussetzung für eine           schaft niedergeschlagen haben werden. Zudem
                          gedeihliche wirtschaftliche Entwicklung sind, ha-       entspricht dieser Zeithorizont auch demjenigen
                          ben insbesondere die absehbaren Herausforde-            der Bevölkerungsszenarien des Bundesamtes für
                          rungen der Demografie zu einem verstärkten In-          Statistik. Für die Erarbeitung dieser Projektionen
                          teresse an der längerfristigen Entwicklung der öf-      sind Annahmen zur demografischen Entwicklung
                          fentlichen Finanzen geführt.                            und zu den relevanten makroökonomischen
                                                                                  Grössen notwendig.
                          In den kommenden Jahrzehnten wird sich die
                          Struktur der schweizerischen Bevölkerung stark          Ausgehend von den Ausgaben- und Einnahmen-
                          verändern. Die geburtenstarken Jahrgänge – die          projektionen wird ein Indikator, welcher die Nach-
                          sog. Baby-Boom-Generation – werden in den               haltigkeit der Finanzpolitik misst, berechnet. Da-
                          kommenden 20 Jahren in Pension gehen. Gleich-           bei wird das Konzept der Finanzierungslücke (Fis-
                          zeitig ist die Geburtenrate stark gesunken und die      cal Gap) verwendet, das international weit ver-
                          Lebenserwartung steigt weiter an, sodass sich das       breitet ist. Der Fiscal Gap gibt an, um wie viel der
                          Verhältnis zwischen der älteren und der jüngeren        Budgetsaldo heute permanent verbessert werden
                          Generation immer mehr verschiebt. Diese Verän-          müsste, damit am Ende des betrachteten Zeithori-
                          derung der demografischen Struktur hat u.a.             zonts ein bestimmter Schuldenstand nicht über-
                          auch Auswirkun­gen auf die Finanzen der öffent-         schritten wird. Der Fiscal Gap wird von der über
                          lichen Haushalte. So werden insbesondere die            den Projektionszeitraum getroffenen Annahmen
                          Ausgaben für die Alterssicherung/IV und für Ge-         zur BIP- und Zinsentwicklung wesentlich beein-
                          sundheit, die gegenwärtig zusammen rund 15%             flusst. Da solche Annahmen über einen längeren
                          des BIP betragen, deutlich stärker zunehmen als         Zeitraum mit grosser Unsicherheit verbunden
                          die gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung.                sind, werden Sensitivitätsanalysen durchgeführt,
                                                                                  die aufzeigen, wie stark der Fiscal Gap auf alter-
                          In verschiedenen Bereichen, insbesondere bei der        native Annahmen zu BIP-Wachstum und Zinssatz
                          AHV, wurde die längerfristige Entwicklung in ver-       reagiert. Ebenso wie die Projektionen muss der
                          schiedenen Studien analysiert. Hingegen fehlte          Fiscal Gap mit der notwendigen Zurückhaltung
                          bis jetzt eine Gesamtschau über alle öffentlichen       ausgelegt werden.
                          Haushalte. Diese Lücke will der vorliegende Be-
                          richt schliessen. Neben den drei Staatsebenen           Der Bericht über die Langfristperspektiven der öf-
                          sind auch die Sozialwerke AHV/IV/EO und AlV ein-        fentlichen Finanzen der Schweiz fokussiert sich
                          geschlossen. Die Gesamtschau dient in erster Li-        auf die von der Demografie beeinflussten Aufga-
                          nie der Information der Öffentlichkeit und als          benbereiche des Staates. Im Gesundheitswesen
                          Grundlage für die Ausarbeitung von Entwick-             haben wir auch nicht-demografiebedingte Ein-
                          lungsszenarien gemäss Artikel 8 der Finanzhaus-         flüsse einbezogen. Zudem bestehen weitere wich-
                          haltsverordnung (FHV), welche erstmalig im Rah-         tige Faktoren bzw. Trends, welche die öffentlichen
                          men des Berichts zum Legislaturfinanzplan 2009-         Finanzen längerfristig beeinflussen, jedoch in die-
                          2011 für das Gesundheitswesen vorgelegt wer-            sem Bericht nicht berücksichtigt werden können,
                          den. Im Sinne einer Bestandesaufnahme wird              da die Auswirkungen auf die Finanzen noch mit
                          versucht, die längerfristigen Auswirkungen der          weit höheren Unsicherheiten verbunden sind als
                          heutigen Politik abzuschätzen (sog. «no-policy-         die Folgen der Demografie. Als Beispiele zu nen-
                          change»-Annahme) und einen allfälligen Hand-            nen ist etwa der Klimawandel, das durch die Glo-
                          lungsbedarf aufzuzeigen. Ausgehend von den              balisierung erhöhte Risiko von Epidemien oder die
                          heute geltenden gesetzlichen Regelungen wer-            zunehmende Verknappung wichtiger Ressourcen
                          den Projektionen der Einnahmen und der Ausga-           wie Erdöl. Es ist daher zu unterstreichen, dass ne-
                          ben der drei Staatsebenen und der Sozialwerke           ben der Demografie zukünftig auch mit anderen
                          mit dem Zeithorizont 2050 erstellt. Dieser Hori-        Faktoren zu rechnen ist, welche ein erhebliches,
                          zont wurde gewählt, da sich bis 2050 die we­            wenn auch heute noch nicht quantifizierbares
Bericht über die Langfristperspektiven der öffentlichen Finanzen in der Schweiz                                                    8

                          zusätzliches Risiko für die öffentlichen Haushalte      Der vorliegende Bericht ist wie folgt aufgebaut:
                          darstellen könnten. In diesem Sinne bleibt das im       Im zweiten Kapitel werden die relevanten langfris-
                          Rahmen dieses Berichts skizzierte Bild unvollstän-      tigen Trends dargestellt. So wird das den Projekti-
                          dig.                                                    onen zugrunde liegende Demografieszenario des
                                                                                  Bundesamtes für Statistik und die Annahmen zur
                          Der demografische Wandel betrifft alle Industrie-       wirtschaftlichen Entwicklung dargestellt. Schliess-
                          länder in einem mehr oder weniger ausgeprägten          lich werden die oben bereits erwähnten Faktoren
                          Ausmass. Um den finanzpolitischen Handlungs-            und Trends diskutiert, die wir in unserem Zahlen-
                          bedarf aufzuzeigen, stellen immer mehr Länder in        werk nicht berücksichtigen konnten. Das dritte
                          regelmässigen Abständen Langfristperspektiven           Kapitel beschreibt das Konzept des Fiscal Gap,
                          für ihre Haushalte auf. So hat beispielsweise die       geht auf die Definition der Nachhaltigkeit im Zu-
                          EU im Jahr 2006 eine Analyse zu den Auswir-             sammenhang mit den öffentlichen Finanzen ein
                          kungen der demografischen Veränderungen auf             und diskutiert die verwendete Methodik bei der
                          die Haushalte der Mitgliedsländer mit Zeithorizont      Erstellung der Projektionen. Das vierte Kapitel
                          2050 publiziert. Für die Schweiz haben insbeson-        zeigt auf, wie sich die demografieabhängigen
                          dere der Internationale Währungsfonds, aber             Ausgaben in den Bereichen Alterssicherung und
                          auch inländische Experten die Ausarbeitung von          Invalidenversicherung, Gesundheit, Langzeitpfle-
                          Langfristperspektiven in regelmässigen Abstän-          ge und Bildung bis 2050 entwickeln. Anschlies-
                          den empfohlen, damit frühzeitig auf den notwen-         send werden der Fiscal Gap und die Entwicklung
                          digen Handlungsbedarf aufmerksam gemacht                der Bruttoverschuldung präsentiert. In Sensitivi-
                          und Reformmassnahmen eingeleitet werden kön-            tätsanalysen wird aufgezeigt, wie der Fiscal Gap
                          nen. Solche Korrekturen in den demografiesensi-         auf alternative Annahmen bezüglich des Zins-
                          tiven Bereichen benötigen für ihre Umsetzung viel       satzes und der Entwicklung der Arbeitsproduktivi-
                          Zeit. Aus diesem Grund ist eine Ver­stärkung der        tät reagiert. Das fünfte Kapitel schliesslich ver-
                          langfristigen Sichtweise dringend geboten. Damit        gleicht die Ergebnisse für die Schweiz mit den
                          dies in systematischer Weise geschieht, ist vorge-      Ländern der EU.
                          sehen, den Bericht über die Langfristperspektiven
                          ca. alle vier Jahre aufzudatieren.
Bericht über die Langfristperspektiven der öffentlichen Finanzen in der Schweiz                                                        9

2. Langfristige Trends

                          2.1.       Demografie

                          Das BFS hat im Rahmen der Demografieszenarien           Die Struktur der Bevölkerung ändert sich indessen
                          2005-2050 drei Basisszenarien A, B und C berech-        merklich. Der Anteil der Bevölkerung im Rentenal-
                          net. Die Projektionen in diesem Bericht stützen         ter wächst deutlich. Insbesondere die Zahl der Per-
                          sich auf die Daten des mittleren Basisszenarios (A-     sonen über 80 Jahre steigt stark an (vgl. Grafik 1).
                          00-2005) ab. Dieses geht von einer Geburtenrate         So dürfte sich deren Zahl im Vergleich zu 1991 bis
                          von 1,40, einem Anstieg der Lebenserwartung bis         2050 fast vervierfachen. Die junge Generation
                          2050 auf 85 Jahre bei den Männern und auf 89,5          hingegen nimmt zahlenmässig leicht ab.
                          Jahre bei den Frauen sowie einer Nettoimmigrati-
                          on von 15 000 Personen pro Jahr aus.

                          Die Gesamtbevölkerung nimmt gemäss dem mitt-
                          leren Basisszenario bis ca. 2020 noch leicht zu,
                          um dann ungefähr konstant zu bleiben.

                            Grafik 1: Entwicklung der Bevölkerungsstruktur (1991 = 100)
                             400
                             350
                             300
                             250
                             200
                             150
                             100
                              50
                                 0
                                               2000          2010              2020           2030            2040              2050
                                        0–20 Jahre           21–64 Jahre                 65–80 Jahre            über 80 Jahre

                          Während heute auf eine über 65-jährige Person           nis auf nahezu eins zu zwei im Jahr 2045 und
                          vier Personen im erwerbsfähigen Alter kommen            bleibt dann mehr oder weniger stabil (siehe Gra-
                          (Altersquotient 25 %), verändert sich das Verhält-      fik 2).
Bericht über die Langfristperspektiven der öffentlichen Finanzen in der Schweiz                                                  10

                            Grafik 2: Altersquotienten
                            70 %

                            60 %

                            50 %

                            40 %

                            30 %

                            20 %

                            10 %

                              0%
                                             2010                2020                  2030               2040               2050
                                                Altersquotient               effektiver Altersquotient

                          Der effektive Altersquotient setzt die Zahl der         Entwicklung der erwerbs­tätigen Bevölkerung um-
                          Renterinnen und Rentner in Bezug zur effektiv           gerechnet in Vollzeitäquivalente.
                          erwerbstätigen Bevölkerung. Grafik 3 zeigt die

                            Grafik 3: Erwerbsbevölkerung in VZÄ
                            4 000 000

                            3 900 000

                            3 800 000

                            3 700 000

                            3 600 000

                            3 500 000

                            3 400 000
                                                 2010              2020                 2030               2040              2050

                          Das mittlere Basisszenario des BFS geht davon           den über 55-Jährigen ein Anstieg der Erwerbs-
                          aus, dass die Erwerbsbevölkerung bis 2015 noch          quote unterstellt, womit angenommen wird, dass
                          zunehmen und ab 2020 abnehmen wird. In Be-              die Rücktritte aus dem Erwerbsleben aufgrund
                          zug auf die Erwerbsquoten wird unterstellt, dass        von Frühpensionierungen und anderer Gründe in
                          diese bei den 15-24-Jährigen wegen der höheren          diesen Alterskohorten im Vergleich zu heute
                          Immatrikulationsraten auf der Stufe Sekundar II         künftig geringer ausfallen werden. Ange­sichts der
                          (Maturität) und auf der Tertiärstufe gegenüber          absehbaren Verknappung des Faktors Arbeit er-
                          heute etwas zurückgeht. Demgegenüber wird bei           scheint diese Annahme plausibel.
Bericht über die Langfristperspektiven der öffentlichen Finanzen in der Schweiz                                                      11

                          2.2.    Wirtschaftsentwicklung

                          Für die Erstellung der Ausgaben- und Einnahmen-             mischen Grös­sen im Rahmen dieses Berichts we-
                          projektionen wie für die Berechnung des Fiscal              nig geeignet zu sein, da ein solcher eine Vielzahl
                          Gap müssen Annahmen zu wichtigen makroöko-                  von Informationen und Hypothesen be­nötigen
                          nomischen Grössen getroffen werden. Für die Fi-             würde. In Anlehnung an internationale Gepflo-
                          nanzplanperiode werden die im Finanzplan fest-              genheiten beschränken wir uns daher auf die
                          gelegten Eckwerte verwendet1. Angesichts der                Festlegung der Annahmen aufgrund der Entwick-
                          Tatsache, dass sich die betrachtete Periode über            lung in der Vergangenheit und von Plausibilitätsü-
                          einen Zeitraum von knapp 50 Jahren erstreckt,               berlegungen. Für die Erarbeitung dieses Berichts
                          erscheint uns ein komplexer Ansatz, wie z.B. ein            sind wir von folgenden Annahmen ausgegangen:
                          berechenbares allgemeines Gleichgewichtsmo-
                          dell, zur Ermittlung der relevanten makroökono-

                             Wachstumsrate der Arbeitsproduktivität:                       1       Prozent

                             Realzins:                                                     2       Prozent

                             Teuerung:                                                     1½      Prozent

                          1 Es wurden die volkswirtschaftlichen Eckwerte gemäss dem
                          Bericht zur Legislaturfinanzplanung vom 23.1.2008 verwen-
                          det:

                          			 2008                       2009       2010       2011

                          BIP (real)			1,9 %            1,5 %      1,5 %      1,5 %
                          Zinsen (lgfr.)			3,5 %        3,5 %      3,5 %      3,5 %
                          Teuerung			1,2 %              1,5 %      1,5 %      1,5 %
Bericht über die Langfristperspektiven der öffentlichen Finanzen in der Schweiz                                                          12

                            Grafik 4: Wachstumsrate des realen BIP
                             2,0 %

                             1,5 %

                             1,0 %

                             0,5 %

                             0,0 %
                                        2010                        2020                  2030                  2040                 2050

                          Das reale BIP-Wachstum ergibt sich aus der Ent-                 Die Annahme von 2 Prozent für den realen (Lang-
                          wicklung der Erwerbsbevölkerung ausgedrückt in                  frist) Zinssatz entspricht ungefähr dem Mittelwert
                          Vollzeitäquivalenten und der Arbeitsproduktivität.              der realen Rendite für 10-jährige Bundesobligati-
                          Wie in Grafik 4 ersichtlich ist, führt das abneh-               onen im Zeitraum 1990-2007. Hinsichtlich des
                          mende Arbeitsangebot dazu, dass das Wirt-                       Zinssatzes werden ebenfalls Sensitivitätsanalysen
                          schaftswachstum längerfristig etwas tiefer ist als              durchgeführt.
                          die Zunahme der Arbeitsproduktivität. Die Annah-
                          me von einem jährlichen Wachstum der Arbeits-                   Es ist zu beachten, dass die Teuerung den Fiscal
                          produktivität von 1 Prozent entspricht unge­fähr                Gap nicht beeinflusst2. Dennoch benötigen wir
                          dem langfristigen Durchschnitt. Diese Annahme                   bei der Erstellung der Einnahmen- und Ausgaben-
                          beeinflusst die Analyse massgeblich. Aus diesem                 projektionen eine Annahme zur Teuerung. Wir
                          Grund zeigen wir im Rahmen der Sensitivitätsana-                gehen dabei von einem jährlichen Preisauftrieb
                          lysen auf, wie sich der Fiscal Gap für den Zeithori-            von 1½ Prozent aus. Dieser Wert befindet sich
                          zont 2050 und die Schuldenquote bei alterna-                    innerhalb des Bereichs, den die SNB heute mit
                          tiven Annahmen bezüglich des Produktivitäts-                    Preisstabilität gleichsetzt.
                          wachstums entwickeln.

                          Wir gehen im Weiteren davon aus, dass sich die
                          Reallöhne an der Entwicklung der Arbeitsproduk-
                          tivität orientieren und unterstellen damit Vertei-
                          lungsneutralität zwischen Kapital und Arbeit.

                          2 Für die Berechnung des Fiscal Gap werden die Ausgaben
                          und die Einnahmen des Staates, jeweils in Relation zum BIP
                          ausgedrückt, verwendet. Da die Teuerung damit im Zähler
                          (Einnahmen bzw. Ausgaben) wie auch im Nenner (BIP) ein-
                          fliesst, hat sie keinen Einfluss auf die Höhe des Fiscal Gap.
Bericht über die Langfristperspektiven der öffentlichen Finanzen in der Schweiz                                                                13

                          Die relevanten makroökonomischen Grössen wer-           gramme finanzieren zu können ohne die Wirt-
                          den der Einfachheit halber im Zeitablauf als kons-      schaft übermässig zu strapazieren.
                          tant angenommen. Es bestehen kaum Anhalts-
                          punkte dafür, auf welche Weise die Arbeitspro-          Dieser erste Bericht beschränkt sich auf die Quan-
                          duktivität und der Realzins durch den demogra-          tifizierung der demografischen Entwicklung, des
                          fischen Wandel beeinflusst werden. Erschwerend          Produktivitätswachstums sowie der nicht-demo-
                          kommt noch hinzu, dass die Zinsentwick­lung             grafischen Trends (zusätzlich zum Demografiet-
                          massgeblich von globalen Faktoren beeinflusst           rend) im Gesundheitswesen. Daneben gibt es
                          wird. Schliesslich muss fest­ge­halten werden, dass     aber noch weitere Trends, die sich stark auf die
                          mit unserem vereinfachten Ansatz Rückkoppe-             öffentlichen Finanzen, sowohl ausgabenseitig
                          lungseffekte vom Staatshaushalt hin zu den ma-          (Einsatz öffentlicher Gelder zur Verhinderung
                          kroökonomischen Grössen unberücksichtigt blei-          oder Be­he­bung der Folgen zum Beispiel des Kli-
                          ben. Ebenso sind Rückwirkungen einer abneh-             mawandels) als auch einnahmenseitig (zum Bei-
                          menden Erwerbsbevölkerung und damit einer               spiel über das reale BIP3), auswirken können. Als
                          Verknappung des Faktors Arbeit auf die Arbeits-         ein Beispiel ist der Klimawandel4 zu nennen. Zum
                          produktivität und die Lohnentwicklung ausge-            Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts standen
                          klammert.                                               jedoch Daten für diese Trends nicht so ausrei-
                                                                                  chend zur Verfügung5, dass eine Berücksichtigung
                          2.3.   Übrige Trends                                    dieser Trends möglich gewesen wäre.

                          Dieser Bericht konzentriert sich lediglich auf die      Die Konzentration auf drei Trends führt wahr-
                          Analyse der Nachhaltigkeit der öffentlichen Finan-      scheinlich zu einer Unterschätzung der künftigen
                          zen. Damit stellt der vorliegende Bericht keine         Herausforderungen im Bereich der öffentlichen
                          umfassende Analyse der nachhaltigen Entwick-            Finanzen. Die nicht berück­sichtigten Trends schei-
                          lung von Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt            nen sich insgesamt eher negativ auf die öffent-
                          dar. Allerdings ist die Nachhaltigkeit der öffent­li­   lichen Finanzen auszuwirken. Es ist vorgesehen,
                          chen Finanzen eine wichtige Voraussetzung für           den Bericht über die Langfristperspektiven sowie
                          insbesondere eine sozial und ökologisch nachhal-        die Entwicklungsszenarien in regelmässigen Ab-
                          tige Entwicklung, da diese nur möglich ist, wenn        ständen zu aktualisieren. Welche Trends in spä-
                          der Staat langfristig über die nötigen Mittel ver-      teren Versionen berücksichtigt werden, muss zu
                          fügt, um die entsprechenden staatlichen Pro-            diesem Zeitpunkt jedoch offen bleiben.

                                                                                  3 In diesem Bericht werden Sensitivitätsanalysen mit verschie-
                                                                                  denen Annahmen über die BIP-Entwicklung durchgeführt.
                                                                                  Beim Szenario «geringes Wachstum» steigt die Produktivität
                                                                                  jährlich um 0,5%, beim Basisszenario um 1%. Diese Differenz
                                                                                  kann gewisse Auswirkungen von Trends einschliessen, die
                                                                                  nicht explizit be­rück­sichtigt werden.

                                                                                  4 Siehe u.a.: OcCC (2007). Im UVEK Bericht über die zukünf-
                                                                                  tige Klimapolitik der Schweiz sind einige Angaben zur Auswir-
                                                                                  kung der Klimaänderung auf die Schweizer Wirtschaft quanti-
                                                                                  fiziert (Erwartungen und Fehlermarge).

                                                                                  5 Die Wirkung dieser Trends ist in der Regel nicht quantifiziert.
                                                                                  Auch wenn Daten vorhanden sind, wie beim Klimabericht des
                                                                                  UVEK, werden eher die Auswirkungen auf die Schweizer Wirt-
                                                                                  schaft als auf die öffentlichen Finanzen quantifiziert.
Bericht über die Langfristperspektiven der öffentlichen Finanzen in der Schweiz                                                                 15

  3. Methodik

EFV/ÖT 03.03.2008                    3.1.
                           Definition der Nachhaltigkeit und                                     Der Fis­cal14Gap wird jeweils in Prozent des BIP an-
                           Konzept des Fiscal Gap                                                gegeben. Er besagt, in welchem Ausmass heute
Welche Trends in späteren Versionen berücksichtigt werden, muss                                  die diesem
                                                                                                 zu   Staatsfinanzen permanent verbessert werden
                                                                                                 müssen, damit am Ende der Periode ein bestimm-
Zeitpunkt jedoch offen bleiben.
                             Der Begriff der Nachhaltigkeit (langfristige Tragfä- tes Niveau für die Verschuldung nicht überschrit-
                             higkeit, engl. sustainability) im Zu­sam­menhang                    ten wird. Ob diese Korrektur auf der Ausgaben-
3.       Methodik            mit  der  langfristigen    Entwicklung       der  Finanzpoli-       und/oder auf der Einnahmenseite erfolgt, wird
                             tik wurde zu Beginn der neunziger Jahre in die                      dabei offen gelassen. Im Weiteren bleiben allfäl-
                             wirtschaftspolitische Diskussion ein­gebracht. All-                 lige Rückwirkungen auf makro­ökonomische
3.1. Definition der Nachhaltigkeit           und Konzept
                             gemein formuliert                     des Fiscaldann
                                                     ist eine Finanzpolitik         Gap          Grössen unberücksichtigt. Wenn beispielsweise
                             nachhaltig,
Der Begriff der Nachhaltigkeit              wenn die
                                    (langfristige        intertemporale
                                                      Tragfähigkeit,          Budgetres-
                                                                            engl.                der Fiscal
                                                                                     sustainability)   im Zu-Gap mit Zeithorizont 2050 1,5 Prozent
                             triktion des Staates über einen unendlichen Zeit-                   des BIP beträgt, so müssen die Rechnungssaldi
sammenhang mit der langfristigen         Entwicklung
                             horizont erfüllt    ist. Dieseder   Finanzpolitik
                                                             bedeutet,      dass die wurde
                                                                                       heu- zu Beginn
                                                                                                 der drei der
                                                                                                            Staatsebenen und der Sozialwerke ab
                             tige Verschuldung durch
neunziger Jahre in die wirtschaftspolitische                 künftige
                                                      Diskussion           ÜberschüsseAllgemein
                                                                       eingebracht.              2010formu-
                                                                                                         bis 2050 im Niveau um 1,5 % des BIP (ca.
                             gedeckt sein muss. In der praktischen Umsetzung 7,5 Mrd. Fr. im Jahr 2010) verbessert werden, was
liert ist eine Finanzpolitik dann    nachhaltig,
                             wird meistens           wenn die intertemporale
                                                ein begrenzter       Zeithorizont ver-Budgetrestriktion
                                                                                                 einen erheblichen Überschuss implizieren würde.
des Staates über einen unendlichen
                             wendet. Es wirdZeithorizont      erfülltGap
                                                   ein sog. Fiscal       ist.berechnet,
                                                                              Diese bedeutet,
                                                                                           in       dass müssten
                                                                                                 M.a.W.     die      die sich in den nächsten Jahr-
                             den die Haushaltsprojektionen sowie der Zinssatz                    zehnten abzeichnenden demografiebedingten
heutige Verschuldung durch künftige Überschüsse gedeckt sein6 muss. In der prakti-
                             und das Wirtschaftswachstum einfliessen . Im                        Mehrausgaben mit einer Kumulierung von Über-
schen Umsetzung wird meistensWeiterenein mussbegrenzter
                                                 ein NiveauZeithorizont          verwendet. Es
                                                               für die Verschuldung                  wird ein
                                                                                                 schüssen,    d.h. einer Senkung der Verschul­dung,
                             vorgegeben      werden,     das  gerade     noch    als
sog. Fiscal Gap berechnet, in den die Haushaltsprojektionen sowie der Zinssatz und   nach-       in einer  Anfangsphase     antizipierend kompensiert
                             haltig betrachtet
                                             6
                                                    wird. Lei­der vermag die ökono-              werden.
das Wirtschaftswachstummische  einfliessen
                                       Theorie . Im
                                                 keine Weiteren
                                                         optimale muss         ein Niveau
                                                                       Ver­schuldung     an- für die Ver-
schuldung vorgegeben werden, zugeben. dasDaher
                                            gerade wirdnoch
                                                         eine Finanzpolitik
                                                               als nachhaltig         betrachtetNeben
                                                                                  vielfach         wird. dem
                                                                                                          Lei- Fiscal Gap-Ansatz wird in verschie-
                             dann als nachhaltig bezeichnet, wenn die absolu- denen Studien die sog. Generationenbilanz für
der vermag die ökonomische Theorie keine optimale Verschuldung anzugeben. Da-
                             te Verschuldung oder die Schuldenquote am Ende die Beurteilung der Nachhaltigkeit der Finanzpoli-
her wird eine Finanzpolitikdervielfach    dann als
                                  betrachteten         nachhaltig
                                                    Periode             bezeichnet,
                                                              nicht höher      ist als zuwenn die    absolu- Die Generationenbilanz beruht auf
                                                                                                 tik verwendet.
                             Beginn. Die EU verwendet für die Berechnung des derselben theoretischen Basis, fokussiert sich je-
te Verschuldung oder die Schuldenquote am Ende der betrachteten Periode nicht
                             Fiscal Gap einen Grenzwert von 60 Prozent des                       doch wie die Bezeichnung bereits suggeriert auf
höher ist als zu Beginn. Die     EU   verwendet       für  die  Berechnung
                             BIP wie er in den sog. «Maastrichter Kriterien»        des   Fiscal  Gap einen
                                                                                                 intergenerationelle    Verteilungsaspekte, während
                             aufgeführt    ist.
Grenzwert von 60% des BIP wie er in den sog. „Maastrichter Kriterien“ aufgeführt ist.            der  Fiscal Gap-Ansatz    die Optik der öffentlichen
                                                                                                 Haushalte wiedergibt. Bei der Erstellung von Ge-
                                                                                                 nerationenbilanzen müssen wesentlich mehr An-
Der Fiscal Gap wird jeweils in Prozent des BIP angegeben. Er besagt, in welchem
                                                                                                 nahmen getroffen werden als bei der Berechnung
Ausmass heute die Staatsfinanzen          permanent
                             6 Zur Berechnung              verbessert
                                                des Fiscal Gap              werden
                                                               f λ,T entsprechend  einermüssen,
                                                                                         Ziel-     damit
                                                                                                 des       am
                                                                                                      Fiscal  Gap. Zudem sind für eine Gene­
                             schuld für den Zeithorizont T gleich λ mal nominelle Aus-           rationenbilanz weit mehr Informationen erforder-
                             gangsschuld wird folgende Formel verwendet:                         lich. Für die vorliegende Fragestellung (Stabilisie-
6                                                                                                rung der Verschuldung) erscheint der Fiscal Gap-
   Zur Berechnung des Fiscal Gap f Ȝ,T entsprechend einer Zielschuld für den Zeithorizont T gleich Ȝ
                                                                                                 Ansatz daher als geeigneter.
mal nominelle Ausgangsschuld wird folgende Formel verwendet:

                                                                         T § PB      ·
                                                  §      O    ·
                                                  ¨¨1        ¸¸ B0  ¦ ¨        j
                                                                                     ¸
                                                        M                  ¨ M       ¸
                                                   ©      T    ¹        j 1©   j     ¹
                                         f O ,T
                                                                 T §Y ·

                                                               ¦    ¨ j¸
                                                                    ¨ ¸
                                                                j 1 ©M j ¹

ijj ist der Aktualisierungsfaktorφzwischen      Ausgangszeitpunkt
                                   ist der Aktualisierungsfaktor       und Ausgangszeitpunkt
                                                                  zwischen  Periode t, B0 die nominelle Aus-
gangsschuld, PBj der Primärüberschuss
                                 j
                                und Periode und
                                              t, BYjdie
                                                     das  nominelle
                                                        nominelle Aus­BIP zur Zeit j.PB der Pri-
                                                                      gangsschuld,
                                                      0                                   j
                                     märüberschuss und Yj das nominelle BIP zur Zeit j.

O:\Fr-daten\ZRW\DL\OE_Langfristperspektive\text\01Langfristperspektiven_öffentlFinanzen_d.doc
Bericht über die Langfristperspektiven der öffentlichen Finanzen in der Schweiz                                                            16

                          3.2.    Projektion der Ausgaben und                     BSV verwendete die gleiche Methode wie für sei-
                                  Einnahmen                                       ne periodisch veröffentlichten Prognosen8, aber
                                                                                  unter Einbezug unserer makroökonomischen An-
                                                                                  nahmen (namentlich Übereinstimmung des Real-
                          Die Vorgehensweise bei der Erstellung der Projek-       lohnwachstums mit unseren Produktivitätswachs-
                          tionen entspricht weitgehend derjenigen der EU7.        tumsraten für das Basisszenario und die Sensitivi-
                          Die Resultate sind daher vergleichbar.                  tätsanalysen) und mit Projektionen bis 2050. Die
                                                                                  vom BSV in Preisen des Jahres 2007 ausgedrück-
                          Die Berechnungen für den Bund stützen sich auf          ten Zahlen sind für diesen Bericht in nominale
                          das Zahlenwerk des Legislaturfinanzplans 2009-          Grössen umgewandelt worden. Weiter haben wir
                          2011. Während der Legislaturfinanzplan eine Er-         zusätzlich die Zinsen der AHV berechnet (Aktiv
                          höhung der Mehrwertsteuer für die Fi­nanzierung         oder Passivzinsen).
                          der IV vorsieht, wurde diese im Rahmen des vor-
                          liegenden Berichts nicht berücksichtigt, da diese       Bei der AHV berechnet das BSV die Rentensumme
                          Erhöhung von Parlament und Volk noch nicht be-          gestützt auf die Bestände nach Alter und Ge-
                          schlossen worden ist. Aus demselben Grund blie-         schlecht gemäss den Demografieszenarien des
                          ben die Vorruhe­standsleistungen im Rahmen der          BFS sowie unter Berücksichtigung der schweize-
                          AHV und das Rentenalter 65 für Frauen unbe-             rischen, ausländischen und im Ausland lebenden
                          rücksichtigt. Bei den Kantonen und Gemeinden            Anspruchsberechtigten. Diese Renten werden
                          wurden die Zahlen der Finanzstatistik für das Jahr      nach dem Mischindex angepasst: die Teuerung
                          2005 als Grundlage verwendet.                           wird vollständig berücksichtigt, die Reallohnent-
                                                                                  wicklung aber nur zur Hälfte Die Durchschnitts-
                          Detaillierte Projektionen der Ausgaben auf allen        quoten der Beitragszahlenden (Anzahl beitrags-
                          Staatsebenen inkl. Sozialversicherungen wurden          zahlende Personen im Verhältnis zur gesamten
                          in denjenigen Bereichen vorgenommen, die am             Bevölkerung) und die durchschnittlichen Beiträge
                          stärksten vom demografischen Wandel betroffen           werden nach Nationalität, Geschlecht und Alter
                          sind. Es sind dies die Alterssicherung, die Invali-     ermittelt. Das BSV berechnet die Einnahmen des
                          denversicherung, die Gesundheit, die Langzeit-          AHV-Fonds durch Addition dieser Beiträge mit
                          pflege und in einem vermindertem Mass die Bil-          den übrigen Beiträgen, wie die Beiträge der öf-
                          dung.                                                   fentlichen Hand.

                          Die Projektionen der Ausgaben und der Einnah-           Die IV wird aus Beiträgen von Arbeitnehmern und
                          men der AHV und der IV wurden vom Bundesamt             Arbeitgebern sowie durch Zuwendungen des
                          für Sozialversicherung (BSV) durchgeführt. Das          Bundes, welcher rund 38 Prozent der Ausgaben
                                                                                  der IV bezahlt, finanziert. Die Ausgaben der IV
                                                                                  hängen massgeblich von den Renten ab. Ihr An-

                                                                                  8 Siehe insbesondere den vom BSV 2006 Zur Erfüllung des
                                                                                  Postulats Baumann herausgegebenen «Bericht über die Ent-
                                                                                  wicklung der Sozialversicherungen 2030» oder die jüngsten
                                                                                  Finanzperspektiven auf der Homepage des BSV. Entsprechend
                                                                                  der unterstellten «no-policy-change»-Annahme wurde bei
                          7 European Commission (2006a) und European Commission   den BSV-Projektionen für diesen Bericht die 11. AHV-Revision
                          (2006b)                                                 nicht berücksichtigt.
Bericht über die Langfristperspektiven der öffentlichen Finanzen in der Schweiz                                                               17

                          teil an den Ge­samtausgaben steigt unter der Neu-       Im Bereich des Gesundheitswesens werden die
                          gestaltung des Finanzausgleichs und der Aufga-          Projektionen in zwei Stufen erarbeitet. Ausge-
                          benteilung zwischen Bund und Kanton (NFA) von           hend von den Gesundheitsausgaben im Basis­jahr
                          rund 56 auf etwa 67 Prozent. Die Veränderung            2005 werden die Ausgaben nach Alterskohorten
                          der Rentenausgaben selbst wird durch zwei Ent-          und Geschlecht projiziert. Den internationalen
                          wicklungen bestimmt: einerseits die Anpassung           Ge­pflogenheiten folgend, werden die Projekti-
                          der IV-Renten an den Mischindex (analog AHV)            onen im Bereich der Langzeitpflege9 gesondert
                          und andrerseits die Entwicklung des Rentenbe-           erstellt. In einem zweiten Schritt erfolgen die Pro-
                          standes. Für die Projektionen des Rentenbestands        jektionen für die öffentlichen Ausgaben im Be-
                          verwendet das BSV die nach Alter und Geschlecht         reich Gesundheit, wobei die Ausgaben für die in-
                          unterteilten Wahrscheinlichkeiten der jüngsten          dividuelle Prämienverbilligung ebenfalls berück-
                          Vergangenheit, invalid zu werden und aus dem            sichtigt werden. Das in diesem Bericht verwende-
                          Invalidenbestand auszutreten. Mit der Entwick-          te Referenzszenario für das Gesundheitswesen
                          lung der Alterskohorten gemäss BFS-Demogra-             orientiert sich an den entsprechenden Arbeiten
                          fieszenario wird dann die Dynamik des Rentenbe-         der EU-Kommission10. Das Referenzszenario
                          stands ausgehend vom neusten verfügbaren Be-            nimmt an, dass die Hälfte der durch die bis 2050
                          stand mit Hilfe der projizierten Zu- und Abgänge        weiter zunehmende Lebenserwartung gewon-
                          ermittelt. Dabei wird die Wirkung der 5. IV-Revisi-     nenen Lebenszeit in einem guten Gesundheitszu-
                          on mit einem Rückgang der Zugänge um 15 Pro-            stand verbracht werden kann. Zudem beeinflusst
                          zent gegenüber der heutigen Situation veran-            die Zunahme des gesamtwirtschaftlichen Einkom-
                          schlagt. Durch die 5. IV-Revision wird sich der         mens den Anstieg der Gesundheitsaus­gaben über
                          Rentenbestand im Jahr 2050 auf 82 Prozent des           Angebots- und Nachfrageeffekte überproportio-
                          Standes vom Januar 2006 reduzieren, während             nal. Neben den Auswirkungen des demogra-
                          ohne Revision der Rentenbestand auf 108 Prozent         fischen Wan­dels auf die Gesundheitsausgaben
                          des heutigen Standes ansteigen würde.                   sollen die Projektionen die Effekte wichtiger nicht-
                                                                                  demografischer Kostentreiber aufzeigen11.
                          Bei den Ergänzungsleistungen zur AHV und IV
                          wurde davon ausgegangen, dass sie sich im               Bei den Ausgabenprojektionen im Bereich der Bil-
                          Gleichschritt mit den AHV- bzw. IV-Ausgaben ent-        dung wurden zunächst die potenziellen Einspa-
                          wickeln. Ausgenommen davon sind die Ergän-              rungen aufgrund abnehmender Schülerzahlen
                          zungsleistungen zur AHV an Personen in Pflege­          ermittelt. Die Zahlen dazu vermitteln die Tabellen
                          institutionen, die von den Kantonen finanziert          1 und 2. Da zum einen erhebliche Unsicherheit
                          werden. Bei diesem Teil der Ergänzungsleistungen        be­züglich der Realisierbarkeit dieser Einsparungen
                          wurde unterstellt, dass sie proportional zu den         besteht und andererseits solche Einsparungen
                          Pflegeausgaben anwachsen. Sie sind entspre-             insbesondere aus volkswirtschaftlicher Sicht mög-
                          chend unter den öffentlichen Ausgaben im Be-            licherweise wenig wünschens­wert sind, wurde bei
                          reich der Langzeitpflege auf­geführt.                   den Berechnungen des Fiscal Gap und bei der

                                                                                  9 Im Bereich der Langzeitpflege werden nur die Alterskohor-
                                                                                  ten über 65 Jahre berücksichtigt.
                                                                                  10 European Commission (2006a) und European Commission
                                                                                  (2006b)
                                                                                  11 Für den Bereich des Gesundheitswesens wurden im Rah-
                                                                                  men der sog. Entwicklungsszenarien Pro­jektionen mit unter-
                                                                                  schiedlichen Annahmen bezüglich der verschiedenen Kosten-
                                                                                  treiber durch­geführt (siehe Bericht zur Legislaturfinanzplanung
                                                                                  2009-2011). Für eine ausführliche Darstellung vgl. das Wor-
                                                                                  king Paper Nr. 10 des Ökonomenteams der Eidg. Finanzver-
                                                                                  waltung.
Bericht über die Langfristperspektiven der öffentlichen Finanzen in der Schweiz                                                18

                          Darstellung der Entwicklung der Verschuldung            Die Ausgaben und die Einnahmen der Arbeitslo-
                          (Grafiken 6 und 7) davon ausgegangen, dass sich         senversicherung werden ebenfalls mit der Wachs-
                          die Bildungsa usgaben wie die übrigen Ausgaben          tumsrate des nominellen BIP fortgeschrieben. Da-
                          mit dem BIP entwickeln.                                 bei wird von der Annahme ausgegangen, dass
                                                                                  sich dieses Sozialwerk langfristig im Gleichge-
                          Bei den Zinszahlungen der öffentlichen Hand un-         wicht be­findet.
                          terstellen wir bei den Kantonen auf­grund der Ver-
                          gangenheitsentwicklung einen um 0,3 Prozent-            Auf der Einnahmenseite wird die Hypothese
                          punkte höheren Zinssatz als beim Bund. Bei den          aufge­stellt, dass die Einnahmenquote unter der
                          Gemeinden gehen wir von einer Differenz von             allgemein unterstellten «no-policy-change»-An-
                          einem Pro­zentpunkt im Vergleich zum Bund aus.          nahme konstant bleibt. Dem­zufolge steigen die
                                                                                  Einnahmen der drei Staatsebenen mit dem nomi-
                          Bei den übrigen Ausgaben, die beim Bund im Jahr         nellen BIP.
                          2005 etwas über 60 Prozent, bei den Kantonen
                          gut 40 Prozent und bei den Gemeinden 50 Pro-            Die Analyse abstrahiert im Weiteren von der
                          zent des Totals ausmachen, wurde die vereinfa-          Schuldenbremse auf Bundesebene und analogen
                          chende Annahme getroffen, dass diese mit dem            Regelungen auf Kantons- und Gemeindeebene,
                          nominellen BIP anwachsen, sodass deren Anteil           damit die Finanzierungslücke aufgezeigt werden
                          am BIP im Zeitverlauf konstant bleibt. Diese An-        kann.
                          nahme wird in den meisten derartigen Studien
                          getroffen, da bei diesen Ausgaben der Einfluss
                          des demografischen Wandels kaum quantitativ
                          abgeschätzt werden kann.
Bericht über die Langfristperspektiven der öffentlichen Finanzen in der Schweiz                                                 19

4. Ergebnisse

                          4.1.   Demografieabhängige Ausgaben                     gaben in den von der Demografie am stärksten
                                                                                  beeinflussten Bereichen erfassen zu können. Eine
                                                                                  zum BIP überproportionale Ausgabenzunahme
                          Die Ausgaben werden in diesem Bericht, wenn es          bedeutet dann eine steigende finanzielle Bela-
                          nicht anders ausgeführt ist, aufgrund der fol-          stung der Haushalte. Im Jahr 2005 beliefen sich
                          genden Überlegungen ausschliesslich im Verhält-         die Ausgaben für Bildung, Altersicherung und IV,
                          nis zum BIP angegeben. Das BIP stellt einen Indi-       Gesund­heit sowie Pflege der drei Staatsebenen
                          kator für die Einkommensentwicklung der in­län­         und der Sozialwerke gemessen am BIP auf 20,6
                          dischen Volkswirtschaft dar. Die Ausgaben sollten       Prozent. Gemäss Projektionen steigt dieser Wert
                          im Verhältnis zum BIP aus­gewiesen werden, um           bis 2050 auf 25,0 Prozent.
                          die Änderung der finanziellen Belastung der öf-
                          fentlichen und privaten Haushalte durch die Aus-

                             Grafik 5: Veränderung der Ausgaben für den Staat insgesamt
                             (kumuliert, in Prozent des BIP)
                            3,0 %

                            2,5 %

                            2,0 %

                            1,5 %

                            1,0 %

                            0,5 %

                            0,0 %
                                             2020                 2030                     2040                  2050
                                       Altersversicherung, IV        Gesundheit             Langzeitpflege

                          Die Grafik 5 zeigt die Veränderung der Ausgaben         der demografiebedingte Druck erheblich: Bis
                          in den genannten Aufgaben­gebieten auf. Bis zum         2030 steigt der Mehrbedarf auf rund 2 und bis
                          Jahr 2020 sind die Auswirkungen noch beschei-           2050 auf knapp 3 BIP-Prozentpunkte. In den Be-
                          den. Die Aus­gaben im Bereich der Alterssiche-          reichen Gesundheit und Langzeitpflege entsteht
                          rung/IV entwickeln sich nur leicht dynamischer als      wegen des demografischen Wandels eben­falls ein
                          das BIP und steigen gegenüber 2005 um 0,5 Pro-          steigender Mehrbedarf. Das Ausmass ist indessen
                          zentpunkte des BIP an. Nach 2020 verstärkt sich         nicht so gross wie bei der Alterssicherung/IV.
Bericht über die Langfristperspektiven der öffentlichen Finanzen in der Schweiz                                                  20

                           Tabelle 1: Demografieabhängige Ausgaben

                                  2005       2050                                                                   Veränderung
                           		 	                                                                                         2005-2050
                             (in BIP-%) (in BIP-%)                                                                   (in PP des BIP)

                           Alterssicherung/IV                                  10,3                  13,1                       2,8
                           Gesundheit                                           4,4                   5,8                       1,4
                           Langzeitpflege                                       0,5                   1,4                       0,8
                           Summe (o. Bildung)                                  15,2                  20,2                       5,0

                           Bildung                                              5,4                   4,8                      -0,6
                           Summe (inkl. Bildung)                               20,6                  25,0                       4,4

                           Differenzen in den Summen sind auf Rundungen zurückzuführen

                          Aufgrund von abnehmenden Schülerzahlen be-              dert dargestellt ist. Dieser wird jedoch bei den
                          steht bei den Bildungsausgaben zwar ein Entla-          weiteren Ausführungen nicht mehr berücksichti-
                          stungseffekt, der in den Tabellen 1 und 2 geson-        gt.

                            Tabelle 2: Demografieabhängige Ausgaben nach Staatsebenen

                                 2005       2050                                                                    Veränderung
                          			                                                                                           2005-2050
                            (in BIP-%) (in BIP-%)                                                                    (in PP des BIP)

                            Inkl. Bildungsausgaben:	 	 	 
                            Bund                     3,2 4,6 1,5
                            Kantone                  7,1 8,4 1,2
                            Gemeinden                3,7 3,9 0,2
                            Sozialwerke*             6,7 8,1 1,4
                            Total			                         4,4

                            ohne Bildungsausgaben	 	 	 
                            Bund                                           2,7 4,2 1,5
                            Kantone                                        4,0 5,5 1,6
                            Gemeinden                                      1,9 2,4 0,6
                            Sozialwerke*                                   6,7 8,1 1,4
                            Total	 	 	                                             5,0
                            * ohne Beiträge des Bundes an Aus­gaben AHV/IV

                            Differenzen in den Summen sind auf Rundungen zurückzuführen

                          Bei der Betrachtung der Ergebnisse für die einzel-      vom demografischen Wandel stärker betroffen als
                          nen Staatsebenen in Tabelle 2 ist zu beachten,          die Kantone und Gemeinden. Bis 2050 erreicht
                          dass die Angaben ohne Doppelzählungen ausge-            der Mehrbedarf drei bzw. zwei Prozentpunkte des
                          wiesen sind. Der Bund und seine Sozialwerke sind        BIP.
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                          4.2.    Verschuldung und Fiscal Gap                     nehmend, was die Verschuldung rapide ansteigen
                                                                                  lässt. Dies zeigt, dass trotz einer bis 2025 wenig
                                                                                  besorgniserregenden Entwicklung keine Entwar-
                          Im Basisszenario steigt die Verschuldung der drei       nung gegeben werden kann, da die demogra-
                          Staatsebenen und der Sozialwerke von 48 Prozent         fischen Effekte auf die öffentlichen Haushalte erst
                          des BIP im Jahr 2005 auf 129 Prozent am Ende            nachher zu wirken beginnen und die Implemen-
                          des betrachteten Zeithorizonts im Jahr 2050 (sie-       tierung von Reformmassnahmen in den Bereichen
                          he Grafik 6). Bis 2020 sinkt die Schuldenquote          Alterssicherung/IV, Gesundheit und Langzeitpfle-
                          leicht. Ab 2025 verstärkt sich der demografiebe-        ge sehr viel Zeit erfordert.
                          dingte Druck auf die öffentlichen Haushalte zu-

                            Grafik 6: Schuldenquote Staat insgesamt (in % des BIP)

                            140 %

                            120 %

                            100 %

                             80 %

                             60 %

                             40 %

                             20 %

                                 0%
                                             2010                2020                  2030                2040                2050

                          Wird der Verlauf der Schuldenquoten nach                der Anstieg ins­gesamt geringer ist. Dies unter der
                          Staatsebenen unterschieden, so zeigt Grafik 7,          Annahme, dass die Einnahmenquote über den
                          dass diese beim Bund und seinen Sozialwerken            gesamten Projektionszeitraum hinweg jeweils un-
                          zusammengenommen am stärksten ansteigen,                verändert bleibt.
                          während bei den Kantonen und den Gemeinden
Bericht über die Langfristperspektiven der öffentlichen Finanzen in der Schweiz                                                         22

                            Grafik 7: Schuldenquote nach Staatsebenen (in % des BIP)
                            80 %

                            60 %

                            40 %

                            20 %

                              0%

                            -20 %
                                                2010                    2020                 2030               2040                 2050
                                        Bund                        Kantone                    Gemeinden               Sozialvers.

                          Wie oben bereits dargelegt, zeigt der Fiscal Gap               Korrektur schon ab dem Jahr 2010 erfolgt, was
                          den Korrekturbedarf an, wenn die Verschuldung                  aufgrund der langen Vorlaufzeit für Reformmass-
                          gemessen an der Schuldenquote oder dem (nomi-                  nahmen sehr optimistisch ist. Aus diesem Grund
                          nellen) Schuldenstand am Ende des betrachteten                 zeigt Tabelle 3 auf, wie der Fiscal Gap ansteigt,
                          Zeithorizonts einen bestimmten Wert nicht über-                wenn die Korrekturmassnahmen erst zu einem
                          schreiten soll12. Im Rahmen dieses Berichts er-                späteren Zeitpunkt wirken bzw. wenn mit den
                          streckt sich die Zeitperiode bis zum Jahr 2050. Als            notwendigen Korrekturen zugewartet wird. So
                          Grenzwert für die Verschuldung wird a) die Schul-              fällt der Korrekturbedarf um rund die Hälfte hö-
                          denquote im Jahr 2003, d.h. 49 Prozent des BIP                 her aus, wenn die notwendigen Massnahmen erst
                          und b) der Schuldenstand 2003, d.h. 216 Milliar-               2020 statt 2010 zu wirken beginnen. Je später
                          den Franken verwendet. Bei der Berechnung des                  diese Massnahmen greifen, desto drastischer fällt
                          Fiscal Gap wurde jeweils angenommen, dass die                  der Korrekturbedarf aus.

                          12 Dabei stellt sich die Frage, in welchem Zusammenhang der
                          Fiscal Gap und der demografiebedingte Anstieg der Staatsaus-
                          gaben stehen. Dies hängt davon ab, wann die altersbedingten
                          Mehrbelastungen anfallen. Falls sich beispielsweise dieser
                          Anstieg von 5 Prozentpunkten des BIP vollumfänglich schon
                          im Jahr 2010 niederschlagen würde, wäre der Fiscal Gap 5%
                          des BIP. Je später sich diese Mehrbelastungen manifestieren,
                          desto geringer fällt dabei der Fiscal Gap aus.
Bericht über die Langfristperspektiven der öffentlichen Finanzen in der Schweiz                                                  23

                            Tabelle 3: Fiscal Gap

                                        Fiscal Gap                                       Beginn der Budgetkorrekturen

                            	                                                  2010                  2020                    2030

                            Ziel:	 	 	 	 
                            Gleicher nominelle    2,0 % 2,9 % 4,7 %
                            Stand    Verschuldung
                            2050

                            wie 2003
                            für …                   Schuldenquote           1,4 %                   2,0 %                   3,3 %

                          4.3.    Bedeutung des Basisjahrs                        Wie sich eine Änderung beim Ausgabenniveau
                                                                                  oder bei den Einnahmen auf den Fiscal Gap aus-
                                                                                  wirkt, ist leicht erkennbar. Würde sich die Kurve
                          Grundsätzlich sollte davon ausgegangen werden,          der Einnahmen um 1 % des BIP nach unten oder
                          dass Szenarien bis zum Jahr 2050 unabhängig             die der Ausgaben um 1 % nach oben verschie-
                          von der Konjunkturlage des Basisjahres sind. Das        ben, nähme der Fiscal Gap um 1 Prozentpunkt zu:
                          würde aber bedeuten, dass bezüglich der Wirt-           3 % anstelle von 2 % des BIP, wenn die nomi-
                          schaftslage im Basisjahr zwischen «transito­            nelle Schuld aller öffentlichen Haushalte im Jahr
                          rischen» und «permanenten» Komponenten un-              2050 derjenigen im Jahr 2003 entsprechen soll.
                          terschieden wird. Der Einfachheit halber ist diese      Das lässt sich wie folgt erklären. Um ein Prozent
                          Unterscheidung nicht vorgenommen worden.                des BIP tiefere Einnahmen oder um ein Prozent
                          Alle Entwicklungen, welche die Ausgangslage             des BIP höhere Ausgaben erhöhen den Sanie-
                          beeinflusst haben, gelten als permanent (ausser         rungsbedarf, der besteht um das avisierte Schul-
                          insofern, als bei der Formulierung der Hypothesen       denziel zu erreichen, und damit den Fiscal Gap
                          zu den makroökonomischen Eck­werten des Fi-             um 1 Prozentpunkt.
                          nanzplans eine Korrektur berücksichtigt wird).
                          Das ist beispielsweise für die Variablen wichtig,       4.4.   Sensitivitätsanalysen
                          bei denen wir eine Entwicklung entsprechend
                          dem BIP unterstellen: bestimmte Ausgaben sowie          Bei den makroökonomischen Grössen wurden
                          der Grossteil der Einnahmen. Wenn diese Ausga-          Sensitivitätsanalysen hinsichtlich des Wachstums
                          ben am Anfang einen ungewöhnlich tiefen oder            der Arbeitsproduktivität und des Zinssatzes durch-
                          die Einnahmen einen unge­wöhnlich hohen Anteil          geführt. Gegenüber dem Basisszenario (Wachs-
                          am BIP darstellen, wären unsere Szenarien zu op-        tum der Arbeitsproduktivität 1% p.a. und realer
                          timistisch, da wir ja davon ausgehen, dass die An-      Zinssatz 2%) wurden die beiden Grössen nach
                          teile gleich bleiben. Weil diese Anteile je nach        oben und unten um jeweils 0.5 Prozentpunkte
                          Konjunktur variieren, beeinflusst die Konjunktur-       variiert. Tabelle 4, 5 und 6 zeigen die Ergebnisse
                          lage im Basisjahr unsere Resultate. Bei den Kanto-      der Sensitivitätsanalysen. Der aufge­führte Fiscal
                          nen und Gemeinden wird als Basisjahr 2005, bei          Gap in Tabelle 4 bezieht sich auf die Schulden-
                          der AHV und der IV wird als Basisjahr 2006 und          quote im Jahr 2003 und auf den Zeithori­zont
                          beim Bund das letzte Jahr des Finanzplans 2011          2050 und geht davon aus, dass Korrekturmass-
                          als Basisjahr herangezogen. Nach dem Jahresbe-          nahmen ab 2010 greifen.
                          richt 2007 der Kommission für Konjunkturfragen
                          bestand Ende 2005 kein Output Gap, und 2006
                          übertraf das effektive BIP das potenzielle.
Bericht über die Langfristperspektiven der öffentlichen Finanzen in der Schweiz                                                      24

                           Tabelle 4: Ergebnisse der Sensitivitätsanalysen: Fiscal Gap bezüglich der Schuldenquote in Prozent des
                           BIP

                                                                                                  Zinssatz

                                                                                  1,5                   2,0                        2,5

                                                                     0,5            –                   2,0                          –
                           Produktivität                             1,0          1,3                   1,4                        1,5
                                                                     1,5            –                   0,9                          –

                               Basisszenario

                          Steigt das Wachstum der Arbeitsproduktivität, so        sinkt der Gegenwert (d.h. der abdiskontierte
                          nimmt der Fiscal Gap vor allem deswegen ab, weil        Wert) künftiger Primärdefizite. Per saldo heben
                          die Renten mit dem sog. Mischindex angepasst            sich diese beiden gegenläufigen Effekte zufälli-
                          werden. Während die Teuerung vollständig be-            gerweise praktisch auf.
                          rücksichtigt wird, partizipieren die AHV- und IV-
                          Rentner nur zur Hälfte an der Reallohnentwick-          In Tabelle 5 sind die Ergebnisse für den Fiscal Gap
                          lung. Letztere entspricht dabei dem Wachstum            bezüglich des nominellen Schuldenstands darge-
                          der Arbeitsproduktivität. Der Zinssatz hingegen         stellt. Im Zeitverlauf sinkt bei diesem Kriterium die
                          hat weit geringere Auswirkungen auf den Fiscal          Schuldenquote. Der Fiscal Gap fällt damit höher
                          Gap. Steigt der Zinssatz, so steigen die Aufwen-        aus als in Tabelle 4. Das Muster der Sensitivitätsa-
                          dungen zur Bedienung der Schulden. Hingegen             nalyse ist indessen dasselbe.

                            Tabelle 5: Ergebnisse der Sensitivitätsanalysen: Fiscal Gap bezüglich des nominellen Schuldenstands
                            in Prozent des BIP

                                                                                                   Zinssatz

                                                                                  1,5                   2,0                        2,5

                                                                     0,5            –                   2,5                          –
                            Produktivität                            1,0          2,0                   2,0                        2,0
                                                                     1,5            –                   1,6                          –

                               Basisszenario
Bericht über die Langfristperspektiven der öffentlichen Finanzen in der Schweiz                                                 25

                           Tabelle 6: Ergebnisse der Sensitivitätsanalysen: Stand der Schuldenquote 2050 in Prozent des BIP

                                                                                                 Zinssatz

                                                                                  1,5                 2,0                      2,5

                                                                     0,5        –                     173                       –
                           Produktivität                             1,0      117                     129                     144
                                                                     1,5        –                      94                       –

                               Basisszenario

                          Die Tabelle 6 zeigt den Stand der Schuldenquote         Basisszenario, verdoppelt sich die Schuldenquote
                          am Ende der betrachteten Zeitperiode. Selbst            gegenüber dem Stand im Jahr 2003.
                          wenn das Produktivitätswachstum höher ist als im
Bericht über die Langfristperspektiven der öffentlichen Finanzen in der Schweiz                                                               26

Exkurs: Öffentlich-rechtliche
Vorsorgeeinrichtungen
                         Einleitung                                                       2.     Beiträge in die zweite Säule stellen die
                                                                                                 wichtigsten Lohnnebenkosten dar
                         Vorsorgeeinrichtungen sind grundsätzlich in der
                         Schweiz nach dem Kapitaldeckungsverfahren fi-                    Die Beiträge für die zweite Säule stellen für die
                         nanziert. Dieses ist weit weniger dem demogra-                   öffentliche Hand als Arbeitgeber die grössten
                         phischen Risiko ausgesetzt als nach dem Umlage-                  Lohnnebenkosten dar.
                         verfahren finanzierte Altersvorsorgesysteme wie
                         die AHV, weil jede Generation weitgehend ihre                    3.     Besonderheiten von öffentlich-recht-
                         Leistungen selbst vorfinanziert. Es ist daher a prio-                   lichen Vorsorgeeinrichtungen
                         ri nicht offensichtlich, wieso Vorsorgeeinrich-
                         tungen des öffentlichen Sektors insbesondere die                 Einige rechtliche und wirtschaftliche Besonder-
                         Leistungsprimatkassen mit Staatsgarantie im vor-                 heiten müssen bei der Beurteilung von Vorsorge-
                         liegenden Bericht überhaupt zu betrachten sind.                  einrichtungen der öffentlichen Hand betrachtet
                         Es können jedoch drei Gründe aufgeführt wer-                     werden.
                         den, diese Thematik im Rahmen eines Exkurses zu
                         behandeln, auch wenn die Vorsorgeeinrichtungen                   • Eigene Rechtsform
                         grundsätzlich nicht dem Staatssektor zugeordnet                  Dem öffentlichen Sektor steht für die Errichtung
                         sind:                                                            einer Vorsorgeeinrichtung neben den privatrecht-
                                                                                          lichen Rechtsformen der Stiftung und der Genos-
                         1.       Alterung hat auch Auswirkungen auf                      senschaft auch die Möglichkeit einer öffentlich-
                                  das Kapitaldeckungsverfahren                            rechtlichen Einrichtung offen. In den letzten Jah-
                                                                                          ren wurden Vorsorgeeinrichtungen öffentlich-
                         Die steigende Lebenserwartung führt bei gleich                   rechtlicher Körperschaften jedoch vermehrt in die
                         bleibendem Rentenalter zu einer längeren Ren-                    Rechtsform einer privatrechtlichen Stiftung umge-
                         tenbezugsdauer. Dies erfordert im Leistungspri-                  wandelt. Der Begriff «Einrichtung des öffentlichen
                         mat ein entsprechend höheres Deckungskapital.                    Rechts» ist im BVG nicht näher erläutert und de-
                         Seit einigen Jahren findet zudem eine Debatte                    ren Ausgestaltung ist daher den kantonalen
                         bezüglich den Folgen der Alterung auf die lang-                  Rechtsordnungen überlassen (vgl. Art. 50 Abs. 2
                         fristigen Renditen der verschiedenen Anlagen                     und 51 Abs. 5 BVG).
                         statt. Obschon ein «Asset Meltdown» durch den
                         Eintritt der Baby-Boomer in den Ruhestand auf-                   • Teilkapitalisierung und Staatsgarantie
                         grund der heutigen Erkenntnisse als wenig wahr-                  Gemäss Art. 69 Abs. 2 BVG kann «die Aufsichts-
                         scheinlich erscheint, sind auf Grund der Alterung                behörde Vorsorgeeinrichtungen von öffentlich-
                         und Lebenszyklusüberlegungen Umschichtungen                      rechtlichen Körperschaften unter den vom Bun-
                         in weniger volatile Anlagen plausibel13, was das                 desrat festgesetzten Bedingungen ermächtigen,
                         Deckungskapital zusätzlich schmälert.                            vom Grundsatz der Bilanzierung in geschlossener
                                                                                          Kasse abzuweichen.» Diese Ausnahmeregelung

                         13 Verschiedene Studien gehen von einem Rückgang der
                         weltweit realen Kapitalerträge von maximal einem Prozent-
                         punkt aus (vgl. Gerber, David S. und René Weber (2004): Ren-
                         tenfinanzierung mit Risiken. In: Schweizer Bank, 10/2004).
                         Empirische Evidenz für Schweizer Pensionskassen bestätigt
                         den Einfluss der Altersstruktur auf den Aktienanteil von Vor-
                         sorgeeinrichtungen (vgl. Gerber, David S. und René Weber
                         (2007): Demography and investment behavior of pension
                         funds: evidence for Switzerland. In: Journal of Pension Econo-
                         mics and Finance; 313-337; November ).
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