Lasst uns über die Berufsordnung der Pflegekammer reden

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Lasst uns über die Berufsordnung der Pflegekammer reden
Lasst uns über die
Berufsordnung
der Pflegekammer
reden…
Lasst uns über die
Berufsordnung der
Pflegekammer reden…
                                                                                       Silke Präfke,
                                                              Präsidentin des ver.di-Pflegebeirates
                                                                      in Rheinland-Pfalz-Saarland

Interview mit Silke Präfke

Die Landespflegekammer Rheinland-Pfalz hat eine          ?  Muss ver.di an allem rumnörgeln? Hast du
Berufsordnung, die allein Vorgaben für Pflegekräfte      Deine Meinung nicht in der Vertreterversammlung
enthält. Die Mehrheit in der Vertreterversammlung        eingebracht?
jubelte, aber viele der angestellten Pflegekräfte im
                                                         Silke Präfke: Natürlich habe ich als gewähltes Mitglied
Land stellen kritische Fragen und bezweifeln, dass
                                                         der Vertreterversammlung an der Erarbeitung der Be-
diese Berufsordnung ein Fortschritt sei.
                                                         rufsordnung mitgearbeitet. Leider wurden die meisten
                                                         Vorschläge nicht berücksichtigt. Wir haben unsere Be-
ver.di hat sowohl in der Vertreterversammlung als
                                                         denken immer wieder vorgebracht. Für uns stehen die
auch außerhalb bei der Erarbeitung mitdiskutiert
                                                         Interessen der angestellten Pflegekräfte im Vordergrund
und Vorschläge unterbreitet. Schließlich gab es eine
                                                         – und die allermeisten Pflegekräfte sind abhängig Be-
neunseitige Stellungnahme zur Position der Ge-
                                                         schäftigte. Ihre Interessen werden in der vorliegenden
werkschaft. ver.di verlangt eine Neufassung unter
                                                         Berufsordnung nicht richtig abgebildet. Leider stellen
Einbeziehung möglichst vieler Pflegekräfte im Land.
                                                         die ver.di-Mitglieder in der Vertreterversammlung
                                                         eine Minderheit, weshalb wir in der Regel überstimmt
Wir fragten unsere Kollegin Silke Präfke. Die
                                                         werden. Unser Ziel sollte es sein, bei der nächsten Wahl
Personal­rätin ist Präsidentin des ver.di-Pflegebeira-
                                                         mehr Mitglieder in das Gremium zu bekommen – dann
tes in Rheinland-Pfalz-Saarland und für ver.di
                                                         können wir mehr Einfluss nehmen.
in der Vertreterversammlung der Landespflege-
kammer.                                                  ? Also, war deine Arbeit umsonst?
                                                         Silke Präfke: Das möchte ich nicht sagen. Es gibt
                                                         durchaus auch leichte Veränderungen, die aufgrund
                                                         unserer Kritik dann auch vorgenommen wurden. So
                                                         sollten ursprünglich die Pflegekräfte ein „Gelöbnis“
                                                         ablegen, jetzt wurde daraus ein freiwilliges „feierliches
                                                         Versprechen“. Als dann die Vertreterversammlung dies
                                                         Anfang des Jahres laut aufsagte, haben wir uns daran
                                                         nicht beteiligt. Die Pflegekräfte sollen zum Beispiel
                                                         versprechen: „In allen Situationen werde ich die Ehre
und das Ansehen des Berufsstandes wahren.“ Was soll
das heißen? Wenn ich öffentlich auf die schlechten Be-
                                                           Überflüssig und altbacken
dingungen in der Pflege hinweise, schade ich dann der
Ehre und dem Ansehen des Berufes? Theoretisch könn-          Ich werde mich an dem feierlichen Ver-
te die Pflegekammer Whistleblowing bestrafen. Oder           sprechen nicht beteiligen. Ich finde es
wenn jemand ein Tattoo hat – schadet das womöglich           überflüssig, altbacken und unterschied-
dem Berufsstand? Das ist nirgendwo definiert und auch        lich interpretierbar.
die Konsequenzen sind nicht festgelegt.
                                                             Das Ansehen des Berufes würde gestärkt
?  Welche Aspekte hältst du außerdem für prob-               werden, wenn es genug Personal gäbe
lematisch?                                                   und die Arbeitsschutzgesetze in den Ein-
                                                             richtungen eingehalten würden.
Silke Präfke: Uns werden etliche Pflichten auferlegt,
zum Beispiel die vollständige und fälschungssichere          Ich will Menschen ohne wirtschaftlichen
Dokumentation des Pflegeprozesses oder die sichere           Druck und ökonomischen Drohungen
Verwahrung erhobener Daten. Als angestellte Pflege-          pflegen. Die Realität heute steht im
kraft habe ich darauf aber nur sehr begrenzten Einfluss.     Widerspruch zu unserer Berufsethik
Gleiches gilt für die Qualitätssicherung. Das Grund-         und den Geboten der Menschlichkeit.
problem ist: Die Berufsordnung kann keinerlei Einfluss
                                                             Silke Präfke erklärte auf der Vertreterversammlung,
auf das Handeln der Arbeitgeber nehmen. Hier müsste          warum sie im März 2020 in Bad Kreuznach das Gelöbnis
zunächst die gesetzliche Grundlage geändert werden.          nicht mitsprach.
Wenn die Pflegekammer die Arbeitgeber zur Schaffung
entsprechender Rahmenbedingungen verpflichten
könnte, würden all diese Vorgaben Sinn machen. So
üben sie lediglich zusätzlichen Druck auf die beruflich
Pflegenden aus, ohne deren Situation zu verbessern.

? Betrifft das auch die Frage der Fortbildungen?
Silke Präfke: Ja. Es ist gut und richtig, dass sich
Pflegekräfte kontinuierlich fortbilden sollten. Aber die
Berufsordnung bürdet das allein den Pflegekräften
auf. Sie kann aber die Arbeitgeber nicht in die Pflicht
nehmen, ihre Beschäftigten für Fortbildungen freizustel-
len und diese zu bezahlen. Ein weiteres Problem ist die
sogenannte Anzeige­pflicht. Wenn ich an der Fachkom-
petenz oder am Gesundheitszustand eines Kollegen
zweifle, müsste ich ihn anzeigen. Was mache ich, wenn
sich Leute aus meinem Team die Hände nicht entspre-
chend der WHO-Vorgaben desinfizieren, weil ihnen die
Zeit fehlt? Muss ich die dann anzeigen? Womöglich
handelt es sich gar nicht um individuelles Fehlverhalten,
sondern um Organisationsversagen. Aber auch hier:
                                                            Vier Gründe gegen diese
Den Arbeitgeber, der für die Organisation verantwort-
lich ist, kann ich bei der Pflegekammer nicht anzeigen.
                                                            Berufsordnung
?  Wie müsste eine Berufsordnung stattdessen                1. Die Berufsordnung stellt einen Rückschritt im Pro-
aussehen?                                                     zess der Professionalisierung dar, da hier ein rück-
                                                              wärtsgewandtes Verständnis pflegerischer Arbeit
Silke Präfke: Zunächst müsste wie gesagt die gesetz-
                                                              vermittelt wird.
liche Grundlage, unter anderem das Heilberufegesetz,
dahingehend geändert werden, dass der Arbeitgeber           2. Wenn die Berufsordnung einen Schutz vor unsach-
zur Schaffung guter Rahmenbedingungen verpflichtet            gemäßer Pflege bewirken soll, dann müssen zuerst
werden kann. Die im Entwurf formulierten Anforde-             die Rahmenbedingungen entsprechend sein. Das
rungen sind ja alle richtig. Ich bin auch für Qualitäts-      bedeutet in erster Line mehr Personal und Zeit.
sicherung, gute Dokumentation und kontinuierliche
                                                            3. Anstatt die Arbeitgeber in die Pflicht zu nehmen,
Fortbildung. Aber die Arbeitgeber müssten mit in die
                                                              verpflichtet die Ordnung die Pflegekräfte. An den
Pflicht genommen werden. Zum Beispiel könnten sie
                                                              Rahmenbedingungen wird nichts geändert. Damit
dazu verpflichtet werden, jedem Kammermitglied fünf
                                                              wird der Druck auf die Beschäftigten weiter erhöht
Tage Fortbildung im Jahr zu gewähren. Das würde
                                                              anstatt die Verantwortung dorthin zu geben, wohin
tatsächlich helfen.
                                                              sie gehört: Zu den Arbeitgebern und der Politik.
? Der Kammerpräsident Dr. Markus Mai meinte                   Zum Teil werden gar Aufgaben
das Besondere an der Berufsordnung sei, dass                  der Arbeitgeber auf abhängig
Pflegefachpersonen ihr Berufsbild selbst definie-             Beschäftigte übertragen. Eine
ren. Ist dem so?                                              stärkere Differenzierung von
                                                              Vorschriften für selbst-
Silke Präfke: Wir waren ja nicht frei in unserer Erar-
                                                              ständig Tätige und
beitung. Wir mussten uns im Rahmen der gesetzlichen
                                                              abhängig Beschäf-
Vorgaben bewegen. So hatten wir uns erhofft mit der
                                                              tigte wäre nötig.
Berufsordnung mit den „vorbehaltenen Tätigkeiten“
mehr Kompetenzen zu erhalten. Im Ergebnis wurde             4. Die vorliegende
jetzt einfach das Pflegeberufegesetz abgeschrieben.           Berufsordnung stellt
Das machen auch die Bundesländer, die keine Kammer            einen starken Eingriff
haben. Wir haben im März auf unserer Pflegekonferenz          und Bevormundung
in Kaiserslautern sehr deutlich unsere Forderung formu-       in das individuel-
liert, dass vorbehaltene Tätigkeiten der Pflegefachkräfte     le Verhalten von
nicht nur für die Planung und Evaluation pflegerischer        Pflegekräften dar
Maßnahmen gelten dürfen, sondern auch für die                 und birgt die Gefahr
Durchführung der Pflege selbst. Unsere Berufsordnung          der unkontrollierten
sollte sich für einen ganzheitlichen Pflegeprozess, in        Disziplinierung.
welchem sich die Qualität auch am individuell erfüllten
Bedarf der Patientinnen und Patienten bzw. pflegebe-
dürftigen Menschen orientiert, aussprechen. Um dies zu
                                                           Die Sache mit der
erreichen, muss auf eine Nachbesserung des Pflegebe-
rufegesetzes gedrängt werden.
                                                           Transparenz …
?   Und nun bitte kurz und klar, warum habt ihr
der Berufsordnung letztlich dann nicht zuge-
                                                           In der Kammer wurde diskutiert. Aber kaum ein
                                                           Wort drang nach außen. Die Mitglieder der Ver-
stimmt?                                                    treterversammlung werden auch ständig darauf
Silke Präfke: Wir von ver.di haben dieser Berufsord-       hingewiesen, nichts über den Stand der Diskussion
nung nicht zugestimmt, weil wir eine Überwachung           nach außen zu tragen. Eine sicherlich recht unge-
und Sanktionierung der Pflegekräfte befürchten, die        wöhnliche Vorgehensweise für eine demokrati-
sich tagtäglich unter widrigen Bedingungen um gute         sche Institution. Würde man das im Parlament so
Pflege bemühen. Diese Berufsordnung verpflichtet           machen, dann würden Gesetze immer erst mit der
abhängig Beschäftigte, ohne ihnen jedoch Mittel und        Veröffentlichung bekannt und ein demokratischer
Kompetenzen an die Hand zu geben, die Rahmenbe-            Diskurs könnte gar nicht stattfinden.
dingungen zu verbessern. Damit wird der Druck auf die      Für ver.di ist das eine Frage, ob man die Pflegekräf-
Pflegekräfte sogar noch erhöht, statt sie zu entlasten     te selbst wertschätzt oder ob man über ihre Köpfe
und die Verantwortung dahin zu geben, wo sie hinge-        hinweg Entscheidungen fällt. Deswegen fordert
hört: Zu den Arbeitgebern und der Politik.                 ver.di Transparenz und will eine Teilhabe der Pflege-
Wir wollen zum Beispiel, dass die Kammer einen             kräfte an der Kammer. Das war auch die Motivation
Vorschlag für ein Gesetz erarbeitet, das jedes Jahr eine   des Offenen Briefes des ver.di-Pflegebeauftragten
Woche Freistellung für selbstbestimmte, unabhängige        Michael Quetting an den Kammerpräsidenten
und kompetenzerhaltene Maßnahmen gewährt. Diese            Dr. Markus Mai vom Juli 2019.
Woche ist von den Arbeitgebern zu finanzieren.
                                                           Alle Dokumente können über
Und wir wollen eine neue Berufsordnung erarbeiten,
                                                           https://rps.verdi.de
sicherlich demokratischer und transparenter.
                                                           bzw. direkt mit diesem QR-Code
? Ihr habt euch also viel vorgenommen?                     abgerufen werden:

Silke Präfke: Pflege braucht Veränderung und keine         Der ver.di-Pflegebeirat hatte Transparenz als „sub-
Bevormundung. Dabei kann auch die Kammer eine              stanziell für die Akzeptanz der Berufsordnung“
nicht unwichtige Rolle spielen. Deswegen muss mehr         eingefordert. Quetting kündigte an, dass er den
die Sicht der abhängig Beschäftigten ins Zentrum           Entwurf öffentlich machen werde, wenn dies die
gerückt werden. Um das zu können, müssen wir stärker       Kammer nicht täte. Als Gewerkschafter fühle er sich
werden. Deswegen werbe ich für die Stimmabgabe             nicht an ein Kammerverbot gebunden. So tat er
für die ver.di Liste. Machen wir die Kammer zu einem       es dann auch, obwohl man ihn dafür beschimpfte.
Instrument des Pflegeaufstandes.

? Danke Silke, dir und euch viel Erfolg.
Der Pflegebeirat gab im Dezember ein vierseitiges
Flugblatt heraus und klärte damit auf.
                                                      Mitmachen beim Pflegeaufstand –
Als dann die Kammer einen „Vorratsbeschluss“ fass-
                                                      Betroffene werden Beteiligte
te und die Verbände um eine Stellungnahme bat,
antwortete der ver.di-Pflegebeirat sehr ausführlich   Ich möchte
und konkret. Auch andere Verbände meldeten sich
zu Wort. Keine der gemachten Vorschläge fanden         mehr Infomaterial von ver.di.
Eingang in die Schlussberatungen. Auf dem Pflege­
                                                       f ür Aktionen und Veranstaltungen eingeladen
tag in Mainz wurde dann die Berufsordnung aus
                                                         werden.
dem Zauberhut gezogen. Die Fachwelt staunte und
nahm sie kaum wahr.                                    e ine Kandidatin/einen Kandidaten für die Pflege­
                                                         kammerwahl kennenlernen.

                                                       M
                                                         ich mit dem Pflegebeauftragten treffen und
                                                        unterhalten.

                                                       d
                                                         en Newsletter „Pflege im Südwesten“ kostenlos
                                                        beziehen.

                                                       d
                                                         abei sein und mitmachen.
                                                        Ich will Mitstreiter*in ver.di werden.

                                                      Name

                                                      Vorname

                                                      Betrieb

                                                      Handynr., E-Mail

                                                      Einfach ausschneiden, ausfüllen und an den
                                                      ver.di-Pflegebeauftragten Michael Quetting,
                                                      Münsterplatz 2–6 in 55116 Mainz schicken oder
                                                      per Mail an Michael.Quetting@verdi.de
.
                        P fl e g e aufstand
E  Macht
           mit beim
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Kontakt

ver.di Landesbezirk
Rheinland-Pfalz-Saarland
Ansprechpartner:
Michael Quetting,
Pflegebeauftragter
Michael.Quetting@verdi.de
Verantwortlicher:
Frank Hutmacher,
Landesbezirksfachbereichsleiter
Münsterplatz 2– 6, 55116 Mainz
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