Lebensbedrohlicher Verschluss - Wenn ein Blutgerinnsel die Gefäße der Lunge verstopft, wird auch das Herz schwer belastet.

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Lebensbedrohlicher Verschluss - Wenn ein Blutgerinnsel die Gefäße der Lunge verstopft, wird auch das Herz schwer belastet.
T I T E LT H E M A H E R Z & LU N G E _ E M B O L I E

         Lebensbedrohlicher
             Verschluss
                                                                                                         Foto: 123RF / assumption111

     Wenn ein Blutgerinnsel die Gefäße der Lunge verstopft,
              wird auch das Herz schwer belastet.

                 Lukas Hobohm und Stavros Konstantinides

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Lebensbedrohlicher Verschluss - Wenn ein Blutgerinnsel die Gefäße der Lunge verstopft, wird auch das Herz schwer belastet.
T I T E LT H E M A H E R Z & LU N G E _ E M B O L I E

                             E
                                    ine Thrombose entsteht am häufigsten              Die Symptome, mit denen sich eine aku-
                                    im tiefen Venensystem der Beine, selte-        te Lungenarterienembolie bemerkbar macht,
                                    ner im rechten Herzvorhof oder in den          sind recht uneindeutig. Häufig stehen Luftnot,
                             Venen der oberen Gliedmaßen. Wenn sich ein            Schmerzen in der Brust und Schmerzen beim
                             Thrombus – ein Blutgerinnsel – löst, in die           Einatmen, eine Herzfrequenz von über 100            Die Lungen­
                             Lunge gelangt und dort eine oder mehrere Lun-         Herzschlägen pro Minute oder ein vorüberge-           arterien
                             genarterien verengt oder verstopft, spricht der       hender Bewusstseinsverlust (Synkope) im Vor-
                                                                                                                                      embolie ist die
                             Arzt von einer Embolie. Die Erkrankung wird           dergrund.
                             als „akute Lungenarterienembolie“ bezeichnet.            Da das Spektrum von einem symptomlosen          dritthäufigste
                             Sie ist nach Herzinfarkt und Schlaganfall die         Verlauf bis hin zum Herz-Kreislauf-Versagen        kardiovasku-
                             dritthäufigste kardiovaskulär bedingte Todes-         (kardiogener Schock) reicht, empfehlen die          lär bedingte
                             ursache. Zwischen 2005 und 2015 wurden der            aktuellen Leitlinien eine risikoadaptierte Diag-
                                                                                                                                      Todesursache.
                             Weltgesundheitsorganisation aus Deutschland           nostik. Wenn bei der Aufnahme in die Klinik
                             jährlich mehr als 80 000 Todesfälle gemeldet,         ein Herz-Kreislauf-Versagen vorliegt, muss mit
                             die mit einer Lungenarterienembolie in Ver-           einer frühen und hohen Todesfallrate bis zu 65
                             bindung standen. Insbesondere bei Frauen im           Prozent gerechnet werden. Bei diesen Patienten
                             Alter zwischen 15 und 55 Jahren ist die akute         soll beim Verdacht auf eine akute Lungenarte-
                             Lungenarterienembolie verglichen mit anderen          rienembolie als Ursache für das Herz-Kreislauf-
                             Erkrankungen eine relativ häufige Todesur-            Versagen zur Diagnosesicherung ein Notfall-
                             sache und für bis zu 13 von 1000 Todesfällen          Algorithmus angewendet werden, damit die
                             verantwortlich. Bei älteren Menschen (über 80         Thromben gegebenenfalls rasch mit Medi-
                             Jahre) ist die Gesamtzahl der aufgrund einer          kamenten aufgelöst oder mit einem Katheter
                             Lungenarterienembolie aufgetretenen Todesfäl-         entfernt werden können. Aus diesem Grund
                             le mit über 80 Fällen pro 100 000 Einwohnern          betonen die Leitlinien auch den Stellenwert der
                             deutlich erhöht.                                      Herzultraschalls, der bereits am Patientenbett
Infografik: Alexandra Vent

                                 Der Begriff „Embolie“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet „hineinwerfen“. Bei der
                                 Lungenarterienembolie verstopft ein Embolus – ein zumeist aus dem tiefen Venensystem der
                                 Beine eingeschwemmter Blutpfropf (medizinisch Thrombus) – ein Blutgefäß in der Lunge.

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Lebensbedrohlicher Verschluss - Wenn ein Blutgerinnsel die Gefäße der Lunge verstopft, wird auch das Herz schwer belastet.
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     Häufigste      auf eine schwere akute Lungenarterienembolie                  mit nachgewiesener Lungenarterienembolie
                    hinweisen kann.                                               reicht die Verabreichung blutgerinnungshem-
Todesursache
                        Die meisten Patienten – rund 90 Prozent –                 mender Arzneistoffe (therapeutische Antiko-
bei Schwan­         befinden sich bei der Aufnahme ins Kranken-                   agulation) aus. In den meisten Fällen werden sie
      geren.        haus nicht im kardiogenen Schock. Dann kann                   als Tablette verabreicht oder vorübergehend als
                    die Diagnose schrittweise auf Basis der Sym-                  „Bauchspritze“. Die blutgerinnungshemmende
                    ptome und der klinischen Befunde erfolgen.                    Medikation sollten Patienten nach dem erstma-
                    Bei der Einschätzung, wie wahrscheinlich es                   ligen Auftreten einer Lungenarterienembolie
                    ist, dass eine akute Lungenarterienembolie die                mindestens drei bis sechs Monate lang erhalten.
                    Beschwerden verursacht, kann auch der soge-                   Dann wird die Fortführung der Therapie erneut
                    nannte D-Dimer-Test helfen. Dabei handelt es                  sorgfältig geprüft.
                    sich um einen Bluttest, der „D-Dimere“ nach-                     Wie lange ein Patient mit akuter Lungen­
                    weist, Moleküle, die im Körper entstehen, so-                 arterienembolie im Krankenhaus bleiben muss,
                    bald Blutgerinnsel abgebaut werden.                           hängt von verschiedenen Einflussgrößen wie
                                                                                  seinem Alter oder dem Bestehen weiterer Er-
                    DIE BEHANDLUNG                                                krankungen ab. Hinzugezogen werden auch
                                                                                  bildgebende und laborchemische Marker, die
                    Falls sich die Diagnose bestätigt, müssen die                 eine eventuelle Rechtsherzbelastung durch die
                    Thromben bei Patienten mit kardiogenem                        Embolie anzeigen. Eine frühzeitige Entlassung
                    Schock so rasch wie möglich aufgelöst werden                  (binnen 48 Stunden) und eine anschließende
                    (Thrombolyse). Dies geschieht in Form einer                   ambulante Behandlung kommen in Betracht,
                    aggressiven gerinnselauflösenden Therapie mit-                wenn der Patient nur ein niedriges Risiko für
                    tels Injektion in die Vene (systemische Throm-                frühe Komplikationen hat, wenn er nicht an
                    bolyse). Alternativ erfolgt eine Auflösung oder               schweren Begleiterkrankungen leidet, und
                    Absaugung mit dem Katheter (kathetergestützte                 wenn es keine Anzeichen für eine Rechtsherz-
                    Thrombolyse) oder auf operativem Wege (chir-                  belastung gibt. Es muss zudem sichergestellt
                    urgische Embolektomie). Bei stabilen Patienten                sein, dass sich der Patient zu Hause an die ärzt-

                                 EINE BESONDERE HERAUSFORDERUNG

     Die Diagnose einer akuten Lungenarterienem-                    te Lungenarterienembolie“ wahrscheinlicher ist
     bolie in der Schwangerschaft ist eine besondere                als jede andere Diagnose. Zusammen mit dem
     Herausforderung. Die ohnehin nicht sonderlich                  D-Dimer-Test erlaubt der YEARS-Algorithmus
                                                                    ­
     eindeutigen Symptome stellen sich in der Schwan-               eine zuverlässigere Einschätzung – bevor weitere
     gerschaft noch weniger deutlich dar. Auch der                  diagnostische Untersuchungen bei schwangeren
     D-Dimer-Test – ein Test, der Hinweise auf eine
     ­                                                              Patientinnen eingeleitet werden. Die definitive Be-
     akute Lungenarterienembolie geben kann – ist                   stätigung (oder der zuverlässige Ausschluss) einer
     während der Schwangerschaft alleine nur einge-                 akuten Lungenarterienembolie ist außerordentlich
     schränkt aussagekräftig. Aufgrund der Strahlen-                wichtig, weil Lungenarterienembolien die häufigs-
     exposition will man weder Mutter noch Kind einer               te Todesursache bei Schwangeren sind.            lh
     Computertomographie aussetzen – normalerwei-
     se der diagnostische Goldstandard, um eine akute               van der Hulle, T. et al. (2017): Simplified diagnostic manage-
     Lungenarterienembolie nachzuweisen.                            ment of suspected pulmonary embolism (the YEARS study):
        Hier kann der sogenannte YEARS-Algorithmus                  a prospective, multicentre, cohort study. The Lancet.
                                                                    doi: org/10.1016/S0140-6736(17)30885-1
     helfen. Er bezieht die Zeichen einer tiefen Venen-
                                                                    Hobohm, L. et al. (2020): Fatality rates and use of systemic
     thrombose sowie Bluthusten (Hämoptysen) unter                  thrombolysis in pregnant women with pulmonary embolism.
     der Voraussetzung ein, dass die Diagnose „aku-                 ESC heart failure. doi: 10.1002/ehf2.12775

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                                                    lich empfohlene Therapie hält und im Falle ei-            • wiederkehrenden Thrombosen,
                                                    ner Komplikation schnellen Zugang zur Akut-               • aktiver Krebserkrankung,
                                                    versorgung in einem Krankenhaus hat.                      • Antiphospholipid-Syndrom (eine Erkran-
                                                         Nach der Entlassung kann die blutgerin-              kung, bei der das Immunsystem Blutzellen
                                                    nungshemmende Behandlung binnen drei                      und Blutgefäße angreift).
                                                    Monaten beendet werden – sofern die akute
                                                    Lungen­arterienembolie durch einen der nach-           Nicht nur die akute Behandlung der Lungen-
                                                    folgenden Thromboserisikofaktoren ausgelöst            arterienembolie, auch die Nachbeobachtung
                                                    wurde:                                                 spielt eine wichtige Rolle. Denn der langfristige
                                                       • Operationen mit einer Narkosedauer von           Verlauf nach einer Lungenarterienembolie ist
                                                        mehr als 30 Minuten,                               – abhängig vom individuellen Risikoprofil und
                                                        • Bettlägerigkeit länger als drei Tage auf-       von den vorliegenden Grunderkrankungen –
                                                       grund einer akuten Erkrankung oder der              gekennzeichnet durch ein erhöhtes Risiko für
                                                       akuten Verschlimmerung einer chronischen            Komplikationen. Aus diesem Grund soll eine
                                                       Erkrankung,                                         Nachbeobachtung nach drei bis sechs Mona-
                                                       • schweres Trauma mit Knochenfrakturen,             ten erfolgen. Dabei erfragt der Arzt Hinweise
                                                       • Gips- oder sonstige blutflusshemmende
                                                                                                          auf eine wiederkehrende Lungenarterienembo-
                                                       Verbände.                                           lie, auf Blutungskomplikationen oder auf eine
                                                                                                           Krebserkrankung. Bei Symptomen und/oder
                                                                                                                                                                     Dr. Dr. Lukas
                                                    Eine unbefristete blutgerinnungshemmende               funktionellen Einschränkungen wird er weitere            ­Hobohm
                                                    Therapie hat nicht nur Vorteile, sie birgt auch        diagnostische Schritte einleiten.                         ist Facharzt für
                                                    das Risiko, gefährliche Blutungen zu erleiden.             Zu den Symptomen zählen etwa eine gleich-             Innere Medizin/
                                                    Das Risiko für Blutungen ist im ersten Monat           bleibende oder neu aufgetretene Luftnot,                  Kardiologie am
                                                                                                                                                                     Zentrum für
                                                    der Therapie erhöht, nimmt dann ab und bleibt          Leistungsminderung oder Beschwerden, die
                                                                                                                                                                     Kardiologie der
                                                    über die weitere Zeit hinweg stabil. Als typische      auf eine sogenannte chronisch thromboem-                  Universitäts­
                                                    Risikofaktoren für Blutungskomplikationen              bolische pulmonale Hypertension hindeuten,                medizin Mainz.
                                                    gelten ein Lebensalter über 75 Jahre, frühere          eine Langzeitfolge der akuten Lungenarterie-              Kontakt: lukas.
                                                                                                                                                                     hobohm@unimedi-
                                                    Blutungen oder Schlaganfall, aktive Krebs­             nembolie (siehe Beitrag ab Seite 20). Dann ist
                                                                                                                                                                     zin-mainz.de
                                                    erkrankungen, eine bereits länger bestehende           ein Herzultraschall angeraten, gegebenenfalls
                                                    (chronische) Niereninsuffizienz, eine ander-           kombiniert mit der Bestimmung spezieller
                                                    weitige blutverdünnende Therapie (Throm-               Laborwerte (natriuretische Peptide) oder mit
                                                    bozytenhemmung, beispielsweise mit Aspirin             einer Atemgasmessung unter körperlicher
                                                    oder Clopidogrel) oder eine schlecht kontrol-          Belastung (Spiroergometrie). Patienten mit
                                                                                                           ­
                                                    lierte Blutverdünnung.                                 Beschwerden und auffälligen Befunden sollten
                                                       Aktuell verschiebt sich die Therapieabwä-           in ein Zentrum überwiesen werden, das auf
                                                    gung zunehmend in die Richtung, die blutge-            die Behandlung von chronischen Langzeitfol-
                                                    rinnungshemmende Behandlung auf unbe-                  gen nach einer akuten Lungenarterienembolie
                                                                                                                                                                     Professor
                                                    stimmte Zeit zu verlängern. Dadurch soll das          ­spezialisiert ist.
Fotos: Universitätsmedizin Mainz / Peter Pukowski

                                                                                                                                                                     Dr. ­Stavros
                                                    Wiederauftreten von Thrombosen verhindert                                                                       ­Konstantinides
                                                    werden. Diese Tendenz ist vor allem durch das                                                                    ist ärztlicher
                                                                                                                                                                     Direktor des
                                                    verbesserte Sicherheitsprofil der neuen Me-            Literatur:
                                                                                                                                                                     CTH (Centrum
                                                    dikamente (neue orale Antikoagulanzien wie             Konstantinides, S. et al. (2019): The 2019 ESC Guide­     für Thrombose
                                                    Apixaban, Dabigatran, Edoxaban und Rivaro-             lines on the Diagnosis and Management of Acute            und Hämostase)
                                                    xaban) zur Blutverdünnung begründet.                   Pulmonary Embolism. European Heart Journal. doi:          der Universitäts­
                                                                                                           10.1093/eurheartj/ehz726                                  medizin Mainz.
                                                       Bei einigen Patienten ist eine verlängerte
                                                                                                                                                                     Kontakt: stavros.
                                                    Blutverdünnung (über die ersten drei bis sechs         Keller K., Hobohm Lt., et al. (2020): Trends in throm-
                                                                                                                                                                     konstantinides@
                                                                                                           bolytic treatment and outcomes of acute pulmonary
                                                    Monate hinaus) auf jeden Fall zu empfehlen –           embolism in Germany. European Heart Journal.              unimedizin-
                                                    und zwar für Patienten mit                             doi: 10.1093/eurheartj/ehz236                             mainz.de

                                                    H E R Z h e u t e 4 / 2 02 1                                                                                                     19
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