Fatigue - Schweizerische Multiple Sklerose ...
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Fatigue Über 80 % der von Multipler Sklerose betroffenen Personen leiden unter Fatigue, einer speziellen Form von Müdigkeit. Fatigue reduziert die körperliche und geistige Energie. Betroffene müssen sich diesem Zustand anpassen und ihren Alltag entspre- chend neu organisieren. Deshalb ist es hilfreich, alles Wichtige über die Fatigue und deren Ursachen zu wissen. Fatigue ist eine Form der Müdigkeit, die spezi- Das Wichtigste in Kürze fisch ist für Multiple Sklerose (MS). Sie unter- scheidet sich klar von der normalen Müdigkeit im Alltag. Die eigene Energie nimmt deutlich – Fatigue ist ein sehr häufiges Symptom bei ab, deshalb wirkt sich Fatigue auf alle Lebens- Multipler Sklerose. bereiche aus. Das Symptom kann einzeln oder in – Fatigue ist ein Mangel an körperlicher und Kombination mit anderen MS-Symptomen auf- treten. / oder mentaler Energie. – Für Angehörige und Aussenstehende ist Fatigue schwer erkennbar. Was ist Fatigue? – Es gibt Behandlungsmöglichkeiten und – «Auch nach zehn Stunden Schlaf bin ich mor- Strategien für den Alltag. gens so müde, dass ich kaum aufstehen kann.» – «Ich nehme auch für ein Stockwerk den Lift, um Kraft zu sparen. Ich merke, wie die Leute denken: Warum geht der nicht zu Fuss, so jung wie er ist?» – «Abends bin ich so erschöpft, dass ich nichts mehr unternehmen kann. Ich bin wütend und frustriert, weil ich als 30-Jährige lebe wie eine 80-jährige Frau.» – «Manchmal bin ich so müde, dass ich der Un- terhaltung nicht mehr folgen kann. Dann ver- suche ich, mich unauffällig zurückzuziehen.» Fatigue ist ein Symptom, das für Betroffene oft sehr schwierig zu handhaben ist. Das gewohnte Mass an Aktivitäten ist nicht mehr möglich, trotz aller Willenskraft. Fatigue zwingt sie dazu, alles langsamer anzugehen und Pause zu machen – ohne Rücksicht auf die persönlichen Umstände. Es gibt zwei Arten von Fatigue: Die motorische Fatigue beschreibt die Abnahme der körperli- chen Leistungsfähigkeit. Die kognitive Fatigue meint das Ermüden durch mentale Aktivitäten. Es gibt Betroffene, die nur an einer Form leiden, andere haben mit beiden zu kämpfen. MS–Info
Diese Einschränkungen entstehen nicht durch – Jahreszeit: Im Sommer ermüdet die Hitze, im einen Mangel an Fähigkeiten. Fatigue reduziert Winter der Lichtmangel. die Grundenergie, die ein Mensch zur Verfügung hat. – Tageszeit: Die Leistungsfähigkeit nimmt bei vielen Betroffenen gegen Abend deutlich ab. Fatigue ist ein subjektiv erlebter Mangel an – Körperliche Behinderung und Schmerzen: körperlicher und / oder mentaler Energie. Die Kompensation dieser Einschränkungen Dieser Energiemangel behindert Betroffene braucht zusätzlich Energie. in ihren alltäglichen Aktivitäten. Wenn vieles plötzlich nicht mehr möglich ist, leidet die Le- – Hirnleistungsstörungen: Die Kompensation bensqualität von Betroffenen und ihrer Ange- dieser Einschränkungen benötigt zusätzlich hörigen. mentale Ressourcen und Energie. – Medikamente: Müdigkeit kann eine Neben- Wie entsteht Fatigue? wirkung von Medikamenten sein. Fatigue ist eine Folge von komplexen, sich ge- – Ernährung: Schwer verdauliches Essen und genseitig beeinflussenden Prozessen. Es ist grosse Blutzuckerschwankungen ermüden. noch wenig darüber bekannt. Geforscht wird in zwei Richtungen: – Schlafstörungen: Faktoren wie Schmerzen, häufige Toilettengänge oder belastende Ge- Primäre Fatigue danken stören den normalen Schlafrhythmus. Zum einen wird untersucht, wie MS eine Fatigue direkt verursachen kann. Dazu erfassen For- – Depressive Episode: Eines der häufigsten scher bei Betroffenen verschiedene Punkte: die Symptome einer Depression ist eine schnelle- Veränderungen der Leitungsfähigkeit der Ner- re Ermüdbarkeit. venbahnen, der körpereigenen Botenstoffe und des Stoffwechsels. Zudem untersuchen Sie den – Druck durch Lebensumstände: Wenn zum Zusammenhang zwischen MS-bedingten Hirn- Beispiel am Arbeitsplatz weder Pausen noch veränderungen und der Ermüdung. Noch können Erholung möglich sind, nimmt Fatigue zu. diese Forschungsresultate nicht zu einer schlüs- sigen Erklärung zusammengesetzt werden. Es – Mangelnde Bewegung: Körperliche Untätig- ist zum Beispiel ungeklärt, ob für die motorische keit verstärkt Fatigue. und für die kognitive Fatigue vergleichbare Pro- zesse verantwortlich sind. Folgen der Fatigue Sekundäre Fatigue Zum anderen suchen Forscher nach Faktoren, Fatigue schränkt die verfügbare Energie eines die als Folge der MS indirekt zu grösserer Mü- Menschen ein. Das zuvor als normal empfun- digkeit führen. Es ist beispielsweise ermüdend, dene Mass an Aktivitäten ist nicht mehr mög- mit Sehstörungen zu lesen, weil das Hirn da- lich. Betroffene müssen sich einschränken und bei Zusatzarbeit leisten muss. Oder es macht Aktivitäten streichen. Aber wo am besten? Im zusätzlich müde, wenn die Nachtruhe durch Beruf? Im Freundeskreis? In der Familie? Es ist Schmerzen oder häufige Toilettengänge regel- nicht nur schwierig, den Alltag neu zu planen, mässig unterbrochen wird. Solche Folgen wer- sondern auch, ihn im privaten und beruflichen den als sekundäre Fatigue aufgeführt. Zu diesen Umfeld durchzusetzen. Betroffene müssen sich ermüdenden Faktoren gehören zum Beispiel: überall erklären: Dass sie ihre Berufstätigkeit re- duzieren müssen, dass der Mittagsschlaf Pflicht – Temperatur: Eine erhöhte Körpertemperatur geworden ist, dass sie abends zu müde sind um verlangsamt die Leistungsgeschwindigkeit Freunde zu treffen oder am Wochenende keine der Nerven und macht Betroffene müde. Velotour mit den Kindern machen können. MS–Info
Aussenstehende verstehen den Unterschied Diese Notizen braucht es sowohl für die Diag- zwischen alltäglicher Müdigkeit und MS-Fa- nose als auch für die Therapie von Fatigue. Zur tigue meist nicht auf Anhieb. Deshalb sagen Be- Therapie gehört neben regelmässiger Bewe- troffene manchmal lieber nichts, als sich ständig gung und individuell abgestimmter Medikation erklären zu müssen oder wiederholt auf Unver- vor allem ein bewusster Umgang mit der Ener- ständnis zu stossen. Dieses Verstummen erhöht gie, die dem Betroffenen zur Verfügung steht. den Leidensdruck jedoch zusätzlich. Das Tagebuch gibt Auskunft über Energieaus- gaben und Energieeinnahmen. So lernen Betrof- fene ihren Fatigue-Energiehaushalt kennen und können Prioritäten besser setzen oder Aktivitä- ten realistisch planen. Das tönt einfacher, als es ist: Es braucht Zeit, bis das neue Energieniveau im Körper als Norm gespeichert ist. Oft richten sich die Tages-, Wochen- und Monatspläne nach dem früheren und nicht nach dem momentanen Energieniveau. Regelmässige körperliche Bewegung reduziert Fatigue und ist bei der Therapie sehr wichtig. Die Wahl der Bewegungsart richtet sich nach den eigenen Möglichkeiten und Vorlieben. Zur medikamentösen Therapie verordnen Ärzte Substanzen, die stimulieren, oder Substanzen, die die Leitungsfähigkeit der Nerven verbessern. Welches Medikament nützt, ist individuell sehr verschieden. Zuletzt ist die Anpassung der Fak- Therapie der Fatigue toren wichtig, die die Fatigue beeinflussen. Jede Belastung, die wegfällt, spart Energie, die wie- Der erste Schritt zur Therapie von Fatigue ist das derum für anderes zur Verfügung steht. Erkennen und Benennen des Symptoms. Die Di- agnose stellen Ärzte, in erster Linie Neurologen und Neuropsychologen. Als Grundlage dafür Leben mit Fatigue dient die Beobachtung der Betroffenen und ihrer Angehörigen und sogenannte Fatigue-Skalen. Fatigue ist von aussen meistens nicht sichtbar. Das sind standardisierte Fragebögen, um die Betroffene und Angehörige müssen sie sichtbar Schwere und die Art der problematischen Berei- und verständlich machen. Das ist eine Kunst, che zu erfassen. Es lohnt sich darum, als betrof- die Übung braucht. Die sorgfältige Planung von fene Person ein Tagebuch zu führen und einige Aktivitäten und Pausen kann belasten. Das be- Punkte festzuhalten: richten sowohl Betroffene wie auch deren Ange- hörige. Beide müssen immer wieder von Neuem – Wann bin ich müde? Prioritäten festlegen oder herausfinden, was möglich ist und was nicht. Angehörige müssen – Wann bin ich wach und leistungsfähig? sich daran gewöhnen, gewisse Aktivitäten allei- ne zu unternehmen. «Geh nur!» – das kann für – Wann und unter welchen Umständen kann ich beide Seiten schwierig sein, weil man eigentlich Aufgaben am besten erledigen? gemeinsam gehen möchte. – Welche Art von Pausen sind erholsam und wel- che nicht? Standortgespräch – Was habe ich schon alles gestrichen, was für Betroffene oder Angehörige finden es oft hilf- mich eigentlich normal wäre? reich, Fatigue und deren Auswirkungen mit ei- MS–Info
ner Fachperson zu besprechen. Gemeinsam ist es einfacher, neue Strategien im Leben mit Fatigue zu entwerfen und deren Umsetzung zu diskutieren. Manchmal lohnt es sich, zu diesem Thema ein gemeinsames Gespräch mit dem Ar- beitgeber oder den Teamkollegen anzusetzen. Je besser sie verstehen, worum es bei Fatigue geht, umso eher können sie unterstützende Massnah- men mittragen. Die Schweizerische Multiple MS-Infoline Sklerose Gesellschaft bietet solche Gespräche an, das Beratungsteam steht Ihnen über die MS-Infoline kostenlos für telefonische oder per- 0844 674 636 Mo – Fr von 9.00 bis 13.00 Uhr sönliche Beratungen zur Verfügung. 07/2021 Schweizerische Multiple Sklerose Gesellschaft Josefstrasse 129, Postfach, 8031 Zürich T 043 444 43 43, PK 80-8274-9 info@multiplesklerose.ch, multiplesklerose.ch
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