Legionellen in der Trinkwasserinstallation - Verfasser: Wilfried Ebster

 
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Legionellen in der Trinkwasserinstallation - Verfasser: Wilfried Ebster
Legionellen in der
Trinkwasserinstallation
Verfasser: Wilfried Ebster
Legionellen in der Trinkwasserinstallation - Verfasser: Wilfried Ebster
Legionellen in der Trinkwasserinstallation - Verfasser: Wilfried Ebster
Vorwort 3

Trinkwasser ist eines der wichtigsten
Lebensmittel für den Menschen
Jeder, der mit der Gewinnung, Verteilung oder Verwen-         gesucht. Sie haben sich seit 7 Jahren eingehend mit den
dung dieses Gutes befasst ist, hat deshalb strenge Gesetze,   auf dem Markt befindlichen Herstellersystemen aus-
Verordnungen und Regelwerke zu beachten, um Schaden           einandergesetzt und die bei der GEWOFAG entwickelte
an Leib und Leben zu verhindern.                              Problemlösung in Versuchsanlagen erprobt.
   Tatsache ist, dass sich unter bestimmten Vorausset-           Das Entwicklungsziel war von Anfang an darauf ge-
zungen in Trinkwasserinstallationen Legionellen an-           richtet, die Schutzmaßnahmen nicht nur auf Neuanlagen
siedeln und vermehren können. In der Literatur wird           zu beschränken. Auch in bestehenden Anlagen sollte die
berichtet, dass in Deutschland jährlich etwa 6.000 bis        GEWOFAG-Legionellenschaltung problemlos und ohne
10.000 Menschen an einer Legionellen-Pneumonie er-            großen Aufwand nachgerüstet werden können.
kranken, wobei über 1.000 Todesfälle zu verzeichnen              Die vorliegende Druckschrift bietet einen umfassen-
sind [20].                                                    den Überblick über die Problematik der Legionellen in
   Hotels, Krankenhäuser, Altenheime, aber auch die           der Trinkwasserinstallation und über die Funktions- und
Wohnungswirtschaft sehen sich mehr und mehr mit               Wirkungsweise der GEWOFAG-Legionellenschaltung,
der Problematik der Legionellen in Rohrleitungen kon-         für die als kostengünstige, fast wartungsfreie Anlage
frontiert, denn an den Entnahmestellen muss Wasser            zwischenzeitlich für die Bundesrepublik Deutschland
jederzeit in hygienisch einwandfreiem Zustand zur Ver-        und die USA Patente erteilt wurden.
fügung stehen.
   Von der Industrie werden derzeit Apparate zur Ver-
minderung des Legionellenwachstums angeboten, deren
Beschaffung für die Wohnungsgesellschaften und
-genossenschaften sehr kostenaufwendig wäre.                    Dipl.-Ing. Otmar Petz,
   Mitarbeiter der GEWOFAG – unter der Federführung             Technischer Vorstand GEWOFAG
von Herrn Ebster – haben deshalb nach einer kosten-
günstigen und wirkungsvollen Lösung des Problems                München, November 2004
Legionellen in der Trinkwasserinstallation - Verfasser: Wilfried Ebster
4 Inhalt

1       Gesetzliche Grundlagen                 6   3       Möglichkeiten zur Verminderung
                                                           bzw. Vermeidung einer
1.1     Gesetz zur Verhütung und Bekämp-                   Kontamination mit Legionellen        18
        fung von Infektionskrankheiten beim
        Menschen (Infektionsschutzgesetz –         3.1     Desinfektion                         18
        IfSG 2000) (Auszug)                    6
                                                   3.1.1   Chlorung                             18
1.2     Verordnung über die Qualität von
        Wasser für den menschlichen                3.1.2   Physikalische Verfahren              19
        Gebrauch (Trinkwasserverordnung –
        TrinkwV 2001) (Auszug)                 6   3.1.3   Temperaturverhalten von
                                                           Legionellen                          19

2       Grundlegendes über Legionellen        10   3.1.4   Permanenttemperatur oder
                                                           Haltetemperatur                      19
2.1     Historie                              10
                                                   3.1.5   Thermische Desinfektion              20
2.2     Was sind Legionellen?                 11

2.2.1   Beschreibung von Biofilmen in              4       Regelwerke                           22
        Wasserversorgungsanlagen              11
                                                   4.1     VDI 6023 „Hygienebewusste Planung,
2.2.2   Züchtung von Legionellen              14           Ausführung, Betrieb und Instand-
                                                           haltung von Trinkwasseranlagen“
2.2.3   Besondere Fähigkeiten von Legionellen 14           (Auszug)                           22

2.2.4   Legionellen in technischen Systemen   15   4.2     DVGW-Arbeitsblatt W 551 „Trinkwasser-
                                                           erwärmungs- und Leitungsanlagen;
2.2.5   Intrazelluläre Vermehrung von                      Technische Maßnahmen zur Verminde-
        Legionellen in Protozoen (Amöben)                  rung des Legionellenwachstums“
        und Makrophagen (Fresszellen des                   (Auszug)                              23
        menschlichen Abwehrsystems)           15
                                                   4.3     DVGW-Arbeitsblatt W 553 „Bemessung
2.2.6   Infektion des Menschen mit                         von Zirkulationssystemen in zentralen
        Legionellen und die Risikofaktoren    16           Trinkwassererwärmungsanlagen“
                                                           (Auszug)                              25
2.2.7   Behandlung an Legionellose
        erkrankter Menschen                   17   4.3.1   Hydraulischer Abgleich               26
Legionellen in der Trinkwasserinstallation - Verfasser: Wilfried Ebster
Inhalt 5

5       GEWOFAG-Legionellenschaltung           28    7.4.1.1 Kleiner Kreislauf; Desinfektion des
                                                             Trinkwassererwärmers mit 65°C mit
5.1     Aufbau                                 30            jederzeitiger Entnahmemöglichkeit
                                                             durch Nutzer                           43
5.2     Funktionsprinzip                       30
                                                     7.4.1.2 Großer Anlagenkreislauf;
5.3     Beispiel einer ausgeführten Anlage     32            Trinkwarmwasser-Normalbetrieb          43

                                                     7.4.2   Technische Maßnahmen                   44
6       Patentschriften                        34
                                                     7.4.2.1 Zentrale thermische Mischventile       44

7       Maßnahmen für                                7.4.2.2 Dezentrale thermische Mischbatterien   44
        den gefahrlosen Betrieb                36
                                                     7.4.2.3 Einhebelmischbatterien mit
7.1     Unbenutzte Rohrleitungsabschnitte /                  mechanischer Begrenzung                44
        Stagnation                             36

7.2     Korrosionsrisiko der Rohrleitungen     37    8       Verzeichnisse und Impressum            46

7.2.1   DIN 50930-3 „Korrosion metallischer          8.1     Literaturverzeichnis                   46
        Werkstoffe im Innern von Rohr-
        leitungen, Behältern und Apparaten           8.2     Weitere Literaturhinweise              47
        bei Korrosionsbelastung durch Wässer;
        Beurteilung der Korrosionswahr-              8.3     Abbildungsverzeichnis                  48
        scheinlichkeit feuerverzinkter Eisen-
        werkstoffe“ (Auszug)                  37     8.4     Tabellenverzeichnis                    50

7.2.1.1 Korrosionserscheinungen                37    8.5     Impressum                              50

7.2.1.2 Einfluss von Konstruktion, Verarbeitung
        und Betriebsbedingungen                 40

7.3     Ungenügende Wärmedämmung               41

7.4     Verbrühungsschutz                      43

7.4.1   Organisatorische Maßnahmen             43
Legionellen in der Trinkwasserinstallation - Verfasser: Wilfried Ebster
6 Gesetzliche Grundlagen

1 Gesetzliche Grundlagen

1.1 Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung                     Unter Trinkwasser im Sinne der Trinkwasserverordnung
von Infektionskrankheiten beim Menschen                     versteht man Wasser, das zum Kochen, zur Zubereitung
(Infektionsschutzgesetz – IfSG 2000, Auszug)                von Speisen und Getränken, zur Körperpflege und -reini-
                                                            gung, zur Reinigung von Gegenständen, die bestim-
Das Infektionsschutzgesetz [41], das am 01.01.2001 in       mungsgemäß mit Lebensmitteln in Berührung kommen
Kraft trat, soll die Infektion von Menschen mit Krank-      und zur Reinigung von Gegenständen, die bestimmungs-
heitserregern verhindern (IfSG § 1 (1)). Zu den melde-      gemäß nicht nur vorübergehend mit dem menschlichen
pflichtigen Krankheitserregern zählen beispielsweise        Körper in Kontakt kommen, verwendet wird.
die Erreger von Cholera, Milzbrand, Typhus, Pest,              Wasserversorgungsanlagen sind alle Anlagen, ein-
Ebola, Gelbfieber und neuerdings auch Legionellen           schließlich des Leitungsnetzes und Wassererwärmers,
(IfSG §§ 6, 7).                                             die Trinkwasser von der Trinkwasserquelle bis hin zur
    Bei Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krank-        Entnahmestelle des Verbrauchers transportieren. Die
heiten können auch Grundrechte, wie beispielsweise das      Anlagen können dabei unterteilt werden in:
Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13
Abs. 1 GG), oder das Recht der Freiheit einer Person        ■ Wasserversorgungsanlagen im Verantwortungsbereich
(Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 GG), z.B. durch Quarantäne,          des Wasserversorgungsunternehmens (WVU). Sie
eingeschränkt werden (u.a. IfSG §§ 16 und 30).                erstrecken sich von der Trinkwasserquelle über
    Die Anforderungen, die an Wasser für den mensch-          etwaige Aufbereitungsanlagen bis hin zum Haupt-
lichen Gebrauch zu stellen sind, regelt u.a. § 37 IfSG:       wasserzähler in einem Gebäude.
„Wasser für den menschlichen Gebrauch muss so beschaf-      ■ Wasserversorgungsanlagen innerhalb eines Gebäu-
fen sein, dass durch seinen Genuss oder Gebrauch eine         des, im Verantwortungsbereich des Hauseigentümers.
Schädigung der menschlichen Gesundheit, insbesondere          Sie erstrecken sich vom Hauptwasserzähler bis zu
durch Krankheitserreger, nicht zu besorgen ist.“              einem Wohnungswasserzähler bei Mehrfamilien-
    Mit § 38 Abs. 1 IfSG wird auf die Trinkwasserver-         häusern bzw. bis zur Entnahmestelle bei selbstge-
ordnung – TrinkwV – verwiesen, die die dazu nötigen           nutzten Einfamilienhäusern. Bei Wohnungsleerstand
Anforderungen an das Trinkwasser regelt.                      in Mehrfamilienhäusern erweitert sich der Verant-
    Zuwiderhandlungen gegen das Infektionsschutz-             wortungsbereich des Hauseigentümers bis zu den
gesetz können mit einer Geldbuße bis zu 25.000 € bei          Entnahmestellen in leerstehenden Wohnungen.
Ordnungswidrigkeiten (vorsätzlicher oder fahrlässiger       ■ Wasserversorgungsanlagen innerhalb einer Wohnung
Verstoß gegen das IfSG) oder mit einer Gefängnisstrafe        in einem Mehrfamilienhaus im Verantwortungs-
bis zu 5 Jahren bei Straftaten (vorsätzlicher Verstoß         bereich des Wohnungsnutzers. Sie erstrecken sich
gegen das IfSG mit Verbreitung von im IfSG genannten          vom Wohnungswasserzähler bis zur Entnahmestelle.
Krankheitserregern) geahndet werden.                          Der Nutzer ist im eigenen Gesundheitsinteresse ver-
                                                              pflichtet, bei Betriebsunterbrechungen aufgrund
                                                              längerer Abwesenheit (> 3 Tage) Vorsorgemaßnah-
1.2 Verordnung über die Qualität von Wasser                   men zur Vermeidung eines gesundheitsgefährden-
für den menschlichen Gebrauch                                 den Legionellenwachstums zu treffen ([40] bzw.
(Trinkwasserverordnung – TrinkwV 2001, Auszug)                Kapitel 7.1).

Die neue Trinkwasserverordnung [42] trat am 01.01.2003      Das gesundheitsbewusste Verhalten des Wohnungsnut-
in Kraft und soll die menschliche Gesundheit vor den        zers setzt voraus, dass ihm eine verpflichtende Anleitung
nachteiligen Einflüssen, die sich aus der Verunreini-       zum Betrieb der Wohnungstrinkwasseranlage ausgehän-
gung von Trinkwasser ergeben, durch Gewährleistung          digt wird.
seiner Genusstauglichkeit und Reinheit ... schützen            Dass Trinkwasser frei von Krankheitserregern, genuss-
(TrinkwV § 1).                                              tauglich und rein ist, gilt als erfüllt, wenn bei der Wasser-
   Sie erfasst erstmals auch die Wasserversorgungsanlagen   gewinnung, der Wasseraufbereitung und der Verteilung
innerhalb des Gebäudes bis zur letzten Entnahmestelle.      die allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten
Legionellen in der Trinkwasserinstallation - Verfasser: Wilfried Ebster
Gesetzliche Grundlagen 7

Abb.1 | Aufteilung der Verantwortungsbereiche
Legionellen in der Trinkwasserinstallation - Verfasser: Wilfried Ebster
8 Gesetzliche Grundlagen

werden und das Wasser den Anforderungen der §§ 5           wenn die anerkannten Regeln der Technik eingehalten
bis 7 TrinkwV entspricht (§ 4 (1) TrinkwV).                werden.
    Dazu dürfen Krankheitserreger im Sinne des § 2 (1)         Trinkwasseranlagen dürfen nicht mit Nichttrink-
Infektionsschutzgesetz nicht in Konzentrationen ent-       wasseranlagen verbunden werden. Die Leitungen unter-
halten sein, die eine Schädigung der menschlichen Ge-      schiedlicher Versorgungssysteme müssen beim Einbau
sundheit besorgen lassen sowie die in den Anlagen zur      dauerhaft unterschiedlich farblich gekennzeichnet wer-
TrinkwV festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten        den. Entnahmestellen von Nichttrinkwasser müssen
(§§ 5, 6 und 7 TrinkwV).                                   ebenfalls dauerhaft als solche gekennzeichnet werden
    Die festgesetzten Grenzwerte müssen an den Stellen     (§ 17 TrinkwV).
eingehalten werden, die der Entnahme von Trinkwasser           Für die Überwachung von Anlagen, aus denen
dienen, beispielsweise an den Entnahmestellen (Aus-        Wasser bereitgestellt wird, das für die Öffentlichkeit
laufarmaturen) im häuslichen Bereich.                      bestimmt ist, ist das Gesundheitsamt zuständig (§ 18
    Werden die Grenzwerte nicht eingehalten, müssen        (1) TrinkwV).
die kontaminierten Anlagen unverzüglich saniert wer-           Die Beauftragten des Gesundheitsamtes sind befugt,
den. Das Gesundheitsamt kann zudem anordnen, dass          zur Verhütung drohender Gefahren Grundstücke, Räu-
die betreffenden Anlagen stillgelegt werden, wenn eine     me und Einrichtungen auch außerhalb der üblichen
Gefährdung der menschlichen Gesundheit zu befürch-         Betriebs- oder Geschäftszeiten zu betreten, auch wenn
ten ist (§ 9 TrinkwV).                                     sie zugleich Wohnzwecken dienen. Das Grundrecht der
    Zur Aufbereitung des Trinkwassers dürfen nur           Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 (1) GG)
vom Bundesministerium für Gesundheit zugelassene           wird insoweit eingeschränkt.
Stoffe und Verfahren angewandt werden (§ 11 (1)                Zu den zur Verfügung stehenden Unterlagen gehö-
TrinkwV).                                                  ren neben Untersuchungsprotokollen auch die dem
    Wenn aus einer Wasserversorgungsanlage Wasser          neuesten Stand entsprechenden technischen Pläne der
für die Öffentlichkeit abgegeben wird, beispielsweise in   Wasserversorgungsanlage (§ 18 (2) TrinkwV).
Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern, Gaststätten,            Die Eigentümer und Betreiber einer Wasserver-
Hotels, Mehrfamilienhäusern oder sonstigen Gemein-         sorgungsanlage (auch die Mieter!) sind verpflichtet,
schaftseinrichtungen, müssen die Errichtung, die In-       die die Überwachung durchführenden Personen bei
betriebnahme, bauliche Veränderungen, Stilllegungen        der Erfüllung ihrer Aufgabe zu unterstützen (§ 18 (3)
und Wiederinbetriebnahmen dem Gesundheitsamt               TrinkwV).
gemeldet werden (§ 13 TrinkwV).                                Zuwiderhandlungen werden nach den §§ 73 bis 75
    Anlagen, die zur Entnahme oder Abgabe von Nicht-       des Infektionsschutzgesetzes geahndet, Ordnungswid-
trinkwasser bestimmt sind und die im Haushalt zusätz-      rigkeiten mit bis zu 25.000 € Bußgeld und Straftaten
lich zu Trinkwasseranlagen installiert werden, wie bei-    mit bis zu 5 Jahren Gefängnis.
spielsweise Regenwasseranlagen, müssen der zuständigen         Eine Straftat begeht, wer vorsätzlich oder fahrlässig
Behörde bei Inbetriebnahme gemeldet werden. Soweit         Nichttrinkwasser als Trinkwasser für die Öffentlichkeit
solche Anlagen bereits betrieben werden, ist die Anzeige   zur Verfügung stellt oder abgibt (§ 24 (1) TrinkwV).
unverzüglich vorzunehmen (§ 13 (3) TrinkwV).                   Ordnungswidrig handelt (§ 25 TrinkwV), wer vor-
    Betreiber von Hausinstallationen haben das Wasser      sätzlich oder fahrlässig u.a.
auf Anordnung der zuständigen Behörde oder bei
Kenntnis über mögliche Verunreinigungen des Trink-         ■ einer vollziehbaren Anordnung zuwiderhandelt.
wassers zu untersuchen oder untersuchen zu lassen          ■ eine Anzeige nicht, nicht richtig, nicht vollständig
und das Gesundheitsamt über diese Maßnahmen zu               oder nicht rechtzeitig erstattet.
informieren. Die Zugabe von etwaigen Aufbereitungs-        ■ eine Untersuchung oder Sofortmaßnahme nicht,
stoffen und deren Menge muss den betreffenden Ver-           nicht richtig, nicht vollständig, nicht rechtzeitig oder
brauchern (z.B. Mietern) unverzüglich durch Aushang          nicht in der vorgeschriebenen Weise durchführt oder
oder sonstige schriftliche Mitteilung bekannt gegeben        durchführen lässt.
werden (§§ 14 und 16 TrinkwV).                             ■ einen Aufbereitungsstoff oder dessen Menge im
    Für den Bau von Trinkwasseranlagen verwendete            Wasser nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht
Materialien (Rohrleitungen, Apparate etc.) dürfen keine      in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzei-
Stoffe in Konzentrationen abgeben, die die Eigenschaf-       tig bekannt gibt.
ten des Wassers als Trinkwasser beispielsweise durch       ■ die Beauftragten des Gesundheitsamtes nicht unter-
Überschreiten von Grenzwerten oder durch Beeinträch-         stützt oder eine Auskunft nicht, nicht richtig, nicht
tigung des Geschmacks aufheben. Dies gilt als erfüllt,       vollständig oder nicht rechtzeitig erteilt.
Legionellen in der Trinkwasserinstallation - Verfasser: Wilfried Ebster
Gesetzliche Grundlagen 9
Legionellen in der Trinkwasserinstallation - Verfasser: Wilfried Ebster
10 Grundlegendes über Legionellen

2 Grundlegendes über Legionellen

2.1 Historie                                                       liegender Krankenhäuser, an den folgenden Tagen wur-
                                                                   den noch weitere 72 Erkrankungen gezählt. Alle hatten
Während der Zeit vom 21. bis zum 24. Juli 1976 kamen               sich im Bellevue-Stratford oder in der unmittelbaren
etwa 4.400 Veteranen der „American Legion“ zu ihrem                Umgebung aufgehalten. Von diesen insgesamt 221 an
alljährlichen Treffen im Bellevue-Stratford-Hotel an der           Legionellose Erkrankten starben 34 trotz intensiver Pflege
Broad-Street in Philadelphia, Pennsylvania, USA, zusam-            und Behandlung mit Antibiotika.
men, um Kontakte und Freundschaften zu pflegen.                        In der folgenden Zeit wurde intensiv und mit immen-
    Doch bereits nach wenigen Tagen erkrankten einige              sen finanziellen Mitteln der amerikanischen Regierung
von ihnen mit Fieber und Husten und zeigten anschlie-              nach der Ursache dieser mysteriösen Krankheit geforscht.
ßend Symptome einer schweren Lungenentzündung                      Schließlich fand der Epidemiologe Joseph Mc’Dade in
unbekannter Ursache. Bereits 10 Tage später lagen 149              Abstrichpräparaten vom Lungengewebe Verstorbener
der Kongressteilnehmer auf den Intensivstationen um-               Bakterien, die sich in den folgenden Untersuchungen

 Tabelle 1 | Mikroorganismen

         Azellulär                          Prokaryonten                                        Eukaryoten

          Viren                               Bakterien                                Pilze                     Protozoen

 ■ Keine lebenden Zellen,   ■ Vollständige Zellen                            ■ Vollständige Zellen        Diese früher zu den „ein-
   lediglich „Bauplan“      ■ Eigener Stoffwechsel                           ■ Eigener Stoffwechsel       zelligen Tieren“ (daher
   (DNA, RNA)               ■ Selbständige Vermehrung (durch Teilung)        ■ Selbständige               auch der Name) gestellten
 ■ Dadurch kein Stoff-      ■ Genetische Information (DNA) nicht in            Vermehrung                 Organismen werden
   wechsel                    typischem, abgeteilten Zellkern, deshalb       ■ Genetische Information     heute den Mikroorganis-
 ■ Dadurch keine selb-        als „Prokaryonten“ bezeichnet.                   (DNA) in typischem,        men zugeordnet.
   ständige Vermehrung      ■ Bakterien können gelöste organische              von biologischer           ■ Eigener Stoffwechsel
   möglich                    Substanzen in (Bakterien-) Biomasse              Doppelmembran              ■ Eigene Vermehrung
 ■ Nur „Hülle“ mit            transformieren.                                  abgeteiltem Zellkern       ■ Zellkern mit DNA
   „Kontakt“-Molekülen      ■ Bakterien sind in unserer Umwelt für den         (= „Eukaryot“)             ■ Ernähren sich über-
 ■ Brauchen lebende           Abbau organischer Substanzen bis zu            ■ Als Einzelzellen (Hefe-      wiegend durch Auf-
   Zellen zur Vermehrung      den mineralischen Grundstoffen (Salzen)          pilze, eventuell Pseudo-     nahme und Verdauen
                              unerlässlich.                                    myzel) oder als aus          von Bakterien
                            ■ Bakterien sind für den Menschen lebens-          Fäden (Hyphen, aus         ■ Verbreitung im Umfeld
                              wichtig.                                         einzelnen Zellen zu-         des Menschen
                            ■ Ein ungeheuer kleiner Teil aller Bakterien       sammengesetzt, oder        ■ Vereinzelt pathogene
                              kann dem Menschen Schaden zufügen                schlauchförmige              Arten
                              (pathogen sein).                                 Riesenzellen ohne Ab-
                            ■ Nur ein sehr kleiner Anteil von den in unse-     teilungen) zusammen-
                              rer Umwelt vorhandenen Bakterien kann            gesetztes Pilzgeflecht
                              auf nährstoffreichen Nährmedien im mikro-        (Myzel) der sogenann-
                              biologischen Labor gezüchtet werden.             ten „Fadenpilze“.

                                                           Desinfektion

 Unter „Desinfektion“ versteht man das gezielte Abtöten von krankmachenden (pathogenen) Mikroorganismen. „Desinfektion“
 ist ein Begriff, der nur für Mikroorganismen gilt. „Desinfektion“ ist kein absoluter Vorgang, apathogene (harmlose) Mikro-
 organismen (z.B.: Sporenbildende Bakterien aus der Erde) können diese Maßnahme eventuell überdauern. „Desinfektions-
 mittel“ sind Stoffe mit denen eine Desinfektion erreicht werden kann. Mit physikalischen oder chemischen Verfahren wird eine
 „Desinfektion“ erreicht wenn:
 ■ Die Mindestkonzentration an allen Stellen, an denen desinfiziert werden soll, erreicht wird.
 ■ Die Mindesteinwirkzeit an eben diesen Stellen eingehalten wird.
 Die „Zugabe“ eines „Desinfektionsmittels“ ist noch keine „Desinfektion“!
Grundlegendes über Legionellen 11

tatsächlich als die Erreger dieser Erkrankung heraus-
stellten. [1]
    Im Gedenken an die verstorbenen „Legionäre“ der
„American Legion“ wurde das wegen des Hervorrufens
einer schweren Lungenentzündung sogenannte „lungen-
liebende“ Bakterium als „Legionella pneumophila“ wis-
senschaftlich registriert (gehört damit zur Familie der
„Legionellaceae“, einziges Genus „Legionella“, insgesamt
49 verschiedene Spezies mit > 60 Serogruppen). [2]
    Nach Bekanntwerden dieser neuentdeckten Bakterien-
art wurden nochmals einige andere, bisher ungeklärte
Fälle neu bearbeitet. Dabei ließ sich gesichert feststellen,
dass bereits im Jahre 1957 in Austin, Minnesota, USA,
78 Menschen an der „Legionärskrankheit“ erkrankten,
wovon 2 starben. Weiterhin wurden noch 81 Fälle aus
1965 in Washington D.C. und 10 Fälle aus 1973 in Beni-
dorm, Spanien, als von Legionellen ausgelöste Lungen-
entzündungen bestätigt. [3]                                     Abb. 2 | Typische Erscheinungsform von Legionella pneumo-
    Weitere 20 Erkrankungen, die bereits 1974 im Belle-         phila (SG1) nach 3 Tagen Wachstum auf Legionellen-Nährboden
vue-Stratford-Hotel, Philadelphia, auftraten, wurden            (G.V.P.C.) Markierung mit FITC, Fluoreszenzmikroskop, 860x.
                                                                © Tiefenbrunner
ebenfalls auf Legionellen zurückgeführt. Somit waren
dort bereits zwei Jahre früher legionellenbedingte Er-
krankungen ausgebrochen.                                       stoffbedarf durch die Aufnahme energiereicher organi-
    Das Bellevue-Stratford-Hotel wurde seit Auftreten          scher Substrate decken. Diese Aufnahme in die Bakte-
der Legionellen-Epidemie von Kunden gemieden und               rienzelle erfolgt ausschließlich durch aktives Durch-
zwischenzeitlich abgerissen. [4]                               schleusen von kleinen Stücken dieser zumeist großen
    Der bisher größte Ausbruch von Legionellose mit 240        organischen Moleküle durch die Zellmembrane. Die
Erkrankten fand 1999 in den Niederlanden („Blumen-             dazu notwendige Zerkleinerung großer Nährstoffmole-
schau-Epidemie“) statt, die mit 24% höchste Letalität          küle (Zucker, Fette, Proteine) erfolgt außerhalb des
(Verstorbene zu Anzahl Erkrankter) trat 1985 bei einer         Organismus durch spezielle, von dieser Zelle produzierte
Epidemie im Krankenhaus von Stafford (UK) auf. [5] [9]         und nach außen abgegebene Wirkstoffe (vergleichbar
                                                               „chemischen Scheren“). Dies ist auf nährstoffreichen
                                                               Nährmedien im Labor auch für einzelne Bakterien kein
2.2 Was sind Legionellen?                                      Problem, im extrem nährstoffarmen Milieu des Trink-
                                                               wassers (Wasser für den menschlichen Gebrauch) bei-
Legionellen sind Bakterien. Bakterien werden gemein-           spielsweise müssten jedoch von einer einzelnen Zelle
sam mit den drei weiteren großen Gruppen (Viren, Pilze,        viel zu viele dieser Wirkstoffe abgegeben werden, um
Protozoen) zu den „Mikroorganismen“ zusammenge-                ein Nährstoffmolekül zu erreichen. Einzelne frei lebende
fasst. Im Lichtmikroskop stellen sich Legionellen als          (planktonische) Bakterienzellen von Bakterienarten, die
sporenlose stäbchenförmige Zellen dar (Spore: Dauer-           wir im Labor auf Nährmedien züchten können, können
form bestimmter Bakterienspezies mit erhöhter Resis-           sich deshalb im Trinkwasser nicht vermehren. Sie ver-
tenz gegen physikalische oder chemische Einflüsse), die        mehren sich in wandständigen kolonieartigen Verbän-
bei der Färbung nach „Gram“ negativ erscheinen. Ihre           den, die ab 1992 im wissenschaftlichen Sprachgebrauch
Zellgröße kann stark schwanken. Auf den Legionellen-           allgemein als „Biofilme“ bezeichnet werden. [6]
Nährmedien bei der Vermehrung im Labor sind sie bis
etwa 2µ lang (0,2µ Durchmesser), können aber auch              2.2.1 Beschreibung von Biofilmen in
Riesenzellen bis 20µ Länge und 0,9µ Durchmesser aus-           Wasserversorgungsanlagen
bilden. Besonders klein sind sie in den Phagosomen
(Verdauungsbläschen) von Amöben bzw. anderen Pro-              Biofilme bestehen somit aus Bakterienzellen, die mit-
tozoen (0,2µ Länge). [4] (Abb. 2)                              einander in Verbindung stehen und vollständig oder
   Legionellen sind weder chemo- (Energie aus chemi-           teilweise in eine von diesen Zellen selbst produzierte
schen Reaktion, z.B. Knallgasbakterien) noch photoauto-        (extrazelluläre) polymere organische Masse aus Poly-
trophe Organismen und müssen deshalb ihren Nähr-               sacchariden (EPS) eingebettet sind (Tiefenbrunner et
12 Grundlegendes über Legionellen

al., 1997). Zumindest ein Teil dieser Strukturen ist für
Flüssigkeiten oder Gase durchlässig oder wird von Ka-
nälen durchzogen. Neben den Bakterienzellen können
auch abiotische Bestandteile (Kalk, Eisen usw.) als Par-
tikel in diese Strukturen eingebaut werden und dienen
als zusätzlicher mechanischer Schutz bzw. als Schutz
gegen chemische Einflüsse (z.B. drastische Verminde-
rung der Wirkung des „freien“ Chlors (DPD1)). Bio-
filme sind nie gleichmäßig ausgebildet und unterliegen
ständigen Veränderungen. Funktionsgemeinschaften
gleichartiger oder unterschiedlicher Bakterien in Bio-
filmen sind wesentlich leistungsfähiger als eine gleich-      Abb. 5 | Schematische Darstellung eines Biofilmes in nähr-
                                                              stoffarmem Trinkwasser. © Tiefenbrunner
artige Gruppe zusammengelagerter planktonischer
(einzelner) Zellen. Biofilme können typische Stoffwech-
selaktivitäten mit manchmal nachhaltigen Auswirkun-
gen, von Geruchsbildung bis zur Korrosion metallischer
Leitungsteile, zeigen [6]. Biofilme bieten Protozoen
(z.B.: Amöben) vor allem Nahrungsgrundlage aber
auch Schutz, wobei neben den vitalen Hauptformen-
Trophozoiten, die als Legionellenwirte dienen können
(siehe Abb. 3), immer auch wesentlich widerstands-

                                                              Abb. 6 | Dem Schema in Abbildung 5 vergleichbare Biofilm-
                                                              strukturen aus einer Trinkwasserleitung, Raster-Elektronen-
                                                              mikroskop, 2.000x. © Tiefenbrunner

 Abb. 3 | Acanthamöben (überwiegend Trophozoiten mit zwei
 Zysten) auf Nährmedium mit Futterbakterien (Klebsiellen).
 Lichtmikroskop, Phasenkontrast, 480x. © Tiefenbrunner

                                                              Abb. 7 | Biofilm aus einer Trinkwasserleitung (warm). Raster-
                                                              Elektronenmikroskop 10.000x. © Tiefenbrunner

                                                             fähigere Dauerformen (Zysten) die von Legionellen
                                                             nicht infiziert werden können (siehe Abb. 4), vorliegen.
                                                             Die Menge der für die Legionellenvermehrung in Frage
                                                             kommenden Protozoen hängt letztlich von ihrer Ernäh-
                                                             rungsgrundlage, den Biofilmen, ab. Eine Maßnahme,
                                                             die Biofilme als die Nahrungsgrundlage der Amöben-
 Abb. 4 | Zysten von Acanthamöben aus Speicherschlamm.       wirte zerstört, kann damit erfolgreich zur Bekämpfung
 Lichtmikroskop, Phasenkontrast, 480x. © Tiefenbrunner
                                                             der Legionellen eingesetzt werden.
Grundlegendes über Legionellen 13

 Abb. 8 | Einzelne Bakterien nach 4 Tagen in einer Trinkwasser-Stichleitung (35°C). Aufsicht, Confokales Lasermikroskop, 680x.
 © Tiefenbrunner

 Abb. 9 | Gleiche Probe wie Abbildung 8 aber um 90° gedreht. Bereits nach 4 Tagen in nährstoffarmen Trinkwasser ist eine räumliche
 Ausbildung dieser Mikrokolonien (beginnender Biofilm) erkennbar. Confokales Lasermikroskop, 680x. © Tiefenbrunner

Die räumliche Struktur von Biofilmen in Trinkwasser-
leitungen zeigt prinzipiell zwei deutlich unterscheidbare
Abschnitte, einen dünnen klar strukturierten Basisfilm
und einen locker ausgebildeten und wesentlich mächtige-
ren Oberflächenfilm. Der Oberflächenfilm ist teilweise
oder zur Gänze beweglich und kann zwischen hügel-,
säulen- oder pilzförmigen Strukturen aus Bakterienzel-
len und den von diesen Zellen produzierten Schleimen
(EPS) Hohlräume oder Bereiche mit deutlich geringerer
Dichte aufweisen. Neben (Stoff-)Diffusion im Bereich
der kompakten Strukturen ist durch diese Kanäle (Hohl-              Abb. 10 | Biofilmdetail mit sehr dichtem (alten) Basisfilm und
raumsysteme) aktiver Stofftransport möglich. Die Ab-                weiterwachsendem Oberflächenfilm (nur geringfügige EPS-
bildungen 5, 6 und 7 verdeutlichen den Aufbau eines                 Bedeckung der einzelnen Bakterienzellen). Raster-Elektronen-
                                                                    mikroskop, 10.000x, Prof. Ch. Pfaller. © Tiefenbrunner
bereits länger bestehenden Biofilmes. Die Struktur eines
vier Tage alten Biofilms auf einer glatten Glasoberfläche
(Flowzelle gespeist von einer zirkulierenden Edelstahl-
leitung der Versuchsanlage Thaur) ist in den Abbildun-
gen 9 und 10 dargestellt. Die mit dem Confocalen Laser-
mikroskop durchgeführte Untersuchung zeigt im oberen
Teil eine Gruppe kleiner einzelner Bakterienzellen in
Aufsicht. Im darunter liegenden Bildteil ist diese Stelle
um 90° gedreht und auf die x12 Ebene projiziert darge-
stellt und verdeutlicht, dass hier bereits räumliche EPS-
Strukturen bis zur zehnfachen Ausdehnung der Einzel-
zellen ausgebildet wurden. Wenn sich diese Anfänge zu
stabilen Mikrokolonien mit entsprechender Biomasse                  Abb. 11 | Massiver Biofilm mit ebenso massiven jüngeren
weiterentwickeln und letztlich in die massiven Verbände             „Aufwüchsen“. Raster-Elektronenmikroskop, 3.000x, Prof.
                                                                    Ch. Pfaller. © Tiefenbrunner
der in den Abbildungen 10 und 11 dargestellten Biofilme
14 Grundlegendes über Legionellen

                                                               übergehen wird die Entfernung dieser Gebilde bzw. die
                                                               Abtötung der darin eingebetteten Mikroorganismen
                                                               immer schwieriger und aufwändiger [7] [8] [18]. Die
                                                               Abbildungen 12, 13, 14 und 15 zeigen Biofilme in ver-
                                                               schiedenen Rohrleitungsmaterialien.

                                                               2.2.2 Züchtung von Legionellen

                                                               Legionellen können in dazu berechtigten bakteriologi-
                                                               schen Labors heute relativ einfach aus Wasserproben,
                                                               von Luftfiltern oder aus Schlämmen angezüchtet und
                                                               anschließend weitervermehrt werden. Die dazu verwen-
                                                               deten Nährmedien enthalten neben einer allgemeinen
                                                               Grundlage aus Hefeextrakt, Glycin, Ketoglutarat und
                                                               Eisenphosphat, L-Cystein, einen zur Legionellenvermeh-
                                                               rung unbedingt notwendigen Wachstumsfaktor. Eine
                                                               günstige Vermehrungstemperatur liegt zwischen 30°C
                                                               und 36°C, Wachstum wurde aber bereits zwischen 21°C
                                                               und 42°C nachgewiesen. Die Zeit zwischen zwei Zell-
                                                               teilungen unter optimalen Laborbedingungen wurde mit
                                                               1,5 bis 3 Stunden ermittelt, d.h., Legionellen wachsen
                                                               vergleichsweise langsam (das Darmbakterium E. coli
                                                               kann sich innerhalb von 15-20 min teilen) und müssen
                                                               viel länger als andere aus dem gleichen Umfeld stam-
                                                               mende Mikroorganismen bebrütet werden; 4 bis 5 Tage
                                                               bis zur Ausbildung sichtbarer Kolonien, 10 Tage um si-
                                                               cher das Wachstum ausschließen zu können. Um dabei
                                                               ein Überwachsen der sich entwickelnden Legionellen-
                                                               kolonien durch sogenannte „Begleitbakterien“ zu ver-
                                                               hindern, werden den Nährmedien zusätzlich Hemm-
                                                               stoffe (Cycloheximid, Vancomycin und Polymyxin B)
                                                               zugesetzt. Spezielle sporenbildende Bakterien sowie
                                                               verschiedene Pseudomonaden, darunter Stämme von
                                                               Pseudomonas aeruginosa, werden jedoch nicht oder
                                                               nicht ausreichend gehemmt (u.U. große abgerissene
                                                               Biofilmstücke) und können das Wachstum und damit
                                                               den Nachweis von Legionella species behindern. Dies
                                                               soll dem Techniker erklären, warum zusätzliche Maß-
                                                               nahmen wie Säurebehandlung (pH 2,2, 1-5 min) oder
                                                               Erwärmung (50°C, 30 min) als Vorbehandlung bei stark
                                                               mit Pseudomonaden kontaminierten Proben notwendig
                                                               sind oder warum aus mehreren parallelen 1 ml Ansätzen
                                                               (nach ISO 0,5 ml Ausstriche) u.U. mehr Legionellen
                                                               nachgewiesen werden können als aus der filtrierten
                                                               100 ml oder 1.000 ml Probe. [7]

                                                               2.2.3 Besondere Fähigkeiten von Legionellen
Von oben nach unten:                                           Legionellen haben die besondere Fähigkeit entwickelt,
Abb. 12 | Große innere Oberfläche (Biofilme) eines verzink-
ten Stahlrohres. Abb. 13 | Vergrößerung dieser Oberflächen     sich intrazellulär (innerhalb lebender Zellen) vermehren
(Biofilme) durch Eisenbakterien. Abb. 14 | Vergrößerung der    zu können. Diese Fähigkeit unterscheidet sie von allen
Innenoberfläche (Biofilme) eines hartgelöteten Kupferrohres.   anderen in unserer natürlichen Umwelt verbreiteten Bak-
Abb. 15 | Biofilme in einem PE-X-Rohr. © Tiefenbrunner
                                                               terien. Legionellen vermehren sich hier ausschließlich
Grundlegendes über Legionellen 15

                                                              keine erfolgreiche Weitergabe mit anschließender Wei-
                                                              tervermehrung erfolgt. Zudem sind nur etwa die Hälfte
  Acanthamoeba                                                aller Legionellen-Spezies überhaupt befähigt, sich in
                                                              Menschen zu vermehren (menschenpathogen).

  Hartmannella                                                2.2.5 Intrazelluläre Vermehrung von Legionellen
                                                              in Protozoen (Amöben) und Makrophagen
 Abb. 16 | Schematische Darstellung von typischen im Trink-   (Fresszellen des menschlichen Abwehrsystems)
 wasser vorkommenden Amöben. © Tiefenbrunner

                                                              Sowohl Amöben als auch die von weißen Blutkörper-
in Protozoen (einzellige Mikro-Organismen, die sich           chen abstammenden Makrophagen besitzen keine loka-
normalerweise durch Aufnahme und Verdauen von Bak-            lisierbaren Nahrungsaufnahmebereiche. Bakterien, die
terien ernähren (siehe Abb. 3 und 16)) und werden intra-      aktiv an die Zellaußenseite dieser Organismen angela-
zellulär mit diesen Organismen bzw. deren Dauerformen         gert werden, werden über den Mechanismus der Phago-
(Zysten, siehe Abb. 4) in Böden, Grund- und Oberflä-          zytose aufgenommen. Dabei zieht sich unterhalb der
chenwässern verbreitet [15] [16] [21]. Auf diesem Wege        Bakterien die Protozoen- bzw. Makrophagenoberfläche
gelangen sie auch in wasserführende technische Systeme.       immer tiefer ein, bis die vergleichsweise kleinen Bakte-
Breimann hatte bereits 1990 gezeigt [21], dass sich Legio-    rienzellen völlig im Inneren liegen. Danach schließt
nellen in natürlichen (Protozoen-haltigen) Trinkwasser-       sich die Protozoenoberfläche und die Bakterien sind in
proben vermehren konnten, nicht jedoch in denselben           einem Bläschen (Phagosom) eingeschlossen. Bei „nor-
Proben nach einer Filtration über 0,45 µ Filter. Andere       malen Futterbakterien“ würde jetzt ein weiteres kleines
amerikanische Wissenschaftler behaupten, dass sie Legio-      Bläschen (Lysosom) an das Phagosom andocken und
nellen in einer gemeinsamen Kultur mit Flavobacterium         Verdauungsenzyme abgeben. Nicht so bei Legionellen,
breve ohne L-Cystein Wuchsstoffzugabe züchten konn-           sie blocken alle Zerstörungsversuche ab und beginnen,
ten und vermuten, dass auch andere saprophytische Bak-        sich im von verschiedenen Zellstrukturen (darunter das
terien (die wir möglicherweise routinemäßig gar nicht         zelleigene Transportsystem ER) schützend umgebenen
züchten können) in technischen Systemen diesen Stoff          Phagosom zu vermehren. Die Legionellen vermehren
produzieren und damit Legionellen das Wachstum in Bak-        sich in dieser „replikativen Phase“ in Abhängigkeit von
teriengemeinschaften (Biofilmen) auch außerhalb von           der Umgebungstemperatur unterschiedlich schnell und
Protozoen ermöglichen [22]. Ein weiterer Nachweis für         zeigen eine relativ große unbewegliche Stäbchenform
diese Möglichkeit wurde jedoch bis heute nicht erbracht.      (1-2 µ). Die Eukaryontenzelle (Amöbe) sorgt dabei für
                                                              die Bereitstellung von Nährstoffen (ER) und vergrößert
2.2.4 Legionellen in technischen Systemen                     laufend das Phagosom. Die Abbildung 17 zeigt eine

Man darf sich nicht vorstellen, dass Legionellen den
neuen Lebensraum „technische Systeme in Großgebäu-
den“ aktiv in einer geplanten strategischen Aktion „er-
obert“ haben. Es ist sicherlich rein zufällig „passiert“,
und es ist auch keineswegs ein für sie günstiges System,
nicht vergleichbar mit ihren natürlichen Lebensräumen
(Oberflächenwässer, Grundwässer usw.). Es wird immer
wieder behauptet, dass das massive Auftreten von Legio-
nellen in Gebäuden im Zusammenhang mit Energie-
sparmaßnahmen und den damit verbundenen techni-
schen Änderungen, vor allem der Absenkung der Warm-
wassertemperaturen, steht. Dies könnte für Mittel- und
Nordeuropa zutreffen, in mediterranen Bereichen (Süd-
europa) hat sich z.B. bei den Warmwassertemperaturen
in den Sommermonaten wohl kaum etwas verändert.
[9] [10] [11] [17] [29]
    Der Mensch ist für Legionellen sicherlich ein „Fehl-       Abb. 17 | Ultradünnschnitt einer Acanthamöbe mit unterschied-
wirt“ der das plötzliche Ende ihrer Verbreitung bedeutet,      lich großen Vakuolen, in denen sich Legionellen vermehren.
                                                               Elektronenmikroskop, 3.000x. © Tiefenbrunner
da von Mensch zu Mensch (im Gegensatz zu Protozoen)
16 Grundlegendes über Legionellen

elektronenmikroskopische Aufnahme eines Schnittes
durch eine Amöbe, die mehrere solcher Phagosome mit
sich vermehrenden (teilenden) Legionellen besitzt. Die
Abbildung 18 zeigt eine vergleichbare Aufnahme im
Lichtmikroskop. Sind die Vorräte der Wirtszelle an Nähr-
stoffen (vor allem an Aminosäuren) weitgehend auf-
gebraucht, bewirkt dies die Induktion des „virulenten
Phänotyps“, d.h. die Legionellen wechseln in die zweite,
die „virulente oder infektiöse Phase“. Die Bakterienzellen
sind in diesem Stadium kleiner, plumper und zeigen gut
erkennbare Bläschen mit Speicherstoffen (siehe Abb. 19).
Sie entwickeln ebenfalls Bewegungsorganellen (Geißeln),
mit denen sie sich bis zum Verbrauch der gespeicherten
Energie (ca. 12 h) aktiv fortbewegen können. Die Stra-         Abb. 18 | Mit sich massiv vermehrenden Legionellen (FITS-
tegie ist klar, sie bereiten sich darauf vor, die erschöpfte   markierte, gelb fluoreszierende Antikörper) infizierte Acanth-
Zelle zu verlassen und einen neuen Wirt aufzusuchen.           amöbe (mit Evans Blue rot angefärbt). Fluoreszenzmikroskop
                                                               mit UV- und Normallicht, 1.000x. © Tiefenbrunner
In dieser infektiösen Phase sind Legionellen weitge-
hend unempfindlich gegenüber osmotischen Schocks,
verschiedenen Bioziden bzw. Antibiotika und wirken
zytotoxisch [13] [14] [15] [16] [17]. Die Abbildung 20
zeigt die große Anzahl der aus einer Amöbe freigesetz-
ten Legionellen.

2.2.6 Infektion des Menschen mit Legionellen
und die Risikofaktoren

Für eine Infektion mit Legionellen sind zumindest drei
grundlegende Voraussetzungen erforderlich:

■ Eine Legionellenspezies, die für den Menschen
  pathogen ist.
■ Diese Bakterien müssen in einem aktiven
  (virulenten) Zustand sein.
■ Ein Mensch (Wirt), der die Infektion nicht                   Abb. 19 | Ultradünnschnitt einer Acanthamöbe mit großer, von
                                                               Legionellen erfüllter Vakuole. Virulenter Phänotyp, erkennbar
  verhindern kann.                                             an den Speicherkörperchen (durch Pfeile markiert). Elektronen-
                                                               mikroskop, 3.000x. © Tiefenbrunner
Es bestehen grundsätzlich zwei Arten der Erkrankung
durch Legionellen, die harmlose Form des Pontiac-Fie-
bers und die schwere Verlaufsform der Legionellose.
[19] [20]
   Das Krankheitsbild des Pontiac-Fiebers ist dem eines
grippalen Infekts ähnlich, tritt nach einer kurzen Inku-
bationszeit (Zeit zwischen Aufnahme der Erreger und
Ausbruch der Erkrankung, ab 36 h) auf und klingt nach
3 bis 4 Tagen ohne Behandlung ab. Die Erkrankungs-
wahrscheinlichkeit ist vergleichsweise hoch, die Letalität
null. Möglicherweise gehen unzählige Fehlstunden am
Arbeitsplatz (schätzungsweise bis zu 20.000 Erkrankun-
gen pro Jahr) auf das Konto dieser Erkrankung. Beson-
ders auffällig ist, dass trotz der Ausbildung von nachweis-
baren Antikörpern gegen Legionellen von am Pontiac-            Abb. 20 | Austreten der vermehrten Legionellen (FITC-Fluores-
Fieber Erkrankten der Erreger zumeist nicht gezüchtet          zenzantikörper markiert) aus einer zerstörten Amöbe (nicht
                                                               angefärbt). © Tiefenbrunner
werden konnte.
Grundlegendes über Legionellen 17

Typische Symptome einer Erkrankung an Pontiac-Fieber:         heitsbehörden ermöglicht, entsprechende Maßnahmen
                                                              nach den Epidemiegesetzen zu ergreifen (Legionellose
■   Hohes Fieber                                              ist eine meldepflichtige Erkrankung), d.h., Ursachen zu
■   Kopf-, Glieder- und Muskelschmerzen                       erkennen und gezielt beheben zu lassen. Typische Symp-
■   Übelkeit                                                  tome einer Legionellen-Pneumonie (Legionellose) sind:
■   Eventuell Durchfall
■   Teilweise Schüttelfrost                                   ■ Rasch extrem hohes Fieber
                                                              ■ Kopf-, Glieder- und Muskelschmerzen
Bei der schweren Verlaufsform weiß man, dass die Infek-       ■ Übelkeit, Durchfall, Schüttelfrost
tion durch Einatmen von mit Legionellen beladenen             ■ Husten, Atemnot
Aerosolen erfolgt. Legionellen, die bis in die Lungenbläs-    ■ Häufig Seh-, Hör-, Gleichgewichts- und
chen gelangen, werden vom menschlichen Abwehrsystem             Sprachstörungen
erkannt und bekämpft. Als erste „Immunantwort“ des Wir-       ■ Zumeist Nierenfunktionsschwäche
tes werden Fresszellen (weiße Blutkörperchen, Makro-            (auch Nierenversagen)
phagen) in die Alveolen entsandt, um die „Fremdkörper“        ■ Mögliche Atemlähmung
aufzunehmen und abzutransportieren bzw. zu verdauen.
Nach der Aufnahme von Legionellen passiert nun etwas          2.2.7 Behandlung an Legionellose
völlig Unerwartetes. Diese Bakterien lassen sich nicht        erkrankter Menschen
nur nicht verdauen, sondern vermehren sich relativ
schnell in den Fresszellen, wie sie es in ihren natürlichen   Ein Teil der Beschwerden wird hauptsächlich durch
Wirten, den Protozoen, generell (aber sicherlich lang-        Stoffwechselprodukte der Legionellen verursacht, wel-
samer) auch tun. Verschiedene epidemiologische Studien        che die Stoffwechselzentren des menschlichen Körpers
zeigen, dass eine kompetente Immunantwort eines ge-           (Leber, Nieren) schädigen. Deshalb ist es besonders
sunden Menschen jedoch ausreicht, um nicht an Legio-          wichtig, so rasch wie möglich mit der richtigen Anti-
nellose zu erkranken. [12] [23]                               biotikatherapie zu beginnen. Nach etwa drei Tagen sinkt
    Erkranken kann damit theoretisch jeder, die typische      bei unbehandelter oder falsch behandelter Legionellose
Zielgruppe der schweren Verlaufsform sind aber generell       die Überlebenschance dramatisch ab. [9]
ältere Menschen und solche, deren Abwehrmechanismen,              Früher wurden Legionellen-Pneumonien häufig mit
die normalerweise die Lunge vor Infektionen schützen,         anderen schweren Lungenentzündungen verwechselt,
geschädigt sind. Die dominanten Risikofaktoren sind:          die ähnliche Symptome aufzeigen. Dies kann gefährlich
                                                              sein, da bei Verabreichung von Betalactam Antibiotika
■ Rauchen                                                     (z.B.: Penicillin, Cephalosporin), gegen die Legionellen
■ extremer Alkoholkonsum                                      auf Grund der Bildung von Betalactamasen weitgehende
■ Emphyseme und andere chronische Lungenerkran-               Resistenzen zeigen, keine ausreichende Hemmung des
  kungen                                                      Legionellenwachstums erfolgt. In den Protokollen der
■ Iatrogene Immunsuppression (gezieltes Herabsetzen           im Bellevue-Stratford Hotel in Philadelphia an Legio-
  der Wirksamkeit oder gänzliches Ausschalten des             nellose Erkrankten zeigte z.B. die mit Penicillin behan-
  Immunsystems bei Transplantationen) einschließ-             delte Patientengruppe (man versuchte in Unkenntnis
  lich zytotoxischer Chemotherapie.                           des Erregertyps verschiedene Antibiotika bei Patienten-
                                                              gruppen gezielt einzusetzen) eine Sterbewahrschein-
Wenn eine Infektion nicht verhindert werden kann, ein         lichkeit von > 30%. [23]
Fall, der also äußerst selten vorkommt, tritt die Erkran-         Gute Erfolge erzielt man bei rechtzeitiger Anwendung
kung nach zwei bis zehn Tagen Inkubationszeit ein und         sogenannter Makrolid-Antibiotika (z.B.: Erytromycin,
verläuft noch immer bei > 10% der Erkrankten tödlich.         Rifampacin) in der für die Bekämpfung von Legionellen
Diese lange Inkubationszeit führt vor allem bei Touristen     erhöhten Konzentration. Zur Vermeidung nosokomialer
dazu, dass die Erkrankung z.T. erst nach Rückkehr aus         Legionellosen (im Krankenhaus erworbener Legionel-
dem Urlaubsland oder Weiterreise in ein anderes Land          losen) werden bei atypischen Pneumonien prinzipiell
eintritt bzw. erkannt wird. Die Kenntnis über Erkran-         und unmittelbar auch gegen Legionellen wirksame Anti-
kungen ausländischer Touristen wird im europäischen           biotika (zusätzlich) dem Erkrankten verabreicht. Eine
Legionellen-Netzwerk (EWGLINET) gesammelt und                 wesentliche Verbesserung der Diagnostik von Legionel-
dem jeweiligen Referenzlabor bzw. den jeweiligen Ge-          len (zeitmäßig) wurde durch die Harn-Antigen-Nach-
sundheitsbehörden der EU-Mitgliedsländer und auch             weismethode erreicht, mit der innerhalb von zwei Stun-
der Schweiz gemeldet. Dadurch wird es den Gesund-             den eine Bestätigung oder ein Ausschluss erfolgen kann.
18 Möglichkeiten zur Verminderung bzw. Vermeidung einer Kontamination mit Legionellen

3 Möglichkeiten zur Verminderung
bzw. Vermeidung einer Kontamination
mit Legionellen

3.1 Desinfektion                                           entgegenzuwirken [28]. Eine Hyperchlorung bedingt
                                                           immer eine (im Verhältnis zur thermischen Desinfek-
Unter „Desinfektion“ versteht man generell das gezielte    tion jedoch zumeist kürzere) Betriebssperre der Anlage
Abtöten von Krankheitserregern. Für die Praxis der         mit anschließendem sorgfältigem Spülen zur Wieder-
Trinkwasseruntersuchung heißt dies, dass in der Pro-       inbetriebnahme.
bemenge von 250 ml nach Desinfektion keine Krank-
heitserreger (bzw. Indikatororganismen) nachweisbar        Permanentchlorung
sein dürfen. Für industrielle Verfahren wurde definiert,   Darunter versteht man die Zugabe von desinfizierend
dass eine „Desinfektion“ dann nachgewiesen ist, wenn       wirkendem Chlor zur Aufrechterhaltung eines vorgege-
eine Abnahme der pathogenen Mikroorganismen um             benen Chlorüberschusses. Sofern vom Haustechniker
fünf Zehnerpotenzen erreicht wird.                         in Abstimmung mit der Gesundheitsbehörde keine hö-
    „Desinfektion“ ist kein absoluter Prozess (wie z.B.    heren Werte (z.B.: 0,6 mg/l) festgelegt werden, beträgt
die zur Sterilität (= völlig frei von vermehrungsfähigen   diese Konzentration 0,3 mg/l (DPD1). Die Permanent-
Mikroorganismen) führende Sterilisation); verschie-        chlorung erfordert eine kontinuierliche Überwachung
denste apathogene Mikroorganismen (z.B. sporenbil-         der Chlorkonzentration im behandelten System mit
dende Bakterien aus der Erde) können diese Maßnah-         einer ebenso sensiblen Dosiertechnik. Die nach heuti-
me überdauern.                                             gem Stand der Technik eleganteste Methode zur Perma-
    Für Trinkwassersysteme sind sowohl chemische als       nentchlorung von gebäudeinternen Trinkwasserinstal-
auch physikalische Maßnahmen zur Desinfektion ein-         lationen (Wasser für den menschlichen Gebrauch) ist
setzbar. Dabei muss nicht nur auf die Wirksamkeit ge-      die Erzeugung von Unterchloriger Säure (HOCl) aus
genüber planktonischen (einzelnen) Mikroorgansimen,        den im Trinkwasser enthaltenen Chloridionen durch
sondern vor allem auch auf in Biofilmen bzw. Biofilm-      Elektrolysezellen. Dieses auch „Elektrolytische Desin-
aggregaten (oder Protozoenwirten wie bei Legionellen)      fektion“ genannte Verfahren kann sowohl über die ZLT
vorhandene Pathogene geachtet werden. Bei der „che-        (Zentrale Leittechnik) des Gebäudes als auch über eine
mischen“ Desinfektion liegen derartige, auch gegen in      Modemverbindung vom Hersteller bzw. Servicebetrieb
Biofilmen oder Protozoenzysten eingeschlossene patho-      überwacht und eingestellt werden.
gene Mikroorganismen wirksame Konzentrationen um               Die Permanentchlorung bietet den Vorteil, vor Ort
mindestens eine, zumeist zwei Zehnerpotenzen über den      an verschiedenen Stellen des Systems durch die Messung
erlaubten Maximalwerten im Trinkwasser. Zur Desin-         des freien und gebundenen Chlors einen einfachen Über-
fektion von Trinkwasser sind derzeit Chlor (hauptsäch-     blick über die Verhältnisse innerhalb einzelner Rohr-
lich nicht als Gas sondern als Natrium- oder Calzium-      stränge zu erhalten. Eine Permanentchlorung erfordert
hypochlorit eingesetzt), Ozon und Chlordioxid zuge-        jedoch auf jeden Fall eine vorausgehende thermische
lassen. [5] [7] [24] [25] [26] [27]                        oder/und chemische Desinfektion, um nicht nur gegen
                                                           planktonische Bakterien sondern auch gegen den Auf-
3.1.1 Chlorung                                             bau von Biofilmen wirksam zu werden. Eine Permanent-
                                                           chlorung (0,3 mg/l) kann u.U. auch eingesetzt werden,
Hyperchlorung zur Inaktivierung von Biofilmen              um die Intervalle zwischen chemischen oder thermi-
Darunter versteht man eine kurzfristige Anwendung          schen Desinfektionen zu verlängern.
(„Schock-Chlorung“) mit (anorganischem) Chlor (Na-             Für Chlordioxid gelten ähnliche Überlegungen, wobei
trium- oder Calziumhypochlorit) bei Konzentrationen        von einzelnen Anbietern solcher Desinfektionssysteme
an freiem Chlor von 15 mg/l über 24 h oder 50 mg/l         auf eine u.U. geringere Konzentration bei der „Schock-
über 12 h im Kaltwasser. Bei Warmwasser ist der ver-       Behandlung“ und auf eine etwas geringere Metallkor-
stärkten Zehrung durch höhere Anfangskonzentrationen       rosion verwiesen wird (bisher jedoch ohne Nachweis).
Möglichkeiten zur Verminderung bzw. Vermeidung einer Kontamination mit Legionellen 19

Die Bildung von „Gebundenem Chlor“ bzw. AOX un-             Tabelle 2 | Legionellenreduktion in Abhängigkeit von
terbleibt.                                                  Temperatur und Zeit.
   Ozon ist zwar das stärkste Oxidationsmittel, hat aber
                                                            Temperatur [°C]             Zeit [min]             Wirkung
bei der Anwendung in mit Biofilmen kontaminierten
Rohrleitungen einen gravierenden Nachteil gegenüber                 55,0                   19          Reduktion der
Chlor bzw. Chlordioxid. Durch die extrem hohe Reak-                 57,5                    6      Legionellenanzahl um
tionsgeschwindigkeit und der (generell bei der Trink-
                                                                    60,0                   2        je eine 10er-Potenz
wasser- und Badewasseraufbereitung so wichtigen und
                                                                    70,0           einige Sekunden        (D-Wert)
hoch eingeschätzten) Unfähigkeit, ozonierte Substanzen
(vergleichbar chlorierten Substanzen, „Gebundenes
Chlor“) zu bilden, ist das Eindringen und Wirksam-
werden in massiven Biofilmen erschwert.                                             Serogruppe 4                 Serogruppe 6

   Allen angeführten Oxidationsmitteln ist gemein-             KBE / ML
sam, dass sie nicht nur auf Mikroorganismen einwir-          1010
ken, sondern, im Gegensatz zu anderen Desinfektions-         109                                              70°C
mitteln, die behandelten Strukturen auch weitgehend          108
                                                             107
abtragen.                                                    106
                                                             105
                                                             104
Ionisierung                                                  103
Dieses Verfahren (für das vor Ort keine direkte Mess-        102
methode existiert), über Elektroden Kupfer und Silber-       101
                                                             100
ionen in das Wasser abzugeben, ist derzeit nach Aussage
des UBA (Berlin/Bad-Elster) nach Widerruf der Aus-                   0              2                4           6 ZEIT / MIN
nahmegenehmigung in Deutschland nicht zulässig.
                                                               KBE / ML
3.1.2 Physikalische Verfahren                                1010
                                                             109                                              60°C
UV-Desinfektion                                              108
                                                             107
Der Unterschied der UV-Desinfektion zu allen anderen         106
hier aufgelisteten Verfahren ist die Beschränkung der        105
                                                             104
desinfizierenden Wirkung auf den Einbauort des Gerätes.      103
Hat das zu desinfizierende Wasser den Reaktorbehälter        102
verlassen, erfolgt keine weitere Einwirkung. Mikroorga-      101
                                                             100
nismen in partikulären Systemen (größere Biofilmstücke)
können von den UV-Strahlen zumeist nicht erreicht                    0        30           60            90     120 ZEIT / MIN
werden. Die UV-Desinfektion ist das Mittel der Wahl
                                                            Abb. 21 | Legionellenreduktion in Abhängigkeit von der Zeit
um planktonische (einzelne im Wasser transportierte)
                                                            bei 60°C und 70°C.
Mikroorganismen abzutöten und kann auch unmittel-
bar vor dem Verbrauch eingesetzt werden. Eine Wirk-
samkeit gegenüber pathogenen Mikroorganismen in            3.1.4 Permanent- oder Haltetemperartur
massiven Biofilmen ist nicht gegeben, d.h. es könnte
hier maximal von einer „UV-Behandlung“ und nicht           Bei einer Untersuchung des Warmwassers aus Hotel-
von „UV-Desinfektion“ gesprochen werden.                   betrieben in 103 europäischen Städten [17] wurden erst
                                                           ab einer Systemtemperatur von > 55°C keine Legionellen
3.1.3 Temperaturverhalten von Legionellen                  mehr nachgewiesen, wie die aus diesen Untersuchungs-
                                                           ergebnissen zusammengestellte Abbildung 22 (siehe
Tabelle 2 und Abb. 21 zeigen das Temperaturverhalten       nachfolgende Seite) sehr klar zeigt. Das heute als Vor-
planktonischer (nicht in Biofilmen oder Amöben aggre-      aussetzung für die Vermeidung einer Kontamination von
gierter, einzelner) Legionellen.                           Trinkwarmwasserleitungen mit Legionellen zugrunde
   Ab einer Temperatur von ca. 55°C beginnen Legio-        gelegte Temperaturregime sieht ≥ 60°C am Austritt des
nellen abzusterben und zwar je schneller, je höher die     Speichers und ≥ 55°C am Eintritt der Zirkulationslei-
Temperatur. Die Temperatur-Zeit-Paarungen sind nach        tung in den Speicher vor (siehe Abschnitt 4, Regelwerke,
[9] [26] etwa folgende:                                    W551). Es wird dabei über (theoretisch) den gesamten
20 Möglichkeiten zur Verminderung bzw. Vermeidung einer Kontamination mit Legionellen

                                                                       Ergebnisse dieser Versuche zeigen eine völlig unerwartet
                                             Legionellen positiv (%)
                                                                       hohe Widerstandsfähigkeit der Amöbenzysten gegen-
                                                                100
 100                                                                   über Warmwassertemperaturen. Bei 10% aller eingesetz-
                                                                80     ten Stämme war nach 1,5-stündiger Einwirkung von
  80                                                                   60°C eine Kultur von Trophozoiten aus den exponierten
                                                                60
  60
                                                                       Zysten möglich. Bei 55°C betrug dieser Zeitraum bereits
                                                                40     acht Stunden und bei 50°C Warmwassertemperatur
  40                                                                   waren nach 24 Stunden noch 50% der Zysten anzücht-
                                                                20     bar. Die Versuche bei 47°C Expositionstemperatur wur-
  20
                                                                0
                                                                       den nach 48 Stunden und einer Anzüchtungsrate von
   0                                                                   > 80% abgebrochen.
       35    40    45      50       55      60      65    70
       Wassertemperatur (°C)
                                                                          Diese umfassenden Untersuchungen waren auch die
                                                                       wissenschaftliche Grundlage für die Temperaturfestle-
 Abb. 22 | Prozentangaben Legionella-positiver Trinkwasser-            gung zur thermischen Desinfektion (> 70°C, 3-5 min).
 proben (warm) in Abhängigkeit von der Systemtemperatur in
 Großgebäuden aus 103 europäischen Städten. © Tiefenbrunner
                                                                       3.1.5 Thermische Desinfektion

Zeitraum ein Temperaturbereich im Trinkwarmwasser                      Die thermische Desinfektion, als kurzzeitige Einwirkung,
eingehalten, der ein Überleben von Mikroorganismen                     ist von der Permanent- oder Haltetemperatur (60 bis
verhindert.                                                            55°C) des Leitungssystems zur Verhinderung des Wachs-
    Kurzzeitige Absenkungen spielen dabei keine Rolle,                 tums von Mikroorganismen zu unterscheiden. Sie muss
da das gesamte System im Anschluss wieder auf die                      deshalb auch in einem Temperaturbereich von > 70°C
Haltetemperatur ansteigt. Im Gegensatz dazu sind                       und einer Einwirkzeit von mindestens 3 bis 5 Minuten
Systeme, die mit einer thermischen Desinfektion des                    an jeder einzelnen endständigen Zapfstelle erfolgen. Die
Trinkwarmwassers mit unmittelbar anschließender                        Erfahrungen haben gezeigt, dass die dafür erforderliche
Abkühlung auf mittelwarme Temperaturen (ca. 45°C)                      Heißwassermenge in Großgebäuden (auch abschnitts-
im Leitungssystem arbeiten, bei derartigen Absenkun-                   weise) kaum vorrätig gehalten werden kann. In Hotels,
gen, besonders jedoch bei Stillstandszeiten, Reparaturen               Schulen usw. können dafür Zwischensaison- bzw. Ferien-
usw. als problematisch zu bezeichnen.                                  zeiten ausgewählt werden, wobei die thermische Des-
    Die bei der europaweiten Legionellenstudie gleichzei-              infektion eines (unbewohnten) mittelgroßen Hotels
tig mit den Legionellen aus Warmwasserproben isolier-                  (150 bis 200 Betten) etwa eine Woche in Anspruch
ten Protozoen (Amöben) wurden auf ihre Temperatur-                     nimmt. Während einer thermischen Desinfektion ist
toleranz untersucht. Die in Abbildung 23 dargestellten                 der zwangsweisen Erwärmung des Kaltwassersystems
                                                                       durch verstärktes Spülen entgegenzuwirken. Mit einer
                                                                       thermischen Desinfektion ist immer auch ein weiter
                                             Temperaturtoleranz (%)
                                                                100
                                                                       erhöhtes Risiko von Verbrühungen gegeben, das weiter-
                                                                       gehende Sicherheitsmaßnahmen erfordert [29].
 100
                                                                75

  75
                                                                50

  50
                                                                25

  25
                                                                0
                                                           50°C
                                                        55°C
   0
                                                     60°C
       10 15 30 45 1   1,5 2    4   8    12 24 48
       Zeit (min/h)

 Abb. 23 | Temperaturtoleranz von Amöbenzysten, isoliert aus
 Großgebäuden. © Tiefenbrunner
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