Naturschutz und Naturparke - H 1632 F - Verein Naturschutzpark

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Naturschutz und Naturparke - H 1632 F - Verein Naturschutzpark
Naturschutz                                                 H 1632 F

und Naturparke
                                                         ISSN 0028-1018
Zeitschrift des Vereins Naturschutzpark e.V.   2. Ausgabe 2020 | Heft 247
Naturschutz und Naturparke - H 1632 F - Verein Naturschutzpark
Inhalt                                              Impressum

 1   Editorial (T. Kaiser)                          Herausgeber:
                                                    Verein Naturschutzpark e.V.,
                                                    Niederhaverbeck Nr. 7, 29646 Bispingen,
 2   Lupinen - Das weiße Gold des                   Telefon 0 51 98 / 98 24 30, Fax 0 51 98 / 98 24 361
     Öko-Landbaus (H. Brenken)                      Email: info@verein-naturschutzpark.de
                                                    Internet: www.verein-naturschutzpark.de
                                                    Redaktion: Julia Hallmann, Ina Wosnitza
 8   Wildvermarktung
                                                    Herstellung:
10   ÖkoKult – Ausgezeichnet! (H. Brenken)          v. Stern´sche Druckerei GmbH & Co. KG,
                                                    21337 Lüneburg
18   Zwei Dienstjubiläen beim VNP                   (gedruckt auf Bilderdruckpapier, bis zu 50 % Altpapier-
                                                    anteile, Rest aus chlorfrei gebleichten Primärfasern)

19   Aus der Schutzgebietsbetreuung                 NATURSCHUTZ UND NATURPARKE erscheint dreimal
                                                    im Jahr. Veröffentlichte Beiträge geben nicht zwangsläu-
20   Sommermelodie (D. Mertens)                     fig die Meinung der Redaktion oder des Vereins Natur-
                                                    schutzpark e.V. wieder. Unterzeichnete Beiträge geben
                                                    die Meinung des Verfassers wieder. Nicht gekennzeich-
26   Die Hofstelle Wilsede Nr. 4 (J. Buhr)          nete, die der Redaktion. Das Recht auf Kürzungen behält
                                                    sich die Redaktion vor. Für unverlangt eingesandte
32   Wölfe – wie viele haben wir und wie viele      Manuskripte und Fotos übernehmen Redaktion und VNP
     sind noch zu erwarten? (M. Pollok)             keine Verantwortung.

                                                    Fotos:
37 Position des VNP zum Wolf                        VNP-Archiv soweit nicht anders gekennzeichnet
                                                    © Verein Naturschutzpark 2020
38   Protokoll zur Ordentlichen Jahresmitglieder-   Printed in Germany * Inprimé en Allemagne.
                                                    Durch Einsenden von Fotografien und Zeichnun-
     versammlung                                    gen erklären sich Absender, Fotograf, Künstler und
                                                    ggf. abgebildete Personen mit der Veröffentlichung
46   Mitgliederwerbung und Aufnahmeantrag           einverstanden und stellen Redaktion, Herausgeber und
                                                    Verlag von Ansprüchen Dritter – insbesondere auch
                                                    abgebildeter Personen – frei. Die Zeitschrift und alle in
                                                    ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind
                                                    urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb
                                                    der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne
                                                    Zustimmung des Herausgebers unzulässig und strafbar.
Titelbild: Sonnenaufgang im Nebelmeer des           Das gilt insbesondere für Nachdrucke, Funk- und
                                                    Fernsehsendungen, Vervielfältigungen, Übersetzungen,
Totengrunds                                         Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verar-
                                                    beitung in elektronischen Systemen.

                                                    Beiträge:
                                                    Jährlich und gültig ab 1. Januar 2015
                                                    Einzelmitglieder:                               35 Euro
                                                    Ehepaare/Lebensgemeinschaften:                  55 Euro
                                                    Kinder u. Jugendliche in Ausb. bis 25 Jahre:    15 Euro
                                                    Familie einschl. Kinder bis 25 Jahre:           75 Euro
                                                    Körperschaften, Firmen:                        410 Euro
                                                    Einzelmitgliedschaft auf Lebenszeit: 1x mind. 520 Euro
                                                    Ehepaarmitgliedschaft auf Lebenszeit: 1x mind. 850 Euro

                                                    Der Bezugspreis für die Zeitschrift
                                                    NATURSCHUTZ UND NATURPARKE
                                                    ist im Mitgliedsbeitrag zum Verein Naturschutzpark e.V.
                                                    enthalten.

                                                    Unsere Konten:
                                                    Kreissparkasse Soltau
                                                    IBAN: DE58 2585 1660 0000 8642 64
                                                    BIC: NOLADE21 SOL

                                                    Volksbank Lüneburger Heide
                                                    IBAN: DE83 2406 0300 4108 2737 00
                                                    BIC: GENODEF1NBU
Naturschutz und Naturparke - H 1632 F - Verein Naturschutzpark
E D I TO R I A L

Liebe Mitglieder!

    Im Rahmen unserer Jahresmitgliederver-
sammlung am 6. September erfuhr der VNP
eine besondere Ehre. Das VNP-Projekt zum
Schutz des Birkhuhnes im Naturschutzgebiet
„Lüneburger Heide“ wurde als Projekt der
UN-Dekade Biologische Vielfalt ausgezeich-
net. Die Vereinten Nationen haben die Jahre
2011 bis 2020 als UN-Dekade Biologische
Vielfalt ausgerufen, um dem weltweiten Rück-
gang der Naturvielfalt entgegenzuwirken. Die     viele andere Arten des Schutzgebietes. Die
UN-Dekade zeichnet in Deutschland vorbild-       Bestandsbeeinflussung der Birkhuhnpopulati-
liche Projekte aus. Über die Auszeichnung        on durch Fressfeinde wird durch die gezielte
von Projekten entscheidet eine unabhängige       Bejagung von Fuchs, Marderartigen, Krähen
Fachjury, an der Vertreterinnen und Vertre-      und Wildschweinen reduziert. Ein Monitoring
ter aus unterschiedlichen gesellschaftlichen     begleitet die praktischen Biotoppflege- und
Gruppen beteiligt sind. Das Birkhuhn-Projekt     Gestaltungsmaßnahmen. Wissenschaftliche
des VNP hat die UN-Dekade-Fachjury nach-         Untersuchungen zu Habitatnutzung, Repro-
haltig beeindruckt.                              duktion und Verlustursachen in Form eines
                                                 Telemetrieprojektes durch die Tierärztliche
    Seit 2005 werden im Rahmen des Pro-          Hochschule Hannover ergänzten von 2011
jektes die Lebensräume der Birkhühner ent-       bis 2013 das Projekt zur Sicherung einer der
wickelt und erhalten. Neben der Heidepflege      letzten autochthonen Birkhuhnpopulationen
werden Offenbodenstellen angelegt, welche        in Niedersachsen.
von den Tieren gern als Huderplätze für die
Gefiederpflege genutzt werden. Die Wald-             Allen beteiligten Mitarbeiterinnen und
ränder werden in den Übergangszonen zur          Mitarbeitern unserer VNP-Stiftung und der
Heide aufgelockert. So entsteht ein reich        Tierärztlichen Hochschule Hannover sei für
strukturierter Lebensraum aus Offenland mit      ihre engagierte Arbeit vielmals gedankt.
Einzelbäumen, Baumgruppen, sehr lichten
Kiefernwäldern, mehr oder weniger stark ver-
kusselten Heideflächen und tief gestaffelten         Ihr
Waldrändern. Davon profitieren gleichzeitig          Thomas Kaiser
Naturschutz und Naturparke - H 1632 F - Verein Naturschutzpark
Seit 1998 bewirtschaftet die VNP Stiftung    sens steht immer stärker in der Kritik, weil
                                                                  Naturschutzpark Lüneburger Heide (VNP)           Fleisch in Deutschland oft mit Importfutter,
                                                                  den stiftungseigenen Landschaftspflegehof        insbesondere Soja aus Übersee, erzeugt wird.
                                                                  Tütsberg nach den Grundsätzen und Richtli-       Viehmäster und Soja-Anbauer stehen dabei
                                                                  nien des ökologischen Landbaus.                  unter dem Generalverdacht, Naturlandschaf-
                                                                      Diese Form der Landwirtschaft lässt sich     ten wie Urwälder zu zerstören und indigene
                                                                  bestmöglich mit den Zielen des Naturschut-       Völker zu vertreiben.
                                                                  zes und des Erhalts der historischen Kultur-         Gründe genug, die Landwirtschaft und
                                                                  landschaft im Naturschutzgebiet Lüneburger       Lebensmittelindustrie in Deutschland wieder
                                                                  Heide vereinbaren.                               vielfältiger aufzustellen und unabhängiger
                                                                      Zu den Anliegen des ökologischen Land-       von Futterimporten zu machen.
                                                                  baus gehört es, die Bodenfruchtbarkeit zu er-        Zu den neueren Hoffnungsträgern im öko-
                                                                  halten und zu fördern. Der Aufbau von Humus      logischen Landbau, aber zunehmend auch in
                                                                  und der sorgfältige Umgang mit betriebseige-     der konventionellen Landwirtschaft, gehört
                                                                  nen Nährstoffen sind Ziele aller Ökolandwirte    dabei die Lupine, in Nordwestdeutschland
                                                                  und stehen insbesondere beim Anbauverband        vor allem die „Blaue Lupine“ auch „Schmal-
                                                                  „BIOLAND“, zu dem auch Hof Tütsberg seit         blättrige Lupine“ (Lupinus angustifolius) ge-
                                                                  über 20 Jahren gehört, besonders im Fokus.       nannt.
                                                                      Ein wichtiger Baustein zum Erhalt der            Die Lupine, auch als Wolfsbohne be-
                                                                  Bodenfruchtbarkeit ist dabei der Anbau von       zeichnet (daher der lateinische Artname Lu-
                                                                  sogenannten Leguminosen, d.h. Pflanzen, die      pinus von Lupus lat. Wolf), gehört zur Familie
                                                                  sich selbst mit Stickstoff versorgen können:     der Hülsenfrüchtler (Fabaceae oder Legumi-
                                                                  Klee, Erbsen und Bohnen gehören zu diesen        nosen). Bekanntere Vertreter dieser Familie
                                                                  pflanzlichen „Düngerfabriken“ und werden         sind die Erbsen, Kichererbsen und Erdnüsse.
                                                                  in Deutschland schon seit langem angebaut.           Anders als die mehrjährigen Lupinen, die
                                                                      Die Leguminosen haben dabei einen            vor allem bei Hobbygärtnern als Zierpflanzen
                                                                  Doppelnutzen: Die unterirdischen Knöll-          beliebt sind, und die sich als verwilderte Ex-
                                                                  chenbakterien liefern dem Boden einen op-        emplare auch gerne an Straßenböschungen
                                                                  timalen Gründünger und die oberirdischen         ansiedeln, sind die Blauen Lupinen einjäh-
                                                                  Körner sind ein gutes „Futter“ für Mensch und    rige Pflanzen. Der Landwirt muss sie jedes
                                                                  Tier. Erbsen und Bohnen sind sowohl auf dem      Jahr, wie Getreide, neu aussäen. Die Aussaat
                                                                  Acker als auch im Garten wichtige Kulturen,      erfolgt im Frühjahr, oft Anfang April. Die Lu-
                                                                  die sich gut trocknen und konservieren lassen.   pinen benötigen zunächst ein wenig Starthil-
                                                                  Sie haben deshalb bereits seit vielen Jahrtau-   fe in Form mechanischer Unkrautregulierung
                                                                  senden Mensch und Vieh mit wertvollem Ei-        durch den Striegel, um gegen die konkurrenz-
                               Blaue Lupinen auf Hof Tütsberg     weiß gerade auch im Winter versorgt.             kräftigeren Beikräuter zu bestehen. Nach dem
                                                                      Im Zuge der Diskussionen um den globa-       Auflaufen benötigen die Pflanzen lediglich et-
                                                                  len Wandel, Klimaveränderungen, Artenster-       was Schwefel und Kali (auf den Heideböden

                   Lupinen                                        ben und Blütenarmut sind die Leguminosen
                                                                  seit einigen Jahren wieder in den Fokus von
                                                                  Landwirten, Pflanzenzüchtern und Lebens-
                                                                                                                   ca. 2 dt/ha Kalimagnesia), sind ansonsten je-
                                                                                                                   doch weitgehend autark und werden auf Hof
                                                                                                                   Tütsberg auch nicht bewässert.
                                                                  mittelindustrie geraten.                             Nach dem Abreifen finden sich im August
                                                                      Die einheimische Landwirtschaft, ins-        in den länglichen Hülsen mehrere rundliche
                                                                  besondere die flächenunabhängige Verede-         oder leicht platte Samen, die getrockneten
          Das weiße Gold des Öko-Landbaus                         lungswirtschaft im Nordwesten Niedersach-        Erbsen sehr ähnlich sehen.

SEITE 2                            AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247   AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247                                                                      SEITE 3
Naturschutz und Naturparke - H 1632 F - Verein Naturschutzpark
werks Demonstrationsbetriebe Ökologischer
                                                                                                                                                                Landbau: Sie bündeln Expertise über Beson-
                                                                                                                                                                derheiten, Vorzüge und Herausforderungen
                                                                                                                                                                des Ökolandbaus und öffnen ihre Höfe für
                                                                                                                                                                alle Interessierten, bieten Dialog und Vernet-
                                                                                                                                                                zung.
                                                                                                                                                                     Auf Hof Tütsberg besuchen jährlich rund
                                                                                                                                                                15 – 20 Gruppen die Veranstaltungen des De-
                                                                                                                                                                mohofs: Die Besuchergruppen reichen dabei
                                                                                                                                                                von den örtlichen Kindergärten und Schulen
                                                                                                                                                                bis zu Studierenden und Experten aus Hoch-
                                                                                                                                                                schulen und Forschungseinrichtungen aus
                                                                                                                                                                ganz Deutschland und den Nachbarländern.
                                                                                                                                                                     Besonderes Interesse haben die Gäste
                                                                                                                                                                dabei häufig an den eher exotischen Anbau-
          Lupinenpflanze zu Beginn der Blüte                                                                   Kräftige Pfahlwurzel mit Knöllchenbakterien      früchten, die auf Hof Tütsberg kultiviert wer-
                                                                                                                                                                den, neben Buchweizen und Inkarnatklee
              Die wilden Vorfahren der Blauen Lupi-         letzten Jahren einen festen Platz in der Frucht-       Über mehrere Jahre hat sich der Land-        eben auch Lupinen.
          nen haben ihre Heimat im Mittelmeerraum.          folge erobert. Sie werden etwa 40 bis 80 cm        schaftspflegehof Tütsberg an der praktischen          Die Lupinen werden von Hof Tütsberg in-
          Sie wachsen gerne auf sandigen, kalkarmen         hoch. Die hier abgebildete Sorte „Boruta“ ist      Forschung und Entwicklung des Lupinen-           zwischen im Vertragsanbau als zertifiziertes
          Böden und kommen deshalb mit den Boden-           eine sogenannte endständige Sorte und trägt        Anbaus in Deutschland aktiv beteiligt und        Saatgut vermehrt und über die regional tätige
          verhältnissen in der Lüneburger Heide gut         am Ende des Triebs die charakteristischen          Flächen für Anbauversuche zur Verfügung          Vermarktungsorganisation „Ökokorn Nord“,
          zurecht. Lange Zeit fristeten die Lupinen ein     Schmetterlingsblüten.                              gestellt. Hof Tütsberg war dabei von 2014 bis    einen wirtschaftlichen Verein norddeutscher
          Schattendasein, weil die Wild- und Garten-            Die Knöllchenbakterien der Lupinen             2019 aktiver Partner im sogenannten „Lupi-       Bio-Landwirte, vermarktet.
          formen „Lupinin“, einen giftigen Bitterstoff,     binden Stickstoff aus der Bodenluft, den die       nen-Netzwerk“ des Bundesamtes für Ernäh-              Ein Teil der Ernte verbleibt jedes Jahr auf
          enthalten.                                        Pflanzen brauchen, um ihre Biomasse zu ent-        rung und Landwirtschaft (BLE). Forscherinnen     Hof Tütsberg und wird im Winter als Futter für
              Erst durch die verstärkte Arbeit der Pflan-   wickeln. Lupinen sind deshalb, ähnlich wie         und Forscher des Netzwerkes haben regelmä-       die Heidschnucken und Ziegen des VNP ge-
          zenzüchter seit den 1930er Jahren sind in den     Klee, Erbsen und Bohnen unabhängig von zu-         ßig die Lupinenschläge von Hof Tütsberg un-      nutzt. Der hohe Eiweißgehalt macht die Lupi-
          letzten Jahrzehnten bitterstofffreie Lupinen-     sätzlichem Stickstoffdünger. Sie können unter      tersucht und Erntegut beprobt.                   nen während der Lammzeit zu einem wertvol-
          sorten, sogenannte „Süßlupinen“ entstanden,       optimalen Bedingungen bis zu 100 kg Stick-             Auf Hof Tütsberg wurden auch sogenann-       len Kraftfutter für die säugenden Mutterschafe
          die nun bedenkenlos für die Eiweißversor-         stoff pro Hektar erzeugen, was einer guten         ten Sortendemonstrationen angelegt. Die          und -ziegen. Der Eiweißgehalt ist mit dem der
          gung von Nutztieren eingesetzt werden kön-        Düngerleistung entspricht. Die langen Wur-         Pflanzenzüchter interessieren sich dabei für     Sojabohne vergleichbar und übertrifft die Ge-
          nen. Die modernen Sorten eignen sich nach         zeln durchdringen auch verdichtete Boden-          die Entwicklung ihrer Sorten im Praxisanbau.     halte von Erbsen und Bohnen deutlich.
          entsprechender Aufbereitung auch für die          schichten gut und erzeugen so eine günstige        Im Vordergrund stehen auf Hof Tütsberg die            Durch den eigenen Anbau von Lupinen
          menschliche Ernährung. Die relativ robusten       Bodenstruktur.                                     Schmalblättrigen Lupinen.                        ist Hof Tütsberg unabhängig von den um-
          und gegen Pflanzenkrankheiten wie Anthra-             Nach dem Abreifen der Körner können die            Aktuell beteiligt sich das Team von Hof      strittenen Futterzukäufen aus Schwellen- und
          knose resistenten Blauen Lupinen gedeihen         Lupinen wie Getreide problemlos und wirt-          Tütsberg als sogenannter „Demonstrations-        Entwicklungsländern. Transporte werden ver-
          dabei, anders als z.B. die Sojabohnen, auch       schaftlich mit dem Mähdrescher gedroschen          betrieb für ökologischen Landbau“ des BLE        mieden, und der Nährstoffkreislauf des Land-
          im manchmal ungemütlichen Klima des nord-         und geerntet werden. Die abgereiften, aus-         daran, Praxiswissen und Anbauerfahrungen –       schaftspflegehofes bleibt geschlossen.
          deutschen Sommers gut und zuverlässig.            gedroschenen Pflanzenteile verbleiben nach         z.B. über den Leguminosenanbau - an interes-          Über die Jahre hat sich noch ein weite-
                                                            dem Drusch auf dem Acker und werden als            sierte Laien, aber auch an Praktiker weiterzu-   rer Vorteil des Lupinenanbaus gezeigt. Bis vor
          Lupinen-Anbau auf Hof Tütsberg                    wertvoller Gründünger untergepflügt. Sie rei-      geben.                                           wenigen Jahren wurden auf Hof Tütsberg in
              Blaue Lupinen werden auf Hof Tütsberg         chern die Humusschicht des Ackerbodens mit             Aber auch allgemeine Einblicke in eine       großem Umfang Körnererbsen als Kraftfutter
          bereits seit 2009 angebaut. Zunächst nur          Stickstoff an. Deshalb werden Lupinen auch         nachhaltige Landwirtschaft bieten die rund       für die Schafe angebaut. Diese Ackerfrüchte
          versuchsweise gedrillt, haben sie sich in den     als sogenannte „Stickstoffmehrer“ bezeichnet.      290 Bio-Betriebe des bundesweiten Netz-          sind leider nicht nur bei Schafen, sondern in

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Naturschutz und Naturparke - H 1632 F - Verein Naturschutzpark
Saatgutvermehrung von
                                                                Lupinen auf Hof Tütsberg

          besonderem Maße auch bei Wildschweinen            schnucken im Vordergrund. Die Lupinen sor-
          sehr beliebt. Durch das extreme Anwachsen         gen für gesunde, leistungsfähige Mutterschafe
          der Wildschweinpopulation in den letzten          und gutgenährte Lämmer. Diese pflegen die
          Jahren ist der Anbau von Erbsen auf Hof Tüts-     historische Kulturlandschaft der Lüneburger
          berg leider nicht mehr möglich. Regelmäßig        Heide, so wie sie es schon seit Jahrtausenden
          haben die schlauen Wildschweine die frisch        tun. Die schöne Farbe der blühenden Lupi-
          gedrillten Ackerflächen regelrecht „versaut“.     nenfelder bereichert außerdem die Lünebur-
          Ein Anbau von Erbsen wäre aktuell nur noch        ger Heide um bislang eher unbekannte Farb-
          mit einer Schutzeinzäunung möglich und da-        nuancen!
          mit wirtschaftlich nicht mehr darstellbar.                                    Dr. Heike Brenken
              Die Lupine steht dagegen bislang nicht
          im Focus der Wildschweine. Der kleine Rest        Hof Tütsberg,
          noch vorhandener Bitterstoffe scheint auszu-      29640 Schneverdingen
          reichen, um die Lupinen von der Speisekarte
          der „Borstentier“ zu streichen.
              Neben der Verwendung als Tierfutter hat       Zum Weiterlesen:
          sich die Lupine in den letzten Jahren auch        https://lupinen-netzwerk.de/
          einen immer größer werdenden Markt in der         http://lupinenverein.de/
          vegetarisch / veganen Küche erobert. Durch        https://de.wikipedia.org/wiki/Blaue_Lupine
          den züchterischen Fortschritt und neue Pro-       www.demonstrationsbetriebe.de
          duktionsverfahren der Lebensmittelindustrie
          wird z.B. seit einigen Jahren das Tofu-ähnliche
          Produkt „Lopino“ erzeugt und angeboten. Au-
          ßerdem wird Lupinenmilch als Alternative zur
          Kuhmilch sowie Lupinen-Kaffee als Ersatz zu
          Gersten- oder Bohnenkaffee produziert.
              Auf Hof Tütsberg steht allerdings nach wie
          vor der Konsum der Lupinen durch die Heid-                                                        Versuchsfläche für Lupinen auf Hof Tütsberg

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Naturschutz und Naturparke - H 1632 F - Verein Naturschutzpark
Das Ziel: Wildbret soll noch mehr in den        Im Restaurant des Hotel Hof Tütsberg ha-
                                                                                               Fokus der Verbraucher gerückt werden, so         ben Wildgerichte einen hohen Stellenwert.
                                                                                               der Wunsch von Landwirtschaftsministerin         Unsere Gäste finden Wild ganzjährig auf der
                                                                                               Barbara Otte-Kinast, die die Veranstaltung er-   Speisekarte, und es wird zunehmend für Me-
                                                                                               öffnete und an einem Podiumsgespräch teil-       nüs bei Feierlichkeiten gewünscht. In Kom-
                                                                                               nahm. „Im Durchschnitt essen die Deutschen       bination mit den saisonalen Gemüsesorten
                                                                                               rund 250 - 300 Gramm Wildbret pro Jahr. Da       bekommt das Wild je nach Jahreszeit einen
                                                                                               ist noch Luft nach oben“, so die Ministerin.     individuellen geschmacklichen Charakter.
                                                                                                    Die enorme Resonanz auf die Veranstal-
                                                                                               tungseinladung unter den erschwerten Bedin-
                                                                                               gungen der Corona-Pandemie zeigt, wie groß
                                                                                                                                                 „Es gibt kein Tier und kein Fleisch,
                                                                                               das Interesse an dem Thema ist.                     welches natürlicher aufwächst
                                                                                                    In der von Dr. Christian Schmidt von der
                                                                                               Marketinggesellschaft der niedersächsischen
                                                                                                                                                  als Wild. Jeder sollte es zu Hause
                                                                                               Land- und Ernährungswirtschaft moderierten        mindestens einmal in der Woche
                                                                                               Podiumsdiskussion, aber auch bei vielen Ge-
                                                                                               sprächen an den Infoständen wurde klar, dass
                                                                                                                                                    essen. Es gibt unendlich viele
                                                                                               das Potenzial des nachhaltig in der Region         Variationen und Ideen. Wenn Sie
                                                                                               erzeugten Lebensmittels Wildbret in der Ver-
                                                                                               marktung an den Endverbraucher bei weitem
                                                                                                                                                Wild essen, essen Sie die pure Natur
                                                                                               noch nicht ausgeschöpft ist. „Wir müssen viel           in ihrer reinsten Form!“
                                                                                               mehr darüber reden, was wir mit Wildbret
                                                                                               alles machen können“, so Otte-Kinast. Die
                                                                                                                                                           Daniel Pompetzki,
                                                                                               Ministerin regte an, das Thema „Kochen mit           Küchenchef Hotel Hof Tütsberg
                                                                                               Wild“ stärker als bisher in den sozialen Me-
                                                                                               dien zu platzieren, um besonders auch junge
                                                                                               Menschen zu erreichen. Jäger und regionale
                                                                                               Fleischereifachbetriebe in Verbindung mit
          Fotos: Marketinggesellschaft/Markus Tiemann                                          leistungsfähigen Handelsmittlern sei-
                                                                                               en ideale Partner, um den Endver-
                                                                                               braucher buchstäblich auf den

                          Wildvermarktung                                                      Geschmack zu bringen.
                                                                                                    Mit „Wild serviert“ ha-
                                                                                               ben die Veranstalter einen
                        Barbara Otte-Kinast ruft zu besserer Vernetzung                        wichtigen Impuls gesetzt,
                                                                                               der zu einer Win-Win-
                         zwischen Jägern, Händlern und Fleischern auf                          Situation für die gesam-
                                                                                               te Wertschöpfungskette
                                                                                               führen kann. Barbara
            Rund 100 Fleischer, Direktvermarkter und Jäger aus ganz Niedersachsen              Otte-Kinast: „Unser An-
                                                                                               gebot heute: Lassen Sie
           haben sich Anfang September auf Hof Tütsberg in Schneverdingen-Heber                uns noch bessere Netz-
          getroffen, um sich unter dem Motto „Wild serviert“ über die Verbesserung der         werke gründen, damit
                                                                                               jedes erlegte Tier auch auf
                     Vermarktung von heimischem Wildbret auszutauschen.                        dem Teller landet.“

SEITE 8                                                         AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247   AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247                                                                    SEITE 9
Naturschutz und Naturparke - H 1632 F - Verein Naturschutzpark
Das Projekt „ÖkoKult“                                 Damit das Naturschutzgebiet Lüneburger
                                                                                       Seit 2016 arbeiten die Praktikerinnen und     Heide und andere Heidelandschaften auch
                                                                                   Praktiker der VNP Stiftung Naturschutzpark        weiterhin eine blütenreiche, „lila Zukunft“
                                                                                   Lüneburger Heide (VNP) und die Forsche-           haben, ist es wichtig, die praktischen Natur-
                                                                                   rinnen und Forscher der Leuphana Univer-          schutzarbeiten und die dazugehörigen Ma-
                                                                                   sität sowie weitere Wissenschaftsteams von        nagementmaßnahmen weiterzuentwickeln,
                                                                                   der Hochschule für nachhaltige Entwicklung        denn Heide gibt es nur, wenn Heidschnucken
                                                                                   Eberswalde und dem Kompetenzzentrum               die Pflanzen regelmäßig verbeißen und Hei-
                                                                                   Ökolandbau im Projekt „ÖkoKult“ zusam-            debauern oder Naturschützer in gewissen
                                                                                   men.                                              Abständen auch den Boden unter den Hei-
                                                                                       Im Projekt ÖkoKult konnte eine Reihe          depflanzen kräftig maschinell bearbeiten.
                                                                                   von neuen Naturschutzmaßnahmen erprobt            Deshalb experimentiert der VNP ständig mit
                                                                                   und umgesetzt werden, die die Heide zu-           neuen Maschinen und Methoden zur Heide-
                                                                                   kunftsfähig machen sollen. Das Vorhaben           pflege.
                                                                                   wird gefördert im Rahmen der gemeinsamen
                                                                                   Förderinitiative „Forschung zur Umsetzung
                                                                                   der Nationalen Biodiversitätsstrategie“ durch
                                                                                                                                             Vermoosung stoppen!
                                                                                   das Bundesministerium für Bildung und For-
                                                                                   schung (BMBF) sowie das Bundesamt für                 Seit einigen Jahren bedroht eine schlei-
                                                                                   Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesmi-       chende „Vermoosung“ die Lüneburger Heide.
                                                                                   nisteriums für Umwelt, Naturschutz und nuk-       Zunächst noch im Verborgenen und bei den
                                                                                   leare Sicherheit (BMU).                           meisten Gästen bislang noch nicht im Fokus,
                                                                                                                                     zeigt sich nun immer stärker, dass der offene
                                                                                   Die Auszeichnung                                  Sandboden unter den Heidepflanzen (Callu-
                                                                                       Nach mehreren Jahren intensiver Arbeit        na vulgaris) von einem dicken Moospolster
                                                                                   bei Wind und Wetter in der Lüneburger Hei-        überwuchert wird. So schön die Moose gera-
                                                                                   de erhält das Naturschutzteam großes Lob          de im Tau auch aussehen, für die Heidepflan-
                                                                                   von höchster Stelle. ÖkoKult ist nun offiziell    zen sind sie ein ernstzunehmendes Problem,

           ÖkoKult – Ausgezeichnet!                                                ein: "ausgezeichnetes Projekt der UN-Dekade
                                                                                   Biologische Vielfalt".
                                                                                       Ihre Entscheidung begründete die Jury
                                                                                                                                     blockieren sie doch deren Kinderstuben. Hei-
                                                                                                                                     dekraut kann sich über lange Zeit aus Stock-
                                                                                                                                     ausschlägen quasi aus sich selbst erhalten, die
                                                                                   damit, „dass das interdisziplinäre Forschungs-    Botaniker sprechen hier von einer vegetativen
                                                                                   projekt wertvolles neues Wissen zur Siche-        Vermehrung. Die Heidepflanze hat sich über
             Naturschutzprojekt von VNP und Leuphana Universität                   rung der Ökosystemleistungen von histori-         Jahrtausende an Heidebauern und ihre Ha-
                                                                                   schen Kulturlandschaften im Zusammenhang          cken, die sogenannten Plaggen, und an die
                      als UN-Dekade-Projekt ausgewählt                             mit der für sie typischen Biodiversität liefert   Mäuler der hungrigen Heidschnucken ange-
                                                                                   und neue, wertvolle Managementmaßnah-             passt.
                                                                                   men entwickelt“.                                      Aber im Abstand von einigen Jahren muss
                                                                                       Globale Veränderungen wie der Klima-          sich das Heidekraut immer einmal wieder
                                                                                   wandel bringen nicht nur Land- und Forstwirt-     auch über Samen, d.h. generativ, verjüngen
                                                                                   schaft in Bedrängnis. Auch der Naturschutz        können. Nur über den „echten“ Nachwuchs,
                                                                                   selbst muss sich auf bisher unbekannte Pro-       das heißt Jungpflanzen aus Sämlingen, kann
                                                                                   bleme, wie extreme Dürrejahre, heftige Som-       die Gesamtheit der Pflanzen, die sogenann-
                                                                                   merstürme und Veränderungen im Zusam-             te Population, ihre genetische Vielfalt ent-
                                                                                   menleben von Tieren und Pflanzen einstellen.      wickeln und erhalten. Und diese Vielfalt ist

SEITE 10                                            AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247   AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247                                                                        SEITE 11
Naturschutz und Naturparke - H 1632 F - Verein Naturschutzpark
Detailaufnahme Entmoosungsmaschine                                           Entmooste Fläche in der zweiten Vegetationsperiode nach der Maßnahme         Foto: D. Walmsley

                                                                                        wichtig, um sich langfristig an veränderte      ÖkoKult-Projekt von den Lüneburger Fach-
                                                                                        Umweltverhältnisse anzupassen. Gerade in        leuten erforscht. Sicher ist jedenfalls, dass das
                                                                                        Zeiten des globalen Wandels ist es überle-      Moos entfernt werden muss, wenn die Heide
                                                                                        bensnotwendig, dass immer wieder kräftige       auch in Zukunft lila blühen soll!
                                                                                        junge Heidepflänzchen gedeihen können, die          Seit 2019 liegt nun der Prototyp einer ro-
                                                                                        vielleicht das Potenzial haben, starke Hitze    busten Entmoosungsmaschine vor. Entwickelt
                                                                                        oder gefräßige Heideblattkäfer besser zu er-    hat sie der Projektmitarbeiter und Chef-Land-
                                                                                        tragen als die Elterngeneration.                schaftspfleger des VNP, Dirk Mertens, zusam-
                                                                                             Und hier versperrt nun das Moos die Zu-    men mit einem Team aus Landmaschinenbau-
                                                                                        kunft der Heidepflanzen. Der dicke Moostep-     ern und Landwirten.
                                                                                        pich verwehrt den Heidesamen schlicht weg           Die neue Entmoosungsmaschine funktio-
                                                                                        den Weg in den Boden. Auf dem Moospolster       niert wie eine Kombination aus überdimen-
                                                                                        vertrocknen die Keimlinge, weil ihre Wurzeln    sionierter Fusselbürste und Staubsauger. Sie
                                                                                        keinen Zugang zum Boden bekommen oder           passt sich der Oberfläche des Bodens flexibel
                                                                                        die Samen werden gleich vom Winde ver-          an. Der Arbeitsfortschritt ist hoch und das Ar-
                                                                                        weht.                                           beitsbild gut:
                                                                                             Warum die Moospolster immer größer             Wenn das ausgekratzte Moos abgetrock-
                                                                                        und dicker werden und wie sie sich im De-       net ist, kann der „Saugcontainer“ das aus dem
                                                                                        tail auf Boden, Grundwasser und die Heide-      Heidekraut herausgekämmte Moos absaugen.
           Die neue Entmoosungsmaschine bei der Arbeit            Foto: D. Walmsley     pflanzen auswirken, wird derzeit ebenfalls im   Der organische Inhalt des neuen Riesenstaub-

SEITE 12                                                 AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247   AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247                                                                        SEITE 13
Naturschutz und Naturparke - H 1632 F - Verein Naturschutzpark
saugers wird dann auf den Äckern des stif-        werden, damit sie dann in Zukunft auch als
                                                                                              tungseigenen Landschaftspflegehofs Tütsberg       potenzielle Spenderflächen dienen könnten.
                                                                                              ausgebracht.                                      Von diesen Flächen wird etwas Oberboden
                                                                                                  Im Gegensatz zur bislang in der Heide-        entnommen und auf die artenarmen Empfän-
                                                                                              pflege eingesetzten „Schoppermaschine“            gerflächen aufgebracht.
                                                                                              bleiben die Heidepflanzen auf der Fläche              Erste Versuche zur Wiederansiedlung von
                                                                                              erhalten, gleichzeitig wird sehr viel Biomasse    seltenen Ackerwildkräutern auf bislang arten-
                                                                                              und damit der darin gebundene Stickstoff aus      armen Empfängerflächen zeigen insbeson-
                                                                                              der Fläche entfernt und Rohboden zwischen         dere in diesem Jahr sehr schöne Ergebnisse.
                                                                                              den Heidepflanzen freigelegt. Die Heide kann      Nach den Dürrejahren 2018 und 2019 waren
                                                                                              sich somit nach der Behandlung mit der Ent-       die Niederschläge 2020 gerade noch ausrei-
                                                                                              moosungsmaschine vegetativ und generativ          chend, um auf den Ackerflächen des Land-
                                                                                              vermehren, was eine deutlich größere Sicher-      schaftspflegehofs Tütsberg die unterschied-
                                                                                              heit gegenüber ungünstigen Witterungsbedin-       lichsten Kräuter zum Blühen zu bringen.
                                                                                              gungen schafft. Zudem hofft der VNP, dass die
                                                                                              größere Strukturvielfalt zu einer Erhöhung der
                                                                                              Biodiversität der Insekten führt.
                                                                                                                                                          Übergänge schaffen

                                                                                                                                                    Ein drittes Ziel des ÖkoKult-Projektes ist
                                                                                                     Blütenreichtum fördern!                    es, die großen offenen Heideflächen im Zen-
                                                                                                                                                trum des Naturschutzgebietes besser mit den
                                                                                                   Die Lüneburger Heide leidet - wie viele      kleineren, randlich liegenden Heideinseln zu
                                                                                              andere Kulturlandschaften auch - unter einem      vernetzen. Viele Arten, seien es Vögel, seien
                                                                                              starken Rückgang von Brutvögeln (insbeson-        es Insekten, scheitern bei ihren Wanderungen
                                                                                              dere Bodenbrütern). Als ein wesentlicher          an „harten“, d.h. abrupten und senkrechten
                                                                                              Grund für die Verluste wird der Mangel an         Kanten, wie sie aus Sicht der Tiere die aktuel-
                                                                                              Nahrungsquellen diskutiert. Insbesondere die      len Waldgrenzen darstellen.
                                                                                              relative „Blütenarmut“ sowohl der Heideflä-           Sowohl in Naturlandschaften, als auch
                                                                                              chen als auch der Acker- und Grünlandflä-         in der historischen Kulturlandschaft waren
                                                                                              chen über lange Zeiten des Jahres führt dazu,     die Übergänge von Offenland zu Wald im-
                                                                                              dass Nahrungsketten zusammenbrechen.              mer fließend. Waldränder waren von breiten
                                                                                              Ohne Blütenpflanzen fehlen sowohl die Sa-         Strauch- und Krautsäumen umgeben. Weide-
                                                                                              men, von denen sich viele Vögel ernähren, als     tiere haben dafür gesorgt, dass die Waldgren-
                                                                                              auch die Insekten, die viele Blüten bestäuben     zen in der Waagerechten eher wellenförmig
                                                                                              und ihrerseits wiederum Nahrungsquelle für        und in der Senkrechten eher abgestuft waren.
                                                                                              Vögel sind.                                       So konnten Offenlandarten entlang von son-
                                                                                                   Ein weiteres Ziel des ÖkoKult-Projektes      nigen, lichten Korridoren weiter tief in die
                                                                                              ist es, die relative „Blütenarmut“ des Untersu-   Wälder wandern und neue Offenlandberei-
                                                                                              chungsgebietes durch die Wiederansiedlung         che besser erschließen. Heute ist dieser natür-
                                                                                              von ortstypischen und zum Teil stark gefähr-      liche Biotopverbund an vielen Stellen durch
                                                                                              deten Pflanzenarten zu steigern. Um dieses        dunkle, schattig-dichte Wälder unterbrochen.
                                                                                              zu erreichen, soll die Wildkräutervielfalt auf        Durch das ÖkoKult-Projekt war es mög-
                                                                                              bisher artenarmen Ackerflächen erhöht wer-        lich, im Bereich der Scharrler Heide dichte
                                                                                              den. Zudem sollen bereits artenreichere Äcker     Kiefernforste aufzulichten, um langfristig wie-
           Blütenreiche ÖkoKult-Versuchsfläche in Bockheber                Foto: J. Daniels   und Magerrasenflächen weiter aufgewertet          der an das historische Vorbild anzuschließen.

SEITE 14                                                      AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247    AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247                                                                        SEITE 15
Die stark durchforsteten Bereiche sollen sich
           langfristig in lichte Wälder mit großkronigen
           Eichen und Kiefern und einer dichten Boden-
           vegetation aus Heidekraut und Blaubeeren
           entwickeln.

               Nach drei Jahren intensiver Forschungs-
           und Entwicklungstätigkeit im NSG Lünebur-
           ger Heide konnte der VNP einige neue Na-
           turschutzmethoden entwickeln und erproben,
           die nun immer mehr zur Routine werden und
           in der historischen Kulturlandschaft eingesetzt
           werden.
                                       Dr. Heike Brenken

           Weitere Informationen
           Aufgrund der Einschränkungen durch die Co-
           rona-Pandemie kann das VNP-Team in dieser
           Vegetationszeit leider keine öffentlichen Vor-
           träge oder Führungen zu den Versuchsflächen
           anbieten. Interessierte können sich einige
           Ergebnisse des sehr vielfältigen ÖkoKult-Pro-
           jektes aber ganz bequem auch von zu Hause
           ansehen:

           https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/
           hallo_niedersachsen/Heidschnuckenweg-Na-
           turidylle-und-Forschungsfeld,hallonds60256.
           html
                                                             Hier werden neue Heide-Wald-Übergänge geschaffen
           www.oekokult.de

                                                             Hier werden neue Heide-Wald-Übergänge geschaffen                                                                        Foto: D. Walmsley

                                                                                                                Das Verbund-Vorhaben mit dem Titel „Sicherung der Ökosystemdienstleistungen und
                                                                                                                Biodiversität von extensiv bewirtschafteten Kulturlandschaften (ÖkoKult)” wird im Rah-
                                                                                                                men der gemeinsamen Förderinitiative „Forschung zur Umsetzung der nationalen Biodi-
                                                                                                                versitätsstrategie” (F&U NBS) durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung
                                                                                                                (BMBF) und das Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesministeriums
                                                                                                                für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) gefördert.

SEITE 16                                                                    AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247        AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247                                                             SEITE 17
AU S D E R S C H U T ZG E B I E T S B E T R E U U N G

                                                                                                                 Vorstellung                                       Artenerfassung:
                                                                                                              Neue Mitarbeiterin                                  Beispiel Nachtfalter
                                                                                                                Seit dem ersten September hat Farina Stu-            Die Erfassung diverser Artengruppen ist
                                                                                                            cke die Elternzeitvertretung für Stella Weber       für die Beschreibung und Bewertung von Le-
                                                                                                            in der Schutzgebietsbetreuung übernommen            bensräumen und ihren Entwicklungsperspek-
                                                                                                            und ergänzt das Team der Naturschutzfachli-         tiven elementar. Finanziert durch das Land
                                                                                                            chen Vor-Ort-Betreuung der VNP Stiftung Na-         Niedersachsen wird im Jahresverlauf das Ar-
                                                                                                            turschutzpark Lüneburger Heide.                     teninventar des NSG von der Schutzgebiets-
                                                                                                                Frau Stucke kommt ursprünglich aus der          betreuung umfangreich erfasst. Erkenntnisse
                                                                                                            Heide, hat nach ihrem Master-Biologiestudi-         über das vorkommende Artenspektrum bilden
                                                                                                            um in Hamburg in Dithmarschen gearbeitet            eine gute Datengrundlage für die Planung von
                                                                                                            und kommt jetzt zurück in ihre Heimat.              Pflegemaßnahmen, um Lebensräume bedroh-
                                                                                                                Zu ihren ersten Aufgaben zählt die maß-         ter Arten zu sichern.
                                                                                                            nahmenbezogene Erhebung wertgebender                     So werden in diesem Sommer aktuell
                                                                                                            Arten insbesondere von Heuschrecken und             regelmäßige Nachtfänge zur Erfassung von
                                                                                                            Tagfaltern im Pietzmoor. Die dortige Arter-         Nachtfaltern durchgeführt und die vorkom-
                                                                                                            fassung stellt die Auswirkungen der vor Ort         menden Arten dokumentiert. Da die Flächen
                                                                                                            erfolgten Hochmoor-Renaturierungsmaßnah-            in Heide und Offenland ein sehr spezialisier-
                                                                                                            men dar. Im weiteren Verlauf wird Frau Stucke       tes Artenspektrum bereitstellen, finden sich
                                                                                                            weitere maßnahmenbezogene Kartierungen              auch immer wieder Experten von außerhalb
                                                                                                            wertgebender Arten wie beispielsweise die           für die Begleitung der Erfassung.
           Gerd Lauszus (links) und Erwin Hassler feiern in diesem Jahr ihr Dienstjubiläum                  Dokumentation von Fledermäusen in Wald-                  Ein schönes Beispiel für Arten, die von der
                                                                                                            Heide-Übergangsbereichen begleiten. Ferner          Entwicklung der Hutewälder im Gebiet profi-
                                                                                                            wird sie sich u.a. in die Öffentlichkeitsarbeit     tieren, ist Callopistria juventina, die
                                                                                                            einbringen. In Hinblick auf den kommen-             hübsch gefärbte Adlerfarneu-
                         Zwei Dienstjubiläen beim VNP                                                       den Herbst und die ersehnte Lockerung von           le. Ihre Raupe ernährt sich
                                                                                                            Corona-Maßnahmen erhofft sich die Schutz-           fast ausschließlich vom
           Am 01. Mai 2020 feierten zwei Mitarbeiter        Erwin Hassler gehört seit 25 Jahren zum         gebietsbetreuung eine Fortführung von all-          Adlerfarn und toleriert
           der VNP Stiftung Naturschutzpark Lünebur-        Team des VNP. Sowohl in der Forstwirtschaft     jährlich stattfindenden Entkusselungsaktionen       die giftigen Inhalts-
           ger Heide ihr Betriebsjubiläum.                  als auch in der Landwirtschaft und Offen-       und Erfassungsaktionen von Birkhuhn-Gestü-          stoffe der Pflanze.
           Gerd Lauszus ist nun seit 40 Jahren beim Ver-    landpflege ist er als routinierter Maschinist   ber, die im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit        Sie helfen ihr, sich
           ein und seiner dazugehörigen VNP Stiftung        überall einsetzbar.                             unter Einbezug von Schulklassen lokaler Part-       gegen Fressfeinde
           beschäftigt. Während dieser Zeit war er dank                                                     nerschulen erfolgen.                                zu schützen, sodass
           seiner vielen Talente schon in diversen Berei-                                                                                                       sie gelegentlich auch
           chen tätig: Gebäudeverwaltung, Heidepflege                    Wir gratulieren!                   Die Naturschutzfachliche Vor-Ort-Betreuung          tagsüber ungeschützt
           und Heizungsbetreuung gehörten z.B. dazu.                                                        des Natura 2000-Gebietes Lüneburger Heide           auf ihrer Wirtspflanze zu
                                                                                                              wird im Rahmen der NAL-Richtlinie des             finden ist.
                                                                                                                 Landes Niedersachsen gefördert.

SEITE 18                                                                     AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247   AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247                                                                           SEITE 19
AU S D E R S C H U T ZG E B I E T S B E T R E U U N G

                                                                                                Das Orchester der Heuschrecken wird vor        schaften nur noch sehr spärlich besetzt wer-
                                                                                            allem durch Streicher gebildet. Zwei Techni-       den.
                                                                                            ken konkurrieren hierbei je nach Standort.
                                                                                            Feldheuschrecken haben kurze Fühler und
                                                                                            sind von Haus aus Vegetarier. Sie erzeugen
                                                                                                                                                 Die spezifischen Biotopansprüche
                                                                                            ihre rhythmischen Klänge durch ein Streichen        vieler Arten werden vielerorts nicht
                                                                                            der Hinterbeinschenkel entlang der mit klei-
                                                                                            nen Zahleisen besetzten Außenkanten der
                                                                                                                                                             mehr erfüllt.
                                                                                            Flügel. Laubheuschrecken und Grillen mögen
                                                                                            es etwas deftiger. Neben pflanzlicher Kost              Arten wie Sumpfschrecke, Sumpfgrashüp-
                                                                                            stehen auch andere Insekten auf dem Spei-          fer, Kurzflügelige Schwertschrecke oder Gold-
                                                                                            seplan. Sie erzeugen ihre Klänge durch ein         schrecke fehlt das Wasser in der Landschaft.
                                                                                            Übereinanderreiben der beiden Flügel.              Versumpfte oder vermoorte Wiesen und Bra-
                                                                                                Eine kleine Ausnahme, die jedoch nur           chen sind heute selten! Im Naturschutzgebiet
                                                                                            wenige von uns aufgrund der Frequenz je zu         sind diese Arten hingegen noch an vielen
                                                                                            hören bekommen, bilden die Musiker der Ei-         Punkten zu beobachten.
                                                                                            chenschrecken. Sie trommeln ihren Takt auf
                                                                                            Blättern. Ein weiterer, sehr spezifischer Ton          Auch das gegenteilige Extrem - trocken-
                                                                                            entsteht beim ruckartigen Schleudern der           heiße Flächen mit spärlicher Vegetation - fin-
                                                                                            Hinterschenkel durch die Sumpfschrecke. Er         det sich heute nur noch selten. Innerhalb der
                                                                                            ähnelt dem Knacken eines elektrischen Wei-         Heidelandschaft können an solchen Standor-
                                                                                            dezaunes.                                          ten Arten wie die Blauflügel-Ödlandschrecke,
                                                                                                Wie auch immer die Melodie entsteht,           der Kleine Heidegrashüpfer oder der Rot-
                                                                                            sie ist für jede Heuschreckenart typisch und       leibige Grashüpfer beobachtet werden. Im
                                                                                            sollte, wenn sich der Herr richtig ins Zeug        Gegensatz zum allgemeinen Trend konnten
                                                                                            legt, für die Dame unwiderstehlich wirken.         diese Arten sehr durch die Intensivierung der
                                                                                            Heuschrecken sind wie alle Insekten wech-          Landschaftpflege seitens des VNP ab der Jahr-
                                                                                            selwarm und so legt sich erst bei höheren          tausendwende profitieren. Gegenüber den Er-
                                                                                            Temperaturen eine Sommermelodie über die           fassungen in den 1990er Jahren, wo diese Ar-
                                                                                            Landschaft. Das Weibchen antwortet auf den         ten in der vergrasten und verfilzten Heide nur
                                                                                            Gesang in vielen Fällen eher zurückhaltend.        in kleinen Reliktpopulationen nachgewiesen
                                                                                                Eine kleine Gruppe der Heuschrecken,           werden konnten, sind sie heute recht flächig

                        Sommermelodie                                                       die Dornschrecken, scheint ein Schweigege-
                                                                                            lübde abgelegt zu haben. Diese besonders
                                                                                            kleinen Heuschrecken, die im Gegensatz zu
                                                                                                                                               anzutreffen.

                                                                                                                                                   Die Westliche Beißschrecke, ebenfalls
                                                                                            ihren Kollegen auch mitten im Winter ange-         eine Art mit hohen Wärmeansprüchen, konn-
                                                                                            troffen werden können, sind nie zu verneh-         te sich erst nach der Jahrtausendwende wie-
           Wanderer, die in den vergangenen Wochen im Naturschutzgebiet unterwegs           men. Auch auf den Ruf der Ödlandschrecken          der im Schutzgebiet ansiedeln. Ihre Vorkom-
                                                                                            wird man vergeblich lauschen, wenn diese           men sind auch heute noch weitgehend auf
           waren, konnten es wieder genießen - das Sommerkonzert der Heuschrecken.          auch beim Auffliegen ein charakteristisches        die ehemaligen militärischen Übungsflächen
                         Die heißen Tage veranlassten die Tiere zu einem                    Flügelknistern erklingen lassen. In den ver-       sowie auf einzelne Areale, die durch tiefes
                                                                                            gangenen Jahren konnten die Orchester für          Plaggen ausgehagert wurden, beschränkt.
                                 fulminanten auditiven Spektakel.                           ein vielstimmiges Konzert in vielen Land-          Diese Art ist etwas frostempfindlich, so dass

SEITE 20                                                     AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247   AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247                                                                        SEITE 21
die Population nach kalten Wintern deutlich      trockenen Brachen und entlang der Bahnglei-
                                                          zurückging und zunächst nur noch Flächen         se zwischen Schneverdingen und Handeloh
                                                          mit Windschutz an sonnigen Rändern von           vertreten und gehörte noch vor wenigen Jah-
                                                          Gehölzen besiedelt wurden.                       ren wohl nicht zur Fauna des Schutzgebietes.

                                                              Andernorts sorgt die gute Versorgung mit          Etwas Nachhilfe bei der Wiederbesied-
                                                          Stickstoff in vielen Grünlandbeständen für       lung des Naturschutzgebietes erhielt die
                                                          einen sehr dichten Grasaufwuchs. Licht fällt     Feldgrille durch den VNP. Im Rahmen eines
                                                          kaum noch auf den Grund, es ist immer recht      EU-geförderten Projektes wurde die Art vor
                                                          feucht und vielfach werden entsprechende         10 Jahren mit etwa 80 Larven im Schutzge-
                                                          Bestände auch noch mehrfach im Jahr ge-          biet in der Nähe des Twieselmoores ausgewil-
                                                          mäht. Selbst Arten, die sich an ähnliche Be-     dert. Die nicht flugfähige Feldgrille war in den
                                                          stände angepasst haben, wie der Gemeine          50er Jahren des vorherigen Jahrhunderts aus
                                                          Grashüpfer, der Weißrandige Grashüpfer oder      unbekannten Gründen in Niedersachsen fast
                                                          (bei längeren Brachephasen) Roesels Beiß-        flächig ausgestorben. 2020 konnten zwischen
                                                          schrecke können hier kaum hoch tragfähige        Oberhaverbeck, der Benninghöfener Heide
                                                          Populationen ausbilden.                          und dem Handorfer Weg Hunderte von Feld-
                                                                                                           grillen beobachtet oder durch ihren lauten
            Gemeine Eichenschrecke                          Leichter haben es Arten, die auch Bäume      Gesang identifiziert werden. Auch im Raden-
              (Meconema thalassinum)                      und Sträucher als Lebensraum nutzen. So er-      bachtal riefen erste Tiere, die möglicherweise
                                                          klingt auch in den Innenstädten in lauen Som-    mit Futterballen für die Rinder hierher ver-
               Heideschrecke                             mernächten häufig der laute Gesang des Gro-      schleppt wurden.
                (Gampsocleis glabra)                      ßen Grünen Heupferdes. Die Strauchschrecke
                                                          zeigte bis vor wenigen Jahren eine eigentüm-         Weniger erfolgreich war die Wiederan-
               Feldgrille (Gryllus campestris)           liche Verbreitungslücke in der Hohen Heide:      siedlung der Heideschrecke, die parallel mit
                                                          Weite Teile Niedersachsens waren durch die-      der Feldgrille erfolgte. Bis heute stridulieren
            Gefleckte Keulenschrecke                    se Art besiedelt, während im NSG im Rahmen       aber wenige Einzeltiere in ungeraden Jahren
              (Myrmeleotettix maculatus)                  der umfangreichen Erfassungsarbeiten für den     am Auswilderungsort. Die Heideschrecke hat
                                                          Pflege- und Entwicklungsplan kein Tier dieser    in der Regel eine zweijährige Entwicklungs-
               Blauflügelige Ödlandschrecke              Art verhört werden konnte. Heute ist das kur-    phase. Die extrem seltene Heuschreckenart
                (Oedipoda caerulescens)                   ze Tschirpsen der Strauchschrecke fast überall   scheint auf Feuer im Flächenmanagement
                                                          im Schutzgebiet kurz vor oder nach Sonnen-       angewiesen zu sein und kommt heute in
                                                          untergang in den Waldsäumen zu verneh-           Deutschland nur noch auf den militärischen
                                                          men. Nur die westlichsten Bereiche scheinen      Übungsflächen östlich des Schutzgebietes
                                                          bisher noch nicht besiedelt.                     vor. Leider gelang es den wenigen ausgewil-
                                                                                                           derten Individuen bisher nicht, weitere Are-
                                                              Eine Neubesiedlung, die wohl auf den Kli-    ale zu besiedeln. Auch am Auswilderungsort
                                                          mawandel zurückzuführen ist, erfolgte durch      konnten 2019 nur drei rufende Individuen
                                                          die Sichelschrecke. Diese Art trocken-warmer     verhört werden.
                                                          Brachen und leicht ruderalisierter Heiden trat
                                                          im heißen Sommer 2007 wohl erstmalig im             Auf kurzrasigen Sandmagerrasen des
                                                          Schutzgebiet auf. Die gut flugfähige Art hat     Schutzgebietes können kleine Feldheuschre-
                                                          von Süden kommend heute bereits Schles-          ckenarten wie der Wiesen-Grashüpfer, der
                                                          wig-Holstein weitgehend besiedelt. Auch die      Verkannte Grashüpfer, der Nachtigall-Gras-
                                                          Punktierte Zartschrecke ist heute in einigen     hüpfer und der Braune Grashüpfer beobach-

SEITE 22                   AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247   AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247                                                                        SEITE 23
tet werden. Diese Arten lassen sich optisch            Magere Offenbodenbereiche werden
                                                          oft schwer auseinanderhalten. Wie bei den          im gesamten Naturschutzgebiet durch die
                                                          Vögeln ist der Gesang aber für jede Art sehr       Gemeine Dornschrecke besiedelt. Etwas
                                                          spezifisch, so dass der geübte Kartierer sicher-   anspruchsvoller zeigt sich die Säbeldorn-
                                                          lich bessere Ergebnisse erzielt, wenn er dem       schrecke, die nur in Bereichen mit langfristig
                                                          Gesang lauscht, als bei dem Versuch, die ra-       feuchtem Offenboden vorkommt. Beide Arten
                                                          schen Hüpfer zu fangen und durch Vergleich         können, wie die Sumpfschrecke, in der Eipha-
                                                          des Verlaufes der Flügeläderung und der Form       se eine mehrmonatige Überstauung überste-
                                                          der Gehöröffnung zu bestimmen.                     hen, wie Vorkommen in den Winterteichen
                                                                                                             der Holmer Teiche belegen.
                                                              Eine Besonderheit der Heuschreckenfauna
                                                          des Naturschutzgebietes stellen auch die gro-         Gerade nach Sommermonaten wie den
                                                          ßen Warzenbeißerbestände dar, die erfreuli-        zurückliegenden, macht der Gesang der
                                                          cherweise vor allem in vielen der ehemaligen       Heuschrecken bewusst, welches Glück wir
                                                          Panzerübungsflächen, aber auch im Umfeld           haben, eine Landschaft in einer Größe zu
                                                          des Wilseder Berges, dort gern auf alten ver-      erhalten, die darauf hoffen lässt, dass auch
                                                          heidenden Ackerbrachen, bestehen. Diese Art        nachfolgende Generationen die Vielfalt einer
                                                          hat es nicht nur aufgrund ihrer Ansprüche an       nur scheinbar kargen Landschaft mit allen
            Warzenbeißer (Decticus verrucivorus)        magere Standorte mit geringen Moosauflagen         Sinnen genießen können.
                                                          heute vielfach besonders schwer. Auch ein                                          Dirk Mertens
               Gemeiner Grashüpfer                       Mangel an Blütenvielfalt und in der Folge ein
                (Chorthippus parallelus)                  Insektenmangel sorgen vielfach für schlechte
                                                          Lebensbedingungen.
                Sumpfgrashüpfer
                (Chorthippus montanus)

            Verkannter Grashüpfer
              (Chorthippus mollis)
                                                               Gesucht: Der Buntbäuchige Grashüpfer
               Westliche Beißschrecke
                (Platycleis albopunctata)
                                                              Während des diesjährigen Monitorings im
                                                          Rahmen der Schutzgebietsbetreuung konnten
                                                          bereits einige interessante Funde registriert
                                                          werden, u.a. Oedipoda caerulescens (Blau-
                                                          flügelige Ödlandschrecke) und Omocestus
                                                          haemorrhoidalis (Rotleibiger Grashüpfer).
                                                              Die erhoffte Zielart Omocestus rufipes
                                                          (Buntbäuchiger Grashüpfer) konnte bisher
                                                          noch nicht dokumentiert werden. Diese Art
                                                          bevorzugt offene vegetationsarme Biotope
                                                          und kommt im Bereich von Moorrändern,
                                                          Moorheiden oder an Torfstichkanten vor.

SEITE 24                   AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247   AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247                                                                        SEITE 25
Viele Namen für einen Hof                         von Honstede, dass er vom Abt Werner und
                                                                                         In Wilsede an der Straße Richtung Un-         dem Kloster ein Gut in Wilsede auf Lebens-
                                                                                     deloh liegen die beiden Hofstellen Nr. 3 und      zeit verliehen bekommen hat. Dieser Ludolf,
                                                                                     Nr. 4. Die hintere der beiden liegt malerisch     der sich in anderen Urkunden auch als „von
                                                                                     am seichten Hang des Bachtals der in diesem       Selzingen“ bezeichnet, könnte seinen Sitz im
                                                                                     Bereich entspringenden Schwarzen Beeke.           nicht weit entfernten Hanstedt gehabt haben.
                                                                                     Die sogenannte „Kote Rieckmann“ wurde zu          Wahrscheinlich hatte er Verbindungen zum
                                                                                     Ehren des langjährigen VNP-Architekten in         Lüneburger Abt oder verwaltete dessen abge-
                                                                                     den 1980er Jahren in Professor-Maetzig-Haus       legene Besitzungen. Als Gegenleistung konn-
                                                                                     umbenannt. Aber wie es so ist, neben diesen       te er die Natural- und Zinsabgaben, die die
                                                                                     beiden Namen wird der Hof auch noch nach          Kote in Wilsede erwirtschaftete, für sich be-
                                                                                     seinen ehemaligen Besitzern mal als „Kote         halten, vorausgesetzt er blieb seinem Lehns-
                                                                                     Rieckmann“, „Tönnshof“ oder als „Hell-            herren, dem Abt, treu.
                                                                                     mannshof“ bezeichnet. Weil der Sohn Pastor            Danach verliert sich die Spur der Kote
                                                                                     Bodes und seine Familie einige Jahre in dem       wieder für lange Zeit und erst im 16. Jahrhun-
                                                                                     Haus gelebt haben, wurde es in den 1960er         dert tauchen die Abgaben der Kote wieder in
                                                                                     Jahren auch „Bode-Haus“ genannt.                  den Registern der Klosterabtei auf. Hier wird
                                                                                         Die Kote gehörte seit dem Mittelalter – wie   dann auch der Name des auf der Kote wirt-
                                                                                     auch der Hillmershof – dem Abt des Klosters       schaftenden Bauern erwähnt: Tönnies Geller-
                                                                                     St. Michaelis in Lüneburg. Wie die Klosterab-     sen. Die Familie Gellersen taucht schon um
                                                                                     tei in ihren Besitz kam oder wann die Kote        1450 als „van Geldersen“ ganz in der Nähe
                                                                                     gegründet wurde, lässt sich nicht mehr nach-      in Volkwardingen auf, so dass wir annehmen
                                                                                     vollziehen. Die erste urkundliche Nachricht       können, dass der Name von dort stammt.
                                                                                     über die Hofstelle findet sich im Archiv des      Ganz ursprünglich kam die Familie wohl aus
                                                                                     Klosters und sie stammt aus dem Jahr 1324. In     den Ortschaften rund um Kirchgellersen in
                                                                                     der Urkunde bezeugt der Knappe Ludolphus          der Nähe von Lüneburg.

           Die Hofstelle Wilsede Nr. 4
                Einer der ältesten Heidebauernhöfe Wilsedes
                      wird heute als Gästehaus genutzt

                                                                                    Die Wilseder Hofstelle Nr. 4 im Jahr 1946,             Zeichnung: J. Schierenberg, VNP-Archiv

SEITE 26                                             AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247    AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247                                                                       SEITE 27
Ein Aufmass aus 1946 zeigt die teilweise Verkleidung des Gebäudes mit Eichenbohlen (links)
           und die ursprüngliche Ausstattung                                                                 Blick über das Tal der Schwarzen Beeke auf den Hof Nr. 4. Im Jahr 1959 stand ein Schafstall
                                                                                                             noch direkt am Haupthaus

                                                                                                             Das Haupthaus                                   außen über eine Tür erreichbar und diente als
           Das Innere der Diele ist auf einer Postkarte aus den 1950er Jahren festgehalten                       Das Bauernhaus stammt zu großen Teilen      Lagerraum für alles Mögliche.
                                                                                                             noch aus der Zeit des Dreißigjährigen Krie-
                                                                                                             ges: 1642, also ein paar Jahre vor Friedens-    Der ehemalige Schafstall
                                                                                                             schluss hatte Carsten Gellersen alle Gebäude        Von den anderen neu errichteten Gebäu-
                                                                                                             auf dem Hof neu errichten lassen, außer dem     den hat keines die Zeit überdauert. Allerdings
                                                                                                             Schafstall. So konnte sein Sohn Hans Geller-    stand bis 1969 beinahe direkt vor dem Giebel
                                                                                                             sen 1663 bei seiner Eheschließung zu Recht      des Bauernhauses der alte Schafstall der Kote.
                                                                                                             behaupten, der Hof sei in gutem Schick! Das     Von ihm existieren noch Fotos und Zeichnun-
                                                                                                             Haus ist auch heute trotz einiger Umbau-        gen, die einen Stall mit einseitiger sogenann-
                                                                                                             ten ein Beispiel für die alte Zimmermanns-      ter Kübbung zeigen. D. h. an der Seite zur
                                                                                                             kunst der Lüneburger Heide. Ursprünglich        Straße hatte der Stall eine hohe Traufe und an
                                                                                                             waren alle Außenwände mit Eichenbohlen          der zur Straßen abgewandten Seite ein weit
                                                                                                             verkleidet, so wie es heute noch an Treppen-    heruntergezogenes Dach, weil sich hier der
                                                                                                             speichern und Schafställen zu finden ist. Im    niedrige Stallteil mit abgetrennten Buchten
                                                                                                             Inneren des Gebäudes zeugen die geschnitz-      an das Hauptgerüst anlehnte. Bei genauer
                                                                                                             ten Kopfbänder im Flett noch heute vom          Betrachtung der Gefügekonstruktion und der
                                                                                                             Gestaltungswillen des Bauherren. Auch die       geschnitzten Knaggen kann man davon aus-
                                                                                                             profilierten Knaggen oder Konsolen am Wirt-     gehen, dass Hans Gellersen die Mitgift seiner
                                                                                                             schaftsgiebel sollten dem Bauernhaus einen      Braut dazu genutzt hat, den alten Schafstall
                                                                                                             repräsentativen Charakter verleihen – immer-    relativ zügig durch einen Neubau zu ersetzen.
                                                                                                             hin am Ende einer 30 Jahre dauernden Kriegs-    Das Gebäude wird wohl noch in den 1640er
                                                                                                             zeit. Der Wohnteil des Hauses besteht auch      oder 1650er Jahren errichtet worden sein.
                                                                                                             heute noch bloß aus den Räumen im Erdge-        Warum es trotz der weiträumigen Hofstelle
                                                                                                             schoss. Der Dachboden darüber war nur von       mehr oder weniger direkt vorm Wirtschafts-

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giebel des Bauernhauses errichtet wurde,               Das kleine, niedrige Gebäude hinter dem
           lässt sich nur vermuten. Die Gebäude stan-         Borsteler Speicher wird in den frühen Versi-
           den sozusagen Giebel an Giebel. Vielleicht         cherungsakten des 20. Jahrhunderts als Torf-
           konnte man so mit kurzen Wegen und fast            speicher bezeichnet. Hier lagerte man also
           trockenen Fußes auch bei schlechtem Wetter         Brennmaterial für den Herd und die Öfen des
           alle Hof- und Stallarbeiten erledigen. Es muss     Hauses. Sein schlichtes Äußeres und die Ver-
           allerdings immer etwas umständlich gewesen         wendung von relativ dünnen Eichenhölzern
           sein, wenn man mit den vollen Leiterwagen          lassen eine Bauzeit um 1900 vermuten.
           die Getreidegaben und Heu auf den Dach-                Ein wirklich seltenes Zeugnis vergange-
           boden des Hauses bringen wollte, denn dann         ner Zeiten ist auch der kleine Bienenzaun
           musste man vermutlich durch den Schafstall         am Giebel des Bauernhauses. Hier standen
           fahren. Als das Bauernhaus Ende der 1960er         die Bienen vermutlich zum Überwintern und
           Jahre umgebaut wurde, musste der alte Stall        damit man sie immer gut im Auge behalten
           abgerissen werden, weil er weniger als die         konnte. Eigentlich konnte man sie sozusagen
           baubehördlich geforderten 10 m Abstand zu          direkt aus dem Stubenfenster beobachten und
           dem Gebäude hatte.                                 musste dazu nicht einmal vom warmen Ofen
                                                              aufstehen.
           Weitere Gebäude                                        Das Backhaus weiter vorne an der Straße
               Einen Speicher wird es auf der Hofstelle       ist 1956 in Wichmannsdorf bei Bienenbüt-
           auch gegeben haben, denn er taucht in Ge-          tel abgetragen worden, allerdings von vorne
           richtsakten des Klosters 1712 auf, die eigent-     herein mit dem Zweck, als gut kaschiertes
           lich den Hillmershof Wilsede Nr. 1 betreffen.      Transformatorenhäuschen für den Wilseder
           Dort werden alte, längst zurückliegende Straf-     Stromanschluss hier in zentraler Lage auf der     Der Treppenspeicher wurde in den 1960er Jahren aus Borstel nach Wilseder versetzt. Im ehe-
           taten – sogenannte Brüche – aufgezählt. Unter      Hofstelle Nr. 4 wieder aufgebaut zu werden.       maligen Torfspeicher können heute Gäste des Gasthauses „Zum Heidemuseum“ übernachten
           anderem auch die Geschichte, als die halb-
           starken Wilseder Bauernjungen 1663 nachts          Die Eigentumsverhältnisse
           verkleidet in Gellersens Speicher spukten und          Der Verein Naturschutzpark kaufte die
           den armen Häusling, der dort wohnte, so er-        Hofstelle Nr. 4 im Mai 1929 von Luise Hell-
           schreckten, dass er nur mit Hemd bekleidet         mann an. Die Gebäude wurden anschließend
           aus dem Gebäude rannte. Der Treppenspei-           verpachtet, 1932 an Wilhelm Backhaus, 1934
           cher, der jetzt auf der Hofstelle steht, ist in    an Dora Hinrichs. Nach dem zweiten Welt-
           den 1960er Jahren aus Borstel hierher versetzt     krieg erhalten der Sohn von Pastor Wilhelm
           worden. Er passt aus zwei Gründen ganz gut         Bode sowie seine Witwe dort Wohnrecht. Er
           auf die Hofstelle: Erstens ist er laut Inschrift   verzichtet darauf 1968 zugunsten einer le-
           1657 – und damit nur 15 Jahre nach dem ur-         benslänglichen Rente. In den 1970er Jahren
           sprünglichen, von Carsten Gellersen erbauten       wird der Hof an die Stiftung F.V.S. verpachtet,
           Speicher – errichtet worden und andererseits       die das Haupthaus sowie den benachbarten
           trägt er auch den Namen seines ehemaligen          Hof Nr. 3 für die Unterbringung von Jugend-
           Auftraggebers Robke Rickmann aus Borstel.          gruppen, Tagungen und Veranstaltungen nutz-
           Auch wenn auf der Kote in Wilsede erst 1690        te. 1987 wird dieser Pachtvertrag gekündigt.
           ein Rieckmann, nämlich Carsten Rieckmann           Seitdem werden die Gebäude durch das
           aus Erhorn, eingeheiratet hat, so passen Name      „Gasthaus zum Heidemuseum“ vermietet.
           und Erbauungsdatum gut auf die Kote in Wil-                                        Johannes Buhr
           sede.

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