Naturschutz und Naturparke - H 1632 F - Verein Naturschutzpark
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Naturschutz H 1632 F und Naturparke ISSN 0028-1018 Zeitschrift des Vereins Naturschutzpark e.V. 2. Ausgabe 2020 | Heft 247
Inhalt Impressum 1 Editorial (T. Kaiser) Herausgeber: Verein Naturschutzpark e.V., Niederhaverbeck Nr. 7, 29646 Bispingen, 2 Lupinen - Das weiße Gold des Telefon 0 51 98 / 98 24 30, Fax 0 51 98 / 98 24 361 Öko-Landbaus (H. Brenken) Email: info@verein-naturschutzpark.de Internet: www.verein-naturschutzpark.de Redaktion: Julia Hallmann, Ina Wosnitza 8 Wildvermarktung Herstellung: 10 ÖkoKult – Ausgezeichnet! (H. Brenken) v. Stern´sche Druckerei GmbH & Co. KG, 21337 Lüneburg 18 Zwei Dienstjubiläen beim VNP (gedruckt auf Bilderdruckpapier, bis zu 50 % Altpapier- anteile, Rest aus chlorfrei gebleichten Primärfasern) 19 Aus der Schutzgebietsbetreuung NATURSCHUTZ UND NATURPARKE erscheint dreimal im Jahr. Veröffentlichte Beiträge geben nicht zwangsläu- 20 Sommermelodie (D. Mertens) fig die Meinung der Redaktion oder des Vereins Natur- schutzpark e.V. wieder. Unterzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers wieder. Nicht gekennzeich- 26 Die Hofstelle Wilsede Nr. 4 (J. Buhr) nete, die der Redaktion. Das Recht auf Kürzungen behält sich die Redaktion vor. Für unverlangt eingesandte 32 Wölfe – wie viele haben wir und wie viele Manuskripte und Fotos übernehmen Redaktion und VNP sind noch zu erwarten? (M. Pollok) keine Verantwortung. Fotos: 37 Position des VNP zum Wolf VNP-Archiv soweit nicht anders gekennzeichnet © Verein Naturschutzpark 2020 38 Protokoll zur Ordentlichen Jahresmitglieder- Printed in Germany * Inprimé en Allemagne. Durch Einsenden von Fotografien und Zeichnun- versammlung gen erklären sich Absender, Fotograf, Künstler und ggf. abgebildete Personen mit der Veröffentlichung 46 Mitgliederwerbung und Aufnahmeantrag einverstanden und stellen Redaktion, Herausgeber und Verlag von Ansprüchen Dritter – insbesondere auch abgebildeter Personen – frei. Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Herausgebers unzulässig und strafbar. Titelbild: Sonnenaufgang im Nebelmeer des Das gilt insbesondere für Nachdrucke, Funk- und Fernsehsendungen, Vervielfältigungen, Übersetzungen, Totengrunds Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verar- beitung in elektronischen Systemen. Beiträge: Jährlich und gültig ab 1. Januar 2015 Einzelmitglieder: 35 Euro Ehepaare/Lebensgemeinschaften: 55 Euro Kinder u. Jugendliche in Ausb. bis 25 Jahre: 15 Euro Familie einschl. Kinder bis 25 Jahre: 75 Euro Körperschaften, Firmen: 410 Euro Einzelmitgliedschaft auf Lebenszeit: 1x mind. 520 Euro Ehepaarmitgliedschaft auf Lebenszeit: 1x mind. 850 Euro Der Bezugspreis für die Zeitschrift NATURSCHUTZ UND NATURPARKE ist im Mitgliedsbeitrag zum Verein Naturschutzpark e.V. enthalten. Unsere Konten: Kreissparkasse Soltau IBAN: DE58 2585 1660 0000 8642 64 BIC: NOLADE21 SOL Volksbank Lüneburger Heide IBAN: DE83 2406 0300 4108 2737 00 BIC: GENODEF1NBU
E D I TO R I A L Liebe Mitglieder! Im Rahmen unserer Jahresmitgliederver- sammlung am 6. September erfuhr der VNP eine besondere Ehre. Das VNP-Projekt zum Schutz des Birkhuhnes im Naturschutzgebiet „Lüneburger Heide“ wurde als Projekt der UN-Dekade Biologische Vielfalt ausgezeich- net. Die Vereinten Nationen haben die Jahre 2011 bis 2020 als UN-Dekade Biologische Vielfalt ausgerufen, um dem weltweiten Rück- gang der Naturvielfalt entgegenzuwirken. Die viele andere Arten des Schutzgebietes. Die UN-Dekade zeichnet in Deutschland vorbild- Bestandsbeeinflussung der Birkhuhnpopulati- liche Projekte aus. Über die Auszeichnung on durch Fressfeinde wird durch die gezielte von Projekten entscheidet eine unabhängige Bejagung von Fuchs, Marderartigen, Krähen Fachjury, an der Vertreterinnen und Vertre- und Wildschweinen reduziert. Ein Monitoring ter aus unterschiedlichen gesellschaftlichen begleitet die praktischen Biotoppflege- und Gruppen beteiligt sind. Das Birkhuhn-Projekt Gestaltungsmaßnahmen. Wissenschaftliche des VNP hat die UN-Dekade-Fachjury nach- Untersuchungen zu Habitatnutzung, Repro- haltig beeindruckt. duktion und Verlustursachen in Form eines Telemetrieprojektes durch die Tierärztliche Seit 2005 werden im Rahmen des Pro- Hochschule Hannover ergänzten von 2011 jektes die Lebensräume der Birkhühner ent- bis 2013 das Projekt zur Sicherung einer der wickelt und erhalten. Neben der Heidepflege letzten autochthonen Birkhuhnpopulationen werden Offenbodenstellen angelegt, welche in Niedersachsen. von den Tieren gern als Huderplätze für die Gefiederpflege genutzt werden. Die Wald- Allen beteiligten Mitarbeiterinnen und ränder werden in den Übergangszonen zur Mitarbeitern unserer VNP-Stiftung und der Heide aufgelockert. So entsteht ein reich Tierärztlichen Hochschule Hannover sei für strukturierter Lebensraum aus Offenland mit ihre engagierte Arbeit vielmals gedankt. Einzelbäumen, Baumgruppen, sehr lichten Kiefernwäldern, mehr oder weniger stark ver- kusselten Heideflächen und tief gestaffelten Ihr Waldrändern. Davon profitieren gleichzeitig Thomas Kaiser
Seit 1998 bewirtschaftet die VNP Stiftung sens steht immer stärker in der Kritik, weil Naturschutzpark Lüneburger Heide (VNP) Fleisch in Deutschland oft mit Importfutter, den stiftungseigenen Landschaftspflegehof insbesondere Soja aus Übersee, erzeugt wird. Tütsberg nach den Grundsätzen und Richtli- Viehmäster und Soja-Anbauer stehen dabei nien des ökologischen Landbaus. unter dem Generalverdacht, Naturlandschaf- Diese Form der Landwirtschaft lässt sich ten wie Urwälder zu zerstören und indigene bestmöglich mit den Zielen des Naturschut- Völker zu vertreiben. zes und des Erhalts der historischen Kultur- Gründe genug, die Landwirtschaft und landschaft im Naturschutzgebiet Lüneburger Lebensmittelindustrie in Deutschland wieder Heide vereinbaren. vielfältiger aufzustellen und unabhängiger Zu den Anliegen des ökologischen Land- von Futterimporten zu machen. baus gehört es, die Bodenfruchtbarkeit zu er- Zu den neueren Hoffnungsträgern im öko- halten und zu fördern. Der Aufbau von Humus logischen Landbau, aber zunehmend auch in und der sorgfältige Umgang mit betriebseige- der konventionellen Landwirtschaft, gehört nen Nährstoffen sind Ziele aller Ökolandwirte dabei die Lupine, in Nordwestdeutschland und stehen insbesondere beim Anbauverband vor allem die „Blaue Lupine“ auch „Schmal- „BIOLAND“, zu dem auch Hof Tütsberg seit blättrige Lupine“ (Lupinus angustifolius) ge- über 20 Jahren gehört, besonders im Fokus. nannt. Ein wichtiger Baustein zum Erhalt der Die Lupine, auch als Wolfsbohne be- Bodenfruchtbarkeit ist dabei der Anbau von zeichnet (daher der lateinische Artname Lu- sogenannten Leguminosen, d.h. Pflanzen, die pinus von Lupus lat. Wolf), gehört zur Familie sich selbst mit Stickstoff versorgen können: der Hülsenfrüchtler (Fabaceae oder Legumi- Klee, Erbsen und Bohnen gehören zu diesen nosen). Bekanntere Vertreter dieser Familie pflanzlichen „Düngerfabriken“ und werden sind die Erbsen, Kichererbsen und Erdnüsse. in Deutschland schon seit langem angebaut. Anders als die mehrjährigen Lupinen, die Die Leguminosen haben dabei einen vor allem bei Hobbygärtnern als Zierpflanzen Doppelnutzen: Die unterirdischen Knöll- beliebt sind, und die sich als verwilderte Ex- chenbakterien liefern dem Boden einen op- emplare auch gerne an Straßenböschungen timalen Gründünger und die oberirdischen ansiedeln, sind die Blauen Lupinen einjäh- Körner sind ein gutes „Futter“ für Mensch und rige Pflanzen. Der Landwirt muss sie jedes Tier. Erbsen und Bohnen sind sowohl auf dem Jahr, wie Getreide, neu aussäen. Die Aussaat Acker als auch im Garten wichtige Kulturen, erfolgt im Frühjahr, oft Anfang April. Die Lu- die sich gut trocknen und konservieren lassen. pinen benötigen zunächst ein wenig Starthil- Sie haben deshalb bereits seit vielen Jahrtau- fe in Form mechanischer Unkrautregulierung senden Mensch und Vieh mit wertvollem Ei- durch den Striegel, um gegen die konkurrenz- Blaue Lupinen auf Hof Tütsberg weiß gerade auch im Winter versorgt. kräftigeren Beikräuter zu bestehen. Nach dem Im Zuge der Diskussionen um den globa- Auflaufen benötigen die Pflanzen lediglich et- len Wandel, Klimaveränderungen, Artenster- was Schwefel und Kali (auf den Heideböden Lupinen ben und Blütenarmut sind die Leguminosen seit einigen Jahren wieder in den Fokus von Landwirten, Pflanzenzüchtern und Lebens- ca. 2 dt/ha Kalimagnesia), sind ansonsten je- doch weitgehend autark und werden auf Hof Tütsberg auch nicht bewässert. mittelindustrie geraten. Nach dem Abreifen finden sich im August Die einheimische Landwirtschaft, ins- in den länglichen Hülsen mehrere rundliche besondere die flächenunabhängige Verede- oder leicht platte Samen, die getrockneten Das weiße Gold des Öko-Landbaus lungswirtschaft im Nordwesten Niedersach- Erbsen sehr ähnlich sehen. SEITE 2 AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247 AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247 SEITE 3
werks Demonstrationsbetriebe Ökologischer Landbau: Sie bündeln Expertise über Beson- derheiten, Vorzüge und Herausforderungen des Ökolandbaus und öffnen ihre Höfe für alle Interessierten, bieten Dialog und Vernet- zung. Auf Hof Tütsberg besuchen jährlich rund 15 – 20 Gruppen die Veranstaltungen des De- mohofs: Die Besuchergruppen reichen dabei von den örtlichen Kindergärten und Schulen bis zu Studierenden und Experten aus Hoch- schulen und Forschungseinrichtungen aus ganz Deutschland und den Nachbarländern. Besonderes Interesse haben die Gäste dabei häufig an den eher exotischen Anbau- Lupinenpflanze zu Beginn der Blüte Kräftige Pfahlwurzel mit Knöllchenbakterien früchten, die auf Hof Tütsberg kultiviert wer- den, neben Buchweizen und Inkarnatklee Die wilden Vorfahren der Blauen Lupi- letzten Jahren einen festen Platz in der Frucht- Über mehrere Jahre hat sich der Land- eben auch Lupinen. nen haben ihre Heimat im Mittelmeerraum. folge erobert. Sie werden etwa 40 bis 80 cm schaftspflegehof Tütsberg an der praktischen Die Lupinen werden von Hof Tütsberg in- Sie wachsen gerne auf sandigen, kalkarmen hoch. Die hier abgebildete Sorte „Boruta“ ist Forschung und Entwicklung des Lupinen- zwischen im Vertragsanbau als zertifiziertes Böden und kommen deshalb mit den Boden- eine sogenannte endständige Sorte und trägt Anbaus in Deutschland aktiv beteiligt und Saatgut vermehrt und über die regional tätige verhältnissen in der Lüneburger Heide gut am Ende des Triebs die charakteristischen Flächen für Anbauversuche zur Verfügung Vermarktungsorganisation „Ökokorn Nord“, zurecht. Lange Zeit fristeten die Lupinen ein Schmetterlingsblüten. gestellt. Hof Tütsberg war dabei von 2014 bis einen wirtschaftlichen Verein norddeutscher Schattendasein, weil die Wild- und Garten- Die Knöllchenbakterien der Lupinen 2019 aktiver Partner im sogenannten „Lupi- Bio-Landwirte, vermarktet. formen „Lupinin“, einen giftigen Bitterstoff, binden Stickstoff aus der Bodenluft, den die nen-Netzwerk“ des Bundesamtes für Ernäh- Ein Teil der Ernte verbleibt jedes Jahr auf enthalten. Pflanzen brauchen, um ihre Biomasse zu ent- rung und Landwirtschaft (BLE). Forscherinnen Hof Tütsberg und wird im Winter als Futter für Erst durch die verstärkte Arbeit der Pflan- wickeln. Lupinen sind deshalb, ähnlich wie und Forscher des Netzwerkes haben regelmä- die Heidschnucken und Ziegen des VNP ge- zenzüchter seit den 1930er Jahren sind in den Klee, Erbsen und Bohnen unabhängig von zu- ßig die Lupinenschläge von Hof Tütsberg un- nutzt. Der hohe Eiweißgehalt macht die Lupi- letzten Jahrzehnten bitterstofffreie Lupinen- sätzlichem Stickstoffdünger. Sie können unter tersucht und Erntegut beprobt. nen während der Lammzeit zu einem wertvol- sorten, sogenannte „Süßlupinen“ entstanden, optimalen Bedingungen bis zu 100 kg Stick- Auf Hof Tütsberg wurden auch sogenann- len Kraftfutter für die säugenden Mutterschafe die nun bedenkenlos für die Eiweißversor- stoff pro Hektar erzeugen, was einer guten ten Sortendemonstrationen angelegt. Die und -ziegen. Der Eiweißgehalt ist mit dem der gung von Nutztieren eingesetzt werden kön- Düngerleistung entspricht. Die langen Wur- Pflanzenzüchter interessieren sich dabei für Sojabohne vergleichbar und übertrifft die Ge- nen. Die modernen Sorten eignen sich nach zeln durchdringen auch verdichtete Boden- die Entwicklung ihrer Sorten im Praxisanbau. halte von Erbsen und Bohnen deutlich. entsprechender Aufbereitung auch für die schichten gut und erzeugen so eine günstige Im Vordergrund stehen auf Hof Tütsberg die Durch den eigenen Anbau von Lupinen menschliche Ernährung. Die relativ robusten Bodenstruktur. Schmalblättrigen Lupinen. ist Hof Tütsberg unabhängig von den um- und gegen Pflanzenkrankheiten wie Anthra- Nach dem Abreifen der Körner können die Aktuell beteiligt sich das Team von Hof strittenen Futterzukäufen aus Schwellen- und knose resistenten Blauen Lupinen gedeihen Lupinen wie Getreide problemlos und wirt- Tütsberg als sogenannter „Demonstrations- Entwicklungsländern. Transporte werden ver- dabei, anders als z.B. die Sojabohnen, auch schaftlich mit dem Mähdrescher gedroschen betrieb für ökologischen Landbau“ des BLE mieden, und der Nährstoffkreislauf des Land- im manchmal ungemütlichen Klima des nord- und geerntet werden. Die abgereiften, aus- daran, Praxiswissen und Anbauerfahrungen – schaftspflegehofes bleibt geschlossen. deutschen Sommers gut und zuverlässig. gedroschenen Pflanzenteile verbleiben nach z.B. über den Leguminosenanbau - an interes- Über die Jahre hat sich noch ein weite- dem Drusch auf dem Acker und werden als sierte Laien, aber auch an Praktiker weiterzu- rer Vorteil des Lupinenanbaus gezeigt. Bis vor Lupinen-Anbau auf Hof Tütsberg wertvoller Gründünger untergepflügt. Sie rei- geben. wenigen Jahren wurden auf Hof Tütsberg in Blaue Lupinen werden auf Hof Tütsberg chern die Humusschicht des Ackerbodens mit Aber auch allgemeine Einblicke in eine großem Umfang Körnererbsen als Kraftfutter bereits seit 2009 angebaut. Zunächst nur Stickstoff an. Deshalb werden Lupinen auch nachhaltige Landwirtschaft bieten die rund für die Schafe angebaut. Diese Ackerfrüchte versuchsweise gedrillt, haben sie sich in den als sogenannte „Stickstoffmehrer“ bezeichnet. 290 Bio-Betriebe des bundesweiten Netz- sind leider nicht nur bei Schafen, sondern in SEITE 4 AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247 AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247 SEITE 5
Saatgutvermehrung von Lupinen auf Hof Tütsberg besonderem Maße auch bei Wildschweinen schnucken im Vordergrund. Die Lupinen sor- sehr beliebt. Durch das extreme Anwachsen gen für gesunde, leistungsfähige Mutterschafe der Wildschweinpopulation in den letzten und gutgenährte Lämmer. Diese pflegen die Jahren ist der Anbau von Erbsen auf Hof Tüts- historische Kulturlandschaft der Lüneburger berg leider nicht mehr möglich. Regelmäßig Heide, so wie sie es schon seit Jahrtausenden haben die schlauen Wildschweine die frisch tun. Die schöne Farbe der blühenden Lupi- gedrillten Ackerflächen regelrecht „versaut“. nenfelder bereichert außerdem die Lünebur- Ein Anbau von Erbsen wäre aktuell nur noch ger Heide um bislang eher unbekannte Farb- mit einer Schutzeinzäunung möglich und da- nuancen! mit wirtschaftlich nicht mehr darstellbar. Dr. Heike Brenken Die Lupine steht dagegen bislang nicht im Focus der Wildschweine. Der kleine Rest Hof Tütsberg, noch vorhandener Bitterstoffe scheint auszu- 29640 Schneverdingen reichen, um die Lupinen von der Speisekarte der „Borstentier“ zu streichen. Neben der Verwendung als Tierfutter hat Zum Weiterlesen: sich die Lupine in den letzten Jahren auch https://lupinen-netzwerk.de/ einen immer größer werdenden Markt in der http://lupinenverein.de/ vegetarisch / veganen Küche erobert. Durch https://de.wikipedia.org/wiki/Blaue_Lupine den züchterischen Fortschritt und neue Pro- www.demonstrationsbetriebe.de duktionsverfahren der Lebensmittelindustrie wird z.B. seit einigen Jahren das Tofu-ähnliche Produkt „Lopino“ erzeugt und angeboten. Au- ßerdem wird Lupinenmilch als Alternative zur Kuhmilch sowie Lupinen-Kaffee als Ersatz zu Gersten- oder Bohnenkaffee produziert. Auf Hof Tütsberg steht allerdings nach wie vor der Konsum der Lupinen durch die Heid- Versuchsfläche für Lupinen auf Hof Tütsberg SEITE 6 AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247 AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247 SEITE 7
Das Ziel: Wildbret soll noch mehr in den Im Restaurant des Hotel Hof Tütsberg ha- Fokus der Verbraucher gerückt werden, so ben Wildgerichte einen hohen Stellenwert. der Wunsch von Landwirtschaftsministerin Unsere Gäste finden Wild ganzjährig auf der Barbara Otte-Kinast, die die Veranstaltung er- Speisekarte, und es wird zunehmend für Me- öffnete und an einem Podiumsgespräch teil- nüs bei Feierlichkeiten gewünscht. In Kom- nahm. „Im Durchschnitt essen die Deutschen bination mit den saisonalen Gemüsesorten rund 250 - 300 Gramm Wildbret pro Jahr. Da bekommt das Wild je nach Jahreszeit einen ist noch Luft nach oben“, so die Ministerin. individuellen geschmacklichen Charakter. Die enorme Resonanz auf die Veranstal- tungseinladung unter den erschwerten Bedin- gungen der Corona-Pandemie zeigt, wie groß „Es gibt kein Tier und kein Fleisch, das Interesse an dem Thema ist. welches natürlicher aufwächst In der von Dr. Christian Schmidt von der Marketinggesellschaft der niedersächsischen als Wild. Jeder sollte es zu Hause Land- und Ernährungswirtschaft moderierten mindestens einmal in der Woche Podiumsdiskussion, aber auch bei vielen Ge- sprächen an den Infoständen wurde klar, dass essen. Es gibt unendlich viele das Potenzial des nachhaltig in der Region Variationen und Ideen. Wenn Sie erzeugten Lebensmittels Wildbret in der Ver- marktung an den Endverbraucher bei weitem Wild essen, essen Sie die pure Natur noch nicht ausgeschöpft ist. „Wir müssen viel in ihrer reinsten Form!“ mehr darüber reden, was wir mit Wildbret alles machen können“, so Otte-Kinast. Die Daniel Pompetzki, Ministerin regte an, das Thema „Kochen mit Küchenchef Hotel Hof Tütsberg Wild“ stärker als bisher in den sozialen Me- dien zu platzieren, um besonders auch junge Menschen zu erreichen. Jäger und regionale Fleischereifachbetriebe in Verbindung mit Fotos: Marketinggesellschaft/Markus Tiemann leistungsfähigen Handelsmittlern sei- en ideale Partner, um den Endver- braucher buchstäblich auf den Wildvermarktung Geschmack zu bringen. Mit „Wild serviert“ ha- ben die Veranstalter einen Barbara Otte-Kinast ruft zu besserer Vernetzung wichtigen Impuls gesetzt, der zu einer Win-Win- zwischen Jägern, Händlern und Fleischern auf Situation für die gesam- te Wertschöpfungskette führen kann. Barbara Rund 100 Fleischer, Direktvermarkter und Jäger aus ganz Niedersachsen Otte-Kinast: „Unser An- gebot heute: Lassen Sie haben sich Anfang September auf Hof Tütsberg in Schneverdingen-Heber uns noch bessere Netz- getroffen, um sich unter dem Motto „Wild serviert“ über die Verbesserung der werke gründen, damit jedes erlegte Tier auch auf Vermarktung von heimischem Wildbret auszutauschen. dem Teller landet.“ SEITE 8 AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247 AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247 SEITE 9
Das Projekt „ÖkoKult“ Damit das Naturschutzgebiet Lüneburger Seit 2016 arbeiten die Praktikerinnen und Heide und andere Heidelandschaften auch Praktiker der VNP Stiftung Naturschutzpark weiterhin eine blütenreiche, „lila Zukunft“ Lüneburger Heide (VNP) und die Forsche- haben, ist es wichtig, die praktischen Natur- rinnen und Forscher der Leuphana Univer- schutzarbeiten und die dazugehörigen Ma- sität sowie weitere Wissenschaftsteams von nagementmaßnahmen weiterzuentwickeln, der Hochschule für nachhaltige Entwicklung denn Heide gibt es nur, wenn Heidschnucken Eberswalde und dem Kompetenzzentrum die Pflanzen regelmäßig verbeißen und Hei- Ökolandbau im Projekt „ÖkoKult“ zusam- debauern oder Naturschützer in gewissen men. Abständen auch den Boden unter den Hei- Im Projekt ÖkoKult konnte eine Reihe depflanzen kräftig maschinell bearbeiten. von neuen Naturschutzmaßnahmen erprobt Deshalb experimentiert der VNP ständig mit und umgesetzt werden, die die Heide zu- neuen Maschinen und Methoden zur Heide- kunftsfähig machen sollen. Das Vorhaben pflege. wird gefördert im Rahmen der gemeinsamen Förderinitiative „Forschung zur Umsetzung der Nationalen Biodiversitätsstrategie“ durch Vermoosung stoppen! das Bundesministerium für Bildung und For- schung (BMBF) sowie das Bundesamt für Seit einigen Jahren bedroht eine schlei- Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesmi- chende „Vermoosung“ die Lüneburger Heide. nisteriums für Umwelt, Naturschutz und nuk- Zunächst noch im Verborgenen und bei den leare Sicherheit (BMU). meisten Gästen bislang noch nicht im Fokus, zeigt sich nun immer stärker, dass der offene Die Auszeichnung Sandboden unter den Heidepflanzen (Callu- Nach mehreren Jahren intensiver Arbeit na vulgaris) von einem dicken Moospolster bei Wind und Wetter in der Lüneburger Hei- überwuchert wird. So schön die Moose gera- de erhält das Naturschutzteam großes Lob de im Tau auch aussehen, für die Heidepflan- von höchster Stelle. ÖkoKult ist nun offiziell zen sind sie ein ernstzunehmendes Problem, ÖkoKult – Ausgezeichnet! ein: "ausgezeichnetes Projekt der UN-Dekade Biologische Vielfalt". Ihre Entscheidung begründete die Jury blockieren sie doch deren Kinderstuben. Hei- dekraut kann sich über lange Zeit aus Stock- ausschlägen quasi aus sich selbst erhalten, die damit, „dass das interdisziplinäre Forschungs- Botaniker sprechen hier von einer vegetativen projekt wertvolles neues Wissen zur Siche- Vermehrung. Die Heidepflanze hat sich über Naturschutzprojekt von VNP und Leuphana Universität rung der Ökosystemleistungen von histori- Jahrtausende an Heidebauern und ihre Ha- schen Kulturlandschaften im Zusammenhang cken, die sogenannten Plaggen, und an die als UN-Dekade-Projekt ausgewählt mit der für sie typischen Biodiversität liefert Mäuler der hungrigen Heidschnucken ange- und neue, wertvolle Managementmaßnah- passt. men entwickelt“. Aber im Abstand von einigen Jahren muss Globale Veränderungen wie der Klima- sich das Heidekraut immer einmal wieder wandel bringen nicht nur Land- und Forstwirt- auch über Samen, d.h. generativ, verjüngen schaft in Bedrängnis. Auch der Naturschutz können. Nur über den „echten“ Nachwuchs, selbst muss sich auf bisher unbekannte Pro- das heißt Jungpflanzen aus Sämlingen, kann bleme, wie extreme Dürrejahre, heftige Som- die Gesamtheit der Pflanzen, die sogenann- merstürme und Veränderungen im Zusam- te Population, ihre genetische Vielfalt ent- menleben von Tieren und Pflanzen einstellen. wickeln und erhalten. Und diese Vielfalt ist SEITE 10 AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247 AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247 SEITE 11
Detailaufnahme Entmoosungsmaschine Entmooste Fläche in der zweiten Vegetationsperiode nach der Maßnahme Foto: D. Walmsley wichtig, um sich langfristig an veränderte ÖkoKult-Projekt von den Lüneburger Fach- Umweltverhältnisse anzupassen. Gerade in leuten erforscht. Sicher ist jedenfalls, dass das Zeiten des globalen Wandels ist es überle- Moos entfernt werden muss, wenn die Heide bensnotwendig, dass immer wieder kräftige auch in Zukunft lila blühen soll! junge Heidepflänzchen gedeihen können, die Seit 2019 liegt nun der Prototyp einer ro- vielleicht das Potenzial haben, starke Hitze busten Entmoosungsmaschine vor. Entwickelt oder gefräßige Heideblattkäfer besser zu er- hat sie der Projektmitarbeiter und Chef-Land- tragen als die Elterngeneration. schaftspfleger des VNP, Dirk Mertens, zusam- Und hier versperrt nun das Moos die Zu- men mit einem Team aus Landmaschinenbau- kunft der Heidepflanzen. Der dicke Moostep- ern und Landwirten. pich verwehrt den Heidesamen schlicht weg Die neue Entmoosungsmaschine funktio- den Weg in den Boden. Auf dem Moospolster niert wie eine Kombination aus überdimen- vertrocknen die Keimlinge, weil ihre Wurzeln sionierter Fusselbürste und Staubsauger. Sie keinen Zugang zum Boden bekommen oder passt sich der Oberfläche des Bodens flexibel die Samen werden gleich vom Winde ver- an. Der Arbeitsfortschritt ist hoch und das Ar- weht. beitsbild gut: Warum die Moospolster immer größer Wenn das ausgekratzte Moos abgetrock- und dicker werden und wie sie sich im De- net ist, kann der „Saugcontainer“ das aus dem tail auf Boden, Grundwasser und die Heide- Heidekraut herausgekämmte Moos absaugen. Die neue Entmoosungsmaschine bei der Arbeit Foto: D. Walmsley pflanzen auswirken, wird derzeit ebenfalls im Der organische Inhalt des neuen Riesenstaub- SEITE 12 AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247 AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247 SEITE 13
saugers wird dann auf den Äckern des stif- werden, damit sie dann in Zukunft auch als tungseigenen Landschaftspflegehofs Tütsberg potenzielle Spenderflächen dienen könnten. ausgebracht. Von diesen Flächen wird etwas Oberboden Im Gegensatz zur bislang in der Heide- entnommen und auf die artenarmen Empfän- pflege eingesetzten „Schoppermaschine“ gerflächen aufgebracht. bleiben die Heidepflanzen auf der Fläche Erste Versuche zur Wiederansiedlung von erhalten, gleichzeitig wird sehr viel Biomasse seltenen Ackerwildkräutern auf bislang arten- und damit der darin gebundene Stickstoff aus armen Empfängerflächen zeigen insbeson- der Fläche entfernt und Rohboden zwischen dere in diesem Jahr sehr schöne Ergebnisse. den Heidepflanzen freigelegt. Die Heide kann Nach den Dürrejahren 2018 und 2019 waren sich somit nach der Behandlung mit der Ent- die Niederschläge 2020 gerade noch ausrei- moosungsmaschine vegetativ und generativ chend, um auf den Ackerflächen des Land- vermehren, was eine deutlich größere Sicher- schaftspflegehofs Tütsberg die unterschied- heit gegenüber ungünstigen Witterungsbedin- lichsten Kräuter zum Blühen zu bringen. gungen schafft. Zudem hofft der VNP, dass die größere Strukturvielfalt zu einer Erhöhung der Biodiversität der Insekten führt. Übergänge schaffen Ein drittes Ziel des ÖkoKult-Projektes ist Blütenreichtum fördern! es, die großen offenen Heideflächen im Zen- trum des Naturschutzgebietes besser mit den Die Lüneburger Heide leidet - wie viele kleineren, randlich liegenden Heideinseln zu andere Kulturlandschaften auch - unter einem vernetzen. Viele Arten, seien es Vögel, seien starken Rückgang von Brutvögeln (insbeson- es Insekten, scheitern bei ihren Wanderungen dere Bodenbrütern). Als ein wesentlicher an „harten“, d.h. abrupten und senkrechten Grund für die Verluste wird der Mangel an Kanten, wie sie aus Sicht der Tiere die aktuel- Nahrungsquellen diskutiert. Insbesondere die len Waldgrenzen darstellen. relative „Blütenarmut“ sowohl der Heideflä- Sowohl in Naturlandschaften, als auch chen als auch der Acker- und Grünlandflä- in der historischen Kulturlandschaft waren chen über lange Zeiten des Jahres führt dazu, die Übergänge von Offenland zu Wald im- dass Nahrungsketten zusammenbrechen. mer fließend. Waldränder waren von breiten Ohne Blütenpflanzen fehlen sowohl die Sa- Strauch- und Krautsäumen umgeben. Weide- men, von denen sich viele Vögel ernähren, als tiere haben dafür gesorgt, dass die Waldgren- auch die Insekten, die viele Blüten bestäuben zen in der Waagerechten eher wellenförmig und ihrerseits wiederum Nahrungsquelle für und in der Senkrechten eher abgestuft waren. Vögel sind. So konnten Offenlandarten entlang von son- Ein weiteres Ziel des ÖkoKult-Projektes nigen, lichten Korridoren weiter tief in die ist es, die relative „Blütenarmut“ des Untersu- Wälder wandern und neue Offenlandberei- chungsgebietes durch die Wiederansiedlung che besser erschließen. Heute ist dieser natür- von ortstypischen und zum Teil stark gefähr- liche Biotopverbund an vielen Stellen durch deten Pflanzenarten zu steigern. Um dieses dunkle, schattig-dichte Wälder unterbrochen. zu erreichen, soll die Wildkräutervielfalt auf Durch das ÖkoKult-Projekt war es mög- bisher artenarmen Ackerflächen erhöht wer- lich, im Bereich der Scharrler Heide dichte den. Zudem sollen bereits artenreichere Äcker Kiefernforste aufzulichten, um langfristig wie- Blütenreiche ÖkoKult-Versuchsfläche in Bockheber Foto: J. Daniels und Magerrasenflächen weiter aufgewertet der an das historische Vorbild anzuschließen. SEITE 14 AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247 AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247 SEITE 15
Die stark durchforsteten Bereiche sollen sich langfristig in lichte Wälder mit großkronigen Eichen und Kiefern und einer dichten Boden- vegetation aus Heidekraut und Blaubeeren entwickeln. Nach drei Jahren intensiver Forschungs- und Entwicklungstätigkeit im NSG Lünebur- ger Heide konnte der VNP einige neue Na- turschutzmethoden entwickeln und erproben, die nun immer mehr zur Routine werden und in der historischen Kulturlandschaft eingesetzt werden. Dr. Heike Brenken Weitere Informationen Aufgrund der Einschränkungen durch die Co- rona-Pandemie kann das VNP-Team in dieser Vegetationszeit leider keine öffentlichen Vor- träge oder Führungen zu den Versuchsflächen anbieten. Interessierte können sich einige Ergebnisse des sehr vielfältigen ÖkoKult-Pro- jektes aber ganz bequem auch von zu Hause ansehen: https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/ hallo_niedersachsen/Heidschnuckenweg-Na- turidylle-und-Forschungsfeld,hallonds60256. html Hier werden neue Heide-Wald-Übergänge geschaffen www.oekokult.de Hier werden neue Heide-Wald-Übergänge geschaffen Foto: D. Walmsley Das Verbund-Vorhaben mit dem Titel „Sicherung der Ökosystemdienstleistungen und Biodiversität von extensiv bewirtschafteten Kulturlandschaften (ÖkoKult)” wird im Rah- men der gemeinsamen Förderinitiative „Forschung zur Umsetzung der nationalen Biodi- versitätsstrategie” (F&U NBS) durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und das Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) gefördert. SEITE 16 AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247 AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247 SEITE 17
AU S D E R S C H U T ZG E B I E T S B E T R E U U N G Vorstellung Artenerfassung: Neue Mitarbeiterin Beispiel Nachtfalter Seit dem ersten September hat Farina Stu- Die Erfassung diverser Artengruppen ist cke die Elternzeitvertretung für Stella Weber für die Beschreibung und Bewertung von Le- in der Schutzgebietsbetreuung übernommen bensräumen und ihren Entwicklungsperspek- und ergänzt das Team der Naturschutzfachli- tiven elementar. Finanziert durch das Land chen Vor-Ort-Betreuung der VNP Stiftung Na- Niedersachsen wird im Jahresverlauf das Ar- turschutzpark Lüneburger Heide. teninventar des NSG von der Schutzgebiets- Frau Stucke kommt ursprünglich aus der betreuung umfangreich erfasst. Erkenntnisse Heide, hat nach ihrem Master-Biologiestudi- über das vorkommende Artenspektrum bilden um in Hamburg in Dithmarschen gearbeitet eine gute Datengrundlage für die Planung von und kommt jetzt zurück in ihre Heimat. Pflegemaßnahmen, um Lebensräume bedroh- Zu ihren ersten Aufgaben zählt die maß- ter Arten zu sichern. nahmenbezogene Erhebung wertgebender So werden in diesem Sommer aktuell Arten insbesondere von Heuschrecken und regelmäßige Nachtfänge zur Erfassung von Tagfaltern im Pietzmoor. Die dortige Arter- Nachtfaltern durchgeführt und die vorkom- fassung stellt die Auswirkungen der vor Ort menden Arten dokumentiert. Da die Flächen erfolgten Hochmoor-Renaturierungsmaßnah- in Heide und Offenland ein sehr spezialisier- men dar. Im weiteren Verlauf wird Frau Stucke tes Artenspektrum bereitstellen, finden sich weitere maßnahmenbezogene Kartierungen auch immer wieder Experten von außerhalb wertgebender Arten wie beispielsweise die für die Begleitung der Erfassung. Gerd Lauszus (links) und Erwin Hassler feiern in diesem Jahr ihr Dienstjubiläum Dokumentation von Fledermäusen in Wald- Ein schönes Beispiel für Arten, die von der Heide-Übergangsbereichen begleiten. Ferner Entwicklung der Hutewälder im Gebiet profi- wird sie sich u.a. in die Öffentlichkeitsarbeit tieren, ist Callopistria juventina, die einbringen. In Hinblick auf den kommen- hübsch gefärbte Adlerfarneu- Zwei Dienstjubiläen beim VNP den Herbst und die ersehnte Lockerung von le. Ihre Raupe ernährt sich Corona-Maßnahmen erhofft sich die Schutz- fast ausschließlich vom Am 01. Mai 2020 feierten zwei Mitarbeiter Erwin Hassler gehört seit 25 Jahren zum gebietsbetreuung eine Fortführung von all- Adlerfarn und toleriert der VNP Stiftung Naturschutzpark Lünebur- Team des VNP. Sowohl in der Forstwirtschaft jährlich stattfindenden Entkusselungsaktionen die giftigen Inhalts- ger Heide ihr Betriebsjubiläum. als auch in der Landwirtschaft und Offen- und Erfassungsaktionen von Birkhuhn-Gestü- stoffe der Pflanze. Gerd Lauszus ist nun seit 40 Jahren beim Ver- landpflege ist er als routinierter Maschinist ber, die im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit Sie helfen ihr, sich ein und seiner dazugehörigen VNP Stiftung überall einsetzbar. unter Einbezug von Schulklassen lokaler Part- gegen Fressfeinde beschäftigt. Während dieser Zeit war er dank nerschulen erfolgen. zu schützen, sodass seiner vielen Talente schon in diversen Berei- sie gelegentlich auch chen tätig: Gebäudeverwaltung, Heidepflege Wir gratulieren! Die Naturschutzfachliche Vor-Ort-Betreuung tagsüber ungeschützt und Heizungsbetreuung gehörten z.B. dazu. des Natura 2000-Gebietes Lüneburger Heide auf ihrer Wirtspflanze zu wird im Rahmen der NAL-Richtlinie des finden ist. Landes Niedersachsen gefördert. SEITE 18 AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247 AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247 SEITE 19
AU S D E R S C H U T ZG E B I E T S B E T R E U U N G Das Orchester der Heuschrecken wird vor schaften nur noch sehr spärlich besetzt wer- allem durch Streicher gebildet. Zwei Techni- den. ken konkurrieren hierbei je nach Standort. Feldheuschrecken haben kurze Fühler und sind von Haus aus Vegetarier. Sie erzeugen Die spezifischen Biotopansprüche ihre rhythmischen Klänge durch ein Streichen vieler Arten werden vielerorts nicht der Hinterbeinschenkel entlang der mit klei- nen Zahleisen besetzten Außenkanten der mehr erfüllt. Flügel. Laubheuschrecken und Grillen mögen es etwas deftiger. Neben pflanzlicher Kost Arten wie Sumpfschrecke, Sumpfgrashüp- stehen auch andere Insekten auf dem Spei- fer, Kurzflügelige Schwertschrecke oder Gold- seplan. Sie erzeugen ihre Klänge durch ein schrecke fehlt das Wasser in der Landschaft. Übereinanderreiben der beiden Flügel. Versumpfte oder vermoorte Wiesen und Bra- Eine kleine Ausnahme, die jedoch nur chen sind heute selten! Im Naturschutzgebiet wenige von uns aufgrund der Frequenz je zu sind diese Arten hingegen noch an vielen hören bekommen, bilden die Musiker der Ei- Punkten zu beobachten. chenschrecken. Sie trommeln ihren Takt auf Blättern. Ein weiterer, sehr spezifischer Ton Auch das gegenteilige Extrem - trocken- entsteht beim ruckartigen Schleudern der heiße Flächen mit spärlicher Vegetation - fin- Hinterschenkel durch die Sumpfschrecke. Er det sich heute nur noch selten. Innerhalb der ähnelt dem Knacken eines elektrischen Wei- Heidelandschaft können an solchen Standor- dezaunes. ten Arten wie die Blauflügel-Ödlandschrecke, Wie auch immer die Melodie entsteht, der Kleine Heidegrashüpfer oder der Rot- sie ist für jede Heuschreckenart typisch und leibige Grashüpfer beobachtet werden. Im sollte, wenn sich der Herr richtig ins Zeug Gegensatz zum allgemeinen Trend konnten legt, für die Dame unwiderstehlich wirken. diese Arten sehr durch die Intensivierung der Heuschrecken sind wie alle Insekten wech- Landschaftpflege seitens des VNP ab der Jahr- selwarm und so legt sich erst bei höheren tausendwende profitieren. Gegenüber den Er- Temperaturen eine Sommermelodie über die fassungen in den 1990er Jahren, wo diese Ar- Landschaft. Das Weibchen antwortet auf den ten in der vergrasten und verfilzten Heide nur Gesang in vielen Fällen eher zurückhaltend. in kleinen Reliktpopulationen nachgewiesen Eine kleine Gruppe der Heuschrecken, werden konnten, sind sie heute recht flächig Sommermelodie die Dornschrecken, scheint ein Schweigege- lübde abgelegt zu haben. Diese besonders kleinen Heuschrecken, die im Gegensatz zu anzutreffen. Die Westliche Beißschrecke, ebenfalls ihren Kollegen auch mitten im Winter ange- eine Art mit hohen Wärmeansprüchen, konn- troffen werden können, sind nie zu verneh- te sich erst nach der Jahrtausendwende wie- Wanderer, die in den vergangenen Wochen im Naturschutzgebiet unterwegs men. Auch auf den Ruf der Ödlandschrecken der im Schutzgebiet ansiedeln. Ihre Vorkom- wird man vergeblich lauschen, wenn diese men sind auch heute noch weitgehend auf waren, konnten es wieder genießen - das Sommerkonzert der Heuschrecken. auch beim Auffliegen ein charakteristisches die ehemaligen militärischen Übungsflächen Die heißen Tage veranlassten die Tiere zu einem Flügelknistern erklingen lassen. In den ver- sowie auf einzelne Areale, die durch tiefes gangenen Jahren konnten die Orchester für Plaggen ausgehagert wurden, beschränkt. fulminanten auditiven Spektakel. ein vielstimmiges Konzert in vielen Land- Diese Art ist etwas frostempfindlich, so dass SEITE 20 AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247 AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247 SEITE 21
die Population nach kalten Wintern deutlich trockenen Brachen und entlang der Bahnglei- zurückging und zunächst nur noch Flächen se zwischen Schneverdingen und Handeloh mit Windschutz an sonnigen Rändern von vertreten und gehörte noch vor wenigen Jah- Gehölzen besiedelt wurden. ren wohl nicht zur Fauna des Schutzgebietes. Andernorts sorgt die gute Versorgung mit Etwas Nachhilfe bei der Wiederbesied- Stickstoff in vielen Grünlandbeständen für lung des Naturschutzgebietes erhielt die einen sehr dichten Grasaufwuchs. Licht fällt Feldgrille durch den VNP. Im Rahmen eines kaum noch auf den Grund, es ist immer recht EU-geförderten Projektes wurde die Art vor feucht und vielfach werden entsprechende 10 Jahren mit etwa 80 Larven im Schutzge- Bestände auch noch mehrfach im Jahr ge- biet in der Nähe des Twieselmoores ausgewil- mäht. Selbst Arten, die sich an ähnliche Be- dert. Die nicht flugfähige Feldgrille war in den stände angepasst haben, wie der Gemeine 50er Jahren des vorherigen Jahrhunderts aus Grashüpfer, der Weißrandige Grashüpfer oder unbekannten Gründen in Niedersachsen fast (bei längeren Brachephasen) Roesels Beiß- flächig ausgestorben. 2020 konnten zwischen schrecke können hier kaum hoch tragfähige Oberhaverbeck, der Benninghöfener Heide Populationen ausbilden. und dem Handorfer Weg Hunderte von Feld- grillen beobachtet oder durch ihren lauten Gemeine Eichenschrecke Leichter haben es Arten, die auch Bäume Gesang identifiziert werden. Auch im Raden- (Meconema thalassinum) und Sträucher als Lebensraum nutzen. So er- bachtal riefen erste Tiere, die möglicherweise klingt auch in den Innenstädten in lauen Som- mit Futterballen für die Rinder hierher ver- Heideschrecke mernächten häufig der laute Gesang des Gro- schleppt wurden. (Gampsocleis glabra) ßen Grünen Heupferdes. Die Strauchschrecke zeigte bis vor wenigen Jahren eine eigentüm- Weniger erfolgreich war die Wiederan- Feldgrille (Gryllus campestris) liche Verbreitungslücke in der Hohen Heide: siedlung der Heideschrecke, die parallel mit Weite Teile Niedersachsens waren durch die- der Feldgrille erfolgte. Bis heute stridulieren Gefleckte Keulenschrecke se Art besiedelt, während im NSG im Rahmen aber wenige Einzeltiere in ungeraden Jahren (Myrmeleotettix maculatus) der umfangreichen Erfassungsarbeiten für den am Auswilderungsort. Die Heideschrecke hat Pflege- und Entwicklungsplan kein Tier dieser in der Regel eine zweijährige Entwicklungs- Blauflügelige Ödlandschrecke Art verhört werden konnte. Heute ist das kur- phase. Die extrem seltene Heuschreckenart (Oedipoda caerulescens) ze Tschirpsen der Strauchschrecke fast überall scheint auf Feuer im Flächenmanagement im Schutzgebiet kurz vor oder nach Sonnen- angewiesen zu sein und kommt heute in untergang in den Waldsäumen zu verneh- Deutschland nur noch auf den militärischen men. Nur die westlichsten Bereiche scheinen Übungsflächen östlich des Schutzgebietes bisher noch nicht besiedelt. vor. Leider gelang es den wenigen ausgewil- derten Individuen bisher nicht, weitere Are- Eine Neubesiedlung, die wohl auf den Kli- ale zu besiedeln. Auch am Auswilderungsort mawandel zurückzuführen ist, erfolgte durch konnten 2019 nur drei rufende Individuen die Sichelschrecke. Diese Art trocken-warmer verhört werden. Brachen und leicht ruderalisierter Heiden trat im heißen Sommer 2007 wohl erstmalig im Auf kurzrasigen Sandmagerrasen des Schutzgebiet auf. Die gut flugfähige Art hat Schutzgebietes können kleine Feldheuschre- von Süden kommend heute bereits Schles- ckenarten wie der Wiesen-Grashüpfer, der wig-Holstein weitgehend besiedelt. Auch die Verkannte Grashüpfer, der Nachtigall-Gras- Punktierte Zartschrecke ist heute in einigen hüpfer und der Braune Grashüpfer beobach- SEITE 22 AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247 AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247 SEITE 23
tet werden. Diese Arten lassen sich optisch Magere Offenbodenbereiche werden oft schwer auseinanderhalten. Wie bei den im gesamten Naturschutzgebiet durch die Vögeln ist der Gesang aber für jede Art sehr Gemeine Dornschrecke besiedelt. Etwas spezifisch, so dass der geübte Kartierer sicher- anspruchsvoller zeigt sich die Säbeldorn- lich bessere Ergebnisse erzielt, wenn er dem schrecke, die nur in Bereichen mit langfristig Gesang lauscht, als bei dem Versuch, die ra- feuchtem Offenboden vorkommt. Beide Arten schen Hüpfer zu fangen und durch Vergleich können, wie die Sumpfschrecke, in der Eipha- des Verlaufes der Flügeläderung und der Form se eine mehrmonatige Überstauung überste- der Gehöröffnung zu bestimmen. hen, wie Vorkommen in den Winterteichen der Holmer Teiche belegen. Eine Besonderheit der Heuschreckenfauna des Naturschutzgebietes stellen auch die gro- Gerade nach Sommermonaten wie den ßen Warzenbeißerbestände dar, die erfreuli- zurückliegenden, macht der Gesang der cherweise vor allem in vielen der ehemaligen Heuschrecken bewusst, welches Glück wir Panzerübungsflächen, aber auch im Umfeld haben, eine Landschaft in einer Größe zu des Wilseder Berges, dort gern auf alten ver- erhalten, die darauf hoffen lässt, dass auch heidenden Ackerbrachen, bestehen. Diese Art nachfolgende Generationen die Vielfalt einer hat es nicht nur aufgrund ihrer Ansprüche an nur scheinbar kargen Landschaft mit allen Warzenbeißer (Decticus verrucivorus) magere Standorte mit geringen Moosauflagen Sinnen genießen können. heute vielfach besonders schwer. Auch ein Dirk Mertens Gemeiner Grashüpfer Mangel an Blütenvielfalt und in der Folge ein (Chorthippus parallelus) Insektenmangel sorgen vielfach für schlechte Lebensbedingungen. Sumpfgrashüpfer (Chorthippus montanus) Verkannter Grashüpfer (Chorthippus mollis) Gesucht: Der Buntbäuchige Grashüpfer Westliche Beißschrecke (Platycleis albopunctata) Während des diesjährigen Monitorings im Rahmen der Schutzgebietsbetreuung konnten bereits einige interessante Funde registriert werden, u.a. Oedipoda caerulescens (Blau- flügelige Ödlandschrecke) und Omocestus haemorrhoidalis (Rotleibiger Grashüpfer). Die erhoffte Zielart Omocestus rufipes (Buntbäuchiger Grashüpfer) konnte bisher noch nicht dokumentiert werden. Diese Art bevorzugt offene vegetationsarme Biotope und kommt im Bereich von Moorrändern, Moorheiden oder an Torfstichkanten vor. SEITE 24 AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247 AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247 SEITE 25
Viele Namen für einen Hof von Honstede, dass er vom Abt Werner und In Wilsede an der Straße Richtung Un- dem Kloster ein Gut in Wilsede auf Lebens- deloh liegen die beiden Hofstellen Nr. 3 und zeit verliehen bekommen hat. Dieser Ludolf, Nr. 4. Die hintere der beiden liegt malerisch der sich in anderen Urkunden auch als „von am seichten Hang des Bachtals der in diesem Selzingen“ bezeichnet, könnte seinen Sitz im Bereich entspringenden Schwarzen Beeke. nicht weit entfernten Hanstedt gehabt haben. Die sogenannte „Kote Rieckmann“ wurde zu Wahrscheinlich hatte er Verbindungen zum Ehren des langjährigen VNP-Architekten in Lüneburger Abt oder verwaltete dessen abge- den 1980er Jahren in Professor-Maetzig-Haus legene Besitzungen. Als Gegenleistung konn- umbenannt. Aber wie es so ist, neben diesen te er die Natural- und Zinsabgaben, die die beiden Namen wird der Hof auch noch nach Kote in Wilsede erwirtschaftete, für sich be- seinen ehemaligen Besitzern mal als „Kote halten, vorausgesetzt er blieb seinem Lehns- Rieckmann“, „Tönnshof“ oder als „Hell- herren, dem Abt, treu. mannshof“ bezeichnet. Weil der Sohn Pastor Danach verliert sich die Spur der Kote Bodes und seine Familie einige Jahre in dem wieder für lange Zeit und erst im 16. Jahrhun- Haus gelebt haben, wurde es in den 1960er dert tauchen die Abgaben der Kote wieder in Jahren auch „Bode-Haus“ genannt. den Registern der Klosterabtei auf. Hier wird Die Kote gehörte seit dem Mittelalter – wie dann auch der Name des auf der Kote wirt- auch der Hillmershof – dem Abt des Klosters schaftenden Bauern erwähnt: Tönnies Geller- St. Michaelis in Lüneburg. Wie die Klosterab- sen. Die Familie Gellersen taucht schon um tei in ihren Besitz kam oder wann die Kote 1450 als „van Geldersen“ ganz in der Nähe gegründet wurde, lässt sich nicht mehr nach- in Volkwardingen auf, so dass wir annehmen vollziehen. Die erste urkundliche Nachricht können, dass der Name von dort stammt. über die Hofstelle findet sich im Archiv des Ganz ursprünglich kam die Familie wohl aus Klosters und sie stammt aus dem Jahr 1324. In den Ortschaften rund um Kirchgellersen in der Urkunde bezeugt der Knappe Ludolphus der Nähe von Lüneburg. Die Hofstelle Wilsede Nr. 4 Einer der ältesten Heidebauernhöfe Wilsedes wird heute als Gästehaus genutzt Die Wilseder Hofstelle Nr. 4 im Jahr 1946, Zeichnung: J. Schierenberg, VNP-Archiv SEITE 26 AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247 AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247 SEITE 27
Ein Aufmass aus 1946 zeigt die teilweise Verkleidung des Gebäudes mit Eichenbohlen (links) und die ursprüngliche Ausstattung Blick über das Tal der Schwarzen Beeke auf den Hof Nr. 4. Im Jahr 1959 stand ein Schafstall noch direkt am Haupthaus Das Haupthaus außen über eine Tür erreichbar und diente als Das Innere der Diele ist auf einer Postkarte aus den 1950er Jahren festgehalten Das Bauernhaus stammt zu großen Teilen Lagerraum für alles Mögliche. noch aus der Zeit des Dreißigjährigen Krie- ges: 1642, also ein paar Jahre vor Friedens- Der ehemalige Schafstall schluss hatte Carsten Gellersen alle Gebäude Von den anderen neu errichteten Gebäu- auf dem Hof neu errichten lassen, außer dem den hat keines die Zeit überdauert. Allerdings Schafstall. So konnte sein Sohn Hans Geller- stand bis 1969 beinahe direkt vor dem Giebel sen 1663 bei seiner Eheschließung zu Recht des Bauernhauses der alte Schafstall der Kote. behaupten, der Hof sei in gutem Schick! Das Von ihm existieren noch Fotos und Zeichnun- Haus ist auch heute trotz einiger Umbau- gen, die einen Stall mit einseitiger sogenann- ten ein Beispiel für die alte Zimmermanns- ter Kübbung zeigen. D. h. an der Seite zur kunst der Lüneburger Heide. Ursprünglich Straße hatte der Stall eine hohe Traufe und an waren alle Außenwände mit Eichenbohlen der zur Straßen abgewandten Seite ein weit verkleidet, so wie es heute noch an Treppen- heruntergezogenes Dach, weil sich hier der speichern und Schafställen zu finden ist. Im niedrige Stallteil mit abgetrennten Buchten Inneren des Gebäudes zeugen die geschnitz- an das Hauptgerüst anlehnte. Bei genauer ten Kopfbänder im Flett noch heute vom Betrachtung der Gefügekonstruktion und der Gestaltungswillen des Bauherren. Auch die geschnitzten Knaggen kann man davon aus- profilierten Knaggen oder Konsolen am Wirt- gehen, dass Hans Gellersen die Mitgift seiner schaftsgiebel sollten dem Bauernhaus einen Braut dazu genutzt hat, den alten Schafstall repräsentativen Charakter verleihen – immer- relativ zügig durch einen Neubau zu ersetzen. hin am Ende einer 30 Jahre dauernden Kriegs- Das Gebäude wird wohl noch in den 1640er zeit. Der Wohnteil des Hauses besteht auch oder 1650er Jahren errichtet worden sein. heute noch bloß aus den Räumen im Erdge- Warum es trotz der weiträumigen Hofstelle schoss. Der Dachboden darüber war nur von mehr oder weniger direkt vorm Wirtschafts- SEITE 28 AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247 AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247 SEITE 29
giebel des Bauernhauses errichtet wurde, Das kleine, niedrige Gebäude hinter dem lässt sich nur vermuten. Die Gebäude stan- Borsteler Speicher wird in den frühen Versi- den sozusagen Giebel an Giebel. Vielleicht cherungsakten des 20. Jahrhunderts als Torf- konnte man so mit kurzen Wegen und fast speicher bezeichnet. Hier lagerte man also trockenen Fußes auch bei schlechtem Wetter Brennmaterial für den Herd und die Öfen des alle Hof- und Stallarbeiten erledigen. Es muss Hauses. Sein schlichtes Äußeres und die Ver- allerdings immer etwas umständlich gewesen wendung von relativ dünnen Eichenhölzern sein, wenn man mit den vollen Leiterwagen lassen eine Bauzeit um 1900 vermuten. die Getreidegaben und Heu auf den Dach- Ein wirklich seltenes Zeugnis vergange- boden des Hauses bringen wollte, denn dann ner Zeiten ist auch der kleine Bienenzaun musste man vermutlich durch den Schafstall am Giebel des Bauernhauses. Hier standen fahren. Als das Bauernhaus Ende der 1960er die Bienen vermutlich zum Überwintern und Jahre umgebaut wurde, musste der alte Stall damit man sie immer gut im Auge behalten abgerissen werden, weil er weniger als die konnte. Eigentlich konnte man sie sozusagen baubehördlich geforderten 10 m Abstand zu direkt aus dem Stubenfenster beobachten und dem Gebäude hatte. musste dazu nicht einmal vom warmen Ofen aufstehen. Weitere Gebäude Das Backhaus weiter vorne an der Straße Einen Speicher wird es auf der Hofstelle ist 1956 in Wichmannsdorf bei Bienenbüt- auch gegeben haben, denn er taucht in Ge- tel abgetragen worden, allerdings von vorne richtsakten des Klosters 1712 auf, die eigent- herein mit dem Zweck, als gut kaschiertes lich den Hillmershof Wilsede Nr. 1 betreffen. Transformatorenhäuschen für den Wilseder Dort werden alte, längst zurückliegende Straf- Stromanschluss hier in zentraler Lage auf der Der Treppenspeicher wurde in den 1960er Jahren aus Borstel nach Wilseder versetzt. Im ehe- taten – sogenannte Brüche – aufgezählt. Unter Hofstelle Nr. 4 wieder aufgebaut zu werden. maligen Torfspeicher können heute Gäste des Gasthauses „Zum Heidemuseum“ übernachten anderem auch die Geschichte, als die halb- starken Wilseder Bauernjungen 1663 nachts Die Eigentumsverhältnisse verkleidet in Gellersens Speicher spukten und Der Verein Naturschutzpark kaufte die den armen Häusling, der dort wohnte, so er- Hofstelle Nr. 4 im Mai 1929 von Luise Hell- schreckten, dass er nur mit Hemd bekleidet mann an. Die Gebäude wurden anschließend aus dem Gebäude rannte. Der Treppenspei- verpachtet, 1932 an Wilhelm Backhaus, 1934 cher, der jetzt auf der Hofstelle steht, ist in an Dora Hinrichs. Nach dem zweiten Welt- den 1960er Jahren aus Borstel hierher versetzt krieg erhalten der Sohn von Pastor Wilhelm worden. Er passt aus zwei Gründen ganz gut Bode sowie seine Witwe dort Wohnrecht. Er auf die Hofstelle: Erstens ist er laut Inschrift verzichtet darauf 1968 zugunsten einer le- 1657 – und damit nur 15 Jahre nach dem ur- benslänglichen Rente. In den 1970er Jahren sprünglichen, von Carsten Gellersen erbauten wird der Hof an die Stiftung F.V.S. verpachtet, Speicher – errichtet worden und andererseits die das Haupthaus sowie den benachbarten trägt er auch den Namen seines ehemaligen Hof Nr. 3 für die Unterbringung von Jugend- Auftraggebers Robke Rickmann aus Borstel. gruppen, Tagungen und Veranstaltungen nutz- Auch wenn auf der Kote in Wilsede erst 1690 te. 1987 wird dieser Pachtvertrag gekündigt. ein Rieckmann, nämlich Carsten Rieckmann Seitdem werden die Gebäude durch das aus Erhorn, eingeheiratet hat, so passen Name „Gasthaus zum Heidemuseum“ vermietet. und Erbauungsdatum gut auf die Kote in Wil- Johannes Buhr sede. SEITE 30 AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247 AUSGABE ZWEI 2020 | HEFT 247 SEITE 31
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