ZWISCHEN AKZEPTANZ UND ANFEINDUNG - Antisemitismuserfahrungen jüdischer Sportvereine in Deutschland - Zusammen1
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
ZWISCHEN AKZEPTANZ UND ANFEINDUNG Antisemitismuserfahrungen jüdischer Sportvereine in Deutschland Lasse Müller - Eine Studie des Zusammen1-Projekts
VORWORT S eien wir ehrlich: jüdischer Sport hat mit Antisemitismus eigentlich nichts zu tun. Dass sich jüdische Sportlerinnen und Sportler mit Antisemitismus auseinandersetzen müssen, liegt nicht an ihnen, sondern an den Antisemitinnen und Antisemiten, die ihre antisemitischen Projektio- nen auch im Bereich des Sports pflegen. Antisemitische Metaphern im Profifußball sind weit- hin bekannt, aber auch weit unterhalb des Profisports gehören antisemitische Anfeindungen leider nach wie vor zum sportlichen Alltag. Dass dem so ist, wissen jüdische Sportlerinnen und Sportler nur allzu gut – und es klafft dennoch eine große Lücke zwischen den antisemitischen Alltagserfahrungen jüdischer Sportlerinnen und Sportler und dem, was an gesellschaftlicher Wahrnehmung über Antisemitismus im Sport existiert. Denn nicht selten wird proklamiert, Sport sei unpolitisch und wolle sich nicht politisieren lassen. Doch das Gegenteil ist wahr: Sport ist immer politisch – und er ist, gerade was den Breitensport angeht, all- tagspolitisiert. Dies abzustreiten, ist mit Blick auf Antisemitismus schon ein wesentliches Teil des Prob- lems. Die sportsoziologische Forschung hat schon früh die potenziell zivilisatorische Wirkung von Sport betont, da im Sport ein abstraktes Regelsystem existiert, an dem sich alle Teilnehmenden orientieren, Verstöße gegen die Regeln werden mit klar definierten, transparenten Sanktionen belegt, die für alle gleich sind. Kommt es zum Antisemitismus im sportlichen Kontext – vom andeutungsvollen Raunen über die konkrete Beleidigung bis hin zum tätlichen Übergriff – dann wird diese zivilisatorische Wirkung des Sports aber doppelt suspendiert: einmal, weil ein unmittelbarer Regelverstoß erfolgt, aber verdoppelt, weil Antisemitismus in seiner projektiven Struktur eben auch gegen die Gleichheit im Wettkampf und gegen die abstrakten Regeln rebelliert, der/die Antisemit:in sich über den sportlichen Common Sense hinwegsetzt und in dieser antisemitischen Rebellion gegen die sportlichen Regeln wie die Grundprinzi- pien der modernen, demokratischen Gesellschaft verstößt. Wird gegen Regeln im Sport verstoßen, dann sanktioniert dies ein:e Schiedsrichter:in. Die Sanktionen gegen Antisemitismus im Sport, das zeigen zahlreiche Erfahrungen etwa im Umgang mit sportgericht- lichen Verfahren, aber auch Alltagspraxen der versuchten Konfliktbeilegung, sind oft viel zu zurück- haltend, Antisemitismus wird verharmlost, bagatellisiert, zum subjektiven Problem der Betroffenen erklärt. Dass Antisemitismus ein erhebliches Problem im Sport ist, zeigt die vorliegende Studie; dass es Möglichkeiten der selbstbewussten Selbstorganisation, Möglichkeiten der solidarischen Unterstüt- zung gegen Antisemitismus gibt, zeigt sie auch – sie macht aber auch auf eine Leerstelle aufmerksam: die Leerstelle, dass es eines verbindlichen Konsens bedarf, dass Antisemitismus konsequent auch auf dem Sportplatz ausgegrenzt werden muss, dass es keine Toleranz für Antisemitismus geben darf, ganz gleich, wer ihn äußert und wie er artikuliert wird. apl. Prof. Dr. Samuel Salzborn Ansprechpartner des Landes Berlin zu Antisemitismus
INHALT 1 Einleitung 6 2 Antisemitismus in Deutschland 8 2.1 Abgrenzung des Phänomens 8 2.2 Verbreitung und Erfassung 9 3 Antisemitismus im Sport 12 3.1 Allgemeiner Forschungsstand 12 3.2 Situation der MAKKABI-Vereine 13 4 Methode 15 4.1 Vorgehensweise 15 4.2 Stichprobe 17 5 Ergebnisse 26 5.1 Antisemitische Vorfälle gegenüber MAKKABI-Mitgliedern 26 5.1.1 Häufigkeit 26 5.1.2 Einflussfaktoren 30 5.1.3 Zeitliche Betrachtung 32 5.1.4 Erscheinungsformen 33 5.1.5 Vorfallsbeschreibungen 34 5.1.6 Bewältigungsverhalten 38 5.2 Einschätzungen der Betroffenen zu Antisemitismus im Sport 39 5.2.1 Ausmaß und Entwicklung antisemitischer Vorfälle im Sport 39 5.2.2 Sicherheitsempfinden 42 5.2.3 Externe Wahrnehmung der MAKKABI-Vereine 42 5.2.4 Individuelle Antisemitismuskompetenz 44 5.2.5 Anstrengungen des organisierten Sports 45 5.2.6 Erwartungen der Betroffenen 48 6 Fazit und Ausblick 50 Literatur 52 Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 54 Impressum 55
1 1 umfassende Abbildung der Betroffenenperspektive: Wie EINLEITUNG bewerten jüdische und nichtjüdische MAKKABI-Mitglieder die Bedrohung durch Antisemitismus im Sport? Mit welchen Erscheinungsformen sehen sie sich in welchen Situationen Die Häufung öffentlich dokumentierter antisemitischer Vor- konfrontiert? Welche Melde- und Bewältigungspraxen sind fälle aus den vergangenen Jahren offenbart: Jüdischen und nach einem erlebten antisemitischen Vorfall typisch? jüdisch gelesenen(1) Sportler:innen in Deutschland drohen Anfeindungen und körperliche Übergriffe auf und abseits In diesem Sinne bildet die vorliegende Studie den Auftakt des Platzes (vgl. Zick et al., 2017; Schubert, 2019). Insbeson- eines langfristigen Forschungsvorhabens, um gemeinsam dere im Kontext des Fußballs scheinen sich antisemitische mit einer breiten Allianz aus Netzwerkpartner:innen das dy- Grundhaltungen besonders häufig in aggressiven Vorfällen namische Phänomen „Antisemitismus im Sport“ analytisch zu manifestieren: (2) greifbar zu machen. Auf Basis der gewonnenen Erkenntnis- se können künftig passgenaue Interventions- und pädago- „Verpiss Dich aus unserem Stadion an der alten Försterei, gische Präventionskonzepte entwickelt werden. Als erster Du Scheiß Judenvieh!“ Schritt wurde dazu vom 03.11.2020 bis 24.01.2021 im Rahmen des vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen Tweet eines Anhängers von Union Berlin nach einem Spiel und Jugend (BMFSFJ) geförderten Modellprojekts „Zusam- gegen den FC Ingolstadt im März 2019 gegen den israeli- men1“ eine Online-Erhebung durchgeführt. Darin wurden schen Spieler Almog Cohen (Jüdische Allgemeine, 2019) MAKKABI-Mitglieder ab 16 Jahren hinsichtlich der von ihnen erlebten Vorfälle und ihrer grundsätzlichen Wahrnehmung „Ihr jüdischen Schweine seid schuld! Ihr Juden habt das mit des Problems Antisemitismus im Sport befragt. Insgesamt dem Corona gemacht! Du jüdischer Dreckskerl!“ beteiligten sich N = 309 Personen aus 20 verschiedenen Ortsvereinen an der Befragung. Anfeindungen gegen einen Jugendtrainer des TSV Maccabi München, (3) der im Mai 2020 beim Spazierengehen eine Trai- Zum besseren Verständnis wird Antisemitismus im Folgen- ningsjacke seines Vereins mit sichtbarem Davidstern trug den zunächst theoretisch präzisiert und gegenüber anderen (Jüdische Allgemeine, 2020) Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit abge- grenzt (Kapitel 2). Im Anschluss findet eine Rekapitulation Zwar kann dem organisierten Sport in Deutschland zweifel- des Forschungsstands zum gesamtgesellschaftlichen und los eine entschieden ablehnende Haltung gegenüber anti- sportspezifischen (Kapitel 3) Auftreten von Antisemitismus semitischen Denkmustern und ihren expliziten Ausdrucks- statt. Ein Schwerpunkt liegt dabei in der Darlegung struktu- formen attestiert werden, wie sie sich etwa in der breiten reller Defizite im Meldesystem des deutschen (Wettkampf-) Unterstützung der „!Nie Wieder“-Kampagne durch die Verei- Sports, die die Erfassung und Aufarbeitung von explizitem ne des deutschen Profifußballs oder im Rahmen der Aktivi- Antisemitismus hemmen. Ergänzend werden Spezifika von täten der Deutschen Sportjugend (DSJ) in ihrem Handlungs- MAKKABI als einzigem jüdischen Sportverband in Deutsch- feld „Sport mit Courage“ (DOSB, 2019) zeigt. Dennoch bleibt land aufgezeigt und sich daraus ergebende Sonderformen die Frage offen, wie wirkungsvoll Maßnahmenpakete und der antisemitischen Stigmatisierung diskutiert. Kernelement Kampagnen tatsächlich sein können, wenn über die Verbrei- des Berichts bildet nach einer Dokumentation des methodi- tung und Erscheinungsformen des Phänomens Antisemitis- schen Vorgehens (Kapitel 4) die Präsentation der Befunde mus bisher kaum belastbare Erkenntnisse vorliegen. Mit der aus der Mitgliedererhebung (Kapitel 5). Im Fazit (Kapitel 6) vorliegenden Studie wird den bestehenden Leerstellen im werden schließlich die vorgestellten Befunde nochmals Themenkomplex „Antisemitismus im organisierten Vereins- zusammengefasst, interpretiert und sich ergebende Hand- sport“ im Hinblick auf die Situation der deutschen MAKKA- lungsfelder aufgezeigt. BI-Ortsvereine begegnet. Zweck der Untersuchung ist eine (1) Personen, die in Folge von Zuschreibungen als jüdisch wahrgenommen werden. (2) Die unverfälschte Wiedergabe diskriminierender Äußerungen beinhaltet das Risiko, selbst zu deren Reproduktion beizutragen. In der vorliegenden Studie wurde dennoch von einer inhaltlichen Entschärfung abgesehen, um die Intensität der Vorfälle und die Auswirkungen auf die Betroffenen sichtbar zu machen. (3) Bezeichnung des Verbands: MAKKABI Deutschland; Bezeichnung der Ortsvereine: Maccabi bzw. Makkabi 6 7
2 2 Einen vor allem praxisbezogenen Versuch der Einordnung 2.2 Verbreitung und Erfassung • Extreme Gewalt (z.B. physische Angriffe mit schwerer ANTISEMITISMUS von Antisemitismus liefert die „Arbeitsdefinition Antisemi- Körperverletzung oder dem Verlust des Lebens als tismus“ der International Holocaust Remembrance Alliance Als naheliegendste Datengrundlage zur Beurteilung der Folge) IN DEUTSCHLAND (IHRA) (4). Sie betont ausdrücklich das mögliche Betrof- Verbreitung antisemitischer Vorfälle fungiert die offiziel- fensein nichtjüdischer Personen, die sich u.a. aus dem le Polizeistatistik der „Politisch motivierten Kriminalität“ • Angriffe (z.B. ausgeführte oder versuchte physische 2.1 Abgrenzung des Phänomens Verständnis von Antisemitismus als komplexitätsreduzie- (PMK-Statistik). Diese weist für das Referenzjahr 2019 einen Angriffe, die keine schwerwiegende Körperverletzung renden Welterklärungsmodell ableitet: Anstieg der gemeldeten antisemitischen Straftaten auf über zur Folge haben) Wie Horkheimer und Adorno (1947 [1988]) postulierten, 2.000 Delikte und somit um 13 % im Vergleich zum Vorjahr beruht Antisemitismus auf Fiktionen, Projektionen und „Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von aus (Bundeskriminalamt, 2019). Die Zahlen der PMK-Sta- • Gezielte Sachbeschädigung von Eigentum jüdisch pseudowissenschaftlichen Behauptungen, die keinen Rea- Jüdinnen und Juden, die sich als Hass gegenüber Jüdinnen tistik können jedoch nach Auffassung des „Unabhängigen gelesener Personen oder Organisationen sowie von litätsbezug aufweisen, sondern vielmehr auf „Gerüchten und Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich Expertenkreises Antisemitismus“ (2017) grundsätzlich nur Gedenkzeichen für jüdische Opfer der Shoa über die Juden“ basieren (Adorno, 1951). Nach Salzborn (2010) in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzel- begrenzt zur Beurteilung der Verbreitung von Antisemitis- kann der moderne Antisemitismus als eine Verbindung aus personen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische mus bzw. antisemitischer Vorfälle herangezogen werden. Es • Bedrohung (z.B. schriftliche oder mündliche Androhung Weltanschauung und „Leidenschaft“ begriffen werden, in Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen.“ bestehe ein großes Dunkelfeld, welches sich etwa mit einer von Gewalthandlungen) der die individuelle Überforderung mit der Komplexität und (IHRA, 2016) geringen Meldebereitschaft der Betroffenen (Underrepor- Ambivalenz der modernen (globalisierten) Gesellschaft auf ting) oder in Folge einer unklaren Motivlage auf Seiten der • Verletzendes Verhalten (z.B. antisemitische Äußerungen alles als „jüdisch“ Angesehene projiziert wird. Dies äußert Die „Arbeitsdefinition Antisemitismus“ kann als Versuch Ausübenden erklären lasse. (auch online), Beschmieren nicht-jüdischen Eigentums) sich beispielsweise gegenwärtig im Kontext der zirkulieren- verstanden werden, Antisemitismus als Konzept in seinen den Verschwörungsmythen zur COVID19-Pandemie (vgl. RIAS konkreten Erscheinungsformen und Funktionsweisen von Eine herausgehobene Position bei der systematischen Erfas- • Massenzuschrift (antisemitische Texte, die an mindes- Bayern, 2021, S. 7). Es besteht eine elementare Differenz zu anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sung und Sichtbarmachung antisemitischer Vorfälle haben tens zwei konkrete Personen adressiert sind bzw. ein anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, zu unterscheiden. Im organisierten (Fußball-)Sport ist hin- die „Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus“ möglichst breites Publikum erreichen sollen – i.d.R. wie sie sich etwa im Rassismus artikulieren. Das rassisti- sichtlich der Anerkennung der IHRA-Definition seit Oktober (RIAS) inne. Die erste von derzeit insgesamt sieben regio- online) sche Stereotyp dient zur Festigung historisch gewachsener 2020 eine Dynamik wahrzunehmen. Am 08.10.2020 wurde sie nalen Meldestellen, die nach RIAS-Standards arbeiten, wur- Machtverhältnisse, hier werden kollektive Zugehörigkeiten von Borussia Dortmund und Tennis Borussia Berlin als erste de 2015 beim Verein für Demokratische Kultur in Berlin e.V. Ferner systematisiert RIAS nach inhaltlichen Erscheinungs- oder konkrete körperliche Merkmale mit (zumeist) negati- Vereine im deutschen Fußball offiziell anerkannt und über- gegründet. Seit 2018 wird die Arbeit der Meldestellen durch formen, wie es auch in anderen sozialwissenschaftlichen ven Eigenschaften assoziiert. Der (koloniale) Rassismus ist nommen. BVB-Geschäftsführer Carsten Cramer erhoffte den Bundesverband RIAS koordiniert. Ergänzt durch eigenes Studien praktiziert wird (vgl. Zick et al., 2017): stark von „Es-Projektionen“ bestimmt, die eine Primitivität sich von diesem Schritt eine Signalwirkung hinsichtlich Monitoring werden antisemitische Vorfälle über ein digitales z.B. hinsichtlich Aggressivität und Sexualität unterstellt, der Antisemitismus-Arbeit im Fußball: „Wir wünschen uns, Meldeformular erfasst, geprüft und turnusmäßig publiziert. • Antisemitisches Othering (Beschreibung von jüdischen während Antisemitismus psychoanalytisch betrachtet vor- dass sich viele Vereine anschließen. Für den Kampf gegen So dokumentierte beispielsweise RIAS Berlin in 2020 (RIAS, oder jüdisch gelesenen Personen als nicht zur (Mehr- rangig „Über-Ich-Projektionen“ beinhaltet, wie etwa ein Antisemitismus kann es nur einen gemeinsamen Weg geben. 2021) insgesamt 1005 antisemitische Vorfälle in der Bundes- heits-)Gesellschaft zugehörig) Übermaß an Reichtum, Intelligenz und Macht (Rommelspa- Die IHRA-Definition schafft hierfür den richtigen Rahmen hauptstadt. Ein System zur Kategorisierung wurde von RIAS cher, 2015, S. 8). Es findet also keine unmittelbare Abwertung, “(Borussia Dortmund, 2020). Rund um den Aktionsspiel- unter Beratung der Emil-Julius Gumbel Forschungsstelle • Antijudaismus (religiös begründete Stereotype, sondern eine Abwertung durch eine vermeintliche Aufwer- tag „!Nie Wieder“ am 27.01.2021 folgten unter anderem der beim Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Bsp. Vorwurf des „Christusmords“) tung statt. Diese Zuschreibungen werden im antisemitischen FC Bayern München und der FC Schalke 04 (Jüdische All- Studien und dem IIBSA(5) entwickelt. Hinsichtlich der Vorfall- Denkmuster als „mysteriöse Unfassbarkeit, Abstraktheit und gemeine, 2021). Inzwischen haben, neben einem Großteil der sarten unterscheidet RIAS zwischen folgenden Kategorien • Moderner Antisemitismus (Zuschreibung besonderer Allgemeinheit“ (Postone, 1982) imaginiert. Ein antisemiti- Bundesligavereine, auch die Deutsche Fußball Liga (DFL) und (RIAS, 2020):(6) politischer und ökonomischer Macht, etwa im Kontext sches Weltbild besteht demnach nicht trotz, sondern wegen der DFB die Anerkennung der Arbeitsdefinition beschlossen von Verschwörungsmythen) seines fehlenden Realitätsbezugs. Antisemitismus kann also (DFL, 2021; DFB, 2021a). in seinen Erscheinungsformen und Funktionsmechanismen • Post-Shoa-Antisemitismus (antisemitische Äußerungen als einzigartiges Konzept verstanden werden und ist daher mit Bezug auf die Shoa oder den Nationalsozialismus) zwingend von anderen Formen struktureller Diskriminierung oder gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit abzugrenzen • Israelbezogener Antisemitismus (antisemitische (vgl. Salzborn, 2010). Äußerungen, die sich auf den Staat Israel beziehen, z.B. Absprechen des Existenzrechts) (4) Die IHRA ist eine 1998 gegründete zwischenstaatliche Einrichtung mit derzeit 34 Mitgliedsländern, einem Partnerland und sieben Beobachterstaaten. (5) Internationales Institut für Bildung, Sozial- und Antisemitismusforschung e. V. Ihre Tätigkeitsfelder liegen im Bereich der Forschungs-, Bildungs- und Erinnerungsarbeit im Kontext des Holocausts. (6) Die vorgestellten Beschreibungen bilden lediglich einen kleinen Ausschnitt des Definitionssystems zur Bestimmung antisemitischer Vorfälle durch RIAS ab. Die Kategorien umfassen zudem eine weitaus größere Zahl von Strafnormen als die hier abgebildeten. 8 9
2 2 Neben der Erfassung von Vorfällen und deren Häufigkei- (Post-Shoa-Antisemitismus, Israelbezogener Antisemitis- ten kann Antisemitismus auch als Einstellungsmuster und mus, Beipflichtung zu Verschwörungsmythen) sind jedoch Denkstruktur begriffen und erforscht werden. Die Befunde teilweise Zustimmungswerte von weit über 50 % zu ver- ZUSTIMMUNGSWERTE: der seit 2014 durchgeführten „Mitte Studie“ (Zick, Küpper zeichnen (Abbildungen 1 und 2). Insbesondere beim Israel- VERSCHWÖRUNGSMYTHEN (IN %) & Berghan, 2019) zeichnen bezüglich der Verbreitung anti- bezogenen Antisemitismus offenbart sich ein auch für die semitischer Grundhaltungen in Deutschland ein differen- deutschen MAKKABI-Vereine virulentes Phänomen: Das kol- ziertes Bild. So stagniert „Klassischer Antisemitismus“ in lektive Verantwortlichmachen jüdisch gelesener Personen „Es gibt geheime Organisationen, die großen Folge gesamtgesellschaftlicher Tabuisierung auf einem be- für die Politik des Staats Israel. 45,7 19,7 Einfluss auf politische Entscheidungen haben.“ grenzten Niveau; hinsichtlich anderer Erscheinungsformen „Politiker und andere Führungspersönlichkeiten 32,7 26,3 sind nur Marionetten der dahinterstehenden Mächte.“ „Auch heute noch ist der Einfluss der Juden zu groß.“ 10,1 20,7 voll/eher teils/teils ZUSTIMMUNGSWERTE: ISRAELBEZOGENER ANTISEMITISMUS (IN %) Abbildung 2: Zustimmung zu Verschwörungsmythen (Zick et al., 2019) „Durch die israelische Politik werden mir die 12,9 26,7 Juden immer unsympatischer.“ „Was der Staat Israel heute mit den Palästinensern macht, ist im Prinzip auch nichts anderes als das, was die Nazis 27,3 27,7 Als wesentlicher Bezugspunkt für die Konzeption der vor- Bernstein die Vielfalt der biografischen und aktuellen Anti- im Dritten Reich mit den Juden gemacht haben.“ liegenden Erhebung fungierte der Studienbericht „Jüdische semitismuserfahrungen jüdischer Menschen in Deutschland, Perspektiven auf Antisemitismus in Deutschland“ (Zick et welche unter anderem Strategien des Bewältigungs- und „Bei der Politik, die Israel macht, kann ich gut verstehen, dass man etwas gegen Juden hat.“ 16,3 24,0 al., 2017), in welchem die Betroffenensicht der in Deutsch- Vermeidungsverhaltens beschreiben. Diese können sich zum land lebenden Jüdinnen:Juden in den Mittelpunkt gestellt Beispiel im Verzicht auf die öffentliche Sichtbarmachung wird. Der Bericht ist in einen quantitativen und einen qualita- einer jüdischen Identität äußern. tiven Forschungsteil gegliedert und beleuchtet die Sichtwei- voll/eher teils/teils se der Befragten multiperspektivisch. Als ein wesentliches Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Erfassung und Ergebnis des quantitativen Teils gaben rund drei Viertel der Erforschung antisemitischer Vorfälle, ihrer Auswirkungen Befragten an, dass sie Antisemitismus in Deutschland per- und der zugrundeliegenden Motive zwar noch immer einigen sönlich als großes Problem wahrnehmen. Vor allem subtile Limitierungen unterworfen ist, z.B. hinsichtlich der mangel- und non-personelle Formen von Antisemitismus erscheinen haften Meldekette nach Straftaten. Nichtsdestotrotz liefern stark verbreitet: 63 % der Befragten erlebten im Bezugszeit- die exemplarisch vorgestellten Benchmark-Studien durch- raum von 12 Monaten versteckte Andeutungen, 29 % verbale aus ein differenziertes Verständnis über die Ist-Situation der Abbildung 1: Zustimmung zu Israelbezogenem Antisemitismus (Zick et al., 2019) Beleidigungen/Belästigungen und 3 % körperliche Angriffe. Erscheinungsweisen und Ausprägungen von Antisemitismus Im qualitativen Teil der Studie beleuchtet die Soziologin Julia in Deutschland. 10 11
3 3 tung“ im Fußball. Ferner moniert er das Fehlen einer einheit- (2018, S. 761) bewerten daher u.a. die Einbeziehung von Sport- jüdischer Sportverein neu. Weitere Vereine in Münster und 3 ANTISEMITISMUS lichen Umgangsstrategie seitens der Fußballverbände, wel- gerichtsurteilen als zusätzliche Datenquelle als „unabding- Köln folgten, bis es 1965, nur wenige Tage nach Aufnahme der che nach seiner Einschätzung auf Vorfälle situativ und kaum bar, da sich die alleinige Stützung auf die (Online-)Spielbe- diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und Deutsch- IM SPORT koordiniert reagieren. Als mögliche Begründung für die Häu- richte störanfälliger als erwartet gestaltet“. Zu erwähnen ist land, schließlich zur Gründung des Dachverbandes „Makkabi figkeit grenzüberschreitenden und in Folge antisemitischen weiterhin, dass die gemeldeten Vorfälle im Tool nicht nach – Jüdischer Turn- und Sportverband in Deutschland e.V.“ kam 3.1 Allgemeiner Forschungsstand Verhaltens im Fußball im Vergleich zu anderen Sportarten Art der vorliegenden Diskriminierung unterschieden werden (vgl. MAKKABI Deutschland, 2020; Streppelhoff, 2015). diskutiert Schubert (2019, S. 21-23) u.a. das „Katharsis“-Kon- (z.B. zwischen einer rassistisch oder einer antiziganistisch Bis heute zeigt sich die Forschung zu Antisemitismus im zept, wonach im (Fan-)Kontext des Fußballs Verhaltenswei- konnotierten Handlung). MAKKABI Deutschland ist Teil der weltweiten jüdischen deutschen Sport vor allem von historischen Arbeiten ge- sen toleriert würden, die in anderen Alltagsbereichen tabui- Sportbewegung Maccabi und des Maccabi Weltverbands prägt, die sich auf die Zeit vor und während des National- siert sind. Der Stadionbesuch fungiere demnach als eine Art In Ergänzung zur Meldung von Vorfällen via „DFBnet“ wur- (MWU). Die MWU ist mit mehr als 450 Clubs und Vereinen sozialismus beziehen (u.a. Becker, 1980; Havemann, 2005; „Reinigungsgang“ (Katharsis) oder Ventil zum Abbau ange- den, unterstützt durch den DFB, bis Sommer 2020 in allen in über 60 Ländern mit etwa 400.000 Mitgliedern vertreten Oswald, 2017). Gegenwärtige Facetten des Antisemitismus stauter Frustrationen aus dem Alltag in der Zivilisation. Das Fußball-Landesverbänden die „Anlaufstellen für Gewalt- (MAKKABI Deutschland, 2015). Ein wesentliches Element der im Sport wurden hingegen vergleichsweise selten beleuch- Motiv des Ventils zum Aggressionsabbau weist eine Analogie und Diskriminierungsvorfälle“ zur strukturierten Erfassung Bewegung ist die Maccabiah, eine ähnlich den Olympischen tet. Delto und Tzschoppe (2016) untersuchten in ihrer Studie zur zweiten These im Kapitel „Elemente des Antisemitismus“ und adäquaten (Verweis-)Beratung geschaffen (Lazar, Spielen konzipierte internationale Sportveranstaltung, die „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit im Sport in Bran- auf, wie sie Horkheimer und Adorno in der Dialektik der Auf- 2020, S. 30). Ihre zentrale Aufgabe besteht in der Bündelung alle vier Jahre in Israel stattfindet. An der letzten Maccabiah denburg“ u.a. auch die Prävalenz von Antisemitismus unter klärung (1944 [1988]) formulieren: gemeldeter Vorfälle und deren kurzfristiger Bewertung. Zur in 2017 nahmen rund 10.000 Athlet:innen teil. Im Gegensatz Sportvereinsmitgliedern und erklärende Variablen hierfür. Qualifizierung der Verantwortlichen in den Anlaufstellen zu den offenen deutschen MAKKABI-Ortsvereinen sind bei Den Ergebnissen der Studie zufolge zeigen Sportler:innen „[…] Diese Form des Antisemitismus ist blind und intention- findet eine Vernetzung mit Expert:innen-Organisationen zu der Maccabiah und anderen internationalen Maccabi-Wett- mit niedrigerem Bildungsniveau sowie Sporttreibende, die slos. Er ist dann ein Ventil für die Masse, mit dem sie ihre Schwerpunktthemen der Diskriminierung in Form turnus- kämpfen exklusiv jüdische Sportler:innen zugelassen, wes- aus Gemeinden mit weniger als 50.000 Einwohnern stam- durch die beengenden Begrenzungen der Zivilisation aufge- mäßiger Austauschtreffen statt, um wechselseitig geteilte halb MAKKABI Deutschland gewissermaßen ein „jüdisches men, eine höhere Neigung zu antisemitischen Denkmustern. stauten Aggressionen verarbeiten kann.“ Erkenntnisse für die (Bildungs-)Arbeit im sportlichen und Nationalteam“ stellt. In einem Survey unter Mitgliedern der Landessportbünde außersportlichen Kontext nutzbar zu machen (DFB, 2021b). Brandenburg und Sachsen-Anhalt erkannte Delto (2020) Ungeachtet des in der Sportsoziologie kontrovers betrach- Antisemitismus gegenüber MAKKABI ferner die Faktoren Bildung, Diversitätsüberzeugung und teten Katharsis-Begriffs (Kritik u.a. von Pilz & Moesch, 1975, Die Ausführungen zeigen, dass das Phänomen des Antise- Ablehnung von Ungleichwertigkeit als Hemmnisse für die S. 183) scheint die gegenwärtig kultivierte Form des Fußball- mitismus im Sport zwar bereits hinsichtlich verschiedener Antisemitische Vorfälle gegenüber den deutschen MAK- Zustimmung zu klassischem Antisemitismus. Kohlstruck et erlebnisses in jedem Fall ein Handlungsfeld darzustellen, in Aspekte untersucht wurde. Bezüglich der Abbildung belast- KABI-Vereinen sind im gesamten Zeitraum seit den (Neu-) al. (2015) tangierten das Spezifikum der MAKKABI-Sportver- dem latente antisemitische Stereotype im Kontext aggressi- barer Fallzahlen oder der Wirkung antisemitischer Vorfälle Gründungen in den 1960er Jahren in wellenförmiger Häufig- eine am Beispiel des Standorts Berlin und stellten vor allem ven Verhaltens explizit werden können. Dies gilt im Fußball auf die Betroffenen bestehen jedoch nach wie vor beträcht- keit und Intensität zu beobachten (vgl. Schubert, 2019, S. 259- eine Häufung des Israelbezogenen Antisemitismus fest. Da- gleichermaßen für die Akteur:innen auf dem Platz, wo ins- liche Leerstellen. 289). Der aktuelle Verbandspräsident Alon Meyer schätzt die rüber hinaus wird deutlich, dass Handlungsstrategien der besondere in niedrigen Spielklassen aggressivem Verhal- Situation, vor allem im Bereich des unterklassigen Fußballs, Vermeidung von Konflikten und des Zurücknehmens für die ten und Gewalt grundsätzlich eine weitaus höhere Toleranz 3.2 Situation der MAKKABI-Vereine für die vergangenen Jahre als „so aggressiv und hasserfüllt Interviewten eine bedeutende Rolle spielen. entgegengebracht wird als in anderen Sportarten oder All- wie nie zuvor“ ein und skizziert dabei eine Bandbreite antise- tagsbereichen (Ribler, 2010). Die augenscheinlich niedrigere Kurzporträt: MAKKABI Deutschland mitischer Vorfälle von „Beleidigungen bis hin zu Handgreif- Bei der Betrachtung des Phänomens Antisemitismus im Hemmschwelle geht mit strukturellen Defiziten hinsicht- lichkeiten und Messerattacken“ (DPA, 2018). Fußball wird in der Forschungspraxis analytisch vorranging lich der Erfassung diskriminierender Vorkommnisse auf den Die insgesamt 37 deutschen MAKKABI-Ortsvereine mit ihren zwischen dem Geschehen „auf dem Platz“ und einer Unter- Fußballplätzen einher. Vester & Osnabrügge (2018) werteten 5.458 Mitgliedern (Stand: 2020) sind unter dem Dachverband Neben der offenbaren Bedrohungssituation für jüdische suchung des Fanverhaltens unterschieden. Im Kontext des im Rahmen verschiedener Studien die gemeldeten Vorfälle MAKKABI Deutschland mit Sitz in Frankfurt am Main orga- Mitglieder bilden die regelmäßigen antisemitischen Vor- Zuschauer:innenverhaltens dienen antisemitische und ras- „Gewalt oder Diskriminierung“ im Online-Tool „DFBnet“ aus, nisiert. Der Verband kann als Rechtsnachfolger des 1919 fälle gegenüber nichtjüdischen MAKKABI-Mitgliedern ein in sistische Bemerkungen bei Fangruppen wiederkehrend als welches im gesamten deutschen Fußball zur Verwaltung gegründeten „Deutschen Makkabikreis“ begriffen werden, dieser Ausprägung einzigartiges Phänomen. Dies liegt zum Mittel der Provokation (Unabhängiger Expertenkreis Antise- des Spielbetriebs (u.a. zum Melden von Ergebnissen) seit welcher wiederum aus der 1903 entstandenen „Jüdischen Tur- einen am - für eine jüdische Organisation - hohen Anteil mitismus, 2017). Eine umfassende Analyse über die Verbrei- der Spielperiode 2014/2015 genutzt wird. Zwar lägen als Fol- nerschaft“ mit Mitgliedern aus verschiedenen Teilen Europas nichtjüdischer Mitglieder (60 % der Teilnehmenden in die- tung von Antisemitismus im Fußball liefert Schubert (2019), ge dieser technischen Innovation erstmals überhaupt nach hervorging. In der Zeit des Nationalsozialismus und spätes- ser Befragung), vor allem aber findet durch die Teilnahme der als Schwerpunkt Veränderungsprozesse im Fanverhalten einheitlichen Kriterien erhobene Daten vor, allerdings stel- tens ab 1938 kam die jüdische Sportbewegung in Deutsch- von MAKKABI-Sportgruppen am kompetitiven Spielbetrieb der letzten Jahrzehnte untersucht. Schubert klassifiziert le diese Datensammlung lediglich einen Teilschritt auf dem land für über 20 Jahre vollständig zum Erliegen. 1961 gründete ein regelmäßiges Aufeinandertreffen mit anderen Gruppen antisemitische Schmähungen als „höchste Form der Abwer- Weg zur Erhellung des Dunkelfelds dar. Vester & Osnabrügge sich mit dem TuS Maccabi Düsseldorf (ehemals SC) ein erster (-identitäten) statt. Jüdische wie nichtjüdische Mitglieder 12 13
3 4 können im Setting des Wettkampfs oder etwa beim Tragen von MAKKABI-Kleidung außerhalb der Sportanlagen als Ver- Die Itembildung im Themenblock „Antisemitische Vorfälle“ treter:innen des „Jüdischen“ wahrgenommen und in Folge METHODE erfolgte in teilweiser Anlehnung an die Studie von Zick et. al unter Nutzung antisemitischer Topoi diskriminiert werden. (2017), insbesondere hinsichtlich der Differenzierung nach Insbesondere muslimische(7) MAKKABI-Mitglieder sehen 4.1 Vorgehensweise Vorfallstypen und der Betrachtung von Coping-Strategien sich wiederkehrend dem Vorwurf des „Verrats“ ausgesetzt, (dem Bewältigungsverhalten) der Betroffenen. Ausgehend wie auch die Vorfallsbeschreibungen der vorliegenden Stu- Konzeption und Pretest von dieser Grundstruktur wurden Anpassungen und Ergän- die untermauern (siehe Abschnitt 5.1.5). Schubert (2019, zungen durchgeführt, um dem sportspezifischen Kontext S. 274) beschreibt dieses Phänomen in Anlehnung an Scherr Um der skizzierten Leerstelle hinsichtlich der Erfassung der Befragung gerecht zu werden. Dies gilt gleichermaßen & Schäuble (2007) folgendermaßen: antisemitischer Vorfälle im Sport mit belastbaren Zahlen für die im letzten Themenblock gestellten Zustimmungs- zu begegnen, wurde der Feldzugang durch einen standardi- fragen, bei denen unter anderem typische antisemitische „Den gegnerischen Spielern mit einem vermeintlich musli- sierten Online-Fragebogen gewählt. Die Durchführung einer Stereotype in eine sportbezogene Form modelliert wurden. mischen Glauben wird dieser abgesprochen, und sie werden quantitativen Erhebungsform ermöglicht das Generieren Exemplarisch kann hier die Formulierung „MAKKABI-Mit- mit den verabscheuten Juden verglichen. Sie würden sich großer Datenmengen zu einem von der sportwissenschaft- glieder werden oftmals als Repräsentanten der israelischen durch ihre Mitgliedschaft im Makkabi- Verein vom Islam ver- lichen und soziologischen Forschung bisher kaum beleuch- Politik wahrgenommen“ genannt werden, bei der das Prinzip abschieden und sich stattdessen dem Judentum zuwenden teten Themenkomplex. Mit dem vorliegenden Forschungsde- des kollektiven Verantwortlichmachens von Jüdinnen:Juden und seien somit auch nicht mehr Teil der imaginierten welt- sign können Zusammenhänge zwischen dem Auftreten von für die Politik des Staates Israel (Bergmann 2017, S. 51) auf- weiten muslimischen Gemeinschaft, die quasi von Natur aus Antisemitismus und soziodemographischen sowie sportbe- gegriffen und auf die spezifische Situation von MAKKABI- gegen das Judentum zusammenhalten müsse.“ zogenen Merkmalen aufgezeigt und somit mögliche erklä- Vereinen angepasst wurde. Auf eine Erfassung des indivi- rende Variablen (z.B. ausgeübte Sportarten, geschlechtsspe- duellen Verständnisses von Antisemitismus wurde bei der Das beschriebene Phänomen tangiert eine nach Wetzel (2014, zifische Unterschiede) auf ihre Plausibilität geprüft werden. Konzeption des Forschungsdesigns bewusst verzichtet. Aus- S. 3) gesamtgesellschaftlich steigende und insbesondere Die gesammelten ausführlichen Vorfallsbeschreibungen der gehend von der Intention einer möglichst unverfälschten unter männlichen muslimischen Jugendlichen verbreitete Betroffenen liefern ergänzend ein tieferes Verständnis dar- Abbildung der Betroffenenperspektive sollten die Mitglieder Neigung zu antisemitisch-antizionistischen Denkmustern über, in welchen Konstellationen und in welcher Form laten- nicht dahingehend beeinflusst werden, welche Vorfälle für mit starkem inhaltlichem Bezug auf den Nahostkonflikt. Die- ter Antisemitismus im Sportkontext explizit wird. sie persönlich als antisemitisch einzuordnen sind. ser Herleitung folgend, kann der Eintritt in einen MAKKABI- Ortsverein durchaus ein individuell höheres Risiko hinsicht- Die Konzeption des quantitativen Fragebogens beruhte Die erste Version des Surveys wurde im Rahmen eines Pre- lich des Erlebens von Diskriminierungen zur Folge haben. (8) vorrangig auf zwei Säulen: einer umfassenden Sichtung tests von insgesamt 15 Personen (MAKKABI-Mitglieder und Für nichtjüdische Personen, denen im Alltagsleben eine An- einschlägiger Literatur und der Berücksichtigung von Er- „Externe“) durchlaufen, um die Datenerhebung ex ante, d.h. gehörigkeit zur imaginierten Mehrheitsgesellschaft zuge- kenntnissen aus insgesamt sechs themenzentrierten Ex- vor ihrem eigentlichen Beginn zu optimieren (vgl. Weichbold, schrieben wird, bedeutet dies unter Umständen ein erstma- pert:innengesprächen. Bei der Auswahl der Expert:innen war 2019). Die Teilnehmenden konnten mittels Kommentarfunk- liges persönliches Erfahren von Facetten gruppenbezogener die thematische Verortung des Forschungsvorhabens an der tion ausführliche Anmerkungen und Bewertungen zu den Menschenfeindlichkeit. Für die MAKKABI-Mitglieder, die Schnittstelle zwischen der Sportsoziologie und der Antise- gestellten Fragen abgeben. Auf Basis dieser Rückmeldungen ohnehin bereits der Zuschreibung zu einer anderen gesell- mitismusforschung zu berücksichtigen. Um diese Schwer- wurden einige Formulierungen zur besseren Verständlich- schaftlichen Minderheit unterliegen, kann die Repräsenta- punkte angemessen abzubilden, wurden themenbezogene keit umformuliert sowie Antwortmöglichkeiten ergänzt, die tion einer jüdischen Organisation wiederum eine Sonderform Gespräche mit einem Sportsoziologen der Goethe-Universi- im Vorfeld nicht antizipiert worden waren. Zusätzlich wurden von Intersektionalität (Mehrfachdiskriminierung) auslösen. tät Frankfurt, dem Geschäftsführer und dem wissenschaftli- Anpassungen hinsichtlich der Filterführung vorgenommen, Die intersektionale Diskriminierung kann dabei sowohl von chen Referenten des Bundesverbandes der Recherche- und da sich nicht alle Fragen als gleichermaßen sinnvoll für die der konstruierten Mehrheitsgesellschaft als auch von Ange- Informationsstellen Antisemitismus (RIAS), zwei langjäh- Gesamtpopulation erwiesen. Nach abschließenden Diskus- hörigen der „eigenen“ Community ausgehen. rigen MAKKABI-Mitgliedern, die in unterschiedlichen Funk- sionen wurde schließlich ein 34 Fragen umfassender Online- tionen in MAKKABI-Ortsvereinen tätig sind/waren, sowie Fragebogen in browserbasierter und mobiler Form finalisiert. der Leiterin der Bildungsabteilung des Zentralrats der Juden geführt. Im Gespräch mit der Vertreterin des Zentralrats wurde umfassend diskutiert, wie das einzigartige MAKKABI- Setting, in dem sich sowohl jüdische als auch nichtjüdische Mitglieder antisemitischen Vorfällen konfrontiert sehen, analytisch und ethisch korrekt zu erfassen ist. (7) Bzw. als muslimisch wahrgenommene Mitglieder (8) Dabei kann es sich sowohl um eine bewusste Inkaufnahme dieses Risikos (oder gar symbolische Entscheidung) als auch um einen Vereinseintritt aus unreflektiert-praktischen Gründen handeln 14 15
4 4 Feldzugang zahl der mind. 19-Jährigen) und 3.716 (Gesamtzahl der mind. 4.2 Stichprobe 15-Jährigen). Mit N = 309 gültigen Fällen wurden demnach Das Vorgehen zur Erreichung eines möglichst hohen Anteils näherungsweise zwischen 8.3 % und 9.6 % der Grundge- an der Gesamtpopulation (sämtliche aktuelle Mitglieder samtheit erreicht. der MAKKABI-Ortsvereine über 16 Jahre) wurde in weiten ALTERSGRUPPEN Teilen gemeinsam mit den hauptamtlichen Mitarbeitenden Die Datenauswertung wurde mit Microsoft Excel (Version des Dachverbands MAKKABI Deutschland koordiniert. Diese 2012) und SPSS (Version 27) durchgeführt. Die quantitativen stellten dem Projektteam die Kontaktdaten von Vereinsvor- Daten wurden deskriptiv, sowie im Themenblock „Antisemiti- ständen und Abteilungsleiter:innen der Ortsvereine bereit. sche Vorfälle“ inferenzstatistisch in Form einer logistischen 50 % Am aktiven Erhebungsprozess waren die insgesamt fünf Regression analysiert. Die qualitativen Freitextitems wurden Mitarbeiter des Zusammen1-Projekts beteiligt. Die Kontakt- sowohl auf Basis induktiv gebildeter Kategorien als auch 40 % aufnahme mit den Verantwortlichen der Ortsvereine ge- deduktiv gemäß der Differenzierung nach RIAS zusammen- schah zunächst telefonisch, nach erfolgter Absprache wur- gefasst. Eine umfassendere qualitative Auswertung der ge- 30 % 46 % den Textbausteine via Mail und WhatsApp zur Weiterleitung sammelten Vorfallsbeschreibungen erfolgt im Rahmen einer 31 % an die Mitglieder übermittelt. Insbesondere die Verwendung späteren Veröffentlichung. 20 % von kurzen „Teasern“ mittels WhatsApp wurde als vielver- sprechend eingeschätzt, da eine höhere Bereitschaft in 10 % Folge eines niedrigschwelligen Zugangs zum Fragebogen 14 % 8% über das Smartphone zu erwarten war. Im Hinblick auf mög- 0% liche psychische Belastungen in Folge der im Survey gefor- derten Rekapitulation erlebter antisemitischer Vorfälle wur- 16 - 29 30 - 45 46 - 59 > = 60 Jahre Jahre Jahre Jahre de zur Teilnahme ein Mindestalter von 16 Jahren festgelegt. Datacleaning und Auswertung Der Erhebungszeitraum der Studie lief vom 03.11.2020 bis zum 24.01.2021 im Portal des Anbieters SosciSurvey (Version 3.2.19). Die Grundgesamtheit umfasst alle aktuellen Mitglie- Abbildung 3: Zusammensetzung nach Alter (n = 271) (10) der der deutschen MAKKABI-Ortsvereine ab 16 Jahren. Insge- samt starteten 479 Personen die Befragung. Der aktive Mit- gliedsstatus sowie die datenschutzrechtliche Einwilligung wurden zu Beginn des Fragebogens abgefragt – an dieser Stelle wurden insgesamt 45 Nichtmitglieder ausgeschlos- sen. Ferner wurden nur die Teilnehmenden berücksichtigt, die mindestens zehn von elf Seiten des Fragebogens und Beim Betrachten der Altersstruktur lässt sich ein abneh- Sportgruppen der Ortsvereine plausibel. Die nach Vorgaben über zwei Drittel der Fragen beantworteten. Nach erfolgter mender Anteil von Teilnehmenden in den höheren Alters- des DOSB aufgegliederte Verbandsstatistik von MAKKABI Datenbereinigung(9) wurden insgesamt N = 309 gültige Fälle gruppen erkennen (Abbildung 3). Mit einem Mittelwert von Deutschland liefert keine exakte Angabe über den Anteil der zur Auswertung zugelassen. Derzeit sind gemäß offizieller M = 34.8 Jahren (SD = 15.2) kann angenommen werden, dass über 16-jährigen Mitglieder, mit lediglich 29.8 % Mitgliedern Verbandsstatistik 5.456 Personen Mitglied eines MAKKABI- unter den Befragten ein nennenswerter Anteil an aktiven über 40 Jahren und 12.2 % über 60 Jahren ist jedoch ein mit Ortsvereins. Die exakte Anzahl der über 16-jährigen Mitglie- Sportler:innen zu verzeichnen ist. Dies erscheint hinsichtlich steigendem Alter abnehmender Mitgliederanteil wie in der der liegt nicht vor, sie befindet sich zwischen 3.234 (Gesamt- der Weiterverbreitung des Surveys in aktiven „WhatsApp“- vorliegenden Stichprobe auszuweisen. (9) Kriterien: Mindestalter unterschritten; Mitgliedsdauer von mindestens drei Monaten unterschritten; Nicht plausibles Antwortverhalten. (10) 38 Personen machten bei diesem Item keine oder nicht plausible Angaben. 16 17
4 4 Geschlecht Absolut Anteil Mit einem Anteil von 39 % ist das Judentum in der vorliegen- ermöglichen, abgewichen und haben uns verstärkt geöffnet“ den Stichprobe als größte Glaubensgruppe vertreten (Abbil- (Boger, 2020, S. 13). Dies lässt sich auch damit untermau- Männlich 243 78,9 % dung 4). Die nächstgrößten Teilmengen bilden die christlichen ern, dass ein stark-positiver Zusammenhang (r (304) = .54, Mitglieder (36 %) und diejenigen Befragten, welche keiner p < .001) zwischen dem Anteil der jüdischen Mitglieder und Weiblich 62 20,1 % Glaubensgemeinschaft angehören (19 %). Diese Verteilung der Dauer der Vereinsmitgliedschaft festgestellt wurde. Ein Divers 1 0,3 % mag zunächst überraschen, passt jedoch zum angestrebten hoher Anteil an Jüdinnen:Juden liegt also vor allem unter den Öffnungsprozess laut Verbandspräsident Alon Meyer: „Ins- langjährigen Mitgliedern vor. Ferner ist zu erwähnen, dass Keine Angabe 2 0,6 % besondere beim Frankfurter Ortsverein sind wir außerdem 90 % der jüdischen Mitglieder auch in einer jüdischen Tabelle 1: Zusammensetzung nach Geschlecht (n = 308) etwas von der Ursprungsidee, jüdischen Mitbürgern Sport zu Gemeinde organisiert sind. Mit einem Anteil von 78.9 % nahmen überwiegend männ- Mitgliederstatistik des DFB herangezogen werden, nach der liche MAKKABI-Mitglieder an der Befragung teil (Tabelle 1). der Mitgliedsanteil von Frauen und Mädchen deutschland- Des Weiteren beteiligten sich 62 Teilnehmerinnen (20.1 %), weit bei lediglich 11.5 % liegt (DFB, 2020). RELIGION eine Person ordnete sich der diversen Kategorie zu (0.3 %), zwei Personen machten keine Angabe (0.6 %). Im Bezugsjahr Nach Analyse der Schul- und weiterführenden Bildungsab- 2020 waren in den MAKKABI-Ortsvereinen offiziell 74.8 % schlüsse kann für die Stichprobe ein überdurchschnittlich männliche und 25.2 % weibliche Mitglieder gemeldet, (11) der hohes Bildungsniveau ausgewiesen werden (Tabelle 2). 76 % Männeranteil liegt somit über den derzeit etwa 60 % männ- der Befragten beendeten ihre schulische Laufbahn mit einer 3% lichen Mitgliedern im organisierten deutschen Vereinssport Fachhochschulreife oder dem Abitur – deutschlandweit liegt (DOSB, 2020). Dies lässt sich u.a. mit den mitgliederstarken der (Fach-)Abiturient:innenanteil(12) bei lediglich 33.5 %. Auch 19 % Fußballabteilungen der MAKKABI-Ortsvereine erklären, ins- die Quote der Hochschul- oder Fachhochschulabschlüsse besondere im mit weitem Abstand größten Ortsverein Frank- überwiegt mit 49 % klar dem bundesweiten Anteil von 18.5 % furt (Main). In diesem Kontext kann als Referenzwert die (Statistisches Bundesamt, 2020). 39 % 3% Schulabschluss Anteil Bildungsabschluss Anteil Noch Schüler 11,5 % Keiner 4,6 % Ohne Abschluss 0,3 % Noch in Ausbildung/Schule 12,6 % Hauptschulabschluss 1,4 % Noch im Studium 14,7 % 36 % Realschulabschluss 7,8% Berufsausbildung/Lehre 11,6 % Polytechnische Schule 0% Berufsfachschule/Handelsschule 2,8 % Jüdisch Christlich Muslimisch Keine Sonstige Fachhochschulreife 12,5 % Fachschule 1,4 % Abitur 63,5 % Fachhochschulabschluss 7,7 % Sonstiger 3,0% Hochschulabschluss 41,1 % Sonstiger 3,5 % Tabelle 2: Zusammensetzung nach Schul- (n = 296) und Bildungsabschlüssen (n = 285) Abbildung 4: Zusammensetzung nach Religionszugehörigkeit (n = 306) (11) Inklusive der unter 16-jährigen (12) Allerdings bei einer Stichprobe ab 15 Jahren! 18 19
4 4 Insgesamt 20 % der Befragten (n = 298) schätzten sich als erwies sich für die weitere Analyse als nicht relevant, da (eher) religiös und 48 % als (eher) nicht religiös ein. Die keine nennenswerten Unterschiede zwischen den verschie- häufigste Zuordnung erhielt bei diesem Item die indiffe- denen Glaubensrichtungen in Bezug auf den Grad der Reli- ORTSSPEZIFISCHE MERKMALE rente Einschätzung „teils teils“ (32 %). Dieses Merkmal giosität vorzufinden waren. Ortsverein Absolut Anteil an Stichprobe Mitgliederanzahl nach Verbandsstatistik Frankfurt am Main 142 46,0 % 1857 Hamburg 32 10,4 % 191 Migrationshintergrund Absolut Anteil Düsseldorf 22 7,1 % 481 Nein 117 38 % Bochum 19 6,1 % 44 Ja 190 62 % München 19 6,1 % 976 Berlin 16 5,2 % 530 Köln 10 3,2 % 207 Dortmund 5 1,6 % 92 Tabelle 3: Zusammensetzung nach Migrationshintergrund (n = 307) Nürnberg (TUS Bar Kochba) 4 1,3 % 60 Rostock 4 1,3 % 105 Nürnberg (Maccabi) 3 1,0 % 163 Die Bestimmung des Anteils der MAKKABI-Mitglieder mit „nichtjüdisch“) und dem (formalen) Migrationshintergrund Baden-Baden 2 0,6 % 31 Migrationshintergrund (Tabelle 3) orientiert sich an der Prä- liegt mit χ²(1, N = 301) = 31.12, p
4 4 SPORTSPEZIFISCHE MERKMALE AUSGEÜBTE FUNKTIONEN 300 Sportabteilung Absolut Anteil an Stichprobe 250 Fußball 146 47,2 % 200 Krav Maga 52 16,8 % Basketball 37 12,0 % 150 264 Tennis 18 5,8 % 100 Badminton 12 3,9 % 50 87 27 29 28 Keine spezifische Abteilung 9 2,9 % 42 12 13 Volleyball 6 1,9 % 0 Sportler:in Trainer:in Betreuer:in Schieds- Vorstand Passives Haupt- Sonstige Billard 5 1,6 % richter:in Mitglied amtliche:r Tischtennis 4 1,3 % Sonstige 3 1,0 % Abbildung 5: Ausgeübte Funktionen (N = 309) - Mehrfachnennung möglich! Boxen 2 0,6 % Fechten 2 0,6 % Radsport 2 0,6 % Segeln 2 0,6 % Insgesamt nahmen Mitglieder aus mindestens(13) 20 wurden ferner gebeten, die Sportabteilung anzugeben, für Turnen 2 0,6 % deutschen MAKKABI-Ortsvereinen an der Befragung teil die sie bisher in ihrer MAKKABI-Laufbahn die meiste Zeit (Tabelle 4). Erwartungsgemäß konnte beim größten Ortsver- aufgewendet haben (Tabelle 5). 47 % der Befragten ordneten Bridge 1 0,3 % ein „Makkabi Frankfurt“ mit 142 gültigen Fällen die größte sich der Fußballabteilung zu, gefolgt von der im deutschen Teilnehmendenzahl verzeichnet werden. Des Weiteren sind Vereinssport eher unüblichen Kampfsportabteilung Krav Darts 1 0,3 % die mitgliedsstarken Ortsvereine aus München, Berlin, Düs- Maga (17 %). Diese war insbesondere an den Standorten in Floorball (Hockey) 1 0,3 % seldorf, Köln und Hamburg im oberen Drittel vorzufinden. NRW in hoher Ausprägung in der Stichprobe vertreten. Die durchschnittliche Mitgliedsdauer liegt bei M = 7.6 Jahren Futsal 1 0,3 % (SD = 7.88; Min = .25 ; Max = 54). Mit einem Anteil von 85 % war 63 % der Befragten gaben an, schon einmal für ihren MAK- Judo 1 0,3 % die große Mehrheit der Befragten bereits selbst als Sport- KABI-Ortsverein an Wettkämpfen teilgenommen zu haben ler:in bei MAKKABI aktiv (oder ist es noch immer). Des Weite- (z.B. als Sportler:in, Trainer:in, oder Betreuer:in). Unter den Schach 1 0,3 % ren gaben 87 Personen (28 %) an, schon einmal als Trainer:in Angehörigen der Fußballabteilung liegt der Anteil der „Kom- Schwimmen 1 0,3 % für MAKKABI engagiert gewesen zu sein. Die Teilnehmenden petitiven“ mit 90 % merklich höher. Tabelle 5: Zusammensetzung nach Sportabteilungen (N = 309) (13) 22 Befragte machten bei diesem Item keine Angabe, sodass die Teilnahme aus weiteren Standorten nicht ausgeschlossen werden kann. 22 23
4 4 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass zentrale Merkmalen festgestellt, etwa der abnehmende Anteil ICH TREIBE BEI MAKKABI SPORT ... (IN %) Merkmale der Stichprobe auch die Charakteristika der jüdischer Personen unter den Neumitgliedern oder das Grundgesamtheit der MAKKABI-Vereine in Deutschland häufige Vorhandensein einer Migrationsgeschichte unter abbilden. Die gilt zum einen im Hinblick auf Einzelmerk- den jüdischen Mitgliedern. Die im Folgenden vorgestell- male wie Geschlecht, Alter und den vertretenen Sport- ten Vorfallstatistiken und Einschätzungen zum Themen- ... um mich körperlich in guter Verfassung zu halten. abteilungen: Die jeweiligen Merkmalsausprägungen ent- komplex „Antisemitismus im Sport“ können daher als 66 26 6 2 (n = 259) sprechen den u.a. aus vorliegenden Verbandsstatistiken aussagekräftig für die Grundgesamtheit aller MAKKABI- bekannten Verteilungen. Darüber hinaus wurden inhalt- Mitglieder über 16 Jahren eingestuft werden. ... um mich mit anderen zu messen. lich plausible Zusammenhänge zwischen den erhobenen 29 28 33 11 (n = 256) ... um mit anderen gesellig zusammen zu sein. 58 36 52 (n = 259) ... als Ausgleich zum Alltag. 61 31 6 3 (n = 254) ICH BIN ZU MAKKABI GEKOMMEN ... (IN %) trifft zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft gar nicht zu Abbildung 6: Sportgründe ... weil mich die Vielfalt des Sportangebotes überzeugt 27 24 31 19 hat. (n = 281) ... weil ich hier meine sportlichen Ziele erreichen kann. 33 37 22 8 (n = 289) Zur Erlangung eines besseren Verständnisses über Aspekte Neben diesen „weichen“ Beweggründen sind auch sport- der Vereinskultur innerhalb der MAKKABI-Sportvereine wur- spezifische Faktoren für die Entscheidung über einen Ver- ... weil ich in der Nähe der Sportanlage lebe. 22 25 28 25 (n = 288) de die Zustimmung zu Eintrittsmotiven und Sportgründen einseintritt relevant: So gaben mehr als zwei Drittel der abgefragt. Es zeigt sich, dass hinsichtlich der Entscheidung Befragten an, aufgrund einer Passung mit den individuellen über einen Eintritt in den jeweiligen Ortsverein neben sport- sportlichen Zielen zu MAKKABI gekommen zu sein (M = 2.94, ... weil ich mich mit den Werten von MAKKABI 50 36 11 2 lichen Abwägungen auch identitätsbezogene Motive von SD = .93). Für etwas weniger als die Hälfte war zudem die identifiziere. (n = 294) Bedeutung sind. So gaben 86 % der Befragten im Rückblick Erreichbarkeit der Sportanlagen bedeutsam (M = 2.45, SD an, dass ihr Vereinseintritt aufgrund einer Identifikation = 1.09). Fast alle Teilnehmenden (94 %) stimmten dahinge- ... weil ich mich mit der jüdischen Identität von MAKKABI 42 20 24 13 mit den Werten von MAKKABI erfolgte (M = 3.35, SD = .76). hend zu, dass das Motiv der Geselligkeit einen Grund für ihr identifiziere. (n = 289) 62 % stimmten der Formulierung (eher) zu, dass die jüdische Sporttreiben bei MAKKABI darstellt (M = 3.49, SD = .68), rund Identität von MAKKABI ein Grund für den Vereinseintritt war 57 % sind unter anderem aus kompetitiven Gründen in einem (M = 2.91, SD = 1.09). Bemerkenswert ist, dass auch 38 % Ortverein aktiv (M = 2.74, SD = .99) . (14) trifft zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft gar nicht zu der nichtjüdischen Mitglieder dieses Motiv (eher) bejahten. Abbildung 7: Identifikation mit MAKKABI (14) Die Formulierung der Items im Themenbereich „Sportgründe“ erfolgte in Anlehnung an den „Berner Motiv- und Zielinventar im Freizeit- und Gesundheitssport“ (Sudeck, Lehnert & Conzelmann, 2011) 24 25
5 5 gleichzeitig eine gegen sie gerichtete antisemitische Hand- ERGEBNISSE lung oder Provokation erfahren können, wie dieses Beispiel aus den in Abschnitt 5.1.5 vorgestellten Vorfallsbeschreibun- gen illustriert: VORFÄLLE 5.1 Antisemitische Vorfälle gegenüber MAKKABI-Mitgliedern PERSÖNLICHES BETROFFENSEIN (IN %) „Nach einer Niederlage wurden wir von Spielern der gegne- Kernelement der Studie bildet die Erfassung der individu- rischen Mannschaft als Scheiss Juden beschimpft - zu dem ellen Erlebnisse und Erfahrungen von MAKKABI-Mitgliedern [sic] zeigten sie und [sic] T-Shirts unter ihren Trikots auf bezüglich antisemitischer Vorfälle. Diese wurden im Survey denen Free Palestine stand!“ Gesamt (n = 309) differenziert nach (persönlichen) Diskriminierungserfah- 29 10 61 rungen und Diskriminierungsbeobachtungen erhoben (Vgl. Männliche Mitglieder sind in der Stichprobe wesentlich häu- Berghan, Preuß & Dubbert, 2016). figer persönlich betroffen (46 % mindestens einmal) als die Weibliche Mitglieder (n = 62) weiblichen (16 %). Die Differenz lässt sich wohl damit be- 10 6 84 Konkret wurden folgende Fragen formuliert: gründen, dass Männer im sportlichen Wettkampfbetrieb in aller Regel auch auf männliche Kontrahenten treffen und • „Warst Du persönlich im Zusammenhang mit diese vor allem im Fußball für die überwältigende Mehrheit Mitglieder mit Migrationshintergrund (n = 190) 33 11 56 MAKKABI schon einmal von einem antisemitischen an auftretenden Konflikten verantwortlich sind (Winands Vorfall betroffen?“ & Scherer, 2016, S. 9). Ferner ist zu bemerken, dass sich die Mehrzahl der Mitglieder entweder noch nie oder bereits Jüdische Mitglieder (n = 118) 42 12 47 • „Hast Du schon einmal einen antisemitischen Vorfall mehrfach mit einem gegen sie gerichteten antisemitischen mitbekommen, der sich gegen andere MAKKABI- Vorfall konfrontiert sah. Ein einmaliges Erleben einer antise- Mitglieder oder gegen MAKKABI als Gesamtes richtete?“ mitischen Handlung stellt demnach eher ein Randphänomen Wettkampfteilnehmende (n = 194) dar. 43 12 45 • „Hast Du außerhalb von MAKKABI schon einmal einen antisemitischen Vorfall im Sport miterlebt?“ Fußballabteilung (n = 146) 55 13 32 5.1.1 Häufigkeit Von N = 309 Befragten gaben insgesamt 39 % an, schon Jüdisch & Fußballabteilung (n = 58) 72 12 16 mindestens einmal persönlich von einem antisemitischen Vorfall betroffen gewesen zu sein (Abbildung 8). (15) Bei der Differenzierung nach weiteren Merkmalen zeigt sich, dass jüdische Mitglieder etwas häufiger mit antisemitischen Vor- fällen konfrontiert waren (54 %) als nichtjüdische (39 %). mehrfach einmal noch nie Erwartungsgemäß erweist sich vor allem der Fußball als für antisemitische Diskriminierungen anfälliges Handlungsfeld – über zwei Drittel der Befragten aus den MAKKABI-Fußball- abteilungen waren mindestens einmal von einem Vorfall be- troffen, 55 % sogar bereits mehrfach. Aber auch jenseits des Fußballs steigt das Risiko des Erlebens von Antisemitismus, wenn die Mitglieder MAKKABI sichtbar bei Wettkämpfen repräsentieren. Dabei ist auch zu beachten, dass vor allem Abbildung 8: Persönlich erlebte Vorfälle beim Ausüben von Teamsportarten mehrere Sportler:innen(16) (15) Die unterschiedlichen Fallzahlen (n) in den Abbildungen und Tabellen dieses Kapitels sind auf fehlende Angaben der Befragten zurückzuführen. (16) Bzw. anwesende MAKKABI-Mitglieder 26 27
Sie können auch lesen