Lehrhilfen Unterrichtsanregungen für die Alltagspraxis Sport - Deutscher Sportlehrerverband
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Monatsschrift zur Wissenschaft und Praxis des Sports mit Lehrhilfen Offizielles Organ des Deutschen Sportlehrerverbandes e.V. (DSLV) Lehrhilfen Unterrichtsanregungen für die Alltagspraxis Sport aus: Lehrhilfen für den Sportunterricht, Schorndorf, 59 (2010), Heft 6 Steinwasenstraße 6–8 • 73614 Schorndorf www.hofmann-verlag.de Telefon (0 71 81) 402-0 • Fax (0 71 81) 402-111 sportunterricht@hofmann-verlag.de
Gleiten, Rollen, Fahren – Rollsport/Schneesport Bewegungsgestaltung mit dem Fahrrad Unter Verwendung schüleraktivierender Methoden Michael Mertens Idee Das Fahrrad als Sportgerät nutzen und mit Das Fahrrad bietet insbesondere jenen, die nicht immer kreativer Bewegungsgestaltung verbinden einen unvoreingenommenen Zugang zu gestalterischen Lerngruppe 5.– 7. Klasse Bewegungsaktivitäten haben (was vielfach für Jungen Zeitbedarf 8 –10 Doppelstunden gilt), eine motivierende Alternative zu der üblichen Material Fahrräder, Leittexte, Materialien Stations- Inhaltsauswahl wie Gymnastik oder Tanz. training (siehe Beschreibung) Fahrräder sind ein bei Kindern und Jugendlichen be- Hinweise und Vorüberlegungen liebter und von allen verfügbarer Alltagsgegenstand. Für die Altersgruppe der 10 bis 15-Jährigen sind sie zudem das wichtigste Verkehrsmittel. So führt der Schulwech- • Es muss davon ausgegangen werden, dass die mit- sel in eine weiterführende Schule häufig dazu, dass gebrachten Fahrräder unterschiedlicher Bauart sind. Kinder weitere Wege alleine mit dem Fahrrad zurück- Auf dem Schulhof und Sportplatz sind alle von den legen müssen. Im Sinne einer optimalen Beherrschung Schülerinnen und Schülern in ihrer Freizeit genutzten Michael Mertens des Fahrrades als Verkehrsmittel ist daher eine Schu- funktionstüchtigen Fahrräder erlaubt. unterrichtet an einem lung motorischer Fertigkeiten und sensomotorischer • Für den Unterricht steht ein Platz (Sportplatz, Schul- Gymnasium in Ahaus, Fähigkeiten mit Schülerinnen und Schülern der Klassen hof) zur Verfügung, der nicht den Regeln der Stra- ist Fachberater Sport der 5 bis 7 sinnvoll, zumal die Entwicklung der für das ßenverkehrsordnung unterliegt. Bezirksregierung Münster Radfahren erforderlichen Fähigkeiten erst ab einem • Für das Unterrichtsvorhaben wird vorausgesetzt, dass und Fachleiter Sport am Studienseminar Bocholt. Alter von ca. 14 Jahren vollständig abgeschlossen ist für jeweils zwei Kinder mindestens ein Fahrrad zur (vgl. Unfallkasse NRW, 2000, S. 45). Verfügung steht, welches auch von beiden aufgrund m.mertens@onlinehome.de Die sichere Beherrschung des Fahrrades bietet auch die ihrer Körpergröße benutzt werden kann und darf. Möglichkeit außerunterrichtliche Aktivitäten zu inte- • Da viele Radfahrer gleichzeitig auf engem Raum grieren, wie z. B. die Durchführung eines Wandertages fahren, ist für einen reibungslosen Unterrichtsablauf als Radtour oder einer Radralley mit Karte und Kom- und eine sachgerechte Unterrichtsorganisation unter pass. Darüber hinaus ist der Unterrichtsgegenstand Beachtung aller notwendigen Sicherheitsvorkehrun- Fahrrad besonders geeignet, fächerübergreifende Be- gen zu sorgen (siehe Abb. 1 auf der folgenden Seite). züge z. B. zur Verkehrs-, Umwelt- und Gesundheits- erziehung zu thematisieren oder im Rahmen von Pro- jekttagen zu bearbeiten. Ziele des Unterrichtsvorhabens Radfahren ist aber mehr als nur eine Fortbewegungs- art auf zwei Rädern, um von A nach B zu kommen. Die sichere Beherrschung des Fahrrades bietet die Ge- Zentrales Anliegen dieses Unterrichtsvorhabens ist die legenheit, vielfältige Erfahrungen zu ermöglichen. Im Schulung der sensomotorischen Fähigkeiten. Gut aus- Mittelpunkt dieses Unterrichtsvorhaben steht die of- gebildete Gleichgewichts- und Orientierungsfähigkeit fene und experimentelle Entwicklung von Bewegungs- mit gutem Raum-, Tempo- und Distanzgefühl bilden gestaltungen mit dem Fahrrad. nicht nur die Voraussetzungen für eine sichere Teilnah- me am Straßenverkehr mit dem Fahrrad, sie sind Die Schülerinnen und Schüler bekommen Gelegenheit, auch von besonderer Bedeutung für die motorischen das Fahrrad als Spiel- und Sportgerät kennen und be- Lernprozesse und kommen der sportlichen Leistungs- herrschen zu lernen und erweitern bei der Vermittlung fähigkeit zugute. Die Erweiterung von Bewegungser- gestalterischer Bewegungskompetenz die Fahrfertig- fahrungen wird methodisch über offene Unterrichts- keiten hinsichtlich einer ästhetischen Dimension. formen mit vielseitigen Anforderungen an die Wahr- 166 aus: Lehrhilfen für den sportunterricht, Schorndorf, 59 (2010), Heft 6
Gleiten, Rollen, Fahren – Rollsport/Schneesport nehmungsfähigkeit bzw. durch abwechslungsreiche Dif- ferenzierungsmaßnahmen auf dem begrenzten Raum des Schulgeländes realisiert. Darüber hinaus sollen fundamentale Fahrfertigkeiten in gestalterische Prozesse durch räumliche, rhythmisch- dynamische Partner- und Gruppenbezüge eingebracht und weiterentwickelt werden. Die Umsetzung erfolgt mithilfe schüleraktivierender Vorgehensweisen wie Stationenlernen, Gruppenpuzzle oder die Arbeit mit kleinen Leittexten bzw. Informationsmaterialien, um selbsttätiges und eigenverantwortliches Lernen zu er- möglichen. In diesen offenen Unterrichtsphasen wer- den nicht nur Selbst- und Sachkompetenzen, sondern auch soziale und kommunikative Fähigkeiten geschult. So müssen sich die Schülerinnen und Schüler beim Fahren zu zweit und in der Gruppe kooperativ und ver- antwortungsvoll verhalten (sich absprechen, verstän- digen, den gleichen Tretrhythmus finden usw.). Im gestalterischen Prozess müssen Ideen entwickelt, dis- kutiert, verworfen und neu variiert werden, bis die Abb. 1: Sicherheitsaspekte und methodische Hinweise endgültige Bewegungsgestaltung präsentiert werden kann. Die Methoden-Werkzeuge fördern somit einen handlungsorientierten Unterricht und erhöhen den Sicherheitshinweise Anteil am selbstregulierten Lernen. • Der Zustand der mitgebrachten Fahrräder ist vor Unterrichtsbe- ginn zu überprüfen (Bereifung, Bremsen, Schaltung, etc.). • Die Lenker- und Sattelhöhe muss dem Fahrer angepasst sein. Aufbau des Unterrichtsvorhabens • Da Stürze nicht ausgeschlossen sind, gilt Helmpflicht für alle! Bei neuen, schwierigen Bewegungsaufgaben sollten zusätzlich Knie- und Ellenbogenschützer getragen werden. Gestaltungsprozesse mit dem Fahrrad führen nur dann • Bei Benutzung öffentlicher Verkehrswege muss das Fahrrad die zu überzeugenden Ergebnissen, wenn die dafür not- Anforderungen der StVZO erfüllen (1). wendigen Grundlagen vorhanden sind. Das Unter- richtsvorhaben gliedert sich in drei Lernetappen. Unterrichtsgestaltung • Im ersten Schritt sollen die Schülerinnen und Schülern a) Hinweise für Lehrer: vielfältige Bewegungsmöglichkeiten mit dem Fahr- • Die Übungsaufgaben des Stationsbetriebs den äußeren Be- rad kennenlernen und beim Erproben ihre eigene dingungen anpassen (z. B. Nässe, Hindernisse, Platzgröße). Leistungsfähigkeit verbessern. • Fahrten auf öffentlichen Verkehrswegen zu der Übungsstätte • Im zweiten Schritt werden diese grundlegenden Be- vorbereiten (StVO-Regelungen und Verhaltensregel beim wegungsformen erweitert. Dazu werden Impulse Fahren in der Gruppe/im Verband besprechen, § 27!). für einen kreativen Umgang mit Fahrfertigkeiten ge- • Für einen sachgerechten Organisationsrahmen akustische setzt und Gestaltungsansätze bewusst gemacht. bzw. optische Signale vereinbaren und einüben (z. B. bei Ge- • Im letzten Schritt werden die Aufgabenstellungen fahren durch Hindernisse oder bei Straßenüberquerungen, dann zu einer komplexen Gestaltung gesteigert. Der zum Sammeln der Gruppe). Aufbau und die Übungsbeispiele orientieren sich • Klar verständliche Regeln für die Durchführung (insbesondere zwar an den Klassenstufen 5 –7, sie sind aber jeder- des Stationsbetriebs) festlegen und konsequent anwenden. zeit durch entsprechende Variationen auch in höhe- • Für kleinere Reparaturen Werkzeug einstecken, mindestens ren Jahrgangsstufen einsetzbar. einen Satz Schrauben- und Inbusschlüssel sowie einen Schrau- bendreher. Außerdem eine Luftpumpe und Flickzeug bereit- 1. Lernetappe: Selbstständige Erarbeitung viel- halten. seitiger Bewegungsformen und -künste mit dem • Für evtl. Unfälle eine Erste-Hilfe-Tasche und ein Handy mitneh- Fahrrad im Rahmen eines Lernens an Stationen. men. b) Hinweise für Schüler Im Rahmen eines Stationenbetriebs werden elementare • Mit angepasster Geschwindigkeit fahren. Fahrfertigkeiten geschult. Die Schüler erhalten vielfäl- • Keine eigenen Wettfahrten durchführen. tige herausfordernde Bewegungsaufgaben, die sie • Gegenseitig Rücksicht nehmen selbstständig und eigenverantwortlich in Partnerarbeit (z. B. Blickkontakt zu den Partnern aufnehmen). bearbeiten (vgl. Material 1). Die Lehrkraft ist dabei ge- • Regeln und Vorgaben einhalten. fordert, Anspruchsniveau und Aufgabenschwierigkeit an die Befindlichkeit und Leistungsfähigkeit der Lern- aus: Lehrhilfen für den sportunterricht, Schorndorf, 59 (2010), Heft 6 167
Gleiten, Rollen, Fahren – Rollsport/Schneesport gruppe anzupassen. Es gilt dabei, individuelle Erfahrun- Station 1: Zielgenau gen über dosierte, kalkulierbare Risikosituationen zu Auf dem Boden werden kreuz und quer unterschiedliche Gegenstände initiieren. Unerlässlich ist die reflektierte Auseinander- ausgelegt (Bierdeckel, kl. Stöcke, Zeitungen, etc.). Ein Fahrradfahrer ver- setzung im Umgang mit den Aufgaben für die Ausbil- sucht nun möglichst viele dieser Gegenstände zu überfahren. dung einer Risikokompetenz. • Nur mit dem Vorderrad, • nur mit dem Hinterrad, Zunächst werden bewusst geschlossene Bewegungs- • mit beiden Rädern. aufgaben gestellt. Dadurch soll zum einen das Bewe- gungsrepertoire erweitert und zum anderen Bewe- Station 2: Anhalten gungssicherheit für die selbst verantworteten Gestal- Ein Fahrradfahrer versucht an verschiedenen Gegenständen anzuhalten tungsprozesse gewonnen werden. und wieder weiterzufahren, ohne den Boden zu berühren. Zum Ab- stützen an den Gegenständen dürfen nur die Füße benutzt werden. Die Stationen beinhalten Übungsangebote zu grundle- • Wand/Baum, genden Radfahrfähigkeiten wie … • Zaun/Bank, • langsam fahren, • Schildpfosten/Laterne. • Gleichgewicht finden und bewahren, • verschiedene Positionen auf dem Fahrrad einnehmen, • gezielt anhalten, Station 3: Fahrrad-Dribbling • Beherrschen des Lenkens unter Zeitdruck, a) Ein Fahrradfahrer prellt mit der Hand während des Fahrens einen Ball. • Räume, Geschwindigkeiten und Distanz einschätzen. • Mit der „schwachen“ Hand. • Mit unterschiedlichem Tempo. Die einzelnen Stationen bauen nicht aufeinander auf, • Den Ball beim Fahren fortwährend mit einer Hand gegen eine seitlich sodass keine Reihenfolge vorgegeben wird. befindliche Wand tippen. Mit dieser methodischen Entscheidung werden zwei b) Während des Fahrens versucht der Radfahrer einen Ball mit den Füßen Zielsetzungen verfolgt: zu kontrollieren. • Erstens sollen soziale Kompetenzen bei der notwen- • Den Ball durch einen mit Hütchen markierten Parcours führen. digen Abstimmung mit anderen Gruppen gefördert • Mit einer Wand fortlaufend Doppelpass spielen. werden und • zweitens können alle die Stationen in ihrem Arbeits- Station 4: Einzelakrobatik tempo durchlaufen. Die Übungen können beim Geradeausfahren oder beim Fahren mit Kurven absolviert werden. Auf diese Weise wird die individuelle Leistungsfähig- • Einhändig fahren mit Zusatzaufgaben: Armkreisen vorwärts und rück- keit berücksichtigt, denn die für das Radfahren notwen- wärts; einen Ball auf der flachen ausgestreckten Hand balancieren, etc. digen psychomotorischen Fähigkeiten können nur über • Freihändig fahren mit Zusatzaufgaben: Verschränkte Hände im Nacken, gegengleiches Armkreisen, Rumpfdrehen nach links und rechts, etc. • Auf dem Gepäckträger sitzen und treten. • Aus der langsamen Fahrt das Vorderrad hochreißen und auf dem Hinterrad möglichst weit fahren. • Mit einem Fuß auf dem Lenker einbeinig weiter treten. • Im Damensitz (beide Beine auf der gleichen Fahrradseite) nur mit einem Pedal treten. • Standwaage: Ein Fuß (oder Unterschenkel) auf den Sattel stellen bzw. legen und den anderen Fuß nach hinten strecken. • Mit gekreuzten Händen fahren (Vorsicht bei Kurvenfahrten). • Einen auf dem Boden liegenden Wasserball (oder aufgeblasenen Luft- ballon) nur mit dem Vorderrad zu einem Ziel befördern. Station 5: Turmbau Ein Radfahrer muss im Vorbeifahren von einem Tisch eine Dose (Kar- ton, Bauklotz) mitnehmen und auf einem 5 m entfernten zweiten Tisch übereinanderstapeln. • Wer benötigt die kürzeste Zeit für den Turmbau von vier übereinan- der gestapelten Dosen? Dabei muss immer abwechselnd mit der rech- ten und linken Hand gestapelt werden. • Welcher Fahrer kann den höchsten Turm bauen? Material 1 (vgl. Mertens 2005, 89 –106) 168 aus: Lehrhilfen für den sportunterricht, Schorndorf, 59 (2010), Heft 6
Gleiten, Rollen, Fahren – Rollsport/Schneesport Station 6: Langsam und kontrolliert • Welcher Fahrer kann eine markierte Strecke möglichst langsam in seiner 2– 3 m breiten Fahrspur zurückzulegen, ohne die Fahrspur zu ver- lassen oder mit dem Fuß abzusteigen? Jeder Fahrer hat drei Versuche. • Der Fahrradfahrer hält in einer Hand ein Stück Kreide und versucht im Fahren einen Gegenstand auf eine Wand zu malen. Der Partner muss erraten, was gezeichnet wurde. Station 7: Zielwurf Ein Fahrradfahrer muss verschiedene Gegenstände (Tennisbälle, Korken, Bierdeckel, etc.) während des Fahrens in einen vom Partner gehaltenen Eimer/Karton werfen. Der Partner hilft die Gegenstände aufzufangen, darf aber einen markierten kleinen Fangkreis nicht verlassen. Der Fahrrad- fahrer darf einen um den Fangkreis markierten Bereich nicht befahren. Welches Team erzielt die meisten Treffer in der vorher vereinbarten Zeit? Variation 1: Abwechselnd mit der linken und der rechten Hand werfen. Variation 2: Der Fahrer muss 10 Tennisbälle indirekt als Aufsetzer in den Eimer werfen: 5 Würfe mit rechts und 5 Würfe mit links. individuell-fordernde, differenzierte Erfahrungsmög- lichkeiten entwickelt werden. Grundsätzlich sollte aber Station 8: Stillstehen die Lehrkraft darauf hinweisen, sich nur mit den Aufga- • Zwei parallel zueinander fahrende Partner versuchen, ohne den Boden benstellungen auseinander zu setzen, bei denen eine zu berühren, 10 Sekunden anzuhalten und wieder weiterzufahren. realistische Bewältigungschance besteht. Die Struktu- Beim Stillstand dürfen sie sich gegenseitig am Oberkörper abstützen. rierung des Arbeitsprozesses erfolgt über einen Lauf- • Zwei Partner fahren frontal aufeinander zu. Beide fassen bei der zettel. Erarbeitete Bewegungsformen werden im Begegnung mit einer Hand den Lenker des anderen und versuchen an- nächsten Schritt eigenverantwortlich an die individuel- zuhalten und wieder weiterzufahren, ohne den Boden berühren. len Möglichkeiten angepasst, bzw. neue kreative Ideen entwickelt. Am Ende der Lernetappe erfolgt eine in- dividuelle Leistungsbewertung anhand ausgewählter Übungsaufgaben zur Überprüfung der grundlegenden Station 9: Blindenführer Radfahrfähigkeiten. Ein Radfahrer fährt mit geschlossenen Augen über den Schulhof. Er wird von einem neben ihm hergehenden Partner am Oberarm geführt. 2. Lernetappe: Entwicklung einer Partnergestaltung Variation 1: D er „blinde“ Radfahrer stützt sich mit einer Hand auf die im Fahrradfahren anhand von Arbeitsmaterialien Schulter eines neben ihm fahrenden Partners. unter den Gestaltungsschwerpunkten „Raum“ und Variation 2: D er „blinde“ Radfahrer wird nur durch verbale Anweisungen „Zeit“. geleitet. Variation 3: D em Radfahrer werden die Augen mit einem Tuch verbunden. In dieser Lernetappe steht die experimentelle Erar- beitung kleiner thematischer Gestaltungsaufgaben mit dem Partner im Unterrichtsmittelpunkt. Die Sozialform Station 10: Partnerakrobatik ist vorteilhaft, da Zweierteams die größte Interaktions- • Zwei Personen legen sich gegenseitig einen Arm auf die Schulter und möglichkeit haben. Die Partner lernen in einem sicheren fahren parallel in dieser Position kreuz und quer über den Schulhof oder Rahmen, Ideen und Fragestellungen auszutauschen und eine große Acht. Begründungen abzugeben. Ziel dieser Lernetappe ist • Zwei Partner fahren nebeneinander. A hat beide Füße auf dem Lenker es, eine Gestaltung zu erarbeiten, die sowohl aus ge- und wird von B mit einer Hand/einem Bein vorwärts geschoben. meinsamen Bewegungsformen mit dem Partner als • A und B befinden sich gemeinsam auf einem Fahrrad. Während A auch aus individuellen Kunststücken und Bewegungs- das Rad durch einen Parcours steuert, tritt B auf dem Gepäckträger sit- ideen bestehen kann. zend die Pedale. Durch das Lösen der Gestaltungsaufgaben soll die Krea- • A und B befinden sich gemeinsam auf einem Fahrrad. A sitzt auf dem tivität angeregt werden. In diesen offenen Lernsituati- Sattel und steuert das Fahrrad. Dabei stellt er seine Füße auf oder onen werden aber auch erste gestalterische Bewe- mit gestreckten Beinen über den Lenker (Profis legen die gestreckten gungskompetenzen vermittelt, denn gelungene Ge- Beine über den Lenker), während B auf dem Gepäckträger sitzend die staltungen entstehen nicht dadurch, dass schwierige Pedale tritt. Elemente aneinandergereiht werden, sondern durch den effektvollen Umgang mit den Gestaltungskriterien Material 1 (Fortsetzung) aus: Lehrhilfen für den sportunterricht, Schorndorf, 59 (2010), Heft 6 169
Gleiten, Rollen, Fahren – Rollsport/Schneesport Raum, Zeit und Dynamik. In diesem Unterrichtsvorhaben • Die beiden unterschiedlichen Inhalte werden gemäß für die Klassenstufen 5 –7 erfolgt bei der ersten Aus- der kooperativen Lernform in der dritten Lernetappe einandersetzung mit den Gestaltungskriterien eine di- zusammengeführt. daktische Reduktion auf die Kriterien Zeit und Raum. Am Ende der Erarbeitungsphase in dieser Lernetappe Die inhaltliche Konkretisierung der Gestaltungskrite- stellen sich die Pärchen in den jeweiligen Experten- rien auf den Arbeitsblättern (Material 2) ist auf drei Ele- gruppen ihre Partnergestaltungen gegenseitig vor. Die mente, die für die Umsetzung mit dem Fahrrad rele- Analyse der Präsentationen erfolgt unter der Leitfrage: vant sind, begrenzt. „Welches der drei Elemente des Gestaltungskriteriums Die Strukturierung der Arbeitsphasen erfolgt mithilfe wurde besonders gut umgesetzt?“ Die Schülerinnen des Methodenwerkzeugs Gruppenpuzzle. Dabei ist es und Schüler erhalten so eine kriterienbezogene Rück- für die Durchdringung der Sachverhalte und für die meldung ihrer Gestaltung und erweitern zudem ihr Aneignung wichtiger Kompetenzen von zentraler Be- Ideenspektrum. deutung, die Ziele frühzeitig offenzulegen und die Ar- beitsschritte gemeinsam mit den Schülerinnen und 3. Lernetappe: Erarbeitung einer Gruppenchoreo- Schülern zu erarbeiten. Denn nur wenn die Schüle- grafie mit Fahrrädern als ein gemeinsam verab- rinnen und Schüler die Logik des Unterrichtsvorhabens, redetes und kooperativ durchgeführtes Projekt. die ausgewählten Inhalte und zentralen Verfahren ver- stehen, werden sie Verantwortung für ihr Lernen und In den nächsten Unterrichtseinheiten soll auf der Arbeiten übernehmen können. Grundlage der bisher vermittelten Inhalte eine Grup- Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten in dieser Lern- pengestaltung mit Fahrrädern erarbeitet werden (siehe etappe die beiden Gestaltungskriterien arbeitsteilig. M3, nächste Seite). Dazu werden die verschiedenen • Die Hälfte der frei gebildeten Zweierteams bearbeitet Zweier-Expertengruppen zu neuen Großgruppen zu- die Aufgabenstellung mit dem Gestaltungsschwer- sammengesetzt, sodass in jeder Großgruppe Experten punkt Zeit, für einen der beiden Gestaltungsschwerpunkte Zeit • die andere Hälfte die Aufgabenstellung mit dem und Raum vertreten sind. Hier erfolgt dann der Aus- Schwerpunkt Raum. tausch über die erarbeiteten Informationen und die Material 2 Partneraufgabe A: Gestaltet eine Fahrradkür mit eurem Partner, indem ihr vielfältige Tricks und verschiedene Elemente des Gestaltungskriteriums „Zeit“ integriert (z. B. verschiedene Tretrhythmen und Geschwindigkeiten). Gestaltungskriterium „Zeit“ Tempo Rhythmus Abfolge der Elemente • langsam • gleichmäßig • gleichzeitig • schnell • ungleichmäßig • nacheinander • mittel • beschleunigend • schrittweise • Stillstand • verlangsamend • im Wechsel Partneraufgabe B: Gestaltet eine Fahrradkür mit eurem Partner, indem ihr vielfältige Tricks und verschiedene Elemente des Gestaltungskriteriums „Raum“ integriert (z. B. Kreise, eine große Acht). Gestaltungskriterium „Raum“ Raumwege Raumdimensionen Gruppierungsformen • gerade • weit • Abstände: nah, • rund • eng eng, nebeneinander, • eckig • groß hintereinander • Achterform • klein • Ausrichtungen: • spiralförmig • Zusammenballung Linie, Schlange, • Ausnutzung Gasse, Kreis, Haufen, freier Flächen Zickzack, Pyramide 170 aus: Lehrhilfen für den sportunterricht, Schorndorf, 59 (2010), Heft 6
Gleiten, Rollen, Fahren – Rollsport/Schneesport Bewegungsgestaltung mit dem Fahrrad Unter dem Begriff Gestaltung werden Bewegungsfolgen verstanden, die festgelegt und beliebig oft wiederholbar sind. Die Gestal- tung enthält im Gegensatz zur Improvisation eine klare Struktur. Ihr Ablauf kann infolge ihrer Gliederung, der Festlegung der Raum- wege und Bewegungsformen schriftlich fixiert und damit auch nachvollzogen und geübt werden. Arbeitsaufträge: Entscheidet euch gemeinsam für ein Choreografie-Thema (z. B. Zirkus-Show; Vom Durcheinander zum Miteinander, The Fast and the Furious). Verschriftlicht das Thema zusammen mit dem Choreografieablauf auf einem Zettel. Verknüpft die Ablaufbeschreibung mit einer Skizze. Berücksichtigt bei eurer Choreografie die Elemente der Gestaltungskriterien „Zeit“ und „Raum“. Hinweis: Gestaltungen können nur dann gemeinsam selbstständig entwickelt werden, wenn alle bereit sind, sowohl von sich aus Anstren- gungen in die Gruppe zu geben, als auch Vorschläge und abweichende Meinungen anderer Gruppenmitglieder zu akzeptieren und sich mit ihnen abzusprechen. Vorstellung der entwickelten Partnergestaltungen so- dem Zweierteam auf den Loszettel zu schreiben, Material 3 wie die Bearbeitung der Gruppenchoreografie. Alle sind mit dem sie keinesfalls zusammenarbeiten wollen. gefordert, das selbstständig anhand der Arbeitsmateri- • Vom Lehrer vorgenommene Zuordnungen sollten den alien erarbeitete Wissen und die Erkenntnisse aus den Schülerinnen und Schüler begründet werden und Präsentationsrückmeldungen der Partnerarbeit zielge- ihnen erklärt werden, welche Erwartungen und Vor- richtet weiterzugeben. teile damit verbunden sind. Von Bedeutung ist es, die Zielsetzungen und den Zweck in dieser Lernetappe klar herzustellen und das Das Gelingen der Gruppenformen wird entscheidend erwünschte Verhalten zu definieren. durch das Zusammenarbeiten der gesamten Gruppe • Die offene Themenfestlegung innerhalb der Zielvor- gewährleistet. Dementsprechend sind Sozialkompetenz gabe fördert die Gruppenidentität und die Motiva- und Teamfähigkeit bei der Planung und Diskussion für tion der Gruppenmitglieder. konstruktive Verhaltensweisen notwendig. Im Rahmen • Der zur Verfügung stehende Zeitraum für die Bear- der abschließenden Evaluation des Unterrichtsvorha- beitung sollte eher knapp kalkuliert sein, um die Kon- bens werden die Methodenwerkzeuge analysiert und zentration auf die Arbeit zu erhöhen. die Lernerfahrungen ausgewertet und somit ein Bei- • Auch die Gruppengröße sollte für ein effektives Ler- trag zur Entwicklung einer Methodenkompetenz ge- nen klein gehalten werden, sodass alle Teammit- leistet. glieder einbezogen werden können. • Damit die Schülerinnen und Schüler nicht nur mit Leistungsbewertung ihren Freunden zusammenarbeiten, sollten die neuen Vierergruppen nach dem Zufallsprinzip gebildet oder vom Lehrer entsprechend seiner Zielsetzungen be- Für die obligatorische Leistungsbewertung werden stimmt werden. vielfältige Leistungsaspekte herangezogen. • Um zu verhindern, dass sich Schülerinnen und Schü- • Einen Baustein bilden die Benotungen der Radfahr- ler mit einer vorbelasteten Vergangenheit bei der Zu- fähigkeiten am Ende der ersten Lernetappe. fallszuordnung gruppieren, ist es sinnvoll, den Partner- • Ein zweiter Baustein ist die Beurteilung der Produkte teams die Möglichkeit zu geben, den Namen von der Arbeitsprozesse. Dabei können sowohl die Prä- aus: Lehrhilfen für den sportunterricht, Schorndorf, 59 (2010), Heft 6 171
Gleiten, Rollen, Fahren – Rollsport/Schneesport sentationen der Partner- als auch die Gruppengestal- Handlungen in einem individuellen „Arbeitsprozessbe- tungen benotet werden. Bewertungskategorien sind richt“. Angestrebt wird eine schrittweise Differenzie- die Umsetzung der Gestaltungskriterien und die Ori- rung der Dokumention von der Prozessbeschreibung ginalität der Gestaltung sowie die Bewegungsquali- zur Prozessreflexion. Die Kriterien für einen solchen tät und der Schwierigkeitsgrad der Bewegungsformen. Arbeitsprozessbericht sollten gemeinsam mit der Lern- • Als weiteres Beurteilungskriterium kann die Verschrift- gruppe erarbeitet werden. Wichtig ist es, zum Ab- lichung des Choreografieablaufs (siehe M3) in die schluss der Evaluation die Fortschritte und Lernerfolge Notenfindung mit einbezogen werden. gebührend zu würdigen. • Daneben wird als unterrichtsbegleitende Leistungs- Generell sind die Beurteilungskriterien für das Unter- bewertung das beobachtete Schülerverhalten wäh- richtsvorhaben transparent zu machen und ggf. die rend des Unterrichtsvorhabens als Leistungsdimensi- Vorstellungen der Schülererwartungen zur Leistungs- on integriert. Beobachtungskategorien sind die Ein- überprüfung und zur Notengebung frühzeitig mit auf- haltung der Rahmenbedingungen (Vollständigkeit zunehmen. Als Rückmeldung und Ausgangspunkt für des Sportzeugs, Verspätungen, Einhaltung der Sicher- Verbesserungen sollten die Benotungen den Schüle- heitsvorgaben), die personalen und sozialen Kompe- rinnen und Schülern in Einzel- und Gruppengesprächen tenzen (Lern- und Anstrengungsbereitschaft, Selbst- einsichtig gemacht werden. ständigkeit und Zuverlässigkeit, Team- und Koope- rationsfähigkeit, Verantwortungsbereitschaft) sowie die Mitarbeit in den gemeinsamen kognitiven Pha- Anmerkungen sen. Sinnvoll ist es, die Eindrücke auf einem Beo- bachtungsbogen zu dokumentieren. (1) Nach der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung (StVZO) sind bestimmte Ausrüstungsteile an Fahrrädern gesetzlich vorge- Am Ende des Unterrichtsvorhabens sollte bei der Eva- schrieben. Als Nachschlagewerk sei auf die kostenlose Broschüre luation der Gruppenarbeit die Möglichkeit genutzt „Das sichere Fahrrad“, herausgegeben vom Bundesministerium werden, die Schülerinnen und Schüler an der Beurtei- für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, hingewiesen. lung ihrer eigenen Leistung zu beteiligen, als Beitrag für eine zunehmend realistische Einschätzung ihres Literatur Leistungsvermögens. Die Gruppenmitglieder sollen einschätzen, ob die Arbeitsergebnisse erfolgreich oder Bucher, Walter (Red.) (1994). 1018 Spiel- und Übungsformen auf weniger erfolgreich waren (Produktbezug). Reflektiert Rollen und Rädern. Schorndorf. werden die Art und Weise der Zusammenarbeit und Könemann, Werner (1996). Das Fahrrad in der Schule als Spiel das Verhalten des Einzelnen (Prozessbezug). Dies kann und Sportgerät. In Bundesverband der Unfallkassen (Hrsg.), über ein „Kann-Buch“ erfolgen, in dem die Schülerin- Vom Durcheinanderlaufen zum Miteinanderfahren. Ein Bei- nen und Schüler sich selbst Rechenschaft über ihren trag des Sports zur Verkehrserziehung (S. 27–53). Mertens, Michael (2005). Sport und Spiel mit Alltagsmaterial. Leistungsstand und ihre Lernentwicklung geben (Was 630 Trainingsideen für Gruppe, Freizeit und Schule. Mühl- habe ich gelernt? Was muss ich noch üben?). Eine an- heim an der Ruhr. dere Möglichkeit ist die Dokumentation des Verlaufs Unfallkasse Nordrhein-Westfalen (2000). Kinder unterwegs im des Arbeitsprozesses und die Beschreibung eigener Straßenverkehr. Düsseldorf. 172 aus: Lehrhilfen für den sportunterricht, Schorndorf, 59 (2010), Heft 6
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