Alles im Überblick 2012 ... über Horizonte und Wesen hinaus - 8 Wuhrsträssler der Jetztzeit Dritttzyklus 5. Okt - 10. Nov 2012 - Sammlung ...
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... über Horizonte und Wesen hinaus ... Alles im Überblick 2012 mit Wuhrsträsslern und Wahnweltlern 8 Wuhrsträssler der Jetztzeit Dritttzyklus 5. Okt – 10. Nov 2012
9 Wuhrsträssler der Jetztzeit Remo Roth William Lutz Andreas Dobler Pietro Mattioli Edi Hebeisen Urs Frei Andrea Gohl Stefan Burger & Andrea Thal
Remo Roth Maler, Zeichner, Grafiker und Plastiker * 1934 Wangen an der Aare (BE) Atelier an der Wuhrstrasse seit 1974 Remo Roth wuchs in Zürich auf und besuchte hier die Interpretationen: Schulen. Fritz Billeter schrieb: „Remo Roth schafft, entwirft, ermög- licht in seinen Bildern Räume, auch wenn er sie uns vor- Er bezog 1974 ein Atelier in der Baugenossenschaft Maler, erst verriegelt, entzieht oder entrückt. Er suggeriert solche Bildhauer & Architekten an der Wuhrstrasse in Zürich (In Räume – Räume der Freiheit? –, gerade weil das Auge sie der Nachfolge von Otto Morach), wo er bis heute arbeitet. nicht betasten, nicht betreten, zuweilen aber noch durch Ritzen, Spalten, wie durch beschlagene Scheiben erahnen Seit 1959 ist er in der Zürcher Kunstszene als Maler tätig kann.“ (Remo Roth Bilder 1983–1988) und stellte in verschiedenen Kunsthäusern und Galerien in der Schweiz und im Ausland aus. Er bereist seit 1965 Zitat: – bis heute – Italien und verbringt dort regelmässig län- «Ich frage mich, ob man mir nicht radikale Mitarbeit abver- gere Arbeitsaufenthalte. Auch Paris (1981) und Barcelona lange, wenn ich beschliesse, aus den dunklen, Leben-si- (1964/67) waren Aufenthaltsorte von längerer Zeitdauer. mulierenden Vorstellungen Genuss zu ziehen. Ich gehöre dazu und bin sicher, dass ich bin wie andere auch, doch Roth ist auch literarisch tätig. Seine ersten literarischen ich weiss nicht, wie bedeutend ich den anderen erschei- Schritte tat er 1978. Im Eigenverlag entstanden zwei Bü- nen mag. Also beschliesse ich, auf meine irreführenden cher mit Texten, Gedichten und Zeichnungen und ein Bild- Darstellungen zu verzichten, um endgültig im eigenen in- Katalog. neren Labyrinth Platz zu nehmen, wo ich weder Beengnis noch Spuren davon sehen kann, sondern nur die Stille eines vollkommen rätselhaften kurzen Protokolls über das Wesen des Bildes: Das Bedeutende am Bild sind die wunden Stellen.» (Remo Roth) Quellentext: – Hantieren mit Höhlengrau / Eigenverlag Remo Roth 1993 – Nachtasyl / Remo Roth Zeichnungen – Gedichte / Eigenverlag Remo Roth 2011 – Remo Roth Bilder 1983-1988 / Eigenverlag Remo Roth
William Lutz Maler * 25.11.1949 Thal (SG) Atelier an der Wuhrstrasse William Lutz, geboren 1949 in Thal (St. Gallen), ist von „William Lutz (...) unternimmt geradezu eine introspektive 1961-65 Schüler des Kunstmalers Otto Rausch (1923- Vivisektion. Seine menschlichen Figuren tragen keine in- 2000) in Thal. Von 1970-73 studiert er an der Akademie der dividuellen Züge, haben keine persönlichen Charakteris- Bildenden Künste in München und verbringt anschliessend tika, sie sind die Idee der menschlichen Gestalt. Sie sind sechs Monate in Florenz. Ab 1973 lebt er im Tessin und ist wie auseinandergenommene Fragmente, reduziert auf das dort während fast sieben Jahren Mitarbeiter des Architek- Einfachste, Wesenhafte. Die Figur birgt Raum in sich und ten Luigi Snozzi in Locarno. definiert so, quasi als räumliches Gebilde, ihren Umraum. Bewegung dringt nicht nach aussen, sondern bewirkt eine 1980 kehrt er nach Thal zurück und widmet sich nun völlig innere Dynamisierung, die der Figur Plastizität und sinnli- der Malerei. Ein letzter in dieser Zeit entstehender Archi- che Erfahrbarkeit verleiht.“ tektur-Entwurf (A House for Karl Friedrich Schinkel) wird (Margit Zuckriegl, Museum der Moderne Salzburg) anlässlich eines Wettbewerbs von James Stirling ausge- zeichnet. Den Winter 1981/82 und 1982/83 verbringt Lutz in Paris, wo er Diego Giacometti begegnet. 1986 zieht er nach Zürich. Einem Atelier an der Magnusstrasse 5 folgt 1993 eines in der Ateliersiedlung an der Wuhrstrasse. Radierungen entstehen mit dem Kupferdrucker Kurt Zein aus Wien. 1987 werden sie an der 17. Biennale für Druck- grafik in Ljubljana gezeigt. 1989 folgt Lutz der Einladung zum 4. Malersymposium in Werfen / Österreich. In den 1990er Jahren entstehen Lithografien mit dem Steindru- cker Urban Stoob in dessen Werkstatt in St. Gallen. Neben der Malerei wird das literarische Schreiben seit 2007 für William Lutz zunehmend wichtiger. Auch hier, wie schon im Bildnerischen Werk, beschäftigt er sich mit jenem Unab- geschlossenen, Bruchstückhaften, das im Untertitel einer Gruppenausstellung, an der er 2008 teilnimmt, so formu- liert ist: „Eine Expedition ins Universum der Notizen und Skizzen.“ Quellentext: – Katalog Malersymposium Werfen 1989 / Museumsverein in Zusammenarbeit mit dem Amt der Salzburger Landesregierung, Kulturabteilung, 1989 – A House for Karl Friedrich Schinkel. The Japan Architect, NO. 274, February 1980 – www.sikart.ch / Schweiz. Institut für Kunstwissenschaft
Andreas Dobler Maler, Musiker und Dozent * 1963 Biel Atelier an der Wuhrstrasse Seine Kindheit verbrachte Andreas Dobler im Aargau. Eine für Kunst. Unter dem Pseudonym Andy Canyon tritt er als kaufmännische Berufslehre bei Ringier AG in Zofingen gab Gitarrist und Sänger auf, unter anderem mit der Kultband ihm die Gelegenheit, sich ausgiebig mit den hauseigenen Demolition Blues. Ab 2009 gemeinsame Installationen und Boulevardmedien zu beschäftigen. In seiner Freizeit schuf malerische Projekte mit seiner Lebenspartnerin Anna Kanai. er Illustrationen für deutsche Science-Fiction-Fanzines und 2012 initiieren sie das Projekt Fool for April im Perla-Mode erste surrealistische Gemälde im Elternhaus in Rothrist Zürich. In ihrer jüngsten gemeinsamen Arbeit verzierten sie AG. 1983 - 1985 absolvierte er die Malfachklasse an der die Fensterscheiben des Fäkalienpalasts in der Kläranlage Schule für Gestaltung in Basel. Ab 1986 freie künstleri- Uster. sche Tätigkeit. 1987 Atelier im Luwa-Areal in Zürich, wo er überproportionierte Stilleben malte. In diesen kombinierte Dobler ist ein Bilderjunkie, der sich von der Flut des all- er Gegenstände mit gegensätzlichen Funktionen, welche täglichen, kollektiven Bildmaterials berauschen lässt und die Polaritäten Schmerz/Lust oder Schmutz/Reinigung damit seinen persönlichen Kosmos schafft, in dem alles in evozierten. Diese Bildserie wurde in einer ersten wichtigen lustvoller Auflösung begriffen ist. In einem obsessiven Mix Ausstellung 1987 in der Kunsthalle Basel gezeigt. der Aesthetismen lebt er seinen Hang zu post-apokalyp- tischen und krypto-geometrischen Erzählungen aus. Zu 1990 – 91 Aufenthalt im P.S.1 in New York im Rahmen seinen beliebtesten Motiven zählen: Bancomaten in Rui- eines Werkjahres des Bundesamt für Kultur. Nach einigen nen, Landschaften mit Turnschuhen und Schrumpfköpfen, Eskapaden in den szenischen Künsten als Autor und Perfor- Teppichausverkaufskubismus, Lingeriebiotope im Shop- mer in den Jahren 1992 -1994 kehrte er reumütig wieder zu ping-Center, Dessertträume, Unterwassersex, an Ketten Malerei zurück. Sein Interesse an spirituellen Phänomenen hängende Wohnwände und im All schwebende Styropor- wird erkennbar. Vom Wunsch nach Flucht in einen geistig verpackungen. erweiterten Zustand zeugen psychedelische Experimente mit Stoffbatik, oder Mandalas aus dem Eurocard-Logo. Es entstehen menschenleere Persiflagen von Hotelresorts, die er aus Ferienprospekten abmalt. Aehnlich menschenleere Projektionsflächen bieten Doblers grossformatige Tuschmalereien unwirtlicher Planetenland- schaften, die Ende der 90er entstehen. Sie beschwören Parallel- und Gegenwelten herauf und vermitteln im Com- puterzeitalter eine Zukunftsnostalgie, die an die Erfahrun- gen der eigenen, von Science-Fiction und Fantasy gepräg- ten Teenagerzeit anknüpft. 1996 hält er Einzug im Sommeratelier in der Badi Letzigra- ben. Die Arbeitsumgebung in einer ehemaligen Damengar- derobe fördert eher erotische Motive zutage: Plastisch ge- malte Skulpturen, die auf abstrahierte organische Formen der klassischen Moderne anspielen. Im Atelier der Stiftung Binz 39 entstehen kerkerhafte Innen- räume, die auf trashige Horrorästhetik verweisen. Dobler inszeniert darin mit dem ironischen Unterton der Uebertrei- bung seine eigene Ambivalenz zum Medium Malerei, das für ihn Fluch und Segen zugleich ist. Quellentext: Ab 2001 Tätigkeit als Dozent für Malerei an der F+F Schule – Andreas Dobler
Pietro Mattioli Künstler, Kurator und Publizist * 03.10.1957 Atelier und Wohnung an der Wuhrstrasse Pietro Mattioli wurde in der Künstlergenossenschaft an der von Publikationen und Dozent an der F+F Schule für Kunst Wuhrstrasse geboren und verbrachte dort die frühe Ju- und Mediendesign Zürich. gend zusammen mit seinem Bruder. Nach dem Besuch der Kunstgewerbeschule Zürich Mitte der 70er Jahre machte er Interpretationen + Zitate: eine Ausbildung zum Fotografen bei Hansjörg Henn in Zü- Mit einer konzeptuellen Haltung erarbeitet Pietro Mattioli rich. Seitdem ist die Fotografie das konstanteste Medium Serien und Werkgruppen, die analog zur Idee im adäqua- in seiner künstlerischen Arbeit. Seit Abschluss der Ausbil- ten Medium umgesetzt werden wie z.B. Fotografie, Holz- dung 1978 ist er freischaffend als Künstler und Kurator tä- oder Tonskulpturen, bis Untersuchungen zu Malerei. Laut tig. In dieser Zeit entsteht auch seine grosse fotografische Martin Jaeggi sind es „Werke, die einen Dialog zwischen Serie „66 Portraits Club Hey Zürich, 1977/78.“ Fotografie und Skulptur, Raum und Bild, umreißen“ oder wo „Fotografie als Mittel zur skulpturalen Verknappung Seit den frühen 80er Jahren organisierte Pietro Mattioli als der Wirklichkeit eingesetzt wird“ wie zum Beispiel bei der Selbsthilfeprojekte mehrere Ausstellungen mit Künstler- Serie der schwarzweißen „Antennen“. Oder wie es And- freunden in Zürcher Privatwohnungen und Fabrikarealen. reas Vogel zu der gleichen Arbeit formuliert; „Eine fotogra- Neben fotografischen Arbeiten entstehen auch Serien in fische Reihung, die kalligrafische Zeichen vor bleiernem Druckgrafik und Material Assemblagen. Nach mehreren Himmel festhält, welche sich ebenso als eine Ikonografie Jahren mit Wohnsitz in London bezog er nach seiner Rück- des Äthers lesen lässt. Diese Serie und die bekannten kehr nach Zürich1993 Wohnung und Atelier an der Wuhr- „Nacht“ Bilder der Serie „2000 Light Years from Home“ strasse, wo er heute mit Familie lebt. eint, dass sie nicht als Rechercheresultat, sondern als Festhalten von Aufscheinendem angelegt sind. Hier nicht Über seine Bekanntschaft mit Urs Stahel stiess er früh zum nur ein, sondern ein letztes Aufscheinen. Als bald schon damals kleinen Team des neuen Fotomuseum Winterthur. demontierte Relikte des vordigitalen Zeitalters gilt für sie, Von 1994 bis 2008 leitete er dort Aufbau und Gestaltung was für so viele Arbeiten von Mattiolis Bildmomenten gilt: der Ausstellungen, betreute die Sammlung und war Co- Eben noch nicht da, jetzt schon fort.“ Kurator von Ausstellungen. In den 90er Jahren entstehen neben Tonskulpturen u.a. die Werkgruppen: „Malerei“ Se- rie No.1 bis No.4. Es sind Versuche, in denen sich Pietro Mattioli der Materialhaftigkeit der Farbe selbst zuwendet. „Pietro Mattioli malt ohne zu malen“ (Zitat Martin Jaeggi). Ab Mitte der 90er Jahre entstehen auch wieder grössere fotografische Serien wie „Soldaten“, „Architektur“, “Bü- cher“, „Spinnennetze“ u.a. Neben freien kuratorischen Pro- jekten im Inn- und Ausland leitete er u.a von 2003 - 2006 den „Raum für zeitgenössische Schweizer Fotografie“ der CoalMine Fotogalerie in Winterthur. Sein kulturpolitisches Engagement ist auch heute noch präsent als Mitglied von Kommissionen wie die Kunstkom- mission der Stadt Zürich (seit 2003) oder die Arbeitsgrup- pe Kunst im öffentlichen Raum der Stadt Zürich (2003 – 2009) und ebenso als Präsident der Künstlergenossen- schaft Maler und Bildhauer an der Wuhrstrasse. Als Künstler erhielt er mehrere Stipendien des Kanton und der Stadt Zürich und hatte zahlreiche Einzel- und Gruppen- Quellentexte: ausstellungen im In- und Ausland. Er ist auch Herausgeber – Pietro Mattioli
Edi Hebeisen Bildhauer, Maler und Kämpfer * 30.03.1958 Zürich + 26.03.2012 Zürich Atelier und Wohnung an der Wuhrstrasse 1994-2013 Edi ist am 30.03.1958 geboren. Er wuchs mit seiner Zeichnungen mit stelenartigen Ensembles. Oder das Revo- Schwester bei seinen Eltern in Kollbrunn auf. Schon als lutionsemblem des roten fünfstrahligen Sternes mutiert zur Kind interessierte er sich für Kunst, damals war es die ausdrucksstarken plastischen Figur aus Stein (Force tran- Schauspielkunst. Nach seiner Lehre als Detailhandelsfach- quille). „Bushes“ etwa erscheint mit den übereinander ge- mann nahm er verschiedene Arbeit an und ging unabwend- staffelten, schwammigen Grünflächen, die in Gelbformen bar seinen persönlichen Interessen in der Musik und der träufeln, als ironisch gefärbte Auseinandersetzung mit dem Kunst nach. „abstrakten Expressionismus“. Seit 1980 lebte Edi zusammen mit Freunden in der Stadt Zu den frühen plastischen Arbeiten, die noch am Letzigra- Zürich. Anfangs der 90er Jahre traf er seine frühere Liebe ben entstanden sind, zählt die hochinteressante Sequenz Lena Schliep. 1991 kam ihr erster Sohn Bas Hebeisen, der 26 Handfragmente. Es handelt sich um kleinere, kuben- 1993 ihr zweiter gemeinsamer Sohn Neel Hebeisen auf die artigen Stücke aus Porphyr, einem roten Granit, wie er im Welt. Strassenbau verwendet wird, aus denen Fingergesten und Handformen reliefartig herausgearbeitet sind. Der Künstler 1994 zog die 4-köpfige Familie an der Wuhrstrasse ein. 14 hat sie im Atelier auf einem Brett direkt unter der Decke Jahre lebten und arbeiteten sie dort. Die Zeit in der Maler - aufgereiht. Den schweigenden, rohen Stein zum Sprechen und Bildhauerbaugenossenschaft waren für Edi die bedeu- zu bringen, ist wohl die metaphorische Grundintention aller tendsten Jahre in seinem Leben. Die Möglichkeit an einem Bildhauerei. Ort zu arbeiten und zu wohnen, war für ihn unersetzbar. In dieser Zeit entstanden viele Arbeiten sowohl im Atelier als Charakteristisch für seine Arbeitsweise und den Umgang auch auf dem Werkplatz. Edi bearbeitete den Stein immer mit Werkstoffen ist der fast durchgängige Gebrauch von ohne Einsatz jeglicher Maschinen und brauchte bewusst Abfallmaterialien wie Steinresten, gebrauchten Bretter und Material, das ihm zur Verfügung stand. dergleichen. Diese Verwendung von Abfallstücken ist auf den ersten Blick primär arbeitsökonomisch und ökologisch 2007 erkrankte Edi an Amyotropher Lateralsklerose. Die begründet und richtet sich gegen die Wegwerfmentalität Krankheit ALS, eine rasch voranschreitende, degenerative der Konsumgesellschaft. Darüber hinaus hat sie weiterrei- Erkrankung des Zentralen Nervensystems, verunmöglichte chende künstlerische und ästhetische Aspekte: die Faszi- ihm seine Tätigkeit als Steinbildhauer weiterzuführen. Es nation für das Fragment und das Fragmentarische, die weit entstanden noch einige letzte Bilder. Am 26.03.2012 ver- zurückreicht bis in die Vormoderne, verbindet sich mit der starb Edi ruhig zuhause in Anwesenheit seiner Familie. Edi surrealistischen Idee des „objet trouvé“. bleibt uns als kämpferischen, feinfühligen und extrem lieben Zudem gibt die „anti-perfektionistische“ Haltung dem Im- Menschen in Erinnerung. provisativen, dem Prekären, dem Existentiellen und Künst- lerischen Raum in Abgrenzung zur technoiden Ideologie Noch während seiner Ausbildung (1986-88) an der Bild- des Perfektionismus. hauerfachklasse der Schule für Gestaltung in Basel konnte er in Zürich zwei alte Garagen am Letzigraben ausfindig „Steine mit Fehlern sind interessanter als die perfekten“, machen, die ihm bis 1994 als Werkplatz dienten. Neben sagt Hebeisen. Arbeiten auf Papier entstanden hier erste Steinskulpturen. Sein stilistisches Repertoire erstreckt sich von studienar- tigen Strichzeichnungen über flächenbetonte Blätter mit deckendem Farbauftrag bis hin zu Collagen und mixed- media Techniken. Textelemente, ob Zitate oder eigene Quellentext: Formulierungen, erweitern häufig die visuellen Ausdrucks- – aus Buch: EDI Hebeisen formen. Nicht unerwartet ergeben sich Querverbindungen „bad intentions can yield good results“ zum plastischen Werk, wie etwa Studien von Händen oder Volker Schunck, Dr. phil., Kunstwissenschaftler
Urs Frei Objektkünstler, Skulptur, Malerei, Installation * 01.09.1958 Zürich Atelier an der Wuhrstrasse Nach einer kaufmännischen Lehre in Zürich Beginn der die Eigenschaften des Raums untersuchen. Die Balance, künstlerischen Tätigkeit. Ende 1981 erfolgt die erste halböf- die auf der formalen Ebene über Techniken des Anlehnens fentliche Ausstellung im eigenen Atelier. 1982–84 dann das oder Aufeinanderstapelns der Einzelteile hergestellt wird, Studium an der Kunstakademie in Frankfurt a. M., 1984–87 kommt auf der Ebene der Gattungsüberschreitung erneut folgte ein Arbeitsaufenthalt in Wien. Urs Frei erhielt Zahlrei- ins Spiel: Die lose zusammengesetzten, bemalten Plasti- che Stipendien und Auszeichnungen: 1985 Kanton Zürich, ken mutieren zu aussergewöhnlichen Bildträgern. Die Far- 1987 Stadt Zürich und Kunstpreis der Schweizerischen be, satt aufgetragen und meist von ausgeprägter Buntheit, Bankgesellschaft, 1989 Atelierstipendium der Stadt Zürich gewinnt die Qualität des Taktilen und tendiert selbst zur in New York, 1993 Paul-Valéry-Anerkennungspreis. Neben Objekthaftigkeit. Die auf allen Ebenen zu beobachtende zahlreichen Gruppenausstellungen im In- und Ausland hat- Ambivalenz fordert dazu auf, Fragen nach der Rolle und te er seit 1990 mehrere Einzelausstellungen in der Galerie Definition der Kunst zu stellen: Gattungszuweisung, Kon- Walcheturm Zürich, 1991 Kunsthalle Luzern, 1994 Kunst- textualisierung und Partizipation des Empfängers sind zen- halle Zürich, 1997 Biennaledi Venezia. trale Themen, wobei die Begegnung mit den spielerischen Bricolagen immer auch die Dimension des Poetischen be- Die in Serien angelegten Werke von Urs Frei deuten auf inhaltet. eine künstlerische Strategie hin, die bei den Tendenzen der Postminimalisten Ende der 60er Jahre ansetzt. Ein Form- zusammenhang ergibt den nächsten; spielerisch geht das eine Werk in das andere über. Ihre gegenseitige Verket- tung erschliesst sich in der Gesamtschau, wenn sich der Empfänger zwischen den scheinbar ungleichartig im Raum verteilten Materialanhäufungen bewegt. Die offene Struktur zeigt sich sowohl in den konglomeratartigen Werken selbst als auch in ihrer Eigenschaft, grenzüberschreitend zwischen den Gattungen Plastik, Malerei, Installation zu schweben. Die frühen Wand- und Bodenarbeiten sind zunächst vor- nehmlich aus Holz: Bretter, Klötze und Rahmen sind zu Ob- jekten verarbeitet, die Spuren von Zement oder Spachtel- masse aufweisen. An architektonische Formen erinnernd, sind sie meist programmatisch dort platziert, wo Wand und Boden aufeinandertreffen. In den 80er Jahren entstehen vermehrt Werkelemente aus der urbanen Dingwelt, sowohl neuwertige als auch gebrauchte: Papprollen, Plastikeimer, Tücher werden zu heterogenen Objekten gestapelt, ge- bündelt oder aneinandergereiht und mit Farbe bearbeitet. Ihr ambivalenter Charakter entfaltet sich zusätzlich in der Bezugnahme zum Raum. Offen für assoziative Annäherung, verweisen die Werke oft auf organische Formen. Ab 1990 einheitlicher wirkende Wandobjekte aus Stoffsäcken. Die prall gestopften, kissenartigen Volumen sind bemalt und nehmen durch umgebundene Schnüre vielfältige Formen an. 1994 neue Werkserie: Konglomerate aus Brettern und Stangen muten wie übergrosse, gemalte Demonstrations- tafeln und gleichzeitig wie Bilder auf Staffeleien an. Seit Quellentext: 1996 entstehen auch Zeichnungen und Werkskizzen, die – www.sikart.ch / Schweiz. Institut für Kunstwissenschaft
Andrea Gohl Objektkünstler, Skulptur, Malerei, Installation * 1970 Thalwil Atelier und Wohnung an der Wuhrstrasse Andrea Gohl wuchs in Thalwil auf und besuchte das Gym- In ihrer neuesten Arbeit werden Oberflächenveränderungen nasium in Zürich. Erste fotografische Versuche beginnen einer Stadt im Wandel, die konkrete Sichtbarkeit urbanen als Jugendliche. Fasziniert vom Arbeiten in der Dunkelkam- Aufwertungsdrucks, untersucht. Unterschiedliche Räume mer und Experimenten mit fotografischen Inszenierungen, und Materialien treffen dabei aufeinander im öffentlichen Prozessen und Materialen, entstehen erste Arbeiten. Raum. In ihrem Kontrast und ihrer Reibung verdinglichen und verräumlichen sich die Spannungen, die die Stadt Mit 19 verbringt Andrea Gohl ein Jahr in Barcelona und durchziehen. studiert dort an der Uni. Im darauffolgenden Jahr schliesst sie sich einer GAF Gruppe in Zürich an, wo sich die Ausei- Fragen zur Natur von Bildern treten in der Arbeit gleichbe- nandersetzung über die Fotogafie intensiviert und zum Ent- rechtigt neben die fotografische Wirklichkeitsbeobachtung. schluss führt, Fotografie zu studieren. Mit 21 beginnt sie ihr Die Bilder erkunden das Verhältnis von Raum und Bild- Studium an der School of Visual Arts in New York, wo sie raum, von materieller Wirklichkeit und zweidimensionaler während 10 Jahren lebte und arbeitete. Die beruflichen Er- Scheinwirklichkeit des Bildes, die Grauzone zwischen Fi- fahrungen in New York führen über verschiedene Stationen guration und Abstraktion. Die konkrete Substanz – Material als Master Printerin, Künstler- und Galerieassistentin. Wäh- und Raum – geben Umrisse und Farbskalen vor, die in der renddessen setzt sie ihre eigene künstlerische Arbeit fort. Begrenzung des Bildraumes in neue Bezüge treten. Diese ist geprägt von Beobachtungen und Erfahrungen in der Stadt, stets suchend nach Bildern und Räumen, die diesen Erfahrungen Ausdruck verleihen können. Nach ihrer Rückkehr nach Zürich 2001 fokussiert sie vor- allem auf ihr künstlerisches Arbeiten und lebt seit 2005 an der Wuhrstrasse. Andrea Gohl unterrichtet seit 2003 Foto- grafie und leitet seit 2008 den Studiengang Fotografie an der F+F Schule für Kunst und Mediendesign in Zürich. Andrea Gohl beschäftigt sich in ihrer fotografischen Arbeit mit Fragen über Raum, räumliche und skulpturale Aspekte in vorgefundenen Situationen, in Architektur und Stadt und der Frage nach der fotografischen Darstellbarkeit. Die kontinuierliche künstlerische Auseinandersetzung mit verschiedenen Orten und Umfeldern bildet die Basis ihrer Arbeiten. Es entstanden Bilder an Orten öffentlichen Ge- schehens, aber auch in Innenräumen, in Wohnzimmern, Schlaf- und Arbeitsräumen: Serien über Korridore in New York, ein einfaches Zimmer mit Bett, über Vorhänge, Fens- ter und Ausblicke, über städtische Telefonkabinen in Zürich etc. In ihrem Langzeitprojekt Urban Walks wurden verschiede- nen Städte bewandert und nach möglichen Bildern unter- sucht. Der Stadtraum ist dabei gleichsam Atelier, Kulisse und Bühne, ein letztlich undurchschaubares Labyrinth von Vergangenheit und Gegenwart, von Planung und Zufall. Quellentext: – Andrea Gohl
Stefan Burger * 1977 Müllheim / Baden, Deutschland Andrea Thal * 1975 Bern Stefan Burger und Andrea Thal studierten nacheinander Fotografie an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich und gaben sich Epoche-übergreifend („Die Klasse“ - „Die Klasse Magazin“) die fotografische Klinke in die Hand. Nach einigen Jahren verschiedentlicher und getrennter Ak- tivität fanden sie ab 2005 in gemeinsamen Ausstellungs-, Editions- und Publikationsprojekten als Künstler und Kura- torin zusammen. z.B. „Portrait of Stefan Burger as a Pencil of Nature“ (2005), „Kleinere Unsicherheitsgesellschaften“ (2006), beide bei Les Complices*, Zürich, Publikation „Block 2008“, Edition Fink, Zürich. In ihrer ersten gemeinsamen künstlerischen Arbeit wählen sie für das Vorhaben die Örtlichkeit Wuhrstrasse als sozi- ales Gefäss und architektonisches Monument zu porträtie- ren das Medium Film. Der Film versucht unterschiedliche und ineinander verschränkte Bedeutungsschichten des Gebäudes freizulegen und zu benennen: Das Abstrahlen der schweizerischen Hochmoderne (Kratzer, Dellen, Beu- len), Quietschender Funktionalismus, Paranormale Vor- gänge in der Frankfurter Küche. ... im geerbten Aufbruch gestrandet um voller Zuversicht den Balast der Geschichte und dinglicher Kunst hinter sich zu lassen. Quellentext: – Stefan Burger
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