Lernen statt verkaufen durch D2C-Strategien mit Chat-Dialogen
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Schwerpunkt Direct-to-Consumer-Strategien als Basis für Lern- und Differenzierungansätze Lernen statt verkaufen durch D2C-Strategien mit Chat-Dialogen Das Beispiel Emmi Caffè Latte D2C-Strategien werden oftmals nicht nur mit Verkaufsnutzen, sondern auch mit Lernen durch die direkte Datensammlung vom Konsumgüterhersteller verbunden. Das folgende Fallbeispiel der Marke Emmi Caffè Latte zeigt exemplarisch auf, dass Lernen nur durch eine systematische Herangehensweise gelingt und entsprechenden Ressourceneinsatz erfordert. Dabei wird ebenfalls ersichtlich, wie durch eine D2C- Lernstrategie das Thema des direkten Verkaufens in einem traditionell intermediär- fokussierten Unternehmen näher gebracht werden kann. Marcel Härtlein, Pascal Mühlheim, Dominic Bolliger, Severin Lienhard 38 Marketing Review St. Gallen 6 | 2021 038-045_MRSG_04_SPT_Haertlein_2sp_m_mb_m.indd 38 19.10.21 15:12
Schwerpunkt Direct-to-Consumer-Strategien als Basis für Lern- und Differenzierungansätze I m Juli 2020 titelte die Zeitschrift The Economist: „The Marcel Härtlein world’s leading brands jump on the direct-selling band- Head Digital Transformation, wagon – they are after not just sales but data too“ (The Emmi AG Economist, 2020). D2C-Strategien können demnach nebst marcel.haertlein@emmi.com dem Verkauf von Produkten genauso zur Vermarktung, zum Pascal Mühlheim Sammeln von Daten, Generieren von Einblicken oder Kre- Head Global Brand Experience, ieren von Engagement genutzt werden (Bashkin et al., 2017; Emmi AG Oliver Wyman, 2019). pascal.muehlheim@emmi.com Das direkte Verkaufen an den Endkunden praktizieren vertikal integrierte Unternehmen wie Zara oder H&M schon Dominic Bolliger seit langer Zeit (Gertner & Stillman, 2001; Watson et al., Co-Founder & CEO, 2015). Im Fast-Moving-Consumer-Goods (FMCG)-Segment DiALOGiFY AG wird dabei häufig auf das Nespresso-Beispiel verwiesen dominic.bolliger@dialogify.io (Gassmann et al., 2020; Kahn et al., 2018), doch auch Unter- nehmen wie Nahrin oder Oswald vertreiben hauptsächlich Severin Lienhard Wissenschaftlicher Mitarbeiter, ohne Intermediäre online (Wait, 2019) oder sogar Face-to- Institut für Marketing und Customer Face direkt an den Endkunden (Peterson & Wotruba, 1996). Insight an der Universität St. Gallen Für eine grosse Anzahl der Konsumgüterhersteller, insbeson- severin.lienhard@unisg.ch dere im FMCG-Segment, gewannen D2C-Strategien erst in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung (European Commission, 2017; Gielens & Steenkamp, 2019). Verstärkt D2C-Strategien wird jedoch auch ein hohes Potenzial, durch Corona lancierten Unternehmen wie PepsiCo, Oreo vom Kunden zu lernen, zugeschrieben (Gielens & Steen- oder Heinz neben ihrem Kernkanal, dem Retail, im Jahre kamp, 2019). Dies soll zu einem besseren Verständnis des 2020 D2C-Strategien (Campillo-Lundbeck, 2020; Schögel & Kunden und seines Verhaltens führen. Diese Sichtweise auf Lienhard, 2021; Slashgear, 2020; White, 2020; Yan, 2011). D2C-Strategien wird auch von Führungskräften untermau- Heinz U.K. beispielsweise realisierte schnell, dass viele sei- ert: „In Zukunft wird dieser (Direct-to-Consumer)-Kanal ner Verbraucher Schwierigkeiten hatten, physisch auf ihre unglaublich leistungsfähig sein, um näher an unsere Ver- Produkte zuzugreifen und startete ein D2C-Angebot (Shopify, braucher heranzukommen, Einblicke zu erhalten und die 2021a). Lindt & Sprüngli, die seit Längerem D2C-Strategien Erkenntnisse in den Rest unseres Unternehmens zu übertra- in einigen Ländern wie der Schweiz nutzen, stärkten ihre gen.“ Jean-Phillipe Nier, Leiter E-Commerce UK&I, The D2C-Bemühungen in Kanada nach der Schliessung der stati- Kraft Heinz Company (Shopify, 2021). onären Geschäfte durch einen Online-Shop (Shopify, 2021b). Diese Opportunität des Lernens durch D2C-Strategien, Die bisherige akademische Literatur zu D2C-Strategien statt reinen Verkaufens, wird in der Literatur und Praxis im- widmet sich stark der Thematik der Kanalkonflikte, aber mer wieder hervorgehoben. Gerade für FMCG-Unternehmen auch möglichen Synergien zwischen direkten Ansätzen und ist Lernen durch D2C-Strategien ein spannendes Feld, da das dem Vertrieb über Intermediäre wie Retailern (Pan, 2019; Verkaufen aufgrund tiefer Produktpreise, Haltbarkeits- und Sharma & Mehrotra, 2007; Tsay & Agrawal, 2004). Darüber Frischeanforderungen, Qualitätssicherung oder dem Bedürf- hinaus wurde vermehrt die sogenannte „OB“-Frage unter- nis nach Warenkörben der Kunden sich häufig als sehr sucht, die Determinanten entwickelte, welche für oder gegen schwierig gestaltet (Lebensmittelzeitung, 2021a, 2021b). Es direkte Vertriebsstrategien sprechen (Casali et al., 2018; Kim bleibt jedoch unklar und mangelt in der Literatur an konkre- et al., 2021). Ebenfalls wurden Kanalerweiterungen (Geys- ten Beispielen und Analysen, inwiefern durch den direkten kens et al., 2002) oder D2C-Abonnements und ihre Konse- Kundenkontakt konkret gelernt werden kann. quenzen auf den Unternehmenswert untersucht (Pasirayi & Die Autoren widmen sich daher am Beispiel des Unter- Fennell, 2021). Genauso standen Erfolgsmechanismen für nehmens Emmi AG der Fragestellung: Wie kann das Unter- D2C-Strategien im Fokus von Untersuchungen (Gielens & nehmen Emmi AG anhand der Kampagne der Produktmarke Steenkamp, 2019; Watson et al., 2015) oder das allgemeine Emmi Caffè Latte direkt vom Kunden lernen und welche Management von direkten und indirekten Kanälen innerhalb Erkenntnisse kann es daraus ziehen, um die Effizienz in der eines Herstellers (Chen et al., 2017; Yang et al., 2017). (digitalen) Markenaktivierung zu steigern? Marketing Review St. Gallen 6 | 2021 39 038-045_MRSG_04_SPT_Haertlein_2sp_m_mb_m.indd 39 19.10.21 15:12
Schwerpunkt Direct-to-Consumer-Strategien als Basis für Lern- und Differenzierungansätze Abb. 1: Chat-Dialog mit Wendy Holdener Quelle: Eigene Darstellung. Der Artikel beginnt mit einer kurzen Übersicht über die Geräte feststellen, daher hat Emmi die wichtigsten Produkt- zugrundeliegende Technologie der analysierten Kampagne Websites mit einem „Mobile First“-Ansatz entwickelt. und folgt mit einer Vorstellung der Kampagne von Emmi Um nun die physischen Emmi Caffè Latte-Becher mit Caffè Latte. Abschliessend folgt die Ausarbeitung der Er- der digitalen Welt zu verbinden, wurden QR-Codes auf dem kenntnisse für die Produktmarke, inwiefern sich Emmi so Becher eingesetzt. Spielerische Elemente und Belohnungen dem Thema D2C nähern kann und welche Lehren andere agieren als Trigger, um einen Dialog mit den Konsumenten Konsumgüterhersteller daraus folgern können. zu starten. Die verwendete Dialog Engagement & Automa- tion Software von DiALOGiFY (ehemals Scoutsss) bietet Voraussetzung um zu lernen: die passende diese umfassenden Funktionalitäten und Services für per- Technologie zum verkauften Produkt sonalisierte Marketing & Verkaufs-Kommunikation an. Das Conversational Marketing rühmt sich, persönlicher Emmi Caffè Latte wird hauptsächlich über Intermediäre wie im Retail oder in Convenience-Shops vertrieben. Es handelt sich oftmals um Impulskäufe von Konsumenten, welche sich eine leckere Erfrischung gönnen möchten. Um nun als Mar- Zusammenfassung ke an diesen Touchpoints in den direkten Konsumentenkon- Emmi AG versucht als Teil einer D2C-Strategie, takt zu kommen und zusätzliche Daten sammeln zu können, direkt vom Kunden zu lernen. Über QR-Codes braucht es eine sinnvolle Vernetzung des physischen Pro- auf Caffè Latte-Produkten, welche über Inter- duktes mit den digitalen Instrumenten. Dabei gilt es zu be- mediäre verkauft werden, schaffte es das achten, dass der Grossteil privater Website-Besuche via Unternehmen, direkt Kundendaten zu sammeln. Smartphone erfolgt (Park & Cho, 2021). Auch bei den zahl- Emmi kann dadurch eine Datenbank aufbauen reichen Emmi-Marken konnte man in den letzten Jahren ei- und Einblicke in ihre Kunden erhalten. nen dramatischen Anstieg an Website-Besuchern via mobiler 40 Marketing Review St. Gallen 6 | 2021 038-045_MRSG_04_SPT_Haertlein_2sp_m_mb_m.indd 40 19.10.21 15:12
Schwerpunkt Direct-to-Consumer-Strategien als Basis für Lern- und Differenzierungansätze und relevanter, sehr geeignet auf Smartphones abgestimmt zu kommunizieren. WhatsApp, WeChat und seit Neuestem Kernthesen der kombinierte Messenger für Facebook und Instagram sind der Beweis dazu. Entsprechend sind die automatisier- 1. D2C-Strategien bieten Herstellern exzellente Möglichkeiten, ten und Web-basierten Chat-Dialoge im Mainstream ange- den Kunden kennenzulernen. kommen, bauen auf Smartphones als ständige Begleiter und 2. Eine moderne digitale Infrastruktur ist die Grundvoraussetzung, kamen bei diesem Beispiel bei Emmi zum Einsatz. Damit um strukturiert qualitativ hochstehende Daten zu sammeln. bedient das Unternehmen das Segment der mobilen „To- Go-Generation“, in welche die Kernzielgruppe von Emmi 3. QR-Codes mit Link zu einem Web-Dialog erlauben es Herstellern, Caffè Latte gehört. die Brücke zu den End-Kunden zu bauen, auch wenn der Verkauf über Intermediäre geschieht. Die Markenverantwortlichen von Emmi können via einem Dashboard Reports und Segment-Analysen noch 4. Diese Vorgehensweise ermöglicht den schrittweisen Aufbau von während der Live-Kampagne durchführen. Dies unterstüzt D2C-Strategien in intermediär-fokussierten Unternehmen. auch den Aufbau von zusätzlichen Datenkompetenzen im Marketing-Team. Darüber hinaus erlaubt DiALOGiFY die Analyse des Dialog-Flusses und wertet grafisch auch Drop- outs laufend aus. Anpassungen und somit Optimierung des Die wichtigsten Offline-Massnahmen bestanden aus der Dialogs sind jederzeit möglich. Anpassung des Markennamens und des Packaging-Designs, Die Kraft der Dialoge in der Kundenkommunikation mit der PoS-Aktivierung sowie klassischen Kommunikations- der flexiblen Dialog-Brücke vom Touchpoint (Produkt mit massnahmen (TV, Out of Home). Auf dem Becher wurde QR-Code) hin zu Call-to-Actions liegt in der Gewinnung von ausserdem ein Wettbewerb prominent beworben, wo der QR- Profilen und Attributen sowie kommunikativem Engagement. Code die zentrale Schnittstelle zur digitalen Welt darstellte. Sie liefern personalisierte und relevantere Inhalte und helfen, Diese Schnittstelle stellte den Übergang zu der von DiA- wertvollen Kontext zum Verhalten zu sammeln. Zudem kön- LOGiFY zur Verfügung gestellten Web-basierten Chatbot- nen Dialoge zu einem späteren Zeitpunkt automatisch fortge- Lösung dar. In einer direkten Konversation mit der virtuellen setzt werden, z.B. in Verbindung mit E-Mails oder SMS. So Wendy Holdener als Chatbot-Avatar wurden in intuitiver lässt sich z.B. ein Produkt-Feedback vom ersten Onboarding- Dialogform analog WhatsApp o.ä. die benötigten Informati- Dialog trennen. Der gewählte Ansatz von Emmi stellt den onen abgefragt und zusammen mit kampagnenspezifischen Konsumenten in den Mittelpunkt und verringert die Absprün- Attributen (Wendy Holdener, Skiing, Emmi Caffè Latte, ge, die die Interessenten auf den verschiedenen Stufen des Double Zero) direkt in die SAP Marketing Cloud von Emmi Funnels in Betracht ziehen könnten. Wie bereits erwähnt, se- übertragen. hen die Autoren D2C nicht als ausschliesslichen Verkaufska- Nebst dem QR-Code auf dem Becher konnte der Chatbot nal, sondern auch unter dem Aspekt des direkten Konsumen- auch über weitere Kanäle erreicht werden. So wurden in der tenkontakts und v.a. auch hinsichtlich der Anreicherung von Emmi Marketing Cloud bestehende Kontakte mit passenden Käuferdaten und Gewinnung von Consumer Insights. Attributen (Emmi Caffè Latte Konsument*in, Interesse an Skisport) mittels E-Mail-Aktivierung zur Teilnahme animiert, Die „Emmi Caffè Wendy“-Kampagne über die Website sowie Social Media (organisch und bezahlt) Kund*innen erreicht. Die Touchpoints und Instrumente wer- Emmi Caffè Latte ist als Marke seit Jahren im Skisponsoring den in der nachfolgenden Consumer Journey aufgezeigt. aktiv und seit 2019 Hauptsponsor der Schweizer Spitzen- Zur Erweiterung der Dialog-Brand-Experience für die athletin Wendy Holdener. Während zwei Saisons wurden im Konsumenten wurde im Anschluss an die Wettbewerbsteil- Rahmen dieser Partnerschaft zwei Kampagnen umgesetzt. nahme die Möglichkeit geboten, mithilfe einer AR-Linse ein Kern dieser Kampagnen war die temporäre Umbenennung Foto mit Wendy zu machen. Damit konnte das Brand-Enga- einer Sorte von Emmi Caffè Latte in Emmi Caffè Wendy, gement angereichert und verlängert sowie die Innovations- verbunden mit einem aufmerksamkeitsstarken Packaging- kraft der Marke demonstriert werden. Design. Für die Promotion wurden On- und Offline-Mass- Die Emmi Caffè Wendy-Kampagnen sollten auf ver- nahmen miteinander verbunden. Im vorliegenden Artikel schiedene Zieldimensionen einzahlen, so liegt es auf der wird auf die zweite Kampagne 2020/21 eingegangen. Hand, dass den Aktivitäten auch eine verkaufsfördernde Ab- Marketing Review St. Gallen 6 | 2021 41 038-045_MRSG_04_SPT_Haertlein_2sp_m_mb_m.indd 41 19.10.21 15:12
Schwerpunkt Direct-to-Consumer-Strategien als Basis für Lern- und Differenzierungansätze Abb. 2: Der Aufbau und die Consumer Journey der Emmi Caffè Latte-Kampagne Email CONSUMER JOURNEY Add -on Traffic Drivers Step 1 Send Email SAP Consumer Segment: Marketing Cloud „Existing ECL Consumer Database“ Step 7 Open and Manual Click CTA Upload Uniseminar (end of Netzwerk campaign) Step 2 Chatbot & AR Experience CAFFÈ WENDY Packaging Step 3 Emmi CAFÈ LATTE Website Sweepstakes Entry Step 4 Emmi CAFÈ LATTE FB / IG / SC Link Ad Step 6 Step 5 Consumer Dynamic Lookalike Segment: Audience 11 "Participants" Xaxis & Goldbach SAP OLV & Display Ads Marketing Cloud Quelle: Eigene Darstellung. sicht zugrunde lag. Nachfolgend wird auf die digitale Kon- Einführung des Chatbots (im Vorjahr war eine Landing-Page sumentenaktivierung und deren Effekte fokussiert. mit Formular verwendet worden) erzielt werden konnten. Die Die erste Kampagne 2019/20 war sehr erfolgreich mit Teilnehmerzahlen beim Wettbewerb konnten im Vergleich zur rund 20 000 neu generierten Datensätzen. Die Entscheidung Vorsaison um rund 75% gesteigert werden, dies bei einer Stei- für eine zweite, weiterentwickelte Kampagne gründete unter gerung der Produktverkäufe von Emmi Caffè Wendy von 50% anderem auf einer stichprobenartigen Befragung der Wettbe- vs. dem Vorjahreszeitraum. Das lässt die Folgerung zu, dass werbsteilnehmenden der ersten Kampagne, welche im An- die digitalen Aktivitäten zielführender umgesetzt wurden als schluss an diese vorgenommen worden war. Emmi war von in der Vorsaison. Zudem können die Dialog-Funnels je nach der hohen Rücklaufquote von 35% überrascht. Die Bereit- Marketingzielen verschiedenste Themenkreise behandeln. schaft der Konsument*innen eine Meinung über ihren Lieb- So macht Wendy die Nutzer zu Micro-Influencern, indem sie lings-Brand zu äussern, ist überraschend gross. Teilnehmende die Nutzer zu einem Foto-Selfie einlädt, welches dann via so- sind somit in einer Chat-Unterhaltung viel eher bereit, persön- ziale Medien geteilt wird. Mit 40 000 ausgeführten AR-Expe- liche Informationen zu teilen. Dies ist vermutlich bedingt riences bei rund 25 000 Unique Users wurden über 700 Stun- durch die in der Wahrnehmung als eher private und natürliche den zusätzliches Brand-Engagement erreicht. Unterhaltung im Dialog mit der Marke. Personen, welche im Durch diese Herangehensweise liessen sich im direkten Rahmen der Emmi-Kampagne mit dem Wendy-Chatbot in Konsumentenkontakt mit der Marke zusätzliche Datenprofile Berührung kamen, hatten sichtlich Interesse und Spass an der (Name, Vorname, Geburtsdatum, Mail-Adresse, Adresse, interaktiven Dialogform mit dem Skistar. Die Resultate zeigen Wohnort) sammeln. Es ist daher eine der effizientesten Va- darüber hinaus, dass die Konsumenten im Chat-Dialog über- rianten für Konsumgüterfirmen, Daten mit wertvollen Attri- durchschnittlich engagiert bleiben, ihre Profil-Daten und buten anzureichern und in der Folge, über den einstigen Kauf sonstige Feedbacks eher preisgeben als bei einem klassischen bei einem Intermediär hinaus, (fast) kostenlos weiter inner- Eingabeformat wie zum Beispiel einem Webseitenformular. halb der D2C-Strategie direkt mit der Zielgruppe relevant So sind zumindest die Resultate zu werten, welche mit der und personalisiert zu kommunizieren. 42 Marketing Review St. Gallen 6 | 2021 038-045_MRSG_04_SPT_Haertlein_2sp_m_mb_m.indd 42 19.10.21 15:12
Schwerpunkt Direct-to-Consumer-Strategien als Basis für Lern- und Differenzierungansätze Die Nutzung der Erkenntnisse Abb. 3: Lernen durch die D2C-Strategie aus dem direkten Kontakt Datengenerierung aus der D2C-Lernstrategie Die vorgestellte Kampagne zeigt auf, wie der Lernaspekt ein Teil der D2C-Strategie ist und konkret ausgestaltet wird. .XQGHQSURƖOH Kampagne • Name Denn wo früher eher eine Trennung stattfand und Hersteller • Vorname wie Emmi dem Retail-Partner den Kontakt mit den Konsu- • Geburtsdatum • Mail-Adresse menten überliessen, haben erfolgreiche FMCG-Marken heu- • Adresse te die Wertigkeit des direkten Kontakts entdeckt. • Wohnort SAP Nutzen für die Marke Emmi Caffè Latte Attribute: Marketing • Wendy Holdener • Skiing Cloud als Gerade für die Marke Emmi Caffè Latte, welche aufgrund der • Emmi Caffè Latte Speicherort • Double Zero Produkt- und Kaufeigenschaften für den Direktverkauf nicht ideal ist, kann eine D2C-Strategie mit ganzheitlichem Fokus auf Lernen und Verstehen zielführend sein. Das Verständnis Quelle: Eigene Darstellung. für die Käuferinnen und Käufer des Produkts und die Verlän- gerung der Brand-Experience wird als grosser Vorteil angese- hen. Die Generierung und Veredelung von Konsumentendaten Nutzen für die Emmi AG ist ein strategisches Emmi-Ziel, um das personalisierte Marke- ting über den jeweils bevorzugten Touchpoint zu verbessern. Als Nahrungsmittelproduzentin sieht Emmi einen weiteren Attribute wie Freizeitinteressen oder die bevorzugte Ge- Vorteil in der schrittweisen Annäherung an den direkten Kun- schmacksrichtung werden beispielsweise bei E-Mail-Kampa- denkontakt über das gesamte Unternehmen hinweg. gnen genutzt und deren Inhalte auf Nutzergruppen/Personas Konsument*innen hinterlassen zahlreiche Informationen ent- adaptiert ausgespielt. Die Öffnungs- und Klickraten bei inhalt- lang der Consumer Journey. Diese Daten dienen Emmi dazu, lich angepasster Ansprache (vs. allgemein gehaltenen Inhalten) ein umfangreiches Verständnis über Bedürfnisse und Wün- haben sich klar positiv entwickelt. Mit der Segmentierung sche zum Aufbau des Vertrauensverhältnisses zwischen Kon- konnten zudem bereits Testnutzer rekrutiert werden, welche sumenten und dem Unternehmen zu entwickeln. Darüber hi- Innovationen vor Markteinführung probieren und Emmi ein naus hilft der Ansatz, den Fokus auf das bessere Verstehen zu Feedback geben konnten. Die Anpassung der Marketingkom- legen, sich schrittweise als B2B2C-spezialisiertes Unterneh- munikation an die individuellen Bedürfnisse einer Person ist men an das Thema anzunähern. Anstatt über den Verkauf zu in Zeiten der Informationsüberflutung ein zwingendes Ziel. starten, was in einem B2B2C-Modell nicht einfach ist und hohe Investitionen bedingt, kann sich das Unternehmen durch die gewählte Herangehensweise trotzdem schrittweise an D2C herantasten. Gerade in Unternehmen, welche primär wenig Handlungsempfehlungen oder keinen Kontakt mit dem direkten Endkunden haben, ste- hen viele Annahmen mit D2C in Verbindung. Dabei hilft der Um aus D2C-Strategien lernen zu können, sollten Zugang über diese D2C-Lernstrategie, die Realität und Chan- Hersteller die notwendigen Ressourcen bereit- cen gut aufzuzeigen. In der folgenden Grafik wurden diese stellen, damit dies kontinuierlich gelingen kann. internen Mythen der eigentlichen Realität gegenübergestellt. Hierbei sind verschiedene Ansätze denkbar, um Bei Emmi werden die neu generierten Daten Schritt für direkt mit dem Kunden zu kommunizieren und ihn kennenzulernen, bspw. durch Dialoge. Die Schritt auch für weitere Einsatzgebiete genutzt. Beispiele Anforderungen an eine gute D2C-Lernstrategie hierfür sind die Marktforschung, Data-Analytics, Pro- sind hoch und sollten nicht weniger priorisiert duktentwicklung oder Kundenzufriedenheitsumfragen. Das behandelt werden wie allfällige Verkaufsziele. Potenzial bei der Marketing-Automation und Zusammen- Dieser Ansatz hilft Unternehmen, interne D2C- führung von operationalen Daten (O-Data) und Experience- Hürden schrittweise abzubauen. Daten (X-Data) wird von den Autoren ebenfalls als sehr hoch eingestuft, auch wenn das typische FMCG-Unterneh- Marketing Review St. Gallen 6 | 2021 43 038-045_MRSG_04_SPT_Haertlein_2sp_m_mb_m.indd 43 19.10.21 15:12
Schwerpunkt Direct-to-Consumer-Strategien als Basis für Lern- und Differenzierungansätze men wie Emmi hier noch zahlreiche Herausforderungen zu angepasst und mit Chatbot-Software gearbeitet, damit die meistern hat und v.a. ihre Systemlandschaft vollständig in- Kampagne überhaupt möglich wurde. Dies bedingt abtei- tegrieren muss. lungsübergreifende Zusammenarbeit und einen signifikan- ten Ressourceneinsatz. Das vorgestellte Projekt dient daher Nutzen für Konsumgüterhersteller Konsumgüterherstellern als Exempel, wie Kundendaten ge- neriert werden können, auch wenn keine direkte Verkaufs- Wie bereits eingangs aufgezeigt, kann eine D2C-Strategie option in Form eines Online-Shops zur Verfügung steht. Die implementiert werden, um aus dem direkten Kontakt Daten Anreicherung von Kundendaten auf Seiten des Herstellers zu sammeln oder primär, um zu verkaufen. Für Unterneh- lässt Hersteller direkt von Kunden lernen. men, welche bspw. aufgrund der Produkteigenschaften oder anderer Herausforderungen nicht im direkten Kontakt ver- Zusammenfassung kaufen können, eignet sich die vorgestellte Herangehenswei- se unter Umständen. Beim Kauf des physischen Produktes Der Artikel führt beispielhaft aus, wie Lernen durch D2C- kann via QR-Code ein direkter Kontakt aufgebaut und Kun- Strategien gelingen kann. Dabei wird anhand der ausgeführ- dendaten gesammelt werden. So kann das Thema D2C und ten Kampagne aufgezeigt, wie ein Unternehmen respektive insbesondere das Datenverständnis im Unternehmen aufge- Marke ohne Kaufmöglichkeit an Kundendaten gelangen kann, baut werden. Selbstverständlich ist es natürlich trotzdem um zu lernen. Dabei wird in einem ersten Schritt die bestehen- denkbar, dass Emmi in Zukunft gewisse Produktkategorien de Literatur zu D2C-Strategien analysiert. Obwohl Lernen und über den direkten Kanal verkaufen wird. Daten als Kernvorteile und Ziele von D2C-Strategien genannt Die vorgestellte Herangehensweise soll aufzeigen, dass werden, fehlt es an konkreten Beispielen. Daher wird im An- Hersteller im direkten Kontakt zu Konsumenten viel lernen schluss kurz die verwendete Technologie der Chatbots erklärt. können. Eine strukturierte und durchdachte Herangehens- Im Anschluss werden die Consumer Journey und die Einbet- weise stellt aber eine absolute Notwendigkeit dar. Wie bei tung der aktuellen Kampagne von Emmi aufgezeigt. Hierbei Emmi Caffè Latte ersichtlich, wurde das Packaging-Design wird ersichtlich, wie die SAP Marketing Hybris Cloud zent- Literatur Bashkin, J., Joshi, P., Pacchia, M. & Ungerman, K. International Journal of Electronic Commerce, *LHOHQV. 6WHHQNDPS-%(0 (2017). Should CPG manufacturers go direct 21(1), 43–66. https://doi.org/10.1080/10864415. Branding in the era of digital (dis)intermediation. to consumer — And, if so, how? McKinsey International Journal of Research in Marketing, & Company. https://www.mckinsey.com/ 36(3), 367–384. https://doi.org/10.1016/ industries/consumer- packaged-goods/ European Commission. (2017). Report from the MLMUHVPDU our-insights/should-cpg-manufacturers-go- commission to the council and the European direct-to-consumer-and-if- so-how Parliament: Final report on the E-commerce Kahn, B. E., Inman, J. J. & Verhoef, P. C. (2018). sector inquiry. Introduction to Special Issue: Consumer Campillo-Lundbeck, S. (2020). Warum Mondelez 5HVSRQVHWRWKH(YROYLQJ5HWDLOLQJ jetzt einen digitalen Laden für Oreo-Kekse )XUU1 6KLSLORY$ 'LJLWDO'RHVQűW Landscape. Journal of the Association eröffnet. Horizont. https://www.horizont.net/ +DYHWR%H'LVUXSWLYH+DUYDUG%XVLQHVV5HYLHZ IRU&RQVXPHU5HVHDUFK Ů marketing/nachrichten/direct-to-consumer- KWWSVKEURUJGLJLWDOGRHVQWKDYH KWWSVGRLRUJ warum- mondelez-jetzt-einen-digitalen-laden- WREHGLVUXSWLYH fuer-oreo-kekse-eroeffnet- 187732?utm_source Kim, N. L., Shin, D. C. & Kim, G. (2021). Gassmann, O., Frankenberger, K. & Choudury, Determinants of consumer attitudes and re- )PHWD)QHZVƗDVK)VZLVVYRU X M. (2020). Geschäftsmodelle entwickeln: tm_medium=newsletter &utm_campaign= purchase intentions toward direct-to-consumer LQQRYDWLYH.RQ]HSWHPLWGHP6W*DOOHU (DTC) brands. Fashion and Textiles, 8(1), 1–22. QO XWPBWHUP DGG EXVLQHVVPRGHOQDYLJDWRU&DUO+DQVHU9HUODJ Casali, G.L., Perano, M., Presenza, A. & GmbH Co KG. Lebensmittelzeitung. (2021a). Das Ohr ganz $EEDWH7 'RHVLQQRYDWLRQSURSHQVLW\ nah am Konsumenten. Lebensmittelzeitung. Gertner, R. H. & Stillman, R. S. (2001). https://www.lebensmittelzeitung.net/ LQƗXHQFHZLQHULHVűGLVWULEXWLRQFKDQQHO Vertical integration and internet strategies in decisions? International Journal of Wine LQGXVWULH/=,QWHUYLHZPLW
Schwerpunkt Direct-to-Consumer-Strategien als Basis für Lern- und Differenzierungansätze 7DEHOOH(QWP\VWLƖ]LHUXQJYRQ'&GXUFKJUDGXHOOH+HUDQJHKHQVZHLVH ZLHEVSZGHU(PPL&DIIª/DWWH.DPSDJQHŮ$GDSWLRQVWDWW1HXHUƖQGXQJ Allgemeine unternehmensinterne Annahmen Die Realität Mit D2C erschliessen wir sehr schnell eine Mit D2C haben wir bessere Kontrolle über unsere Marke, können direkt VLJQLƖNDQWH]XV¦W]OLFKH(LQQDKPHTXHOOH mit Konsumenten interagieren und können wertvolle Insights entlang der Consumer Journey generieren. D2C erfordert ein komplett neues Wir nutzen neue und digitale Technologien, um Kundenbedürfnisse besser Geschäftsmodell für das Unternehmen. zu bedienen und unser personalisiertes Marketing zu verbessern. D2C wird physische Läden ersetzen. Eine sinnvolle Kombination von physischen und digitalen Kanälen ermöglicht ein besseres Kundenerlebnis. D2C ist ein Technologie-Vorhaben. Bei D2C geht es im Kern um die Käufer*innen unserer Produkte und deren Bedürfnisse. D2C geht nur um Verkauf. D2C bietet die Chance, von Konsumenten zu lernen und diese besser zu verstehen. Dabei kann es für eine Marke trotzdem sinnvoll sein, nicht direkt zu verkaufen. Quelle: In Anlehnung an Furr & Shipilov (2019). raler Bestandteil der Kampagne ist, um die Daten zu spei- an: Erstens für die Marke selber, für das gesamte Unterneh- chern. Durch diese neue Herangehensweise über Chatbots men Emmi AG sowie auch generell für Konsumgüterherstel- konnte Emmi die Teilnahmezahlen im Vergleich zur Vorsai- ler, die vor ähnlichen Problemstellungen stehen. Hierbei gilt son am Wettbewerb signifikant steigern (75%). Daraus wur- es hervorzuheben, dass die gewählte Herangehensweise, Ler- den schlussendlich vollständige Kundenprofile erstellt mit nen statt Verkauf, mithilft, das Thema D2C generell im Unter- dazugehörigen Attributen. Der Nutzen fällt auf drei Ebenen nehmen Emmi schrittweise voranzutreiben. 2OLYHU:\PDQ *RLQJGLUHFWWRWKH Sharma, A. & Mehrotra, A. (2007). Choosing Tsay, A. A. & Agrawal, N. (2004). Channel FRQVXPHUV3URPLVHVDQGSLWIDOOV2OLYHU an optimal channel mix in multichannel FRQƗLFWDQGFRRUGLQDWLRQLQWKHHFRPPHUFH :\PDQKWWSVZZZROLYHUZ\PDQFRP HQYLURQPHQWV,QGXVWULDO0DUNHWLQJ0DQDJH age. Production and Operations Management, FRQWHQWGDPROLYHUZ\PDQYSXEOLFDWLRQV ment, 36(1), 21–28. https://doi.org/10.1016/ Ů )HEUXDU\5 &-RXUQDOYRO'LUHFWWR j.indmarman.2006.06.012 consumers.pdf :DLW0 7KHULYDOU\EHWZHHQRQOLQH 6KRSLI\ D +HLQ]űVQHZGLUHFWWR and direct selling — Is there a winner? 3DQ& 0DQXIDFWXUHUűVGLUHFW consumer site went from contract to launch in $FWD&RPPHUFLL Ů GLVWULEXWLRQZLWKLQFXPEHQWUHWDLOHUűVSURGXFW 7 days. Shopify. https://www.shopify.com/plus/ OLQHFKRLFH(FRQRPLFV/HWWHUVŮ customers/heinz Watson, G. F., Worm, S., Palmatier, R. W. & https://doi.org/10.1016/j.econlet.2018.11.011 *DQHVDQ6 7KH(YROXWLRQRI0DUNHWLQJ 6KRSLI\ E /LQGWRSHQHGLWVƖUVW Channels: Trends and Research Directions. 3DUN6 &KR. 0RELOHYVGHVNWRSXVHU HFRPPHUFHVWRUHLQGD\VWRVHUYHFXVWRPHUV -RXUQDORI5HWDLOLQJ Ů VHDUFKEHKDYLRXUVRIWKH.VLWHD.RUHDQ LQD&29,'ZRUOG6KRSLI\ https://doi.org/10.1016/j.jretai.2015.04.002 shopping search engine. The Electronic Library. https://www.shopify.com/plus/customers/lindt White, N. (2020). Heinz launches direct to con- Pasirayi, S. & Fennell, P. B. (2021). The effect of Slashgear. (2020). PepsiCo DTC home shipping VXPHUVHUYLFH& ,&RQYHQLHQFHDQG,PSXOVH subscription-based direct-to-consumer PD\FKDQJHIRRGVKRSSLQJIRUHYHU6ODVKJHDU Retailing. https://www.c-store.com.au/2020/07/ FKDQQHODGGLWLRQVRQƖUPYDOXH-RXUQDORI https://www-slashgear-com.cdn.ampproject. KHLQ]ODXQFKHVGLUHFWWRFRQVXPHUVHUYLFH Business Research, 123, 355–366. org/c/s/www.slashgear.com/pepsico-dtc- home-shipping-may-change-food-shopping- Yan, R. (2011). Managing channel coordination 3HWHUVRQ5$ :RWUXED75 IRUHYHUDPS in a multi-channel manufacturer–retailer :KDWLVGLUHFWVHOOLQJ"'HƖQLWLRQSHUVSHFWLYHV supply chain. Industrial Marketing Manage- and research agenda. Journal of Personal 7KH(FRQRPLVW 7KHZRUOGűVOHDGLQJ ment, 40(4), 636–642. https://doi.org/10.1016/ Selling & Sales Management, 16(4), 1–16. brands jump on the direct-selling bandwagon. MLQGPDUPDQ Economist. https://amp-economist-com.cdn. Schögel, M.,& Lienhard, S. D. (2021). ampproject.org/c/s/amp.economist.com/ Yang, Z., Hu, X., Gurnani, H. & Guan, H. (2018). Direct-to-Consumer (D2C) Monitor Schweiz. business/2020/07/26/the-worlds-leading- Multichannel distribution strategy: Selling to a https://ifmhsg.ch/d2c-monitor-1-2021/ brands-jump-on-the-direct-selling-bandwagon competing buyer with limited supplier capacity. 0DQDJHPHQW6FLHQFH Ů Marketing Review St. Gallen 6 | 2021 45 038-045_MRSG_04_SPT_Haertlein_2sp_m_mb_m.indd 45 19.10.21 15:12
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