LUXEMBURGS WISSENSCHAFTLICHE PRODUKTIVITÄT - im Vergleich zu Deutschland, Frankreich und Belgien
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Autorin & Autor Jennifer Dusdal Luxemburgs wissenschaftliche Produktivität Justin J. W. Powell Bildungsverläufe 9 LUXEMBURGS WISSENSCHAFTLICHE PRODUKTIVITÄT im Vergleich zu Deutschland, Frankreich und Belgien D ieser Beitrag vergleicht das luxemburgische Hochschul- und Wissenschaftssystem mit drei weiteren Mitgliedsstaaten der Europäischen Union – Deutschland, Frankreich und Belgien. Gemessen wird der wissenschaftliche Output anhand wissenschaftlicher peer-reviewed Zeit- schriftenbeiträge aus dem von Thomson Reuters (jetzt: Clarivate Analytics) bereitgestellten Web of Science Citation Index Expanded (SCIE). Ein Vergleich der vier Universitätssektoren zeigt, dass Deutschland und Belgien mit ihren forschungs- starken und internationalen Universitäten einen wesentlich höheren Institutionalisierungsgrad aufwei- sen als Frankreich und Luxemburg. Ein Vergleich der außeruniversitären Sektoren belegt eine hohe Aus- differenzierung Deutschlands und Frankreichs im Gegensatz zu Belgien und Luxemburg. In Luxemburg gibt es eine vielfältige und leistungsstarke Forschungslandschaft, die besonders internationalisiert ist. Nationaler Bildungsbericht Luxemburg 2018
Luxemburgs wissenschaftliche Produktivität Europa gilt als Herzstück wissenschaftlicher Pro- in Europa, nämlich Deutschland (rund 80.000 Universitäten duktivität zwischen Nordamerika und (Ost)Asi- Beiträge im Jahr 2011), Großbritannien (74.000), dienen als multi- en, da die ältesten Forschungsuniversitäten und Frankreich (57.000), Italien (46.000) und Spani- kulturelle Lern- andere wichtige Organisationsformen der Wis- en (41.000). Weitere Zentren der Forschung sind räume und bieten senschaft in Europa beheimatet sind. Diese dien- Nordamerika – USA (282.000) und Kanada (46.000) die notwendigen ten und dienen oft als Vorbild zur Herausbildung – sowie Ostasien (China (153.000), Japan (69.000) Bedingungen für Bildungsverläufe neuerer Hochschul- und Wissenschaftssysteme und Indien (43.000) (vgl. Powell et al. 2017). Euro- wissenschaftliche weltweit. Europäische Länder investieren große pa bildet somit auch heute das Zentrum globaler Entdeckungen und Summen in den Ausbau ihrer Hochschul- und Wissenschaft. technologische Wissenschaftssysteme sowie in die Forschung, die Entwicklungen. als Quelle der Innovation gelten und als Sicherung Innerhalb Europas sind diese Länder nicht nur der Zukunft anerkannt werden. Universitäten sind durch ihre Mitgliedschaft in der Europäischen multikulturelle, intergenerationale Lernräume Union und ihre direkte Nachbarschaft miteinan- und bieten die notwendigen Bedingungen für wis- der verbunden, sondern auch durch staatliche senschaftliche Entdeckungen und technologische Steuerung auf mehreren Ebenen, die Teilnahme Entwicklungen wie das Internet, das die weltweite an einer Vielzahl gemeinsamer Bildungs- und For- Vernetzung und Kooperation nicht nur von Wis- schungs(förder)programme, die Einrichtung eines senschaftlerinnen und Wissenschaftlern grund- gemeinsamen Europäischen Hochschulraumes legend verändert hat. Diese Institutionalisierung (Powell, Bernhard, Graf 2012) sowie das Netzwerk über Jahrzehnte führte zu einer steigenden An- „Universität der Großregion“ (www.uni-gr.eu). zahl von Studierenden und Wissenschaftlern, ei- Die ausgewählten Länder unterscheiden sich be- ner Verbesserung der Forschungsinfrastrukturen züglich ihrer gesprochenen Sprachen (Deutsch, und starken interkulturellen Netzwerken sowie Flämisch, Französisch und Luxemburgisch) und wissenschaftlichen Kooperationen. Als Ergebnis Kulturen, ihrer Einwohnerzahl und geografischen kann ein erheblicher, gar exponentieller Anstieg Lage und Größe sowie den Ressourcen und Infra- wissenschaftlichen Outputs, z. B. in Form von Pu- strukturen, die für Bildung und Wissenschaft zur blikationen in peer-reviewed Zeitschriften in den Verfügung gestellt werden. Hochschulbildung und Mathematik-, Ingenieur-, Natur-, und Technikwis- wissenschaftliche Forschung, die Produktion und senschaften sowie der Medizin verzeichnet wer- Vermittlung wissenschaftlichen Wissens in der den (vgl. Powell, Baker, Fernandez 2017). heutigen Lingua franca, Englisch, sind weltweite Aktivitäten. Einhergehend mit einer Verschiebung Dieser Beitrag vergleicht das luxemburgische des globalen Zentrums wissenschaftlicher Produk- Hochschul- und Wissenschaftssystem mit drei wei- tivität – Frankreich um 1800, Deutschland ab 1840 teren Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und die USA nach den Weltkriegen – wandelte sich – Deutschland, Frankreich und Belgien: Diese die dominante Wissenschaftssprache vom Franzö- Als eine der weni- Nachbarländer unterscheiden sich hinsichtlich der sischen ins Deutsche bis zur heutigen Dominanz gen dreisprachi- Größe und Institutionalisierung ihrer Hochschul- der englischen Sprache, gegenwärtig die (notwen- gen Universitäten und Wissenschaftssysteme sowie ihres absoluten dige) gemeinsame Plattform zum wissenschaftli- weltweit kommt und relativen wissenschaftlichen Outputs (vgl. Po- chen Austausch, insbesondere in den Natur- und der Universität well, Dusdal 2017a). Anhand der historischen und Technikwissenschaften. Die in Luxemburg gelebte Luxemburg eine gegenwärtigen Entwicklung der Hochschul- und Mehrsprachigkeit spiegelt sich auch in seiner For- besondere Rolle in Wissenschaftssysteme werden diese Punkte mit- schungsuniversität wider. Als eine der wenigen der Übersetzung einander in Beziehung gesetzt. dreisprachigen Universitäten weltweit kommt ihr wissenschaftli- eine besondere Rolle in der Übersetzung wissen- cher Ansätze und Zusammen tragen die untersuchten Länder maß- schaftlicher Ansätze und Befunde zu. Befunde zu. geblich zum wissenschaftlichen Output Europas bei, da die in ihnen beschäftigten, aber internati- In diesem Beitrag messen wir den wissenschaft- onal stark vernetzten Wissenschaftlerinnen und lichen Output anhand wissenschaftlicher peer- Wissenschaftler eine große Anzahl an Artikeln reviewed Zeitschriftenbeiträge aus dem von publizieren. Derzeit sind die Hälfte der zehn pro- Thomson Reuters ( jetzt: Clarivate Analytics) be- duktivsten Länder in diesen Wissenschaftsfeldern reitgestellten Web of Science Citation Index → 114 | 115
Luxemburgs wissenschaftliche Produktivität → Expanded (SCIE). Das Ausmaß wissenschaft- lichen Outputs unterscheidet sich, manchmal unerwartet, unterBerücksichtigung der institu- tionellen Strukturen in Hochschul- und Wissen- schaftssystemen. Identifiziert wurden sowohl 9.1 Internationalisierung stabile als auch dynamische Muster wissenschaft- wissenschaftlicher Bildungsverläufe licher Produktivität in Luxemburg, Deutschland, Frankreich und Belgien.41 Die empirische Basis der differenzierten Analysen beruht auf einem Unter- Produktivität S suchungszeitraum von mehr als einem Jahrhun- dert und umfasst die Jahre 1900 bis 2010. Unsere owohl in Europa als auch weltweit wird der Ergebnisse zeigen, vor allem in den letzten Jahr- supranationale Einfluss immer stärker, der zehnten, einen sehr deutlichen Trend exponen- sich in zwischenstaatlichen Angleichungs- tiellen wissenschaftlichen Wachstums. Nur durch prozessen manifestiert, wie beispielsweise dem den in dieser einzigartigen Untersuchung ange- Bologna-Prozess zur Etablierung eines Europä- legten langen Zeitraum können unterschiedliche ischen Hochschulraums sowie einflussreichen Institutionalisierungspfade aufgezeigt werden, die Forschungsförderprogrammen der EU (bspw. die notwendigen Bedingungen für ein kontinuier- Horizon 2020) und Organisationen, die herausra- liches, aber auch unterschiedlich großes wissen- gende Forschung auf europäischer Ebene fördern schaftliches Wachstum in Kernländern Europas – etwa dem Europäischen Forschungsrat (Hönig darstellen. Heute investieren alle Länder erhebliche 2017). Die anhaltende Internationalisierung und Mittel in Forschung und Entwicklung (FuE) und in Europäisierung von Wissenschaft und Hochschul- den Ausbau ihrer zunehmend internationalisier- bildung wurde von einem exponentiell ansteigen- ten Hochschulsysteme. In allen vier Fällen spiegelt den regionalen, nationalen und organisationalen die steigende wissenschaftliche Produktivität au- Wettbewerb und gleichzeitiger Kooperation zwi- ßerordentliche staatliche Forschungsprogramme schen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft- wider sowie auf mehreren Ebenen Investitionen in lern begleitet (Powell et al. 2017). Hierdurch wird Bildung und Wissenschaft. Jedoch finden wir ne- vornehmlich die starke Diffusion weltweiter Ideen ben einem starken Wachstum, in absoluten Zahlen und Normen der Wissenschaft vorangetrieben und per Einwohner, wichtige Unterschiede. (Drori et al. 2003). Die oben bereits beschriebene Entwicklung, dass nahezu alle Länder weltweit in Internationalisierung Forschungsuniversitäten investieren (Baker 2014), und Europäisierung wird an der fortlaufenden globalen Expansion der von Hochschulbildung Hochschulbildung deutlich (Schofer, Meyer 2005). wurde von einem expo- Trotz weltweiter Expansion, einem zunehmenden nentiell ansteigenden Angleichungsdruck und einer steigenden Interna- regionalen, nationalen tionalisierung der Forschungsuniversitäten – sie und organisatio- folgen einem Emerging global model (Baker 2014) –, nalen Wettbewerb zeigen vergleichende institutionelle Analysen an- und gleichzeitiger haltende Unterschiede einzelner Hochschul- und Kooperation zwischen Wissenschaftssysteme auf (Abbildung 45). Welt- Wissenschaftlerinnen weit steigt der Anteil an Publikationen, die durch und Wissenschaftlern universitäre Forscherinnen und Forscher verfasst begleitet. werden. 41 Im internationalen Forschungsprojekt Science Productivity, Higher Eduation, Research & Development, and the Knowledge Society (SPHERE) wurde ein globaler Datensatz wissenschaftlicher Zeitschriften über den Zeitraum von 1900 bis 2011 aufbereitet, neu kodiert und schließlich analysiert. Die Datenbank besteht aus einer von den Autoren nachträglich überarbeiteten und umfassenden histori- schen Informationen. Erstellt wurde eine stratifizierte Zufallsstichprobe publizierter Zeitschriftenartikel in den Mathematik-, Ingenieur-, Natur-, und Technikwissenschaften sowie der Medizin. Durch die Kombination von Fallstudien aus Nordamerika (USA), Europa (Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Luxemburg), Asien (China, Japan, Korea, Taiwan) und dem Mittleren Osten (Katar) wurde eine systematische Analyse der Entwicklung von Hochschul- und Wissenschaftssystemen sowie der Herausbildung wissenschaftlicher Kapazität angestrebt. Nur durch die Betrachtung eines umfassenden historischen Zeitraums können die gewonnenen Ergebnisse Ein- blicke in das weltweite Wachstum wissenschaftlicher Produktivität geben. Das SPHERE-Projekt wurde vom Qatar National Research Fund (Mitglied der Qatar Foundation) unter Angabe folgender Projektnummer NPRP grant #5-1021-5-159 finanziell gefördert. Für die hier vorgestellten Ergebnisse sind allein die Autoren verantwortlich. Nationaler Bildungsbericht Luxemburg 2018
Luxemburgs wissenschaftliche Produktivität Institutionalisierung von Forschungsuniversitäten hoch niedrig Deutschland Frankreich Institutionalisierung von hoch Forschungsuniversitäten (n = 126); Forschungsuniversitäten (n = 79); Forschungsinstituten Vereinigungen von Forschungsinstituten Centre national de la recherche scientifique (n = 256 in FhG, HGF, MPG, WGL) (n = 100 „Research structures“) Bildungsverläufe Belgien Luxemburg niedrig Forschungsuniversitäten (n = 13); Forschungsuniversität (n = 1); verschiedene Forschungsinstitute und Forschungsinstitute Wissenschaftsparks (Centre de Recherche Public, n = 3) Quelle: Powell, Dusdal 2017a: 420. Abb 45 Die Institutionalisierung von Forschungsuniversitäten und außeruniversitären Forschungsinstituten in Deutschland, Frankreich, Belgien und Luxemburg 9.2 Hochschul- und Wissenschaftssysteme unterscheiden sich in Größe und Umfang D ie vier Länder unterscheiden sich Deutschland. Allerdings investieren Erstere eher in der Größe, dem Umfang und der in kleinere Forscherteams und Letztere in unab- Struktur ihres Hochschul- und Wissen- hängige Institute. Besonders in Belgien sowie in schaftssystems sowie in den Entwicklungspfa- Deutschland gelten die Forschungsuniversitäten den ihrer Universitäten und außeruniversitären als treibende Kraft der Produktion wissenschaft- Forschungsinstitute (Powell, Dusdal 2017a). Wäh- lichen Wissens in Form von Zeitschriftenartikeln. rend Luxemburg im Jahr 2003 eine der jüngsten In Frankreich, aber auch in Luxemburg, haben Forschungsuniversitäten Europas gegründet hat, die außeruniversitären Forschungsinstitute oder verfügen Belgien, Deutschland und Frankreich nationale Forschungszentren im Zeitverlauf in über Jahrhunderte alte und weltweit bekann- den Mathematik-, Ingenieur-, Natur-, und Tech- te Forschungsuniversitäten mit hoher globaler nikwissenschaften sowie der Medizin federfüh- Reputation. Unter den ältesten und forschungs- rend publiziert. Nichtsdestotrotz holen die Uni- stärksten Universitäten weltweit befinden sich versitäten beider Länder, gemessen in absoluten die ungefähr im Jahr 1150 gegründete Universität Publikationszahlen, auf. Paris Sorbonne, die 1386 eingerichtete Ruprecht- Karls-Universität Heidelberg und die 1425 ge- Andererseits zeigt ein Vergleich der Investitio- gründete Katholische Universität Löwen. Zu ihren nen in FuE deutliche Unterschiede zwischen den Gemeinsamkeiten gehören die globale Vernet- Ländern. Die FuE-Aufwendungen in % des Brut- zung und die Publikation einer großen Anzahl an toinlandsprodukts (GERD) – also die sogenannte Zeitschriftenartikeln. Besonders Deutschland und Forschungsintensität – betrugen im Jahr 2008, Frankreich haben zusätzlich zum Universitätssek- zwei Jahre vor der Publikation der letzten in die- tor starke außeruniversitäre Forschungsinstitute ser Analyse berücksichtigten Daten im Mittel der konstituiert, die häufig in größeren Dachorgani- OECD 2,3 %, wohingegen der Mittelwert der EU- sationen zusammengefasst werden und erheblich 15-Staaten lediglich 1,9 % betrug. Deutschland zum wissenschaftlichen Output des Landes zur hat seine Investitionen in FuE auf 2,6 % erhöht weltweiten Spitzenforschung beitragen, wie das und Frankreich weist seit dem Jahr 2000 relativ Centre national de la recherche scientifique (CNRS) stabile Investitionsraten über 2 % auf (2,1 % im in Frankreich oder die Max-Planck-Gesellschaft Jahr 2008). Belgien investierte 1,9 %, blieb also zur Förderung der Wissenschaften e. V. (MPG) in kurz unter den Werten Frankreichs, aber weit → 116 | 117
Luxemburgs wissenschaftliche Produktivität → unter denen Deutschlands. Luxemburg nimmt große Firmen angesiedelt, die solche Ausgaben mit einem Mittelwert von 1,6 % die letzte Position tätigen könnten (La Fondation IDEA asbl. 2017: 7). im Vergleich zu den drei anderen Ländern ein und investierte im Jahr 2008 prozentual am wenigs- Die Auswahl der Fallstudien erfolgte auch auf Ba- ten in FuE. In der letzten Dekade haben sich die sis einer unterschiedlichen Institutionalisierung FuE-Investitionen erhöht, allerdings konnte keiner organisationaler Strukturen in den untersuchten Bildungsverläufe der vier Nachbarstaaten bisher das europäische Hochschul- und Wissenschaftssystemen. Ein Ver- Investitionsziel in „Innovationen“ von 3 % bis zum gleich der vier Universitätssektoren zeigt, dass Jahr 2020 erreichen. Dementsprechend variieren Deutschland und Belgien mit ihren forschungs- die Investitionen der Länder um ganze zwei Pro- starken und internationalen Universitäten einen zentpunkte. Aktuelle Zahlen zeigen, dass Luxem- wesentlich höheren Institutionalisierungsgrad burg im Vergleich zu den meisten anderen euro- aufweisen als Frankreich und Luxemburg. Ein Ver- päischen Ländern, zwischen 2005 und 2015 einen gleich der außeruniversitären Sektoren hingegen Rückgang in der Forschungsintensität zu 1,3 %, belegt eine hohe Ausdifferenzierung Deutsch- also weniger als die Hälfte der Zielmarke aufweist, lands und Frankreichs im Gegensatz zu Belgien insbesondere aufgrund fehlender Investition sei- und Luxemburg. tens der Industrie. Im Land sind relativ wenige 9.3 Luxemburgs Forschungsuniversität als wichtigster Pfeiler wissenschaftlicher Produktivität L uxemburg zeichnet sich durch eine be- größten europäischen Infrastrukturprojekte mit achtliche kulturelle Diversität aus. Mit einem Budget von bisher fast einer Milliarde Euro einem starken Finanzsektor, niedrigen finanziert. Hier wird die Verschmelzung von For- Arbeitslosenzahlen und der Ansiedlung einzelner schung und Lehre, Wirtschaft und Innovation – ein EU-Institutionen verfügt Luxemburg weltweit sogenanntes Knowledge triangle entsteht – durch über eines der höchsten Bruttoinlandsprodukte die gemeinsame Verortung der Universität, außer- pro EinwohnerIn. Über Jahrhunderte wurde das universitären Forschungsinstitute und Firmen kleine Großherzogtum durch seine Nachbarlän- vorangetrieben (OECD 2016: 26f.). der beeinflusst. Allerdings war es vor Gründung der staatlich finanzierten Universität auf die Ex- Der Ausbau der Universität gilt als Antwort auf pertise und Infrastruktur seiner Nachbarn in der sich wandelnde globale Normen und ökono- Hochschulausbildung und Forschung angewiesen mische Entwicklungen. Luxemburg hat seinen (Rohstock, Schreiber 2012). Nicht nur in sozialer ökonomischen Erfolg dazu genutzt, um einen und demografischer Hinsicht ist Luxemburg ein langfristigen Wohlstand durch den Ausbau von höchst diverses und schnell wachsendes Land, Bildung und Wissenschaft zu sichern. Seine wis- sondern auch in Bezug auf die Herausbildung sei- senschaftliche Kapazität hat Luxemburg durch nes Hochschul- und Wissenschaftssystems (Meyer außeruniversitäre Forschungsinstitute und eine 2008). Die Errichtung des neuen Campus auf ei- zentrale Forschungsuniversität sowie verschiede- nem stillgelegten Stahlwerk an der Grenze zu ne ihrer Vorgängerorganisationen herausgebildet Frankreich zeigt die enge Verknüpfung eines tra- (Harmsen, Powell im Druck). Dementsprechend ist ditionsreichen Industriestandortes mit einem vo- die wissenschaftliche Produktivität des Landes in ranschreitenden Wandel hin zu einer „Wissensge- den letzten 25 Jahren enorm gestiegen. sellschaft“ (Powell 2012: 102). Mit der Einrichtung der Cité des Sciences im industriellen Süden des Luxemburgs Universität bildet das Herzstück sei- Landes wurde Anfang der 2000er Jahre eines der nes kleinen und diversen Hochschul- und Wissen- Nationaler Bildungsbericht Luxemburg 2018
Luxemburgs wissenschaftliche Produktivität schaftssystems. Sie wird ergänzt durch außeruni- de l’Ensignement Supérieur et de la Recherche zu- Trotz der Kleinheit versitäre Forschungsinstitute und medizinische sammen mit Verantwortlichen der Universität des Landes gibt Einrichtungen, die in unterschiedlichen Feldern und den drei großen Forschungszentren LIST, LIH es eine vielfältige Forschung betreiben (vgl. Meyer 2008; Powell und LISER auf Forschungsinvestitionen von ins- und leistungsstar- 2015; OECD 2016; La Fondation IDEA asbl. 2017).42 gesamt 1,4 Mrd. € für die nächsten vier Jahre ge- ke Forschungs- Im Jahr 2015 fusionierten die beiden öffentlich einigt. Dies entspricht einem Zuwachs von 25 % landschaft, die Bildungsverläufe finanzierten Forschungszentren „Henry Tudor“ gegenüber dem Zeitraum von 2014 bis 2017. Vom besonders interna- und „Gabriel Lippmann“ zum neu gegründeten Gesamtbetrag erhält die Universität 767 Mio. €, tional ist. Luxembourg Institute of Science and Technology also 178 Mio. € mehr als im letzten Vertragszeit- (LIST), um innerhalb und außerhalb des Landes raum. Das LIST bekommt 186 Mio. €, LIH 150 Mio. € eine höhere wissenschaftliche Sichtbarkeit zu er- und LISER 47 Mio. €. Zusätzlich erhält die For- reichen. Bereits einige Jahre zuvor wurde zwischen schungsförderungsorganisation Fonds national de der Universität und den außeruniversitären For- la recherche zusätzliche finanzielle Mittel in Höhe schungsinstituten ein Vertrag geschlossen, um be- von 265 Mio. €, das entspricht einem Plus von 11 %. stimmte Forschungsbereiche auszubauen und die Wirtschaft des Landes zu stärken. Im sogenannten Erwerben die Einrichtungen europäische For- 3LIU Consortium hat sich die Universität mit dem schungsgelder im Rahmen des Forschungsför- LIST, dem Luxembourg Institute of Socio-Economic derprogramms HORIZON 2020, können Bonus- Research (LISER), und dem Luxembourg Institute zahlungen für besondere Leistungen in Höhe von of Health (LIH) zusammengeschlossen (Powell, 20,5 Mio. € vergeben werden. Um die finanziellen Dusdal 2017a: 428). Das LIH ist eine hybride Orga- Mittel zu erhalten, sind die Einrichtungen ver- nisationsform, die aus dem nationalen For- pflichtet, ihre Forschungsergebnisse in wissen- schungszentrum für Gesundheit (CRP Santé) und schaftlichen Zeitschriften zu veröffentlichen, en- der Integrated Biobank of Luxembourg, hervorge- ger miteinander zu kooperieren (beispielsweise in gangen ist. Weitere weltweit genutzte Dateninfra- Form gemeinsamer Publikationen) und Drittmit- struktur ist im LIS Data Center sowie bei Eurostat tel in Höhe von insgesamt 433 Mio. € einzuwerben beheimatet. Trotz der kleinen Größe des Landes (MESR 2018, Luxemburger Wort 2018). Der klare gibt es somit eine vielfältige und leistungsstarke wirtschaftliche Impakt dieser Investitionen sollte Forschungslandschaft, die besonders internatio- erforscht werden. nalisiert ist. Im Januar 2018 hat sich das Ministère 42 Eine detaillierte Beschreibung der luxemburgischen Hochschulbildung und Forschung sowie den wichtigsten Organisationen kann dem Beitrag von Justin Powell aus dem Luxemburgischen Bildungsbericht 2015 entnommen werden. 118 | 119
Luxemburgs wissenschaftliche Produktivität 9.4 Deutschlands Symbiose starker Forschungsuniversitäten und außeruniversitärer Forschungsinstitute Bildungsverläufe D Das deutsche as deutsche Hochschul- und Wissen- tionen, aber auch zwischen den organisationalen Hochschulsys- schaftssystem besteht aus einer Duali- Feldern Hochschule und Wissenschaft. Der Erfolg tem zeichnet sich tät von 126 starken Forschungsuniver- der Einführung forschungsbasierter Lehre in den einerseits durch die sitäten und ungefähr 300 außeruniversitären Universitäten gründet sich auf den Prinzipien Vereinigung von Forschungsinstituten, die vornehmlich in vier akademischer Freiheit und Selbstverwaltung, ins- Forschung und großen Dachorganisationen (Max-Planck-Gesell- titutionellen und organisationalen Wachstum so- Lehre aus, ande- schaft, Fraunhofer-Gesellschaft, Leibniz-Gemein- wie seiner Allgemeingültigkeit (Ben-David [1977] rerseits durch die schaft und Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher 1992). Die jährlichen Investitionen in FuE gehö- Dualität von For- Forschungszentren) zusammengefasst werden, ren zu den höchsten in Europa; die Finanzierung schungsuniversitä- sowie 232 Fachhochschulen und 51 Kunst- und stammt vornehmlich vom Bundesministerium für ten und hunderten Musikhochschulen. Und obwohl das Hochschul- Bildung und Forschung (BMBF). Projektbasierte außeruniversitären system seit Jahrzehnten unterfinanziert ist (Len- Forschung wird hauptsächlich durch die Deutsche Forschungsinsti- hardt 2005; Baker 2014), sind die Hochschulen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Des tuten. immer noch unter den produktivsten Organisa- Weiteren tragen die Europäische Kommission so- tionen. Das „Humboldtsche“ Modell universitäts- wie mehr als 16.000 Stiftungen zur Förderung der basierter Forschung und Wissenschaft gehört FuE in Deutschland bei (Hinze 2016). Deutschlands zu den ältesten und einflussreichsten Konzepten Dualität von Massenuniversitäten und unabhän- der Organisation der Hochschulbildung weltweit. gigen Forschungsinstituten führte und führt im Sein Mythos (Ash 1999) hatte ungeachtet andau- Zeitverlauf zu einem anhaltenden und außeror- ernder Transformationen, wie beispielsweise der dentlichen Wachstum wissenschaftlichen Outputs. Wiedervereinigung im Jahr 1990 (Pritchard 2006), Die Universität erhält ihre zentrale Position als unvorhergesehene und dramatische Auswirkun- treibende Kraft wissenschaftlicher Produktivität, gen auf die Wissenschaft. Sein Basisprinzip, die obwohl ihre finanzielle Unterstützung durch den Vereinigung von Forschung und Lehre, hat welt- Staat nicht mit den steigenden Studierendenraten weite Aufmerksamkeit erreicht. Trotzdem bleibt und Erwartungen der Gesellschaft Schritt hält. diese Beziehung komplex innerhalb der Organisa- Nationaler Bildungsbericht Luxemburg 2018
Luxemburgs wissenschaftliche Produktivität 9.5 Frankreich zwischen außeruniversitärer Spitzenforschung und der Ausbildung französischer Führungseliten Bildungsverläufe F rankreichs Hochschul- und Wissen- spezialisierten Hochschulen (Grandes écoles) zur Frankreichs schaftssystem zeichnet sich durch eine Ausbildung der französischen Eliten und gelten Hochschul- und Organisation elitärer und professioneller als Kaderschmieden für Führungskräfte in Politik Wissenschaftssys- Hochschulbildung, Hierarchien und Zugangs- und Wirtschaft. tem ist stratifiziert schwierigkeiten aus: Die Trennung zwischen und zeichnet sich Grandes écoles und Universitäten oder die Spal- Im Bereich der Forschung dominieren nationale durch seine Orga- tung zwischen selektiven und nicht-selektiven Forschungszentren und besonders das CNRS, auch nisation elitärer Segmenten. Außerdem stehen Wissenschaftlerin- wenn viele der beschäftigten Wissenschaftlerin- und professionel- nen und Wissenschaftler, die am renommierten nen und Wissenschaftler ihre Arbeit örtlich in For- ler Hochschul- Centre national de la scientifique (CNRS) oder der schungslaboratorien innerhalb der Universitäten bildung, durch Nationalen Akademie der Wissenschaft beschäf- verrichten. Heute sind französische Universitäten Hierarchien und tigt sind, an der Spitze und Universitätsmitarbei- vermehrt in Konsortien organisiert, um ihre For- Zugangsschwierig- ter am unteren Ende der hierarchischen Ordnung schungsnetzwerke und regionalen Strukturen zu keiten aus. (Musselin 2017). Das stark ausdifferenzierte Hoch- stärken und um mit anderen Organisationsfor- schulsystem besteht sowohl aus Universitäten, men zu kooperieren, beispielsweise im Cluster die sich stark auf die Forschung ausrichten, und Paris-Saclay. Nichtdestotrotz sind Forschung und anderen, die sich vornehmlich auf die Lehre kon- Lehre in Frankreich weniger stark miteinander ver- zentrieren. Sie stehen im Wettbewerb mit den bunden als in Deutschland. 120 | 121
Luxemburgs wissenschaftliche Produktivität 9.6 Belgien: Starke Forschungsuniversitäten trotz sozialer und politischer Konfliktlinien D ie Analyse Belgiens zeigt tiefgreifende die Communauté française und die Communauté Bildungsverläufe Veränderungen seiner Hochschul- und flamande, verfügen im Gegensatz zur kleinen, Wissenschaftssysteme, sowohl aufgrund Communauté germanophone über eigene Univer- europäischer als auch innerstaatlicher Eingriffe. sitäten (Dassen, Luijten-Lub 2007: 9f.). Belgien ist Belgiens Hochschul- und Wissenschaftssystem in drei Regionen unterteilt: Flandern, Wallonien weist beträchtliche Dynamiken auf, die auf sei- und die Hauptstadtregion Brüssel. In der Haupt- ner inneren Spaltung aufgrund lange zurück- stadtregion Brüssel überlappen sich die walloni- liegender religiöser, sprachlicher Unterschiede sche und die flämische Sprachgemeinschaften; und geografischer Grenzen basieren. Ungeachtet für beide wurden Universitäten errichtet (METRIS seiner Stellung mit Brüssel als wichtigster euro- 2012). Obwohl Belgien auch über einige wenige päischer Hauptstadt ist Belgien mit politischen außeruniversitäre Forschungsinstitute verfügt, ist Herausforderungen konfrontiert, um einen funk- die Universität die wichtigste Organisationsform, tionierenden Nationalstaat aufrechtzuerhalten. die zur Produktion wissenschaftlichen Wissens Die Forschungsuniversitäten des Landes spie- beiträgt (Huisman, Mampaey 2016). Im Kern sind geln diese Herausforderungen wider, da Belgien es die internationalisierten Forschungsuniversitä- in Sprachgemeinschaften unterteilt ist, die auch ten, die die sozialen und politischen Konfliktlinien für Hochschul- und Wissenschaftspolitik zustän- überwinden und die starke wissenschaftliche Pro- dig sind. Die beiden größten Gemeinschaften, duktivität Belgiens sichern. 9.7 Die wissenschaftliche Produktivität im Vergleich U nsere Analysen im Zeitverlauf und län- Bei einem Vergleich von Ländern unterschiedli- derübergreifend zeigen, dass Luxem- cher geografischer Größe müssen differierende burg, Deutschland, Frankreich und Bel- Umfänge ihrer Hochschul- und Wissenschaftssys- gien als kleinere und größere Nachbarstaaten, die teme zwingend berücksichtigt werden. Somit ist alle Mitglied der Europäischen Union sind, über eine Berechnung der absoluten Publikationszah- unterschiedlich ausgebaute Hochschul- und Wis- len wenig zielführend, um zu einer zuverlässigen senschaftssysteme verfügen und eine differente Messung der wissenschaftlichen Produktivität in Verteilung von Mitteln für Forschung und Entwick- Form von peer-reviewed Zeitschriftenartikeln zu lung verfolgen. Ihre Hochschul- und Wissenschafts- kommen. Folglich wurden aus der SCIE-Daten- systeme reflektieren unterschiedliche institutionel- bank die Publikationen pro eine Million Einwohner le Pfade und zeichnen sich durch eine einzigartige berechnet (siehe Abbildung 46). Die beachtliche Kombination von Forschungsuniversitäten und au- wissenschaftliche Stärke Deutschlands, die auch ßeruniversitären Forschungsinstituten aus, die zu während der Zeit der Teilung Deutschlands in Ost mehr oder weniger großen Anteilen zum wissen- und West anhielt, besteht bis heute. Jedoch führt schaftlichen Output beitragen. Allerdings ist die Belgien mit seinen forschungsstarken Forschungs- Universität in diesen untersuchten Ländern die (zu- universitäten und wenigen international ausge- nehmend) wichtigste Organisationsform. richteten außeruniversitären Forschungsinstituten den Vergleich der wissenschaftlichen Produktivität pro Einwohner an. Dann folgen Deutschland und Nationaler Bildungsbericht Luxemburg 2018
Luxemburgs wissenschaftliche Produktivität Frankreich, beide auf relativ gleichbleibendem Bildungsverläufe Niveau. Luxemburgs schnell wachsendes Hoch- schul- und Wissenschaftssystem mit seiner spä- ten, aber intensiven Expansion der Universität produziert nun auch vermehrt wissenschaftliche Zeitschriftenartikel in den führenden Journalen. Abb 46 Wissenschaftliche Produktivität (SCIE) per eine Million Einwohner, 1975–2010 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 Luxemburg Frankreich Deutschland Belgien Quelle: OECD.stat. (2017): Main Science and Technology Indicators. Stand: 13.11.2017; SPHERE-Projektdatenbank von SCIE-Publikationen (Thomson Reuters Web of Science). Ein historischer Vergleich der absoluten Publika- bauen. Deutschland konnte sich mit gezielten Obwohl Luxem- tionszahlen aller Länder zeigt die dramatische Ex- Investitionen erfolgreich von den Auswirkungen burg prozentual pansion der Hochschulbildung und des Ausbaus der Wiedervereinigung auf das Hochschul- und (gemessen an der Wissenschaft. Die vier Länder verzeichnen seit Wissenschaftssystem erholen, jedoch nicht wieder FuE-Ausgaben am den 1980er Jahren einen enormen Anstieg wissen- die Spitzenposition der untersuchten westeuropä- Bruttoinlandspro- schaftlicher Zeitschriftenartikel in den Mathema- ischen Länder erreichen, die es vor der Wiederver- dukt) weniger als tik-, Ingenieur-, Natur-, und Technikwissenschaf- einigung im Jahr 1990 innehatte. seine Nachbarn ten sowie der Medizin. Auch wenn Deutschland in FuE investiert, bei Weitem am meisten in FuE investiert, gefolgt Ein Vergleich der Beiträge unterschiedlicher Or- konnte es seine von Frankreich, Belgien und Luxemburg, erreicht ganisationsformen zur wissenschaftlichen Pro- wissenschaftli- keines der vier Länder das von der EU gesetzte duktivität zeigt, dass die untersuchten Länder che Kapazität Ziel von 3 % (OECD.stat 2017). Allerdings können ihre Publikationen in wissenschaftlichen Zeit- in strategischen finanzielle Mittel allein die Expansion wissen- schriften in voneinander abgegrenzten und un- Bereichen effektiv schaftlichen Outputs oder die Länderunterschie- terschiedlich institutionalisierten Hochschul- und ausbauen. de nicht vollständig erklären. Obwohl Luxemburg Wissenschaftssystemen veröffentlicht haben. prozentual (gemessen an FuE-Ausgaben am Brut- In Deutschland produzieren altehrwürdige For- toinlandsprodukt) weniger als seine Nachbarn in schungsuniversitäten und starke außeruniver- FuE investiert, konnte es seine wissenschaftliche sitäre Forschungsinstitute eine große Anzahl Kapazität in strategischen Bereichen effektiv aus- wissenschaftlicher Zeitschriftenartikel – mehr → 122 | 123
Luxemburgs wissenschaftliche Produktivität → als vergleichbare Organisationen im Aggregat relativ produktiver (May 1997). Cole und Phelan in Frankreich, Belgien und Luxemburg. Frank- (1999) argumentieren, dass Wohlstand einen star- reich setzt auf eine kleinere Anzahl starker Uni- ken, aber nicht vollumfassenden Einfluss auf den versitäten, die sich auf die akademische Lehre wissenschaftlichen Output eines Landes hat. Zwar fokussieren. Hinzu kommen gut etablierte auße- unterscheidet sich der Anteil der Wissenschaftler runiversitäre Forschungsinstitute und andere Or- in Bezug auf die gesamte erwerbstätige Bevölke- Bildungsverläufe ganisationsformen, einschließlich der einflussrei- rung in diesen Ländern nur geringfügig, von 9,7 chen und höchst produktiven Einheiten des CNRS. pro 1.000 Beschäftigte in Belgien, 9,2 in Frank- Gemessen in absoluten Produktionszahlen folgt reich, 8,6 in Luxemburg und 8,4 in Deutschland Frankreich dem Spitzenreiter Deutschland. Belgi- (OECD.stat. 2017). Somit können Unterschiede der ens wissenschaftliche Kapazität basiert auf einer wissenschaftlichen Produktivität in diesen vier geringen Anzahl außeruniversitärer Forschungs- europäischen Ländern nicht vollständig durch Un- institute und einer kleinen Gruppe wichtiger und terschiede in den Investitionen in FuE oder der An- höchst internationalisierter Forschungsuniversi- zahl der beschäftigten Wissenschaftlerinnen und täten. Das Land führt den Vergleich des wissen- Wissenschaftler erklärt werden. Vielmehr spielen schaftlichen Outputs per Einwohner an. die Institutionalisierung und Verteilung der Orga- nisationsformen, in denen Forschung betrieben Unser Hauptergebnis ist, dass die Institutio- und letztendlich publiziert wird, sowie die Ausprä- nalisierung von Forschungsuniversitäten und gung internationaler Forschungskooperationen der Ausbau des universitären Sektors eine hohe eine entscheidende Rolle bei der Produktion wis- wissenschaftliche Produktivität fördert (vgl. Po- senschaftlichen Outputs (siehe auch ausführlich well et al. 2017, Dusdal 2018); dies wird im Falle am Beispiel Deutschlands; Dusdal 2018). Großbritanniens, mit starker Fokussierung auf universitärer Forschung, bestätigt (Dusdal & Po- Zusammenfassend finden wir im europäischen well 2017b). Tatsächlich weisen große und dual Zentrum wissenschaftlicher Produktivität ein au- strukturierte Systeme mit einem hoch institutio- ßergewöhnliches und langanhaltendes, in den nalisierten außeruniversitären Forschungssektor, letzten Jahrzehnten gar exponentielles Wachs- wie Frankreich und Deutschland, einen geringe- tum, das sich auf eine fortlaufend sich entwickeln- ren wissenschaftlichen Output pro Einwohner auf de Institutionalisierung von Forschungsuniversitä- als Belgien mit seinen sehr gut finanzierten und ten und außeruniversitären Forschungsinstituten hoch entwickelten Forschungsuniversitäten. Lu- sowie deren Einbettung in regionale und weltwei- xemburg mit seiner erst im Jahr 2003 gegründeten te Netzwerke wissenschaftlicher Kooperationen Universität und verschiedenen Forschungsinsti- stützt. Die Entwicklung wissenschaftlicher Kom- Institutiona- tuten holt in Bezug auf seinen wissenschaftlichen munikation durch wissenschaftliche Zeitschriften lisierung von Output sehr schnell auf. Diese Ergebnisse stützen basiert auf steigendem nationalem und internati- Forschungsuni- die These, dass kleine Länder bei ihrer Anpassung onalem Wettbewerb sowie auf Kooperation in den versitäten und der einen Vorteil nutzen können (Meyer 2008). Kleine- Mathematik-, Ingenieur-, Natur-, und Technikwis- Ausbau des uni- re Länder Europas, in denen Grundlagenforschung senschaften sowie der Medizin. Mit Europa als glo- versitären Sektors vorwiegend in Universitäten betrieben wird, sind balem Zentrum wissenschaftlicher Produktivität fördern eine hohe im Vergleich zu mittelgroßen oder sogar größe- wird das weltweite Wachstum wissenschaftlicher wissenschaftliche ren Ländern, die über einen starken und sehr gut Produktivität angekurbelt. Produktivität. finanzierten außeruniversitären Sektor verfügen, Nationaler Bildungsbericht Luxemburg 2018
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