Wie transnationale Ausbildungspartnerschaften in Deutschland vorangebracht werden können

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Wie transnationale Ausbildungspartnerschaften in Deutschland vorangebracht werden können
Policy Brief Migration

                                             Migration fair gestalten | 05.2020

                Wie transnationale
     Ausbildungspartnerschaften in Deutschland
           vorangebracht werden können
 Die im Migrationspakt der Vereinten Nationen verankerten transnationalen Partnerschaften für berufliche Bildung
  können dazu beitragen, Fachkräftelücken in Deutschland zu schließen. Die Erfahrungen bisheriger koordinierter
Projekte der Arbeits- und Ausbildungsmigration sind gemischt: Das entwicklungs- und migrationspolitische Potenzial
    wird – besonders aus deutscher Sicht – deutlich, aber es gibt zahlreiche Hürden. Um solche Partnerschaften ­
voranzubringen und neue legale Zugangswege für mittel qualifizierte Fachkräfte zu eröffnen, braucht es hierzulande
mehr interministerielle und administrative Kohärenz, nachhaltige Finanzierungsmodelle unter Einbezug des privaten
                       Sektors und eine vorausschauende Auswahl geeigneter Partnerländer.

     Einführung: Der Handlungsdruck steigt                           jeweiligen ­Sektor herrscht oder verursacht wird (Brain-
                                                                      drain). In den vergangenen Jahren hat sich auf inter-
     Eine zentrale Herausforderung im Zuge des demo-                  nationaler Ebene auch deshalb das Triple-Win-Para-
     graphischen Wandels besteht für den deutschen Ar-                digma etabliert, wonach nachhaltige Migrationspolitik
     beitsmarkt darin, die Fachkräftebasis zu sichern. In             immer den Nutzen von Zielländern, Herkunftsländern
     einigen Branchen werden bereits heute dringend und               und Migrierenden selbst verfolgen muss. Der Geist des
     mit steigender Tendenz Fachkräfte gesucht. Die Zu-               Triple Win liegt auch dem Migrationspakt der Verein-
     wanderung von Fachkräften aus Drittstaaten wird an               ten Nationen zugrunde, der Ende 2018 von 164 Mit-
     Bedeutung gewinnen – das belegt das neue, im März                gliedsstaaten angenommen wurde. Für die berufliche
     2020 in Kraft getretene Fachkräfteeinwanderungsge-               Bildung empfiehlt der Pakt Ausbildungs- und Kompe-
     setz (FEG). Mit Blick auf den globalen Süden ist darauf          tenzpartnerschaften und nennt dabei auch Global Skill
     zu achten, dass im Herkunftsland kein Mangel in dem              Partnerships: Diese setzen nicht erst bei der Anwerbung
                                                                      qualifizierter Fachkräfte an, sondern bereits bei deren
                                                                      Qualifizierung im Herkunftsland. Deutschland hat mit
     Najim Azahaf
                                                                      seinem international angesehenen Ausbildungssystem,
     ist Senior Project Manager im Programm Integration und Bildung
     der Bertelsmann Stiftung
                                                                      seinem wachsenden Fachkräftebedarf sowie einer Rei-
                                                                      he an P
                                                                            ­ ilotprojekten der Gesellschaft für Internationale
Policy Brief Migration

Zusammenarbeit (GIZ) weltweit eine Vorreiterrolle          die Fachkraft sprachlich und fachlich weiterquali-
für Ausbildungspartnerschaften eingenommen. Die-           fiziert. Im föderalen System Deutschlands sind die
se koordinierten Programme weisen „zwar gemisch-           Bundesländer für das Anerkennungsverfahren zu-
te Resultate, aber auch erhebliches Potenzial auf“         ständig, was zu unterschiedlichen Bestimmungen
(SVR / MPI Europe 2019: 48). Im Folgenden werden           und Handhabungen führt. Das zeitintensive Ver-
auf der Grundlage einer Bestandsaufnahme drei zen-         fahren hat sich als Hindernis bei der Gewinnung von
trale Hebel abgeleitet, die helfen können, dieses Po-      Fachkräften aus dem Ausland erwiesen. Ein zentrales
tenzial besser zu nutzen.                                  Ziel des neuen FEG ist daher, das Anerkennungsver-
                                                           fahren zu vereinfachen.
Bestandsaufnahme: Transnationale
Qualifizierungs- und Mobilitäts­                           Eine Studie des Migration Policy Institutes kommt
partnerschaften                                            hinsichtlich der Erfolgsbilanz solcher Vorhaben
                                                           zu einem gemischten Befund. Mit der fachlichen,
In den vergangenen Jahren wurden in Deutschland,           sprachlichen und sozialen Integration in den Ar-
auf EU-Ebene und im außereuropäischen Ausland              beitsmarkt und die Aufnahmegesellschaft sind be-
verschiedene Pilotprojekte der Arbeits- und Aus-           trächtliche operative Kosten verbunden (Hooper
bildungsmigration gestartet. So gibt es mittlerweile       2019). Deshalb hängt das Überleben solcher Vorha-
eine große Bandbreite an Modellen und eine unüber-         ben mittelfristig immer von der finanziellen Inves-
sichtliche ­Begriffsvielfalt. Sauer und Volarevic (2020:   titionsbereitschaft von Arbeitgebern ab. Bisher hat
21) schlagen die Oberkategorie transnationale Quali-       sich gezeigt, dass diese nur dann investieren, wenn
fizierungs- und Mobilitätspartnerschaften (tQMP) vor,      der Fachkräftemangel das bisherige Geschäftsmodell
um „die Vielfalt der unterschiedlichen empirischen         bedroht und sie auch langfristig mit der neu gewon-
Ansätze, Modelle und Projekte zwischen Beschäfti-          nenen Fachkraft rechnen können. Temporäre Mo-
gungs-, Bildungs- und Migrations- und Entwick-             delle, die auf zurückkehrende Fachkräfte im Sinne
lungspolitik“ abzubilden. Mit Blick auf diese Varianz      zirkulärer Migration setzen, rechnen sich für Arbeit-
lassen sich tQMPs, die faire Arbeitsmobilität und          geber eher nicht. Einen anderen Ansatz verfolgt das
Berufs­bildung im Sinne des Triple Win kombinieren,        Triple-Win-Projekt, bei dem die Migration der Fach-
in drei Grundtypen unterteilen, je nachdem, wo und         kraft langfristig angelegt ist.
wann die Qualifizierungsmaßnahmen ansetzen.

Typ 1: Anpassungsqualifizierung in Deutschland
                                                            Fallbeispiel

                                                            Triple-Win-Projekt
Der traditionelle Ansatz der Fachkräftegewinnung
aus dem Ausland setzt zunächst auf ausgebildete             Die GIZ und die Zentrale Auslands- und Fachvermitt-
Fachkräfte. Diese Partnerschaften basieren häufig           lung (ZAV) führen das Projekt Triple Win im Bereich
auf einem bilateralen Arbeitsabkommen zwischen              der Pflegeberufe durch. Partnerländer sind die Phil-
den Partnerländern. Zielten diese in früheren Jahren        ippinen, Bosnien/Herzegowina, Serbien (bis Februar
oft auf niedrig qualifizierte Helfer und Saisonarbeiter     2020) und Tunesien. Um ausgebildete Krankenpflege-
in der Landwirtschaft, im Tourismussektor, im Bau-          kräfte für Deutschland zu gewinnen, kooperiert die
wesen oder in der Montanindustrie, spielen heute            GIZ mit lokalen Institutionen wie Arbeitsbehörden
mittel und hoch qualifizierte Fachkräfte eine zuneh-        oder Sprachinstituten in diesen Ländern. Die Rückkehr
mend wichtige Rolle.                                        ins Herkunftsland bleibt für die Programmteilnehmen-
                                                            den eine Option, doch das Projekt ist auf dauerhafte
Der Druck, geeignete Fachkräfte zu finden, ist im           Zuwanderung ausgelegt. Die GIZ hat dieses Vorhaben
Pflegesektor besonders groß. Da Gesundheitsberufe           in ihrem privatwirtschaftlich organisierten Geschäfts-
in vielen Ländern wie in Deutschland reglementiert          bereich International Services (InS) angesiedelt. Damit
sind, müssen die angeworbenen Fachkräfte ein An-            versucht sie, sich unternehmerisch am Markt zu be-
erkennungsverfahren einer staatlichen Stelle durch-         haupten, und verlangt von interessierten Pflegeein-
laufen. Lücken bei den Ausbildungsstandards werden          richtungen für jede Fachkraft eine Vermittlungsgebühr
durch Anpassungsqualifizierungen hierzulande aus-           von 5.500 Euro für die Koordination, die sprachliche
geglichen – die Fachkräfte dürfen nach § 17a des Auf-       und fachliche Vorbereitung sowie die Integration in
enthaltsgesetzes (AufenthG) zu diesem Zweck ein-            Deutschland. Hinzu kommen für die Arbeitgeber die
reisen. Die Anpassungsqualifizierung erfolgt meist          Reisekosten zum Beschäftigungsort der Fachkraft. Im
im Rahmen einer Beschäftigung auf Helferniveau in           Anerkennungsverfahren können noch weitere Kosten
einer Pflegeeinrichtung. Während dieser Phase wird

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Policy Brief Migration

                                                            Bei diesem Typ lassen sich zwei Varianten unter-
 entstehen. Die tatsächlichen Gesamtkosten für eine
                                                            scheiden. Auf der einen Seite stehen Programme, die
 Triple-Win-Fachkraft werden auf 8.000 bis 10.000
                                                            auf temporäre bzw. zirkuläre Migration setzen und
 Euro taxiert (Bundesregierung 2020).
                                                            explizit darauf hinarbeiten, dass (ein Teil der) Fach-
 Da die Fachkräfte bei Einrichtungen der Kranken-           kräfte nach der Ausbildung zurück ins Herkunftsland
 und Altenpflege sehr gefragt sind, trägt dieser Ansatz     geht. Auf der anderen Seite gibt es Programme, die
 schon heute zur Fachkräftesicherung in der Pflege          auf dauerhafte Zuwanderung setzen, um die Bereit-
 bei. Seit dem Start im Jahr 2013 hat das Projekt be-       schaft von Unternehmen zu sichern, den Mehrauf-
 reits 3.577 qualifizierte Pflegefachkräfte aus den vier    wand mitzutragen. Der Nutzen für das Herkunftsland
 Partnerländern an deutsche Pflegeeinrichtungen ver-        besteht dann in den Geldtransfers der Migrierenden
 mittelt – 2.220 davon sind bereits eingereist. Ferner      und darin, den Arbeitsmarkt zu entlasten. Auch von
 hat das Projekt eine Reihe innovativer Management-         den begleitenden Maßnahmen des Capacity building
 strukturen entwickelt, die für künftige Vorhaben Maß-      für die lokale Arbeitsbehörde profitiert das Her-
 stäbe setzen. Beispielgebend ist etwa die umfassende       kunftsland. Das Know-how und die entstandenen
 Orientierung am gesamten Migrationszyklus. Zudem           Netzwerke der ausgebildeten Fachkräfte kommen
 konnten wichtige Stakeholder wie beispielsweise die        dem Land hingegen nur zugute, wenn die Fachkraft
 Sozialpartner eingebunden werden.                          freiwillig zurückkehrt. Dieses Modell wendet die GIZ
                                                            im Hotel- und Gaststättengewerbe sowie neuerdings
 Der entwicklungs- und arbeitsmarktpolitische Nutzen        im Bausektor in Marokko an.
 für die Partnerländer ist – mit Blick auf die Entlastung
 des Arbeitsmarktes in Zeiten hoher Arbeitslosigkeitsra-
 ten und die erwartbaren Geldtransfers der Arbeitsmig-       Fallbeispiel
 ranten an ihre Familien – bereits greifbar. Der Nutzen
 könnte aber größer ausfallen, sofern nicht nur Sprach-      Deutsch-marokkanische Partnerschaft
 trainings und Integrationsvorbereitungskurse, sondern       für Ausbildung und Fachkräftegewinnung
 auch Teile der fachlichen Qualifizierung vor der Ausrei-
                                                             Im Auftrag der marokkanischen Arbeitsagentur ANA-
 se durchgeführt würden. Die Programmteilnehmenden
                                                             PEC und in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Ho-
 selbst leiden hier ebenfalls häufig unter dem enormen
                                                             tel- und Gaststättenverband (DEHOGA) Bayern und
 zeitlichen und organisatorischen Aufwand, der mit dem
                                                             Thüringen sowie dem Landesverband Bayerischer
 Anerkennungsverfahren in Deutschland verbunden ist
                                                             Bauinnungen (LBB) setzt die GIZ auf die Vollausbildung
 (Hans-Böckler-Stiftung 2019).
                                                             junger Marokkanerinnen und Marokkaner für den
                                                             deutschen Arbeitsmarkt. Das Projekt ist ebenfalls im
                                                             privatwirtschaftlichen Segment International Services
Typ 2: Ausbildung in Deutschland                             der GIZ angesiedelt und wird von der Weltbank aus
                                                             dem MENA Transition Fund finanziert. Ziel des Projek-
Der zweite Typ zeichnet sich dadurch aus, dass die           tes ist es, Personalengpässen im deutschen Hotel- und
Teilnehmenden eine vollständige Ausbildung in                Gaststättengewerbe sowie im Bausektor zu begegnen,
Deutschland absolvieren und zuvor im Herkunfts-              indem Arbeitskräfte in Marokko angeworben und an-
land Deutschkenntnisse erwerben. Die Vorteile die-           schließend in Deutschland ausgebildet werden. ANA-
ses Ansatzes liegen darin, dass die Herkunftsländer          PEC ist in das Projekt eng eingebunden und führt den
keine qualifizierten Fachkräfte verlieren (Braindrain)       Auswahlprozess in Marokko durch. Zudem wird die
und auch nicht die damit verbundenen Humanka-                Behörde institutionell beraten, um ihre internationale
pitalinvestitionen (fiscal drain), sondern es werden         Vermittlungskompetenz auszubauen. Die GIZ identi-
neue Fachkräfte ausgebildet. Die Teilnehmenden               fiziert in Deutschland derweil passende Ausbildungs-
erhalten eine passgenaue Ausbildung für den deut-            betriebe und sorgt für verbindliche Arbeitsverträge.
schen Kontext und haben mehr Zeit, ihre allgemei-            Anschließend durchlaufen die Teilnehmenden einen
nen und berufsbezogenen Sprachkenntnisse aus-                Deutschkurs und Integrationsvorbereitungsmaßnah-
zubauen. Ferner besteht bei diesem Ansatz nicht              men in Marokko. In Deutschland beginnt dann die dua-
die Gefahr der Unterbeschäftigung und des hohen              le Ausbildung in Berufsschule und Ausbildungsbetrieb
Frustrationspotenzials für die einreisenden Fach-            mit guter Perspektive, im deutschen Ausbildungsbe-
kräfte während der Anerkennungsphase. Die lange              trieb übernommen zu werden. In der ersten Phase war
Programmlaufzeit geht allerdings nicht selten mit            das Projekt ausschließlich auf die Gastronomie ausge-
einer erhöhten Abbruchrate einher, die sich negativ          richtet und umfasste insgesamt 108 Auszubildende. Im
auf die Gesamtkostenrechnung solcher Programme               August 2019 ist eine neue Kohorte mit 100 Auszubil-
auswirkt.

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Policy Brief Migration

     ABBILDUNG 1 Ausbildungspartnerschaft Deutschland–Marokko im Tourismussektor
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                                                                    Ausreise

       Phase 1                         Phase 2                             Phase 3
       Rekrutierung der Programm-      (Marokko)                           (Deutschland)
       teilnehmenden sowie             Sprachliche und kulturelle          Duale Ausbildung im Hotel-   Beschäftigung
       Identifizierung deutscher       Vorbereitung auf die                und Gaststättengewerbe           HoGa
       Ausbildungsbetriebe             Ausbildung in Deutschland

                                          Kapazitätsentwicklung bei der ANAPEC,
                                       um besser als Arbeitsvermittler tätig zu werden

      Eigene Darstellung.

    denden gestartet, die jeweils zur Hälfte eine zwei- bis
    dreijährige Ausbildung im Gastgewerbe und im Bau-               gen und zu teilenden Kosten. Auf dieser Grundlage
    sektor in Deutschland absolviert.                               wird ein Programm entwickelt, das über zwei Ausbil-
                                                                    dungsgänge verfügt: einen home track für den heimi-
    Dieser Ansatz ist aufgrund der Vollausbildung der Teil-
                                                                    schen Fachkräftebedarf im Herkunftsland und einen
    nehmenden auf dauerhafte Migration angelegt. Auch
                                                                    abroad track für den Einsatz im Ausland. Der migra-
    in diesem Fall fiele der entwicklungspolitische Nutzen
                                                                    tionsbezogene abroad track ist im direkten Vergleich
    für das Herkunftsland größer aus, wenn die fachliche
                                                                    etwas kostenintensiver, da er neben der fachlichen
    Ausbildung zumindest teilweise in Marokko stattfin-
                                                                    Ausbildung auch zusätzliche Module wie Sprachkur-
    den würde. Das Land verfolgt eine ehrgeizige Touris-
                                                                    se und Integrationsvorbereitungskurse beinhaltet.
    musstrategie und hat damit einen hohen Eigenbedarf
                                                                    Jedoch ist laut Clemens die Ausbildung einer Fach-
    an qualifizierten Fachkräften im Gastgewerbe.
                                                                    kraft im Herkunftsland meistens immer noch deut-
    Als innovatives Element ist in diesem Kontext die ope-          lich kostengünstiger, als sie es im Zielland wäre. Die-
    rative Einbindung der Branchenverbände hervorzuhe-              ser Effizienzgewinn mache es rechnerisch möglich,
    ben. Sie engagieren sich durch die Bereitstellung von           im Rahmen des Partnerschaftsvertrages die Aus-
    Ausbildungsplätzen und bei der Integration der Azubis.          bildung der im Herkunftsland verbleibenden Fach-
    Offen ist hingegen die Frage, ob sie künftig bereit sein        kräfte teilweise querzufinanzieren. Auf diese Weise
    werden, die derzeit von der Weltbank getragenen Kos-            bieten Global Skill Partnerships eine kosteneffiziente
    ten des Programms mittelfristig selbst zu tragen.               Möglichkeit der Fachkräfteentwicklung für Ziel- und
                                                                    Herkunftsländer, fördern zugleich Berufsbildungs-
                                                                    systeme in Herkunftsländern und kanalisieren ei-
Typ 3: Ausbildung im Herkunftsland                                  nen Know-how-Transfer in beide Richtungen. Die
                                                                    Berufsausbildung nach internationalen Standards
Den ambitioniertesten Ansatz stellt die Ausbildung                  verbessert die Beschäftigungsperspektiven auch auf
von Fachkräften nach vereinheitlichten Standards im                 dem heimischen Arbeitsmarkt. Gleichzeitig eröffnen
Herkunftsland dar. Der Migrationspakt verweist in                   diese Partnerschaften neue legale Kanäle für ausrei-
diesem Zusammenhang auf Global Skill Partnerships,                  sewillige Fachkräfte mit passgenauem Profil für den
ein Konzept, das der amerikanische Ökonom und                       Arbeitsmarkt im Zielland.
Migrationsforscher Michael Clemens vom Washing-
toner Centre for Global Development entwickelt hat.                 Konzeptionell hat dieser Ansatz Überzeugungskraft,
Das Konzept sieht vor, durch gezielte Investitionen                 da er auf einen greifbaren Interessenausgleich zwi-
aus Zielländern in die Ausbildungsinfrastruktur von                 schen Herkunftsländern und Zielländern abzielt,
Herkunftsländern Qualifizierungsprogramme für in                    vor der Emigration ansetzt (pre-departure) und öko-
beiden Ländern bestehende Mangelberufe zu schaf-                    nomische Tragfähigkeit verspricht. Solche Multi-
fen. Alle öffentlichen und privaten Akteure, die an                 Stakeholder-Partnerschaften führen potenziell zu
einem solchen Vorhaben beteiligt sind, einigen sich                 einem globalen Plus bei der internationalen Fach-
im Vorfeld auf die grundlegenden Rahmenbedingun-                    kräftebasis und können gleichzeitig zur Erreichung

4
Policy Brief Migration

             mehrerer Sustainable Development Goals (SDGs) aus
                                                                               Porsche Training and Recruitment Center Asia (PTRCA)
             verschiedenen Bereichen beitragen (Ziel 4: Bildung;
                                                                               in Manila, das 2018 auf Südafrika ausgeweitet wurde.
             Ziel 10.7: Nachhaltiges Migrationsmanagement; Ziel
                                                                               Getrieben von Fachkräfteengpässen auf seinen Aus-
             17: Globale Multi-Stakeholder-Partnerschaften für
                                                                               landsmärkten, hat Porsche eigene Ausbildungszentren
             nachhaltige Entwicklung) – all das macht sie für
                                                                               für Mechatroniker geschaffen, die in ihrem Heimatland
             internationale Bemühungen um globale nachhaltige
                                                                               ausgebildet werden. Angestellt werden sie dann in
             Entwicklung besonders interessant. Der langfristi-
                                                                               zahlreichen Porsche-Niederlassungen weltweit, vor-
             ge Erfolg dieses Ansatzes steht und fällt allerdings
                                                                               wiegend im Nahen Osten. Das Projekt, das zusammen
             ebenfalls mit der Beteiligungsbereitschaft von Ar-
                                                                               mit der kirchlichen NGO Don Bosco Mondo durchge-
             beitgebern – idealerweise in beiden Partnerländern
                                                                               führt wird, hat benachteiligte junge Menschen im Blick,
             (vgl. auch OECD 2018).
                                                                               die mithilfe einer Berufsausbildung und Beschäftigung
                                                                               bei Porsche soziale Aufstiege realisieren können. Inno-
             Auch wenn sich in der Praxis bislang noch keine Glo-
                                                                               vativ und kostengünstig werden in diesem Programm
             bal Skill Partnerships in Reinform gemäß dem Konzept
                                                                               digitale und mehrsprachige Lernmodule eingesetzt.
             von Clemens finden lassen, gibt es einige transna-
             tional angelegte Ausbildungsinitiativen, die in Her-
             kunftsländern ansetzen.

              Fallbeispiel                                                     Fallbeispiel

              Porsche Training and Recruitment Center                          Pilot Project Addressing Labour Shortages
                                                                               Through Innovative Labour Migration
              Bei deutschen Ausbildungsaktivitäten in Herkunfts-
                                                                               ­Models
              ländern sind zunächst die Ausbildungsaktivitäten
              deutscher Unternehmen im Ausland zu nennen. Sie                  Die belgische Entwicklungsagentur Enabel führt der-
              bilden in der Regel für den eigenen Bedarf nach deut-            zeit mit EU-Mitteln in Marokko ein Weiterbildungs-
              schem Vorbild aus bzw. weiter und werden dabei häu-              programm im IT-Sektor durch. Anlehnend an das Glo-
              fig von den Außenhandelskammern (AHK) unterstützt.               bal Skill Partnerships Modell werden marokkanische
              Allerdings dient diese Qualifizierung immer dem eige-            IT-Fachkräfte weitergebildet, von denen danach etwa
              nen Bedarf am Produktionsstandort. Die Mobilität die-            90 auf dem marokkanischen Arbeitsmarkt vermittelt
              ser Fachkräfte liegt meist nicht im Interesse der Unter-         werden sollen, während 30 Teilnehmende die Möglich-
              nehmen. Transnationaler angelegt ist hingegen das                keit erhalten, in Flandern zu arbeiten. Das Vorhaben,

TABELLE 1 Typen von tQMPs im Überblick

                                 TYP 1                                   TYP II                                TYP III
                                 ANPASSUNGSQUALIFIZIERUNG                AUSBILDUNG IN DEUTSCHLAND             AUSBILDUNG IM HERKUNFTSLAND
 Zielgruppe                      • Fachkräfte                           • Azubis und Young Professionals     • Azubis und Young Professionals
 Berufsqualifizierung            • im HKL                               • ggf. Vorbildung im HKL             • (zweigleisige) Vollausbildung
 (Arbeitsteilung                 • Teilanerkennung und                  • Vollausbildung in D                   im, HKL mit harmonisiertem
 Herkunfts­land/Deutschland)        Nachqualifizierung in D                                                       Curriculum

 Sprachtraining                  • Bis B1 im HKL                        • Bis B1 im HKL                      • Parallel zur beruflichen
                                 • Fortsetzung nach Einreise            • Fortsetzung nach Einreise             Qualifizierung
                                                                                                               • Ggf. Fortsetzung nach der Einreise
 ,,Migrationsdividende“          • Entlastung des Arbeitsmarkts         • Entlastung des Arbeitsmarkts       • Geldtransfers (remittances)
 (Der „Win“ für das HKL)         • Geldtransfers (remittances)          • Geldtransfers (remittances)        • ggf. Wissen, Kompetenzen und
                                 • ggf. Wissen, Kompetenzen und         • ggf. Wissen, Kompetenzen und          Netzwerke im Falle der Rückkehr
                                    Netzwerke im Falle der Rückkehr         Netzwerke im Falle der Rückkehr    • lmpulse für Berufsbildungssystem
                                                                                                               • Bei GSPs: Fachkräfte für heimischen
                                                                                                                  Arbeitsmarkt
 Beispiele                       Triple Win                              • Deutsch-Marokkanische              • PALIM
                                                                            Partnerschaft für Ausbildung und
                                                                            Fachkräftegewinnung

Quelle: Eigene Darstellung.

                                                                                                                                           5
Policy Brief Migration

                                                              Interministerielle Kohärenz durch eine ­Clearingstelle
    das ein breites Spektrum von Akteuren aus beiden
                                                              Das FEG eröffnet neue Möglichkeiten für ausländische
    Ländern zusammenbringt soll zukünftig auf andere
                                                              Fachkräfte mit mittleren Qualifikationsniveaus, bei-
    Branchen und Länder übertragen werden. Auch hier ist
                                                              spielsweise Visa zur Suche einer Ausbildungsstelle in
    offen, ob sich dieses Projekt nach der Pilotphase durch
                                                              Deutschland. Es bleibt aber abzuwarten, wie groß der
    die Mittel der beteiligten Unternehmen selbst tragen
                                                              eigenständige Zulauf Ausbildungsinteressierter und
    wird und ohne öffentliche Zuwendungen auskommt.
                                                              von Fachkräften aus dem Ausland angesichts anhal-
                                                              tend hoher finanzieller, berufsqualifikatorischer und
Perspektiven für den Ausbau von tQMPs                         sprachlicher Zugangshürden tatsächlich sein wird.
                                                              Erst durch flankierende Maßnahmen, etwa in Form
Transnationale Qualifizierungs- und Mobilitätspart-           koordinierter Projekte der Ausbildungs- und Arbeits-
nerschaften sind voraussetzungsvolle Unternehmun-             migration, wird sich der neu geregelte rechtliche Zu-
gen. Jeder der hier skizzierten Typen hat das Poten-          gangskorridor mit Fachkräften füllen, die den hohen
zial, zur effektiven und fairen Fachkräftesicherung           Einwanderungsbestimmungen gerecht werden.
beizutragen. Während die beiden ersten Typen in ei-
nigen Pilotprojekten bereits erfolgreich angewendet           Insgesamt betrachtet lässt sich feststellen, dass das
werden, bleibt der Ansatz der Global Skill Partnerships       FEG und die neue Fachkräftestrategie der Bundes-
zunächst ein vielversprechendes Konzept, das seine            regierung vor allem auf qualifizierte Fachkräfte in
Praktikabilität erst noch nachweisen muss. Grund-             ausgewählten Schwerpunktpartnerländern setzen,
sätzlich erscheint es plausibel, dass Investitionen in        die mit überschaubarem Aufwand so nachqualifiziert
die Ausbildungsinfrastruktur von Herkunftsländern             werden, dass sie anerkennungsfähig sind. Aufgrund
und die mehrgleisige Fachkräfteentwicklung über               der sehr spezifischen Ausbildungsstandards bei
Grenzen hinweg die größte Dividende für Herkunfts-            wachsendem Bedarf an Fachkräften aus Drittstaaten
länder abwerfen können. Dies ist besonders dann der           ist allerdings absehbar, dass dieser pragmatische Weg
Fall, wenn in Berufsfeldern kooperiert wird, die ein          Deutschland langfristig nicht ans Ziel führen wird.
hohes Matchingpotenzial mit deutschen Arbeits-
marktbedarfen aufweisen und denen darüber hinaus              Das Bundesministerium für Bildung und Forschung
eine strategische Bedeutung bei der Wirtschaftsent-           (BMBF) kommt im Rahmen der Internationalen Be-
wicklung des Herkunftslandes zukommt. Das ist zum             rufsbildungskooperation zwar der Nachfrage vieler
Beispiel im Tourismus sowie im Bau- oder IT-Sektor            Länder des globalen Südens nach, die am deutschen
häufig der Fall. Die mangelnde Anschlussfähigkeit             dualen Ausbildungssystem interessiert sind. Doch
und Kompatibilität beruflicher Qualifikationen er-            zielt das Engagement im außereuropäischen Ausland
fordern in diesem Ansatz allerdings aufwendige An-            neben dem Transfer einzelner dualer Systemelemen-
passungen beruflicher Standards und Curricula.                te vor allem auf „die Deckung des Fachkräftebedarfs
                                                              deutscher Unternehmen auf den jeweiligen Aus-
Dass es prinzipiell möglich ist, im Ausland nach              landsmärkten“ (BMBF 2020). Außenwirtschaftsför-
deutschen Standards auszubilden, beweisen bereits             derung steht auch im Zentrum der Projekte des Bun-
zahlreiche Ausbildungsinitiativen deutscher Unter-            desministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi),
nehmen mit Produktionsstandorten in vielen Län-               das über „Skills Experts“ in den Auslandshandels-
dern der Welt, wie etwa deutsche Automobilhersteller          kammern (AHK) deutsche Unternehmen im Ausland
in Mexiko oder China. Diese auf den eigenen Fach-             dabei unterstützt, junge Menschen nach dem Vorbild
kräftebedarf vor Ort zielenden dualen Ausbildungs-            der deutschen dualen Berufsausbildung auszubilden.
programme stärker mit mobilitätsorientierten Maß-
nahmen zur Fachkräftegewinnung in Deutschland zu              Erst in jüngster Zeit und im Gefolge des UN-Mi-
verknüpfen, birgt ungenutztes Potenzial – sowohl              grationspakts hat das Bundesministerium für wirt-
für die berufliche Bildung in Herkunftsländern als            schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)
auch für die Fachkräftebasis des Wirtschafts- und             das entwicklungspolitische Potenzial und den inter-
Sozialstandorts Deutschland.                                  nationalen Wettbewerbsvorteil erkannt, den sich ihre
                                                              nachgeordnete Durchführungsorganisation GIZ in
Um tQMPs hierzulande weiter auszubauen und in die             den vergangenen Jahren erarbeitet hat. Diese GIZ-
Fläche zu bringen, sollte an drei Hebeln angesetzt            Expertise kommt jetzt in zwei neuen BMZ-Vorha-
werden: an den politisch-administrativen Rahmen-              ben zum Einsatz, die sich legaler Arbeitsmigration
bedingungen, an der nachhaltigen Finanzierung                 im Sinne des Triple Win zuwenden: Ein zusammen
sowie an der Auswahl geeigneter Schwerpunkt­
­                                                             mit Mitteln des EU Trust Funds finanziertes Vorhaben
partnerländer.                                                soll mittels beruflicher Qualifizierung in Marokko,

6
Policy Brief Migration

Tunesien und Ägypten legale Migrationswege schaf-          auszahlen. Eine Lösung für die kostenintensive An-
fen, und das Projekt Partnerschaftliche Ansätze für ent-   schubfinanzierung können künftig auch öffentlich-
wicklungsorientierte Ausbildungs- und Arbeitsmigration     private Mischfinanzierungsansätze (Public Private
will überregional zur entwicklungsorientierten Aus-        Partnerships) von Staat, Wirtschaft und Zivilgesell-
bildungs- und Arbeitsmigration in den Pilotländern         schaft sein.
Ecuador, Mongolei, Nigeria und Pakistan beitragen.
                                                           Ausbildungs- und Beschäftigungsperspektiven in
Ein Gesamtregierungsansatz ist derzeit noch nicht          Ländern des globalen Südens zu schaffen, entspricht
in Sicht. Das FEG und die aktuelle Fachkräftestra-         den Zielen der öffentlichen Entwicklungszusam-
tegie der Bundesregierung zielen auf eine bessere          menarbeit und rechtfertigt daher den Einsatz bi- und
ressortübergreifende Zusammenarbeit bei der Fach-          multilateraler Mittel der Entwicklungsfinanzierung.
kräftegewinnung im Ausland. Der Plan, zukünftig            Auch die Konzeptentwicklung, die wissenschaftliche
alle operativen Institutionen und Strukturen im Aus-       Begleitung und Evaluation derartiger Modellprojekte
land – wie Botschaften, AHKs, Goetheinstitute und          sowie flankierendes Capacity building für das Berufs-
Deutsche Auslandsschulen – besser abzustimmen,             bildungssystem der Partner können aus öffentlichen
könnte künftige Partnerschaften auf eine bessere           Mitteln gefördert werden. Dies ist bereits in einigen
rechtliche, politische und organisatorische Grund-         Pilotvorhaben in Nordafrika der Fall, die aus Mitteln
lage stellen. Auch neue ressortübergreifende Initia-       der EU oder von der Weltbank finanziert werden.
tiven im Zuge des FEG wie die Konzertierte Aktion
Pflege (KAP) und die Zentralstelle zur Anerkennung         Besonderes Engagement der öffentlichen Hand ist
von Berufsabschlüssen (ZSBA) lassen auf eine ver-          darüber hinaus vor allem beim Ausbau der Sprach-
besserte interministerielle Koordination hoffen. Der       lernangebote im Ausland gefragt, die einen erhebli-
Bedarf an stärkerer interministerieller Abstimmung         chen Teil der Gesamtkosten ausmachen. Die deutsche
bei der beruflichen Bildung ist groß. Als Koordinie-       Sprache ist in vielen Herkunftsländern nicht weit
rungsgremium für künftige Projekte bietet sich der         verbreitet und deutsche Sprachinstitute sind nicht
bereits existierende Runde Tisch der Bundesregierung       überall selbstverständlich vorhanden. Allgemeine und
für internationale Berufsbildungszusammenarbeit und        berufsbezogene Deutschkenntnisse auf ausreichen-
die dazugehörige Geschäftsstelle GOVET unter der           dem Niveau sind für die Berufsanerkennung jedoch
Aufsicht des BMBF an. Der Runde Tisch bringt Bun-          zwingend erforderlich. Fehlen ausreichende Kapazi-
desministerien, Durchführungsorganisationen, Bun-          täten der Sprachvermittlung, kann das ein Hindernis
desländer und Kammerorganisationen wie auch So-            für die Skalierung werden. Da das FEG bei der Rekru-
zialpartner und verschiedene Vereine, Verbände und         tierung von Fachkräften im Ausland auf ausreichende
Organisationen, die in der internationalen Berufsbil-      Deutschkenntnisse besteht, kommen Investitionen in
dungskooperation aktiv sind, regelmäßig zusammen           die entsprechenden dortigen Vermittlungskapazitä-
– und sollte zu einer Clearingstelle ausgebaut werden,     ten nicht nur Absolventen koordinierter Ausbildungs-
in der auch die Aktivitäten im Kontext von tQMPs ab-       projekte zugute, sondern letztlich allen qualifizierten
gestimmt werden. Das angeschlossene Bundesinsti-           Fachkräften im Ausland, die an einer Beschäftigung
tut für Berufsbildung (BIBB) könnte wertvolle Bera-        in Deutschland interessiert sind.
tung bei der Konzeption und Durchführung künftiger
Fachkräfteprojekte anbieten.                               Darüber hinaus gehende personenbezogene Kos-
                                                           ten zur Qualifizierung der individuellen Fachkraft
Nachhaltige Mischfinanzierungskonzepte durch               für den Einsatz in Deutschland sollten aber mög-
intersektorale Partnerschaften                             lichst die einstellenden Arbeitgeber – im Sinne ei-
TQMPs versprechen Synergien bei der Fachkräfte-            nes Investments in ihre Fachkräftebasis – tragen.
entwicklung, die allen beteiligten Akteuren zugute-        Hier erscheint das Finanzierungsmodell des Triple-
kommen. Die Erfahrung zeigt allerdings: Sie leiden         Win-Programms der GIZ, das auf eine Vermittlungs-
aufgrund hoher operativer Kosten nicht selten un-          gebühr für interessierte Arbeitgeber setzt, besonders
ter einem ungünstigen Kosten-Nutzen-Verhältnis,            effizient und nachhaltig.
wenn es nicht gelingt, die Zahl der Teilnehmenden
zügig zu skalieren. Tatsächlich sind gerade die An-        Auswahl von Schwerpunktpartnerländern
fangsinvestitionen kleiner Pilotprojekte im Verhält-       Damit sich tQMPs am Markt in Deutschland behaup-
nis zu deren Absolventenzahlen hoch. Erfolgreiche          ten können, müssen sie nachfragegetrieben sein, das
Beispiele zeigen aber auch, dass sich diese Investi-       heißt, sie funktionieren nur bei ausreichendem Be-
tionen mit steigender Arbeitgebernachfrage, höhe-          darf von Unternehmen. Um dies sicherzustellen, sind
ren Absolventenzahlen und etablierten Prozessen            stets aktuelle oder künftige Mangelberufe als Aus-

                                                                                                                7
Policy Brief Migration

             gangspunkt zu nehmen. Dies gilt in Deutschland be-                              Die Fachkräftestrategie der Bundesregierung schreibt
             reits für den Pflegesektor, der allerdings auch beson-                          der ZAV bei der Identifikation potenzieller Partner-
             dere Herausforderungen an die Auswahl geeigneter                                länder eine Schlüsselrolle zu. Künftig soll durch Ver-
             Partnerländer stellt. Um einer kritischen Unterver-                             mittlungsabsprachen mit ausgewählten Partnerlän-
             sorgung durch die Abwanderung von medizinischem                                 dern, die mithilfe einer Potenzialanalyse identifiziert
             Fachpersonal in Entwicklungsländern entgegenzu-                                 werden, verstärkt bei der Fachkräfterekrutierung ko-
             wirken, hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO)                               operiert werden. Für den Gesundheitsbereich stehen
             ethische Grundsätze bei der internationalen Rekru-                              auch auf Betreiben des Bundesgesundheitsministeri-
             tierung von Gesundheitsfachkräften verabschiedet.                               ums (BMG) Brasilien, Mexiko und die Philippinen im
             Der Verhaltenskodex beinhaltet auch eine Liste von                              Fokus. Mit Indonesien, El Salvador, dem Bundesstaat
             Ländern mit einer kritischen Versorgungslage hin-                               Kerala in Indien und Bhutan sind in Abstimmung mit
             sichtlich qualifizierter Ärzte und Ärztinnen, Pfle-                             der Weltgesundheitsorganisation neuerdings auch
             genden und Hebammen, aus denen nicht rekrutiert                                 Länder im Fokus, die auf der WHO-Liste stehen.
             werden soll. Die WHO-Liste hat in der Vergangen-
             heit dazu geführt, dass die Länder mit kritischer Ver-                          In der Zusammenschau der favorisierten Länder
             sorgungslage bei der Auswahl von Pilotprojekten im                              sticht bei der neuen Fachkräftestrategie der Bundes-
             Pflegebereich kategorisch ausgeschlossen wurden.                                regierung ins Auge, dass kein Land aus Subsahara-
             Dabei lohnt es sich, genauer hinzusehen: Während                                Afrika dabei ist. Die mangelnde Anschlussfähigkeit
             es bei tQMPs des ersten und zweiten Typs vor al-                                der beruflichen Bildungssysteme, die unsicheren
             lem um Arbeitsmarktlücken im Aufnahmeland geht,                                 ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen
             zielen Global Skill Partnerships auf ein Matching                               sowie der große informelle Sektor lassen Akteure, die
             ähnlich gelagerter Fachkräftebedarfe in Ziel- und                               schnelle Ergebnisse erzielen wollen, noch zurück-
             Herkunftsland. Achten Erstere also bei der Anwer-                               schrecken. Der Ruf nach neuen legalen Zugangswe-
             bung qualifizierter Fachkräfte (Typ 1) darauf, dass                             gen für Arbeitsmigranten aus Afrika, um das Asyl-
             im Partnerland ein Überschuss an entsprechendem                                 system zu entlasten, bleibt daher in den bestehenden
             Personal ohne Perspektive auf dem heimischen Ar-                                Migrationspartnerschaften mit afrikanischen Staaten
             beitsmarkt vorhanden ist, verfolgen Global Skill Part-                          bisher ohne praktischen Widerhall. Wenn am Prinzip
             nerships in der Bilanz einen Fachkräftegewinn (brain                            der Qualifikationsäquivalenz weiterhin festgehalten
             gain) für beide Partnerstaaten. Wenn es durch solche                            wird, sind tQMPs letztlich alternativlos, um neue le-
             Programme tatsächlich gelingt, die Fachkräftebasis                              gale Zugangswege für afrikanische Länder zu schaf-
             in beiden Ländern zu stärken, wären vor allem Län-                              fen. Daraus ergibt sich für Deutschland die Chance,
             der mit einer aktuellen Unterversorgung besonders                               seine Vorreiterrolle bei partnerschaftlichen und ent-
             interessante Partner.                                                           wicklungsorientierten Ansätzen in der Arbeits- und
                                                                                             Ausbildungsmigration weiter auszubauen und auch
                                                                                             auf EU-Ebene für diese werben.

Literatur                                                                                                                  Impressum
BMWi – Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2019). Strategie zur Gewinnung von Fachkräften aus                    © Mai 2020
Drittstaaten. Fachkräftegewinnungs-Strategie. Berlin.                                                                      Bertelsmann Stiftung, Gütersloh
Bundesregierung (2020). Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage: Anwerbung von Pflege- und
Gesundheitsfachkräften durch die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, Zentrale Auslands- und           Bertelsmann Stiftung
Fachvermittlung und die Bundesagentur für Arbeit im Rahmen des Projekts „Triple Win“, Bundestags-Drucksache                Carl-Bertelsmann-Straße 256
19/16732.                                                                                                                  33311 Gütersloh
                                                                                                                           www.bertelsmann-stiftung.de
Clemens, Michael (2015). Global Skill Partnerships: a Proposal for Technical Training in a Mobile World. In: IZA Journal
of Labour Policy 4 (2). 1–18.                                                                                              Autor:
Hans-Böckler-Stiftung (2019). Betriebliche Integration von Pflegefachkräften aus dem Ausland. Innenansichten zu            Najim Azahaf, Senior Project Manager
Herausforderungen globalisierter Arbeitsmärkte. Düsseldorf.                                                                Programm Integration und Bildung
                                                                                                                           Kontakt: najim.azahaf@bertelsmann-stiftung.de
Hooper, Kate (2019). Reimagining Skilled Migration Partnerships to Support Development. In: Migration Policy Institute     Telefon: +49 5241 81-81411
(MPI) (Hrsg.): Towards a Global Compact for Migration: A Development Perspective. Issue No. 5. Washington, D.C.
OECD – Organisation for Economic Co-operation and Development (2018). What would make Global Skills                        Lektorat:
Partnerships work in practice? Migration Policy Debates, Nr. 15.                                                           Heike Herrberg, Bielefeld

Sauer, Michael, und Jurica Volarevic (2020). Expertise zu empirischen Ansätzen im Bereich von transnationalen              Gestaltung:
Ausbildungspartnerschaften (Skills Partnerships). Gütersloh (erscheint in Kürze).                                          Markus Diekmann, Bielefeld
SVR – Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration / MPI Europe – Migration Policy
Institute Europe (2019). Legale Wege nach Europa. Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten für Personen ohne                  Titelbild:
Schutzperspektive. Berlin.                                                                                                 © Monkey Business Images/shutterstock
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