MÖGLICHKEITEN UND GRENZEN EINER KONSENSLOSEN KÖRPERLICHEN UNTERSUCHUNG IM STRAFVERFAHREN - JKU ePUB

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MÖGLICHKEITEN UND GRENZEN
EINER KONSENSLOSEN
KÖRPERLICHEN UNTERSUCHUNG
IM STRAFVERFAHREN

                                        Eingereicht von
                                        Angela Walzl

                                        Angefertigt am
                                        Institut für
                                        Strafrechtswissenschaften

                                        Beurteiler
DIPLOMARBEIT                            Univ.-Prof. Dr. Alois
                                        Birklbauer
zur Erlangung des akademischen Grades
                                        Mitbetreuung
Magistra der Rechtswissenschaften       MMag.a Dr.in Kathrin
                                        Stiebellehner
im Diplomstudium
                                        September 2020
Rechtswissenschaften

                                                 JOHANNES KEPLER
                                                 UNIVERSITÄT LINZ
                                                 Altenberger Straße 69
                                                 4040 Linz, Österreich
                                                 jku.at
                                                 DVR 0093696
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und
ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht
benutzt bzw die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich
gemacht habe.

Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument
identisch.

Kronstorf, 15.09.2020

Anmerkung:
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit sind sämtliche geschlechtsspezifische
Ausdrücke in dieser Diplomarbeit, sofern dies sprachlich in Betracht kommt, ebenfalls
in der jeweils anderen Form zu verstehen.

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Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis .......................................................................................................... 5
1.    Rechtliche Grundlagen ................................................................................................... 6
2.    Definition der körperlichen Untersuchung ....................................................................... 6
      2.1 Durchsuchung von Körperöffnungen gem § 117 Z 4 1. Fall StPO............................ 6
      2.2 Abnahme einer Blutprobe gem § 117 Z 4 2. Fall StPO ............................................ 7
      2.3 Andere Eingriffe in die körperliche Integrität gem § 117 Z 4 3. Fall StPO ................. 7
3.    Zweck der körperlichen Untersuchung ............................................................................ 9
4.    Möglichkeiten bzw Zulässigkeit der körperlichen Untersuchung...................................... 9
      4.1 Abs 1 Z 1: Suche nach und Sicherstellung von tatrelevanten Spuren am oder im
          Körper, die eine Person hinterlassen hat ................................................................. 9
      4.2 Abs 1 Z 2: Suche nach und Sicherstellung von verfahrensrelevanten Gegenständen
          im Körper............................................................................................................... 10
      4.3 Abs 1 Z 3: Feststellung tatrelevanter oder für die Zurechnungsfähigkeit relevanter
          Tatsachen ............................................................................................................. 11
      4.4 Abs 2: Reihenuntersuchungen .............................................................................. 12
      4.5 Abs 4 Satz 3: Blutabnahmen und vergleichbar geringfügige Eingriffe .................... 13
5.    Grenzen der körperlichen Untersuchung ...................................................................... 15
      5.1 Die körperliche Untersuchung nach Einwilligung ................................................... 17
            5.1.1 Operative Eingriffe ...................................................................................... 17
            5.1.2 Nicht operative Eingriffe mit einer möglichen Gesundheitsschädigung von
                  mehr als dreitätiger Dauer .......................................................................... 17
      5.2 Die verhältnismäßige zwangsweise Durchsetzung bei fehlender Einwilligung ....... 18
            5.2.1 Die körperliche Untersuchung nach der StPO ............................................ 18
            5.2.2 Blutabnahme nach der StVO ...................................................................... 21
            5.2.3 Körperliche Untersuchung nach dem SPG ................................................. 22
            5.2.4 Körperliche Untersuchung nach dem SMG ................................................. 24
6.    Formelle Voraussetzungen der körperlichen Untersuchung gem § 123 Abs 3 StPO ..... 25
7.    Durchführung der körperlichen Untersuchung gem § 123 Abs 5 StPO.......................... 25
8.    Verwendungsbeschränkung von Beweisen gem § 123 Abs 6 und 7 StPO .................... 26
9.    Rechtsschutz ................................................................................................................ 28
      9.1 Beschwerde gem § 87 StPO ................................................................................. 28
      9.2 Einspruch gem § 106 StPO ................................................................................... 28
      9.3 Maßnahmenbeschwerde gem Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG ......................................... 28
      9.4 Beschwerde gem Art 132 Abs 1 Z 1 B-VG, sowie gem Art 144 Abs 1 B-VG .......... 29

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10. Fazit.............................................................................................................................. 29
Literaturverzeichnis .............................................................................................................. 30
Sonstige Quellen ................................................................................................................. 32

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Abkürzungsverzeichnis

ABGB                 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch
Abs                  Absatz
Art                  Artikel
BGBl                 Bundesgesetzblatt
bspw                 beispielsweise
B-VG                 Bundesverfassungsgesetz
bzw                  beziehungsweise
DNA                  deoxyribonucleic acid
EGMR                 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
EMRK                 Europäische Menschenrechtskonvention
ff                   fortfolgende
gem                  gemäß
inkl                 inklusive
iSd                  im Sinne des
iSv                  im Sinne von
iVm                  in Verbindung mit
lit                  littera
Lt                   Laut
OGH                  Oberster Gerichtshof
Rz                   Randziffer
SMG                  Suchtmittelgesetz
SPG                  Sicherheitspolizeigesetz
StGB                 Strafgesetzbuch
StPO                 Strafprozessordnung
StrSchG              Strahlenschutzgesetz
StVO                 Straßenverkehrsordnung
ua                   unter anderem
VfGH                 Verfassungsgerichtshof
VwGH                 Verwaltungsgerichtshof
Z                    Ziffer
zB                   zum Beispiel

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1. Rechtliche Grundlagen

Die körperliche Untersuchung findet ihre rechtliche Grundlage in § 117 und § 123
StPO.

§ 117 Z 4 StPO definiert die „körperliche Untersuchung“.1

§ 123 StPO normiert die Zulässigkeit respektive Unzulässigkeit von körperlichen
Untersuchungen, die formellen und materiellen Voraussetzungen einer solcher, sowie
Zulässigkeitsvoraussetzungen für Beweismittel.2

In Bezug auf die Grundrechte sind Art 8 EMRK, das Recht auf Achtung des Privat- und
Familienlebens, sowie der Nemo-tenetur-Grundsatz, welcher sich aus Art 90 Abs 2
B-VG und Art 6 EMRK ableiten lässt, von Bedeutung.3

2. Definition der körperlichen Untersuchung

Gem § 117 Z 4 StPO handelt es sich bei einer körperlichen Untersuchung um die
Durchsuchung von Körperöffnungen, die Abnahme einer Blutprobe und um jeden
anderen Eingriff in die körperliche Integrität einer Person.4

2.1     Durchsuchung von Körperöffnungen gem § 117 Z 4 1. Fall StPO

Unter den Terminus „Körperöffnungen“ lassen sich nur funktionale Öffnungen im
Körper eines Menschen, wie etwa der Mund, After, Vagina, Nasenlöcher und Ohren
subsumieren.
Durch Verletzung entstandene Öffnungen sind allerdings keine Körperöffnungen gem
§ 117 Z 4 StPO. Eine medizinische Befundung solcher fällt unter § 117 Z 4 3. Fall
StPO.5

1 Vgl Fabrizy, StPO, Kurzkommentar13 § 123 Rz 1.
2 Vgl Strafprozessordnung 1975 (StPO), BGBl 1975/631.
3 Vgl Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 2; Tauschmann in StPO Kommentar1 § 123 Rz 2.
4 Vgl Birklbauer/Keplinger, StPO, Polizeiausgabe11 164; Tauschmann in StPO Kommentar1 § 117 Rz 16.
5 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 117 Rz 28.

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2.2     Abnahme einer Blutprobe gem § 117 Z 4 2. Fall StPO

In diesem Fall muss es sich um eine Blutabnahme, welche unmittelbar aus dem Körper
entnommen wird, handeln (durch Punktion eines Blutgefäßes unter Verwendung einer
Kanüle). Keine Abnahme ist daher ein Sichern und anschließendes Untersuchen von
bereits aus dem Körper ausgetretenem Blut.6
Dies wäre ein Fall der Sicherstellung und Beschlagnahme.7

2.3     Andere Eingriffe in die körperliche Integrität gem § 117 Z 4 3. Fall StPO

Dieser Begriff beinhaltet eine physische und psychische Komponente.
Unter einen physischen Eingriff in die körperliche Integrität werden Eingriffe in das
hautumschlossene Innere des Körpers, da mit dem Durchstechen der Haut eine
Beeinträchtigung der körperlichen Substanz verbunden ist (invasive Eingriffe),
erachtet, auch wenn diese nur kurz sein können, wie etwa regelmäßig bei der
Entnahme natürlicher Körperbestandteile (Blut, Gewebeproben) durch eine Punktion
respektive dem Zuführen von Stoffen durch beispielsweise Injektion, Infusion oder
orale Einnahme.8
Auch die Beeinträchtigung des psychischen Wohlbefindens, wie sie im Rahmen der
Durchsuchung von Körperöffnungen erfolgt, lässt sich unter einen „Eingriff in die
körperliche Integrität“ subsumieren, auch wenn die körperliche Substanz im Zuge
dessen nicht verletzt wird.
Begründen kann man die Einbeziehung des psychischen Wohlbefindens einerseits
dadurch, dass Körperverletzungsdelikte ebenfalls den Schutz vor psychischer
Beeinträchtigung umfassen, andererseits, dass Art 8 EMRK, das Recht auf Achtung
des Privat- und Familienlebens, die körperliche und psychische Integrität schützt.
Auch       Untersuchungen         mit    bildgebenden          Verfahren,     wenn      der    Betroffene
infolgedessen radioaktiver Strahlung (Röntgenstrahlen, Ultraschallwellen) ausgesetzt
wird, stellen eine körperliche Untersuchung dar. Im Gegensatz zu invasiven Eingriffen
kommt es hier üblicherweise zu keiner wenigstens geringfügigen Beeinträchtigung der
körperlichen Substanz und lässt sich daher auch ein Eingriff in die Privat- und
Intimsphäre des Betroffenen ableiten.9

6 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 117 Rz 29.
7 Vgl Tauschmann in StPO Kommentar1 § 117 Rz 18.
8 Vgl Tauschmann in StPO Kommentar1 § 117 Rz 19.
9 Vgl Mayerhofer/Salzmann, StPO, Zweiter Teil6 Rz 2; Birklbauer in WK StPO (2013) § 117 Rz 30-33.

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Folglich werden auch Eingriffe in das muskelumschlossene Körperinnere ohne
Substanzbeeinträchtigung als Verletzung in die körperliche Integrität gewertet.
Die Verabreichung eines Brechmittels mittels einer Magensonde oder eines Einlaufs
werden demnach als Eingriff in die körperliche Integrität gewertet. 10
Die schlichte medizinische Begutachtung von Verletzungen, körperlichen Gebrechen
oder ganz allgemein von körperlichen Reaktionen ist unter die körperliche
Untersuchung gem § 117 Z 4 3. Fall StPO zu subsumieren, sobald eine körperliche
Berührung stattfindet. Das Abschneiden der Fingernägel beim Vergewaltigungsopfer
oder      auch       das   Abnehmen      von     versengten         Haaren    zur    Klärung   eines
Brandstiftungstatverdachtes stellen einen Eingriff in die körperliche Integrität dar.
Eine körperliche Untersuchung ist jedoch nicht die Befundung durch Beobachtung
oder Befragung, oder wenn bei anderen Untersuchungen keine körperliche Berührung
stattfindet, da es hier an der Mindestschwelle für einen Eingriff in die körperliche
Integrität mangelt. Eine Besichtigung eines unbekleideten Körpers einer Person ist
dementsprechend eine Durchsuchung einer Person iSd § 117 Z 3 lit b StPO. Findet
eine niederschwellige, medizinische Untersuchung ohne körperliche Berührung statt,
fällt diese daher auch nicht unter die Voraussetzungen des § 123 StPO.11
Weiters ist auch die Sicherstellung von Spuren an Fingernägeln einer Person, welche
in den Eingriff nicht einwilligt, kein Fall des § 123 StPO, sondern ein Unterfall des §
119 Abs 2 Z 2 StPO.12

Es sei noch erwähnt, dass die Untersuchung von Körperbestandteilen oder
-flüssigkeiten, die der Betroffene ausgeschieden hat (wie etwa Blut, Speichel, Harn
oder Samen) oder die im Zuge einer nicht strafprozessual angeordneten körperlichen
Untersuchung gewonnen wurden, nicht unter die Normierungen der körperlichen
Untersuchung fallen, sondern unter den § 74 StPO über das Verwenden von Daten
bzw unter § 117 Z 5 StPO über die Verwendung der Analyseergebnisse einer
molekulargenetischen Untersuchung.13

10 Vgl EGMR 11.7.2006, 54810/00, Jalloh/Deutschland.
11 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 117 Rz 34-36.
12 Vgl Tauschmann in StPO Kommentar1 § 117 Rz 23; Fabrizy, StPO, Kurzkommentar13 § 123 Rz 1.
13 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 117 Rz 38.

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3. Zweck der körperlichen Untersuchung

Zweck der körperlichen Untersuchung ist einerseits die Suche nach im Körper
verborgenen Beweisgegenständen, zum anderen die Feststellung sonstiger für das
Strafverfahren bedeutsamer Umstände (zB die Schwere einer zugefügten Verletzung
oder die Zurechnungsfähigkeit im Tatzeitpunkt).14

4. Möglichkeiten bzw Zulässigkeit der körperlichen Untersuchung

Körperliche Untersuchungen greifen in Art 8 EMRK, dem Grundrecht auf Achtung des
Privat- und Familienlebens, ein. Art 8 Abs 2 EMRK gestattet unter Umständen
allerdings solche Eingriffe, soweit diese verhältnismäßig sind. § 123 StPO stellt eine
Norm dar, welche es ermöglicht unter gewissen Voraussetzungen eine körperliche
Untersuchung durchzuführen, ohne dass damit eine Verletzung des Art 8 EMRK
einhergeht.15
•     Abs 1 Z 1: Suche nach und Sicherstellung von tatrelevanten Spuren am oder im
      Körper, die eine Person hinterlassen hat
•     Abs 1 Z 2: Suche nach und Sicherstellung von verfahrensrelevanten
      Gegenständen im Körper
•     Abs 1 Z 3: Feststellung tatrelevanter oder für die Zurechnungsfähigkeit relevanter
      Tatsachen
•     Abs 2: Reihenuntersuchung
•     Abs 4 Satz 3: Blutabnahmen oder vergleichbar geringfügige Eingriffe16

4.1     Abs 1 Z 1: Suche nach und Sicherstellung von tatrelevanten Spuren am
        oder im Körper, die eine Person hinterlassen hat

In Z 1 ist eine „Person“ angeführt und kann dies daher sowohl der Beschuldigte, als
auch jede andere Person sein.
Allerdings darf der Verletzte nach § 123 Abs 5 iVm § 121 Abs 1 StPO nicht gezwungen
werden, aktiv an einer körperlichen Untersuchung mitzuwirken.

14 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 117 Rz 26.
15 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 2.
16 Vgl Strafprozessordnung 1975 (StPO), BGBl 1975/631.

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Weiters ist aus Z 1 der Begriff „Spur“ zu entnehmen. „Spur“ beschreibt einen Hinweis
darüber, üblicherweise in Form von Materialablagerungen oder Abdrücken, dass eine
bestimmte Person als Spurenträger oder -verursacher mit einem Ort oder einer Person
in Kontakt war.17

Unter diese Ziffer fällt zum einen die Untersuchung einer Person, um eine Tatortspur
der untersuchten Person zuordnen zu können und zum anderen auch die
Untersuchung, um die an ihr befindliche Spur (zB Blut oder Sperma nach einem
Angriff) sicherzustellen und jemandem zuordnen zu können, sowie die Suche und
Sicherstellung von tatrelevanten Spuren in Körperöffnungen.18
Jedenfalls muss für die körperliche Untersuchung nach Z 1 die Verhältnismäßigkeit
iSd § 5 StPO gegeben sein. Die körperliche Untersuchung ist bspw nicht zulässig,
wenn eine Besichtigung des Körpers iSd § 117 Z 3 lit b StPO ausreichend ist.19

4.2     Abs 1 Z 2: Suche nach und Sicherstellung von verfahrensrelevanten
        Gegenständen im Körper

Auch für Z 2 gelten jene Ausführungen wie in Z 1, dass die angeführte „Person“ der
Beschuldigte, als auch jedes sonstige Individuum sein kann, der Verletzte allerdings
gem § 123 Abs 5 iVm § 121 Abs 1 StPO nicht gezwungen werden kann, aktiv an einer
körperlichen Untersuchung mitzuwirken.20

Diese       Ziffer normiert     die   Zulässigkeit zur Suche nach   sicherzustellenden
Gegenständen im Körper einer Person. Die Art der Suche, die eingesetzte Methode
oder die verwendeten Hilfsmittel sind dabei irrelevant. Möglich sind sowohl manuelle
Suchen in Körperhöhlen, als auch die Suche im Körper mittels Röntgen, Ultraschall
oder anderen bildgebenden Verfahren.21

Unter den Begriff „Gegenstände“ lassen sich solche in fester Form, die vom
untersuchten Körper als eigene Teile isoliert werden können, also Fremdkörper,
subsumieren. Darunter versteht man zB (verpackte) Suchtmittel, Diamanten,

17 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 6-7.
18 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 8.
19 Vgl Tauschmann in StPO Kommentar1 § 123 Rz 7.
20 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 6.
21 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 10.

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Mikrochips oder im Körper eingepflanzte Implantate, die bspw zum Nachweis eines
Versicherungsbetruges sichergestellt werden müssen.22

Auch die Suche im Körper von unverdächtigen Personen ist grundsätzlich zulässig, da
lt Z 2 kein Tatverdacht gegen die durchsuchte Person von Nöten ist. Allein die
begründete Annahme des Besitzes von Gegenständen, die der Sicherstellung
unterliegen, genügt. Somit ist auch eine grundsätzliche Zulässigkeit einer Suche im
Körper von Unverdächtigen gegeben. Dies könnte beispielsweise bei Unverdächtigen
eine Suche nach Implantaten, um dessen mindere Qualität und damit einen Betrug
nachweisen zu können, sein. Anzumerken ist jedoch, dass für die Sicherstellung des
Implantates kein medizinischer Eingriff von Nöten sein darf, da dies ansonsten unter
Abs 4 fällt.23

4.3     Abs 1 Z 3: Feststellung tatrelevanter oder für die Zurechnungsfähigkeit
        relevanter Tatsachen

Unter Z 3 sind jene Tatsachen zu subsumieren, die weder zu den verfahrensrelevanten
Spuren, noch zu den sicherzustellenden Gegenständen gehören, also überwiegend
aus dem psychischen Bereich.
Z 3 normiert, dass eine körperliche Untersuchung nur erlaubt ist, wenn sie zur
Aufklärung einer Straftat fungiert. Folglich kann eine Untersuchung des Beschuldigten
zur Feststellung seiner Verhandlungsfähigkeit gegen seinen Willen nicht auf Z 3
ausgelegt werden. 24
Weiters besteht für den Beschuldigten in Hinblick auf den Nemo-tenetur-Grundsatz
keine Verpflichtung an einer Untersuchung zur Verhandlungsfähigkeit mitzuwirken.25

Gleichsam verhält es sich mit der Untersuchung eines Zeugen zur Feststellung seiner
Vernehmungsfähigkeit. Dies hat auch keinen Bezug zur Tataufklärung und ist ebenso
unzulässig.26
Darüber hinaus muss ein Zeuge seinen Körper für Beweiszwecke ohnehin nicht zur
Verfügung stellen, da es keine gesetzliche Ermächtigung zur zwangsweisen
Durchsetzung solch einer Untersuchung gegen den Willen des Betroffenen gibt.

22 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 11.
23 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 12.
24 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 16.
25 Vgl OGH 14 Os 48/12h = RS0097815.
26 Vgl Tauschmann in StPO Kommentar1 § 123 Rz 10.

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Es muss daher eine Einwilligung des zu Untersuchenden stattfinden respektive die
Zustimmung des gesetzlichen Vertreters und generell begründete Zweifel hinsichtlich
des Geisteszustandes von Zeugen respektive der Fähigkeit, Wahrnehmungen zu
machen und diese wiederzugeben, vorliegen.27

Glaubwürdigkeitsgutachten, also die psychologische/psychiatrische Untersuchung
von Zeugen zur Feststellung seiner Glaubwürdigkeit kommen selten vor, da die
Glaubwürdigkeit eines Zeugen zwar eine Rolle bei der Tataufklärung spielen kann,
aber für die Zulässigkeit einer körperlichen Untersuchung die maßgeblichen
aufklärungsrelevanten Tatsachen auf andere Weise nicht feststellbar sein dürfen.
Zu bedenken ist auch, dass bei Durchführung gegen den Willen der zu
untersuchenden Person selten brauchbare Ergebnisse erzielt werden.
Darüber hinaus ist die Glaubwürdigkeitsbeurteilung eine Frage der freien
Beweiswürdigung, welche dem erkennenden Gericht zukommt.28

Unter den Begriff der körperlichen Untersuchung fällt nicht, eine schlichte
Beobachtung des Verhaltens eines Festgenommenen, um daraus Rückschlüsse auf
seine Verhandlungsfähigkeit ziehen zu können, und ist daher zulässig.29
Unter der Voraussetzung, dass kein Eingriff in die körperliche Integrität nötig ist, hat
ein Angeklagter auch einfache Untersuchungen (wie etwa das Abhören von Herz und
Lunge, Messen des Blutdrucks und der Körpertemperatur) zur Feststellung der
Verhandlungsfähigkeit hinzunehmen.30

4.4     Abs 2: Reihenuntersuchungen

Unter Reihenuntersuchungen versteht man körperliche Untersuchungen an Personen,
die einem durch bestimmte Merkmale individualisierbaren Personenkreis angehören.
Diese ist ua zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass
sich der Täter in diesem Personenkreis befindet.31
Das Gesetz lässt allerdings offen, wie groß dieser Personenkreis sein darf.

27 Vgl OGH 14 Os 84/03; 15 Os 45/05i = RS0098015.
28 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 19; OGH 12 Os 32/18z = RS0097733; OGH 11 Os 68/17k; 15 Os
53/19m = RS0118956; OGH 12 Os 93/19x = RS0098297.
29 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 17.
30 Vgl Schwaighofer in WK StPO (2017) § 275 Rz 15; Ratz in WK StPO (2020) Rz 379.
31 Vgl Birklbauer, ÖJZ 2008/39, 347 (348); Fabrizy, StPO, Kurzkommentar13 § 123 Rz 4.

15. September 2020                                  Angela Walzl                               12/33
Zu berücksichtigen ist aber bezüglich der Verhältnismäßigkeit, dass jedenfalls ein
bestimmtes Maß an Tatverdacht notwendig ist. Als Richtwert kommt hier ein
Personenkreis von nicht mehr als 20 Personen in Betracht. 32

Da Reihenuntersuchungen nur zur Sicherstellung von Spuren zulässig sind, erlangt
häufig ein Mundhöhlenabstrich Bedeutung.
Der Verdacht auf eine mögliche Sehschwäche oder Sprachfehler eines Täters stellen
keinen Grund für eine gültige Reihenuntersuchung dar, da eine Reihenuntersuchung
zur Ermittlung von Personen mit Beeinträchtigungen keine Spuren, sondern Merkmale
des Tatverdächtigen ermittelt.33

Weitere Zulässigkeitsvoraussetzung für die Reihenuntersuchung ist, dass es sich um
die Aufklärung einer Straftat, welche mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht
ist, oder aber auch eines Verbrechens nach dem 10. Abschnitt des StGB, Strafbare
Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, handelt.34
Verbrechen sind entsprechend § 17 Abs 1 StGB Handlungen, die vorsätzlich
begangen werden und mit lebenslanger oder mit mehr als dreijähriger Freiheitsstrafe
bedroht sind.
Insofern fallen jene Bestimmungen des 10. Abschnittes weg, die mit einer
Freiheitsstrafe bis zu einschließlich drei Jahren bedroht sind.
Dies ist Ausfluss dessen, dass bei einigen dieser strafbaren Handlungen die
Hinterlassung verwertbarer Spuren äußerst rar ist oder sich die strafbaren Handlungen
im familiären Nahbereich ereignen, weshalb die Untersuchung ohnehin nicht in
Betracht käme, weil sie zu keinen bedeutsamen Informationen für die Aufklärung der
Tat führen würde.35

4.5     Abs 4 Satz 3: Blutabnahmen und vergleichbar geringfügige Eingriffe

In Abs 4 Satz 3 werden die Voraussetzungen für eine Blutabnahme oder einen
vergleichbar geringfügigen Eingriff, bei welchem der Eintritt von anderen als bloß
unbedeutenden Folgen ausgeschlossen ist, normiert.36

32 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 20-21; Bertel/Venier in Kommentar StPO1 (2012) § 123 Rz 5.
33 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 22.
34 Vgl Birklbauer, ÖJZ 2008/39, 347 (348).
35 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 23.
36 Vgl Birklbauer, StPO, Einführung in das Grundstudium4 Rz 8/106.

15. September 2020                                     Angela Walzl                                 13/33
Gem § 123 Abs 4 Z 1 lit a StPO darf solch ein Eingriff bei Personen durchgeführt
werden, die im Verdacht stehen, eine Straftat nach § 178 StGB, Vorsätzliche
Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten, verwirklicht zu haben.37

Unter übertragbare Krankheiten sind jene Krankheiten zu subsumieren, die anzeige-
oder      meldepflichtig     sind.     Welche       diese      sind,   ergibt   sich   aus   diversen
Verwaltungsgesetzen und aus entsprechenden Verordnungen. Eine Anzeige- und
Meldepflicht besteht bspw für Aids, Hepatitis, Tuberkulose, Scharlach, Malaria oder
Syphilis.38

Es ist nicht entscheidend, ob der Verdacht besteht, dass die Person Träger einer
solchen Krankheit ist, sondern nur, ob diese Person eine vorsätzliche Handlung
gesetzt hat, die tauglich ist, das Risiko der Verbreitung solch einer übertragbaren
Krankheit unter Menschen herbeizuführen.
Demgemäß reicht auch eine fahrlässige Herbeiführung nicht aus, um einen Eingriff
vorzunehmen.39

Ein weiterer Fall für derartige Eingriffe ist gem § 123 Abs 4 Z 1 lit b StPO, wenn eine
Person verdächtigt wird, eine Straftat gegen Leib und Leben durch Ausübung einer
gefährlichen Tätigkeit in alkoholisiertem oder sonst durch ein berauschendes Mittel
beeinträchtigtem Zustand begangen zu haben.40
Gefährlich ist eine Tätigkeit dann, wenn deren Vornahme in beeinträchtigtem Zustand
geeignet ist, eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit
eines anderen herbeizuführen oder zu vergrößern.41
Es reicht hier schon der geringste Verdacht, dass die gefährliche Tätigkeit in
alkoholisiertem oder sonst durch ein berauschendes Mittel beeinträchtigtem Zustand
vorgenommen wurde, um eine Blutabnahme anzuordnen.

37 Vgl Bertel/Venier in Kommentar StPO1 (2012) § 123 Rz 5.
38 Vgl Murschetz in WK StGB2 § 179 Rz 5.
39 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 24c.
40 Vgl Oshidari, ÖJZ 2008/17, 138 (141).
41 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 24d.

15. September 2020                                     Angela Walzl                           14/33
Suchtmittel          und   bestimmte      Medikamente,              die   die   Aufmerksamkeit           und
Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigen können, lassen sich unter den Begriff der
berauschenden Mittel subsumieren.42

Weiters dürfen nach § 123 Abs 4 Z 1 lit b StPO, wie auch in Z 2, eine Blutabnahme
und vergleichbar geringfügige Eingriffe auch vorgenommen werden, wenn es zur
Aufklärung einer Straftat, welche mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist,
oder eines Verbrechens nach dem 10. Abschnitt des StGB erforderlich ist.43

5. Grenzen der körperlichen Untersuchung

§ 123 Abs 4 StPO normiert, dass trotz Vorliegen aller materiellen Voraussetzungen
und selbst bei Zustimmung der betroffenen Person, operative Eingriffe und alle
Eingriffe mit einer möglichen Gesundheitsschädigung von einer Dauer von mehr als
drei Tagen (Satz 1), unzulässig sind.
Alle anderen Eingriffe bedürfen, nach Aufklärung über mögliche Folgen, einer
Einwilligung des Betroffenen (Satz 2). 44
Lediglich die Blutabnahme und vergleichbar geringfügige Eingriffe dürfen in
bestimmten Fällen ohne Zustimmung des Betroffenen vorgenommen werden
(Satz 3).45

Die Einwilligung ist demnach ein Zulässigkeitskriterium für die Durchführung.46

In Bezug auf die Einwilligung existieren keine Formvorschriften, auch eine mündliche
Zustimmung findet das Auslangen. Für die Einwilligung gelten die nach dem ABGB
allgemeinen Voraussetzungen einer Willenserklärung.47
Die Einwilligung muss selbstverständlich frei von Willensmängeln sein.
Um eine Einwilligung zu erhalten, dürfen wie auch beim Geständnis, keine
Vorspiegelungen, Versprechungen oder Drohungen angewandt werden.

42 Vgl Tipold in Kommentar StGB1 § 287 Rz 7; Eder-Rieder in SbgK (2009) § 287 Rz 34; OGH 12 Os 31/93 =
RS0095806.
43 Vgl Bertel/Venier in Kommentar StPO1 § 123 Rz 5.
44 Vgl Birklbauer, ÖJZ 2008/39, 347 (348-349).
45 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 28.
46 Vgl Tauschmann in StPO Kommentar1 § 123 Rz 24.
47 Vgl Tauschmann in StPO Kommentar1 § 123 Rz 36.

15. September 2020                                   Angela Walzl                                 15/33
Es ist eine angemessene Zeit, um über Zustimmung oder Ablehnung der
Untersuchung zu entscheiden, zu billigen.48
Weiters ist nötig, dass der Einwilligende die Folgen seiner Zustimmung erfasst und
über mögliche Risiken informiert ist.49

Entscheidungsfähige Minderjährige können in medizinische Behandlungen nur selbst
einwilligen (§ 173 Abs 1 ABGB) und sollte dies auch bei körperlichen Untersuchungen
bedacht werden.50
Bei mündig Minderjährigen wird im Zweifel das Vorliegen der Entscheidungsfähigkeit
vermutet. Ist die notwendige Entscheidungsfähigkeit nicht gegeben, ist das
Einverständnis der Person erforderlich, die mit der gesetzlichen Vertretung bei Pflege
und Erziehung betraut ist.51 Kommt eine solche Person als Beschuldigter in Frage und
besteht die Gefahr, dass die Einwilligung zur Verschleierung einer strafbaren
Handlung anstatt zum Wohle des Kindes verweigert wird, muss nach § 181 Abs 1
ABGB das Pflegschaftsgericht angerufen werden, welches die erforderliche
Einwilligung ersetzen könnte.
In Fällen, in denen das Pflegschaftsgericht nicht erreicht werden kann und Gefahr im
Verzug besteht, ist der Kinder- und Jugendhilfeträger zu kontaktieren und eine
Entscheidung nach § 211 Abs 1 Satz 2 ABGB einzuholen. Eine solche Entscheidung
kann auch außerhalb der Amtsstunden und an Wochenenden eingeholt werden kann,
da      bei      den   Magistraten        und     Bezirkshauptmannschaften              Journal-         und
Bereitschaftsdienste eingerichtet sind.52

Eine analoge Anwendung des § 173 ABGB erfolgt für unter Erwachsenenschutzrecht
stehende Personen, wenn diese nicht entscheidungsfähig sind.53

Im Strafverfahren ist unter Umständen für eine körperliche Untersuchung eine
Aufklärung geboten, dass die Verweigerung der Zustimmung zur Untersuchung
freisteht und die Einwilligung jederzeit widerrufen werden könne. Jedoch kann eine

48 Vgl Tipold in WK StPO (2003) § 132 Rz 12.
49 Vgl Tauschmann in StPO Kommentar1 § 123 Rz 36; Bertel/Venier/Tipold, StPO13 Rz 240.
50 Vgl Tauschmann in StPO Kommentar1 § 123 Rz 37.
51 Vgl Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für die gesammten deutschen Erbländer der Oesterreichischen

Monarchie JGS 1811/946 § 173 Abs 1.
52 Vgl Tauschmann in StPO Kommentar1 § 123 Rz 37, 39.
53 Vgl Tauschmann in StPO Kommentar1 § 123 Rz 38.

15. September 2020                                    Angela Walzl                                 16/33
Zustimmung auch konkludent erfolgen und ist es nicht immer erforderlich, über
Verweigerungsmöglichkeiten aufzuklären.54

5.1     Die Unzulässigkeit der körperlichen Untersuchung trotz Einwilligung

5.1.1 Operative Eingriffe
Unter operative Eingriffe, welche trotz Einwilligung unzulässig sind, versteht man nur
Eingriffe in die physische Komponente der körperlichen Integrität. Es handelt sich
daher ausschließlich um invasive Eingriffe, bei denen das hautumschlossene Gewebe
durchstoßen wird.55

5.1.2 Nicht operative Eingriffe mit einer möglichen Gesundheitsschädigung von mehr
      als dreitätiger Dauer
Bei den nicht operativen Eingriffen mit einer möglichen Gesundheitsschädigung von
mehr als dreitägiger Dauer, welche auch trotz Einwilligung unzulässig sind, kommt es
auf keine bestimmte Eingriffsmethode an. Hiervon sind alle Untersuchungen iSv § 117
Z 4 StPO erfasst.
Die Gesundheitsschädigung umfasst auch mögliche später auftretende Folgen einer
Untersuchung mit Strahlen, sowie eventuelle psychische Beeinträchtigungen einer
Untersuchung. 56

Weiters sind auch körperliche Untersuchungen, mit denen grundsätzlich eine geringe
physische/psychische Beeinträchtigung impliziert ist, die allerdings mit dem Wesen
eines fairen Prozesses unvereinbar sind, unzulässig. Dies ist darauf zurückzuführen,
weil sie bspw entsprechend § 164 Abs 4 Satz 2 StPO die Freiheit der
Willensentschließung oder Willensbetätigung beeinträchtigen können. Daher dürfen
beispielshalber auch die Verabreichung hemmungslösender Mittel zur Narkoanalyse
oder die Hypnose nicht eingesetzt werden.57 Auch wenn die Methode nicht darauf
gerichtet ist, eine bestimmte Aussage einer Person zu gewinnen, sondern nur für die
Erstellung eines psychologisch/psychiatrischen Gutachtens fungiert, ist sie infolge

54 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 32; VwGH 23.03.1984, 82/02/0252 = RS2; VwGH 14.12.2007,
2007/02/0098 = RS1.
55 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 33; Tipold in Kommentar StGB1 § 51 Rz 24; Schroll in WK StGB2 §

51 Rz 42.
56 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 34.
57 Vgl Kirchbacher/Sadoghi in WK StPO (2020) § 245 Rz 72; OGH 11 Os 11/07p, 12 Os 34/99 = RS0089591;

OGH 11 Os 11/07p = RS0098197; OGH 11 Os 11/07, 12 Os 34/99, 12 Os 75/17x = RS0074642.
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zum Art 6 EMRK, dem Fairnessgrundsatz, unzulässig, da dadurch die Würde des
Menschen zu intensiv berührt wird.
Zudem ist auch die sogenannte Suchtmittelprovokation, also das Verabreichen von
Suchtmitteln zur Feststellung ihrer Wirkung auf den Betroffenen, unzulässig.58
Selbst wenn der Betroffene zustimmt und auch nur ein geringes Gesundheitsrisiko
besteht, sind diese Vorgehensweisen aufgrund deren Unsicherheitsfaktoren
unzulässig und verstoßen zudem gegen Art 6 Abs 1 EMRK.59

5.2     Die verhältnismäßige            zwangsweise               Durchsetzung      bei    fehlender
        Einwilligung

5.2.1 Die körperliche Untersuchung nach der StPO
Aus § 93 StPO lässt sich entnehmen, dass die in der StPO bestimmten
Grundrechtseingriffe       grundsätzlich      gegen      den        Willen   des   Betroffenen          mit
verhältnismäßigem Zwang durchgesetzt werden dürfen. Es ist allerdings, aus den für
Grundrechtseingriffen          geltenden         Grenzen            der      Erforderlichkeit       und
Verhältnismäßigkeit, unzulässig, den Beschuldigten festzunehmen, um eine
zwangsweise Vorführung zu einem Arzt vorzunehmen. Daraus folgt, dass ein
Beschuldigter, welcher einer körperlichen Untersuchung nicht zustimmt, von der
Polizei mit dem Arzt in dessen Wohnung aufzusuchen ist und die Untersuchung dort
stattzufinden hat.
Aus § 123 Abs 4 StPO lässt sich entnehmen, dass ohne Zustimmung des Betroffenen
nur eine Blutabnahme oder ein vergleichbar geringfügiger Eingriff, bei dem der Eintritt
von anderen als bloß unbedeutenden Folgen ausgeschlossen ist, unter gewissen
Voraussetzungen vorgenommen werden darf. Wie bereits zuvor ausgeführt, ist es
nicht zulässig anderweitige Untersuchungen als die aufgezählten zwangsweise
durchzusetzen. Dies ergibt sich aus Abs 4 Satz 1.60
In Hinblick auf den Nemo-tenetur-Grundsatz Art 90 Abs 2 B-VG, Art 6 EMRK, besteht
für den Beschuldigten keine Pflicht, an einer körperlichen Untersuchung aktiv
mitzuwirken.61

58 Vgl OGH 12 Os 47/77 = RS0089591, RS0098187, RS0098197, RS0097541, RS0097513, RS0074642.
59 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 35. Mayerhofer/Salzmann, StPO Zweiter Teil6 Rz 10.
60 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 36-37.
61 Vgl Tauschmann in StPO Kommentar1 § 123 Rz 2; OGH 12 Os 87/18p = RS0132267.

15. September 2020                                 Angela Walzl                                 18/33
Auch der VfGH führte in seiner Entscheidung B502/85 vom 26.09.1986 aus, dass der
Angeklagte (Beschuldigte, Verdächtige) nicht verpflichtet ist, seinen Körper als
Beweismittel zur Verfügung zu stellen.62
Bei einer zulässigen zwangsweisen Blutabnahme könnte man in Erwägung ziehen,
dass diese gegen den Nemo-tenetur-Grundsatz verstößt, allerdings wäre für die
körperliche Untersuchung lt Rechtsprechung des EGMR dafür ein aktives Tun des
Beschuldigten Voraussetzung.63
Da es sich allerdings dabei nur um die Gewinnung einer Körpersubstanz handelt, die
unabhängig vom Willen des Beschuldigten existiert, ist keine aktive Mitwirkung
erforderlich, der Beschuldigte muss es lediglich dulden. Daher ist eine zwangsweise
Blutabnahme durchaus mit dem Nemo-tenetur-Grundsatz vereinbar.64
Die zwangsweise Durchsetzung der körperlichen Untersuchungen darf allerdings nur
vorgenommen werden, wenn weder geringfügige physische, noch geringfügige
psychische Folgen zu erwarten sind.65
Daher wird angenommen, dass die Verabreichung eines Einlaufs ohne Einwilligung
nicht zulässig ist, auch wenn umstritten ist, ob mit dem Einlauf überhaupt eine
physische Gesundheitsschädigung einhergeht.66
Burgstaller/Fabrizy jedoch vertreten die Ansicht, dass die Folgen eines gelinde
wirkenden Abführmittels noch nicht als Gesundheitsschädigung iSd StGB zu
qualifizieren sind.67
Der EGMR entschied in seinem Urteil Jalloh gegen Deutschland im Jahre 2006, dass
die Verabreichung eines Brechmittels ohne Einwilligung jedenfalls unzulässig ist.68

Unter einem einwilligungsunabhängigen geringfügigen Eingriff versteht sich etwa eine
röntgenologische Untersuchung.69
Auch       wenn      die   radiologische   Untersuchung            als   einwilligungsunabhängigen,
geringfügigen Eingriff gewertet wird, so ist die generelle Gefährlichkeit dieser
Untersuchung zu beachten.70

62 Vgl Mayerhofer/Salzmann, StPO, Zweiter Teil6 Rz 1; VfGH B502/85 = Slgnr 10976.
63 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 37; OGH 11 Os 60/16g (11Os118/16m) = RS0131006.
64 Vgl Birklbauer, StPO, Einführung in das Grundstudium4 Rz 1/33.
65 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 38.
66 Vgl Burgstaller/Fabrizy in WK StGB2 § 83 Rz 11.
67 Vgl Burgstaller/Fabrizy in WK StGB2 § 83 Rz 11.
68 Vgl EGMR 11.07.2006, 54810/00, Jalloh/ Deutschland.
69 Vgl Tauschmann in StPO Kommentar1 § 123 Rz 42a.
70 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 38-38a.

15. September 2020                                  Angela Walzl                               19/33
§ 4 Abs 3 StrSchG normiert, dass auf den menschlichen Körper ionisierende Strahlen,
nach       Maßgabe      des     jeweiligen     Standes        der    medizinisch-wissenschaftlichen
Erkenntnisse, ausschließlich für medizinische Zwecke angewendet werden dürfen,
sofern nicht durch Bundesgesetz andere gerechtfertigte Anwendungen für zulässig
erklärt wurden.71
Durchaus könnte § 123 StPO als entsprechendes Ausführungsgesetz angedacht
werden, doch sind die Eingriffsbefugnisse im Rahmen der StPO, die sich nicht aus
medizinischen Erwägungen bzw Erfordernissen ergeben, aufgrund der mit solchen
Untersuchungen einhergehenden Gefahr, eng auszulegen.72
Folgt man hingegen der Ansicht von Bertel und Venier, so ist eine radiologische
Untersuchung kein „geringfügiger Eingriff“, da das Risiko an Krebs zu erkranken
durchaus gering, aber dennoch nicht auszuschließen ist.73
Bei fehlender Einwilligung ist auch hier wieder zu beachten, dass die Untersuchung
zur Tataufklärung erforderlich und angemessen sein muss.
Lt. Birklbauer sind zwangsweise radiologische Untersuchungen zur Altersfeststellung
eines Beschuldigten mangels dafür vorgesehener Erlaubnis in der StPO und mangels
Deckung iSv § 4 Abs 3 StrahlenschutzG rechtswidrig.74
Eine andere Ansicht hierzu vertritt Tauschmann. Für ihn ist eine röntgenologische
Handwurzeluntersuchung zur Feststellung des Alters ohne Einwilligung des
Beschuldigten bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 123 Abs 4 StPO zulässig.
Er argumentiert - anders als Birklbauer - dass der in Abs 1 Z 3 erwähnte Begriff der
Zurechnungsfähigkeit nicht nur iSd § 11 StGB, sondern auch am Begriff der
Unmündigkeit nach § 74 Abs 1 Z 1 StGB auszulegen sei.75

Es ist erlaubt, an Bewusstlosen Blut abzunehmen, da es bei Blutabnahmen und
vergleichbar geringfügigen Eingriffen nicht nötig ist, dass der Betroffene einwilligt. 76
Unzulässig wäre es allerdings nach den Vorschriften der StVO, da dies hier einer
unzulässigen, zwangsweisen Blutabnahme gleichkäme. Die Verwertbarkeit der

71 Vgl Bundesgesetz über Maßnahmen zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen
einschließlich ihrer Nachkommenschaft vor Schäden durch ionisierende Strahlen (Strahlenschutzgesetz –
StrSchG), BGBl 1969/227.
72 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 38-38a.
73 Vgl Bertel/Venier in Kommentar StPO1 § 123 Rz 4.
74 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 38a.
75 Vgl Tauschmann in StPO Kommentar1 § 123 Rz 42a.
76 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 39.

15. September 2020                                    Angela Walzl                                  20/33
Ergebnisse einer Analyse von Blut, welchem dem Bewusstlosen aus medizinischen
Gründen abgenommen wurde, ist hingegen erlaubt.77

Da aufgrund von Verhältnismäßigkeitsgründen eine körperliche Untersuchung nicht
durchzuführen ist, wenn das Ergebnis auch durch weniger gravierende Eingriffe, mit
denen der Betroffene einverstanden ist, erzielt werden kann, ist auch bei verschluckten
Drogenkapseln, bei denen keine akute Gefahr droht, die Ausscheidung auf
natürlichem Wege zuzulassen und erst im Anschluss daran sicherzustellen.
Bevor jedoch eine Blutabnahme zur Feststellung einer Beeinträchtigung durch Alkohol
oder andere berauschende Mittel verhältnismäßig ist, muss zuerst eine grobklinische
Untersuchung vorgenommen werden. Liefert diese grobklinische Untersuchung
bereits ein definitives Resultat, darf eine Blutabnahme nicht mehr durchgeführt
werden. Es scheitert hier an der Erforderlichkeit.78
Dies geht auch aus dem Urteil des VwGH 89/18/0139, ZVR 1991/3 hervor.79
Weiters ist zu beachten, dass ein Stirn- oder Nackenabrieb dem Mundhöhlenabstrich
der Vorzug zu geben ist.80

§ 123 StPO Abs 5 iVm § 121 StPO normiert, dass eine zwangsweise Durchsuchung
einer Person, die durch eine Straftat verletzt wurde, unzulässig ist.81
Daraus folgt, dass ein Zeuge, welcher die körperliche Untersuchung verweigert, seinen
Körper weder zur Beurteilung seines Geisteszustandes, noch seiner Zeugnisfähigkeit
als Beweismittel zur Verfügung stellen muss.82

5.2.2 Blutabnahme nach der StVO
Wie bereits zuvor ausgeführt, ist es gesetzwidrig, an einem Bewusstlosen eine
Blutabnahme vorzunehmen.83
Blutabnahmen und klinische Untersuchungen dürfen den Vorschriften der StVO, § 5
Abs 4a, Abs 5, Abs 6 StVO, zufolge nicht mit unmittelbarer Zwangsgewalt durchgeführt
werden.84

77 Vgl Pürstl, StVO-ON15 § 5 Anm 29; VfGH B1092/87 = Slgnr 11923; VwGH 2000/02/0232 = RS1.
78 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 40; Murschetz, JAP 2000/2001, 132.
79 Vgl VwGH 89/18/0139 = RS4.
80 Vgl Fabrizy StPO, Kurzkommentar13 § 123 Rz 10; Weiland, ÖJZ 2013/63, 592 (594).
81 Vgl St. Seiler, Strafprozessrecht18 Rz 478; Fabrizy, StPO, Kurzkommentar13 § 123 Rz 10.
82 Vgl OGH 10 Os 150/78 = RS0090934; OGH 15 Os 79/03 = RS0098015; OGH 15 Os 45/05i.
83 Vgl Verlag Österreich, JBl 1989, 374; VfGH B1092/87 = Slgnr 11923.
84 Vgl Schwaighofer, Die Presse – Recht 2005, 6.

15. September 2020                                  Angela Walzl                             21/33
Es besteht lediglich gem § 5 Abs 6 StVO eine Verpflichtung des Betroffenen eine
Blutabnahme vornehmen zu lassen, wenn die Person in Verdacht steht, ein Fahrzeug
in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben.85
Der VfGH führte in seiner Entscheidung B1092/87 vom 06.12.1988 aus, dass aufgrund
des Nemo-tenetur-Grundsatzes der Verfassungsgesetzgeber § 5 Abs 6 StVO als
Verfassungsbestimmung beschließen und bezeichnen musste, um eine Ausnahme in
Bezug auf Verkehrsdelikte zu schaffen. Diese Bestimmung ermächtigt allerdings nicht
zur zwangsweisen behördlichen Blutabnahme.86
Verweigert man solch eine Blutabnahme respektive Untersuchung, begeht man eine
Verwaltungsübertretung, welche mit Geldstrafe von 1.600,00 € bis 5.900,00 €
geahndet wird. Im Falle der Uneinbringlichkeit droht ein Arrest von zwei bis sechs
Wochen. Dies normiert § 99 Abs 1 lit b, sowie lit c StVO.87
Demzufolge kann sich der Fahrzeuglenker bei Akzeptieren der Strafe von der
Blutabnahme freikaufen (nach der gesetzten Verwaltungsübertretung besteht keine
Mitwirkungspflicht       an     einer    neuerlichen        Blutabnahme         oder     Untersuchung),
wohingegen im Strafverfahren die Blutabnahme mit verhältnismäßigem Zwang
durchgesetzt werden kann.88

5.2.3 Körperliche Untersuchung nach dem SPG
Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind gem § 50 Abs 1 SPG grundsätzlich
ermächtigt Befugnisse, die ihnen eingeräumt werden, mit unmittelbarer Zwangsgewalt
durchzusetzen. Aus § 50 Abs 2 SPG ist zu entnehmen, dass die Zwangsgewalt
anzudrohen und anzukündigen ist.89

§ 40 Abs 4 SPG ermächtigt zur zwangsweisen Durchführung von Eingriffen in
Körperöffnungen im Rahmen der Durchsuchung von Menschen.90

Die sicherheitspolizeiliche Durchsuchung fungiert lediglich zur Verhinderung einer
Gefährdung der körperlichen Sicherheit eines Festgenommenen oder anderer

85 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 42, Rz 26.
86 Vgl VfGH B1092/87 = Slgnr 11923.
87 Vgl Bundesgesetz vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden

(Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO. 1960), BGBl 1960/159; VfGH B281/74 Slgnr 7499; VfGH B131/74 Slgnr
7509; VfGH B14/77 Slgnr 8231; Bertel/Venier, Grundriss des österreichischen Strafprozessrechts 8 Rz 493.
88 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 42.
89 Vgl Bundesgesetz über die Organisation der Sicherheitsverwaltung und die Ausübung der Sicherheitspolizei

(Sicherheitspolizeigesetz – SPG), BGBl 1991/566.
90 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 43.

15. September 2020                                    Angela Walzl                                  22/33
Personen, sowie eine bestehenden Gefahr gegen Leben, Gesundheit, Freiheit oder
Eigentum in Verbindung mit einer Festnahme abzuwehren und nicht zur
Beweissicherung (siehe § 40 Abs 1 SPG). Ist die akute Gefahr beendet, ist eine
derartige Durchsuchung im Zusammenhang mit der Suche nach Gegenständen im
Körper eines Verdächtigen nicht mehr gestattet.91

Wenn eine Festnahme gem §§ 170 ff StPO im Strafverfahren durchgeführt wird, darf
keine körperliche Untersuchung iSd § 123 StPO durchgeführt werden, da § 123 StPO
die Festnahme nicht als Grund für eine körperliche Untersuchung nennt. Daher ist es
zulässig, die Durchsuchung von Körperöffnungen in Zusammenhang mit einer
strafprozessualen Festnahme auf § 40 Abs 4 SPG zu stützen, da es bei einer
Festnahme um die Beseitigung einer bestehenden, akuten Gefahr geht.92

Mundhöhlenabstriche, welche in den erkennungsdienstlichen Behandlungen nach
§ 64 Abs 2 SPG normiert sind, können gem § 78 SPG durchgeführt werden, wenn
diese tatsächlich möglich sind und dadurch auch kein Eingriff in die körperliche
Integrität einhergeht.
Folgt man den Bestimmungen der StPO sind Mundhöhlenabstriche als Eingriff in die
körperliche Integrität zu werten.93
Allerdings werden Mundhöhlenabstriche in Kommentaren zum SPG - überwiegend zur
Gewinnung von Material für eine DNA-Analyse - nicht als Eingriff in die körperliche
Integrität erachtet. 94 Darüber sollte allerdings reflektiert werden und die zwangsweise
Durchsetzung eines Mundhöhlenabstriches auch nach § 78 SPG als Eingriff in die
körperliche          Integrität   gewertet   werden.         Darüber   hinaus    ergibt   sich     aus
Verhältnismäßigkeitsüberlegungen, dass ein Nackenabrieb oder Auszupfen einzelner
Haare dem Mundhöhlenabstrich vorzuziehen sind, da dadurch nicht in die körperliche
Integrität eingegriffen wird und auch auf diese Weise das nötige Körpermaterial für
eine DNA-Analyse gewonnen werden kann.95

Unter       dem        Gesichtspunkt,    dass      eine         zwangsweise     Durchsetzung       des
Mundhöhlenabstriches zulässig ist, muss der Betroffene entsprechend § 77 Abs 1

91 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 43.
92 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 14.
93 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 44.
94 Vgl Hauer/Keplinger, SPG Kommentar4 § 67 710, 712.
95 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 44.

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SPG von der Behörde zuerst dazu aufgefordert werden und ist ihm auch der
maßgebliche Grund dieser Untersuchung mitzuteilen.
Folgt man dieser Aufforderung nicht, ist einem nicht festgenommenen Tatverdächtigen
und Gelegenheitspersonen die Verpflichtung gem § 77 Abs 2 Satz 1 SPG
bescheidmäßig aufzuerlegen. Der Bescheid erwächst sofort in Rechtskraft, da gegen
diesen        kein   Rechtsmittel      zulässig      ist.    Wenn         der    Bescheid     nicht         mit
Bescheidbeschwerde beim VwGH oder VfGH bekämpft und aufschiebende Wirkung
zuerkannt wird, kann dieser mit unmittelbarer Zwangsgewalt nach § 78 SPG vollstreckt
werden.
Handelt es sich dabei jedoch um einen festgenommenen Tatverdächtigen, ist es gem
§ 77 Abs 4 SPG möglich, diesen zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung
vorzuführen und kann diese unmittelbar nach § 78 SPG auch zwangsweise
durchgesetzt werden. Es bedarf hier keines Bescheids. Die zwangsweise
Durchsetzung nach sicherheitspolizeilichen Vorschriften ist auch bei Festnahmen im
Dienste der Strafjustiz gem § 170 ff StPO anwendbar, da dieser Ablauf für alle
Festnahmen „aus dem für die erkennungsdienstliche Behandlung maßgeblichen
Grunde“ gilt. 96

5.2.4 Körperliche Untersuchung nach dem SMG
§ 43 Abs 2 SMG normiert, dass eine, aufgrund des Verdachtes im Körper Suchtmittel
zu     verbergen,     festgenommene           Person        nach     §§    170    ff   StPO     von     der
Sicherheitsbehörde fordern kann, dass der Körper mit geeigneten bildgebenden
Verfahren untersucht wird, um eine weitere Anhaltung zu vermeiden. Gem § 43 Abs 3
SMG ist die Untersuchung auf das geringstmögliche Maß zu beschränken und ist der
Beschuldigte         unverzüglich        einem       Arzt       vorzuführen.97         Verweigert           die
Staatsanwaltschaft die Untersuchung, kann der Betroffene mit Einspruch wegen
Rechtsverletzung an das Gericht gem § 106 StPO dagegen vorgehen.98 Weigert sich
hingegen die Kriminalpolizei, ist lediglich ein Rechtsschutz gegen polizeiautonomes
Verhalten, die Maßnahmenbeschwerde gem § 130 Abs 1 Z 2 B-VG, möglich.99

96 Vgl Hauer/Keplinger, SPG Kommentar4 § 67 758 (759).
97 Vgl Bundesgesetz über Suchtgifte, psychotrope Stoffe und Drogenausgangsstoffe (Suchtmittelgesetz – SMG),
BGBl 1997/112.
98 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 15.
99 Vgl Leitl-Staudinger, Öffentliches Recht I9 Rz 24/1.

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6. Formelle Voraussetzungen der körperlichen Untersuchung gem § 123
   Abs 3 StPO

Ist der Betroffene mit der körperlichen Untersuchung nicht einverstanden, so ist für
jede Untersuchung die Anordnung durch die Staatsanwaltschaft, sowie eine
Bewilligung des Gerichts nötig.100
Auch wenn es sich um einen Fall von Gefahr im Verzug handelt, kann die
Untersuchung nur umgesetzt werden, wenn dies die Staatsanwaltschaft anordnet. Die
Bewilligung des Gerichts muss die Staatsanwaltschaft jedoch unverzüglich einholen.
Sollte diese Bewilligung nicht erteilt werden, ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet, ihre
Anordnung sofort zu widerrufen und auch das Ergebnis vernichten lassen.101
Angefertigte Protokolle und Amtsvermerke in Hinblick auf die Untersuchung sind
aufgrund fehlender Voraussetzungen iSd § 123 Abs 6 StPO unverwertbar.102
Aus § 123 Abs 3 StPO kann man entnehmen, dass die Kriminalpolizei nur einen
Mundhöhlenabstrich von sich aus vornehmen kann. Es ist dafür keine Gefahr im
Verzug notwendig.103

7. Durchführung der körperlichen Untersuchung gem § 123 Abs 5 StPO

Sämtliche körperlichen Untersuchungen gem § 123 Abs 5 StPO sind von einem Arzt
vorzunehmen. Der Mundhöhlenabstrich kann allerdings auch von Personen, welche
für diese Zwecke besonders geschult sind, abgenommen werden.104
Dies ist darauf zurückzuführen, dass Mundhöhlenabstriche nicht als schwerwiegende
Eingriffe in die Intimsphäre angesehen werden, schmerzlos und mit ihnen auch keine
gesundheitlichen Risiken verbunden sind.105

§ 123 Abs 5 Satz 1 iVm § 121 Abs 3 StPO normiert, dass der untersuchende Arzt nicht
dem gleichen Geschlecht wie dem der zu untersuchenden Person angehören muss.
Bedenkt man allerdings, dass es in manchen Kulturkreisen eine Demütigung darstellt,
von einem Arzt des anderen Geschlechts im Intimbereich untersucht zu werden, ist es

100 Vgl Birklbauer, StPO, Einführung in das Grundstudium4 Rz 8/99.
101 Vgl Tauschmann in StPO Kommentar1 § 123 Rz 16.
102 Vgl Birklbauer, StPO, Einführung in das Grundstudium 4 Rz 8/99.
103 Vgl Birklbauer, Körperliche Untersuchung und DNA-Analyse, ÖJZ 2008/39, 348.
104 Vgl Birklbauer, StPO, Einführung in das Grundstudium 4 Rz 8/109.
105 Vgl Tauschmann in StPO Kommentar1 § 123 Rz 50.

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in Hinblick auf die Grundrechte und der Verhältnismäßigkeit durchaus angebracht,
solange keine Gefahr im Verzug gegeben ist, die Untersuchung von einem Arzt des
gleichen Geschlechts durchführen zu lassen.106

§ 123 Abs 5 StPO, welcher auf § 121 StPO verweist, normiert, dass der Betroffene
über Grund und Zweck der Untersuchung zu informieren und ihm die Möglichkeit
einzuräumen ist, den gesuchten Gegenstand freiwillig herauszugeben.107

Aus § 123 Abs 5 iVm § 121 Abs 2 StPO lässt sich entnehmen, dass jeder Betroffene
das Recht hat, zur körperlichen Untersuchung eine Vertrauensperson, für welche die
Einschränkungen des § 160 Abs 2 StPO sinngemäß gelten, beizuziehen.
Da es sich um eine körperliche Untersuchung handelt und nicht um eine Aussage, ist
es für die Zulassung als Vertrauensperson irrelevant, ob die Person mitverdächtig ist,
als Zeuge in Betracht kommen kann, oder anderweitig am Verfahren beteiligt ist. Die
Anwesenheit der Vertrauensperson kann die körperliche Untersuchung des
Betroffenen auch in ihrer Aussagekraft nicht beeinflussen und stellt dies deshalb auch
keinen Ausschließungsgrund dar. Mit der Untersuchung muss allerdings nicht bis zum
Eintreffen der Vertrauensperson gewartet werden, wenn Gefahr im Verzug gegeben
ist.108

Entsprechend § 123 Abs 5 iVm § 122 Abs 3 StPO ist dem Betroffenen umgehend oder
spätestens innerhalb von 24 Stunden über die erfolgte Untersuchung und deren
Ergebnis, sowie allenfalls die Anordnung der Staatsanwaltschaft inkl der Entscheidung
des Gerichts, eine Bestätigung auszufolgen oder zuzustellen.109

8. Verwendungsbeschränkung von Beweisen gem § 123 Abs 6 und 7 StPO

§ 123 Abs 6 StPO normiert Zulässigkeitsvoraussetzungen von Ergebnissen einer
körperlichen Untersuchung als Beweismittel. Als Beweismittel dürfen diese nur
verwendet werden, wenn

      1. für eine körperliche Untersuchung die Voraussetzungen vorlagen,

106 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 51.
107 Vgl Fabrizy, StPO, Kurzkommentar13 § 123 Rz 10.
108 Vgl Birklbauer in WK StPO (2013) § 123 Rz 52-53.
109 Vgl Tauschmann in StPO Kommentar1 § 123 Rz 54.

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