MAGAZIN 0 All you can scan! - Ein fotografischer Ausflug in die Jahre 1980-2000 // S. 10 - Stiftung GIZ

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MAGAZIN

                                       02/2020
All you can scan!
Ein fotografischer Ausflug in die
Jahre 1980-2000 // S. 10
MAGAZIN 0 All you can scan! - Ein fotografischer Ausflug in die Jahre 1980-2000 // S. 10 - Stiftung GIZ
Liebe Leserinnen und Leser!                          Inhalt
Wir durchleben gerade herausfordernde Zeiten!        „Zum ‚digitalen Archiv‘ sehe ich keine
Wer den Blick zurück in die Geschichte wirft,        Alternative“ // Im Gespräch mit Dr. Detlef Krause,
erkennt, dass es immer wieder galt, solche Zeiten    Commerzbank AG // S. 3
durchzustehen und an ihnen zu wachsen. Die
genossenschaftliche Idee jedenfalls hat sich dabei   Hilfe zur Selbsthilfe zwischen Ost und West //
stets als wetterfest erwiesen, auch und vor allem    Zur Geschichte des Wiederaufbaus der
wegen der Menschen, die in ihrem Geiste              ostdeutschen Genossenschaftsbanken für
arbeiten.                                            Handwerk und Gewerbe // S. 6

Von diesem erfreulichen Umstand erzählen in          Vertrauen in herausfordernden Zeiten: Das
diesem Heft zwei Texte: Dr. Thomas Horns Bericht     Genossenschaftswesen in Pandemien, Krisen,
über die Ost-West-Hilfe im Zuge der deutschen        Umbrüchen // S. 8
Wiedervereinigung (S. 6) und Sonja Neuschwan-
ders kleine Pandemie- und Krisengeschichte des       All you can scan! // Ein fotografischer Ausflug in
deutschen Genossenschaftswesens in den letzten       die Jahre 1980-2000 // S. 10
gut 170 Jahren (S. 8).
                                                     We agree to differ // Die International Coopera-
Als optischen Leckerbissen präsentieren wir Ihnen    tive Alliance feiert ihr 125-jähriges Bestehen //
ein Best-of von Bildern aus den 1980er und 1990er    S. 12
Jahren, die drei GIZ-Praktikanten in den vergan-
genen Wochen ausgewählt, gescannt und in den         GIZ intern // Praktikanten gesucht // S. 14
GenoFinder eingepflegt haben (S. 10). Dr. Peter
Gleber schaut mit Ihnen zurück auf 125 Jahre         Beitrittserklärung zum GIZ-Förderverein // S. 15
International Cooperative Alliance (ICA) (S. 12).
Und den Auftakt dieses GIZMAGAZINS macht ein
Interview mit dem Leiter des Historischen Archivs
der Commerzbank AG, Dr. Detlef Krause (S. 3).

Lesen Sie gut – und bleiben Sie gesund
und munter!                                          Impressum

                                                     Herausgeber, Redaktion, Druck: Bundesverband
                                                     der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken
                                                     e.V. (BVR), Schellingstraße 4, 10785 Berlin;
                                                     Erscheinungsweise: 3 x jährlich. V.i.S.d.P.: Silke Holz-
Silke Holzhause                                      hause (Geschäftsführerin), s.holzhause@bvr.de,
Geschäftsführerin der Stiftung GIZ –                 Redaktion: Dr. Benedikt Brunner, Silke Holzhause,
Genossenschaftshistorisches Informationszentrum      Dr. Peter Gleber, Dr. Thomas Horn.
                                                                                           GIZMAGAZIN 2
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Im Gespräch mit Dr. Detlef Krause, Commerzbank

           „Zum ‚digitalen Archiv‘ sehe ich
                        keine Alternative“
Die Commerzbank AG wurde vor 150 Jahren gegründet – nur einige Tage vor der Deutschen Bank.
Ihre Geschichte pflegt das Historische Archiv in der Frankfurter Unternehmenszentrale. Das
Unternehmensarchiv archiviert Quellen zur Geschichte der Commerzbank und der von ihr
übernommenen Institute. Darüber hinaus werden in enger Zusammenarbeit mit der Eugen-
Gutmann-Gesellschaft Forschungsprojekte zur Unternehmensentwicklung betreut und gefördert.
Entstanden ist das Historische Archiv – nach ersten Anfängen in den 1950er Jahren – zum 1. Januar
1988. Die Übernahme der Dresdner Bank 2008/09 stellt die größte Fusion in der Geschichte der
Commerzbank dar. Das 1999 eingerichtete Historische Archiv der Dresdner Bank verfügte über
umfangreiche Aktenbestände. Teilbereiche sind seit Dezember 2010 im Verzeichnis national
wertvollen Kulturgutes eingetragen. – Ein Gespräch mit dem Leiter des Archivs, Dr. Detlef Krause.

Herr Dr. Krause, welche Bedeutung hat für Sie       definiert sich das Unternehmen? Was hält es          Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Groß-
Geschichte im Allgemeinen?                          zusammen? Wie kommt es, dass im Laufe der Un-        banken dezentralisiert und mussten eine Zeit lang
Geschichte hat mich schon in der Schule interes-    ternehmensentwicklung – je nach Größe – Hun-         unter anderem Namen arbeiten. Um den Mar-
siert, und ich habe Geschichte und Sozialwissen-    derte, ja sogar mehrere tausend Menschen ar-         kenkern zu sichern, haben die Volkswirt-
schaften aus Neigung studiert. Mich faszinierte     beitsteilig für und in einem Unternehmen arbei-      schaftlichen Abteilungen bei den Commerzbank-
schon immer unsere Vorgeschichte. Wie und mit       ten? Es muss offenbar eine Corporate Identity        Nachfolgern angefangen, historische Publikatio-
welchen Ressourcen haben unsere Vorfahren ge-       geben, wofür die Geschichte ein wichtiger, konsti-   nen zu veröffentlichen, und hierzu Unterlagen ge-
lebt? Wie können wir unsere Gegenwart historisch    tuierender Faktor sein könnte. Ob das den Han-       sammelt. Auch zum 100-jährigen Bestehen der
erklären? Dazu kam ein Interesse an volkswirt-      delnden bewusst ist oder nicht, ist eine andere      Commerzbank haben Volkswirte ein Buch ge-
schaftlichen Fragen. Es war somit eine glückliche   Fra-ge. Bei Banken ist vor allem interessant, dass   schrieben. Man merkte aber schnell, dass die ge-
Fügung, dass ich in der Volkswirtschaftlichen Ab-   ihre Tätigkeit eine wichtige volkswirtschaftliche    sammelten Unterlagen systematischer aufgeho-
teilung einer Bank gelandet bin.                    Bedeutung hat. In älteren Darstellungen findet       ben werden müssten. Aus verschiedenen Gründen
                                                    man in dem Zusammenhang Metaphern wie                dauerte es jedoch noch, bis 1988 durch einen
Was fasziniert Sie an der Corporate History und     „Schmierstoff“ oder „Kreislauf des Geldes“.          frisch pensionierten Chef-Volkswirt eine Stelle für
der Dokumentation von kreditwirtschaftlichen                                                             einen Historiker-Archivar geschaffen wurde.
Zusammenhängen?                                     Wie kam es zur Gründung Ihres Unternehmens-
Eigentlich ist es ein soziologischer Zugang. Wie    archivs?                                             Welche Aufgaben hat Ihre Einrichtung, und wie
                                                                                                                                           GIZMAGAZIN 3
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merzbank“ herausgegeben. Mittlerweile haben
                                                                                                          wir rund 800 Mitglieder, darunter viele aktive
                                                                                                          Commerzbanker, was mich sehr freut.

                                                                                                          In welcher Weise hat die Arbeit Ihrer Einrich-
                                                                                                          tung die Commerzbank beeinflusst? Sehen Sie
                                                                                                          positive Effekte?
                                                                                                          „Beeinflusst“ ist ein großes Wort. Unser Service
                                                                                                          wird sehr geschätzt. Das Historische Archiv unter-
                                                                                                          stützt aktiv die Kommunikation der Bank. Auch
                                                                                                          beim Jubiläum „150 Jahre Commerzbank“ in die-
                                                                                                          sem Jahr war das Historische Archiv sehr stark in
                                                                                                          die Medienarbeit eingebunden. Es gab eine tolle
                                                                                                          Medienresonanz mit Interviews und Fotos. Unser
                                                                                                          „Brot-und Butter-Geschäft“ sind die Filialjubiläen.
                                                                                                          Wir schreiben Texte und recherchieren nach Bil-
                                                                                                          dern für die lokale Medienarbeit. Dieser Prozess ist
                                                                                                          sogar im bankweiten Regelwerk hinterlegt. Aber
                                                                                                          es gibt noch viele andere Bereiche, wie die Un-
                                                                                                          terstützung von externen und internen Präsenta-
                                                                                                          tionen, Fragen der Rechtsabteilung bis hin zu his-
                                                                                                          torischen Informationen für Geschäftsabteilungen.
                                                                                                          Darüber hinaus werden unsere Archivführungen
                                                                                                          sehr gut angenommen, aufgrund der aktuellen
                                                                                                          Lage durch Corona jetzt natürlich nicht.

erfüllen Sie Ihren Auftrag?                           Wie vermittelt Ihr Institut Geschichte?             Welche zukünftigen Projekte können Sie sich
Als Konzernarchiv verwahrt das Historische Archiv     Die Eugen-Gutmann-Gesellschaft – kurz: EGG – ist    vorstellen?
langfristig Unterlagen, die im laufenden Geschäfts-   ursprünglich eine Gründung der Dresdner Bank.       Die Historische Gesellschaft plant eine Biografie
betrieb nicht mehr benötigt werden. „Archivwür-       Seit der Übernahme führt die Commerzbank das        über Eugen Gutmann, den Namensgeber der EGG
dig“ sind dabei zentrale Dokumente wie Proto-         Sponsoring fort. Mit dem Namenszusatz „Die His-     und Mitgründer der Dresdner Bank. Für das Histo-
kolle, Verträge und Korrespondenzen, die für die      torische Gesellschaft der Commerzbank“ verdeut-     rische Archiv sehe ich die Sozialen Medien als
Commerzbank-Geschichte wichtig sind sowie aus         lichen wir unsere Zielsetzung, dass sich die EGG    wichtige Aufgabe. Wir sichern bereits Posts der
juristisch-historischen Gründen benötigt werden.      um die Geschichte der Commerzbank und aller         Commerzbank und liefern auch historische Inhalte
Im konzernweit gültigen Aufbewahrungskatalog          ihrer Vorgängerinstitute kümmert. Das geschieht     – hier sehe ich noch viele Chancen.
konnten wir dafür den Bereich „Historisches“ ver-     über Publikationen, Newsletter, Veranstaltungen
ankern. In der Praxis versuchen wir, bei Prozessen    mit Vorträgen und Präsentation. Besonders be-       Sind auch Kooperationen mit anderen kredit-
wie Filialintegration dabei zu sein. Und wir können   liebt ist unser Wandkalender mit bankhistorischen   wirtschaftlichen Einrichtungen geplant?
uns auf ein gutes Netzwerk in der Bank stützen –      Motiven. In diesem Jahr haben wir eine wissen-      Wir pflegen Kontakte zu verschiedenen unterneh-
das funktioniert recht gut.                           schaftlich-unabhängige Studie „150 Jahre Com-       mens- und finanzhistorischen Einrichtungen und
                                                                                                                                             GIZMAGAZIN 4
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führen auch gemeinsame Veranstaltungen durch.         Die Dresdner Bank war einige Jahre lang Zen-
Gerade wirtschaftshistorische Lehrstühle sind gern    tralbank der gewerblichen Genossenschaften.
bei uns, um den Studenten Einblicke in die archi-     Kann man dazu etwas in Ihrem Archiv finden?
vische Praxis zu bieten. Für weitere Kooperationen    Ja, die Dresdner Bank hat 1904 die Deutsche Ge-
sind wir stets offen.                                 nossenschafts-Bank von Soergel, Parrisius & Co.
                                                      übernommen, wobei die Funktionen als Zentral-
Worin unterscheidet sich die Aufgabe Ihres Ar-        institut der Genossenschaftsbanken beibehalten
chivs von der des GIZ, und wo gibt es Überein-        wurden. Die Dresdner Bank wollte damit – als
stimmungen?                                           neues Geschäftsfeld – Kunden im Mittelstand ak-
Die Aufgaben eines historischen Archivs dürften in    quirieren. Diese Verbindung endete 1939 auf
allen Sparten des Kreditwesens recht ähnlich sein.    staatliche Anordnung. Erhalten haben sich aus
Vermutlich sind die Kommunikationswege und            dieser Zeit rund 10 Akten, unter anderem der Fu-
-formen in den privatwirtschaftlichen, den öffent-    sionsvertrag und ein Rundschreiben von 1931 mit
lich-rechtlichen und den genossenschaftlichen Trä-    einem Bekenntnis der Dresdner Bank zu den
gerunternehmen etwas anders. In der Commerz-          Genossenschaften.
bank haben wir es mit einer Zentrale und Filialen
zu tun, die über vielfältige Prozesse gesteuert       Digitalisierung ist das große aktuelle Thema
werden. Bei den Genossenschaften stelle ich mir       unserer Finanzgruppe. Mit der Datenbank Ge-
mehr singuläre, unabhängigere Akteure vor.            noFinder entwickelt das GIZ seit über 14 Jahren
                                                      ein dezentrales Netzwerk zur Sicherung genos-
Der Gesprächspartner                                  senschaftlicher Überlieferung. Wie sehen Sie die
                                                      Zukunft des „digitalen Archivs“?
Zur Person                                            Zum „digitalen Archiv“ sehe ich keine Alternative.
                                                      Uns Archivaren stellen sich ganz verschiedene Her-
Dr. Detlef Krause arbeitet seit 1988 als Historiker   ausforderungen. Wir müssen Altbestände digitali-
und Archivar im Historischen Archiv der Com-          sieren, vor allem Fotos und Filme, aber möglichst
merzbank und leitet seit der Übernahme der            auch die papierhafte Überlieferung, nicht zuletzt,
Dresdner Bank das integrierte und vergrößerte         weil die Nutzer dies erwarten. Wir sichern jetzt
Archiv. Er hat 2004 im Rahmen eines Projekts zur      schon digitale Dokumente quasi im laufenden Ge-
Commerzbank in der Zeit des Nationalsozialismus       schäftsbetrieb, weil die sogenannten „born digital
über die Geschichte der Commerzbank und ande-         records“ sehr flüchtig sind. Wir müssen klären, wie
rer Banken im Deutschen Kaiserreich promoviert.       wir – zumindest exemplarisch – Zugriff auf digita-
                                                      le Massenakten wie etwa Personal- oder Kredit-
Kontaktdaten                                          akten bekommen. Ebenso müssen wir im Blickfeld
                                                      haben, dass Unternehmen zunehmend Daten in            Auf den Fotos: Dr. Detlef Krause im Magazin
Historisches Archiv der Commerzbank                   der „Cloud“ speichern. Das heißt, es wird in          des Historischen Archivs (S. 3), die Bleistift-
Kaiserstraße 16, 60311 Frankfurt am Main              Zukunft vor allem um Zugangsberechtigungen zu         schärfmaschine Jupiter aus den 1920er Jahren
Telefon 069 1362 3616, Fax 069 1368 3266              diesen „Datenarchiven“ gehen.                         (S. 4) sowie der Instagram-Post des Archivs
E-Mail geschichte@commerzbank.com                                                                           zum „Tag der Buchliebhaber“ (S. 5) – Bilder:
                                                      Vielen Dank für das Gespräch! •••                     Alexandra Lechner/Commerzbank.
                                                                                                                                           GIZMAGAZIN 5
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Zur Geschichte des Wiederaufbaus der ostdeutschen
Genossenschaftsbanken für Handwerk und Gewerbe

Hilfe zur Selbsthilfe zwischen
Ost und West
Von Dr. Thomas Horn

„Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört“.        politischen Veränderungen in der DDR relativ       Kapitaldeckung. Ferner kannte die sozialistische
Mit diesen Worten kommentierte Willy Brandt die      schnell freigemacht. Gleichwohl blieb dafür tat-   Planwirtschaft der DDR nur ein einstufiges Ban-
Zeit der Wiedervereinigung vor 30 Jahren. Für        sächlich wenig Zeit, wenn man bedenkt, dass zwi-   kensystem. Die Finanzkontrolle übte die Staats-
Willy Brandt, der als Regierender Bürgermeister      schen dem 9. November 1989 und dem 3. Okto-        bank der DDR aus. Da am 1. Juli 1990 die D-Mark
von West-Berlin am 13. August 1961 mit ansehen       ber 1990 weniger als ein Jahr lag. Nahezu alle     in der DDR eingeführt wurde, sollten die beste-
musste, wie die DDR den „Eisernen Vorhang“           Bereiche des täglichen Lebens in der DDR mussten   henden Kassen vorher wieder eigenständig wer-
errichtete, war es ein besonderes Glück, dass er     bis zu diesem 3. Oktober umgestellt werden, ein-   den und von der Staatsbank der DDR abgekop-
die friedliche Revolution von 1989 und den Fall      schließlich der Einführung der lange ersehnten     pelt werden. Mit den Eröffnungsbilanzen in der
der Mauer miterleben konnte. Stets betonte           D-Mark.                                            neuen Währung D-Mark sollte den Banken der
Brandt dabei das mutige Auftreten der Menschen       Für alle ostdeutschen Unternehmen war diese        unabhängige Start in die soziale Marktwirtschaft
in Ostdeutschland, die für Demokratie und Men-       Umstellung zur Marktwirtschaft problematisch,      ermöglicht werden. Die westdeutschen Kapitalge-
schenrechte eintraten.                               schließlich fehlte es an der benötigten Infra-     sellschaften, wie z.B. Deutsche Bank oder Com-
Der wirtschaftliche Neuanfang war in vielen          struktur, am Know-how und häufig auch am           merzbank, verfügten über genug Eigenkapital, um
Bereichen schwierig. Besonders im Bankensektor       Kapital.                                           Niederlassungen in Ostdeutschland zu gründen.
hatten die Kreditgenossenschaften 1989 eine                                                             Die Sparkassen waren in der DDR ohnehin bereits
schwierige Ausgangsposition. Heute, 30 Jahre         Entflechtung des Bankensektors                     relativ stark vertreten und konnten mit Hilfe der
nach der Wiedervereinigung, lohnt es sich zu resü-   In der Zeit zwischen November 1989 und Oktober     öffentlich-rechtlichen Landesbanken schnell wie-
mieren, denn man kann durchaus mit Stolz auf das     1990 fassten viele Menschen in Ostdeutschland      der Fuß fassen.
Erreichte zurückschauen.                             den Entschluss, sich selbstständig zu machen.
                                                     Dafür benötigten sie Startkapital, wofür wiede-    Schwerer Start für die Genossenschaftsbanken
Umstellung auf die Marktwirtschaft                   rum Banken notwendig waren. Die Banken für         Die Genossenschaftsbanken jedoch hatten eine
Nach dem Mauerfall wurde der Weg zur                 Handwerk und Gewerbe verfügten aber zu die-        schwierige Ausgangsposition. In der DDR exis-
deutschen Wiedervereinigung durch die massiven       sem Zeitpunkt noch nicht über eine ausreichende    tierten mehrere genossenschaftliche Säulen, da-
                                                                                                                                         GIZMAGAZIN 6
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runter die Bäuerlichen Handelsgenossenschaften         „Was einer allein nicht schafft, das vermögen        schnell wiederaufgenommen werden konnte. Die
oder die Genossenschaftsbanken für Handwerk            viele.“ Die beiden Solidarfonds halfen den Genos-    Gießener Direktoren Röser und Mack kamen zu
und Gewerbe (GHG), natürlich auch unter der            senschaftsbanken in der DDR, Geschäftsräume zu       ihrem ersten Besuch nach Weimar mit einem
Kontrolle der Staatsbank der DDR. Diese Säule soll     sanieren bzw. zu beziehen. In begrenztem Rah-        Kleinwagen, der den Kollegen in Weimar als erstes
im Folgenden betrachtet werden.                        men konnte auch technische Infrastruktur bereit-     Dienstfahrzeug überlassen wurde. Im Rahmen ei-
Im Jahre 1981 wurde eine Rationalisierungsmaß-         gestellt werden. Die Genossenschaftsverbände rie-    nes Mitarbeiteraustauschs von Gießen nach Wie-
nahme durch die Staatsbank angeordnet, damit           fen dazu auf, Partnerschaften zwischen den ein-      mar und umgekehrt wurden die Kollegen an das
Kosten im Finanzsektor eingespart werden konn-         zelnen Volksbanken in Ost und West zu bilden.        neue Bankgeschäft herangeführt.
ten. Die GHG waren in besonderem Maße betrof-          Der Hintergrund war, dass neben einer materiellen    Durch den beherzten Einsatz der Mitarbeiter
fen. Insgesamt wurden von den Genossenschafts-         Unterstützung auch ein erheblicher Know-how-         beider Banken konnte die neue Volksbank Weimar
banken 175.000 Konten auf die Sparkassen über-         Transfer stattfinden konnte. Ein Beispiel unter      schnell in wirtschaftlich solide Verhältnisse über-
tragen, 8.000 Quadratmeter Bürofläche aufgege-         zahlreichen wird im Folgenden beleuchtet:            führt werden. Bereits im September 1990 konnte
ben, 1.400 Arbeitsplätze abgebaut und 155 ge-                                                               eine Filiale in Bad Berka eröffnet werden. Im IT-Be-
nossenschaftliche Filialen geschlossen. Diese Ratio-                                                        reich war die Volksbank Weimar die erste Genos-
nalisierungsmaßnahmen waren der Grund dafür,                                                                senschaftsbank in Thüringen, die als Pilotbank der
dass die Genossenschaftsbanken in der DDR nur                                                               Fiducia das Rechen- und Buchungssystem nach
ein Nischendasein führten, obendrein mit sehr                                                               westdeutschem Standard einführte. Heute heißt
schlechter technischer Infrastruktur.                                                                       sie VR Bank Weimar und hat rund 80 Mitarbeiter
                                                                                                            sowie 8.000 Mitglieder.
Solidarfonds sollen Neubeginn ermöglichen                                                                   Diese und andere Geschichten gegenseitiger
Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken                                                                 Unterstützung in der Nach-Wende-Zeit liefern ein
und Raiffeisenbanken (BVR) (damals noch in Bonn)                                                            schönes Beispiel dafür, wie die Hilfe zur Selbsthilfe,
legte nach der Währungsunion im Juli 1990 zwei                                                              eines unserer Grundprinzipien, damals zwischen
Solidarfonds an. Mit Hilfe dieser Fonds sollte den                                                          den Genossenschaftsbanken in Ost und West ge-
Genossenschaftsbanken in der DDR der Neube-                                                                 lebt worden ist. Die Kreditgenossenschaften in der
ginn ermöglicht werden. Mit dem Solidarfonds I                                                              ehemaligen DDR konnten auf diese Weise noch
sollten Personalmaßnahmen finanziert werden,                                                                schneller ein starker Partner für die Menschen und
wie z.B. Mitarbeiterschulungen, oder ein Mitarbei-     Volksbank Gießen – Bank für Handwerk                 ihre Heimatregionen werden – und sind es bis
teraustausch. Gespeist wurde dieser Fonds durch        und Gewerbe Weimar                                   heute. •••
Einzahlungen der westdeutschen Genossen-               Im April 1990 rief der damalige Genossenschafts-
schaftsbanken, die 0,1 Promille der Bilanzsumme        verband Hessen/Rheinland-Pfalz seine Genossen-
von 1988 überwiesen. Er hatte ein Volumen von          schaftsbanken dazu auf, solche Partnerschaften zu
45 Mio. D-Mark. Der Solidarfonds II hatte das Ziel,    vereinbaren. Michael Rößner, Direktor der Bank
Investitionen in Gebäude und technische Infra-         für Handwerk und Gewerbe in Weimar, hatte be-
struktur umzusetzen. Auf diesen Fonds wurde            reits einige Tage vorher mit dem Vorstand der da-
Geld durch die Zentralbanken und Verbundunter-         maligen Volksbank Gießen, Rudolf Röser, Kontakt
nehmen eingezahlt, das Gesamtvolumen lag bei           aufgenommen. Schnell – schon im April 1990 –
280 Mio. D-Mark.                                       schlossen beide Banken einen Partnervertrag.         Auf den Fotos: Die Schalterhalle der Bank für
                                                       Neben diversen Hilfsmitteln, vom Bleistift bis zum   Handwerk und Gewerbe Weimar im Jahr 1990
Partnerverträge – Hilfe zur Selbsthilfe                Computer, steuerten die Gießener Kollegen quasi      (S. 6) und eine familiäre Zweigstelle der Bank
Von Friedrich Wilhelm Raiffeisen stammt der Satz:      die Erstausstattung bei, damit der Bankbetrieb       im Jahr 1991 (S. 7) – Bilder: VR Bank Weimar.
                                                                                                                                                GIZMAGAZIN 7
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Das Genossenschaftswesen in Pandemien, Krisen, Umbrüchen

Vertrauen in herausfordernden Zeiten
Von Sonja Neuschwander

„Welche Krisen, Umbrüche und Pandemien hat das Genossenschaftswesen im Laufe der Zeit durchlaufen?“ So lautete im Frühsommer 2020 ein
Rechercheauftrag, der zwar historisch angelegt, thematisch jedoch topaktuell war. Die Frage hinter der Frage war: Können die Genossenschaften aus
ihrer Geschichte Hoffnung schöpfen oder vielleicht sogar Strategien dafür entwickeln, wie sie mit den Folgen der Corona-Pandemie besser
zurechtkommen können? Das GIZMAGAZIN nimmt Sie mit auf einen kleinen Parforce-Ritt durch die Krisen, die das Genossenschaftswesen in den
vergangenen gut 170 Jahren überstanden und gemeistert hat.

Eines gleich vorweg: Krisen gehören bei Genossen-    Gegenseitigkeit gewählt. Nicht mal ein halbes          vor der Stadt verlief. Zugleich jedoch wuchsen die
schaften quasi zum Genocode. Genossenschaften        Jahrzehnt später brach die Wirtschafts- und Agrar-     Mitgliederzahlen in den Kriegsjahren und übertra-
sind aus Krisen und für Krisen entstanden: Wirt-     krise von 1847/48 los, die viele für uns heute na-     fen anschließend sogar die der Vorkriegsjahre.
schaftskrisen, politische Umbrüche, die beiden       menlose Genossenschaftsbanken nicht überlebten.        Auch das ist Teil der genossenschaftlichen Ge-
Weltkriege und sogar Pandemien, wie die Spani-       Die Kasse in Öhringen meisterte sie jedoch – vor       schichte: In der Krise sucht der Mensch den Zu-
sche Grippe. So gesehen ist Covid-19 zwar epo-       allem, weil sie vor der Krise im Kreditgeschäft sehr   sammenhalt.
chemachend, aber letztlich auch „nur“ eine wei-      umsichtig gewesen war. So konnte sie sich dauer-
tere Krise, die sich in eine Liste voller Umbrüche   haft etablieren und ist heute als Volksbank Hohen-     Zum Ende des Krieges die Pandemie
einreiht.                                            lohe eG das älteste noch bestehende Institut in        Im letzten Kriegsjahr 1918 wiederum brach die
                                                     der Genossenschaftlichen FinanzGruppe.                 sogenannte Spanische Grippe aus und verbreitete
Von Anfang an im Krisenmodus                         Doch auch ein gut geführtes Buch allein schützt        sich pandemisch in der Welt. Das erste Mal
So ging es letztlich schon ganz zu Beginn der        die beste Genossenschaftsbank nicht vor politi-        berichtet wurde darüber in Spanien, so dass diese
genossenschaftlichen Geschichte in Deutschland       schen Krisen und Kriegen. So mussten während           Erkrankung auf den Namen ‚Spanische Grippe‘
mit einer echten Krise los. Erst vor kurzem hatten   des Ersten Weltkrieges genossenschaftliche Kredit-     getauft wurde. In Deutschland war es damals so-
in der württembergischen Kleinstadt Öhringen ei-     institute ihre geschulten Mitarbeiter als kriegs-      gar verboten, darüber zu berichten, dass die eige-
nige Bürger auf ihre eigene Tatkraft vertraut und    fähige Soldaten an die Front abgeben und sich mit      nen Soldaten nicht im Krieg gefallen, sondern an
eine Privatspar- und Leihkasse gegründet. Als        Aushilfskräften aushelfen. In Freiburg zum Beispiel    der Grippe gestorben waren. Die Zensur wollte so
Rechtsform hatten sie einen Verein beruhend auf      war dieses Problem groß, da die Frontlinie direkt      die Demoralisierung der Bevölkerung in der Hei-
                                                                                                                                              GIZMAGAZIN 8
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mat und der Soldaten an der Front verhindern.         dann auch die Genossenschaften Zug um Zug            ren auch in den ostdeutschen Bundesländern
Neben der Spanische Grippe haben auch die Fol-        gleichgeschaltet. Gleichwohl haben es der genos-     übernommen.
gen des Ersten Weltkrieges ihre Spuren in den         senschaftliche Grundgedanke und die genossen-
Bankbilanzen hinterlassen. Die konkreten Folgen       schaftlichen Werte geschafft, sogar diese Diktatur   Ideen, Strukturen, Werte als Basis
für die genossenschaftliche Organisation lassen       zu überdauern.                                       Der Blick zurück in die Geschichte zeigt, dass
sich aber nicht beziffern. Der einzig greifbare       Nach dem Zweiten Weltkrieg gründeten sich die        gemeinsame Ideen, Strukturen, Werte und Ord-
Hinweis auf die Pandemie findet sich im Jahrbuch      westdeutschen Genossenschaften in den Struktu-       nungen in schwierigen Zeiten Orientierung bieten.
des Reichsverbands der landwirtschaftlichen Ge-       ren der Weimarer Republik, da man sich um histo-     Sie bilden eine Basis, auf der man immer wieder
nossenschaften aus dem Jahre 1919. Dort ist zu        rische Kontinuität bemühte. Auch in Ostdeutsch-      aufbauen kann. Krisen, Umbrüche und selbst Pan-
lesen, dass im Jahr zuvor „der 33. Deutsche land-     land blieb die Trennung zwischen gewerblichen        demien und die unweigerlich damit verbundenen
wirtschaftliche Genossenschaftstag, der zum 31.       und ländlichen Genossenschaften bestehen. Bäu-       negativen Auswirkungen auf die Bankbilanzen
Dezember 1918 nach Hannover einberufen war“,          erliche Handelsgenossenschaften wurden Teil der      können so überwunden werden. Den deutschen
kurzerhand aufgrund von „Erschwerungen des                                                                 Genossenschaften ist das in ihrer Geschichte im-
Reichsverkehrs“ und „vor allem aber wegen der                                                              mer wieder gelungen.
sich immer mehr ausbreitenden Grippe“ abgesagt                                                             Im Kern lebt das Genossenschaftswesen vom
werden musste. Die Corona-Pandemie ist damit                                                               solidarischen und vom demokratischen Miteinan-
nicht die erste Pandemie in der jüngeren Zeit,                                                             der, die wiederum das Prinzip der Hilfe zur Selbst-
wegen der hierzulande wichtige genossenschaft-                                                             hilfe in den Vordergrund stellen. Ein ausgeprägtes
liche Veranstaltungen ausfallen oder verschoben                                                            solidarisches Miteinander können wir auch aktuell
werden müssen. An so etwas wie digitale Formate                                                            während der Covid-19-Pandemie feststellen. Es
war damals natürlich noch nicht zu denken.                                                                 werden      Quarantänemaßnahmen         umgesetzt,
Die wirtschaftlichen Folgen des Krieges und der                                                            Mund und Nase bedeckt und Abstand gewahrt.
Spanischen Grippe führte nach der Gründung der                                                             Social Distancing ist das neue Maß der Soli-
Weimarer Republik zu einer Inflation. Doch gerade                                                          darisierung, und entgegen vieler Unkenrufe ist die
in dieser ökonomisch schwierigen Zeitspanne er-                                                            Zustimmung dazu in der Bevölkerung ungebro-
lebte das Genossenschaftswesen eine Blütezeit: Es                                                          chen hoch. Zugleich erleben wir, wenn wir den
kam vermehrt zur Gründung von Konsum-, Woh-                                                                Blick über den Tellerrand werfen, schon seit Jah-
nungs-, Bau- und Versicherungsgenossenschaften.                                                            ren ein steigendes Interesse an der genossen-
Die Mitgliederzahlen der Genossenschaften sind                                                             schaftlichen Wirtschaftsform. Dies kommt in stei-
unablässig gestiegen.                                                                                      genden Mitgliederzahlen ebenso zum Ausdruck
                                                                                                           wie in der Entdeckung des Genossenschafts-
Untergang und Wiederaufbau                                                                                 wesens für immer neue Formen des wirt-
Nach der Inflation und der Währungsreform von         SED-nahen Massenorganisation der Vereinigung         schaftlichen Miteinanders.
1923 kam es zunächst zu einer wirtschaftlichen        der gegenseitigen Bauernhilfe, Volksbanken nann-     Am Ende lässt sich wohl sagen: Die Menschen ver-
und politischen Beruhigung. Doch schon wenige         ten sich Banken für Handwerk und Gewerbe um.         trauen der genossenschaftlichen Idee und ihren
Jahre später, im Jahr 1929, erschütterte der New      Die „Stunde Null“ der westdeutschen Genossen-        Möglichkeiten – auch und gerade in herausfor-
Yorker Börsencrash die Weltwirtschaft. Es folgte      schaften ist deshalb nicht im Jahr 1945 zu veror-    dernden Zeiten. •••
eine anhaltende Wirtschaftskrise, die der noch jun-   ten, sondern erst 1972, als es zur Neugliederung
gen deutschen „Republik ohne Republikaner“ den        der Verbände, zur Schaffung einer genossen-          Literaturtipp: Peter Gleber, Genossenschafts-
Todesstoß versetzte. Mit der Regierungsübernah-       schaftlichen Bankengruppe und zur Trennung von       geschichte. Krise als Chance, erscheint in
me der Nationalsozialisten im Jahre 1933 wurden       Geld und Ware kam. 1990 wurden diese Struktu-        Bankinformation, 12 (2020).

                                                                                                                                             GIZMAGAZIN 9
MAGAZIN 0 All you can scan! - Ein fotografischer Ausflug in die Jahre 1980-2000 // S. 10 - Stiftung GIZ
Ein fotografischer Ausflug in die Jahre 1980-2000

All you can scan!
Große Verdienste um die Bewahrung genossen-        und in den GenoFinder eingepflegt. Was nicht ge-   tems „PC-Diktat 2000“ von Grundig sowie eine
schaftlicher Zeitgeschichte haben sich in den      scannt wurde, wurde aussortiert und vernichtet.    nicht minder dynamische junge Dame bei der
zurückliegenden Wochen drei GIZ-Praktikanten       Diesen Vorgang bezeichnet man als Kassation. Die   Vorführung des Kassenrollgeräts „PST 150“ von
erworben: Paul Grünwald, Pheline Junge und         Bilder decken den Zeitraum zwischen 1980 und       Omron.
Diana Vegner (mehr zu den drei unter GIZintern).   2000 ab und stammen aus dem Pressearchiv des       Der Text zum rechten Bild atmet in mehrerlei
Sie haben – um im Fachjargon der Archivare zu      BVR. Wir haben Ihnen eine kleine Auswahl zusam-    Hinsicht den Geist vergangener Zeiten: „Wie
sprechen – eine klassische Bewertungs- und Er-     mengestellt.                                       wahr, meint Brigitte, ganz schön griffig, dieses
schließungsarbeit eines geschlossenen Fundus von                                                      Geld aus Plastik. Von den Geldautomaten bin
ca. 2.500 Bildern vorgenommen. Dabei wurden        Die Bilder auf dieser Seite zeigen einen dynami-   ich’s ja gewohnt – aber jetzt noch zum Shop-
rund 370 erhaltenswerte Aufnahmen gescannt         schen jungen Herrn bei der Benutzung des Sys-      ping… super!“ – Bilder: Grundig, Omron

                                                                                                                                     GIZMAGAZIN 10
Die Bild oben stammt vom BVR-Nachwuchstag             ronica Carstens, die Gattin des Gastgebers,
am 2. und 3. September 1982. In der zweiten           formvollendet mit Handkuss.
Reihe stehen der damalige ADG-Vorstandsvor-           Unten der Blick in den Stand der Volksbanken
sitzende Walter Swoboda, der damalige BVR-            und Raiffeisenbanken auf der CeBIT 1989 in
Präsident Bernhard Schramm sowie – mit                Hannover. Der Stand verfügte über mehrere
unvergleichlichem Lachen – Thomas Gottschalk          Informationsstationen in betont futuristischem
(v.r.n.l.) – Bilder: Jutta Spitzley/Michael Lingen.   Stil. An der Rückwand des Standes ist eine auf-
Rechts von oben nach unten: Ein Blasorchester,        gedruckte Straße mit der Überschrift „Wir
das anlässlich des „Berliner Abends“ eines BVR-       machen den Weg frei“ zu erkennen, dem da-
Verbandstags in West-Berlin auftrat – mit Pi-         mals vom BVR-Vorstandsmitglied Wolfgang
ckelhauben. Darunter eine Aufnahme vom Neu-           Grüger vorgestellten Kommunikationskonzept –
jahrsempfang des Bundespräsidenten 1982. Der          Bilder: Inge Kundel-Saro, Presse-Service/Jutta
damalige BVR-Präsident Schramm begrüßt Ve-            Spitzley, Foto-Poppe.
                                                                                                        GIZMAGAZIN 11
Die International Cooperative Alliance (ICA)
feiert ihr 125-jähriges Bestehen

We agree to differ
Von Dr. Peter Gleber

Die zweitälteste NGO der Welt ist eine Genos-       der Friede“ solle mit der Gründung der ICA erfüllt     Angesichts der geschilderten Berichterstattung er-
senschaftsorganisation: Vor genau 125 Jahren,       werden.                                                scheint es überraschend, dass die deutsche Genos-
am 19. August 1895, wurde in London die Inter-      Wolff ahnte wohl, dass die vor allem von Englän-       senschaftsorganisation Gründungsmitglied der ICA
national Cooperative Alliance (ICA) gegründet.      dern, Franzosen und Italienern initiierte Veranstal-   wurde. Die zutage getretenen inhaltlichen Diffe-
Neben Argentinien, Australien, Belgien, Eng-        tung in Deutschland auf wenig Gegenliebe stoßen        renzen waren ein Spiegelbild der Strukturunter-
land, Dänemark, Frankreich, den Niederlanden        würde. Die Redaktion der deutschen Genossen-           schiede zwischen dem deutschen Genossen-
und den USA sendete auch Deutschland Dele-          schaftszeitung unterstellte dem englischen Ver-        schaftswesen und dem der übrigen Mitglieder der
gierte zur Gründungsversammlung. Genossen-          band in einer Anmerkung, dass die Engländer            ICA. Während bei den meisten ICA-Mitgliedern die
schaftliche Werte, Frieden, Demokratie und Frei-    selbst nicht hinter der Idee einer internationalen     Konsumgenossenschaften und Selbsthilfeorganisa-
handel waren die Ideale der ICA, die als Orga-      Allianz stünden, da sie über genügend eigene           tionen von Endverbrauchern in der Überzahl wa-
nisation auch die schwierigen Zeiten der beiden     Kontakte verfügten und damit eine ICA nicht            ren, dominierten im deutschen Genossenschafts-
Weltkriege des 20. Jahrhunderts überlebte.          bräuchten.                                             wesen die Kreditgenossenschaften des selbststän-
                                                    Im Anschluss daran setzte sich der Sekretär des        digen Kleingewerbes. Dazu kamen noch Selbst-
Am 5. Januar 1895 wurde in den „Blättern für das    nationalen Genossenschaftsverbands, Hermann            hilfeorganisationen des Handwerks. Konsumge-
Genossenschaftswesen“ ein Beitrag des britischen    Häntschke, kritisch mit dem englischen Genos-          nossenschaften und Wohnungsbaugenossenschaf-
Genossenschaftsfunktionärs Henry William Wolff      senschaftswesen auseinander. Er beschrieb sehr         ten waren im nationalen Genossenschaftsverband
abgedruckt, der als Einladung zur Gründungsver-     detailliert dessen üppige Organisationskosten und      in der Minderzahl. Letztere repräsentieren die in
sammlung der ICA in den Londoner Crystal Palace     rühmte die Sparsamkeit und Bescheidenheit deut-        anderen Teilen Europas dominierenden Selbst-
verstanden werden konnte. Wolff schmeichelte        scher Genossenschaftstage. Anschließend berich-        hilfeorganisationen der abhängig Beschäftigten.
darin den Deutschen und würdigte Hermann            tete Häntschke von einer ersten Volksbank auf der      Dass die Deutschen dennoch an der Gründung des
Schulze-Delitzsch als „Altmeister des festländi-    britischen Insel, im schottischen Edinburgh. Diese     ICA beteiligt waren, war als ein starkes Signal für
schen Genossenschaftswesens“.                       sei nicht mit einer soliden deutschen Volksbank zu     das internationale Genossenschaftswesen zu wer-
Er versprach, dass das Arbeitsfeld der anstrebten   vergleichen, die vorwiegend Personalkredite ver-       ten.
Allianz „auf sämtliche Zweige des genossenschaft-   gebe. Die Schotten seien zwar auf ihr Geschäfts-       Auch in Deutschland galten und gelten Genossen-
lichen Wirkens“ ausgedehnt werde, namentlich auf    modell der landwirtschaftlichen Hypothekenbank         schaften als Schulen der Demokratie. Ihre Vorden-
den in Großbritannien noch nahezu unbekannten       sehr stolz. Häntschke prophezeite dem Institut je-     ker, Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Will-
Typus der deutschen Kreditgenossenschaft. Schul-    doch keinen nachhaltigen Erfolg, da ihm über kurz      helm Raiffeisen, entwickelten sie in einem mittel-
ze-Delitzsch Zielstellung „Die Genossenschaft ist   oder lang die Geldmittel ausgehen würden.              europäischen Raum, der noch kein Nationalstaat

                                                                                                                                            GIZMAGAZIN 12
war. Im 19. Jahrhundert gab es viele deutsche       Delitzsch als Ideengeber vor allem Handwerker
Kleinstaaten, die zwar Rechtsstaaten, aber keine    und Händler zahlreiche Genossenschaften, die die
Demokratien waren. Inspiration fand Schulze-De-     wirtschaftliche und soziale Not des Mittelstands
litzsch, der sich in der Revolution von 1848/49     milderten.
vergeblich für Freiheit und Demokratie einsetzte,   Schulze-Delitzsch schuf 1859 den ersten deut-
im Ausland. Neben französischen Frühsozialisten     schen Bankenverband und danach den ersten Ge-
waren es vor allem englische Praktiker wie Robert   nossenschaftsverband. Er gilt außerdem als Schöp-
Owen und die Rochdaler Pioniere, die ihn zur        fer des Preußischen Genossenschaftsgesetzes, das
Genossenschaftsidee brachten. Aber auch in          wenige Jahre nach seinem Tod im Deutschen Kai-
Deutschland gab es bereits eine Kreditgenossen-     serreich verabschiedet wurde. Der von Schulze-
schaft, die Schulze-Delitzschs Ideen vorwegnahm:    Delitzsch auf nationaler Ebene gegründete
die Oehringer Privatspar- und Leih-Kasse in Würt-   „Allgemeine Verband der auf Selbsthilfe beruhen-
temberg. Gleichwohl gründeten erst mit Schulze-     den Deutschen Erwerbs- und Wirtschaftsgenos-
                                                    senschaften“ war vor 125 Jahren den Rochdaler
                                                    Prinzipien sehr verbunden.
                                                    Die Grundsätze der Pioniere von Rochdale wurden
                                                    aber auch in Deutschland respektiert und geach-
                                                    tet. Tatsächlich war insbesondere das Demokratie-
                                                    prinzip „one man, one vote“ ein Grund für die
                                                    deutsche Unterstützung der ICA. Das deutsche
                                                    Genossenschaftsgesetz und die Mitgliedschaft in
                                                    einem internationalen Verband waren für deut-
                                                    sche Genossenschaften eine „Lebensversicherung“
                                                    im Kaiserreich, einem undemokratischen Obrig-
                                                    keitsstaat.
                                                    Heute sind 222 Mitgliedsorganisationen aus 88
                                                    Ländern in der ICA organisiert, die in allen Sek-
                                                    toren der Wirtschaft aktiv sind. Diese Kooperativen
                                                    vertreten weltweit die Interessen von mehr als
                                                    800 Million Einzelpersonen. Genossenschaften le-
                                                    ben weltweit die Werte Selbsthilfe, Selbstverant-       Auf den Fotos: Links: das Gründungshaus der
                                                    wortung, Demokratie, Gleichheit, Gerechtigkeit          ICA in London. Heute arbeitet die Vereinigung,
                                                    und Solidarität. Die ICA formuliert die genos-          ganz zeitgemäß, von Brüssel aus. Die bunte
                                                    senschaftlichen Mindeststandards, sie fördert den       Flagge, die auf dem Bild zu sehen ist, ist übri-
                                                    wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt in einzel-    gens eine Regenbogenflagge. Sie wurde in den
                                                    nen Staaten, wie auch den Genossenschaftsge-            1920er Jahren für die ICA entworfen und von
                                                    danken in aller Welt.                                   1925 bis 2001 geführt – Bild: GIZ.
                                                    „We agree to differ“ ist ein wichtiges Gründungs-       Oben: Eine Seite aus dem ICA-Jahresbericht
                                                    prinzip der ICA. Es zeigt uns heute, dass Solidarität   2019 mit aktuellen Daten und Fakten. Die Web-
                                                    bei aller Verschiedenheit ein wichtiger Wert zur        site der ICA finden Sie unter:
                                                    Sicherung von Frieden und Freiheit ist. •••             https://www.ica.coop/en.
                                                                                                                                            GIZMAGAZIN 13
GIZ intern
Von Mai bis Ende August 2019 sammelte Sonja             Seit Anfang Oktober bereichert Pheline Junge
Neuschwander im GIZ Erfahrungen in der prak-            das GIZ. Sie absolviert ein Praktikum im Rahmen
tischen Geschichtsarbeit. Neuschwander hat ein          ihres archivwissenschaftlichen Studiums an der
kulturwissenschaftliches Studium an der Hum-            Fachhochschule Potsdam. Sie dokumentiert die
boldt-Universität zu Berlin absolviert. Mit Sorgfalt,   Printwerbung der Volksbanken Raiffeisenbanken
Spürsinn und Kreativität erarbeitete sie ein um-        aus den vergangenen zehn Jahren. Ziel ist es, die
fassendes und innovatives Konzept für ein virtu-        Vielfalt der Kampagne „Jeder Mensch hat etwas,
elles Genossenschaftsmuseum. Sie verfolgte dabei        das ihn antreibt“ möglichst vollständig zu doku-
einen kooperativen und kontaktbasierten Ansatz,         mentieren.
der sowohl die Genossenschaftsorganisation als
auch die Wissenschaft in die Erarbeitung der digi-
talen Ausstellung einbezieht. Fürs GIZMAGAZIN           Praktikanten gesucht
verfasste sie spannende Beiträge zur genossen-
schaftlichen Pandemiegeschichte und zur Historie        Ohne die Arbeit von Praktikant*innen ist der
von Bankbussen als fahrenden Zweigstellen. Wir          Fortgang der Dokumentation in unserer Online-
bedanken uns für ihr großes Engagement und              Datenbank GenoFinder undenkbar. Wir danken
wünschen ihr für die Zukunft alles Gute.                deshalb für die fachkundige Unterstützung und
                                                        freuen uns auf neue Praktikumsbewerber und
Im August begann Paul Grünwald mit seinem               -bewerberinnen, die Selbstverantwortung und
Praktikum in der GIZ-Geschäftsstelle. Herr Grün-        eine solide Ausbildung schätzen. Mindestvor-
wald studiert auf Bachelor im Fachbereich Archiv-       aussetzungen bei freiwilligen Praktika sind die
wissenschaften an der Fachhochschule Potsdam.           Zwischenprüfung oder der Bachelorabschluss in
                                                        Neuerer Geschichte, Zeitgeschichte, Wirtschafts-
Seit September sammelt Diana Vegner praktische          und Sozialgeschichte oder Museologie. Viel-
Erfahrungen im GIZ. Sie absolvierte ihr Studium         leicht finden Sie an unseren Themen gefallen
der Geschichte und Politikwissenschaft an der Uni-      und entdecken sogar ein Thema für Ihre Ab-
versität Kassel und schloss mit dem Bachelor ab.        schlussarbeit!

Herr Grünwald und Frau Vegner beschäftigen sich         Weitere Informationen und Bewertungen ehe-
mit der Bildsammlung des GIZ. Sie dokumentieren         maliger Praktikant*innen finden Sie auf unserer
überformatige Gemälde, Abbildungen und Fotos            Website www.stiftung-giz.de unter „Über uns“
aus der Ablieferung des BVR Bonn und                    in der Rubrik „Jobs“.
erschließen Bestände des Pressearchivs des BVR
aus den 1980er und 1990er Jahren. Es handelt sich
um 2.500 Bilder, die durch Auswahl auf 370
Motive reduziert wurden. Letztere wurden
gescannt und im GenoFinder dokumentiert.
                                                                                                            GIZMAGAZIN 14
Beitrittserklärung
                Hiermit beantragen wir / beantrage ich die Mitgliedschaft im
                Förderverein zur Stiftung GIZ e.V.

                Gewünschtes Eintrittsdatum:
                Name (Institut oder Person), Anschrift:

                Jährlicher Vereinsbeitrag Beitragsstaffel (anteilig für das laufende
                Jahr):

                Kreditgenossenschaften, Verbände, Verbundunternehmen
                ª 500 € (Kreditgenossenschaft/Bilanzsumme bis zu 250 Mio. €)
                ª 1.000 € (Kreditgenossenschaft/Bilanzsumme bis zu 750 Mio. €)
                ª 1.500 € (Kreditgenossenschaft/Bilanzsumme über 750 Mio. €)
                ª 5.000 € (Verbände)
                ª 8.000 € (Verbundunternehmen/Zentrale Verbundeinrichtungen)
                ª _________ € (Freiwilliger höherer Beitrag)

                Waren-/Dienstleistungs-/Konsumgenossenschaften
                ª 100 € (Umsatzerlöse unter 5 Mio. €)
                ª 250 € (Umsatzerlöse über 5 Mio. €)
                ª 500 € (Umsatzerlöse über 100 Mio. €)
                ª 1.500 € (Umsatzerlöse über 500 Mio. €)
                ª 5.000 € (Umsatzerlöse über 2 Mrd. €)
                ª 5.000 € (Verbände)
                ª _________ € (Freiwilliger höherer Beitrag)

                Sonstige
                ª 80 € (Vereine, Genossenschaftsinstitute, Stiftungen, u.ä.)
                ª 50 € (Natürliche Personen)
                ª _________ € (Freiwilliger höherer Beitrag)

                Ort, Datum    Unterschrift

                __________ __________________________________

                Förderverein zur Stiftung GIZ e.V.
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GIZMAGAZIN 15
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