MAGAZIN 0 All you can scan! - Ein fotografischer Ausflug in die Jahre 1980-2000 // S. 10 - Stiftung GIZ
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Liebe Leserinnen und Leser! Inhalt Wir durchleben gerade herausfordernde Zeiten! „Zum ‚digitalen Archiv‘ sehe ich keine Wer den Blick zurück in die Geschichte wirft, Alternative“ // Im Gespräch mit Dr. Detlef Krause, erkennt, dass es immer wieder galt, solche Zeiten Commerzbank AG // S. 3 durchzustehen und an ihnen zu wachsen. Die genossenschaftliche Idee jedenfalls hat sich dabei Hilfe zur Selbsthilfe zwischen Ost und West // stets als wetterfest erwiesen, auch und vor allem Zur Geschichte des Wiederaufbaus der wegen der Menschen, die in ihrem Geiste ostdeutschen Genossenschaftsbanken für arbeiten. Handwerk und Gewerbe // S. 6 Von diesem erfreulichen Umstand erzählen in Vertrauen in herausfordernden Zeiten: Das diesem Heft zwei Texte: Dr. Thomas Horns Bericht Genossenschaftswesen in Pandemien, Krisen, über die Ost-West-Hilfe im Zuge der deutschen Umbrüchen // S. 8 Wiedervereinigung (S. 6) und Sonja Neuschwan- ders kleine Pandemie- und Krisengeschichte des All you can scan! // Ein fotografischer Ausflug in deutschen Genossenschaftswesens in den letzten die Jahre 1980-2000 // S. 10 gut 170 Jahren (S. 8). We agree to differ // Die International Coopera- Als optischen Leckerbissen präsentieren wir Ihnen tive Alliance feiert ihr 125-jähriges Bestehen // ein Best-of von Bildern aus den 1980er und 1990er S. 12 Jahren, die drei GIZ-Praktikanten in den vergan- genen Wochen ausgewählt, gescannt und in den GIZ intern // Praktikanten gesucht // S. 14 GenoFinder eingepflegt haben (S. 10). Dr. Peter Gleber schaut mit Ihnen zurück auf 125 Jahre Beitrittserklärung zum GIZ-Förderverein // S. 15 International Cooperative Alliance (ICA) (S. 12). Und den Auftakt dieses GIZMAGAZINS macht ein Interview mit dem Leiter des Historischen Archivs der Commerzbank AG, Dr. Detlef Krause (S. 3). Lesen Sie gut – und bleiben Sie gesund und munter! Impressum Herausgeber, Redaktion, Druck: Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR), Schellingstraße 4, 10785 Berlin; Erscheinungsweise: 3 x jährlich. V.i.S.d.P.: Silke Holz- Silke Holzhause hause (Geschäftsführerin), s.holzhause@bvr.de, Geschäftsführerin der Stiftung GIZ – Redaktion: Dr. Benedikt Brunner, Silke Holzhause, Genossenschaftshistorisches Informationszentrum Dr. Peter Gleber, Dr. Thomas Horn. GIZMAGAZIN 2
Im Gespräch mit Dr. Detlef Krause, Commerzbank „Zum ‚digitalen Archiv‘ sehe ich keine Alternative“ Die Commerzbank AG wurde vor 150 Jahren gegründet – nur einige Tage vor der Deutschen Bank. Ihre Geschichte pflegt das Historische Archiv in der Frankfurter Unternehmenszentrale. Das Unternehmensarchiv archiviert Quellen zur Geschichte der Commerzbank und der von ihr übernommenen Institute. Darüber hinaus werden in enger Zusammenarbeit mit der Eugen- Gutmann-Gesellschaft Forschungsprojekte zur Unternehmensentwicklung betreut und gefördert. Entstanden ist das Historische Archiv – nach ersten Anfängen in den 1950er Jahren – zum 1. Januar 1988. Die Übernahme der Dresdner Bank 2008/09 stellt die größte Fusion in der Geschichte der Commerzbank dar. Das 1999 eingerichtete Historische Archiv der Dresdner Bank verfügte über umfangreiche Aktenbestände. Teilbereiche sind seit Dezember 2010 im Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes eingetragen. – Ein Gespräch mit dem Leiter des Archivs, Dr. Detlef Krause. Herr Dr. Krause, welche Bedeutung hat für Sie definiert sich das Unternehmen? Was hält es Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Groß- Geschichte im Allgemeinen? zusammen? Wie kommt es, dass im Laufe der Un- banken dezentralisiert und mussten eine Zeit lang Geschichte hat mich schon in der Schule interes- ternehmensentwicklung – je nach Größe – Hun- unter anderem Namen arbeiten. Um den Mar- siert, und ich habe Geschichte und Sozialwissen- derte, ja sogar mehrere tausend Menschen ar- kenkern zu sichern, haben die Volkswirt- schaften aus Neigung studiert. Mich faszinierte beitsteilig für und in einem Unternehmen arbei- schaftlichen Abteilungen bei den Commerzbank- schon immer unsere Vorgeschichte. Wie und mit ten? Es muss offenbar eine Corporate Identity Nachfolgern angefangen, historische Publikatio- welchen Ressourcen haben unsere Vorfahren ge- geben, wofür die Geschichte ein wichtiger, konsti- nen zu veröffentlichen, und hierzu Unterlagen ge- lebt? Wie können wir unsere Gegenwart historisch tuierender Faktor sein könnte. Ob das den Han- sammelt. Auch zum 100-jährigen Bestehen der erklären? Dazu kam ein Interesse an volkswirt- delnden bewusst ist oder nicht, ist eine andere Commerzbank haben Volkswirte ein Buch ge- schaftlichen Fragen. Es war somit eine glückliche Fra-ge. Bei Banken ist vor allem interessant, dass schrieben. Man merkte aber schnell, dass die ge- Fügung, dass ich in der Volkswirtschaftlichen Ab- ihre Tätigkeit eine wichtige volkswirtschaftliche sammelten Unterlagen systematischer aufgeho- teilung einer Bank gelandet bin. Bedeutung hat. In älteren Darstellungen findet ben werden müssten. Aus verschiedenen Gründen man in dem Zusammenhang Metaphern wie dauerte es jedoch noch, bis 1988 durch einen Was fasziniert Sie an der Corporate History und „Schmierstoff“ oder „Kreislauf des Geldes“. frisch pensionierten Chef-Volkswirt eine Stelle für der Dokumentation von kreditwirtschaftlichen einen Historiker-Archivar geschaffen wurde. Zusammenhängen? Wie kam es zur Gründung Ihres Unternehmens- Eigentlich ist es ein soziologischer Zugang. Wie archivs? Welche Aufgaben hat Ihre Einrichtung, und wie GIZMAGAZIN 3
merzbank“ herausgegeben. Mittlerweile haben wir rund 800 Mitglieder, darunter viele aktive Commerzbanker, was mich sehr freut. In welcher Weise hat die Arbeit Ihrer Einrich- tung die Commerzbank beeinflusst? Sehen Sie positive Effekte? „Beeinflusst“ ist ein großes Wort. Unser Service wird sehr geschätzt. Das Historische Archiv unter- stützt aktiv die Kommunikation der Bank. Auch beim Jubiläum „150 Jahre Commerzbank“ in die- sem Jahr war das Historische Archiv sehr stark in die Medienarbeit eingebunden. Es gab eine tolle Medienresonanz mit Interviews und Fotos. Unser „Brot-und Butter-Geschäft“ sind die Filialjubiläen. Wir schreiben Texte und recherchieren nach Bil- dern für die lokale Medienarbeit. Dieser Prozess ist sogar im bankweiten Regelwerk hinterlegt. Aber es gibt noch viele andere Bereiche, wie die Un- terstützung von externen und internen Präsenta- tionen, Fragen der Rechtsabteilung bis hin zu his- torischen Informationen für Geschäftsabteilungen. Darüber hinaus werden unsere Archivführungen sehr gut angenommen, aufgrund der aktuellen Lage durch Corona jetzt natürlich nicht. erfüllen Sie Ihren Auftrag? Wie vermittelt Ihr Institut Geschichte? Welche zukünftigen Projekte können Sie sich Als Konzernarchiv verwahrt das Historische Archiv Die Eugen-Gutmann-Gesellschaft – kurz: EGG – ist vorstellen? langfristig Unterlagen, die im laufenden Geschäfts- ursprünglich eine Gründung der Dresdner Bank. Die Historische Gesellschaft plant eine Biografie betrieb nicht mehr benötigt werden. „Archivwür- Seit der Übernahme führt die Commerzbank das über Eugen Gutmann, den Namensgeber der EGG dig“ sind dabei zentrale Dokumente wie Proto- Sponsoring fort. Mit dem Namenszusatz „Die His- und Mitgründer der Dresdner Bank. Für das Histo- kolle, Verträge und Korrespondenzen, die für die torische Gesellschaft der Commerzbank“ verdeut- rische Archiv sehe ich die Sozialen Medien als Commerzbank-Geschichte wichtig sind sowie aus lichen wir unsere Zielsetzung, dass sich die EGG wichtige Aufgabe. Wir sichern bereits Posts der juristisch-historischen Gründen benötigt werden. um die Geschichte der Commerzbank und aller Commerzbank und liefern auch historische Inhalte Im konzernweit gültigen Aufbewahrungskatalog ihrer Vorgängerinstitute kümmert. Das geschieht – hier sehe ich noch viele Chancen. konnten wir dafür den Bereich „Historisches“ ver- über Publikationen, Newsletter, Veranstaltungen ankern. In der Praxis versuchen wir, bei Prozessen mit Vorträgen und Präsentation. Besonders be- Sind auch Kooperationen mit anderen kredit- wie Filialintegration dabei zu sein. Und wir können liebt ist unser Wandkalender mit bankhistorischen wirtschaftlichen Einrichtungen geplant? uns auf ein gutes Netzwerk in der Bank stützen – Motiven. In diesem Jahr haben wir eine wissen- Wir pflegen Kontakte zu verschiedenen unterneh- das funktioniert recht gut. schaftlich-unabhängige Studie „150 Jahre Com- mens- und finanzhistorischen Einrichtungen und GIZMAGAZIN 4
führen auch gemeinsame Veranstaltungen durch. Die Dresdner Bank war einige Jahre lang Zen- Gerade wirtschaftshistorische Lehrstühle sind gern tralbank der gewerblichen Genossenschaften. bei uns, um den Studenten Einblicke in die archi- Kann man dazu etwas in Ihrem Archiv finden? vische Praxis zu bieten. Für weitere Kooperationen Ja, die Dresdner Bank hat 1904 die Deutsche Ge- sind wir stets offen. nossenschafts-Bank von Soergel, Parrisius & Co. übernommen, wobei die Funktionen als Zentral- Worin unterscheidet sich die Aufgabe Ihres Ar- institut der Genossenschaftsbanken beibehalten chivs von der des GIZ, und wo gibt es Überein- wurden. Die Dresdner Bank wollte damit – als stimmungen? neues Geschäftsfeld – Kunden im Mittelstand ak- Die Aufgaben eines historischen Archivs dürften in quirieren. Diese Verbindung endete 1939 auf allen Sparten des Kreditwesens recht ähnlich sein. staatliche Anordnung. Erhalten haben sich aus Vermutlich sind die Kommunikationswege und dieser Zeit rund 10 Akten, unter anderem der Fu- -formen in den privatwirtschaftlichen, den öffent- sionsvertrag und ein Rundschreiben von 1931 mit lich-rechtlichen und den genossenschaftlichen Trä- einem Bekenntnis der Dresdner Bank zu den gerunternehmen etwas anders. In der Commerz- Genossenschaften. bank haben wir es mit einer Zentrale und Filialen zu tun, die über vielfältige Prozesse gesteuert Digitalisierung ist das große aktuelle Thema werden. Bei den Genossenschaften stelle ich mir unserer Finanzgruppe. Mit der Datenbank Ge- mehr singuläre, unabhängigere Akteure vor. noFinder entwickelt das GIZ seit über 14 Jahren ein dezentrales Netzwerk zur Sicherung genos- Der Gesprächspartner senschaftlicher Überlieferung. Wie sehen Sie die Zukunft des „digitalen Archivs“? Zur Person Zum „digitalen Archiv“ sehe ich keine Alternative. Uns Archivaren stellen sich ganz verschiedene Her- Dr. Detlef Krause arbeitet seit 1988 als Historiker ausforderungen. Wir müssen Altbestände digitali- und Archivar im Historischen Archiv der Com- sieren, vor allem Fotos und Filme, aber möglichst merzbank und leitet seit der Übernahme der auch die papierhafte Überlieferung, nicht zuletzt, Dresdner Bank das integrierte und vergrößerte weil die Nutzer dies erwarten. Wir sichern jetzt Archiv. Er hat 2004 im Rahmen eines Projekts zur schon digitale Dokumente quasi im laufenden Ge- Commerzbank in der Zeit des Nationalsozialismus schäftsbetrieb, weil die sogenannten „born digital über die Geschichte der Commerzbank und ande- records“ sehr flüchtig sind. Wir müssen klären, wie rer Banken im Deutschen Kaiserreich promoviert. wir – zumindest exemplarisch – Zugriff auf digita- le Massenakten wie etwa Personal- oder Kredit- Kontaktdaten akten bekommen. Ebenso müssen wir im Blickfeld haben, dass Unternehmen zunehmend Daten in Auf den Fotos: Dr. Detlef Krause im Magazin Historisches Archiv der Commerzbank der „Cloud“ speichern. Das heißt, es wird in des Historischen Archivs (S. 3), die Bleistift- Kaiserstraße 16, 60311 Frankfurt am Main Zukunft vor allem um Zugangsberechtigungen zu schärfmaschine Jupiter aus den 1920er Jahren Telefon 069 1362 3616, Fax 069 1368 3266 diesen „Datenarchiven“ gehen. (S. 4) sowie der Instagram-Post des Archivs E-Mail geschichte@commerzbank.com zum „Tag der Buchliebhaber“ (S. 5) – Bilder: Vielen Dank für das Gespräch! ••• Alexandra Lechner/Commerzbank. GIZMAGAZIN 5
Zur Geschichte des Wiederaufbaus der ostdeutschen Genossenschaftsbanken für Handwerk und Gewerbe Hilfe zur Selbsthilfe zwischen Ost und West Von Dr. Thomas Horn „Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört“. politischen Veränderungen in der DDR relativ Kapitaldeckung. Ferner kannte die sozialistische Mit diesen Worten kommentierte Willy Brandt die schnell freigemacht. Gleichwohl blieb dafür tat- Planwirtschaft der DDR nur ein einstufiges Ban- Zeit der Wiedervereinigung vor 30 Jahren. Für sächlich wenig Zeit, wenn man bedenkt, dass zwi- kensystem. Die Finanzkontrolle übte die Staats- Willy Brandt, der als Regierender Bürgermeister schen dem 9. November 1989 und dem 3. Okto- bank der DDR aus. Da am 1. Juli 1990 die D-Mark von West-Berlin am 13. August 1961 mit ansehen ber 1990 weniger als ein Jahr lag. Nahezu alle in der DDR eingeführt wurde, sollten die beste- musste, wie die DDR den „Eisernen Vorhang“ Bereiche des täglichen Lebens in der DDR mussten henden Kassen vorher wieder eigenständig wer- errichtete, war es ein besonderes Glück, dass er bis zu diesem 3. Oktober umgestellt werden, ein- den und von der Staatsbank der DDR abgekop- die friedliche Revolution von 1989 und den Fall schließlich der Einführung der lange ersehnten pelt werden. Mit den Eröffnungsbilanzen in der der Mauer miterleben konnte. Stets betonte D-Mark. neuen Währung D-Mark sollte den Banken der Brandt dabei das mutige Auftreten der Menschen Für alle ostdeutschen Unternehmen war diese unabhängige Start in die soziale Marktwirtschaft in Ostdeutschland, die für Demokratie und Men- Umstellung zur Marktwirtschaft problematisch, ermöglicht werden. Die westdeutschen Kapitalge- schenrechte eintraten. schließlich fehlte es an der benötigten Infra- sellschaften, wie z.B. Deutsche Bank oder Com- Der wirtschaftliche Neuanfang war in vielen struktur, am Know-how und häufig auch am merzbank, verfügten über genug Eigenkapital, um Bereichen schwierig. Besonders im Bankensektor Kapital. Niederlassungen in Ostdeutschland zu gründen. hatten die Kreditgenossenschaften 1989 eine Die Sparkassen waren in der DDR ohnehin bereits schwierige Ausgangsposition. Heute, 30 Jahre Entflechtung des Bankensektors relativ stark vertreten und konnten mit Hilfe der nach der Wiedervereinigung, lohnt es sich zu resü- In der Zeit zwischen November 1989 und Oktober öffentlich-rechtlichen Landesbanken schnell wie- mieren, denn man kann durchaus mit Stolz auf das 1990 fassten viele Menschen in Ostdeutschland der Fuß fassen. Erreichte zurückschauen. den Entschluss, sich selbstständig zu machen. Dafür benötigten sie Startkapital, wofür wiede- Schwerer Start für die Genossenschaftsbanken Umstellung auf die Marktwirtschaft rum Banken notwendig waren. Die Banken für Die Genossenschaftsbanken jedoch hatten eine Nach dem Mauerfall wurde der Weg zur Handwerk und Gewerbe verfügten aber zu die- schwierige Ausgangsposition. In der DDR exis- deutschen Wiedervereinigung durch die massiven sem Zeitpunkt noch nicht über eine ausreichende tierten mehrere genossenschaftliche Säulen, da- GIZMAGAZIN 6
runter die Bäuerlichen Handelsgenossenschaften „Was einer allein nicht schafft, das vermögen schnell wiederaufgenommen werden konnte. Die oder die Genossenschaftsbanken für Handwerk viele.“ Die beiden Solidarfonds halfen den Genos- Gießener Direktoren Röser und Mack kamen zu und Gewerbe (GHG), natürlich auch unter der senschaftsbanken in der DDR, Geschäftsräume zu ihrem ersten Besuch nach Weimar mit einem Kontrolle der Staatsbank der DDR. Diese Säule soll sanieren bzw. zu beziehen. In begrenztem Rah- Kleinwagen, der den Kollegen in Weimar als erstes im Folgenden betrachtet werden. men konnte auch technische Infrastruktur bereit- Dienstfahrzeug überlassen wurde. Im Rahmen ei- Im Jahre 1981 wurde eine Rationalisierungsmaß- gestellt werden. Die Genossenschaftsverbände rie- nes Mitarbeiteraustauschs von Gießen nach Wie- nahme durch die Staatsbank angeordnet, damit fen dazu auf, Partnerschaften zwischen den ein- mar und umgekehrt wurden die Kollegen an das Kosten im Finanzsektor eingespart werden konn- zelnen Volksbanken in Ost und West zu bilden. neue Bankgeschäft herangeführt. ten. Die GHG waren in besonderem Maße betrof- Der Hintergrund war, dass neben einer materiellen Durch den beherzten Einsatz der Mitarbeiter fen. Insgesamt wurden von den Genossenschafts- Unterstützung auch ein erheblicher Know-how- beider Banken konnte die neue Volksbank Weimar banken 175.000 Konten auf die Sparkassen über- Transfer stattfinden konnte. Ein Beispiel unter schnell in wirtschaftlich solide Verhältnisse über- tragen, 8.000 Quadratmeter Bürofläche aufgege- zahlreichen wird im Folgenden beleuchtet: führt werden. Bereits im September 1990 konnte ben, 1.400 Arbeitsplätze abgebaut und 155 ge- eine Filiale in Bad Berka eröffnet werden. Im IT-Be- nossenschaftliche Filialen geschlossen. Diese Ratio- reich war die Volksbank Weimar die erste Genos- nalisierungsmaßnahmen waren der Grund dafür, senschaftsbank in Thüringen, die als Pilotbank der dass die Genossenschaftsbanken in der DDR nur Fiducia das Rechen- und Buchungssystem nach ein Nischendasein führten, obendrein mit sehr westdeutschem Standard einführte. Heute heißt schlechter technischer Infrastruktur. sie VR Bank Weimar und hat rund 80 Mitarbeiter sowie 8.000 Mitglieder. Solidarfonds sollen Neubeginn ermöglichen Diese und andere Geschichten gegenseitiger Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken Unterstützung in der Nach-Wende-Zeit liefern ein und Raiffeisenbanken (BVR) (damals noch in Bonn) schönes Beispiel dafür, wie die Hilfe zur Selbsthilfe, legte nach der Währungsunion im Juli 1990 zwei eines unserer Grundprinzipien, damals zwischen Solidarfonds an. Mit Hilfe dieser Fonds sollte den den Genossenschaftsbanken in Ost und West ge- Genossenschaftsbanken in der DDR der Neube- lebt worden ist. Die Kreditgenossenschaften in der ginn ermöglicht werden. Mit dem Solidarfonds I ehemaligen DDR konnten auf diese Weise noch sollten Personalmaßnahmen finanziert werden, schneller ein starker Partner für die Menschen und wie z.B. Mitarbeiterschulungen, oder ein Mitarbei- Volksbank Gießen – Bank für Handwerk ihre Heimatregionen werden – und sind es bis teraustausch. Gespeist wurde dieser Fonds durch und Gewerbe Weimar heute. ••• Einzahlungen der westdeutschen Genossen- Im April 1990 rief der damalige Genossenschafts- schaftsbanken, die 0,1 Promille der Bilanzsumme verband Hessen/Rheinland-Pfalz seine Genossen- von 1988 überwiesen. Er hatte ein Volumen von schaftsbanken dazu auf, solche Partnerschaften zu 45 Mio. D-Mark. Der Solidarfonds II hatte das Ziel, vereinbaren. Michael Rößner, Direktor der Bank Investitionen in Gebäude und technische Infra- für Handwerk und Gewerbe in Weimar, hatte be- struktur umzusetzen. Auf diesen Fonds wurde reits einige Tage vorher mit dem Vorstand der da- Geld durch die Zentralbanken und Verbundunter- maligen Volksbank Gießen, Rudolf Röser, Kontakt nehmen eingezahlt, das Gesamtvolumen lag bei aufgenommen. Schnell – schon im April 1990 – 280 Mio. D-Mark. schlossen beide Banken einen Partnervertrag. Auf den Fotos: Die Schalterhalle der Bank für Neben diversen Hilfsmitteln, vom Bleistift bis zum Handwerk und Gewerbe Weimar im Jahr 1990 Partnerverträge – Hilfe zur Selbsthilfe Computer, steuerten die Gießener Kollegen quasi (S. 6) und eine familiäre Zweigstelle der Bank Von Friedrich Wilhelm Raiffeisen stammt der Satz: die Erstausstattung bei, damit der Bankbetrieb im Jahr 1991 (S. 7) – Bilder: VR Bank Weimar. GIZMAGAZIN 7
Das Genossenschaftswesen in Pandemien, Krisen, Umbrüchen Vertrauen in herausfordernden Zeiten Von Sonja Neuschwander „Welche Krisen, Umbrüche und Pandemien hat das Genossenschaftswesen im Laufe der Zeit durchlaufen?“ So lautete im Frühsommer 2020 ein Rechercheauftrag, der zwar historisch angelegt, thematisch jedoch topaktuell war. Die Frage hinter der Frage war: Können die Genossenschaften aus ihrer Geschichte Hoffnung schöpfen oder vielleicht sogar Strategien dafür entwickeln, wie sie mit den Folgen der Corona-Pandemie besser zurechtkommen können? Das GIZMAGAZIN nimmt Sie mit auf einen kleinen Parforce-Ritt durch die Krisen, die das Genossenschaftswesen in den vergangenen gut 170 Jahren überstanden und gemeistert hat. Eines gleich vorweg: Krisen gehören bei Genossen- Gegenseitigkeit gewählt. Nicht mal ein halbes vor der Stadt verlief. Zugleich jedoch wuchsen die schaften quasi zum Genocode. Genossenschaften Jahrzehnt später brach die Wirtschafts- und Agrar- Mitgliederzahlen in den Kriegsjahren und übertra- sind aus Krisen und für Krisen entstanden: Wirt- krise von 1847/48 los, die viele für uns heute na- fen anschließend sogar die der Vorkriegsjahre. schaftskrisen, politische Umbrüche, die beiden menlose Genossenschaftsbanken nicht überlebten. Auch das ist Teil der genossenschaftlichen Ge- Weltkriege und sogar Pandemien, wie die Spani- Die Kasse in Öhringen meisterte sie jedoch – vor schichte: In der Krise sucht der Mensch den Zu- sche Grippe. So gesehen ist Covid-19 zwar epo- allem, weil sie vor der Krise im Kreditgeschäft sehr sammenhalt. chemachend, aber letztlich auch „nur“ eine wei- umsichtig gewesen war. So konnte sie sich dauer- tere Krise, die sich in eine Liste voller Umbrüche haft etablieren und ist heute als Volksbank Hohen- Zum Ende des Krieges die Pandemie einreiht. lohe eG das älteste noch bestehende Institut in Im letzten Kriegsjahr 1918 wiederum brach die der Genossenschaftlichen FinanzGruppe. sogenannte Spanische Grippe aus und verbreitete Von Anfang an im Krisenmodus Doch auch ein gut geführtes Buch allein schützt sich pandemisch in der Welt. Das erste Mal So ging es letztlich schon ganz zu Beginn der die beste Genossenschaftsbank nicht vor politi- berichtet wurde darüber in Spanien, so dass diese genossenschaftlichen Geschichte in Deutschland schen Krisen und Kriegen. So mussten während Erkrankung auf den Namen ‚Spanische Grippe‘ mit einer echten Krise los. Erst vor kurzem hatten des Ersten Weltkrieges genossenschaftliche Kredit- getauft wurde. In Deutschland war es damals so- in der württembergischen Kleinstadt Öhringen ei- institute ihre geschulten Mitarbeiter als kriegs- gar verboten, darüber zu berichten, dass die eige- nige Bürger auf ihre eigene Tatkraft vertraut und fähige Soldaten an die Front abgeben und sich mit nen Soldaten nicht im Krieg gefallen, sondern an eine Privatspar- und Leihkasse gegründet. Als Aushilfskräften aushelfen. In Freiburg zum Beispiel der Grippe gestorben waren. Die Zensur wollte so Rechtsform hatten sie einen Verein beruhend auf war dieses Problem groß, da die Frontlinie direkt die Demoralisierung der Bevölkerung in der Hei- GIZMAGAZIN 8
mat und der Soldaten an der Front verhindern. dann auch die Genossenschaften Zug um Zug ren auch in den ostdeutschen Bundesländern Neben der Spanische Grippe haben auch die Fol- gleichgeschaltet. Gleichwohl haben es der genos- übernommen. gen des Ersten Weltkrieges ihre Spuren in den senschaftliche Grundgedanke und die genossen- Bankbilanzen hinterlassen. Die konkreten Folgen schaftlichen Werte geschafft, sogar diese Diktatur Ideen, Strukturen, Werte als Basis für die genossenschaftliche Organisation lassen zu überdauern. Der Blick zurück in die Geschichte zeigt, dass sich aber nicht beziffern. Der einzig greifbare Nach dem Zweiten Weltkrieg gründeten sich die gemeinsame Ideen, Strukturen, Werte und Ord- Hinweis auf die Pandemie findet sich im Jahrbuch westdeutschen Genossenschaften in den Struktu- nungen in schwierigen Zeiten Orientierung bieten. des Reichsverbands der landwirtschaftlichen Ge- ren der Weimarer Republik, da man sich um histo- Sie bilden eine Basis, auf der man immer wieder nossenschaften aus dem Jahre 1919. Dort ist zu rische Kontinuität bemühte. Auch in Ostdeutsch- aufbauen kann. Krisen, Umbrüche und selbst Pan- lesen, dass im Jahr zuvor „der 33. Deutsche land- land blieb die Trennung zwischen gewerblichen demien und die unweigerlich damit verbundenen wirtschaftliche Genossenschaftstag, der zum 31. und ländlichen Genossenschaften bestehen. Bäu- negativen Auswirkungen auf die Bankbilanzen Dezember 1918 nach Hannover einberufen war“, erliche Handelsgenossenschaften wurden Teil der können so überwunden werden. Den deutschen kurzerhand aufgrund von „Erschwerungen des Genossenschaften ist das in ihrer Geschichte im- Reichsverkehrs“ und „vor allem aber wegen der mer wieder gelungen. sich immer mehr ausbreitenden Grippe“ abgesagt Im Kern lebt das Genossenschaftswesen vom werden musste. Die Corona-Pandemie ist damit solidarischen und vom demokratischen Miteinan- nicht die erste Pandemie in der jüngeren Zeit, der, die wiederum das Prinzip der Hilfe zur Selbst- wegen der hierzulande wichtige genossenschaft- hilfe in den Vordergrund stellen. Ein ausgeprägtes liche Veranstaltungen ausfallen oder verschoben solidarisches Miteinander können wir auch aktuell werden müssen. An so etwas wie digitale Formate während der Covid-19-Pandemie feststellen. Es war damals natürlich noch nicht zu denken. werden Quarantänemaßnahmen umgesetzt, Die wirtschaftlichen Folgen des Krieges und der Mund und Nase bedeckt und Abstand gewahrt. Spanischen Grippe führte nach der Gründung der Social Distancing ist das neue Maß der Soli- Weimarer Republik zu einer Inflation. Doch gerade darisierung, und entgegen vieler Unkenrufe ist die in dieser ökonomisch schwierigen Zeitspanne er- Zustimmung dazu in der Bevölkerung ungebro- lebte das Genossenschaftswesen eine Blütezeit: Es chen hoch. Zugleich erleben wir, wenn wir den kam vermehrt zur Gründung von Konsum-, Woh- Blick über den Tellerrand werfen, schon seit Jah- nungs-, Bau- und Versicherungsgenossenschaften. ren ein steigendes Interesse an der genossen- Die Mitgliederzahlen der Genossenschaften sind schaftlichen Wirtschaftsform. Dies kommt in stei- unablässig gestiegen. genden Mitgliederzahlen ebenso zum Ausdruck wie in der Entdeckung des Genossenschafts- Untergang und Wiederaufbau wesens für immer neue Formen des wirt- Nach der Inflation und der Währungsreform von SED-nahen Massenorganisation der Vereinigung schaftlichen Miteinanders. 1923 kam es zunächst zu einer wirtschaftlichen der gegenseitigen Bauernhilfe, Volksbanken nann- Am Ende lässt sich wohl sagen: Die Menschen ver- und politischen Beruhigung. Doch schon wenige ten sich Banken für Handwerk und Gewerbe um. trauen der genossenschaftlichen Idee und ihren Jahre später, im Jahr 1929, erschütterte der New Die „Stunde Null“ der westdeutschen Genossen- Möglichkeiten – auch und gerade in herausfor- Yorker Börsencrash die Weltwirtschaft. Es folgte schaften ist deshalb nicht im Jahr 1945 zu veror- dernden Zeiten. ••• eine anhaltende Wirtschaftskrise, die der noch jun- ten, sondern erst 1972, als es zur Neugliederung gen deutschen „Republik ohne Republikaner“ den der Verbände, zur Schaffung einer genossen- Literaturtipp: Peter Gleber, Genossenschafts- Todesstoß versetzte. Mit der Regierungsübernah- schaftlichen Bankengruppe und zur Trennung von geschichte. Krise als Chance, erscheint in me der Nationalsozialisten im Jahre 1933 wurden Geld und Ware kam. 1990 wurden diese Struktu- Bankinformation, 12 (2020). GIZMAGAZIN 9
Ein fotografischer Ausflug in die Jahre 1980-2000 All you can scan! Große Verdienste um die Bewahrung genossen- und in den GenoFinder eingepflegt. Was nicht ge- tems „PC-Diktat 2000“ von Grundig sowie eine schaftlicher Zeitgeschichte haben sich in den scannt wurde, wurde aussortiert und vernichtet. nicht minder dynamische junge Dame bei der zurückliegenden Wochen drei GIZ-Praktikanten Diesen Vorgang bezeichnet man als Kassation. Die Vorführung des Kassenrollgeräts „PST 150“ von erworben: Paul Grünwald, Pheline Junge und Bilder decken den Zeitraum zwischen 1980 und Omron. Diana Vegner (mehr zu den drei unter GIZintern). 2000 ab und stammen aus dem Pressearchiv des Der Text zum rechten Bild atmet in mehrerlei Sie haben – um im Fachjargon der Archivare zu BVR. Wir haben Ihnen eine kleine Auswahl zusam- Hinsicht den Geist vergangener Zeiten: „Wie sprechen – eine klassische Bewertungs- und Er- mengestellt. wahr, meint Brigitte, ganz schön griffig, dieses schließungsarbeit eines geschlossenen Fundus von Geld aus Plastik. Von den Geldautomaten bin ca. 2.500 Bildern vorgenommen. Dabei wurden Die Bilder auf dieser Seite zeigen einen dynami- ich’s ja gewohnt – aber jetzt noch zum Shop- rund 370 erhaltenswerte Aufnahmen gescannt schen jungen Herrn bei der Benutzung des Sys- ping… super!“ – Bilder: Grundig, Omron GIZMAGAZIN 10
Die Bild oben stammt vom BVR-Nachwuchstag ronica Carstens, die Gattin des Gastgebers, am 2. und 3. September 1982. In der zweiten formvollendet mit Handkuss. Reihe stehen der damalige ADG-Vorstandsvor- Unten der Blick in den Stand der Volksbanken sitzende Walter Swoboda, der damalige BVR- und Raiffeisenbanken auf der CeBIT 1989 in Präsident Bernhard Schramm sowie – mit Hannover. Der Stand verfügte über mehrere unvergleichlichem Lachen – Thomas Gottschalk Informationsstationen in betont futuristischem (v.r.n.l.) – Bilder: Jutta Spitzley/Michael Lingen. Stil. An der Rückwand des Standes ist eine auf- Rechts von oben nach unten: Ein Blasorchester, gedruckte Straße mit der Überschrift „Wir das anlässlich des „Berliner Abends“ eines BVR- machen den Weg frei“ zu erkennen, dem da- Verbandstags in West-Berlin auftrat – mit Pi- mals vom BVR-Vorstandsmitglied Wolfgang ckelhauben. Darunter eine Aufnahme vom Neu- Grüger vorgestellten Kommunikationskonzept – jahrsempfang des Bundespräsidenten 1982. Der Bilder: Inge Kundel-Saro, Presse-Service/Jutta damalige BVR-Präsident Schramm begrüßt Ve- Spitzley, Foto-Poppe. GIZMAGAZIN 11
Die International Cooperative Alliance (ICA) feiert ihr 125-jähriges Bestehen We agree to differ Von Dr. Peter Gleber Die zweitälteste NGO der Welt ist eine Genos- der Friede“ solle mit der Gründung der ICA erfüllt Angesichts der geschilderten Berichterstattung er- senschaftsorganisation: Vor genau 125 Jahren, werden. scheint es überraschend, dass die deutsche Genos- am 19. August 1895, wurde in London die Inter- Wolff ahnte wohl, dass die vor allem von Englän- senschaftsorganisation Gründungsmitglied der ICA national Cooperative Alliance (ICA) gegründet. dern, Franzosen und Italienern initiierte Veranstal- wurde. Die zutage getretenen inhaltlichen Diffe- Neben Argentinien, Australien, Belgien, Eng- tung in Deutschland auf wenig Gegenliebe stoßen renzen waren ein Spiegelbild der Strukturunter- land, Dänemark, Frankreich, den Niederlanden würde. Die Redaktion der deutschen Genossen- schiede zwischen dem deutschen Genossen- und den USA sendete auch Deutschland Dele- schaftszeitung unterstellte dem englischen Ver- schaftswesen und dem der übrigen Mitglieder der gierte zur Gründungsversammlung. Genossen- band in einer Anmerkung, dass die Engländer ICA. Während bei den meisten ICA-Mitgliedern die schaftliche Werte, Frieden, Demokratie und Frei- selbst nicht hinter der Idee einer internationalen Konsumgenossenschaften und Selbsthilfeorganisa- handel waren die Ideale der ICA, die als Orga- Allianz stünden, da sie über genügend eigene tionen von Endverbrauchern in der Überzahl wa- nisation auch die schwierigen Zeiten der beiden Kontakte verfügten und damit eine ICA nicht ren, dominierten im deutschen Genossenschafts- Weltkriege des 20. Jahrhunderts überlebte. bräuchten. wesen die Kreditgenossenschaften des selbststän- Im Anschluss daran setzte sich der Sekretär des digen Kleingewerbes. Dazu kamen noch Selbst- Am 5. Januar 1895 wurde in den „Blättern für das nationalen Genossenschaftsverbands, Hermann hilfeorganisationen des Handwerks. Konsumge- Genossenschaftswesen“ ein Beitrag des britischen Häntschke, kritisch mit dem englischen Genos- nossenschaften und Wohnungsbaugenossenschaf- Genossenschaftsfunktionärs Henry William Wolff senschaftswesen auseinander. Er beschrieb sehr ten waren im nationalen Genossenschaftsverband abgedruckt, der als Einladung zur Gründungsver- detailliert dessen üppige Organisationskosten und in der Minderzahl. Letztere repräsentieren die in sammlung der ICA in den Londoner Crystal Palace rühmte die Sparsamkeit und Bescheidenheit deut- anderen Teilen Europas dominierenden Selbst- verstanden werden konnte. Wolff schmeichelte scher Genossenschaftstage. Anschließend berich- hilfeorganisationen der abhängig Beschäftigten. darin den Deutschen und würdigte Hermann tete Häntschke von einer ersten Volksbank auf der Dass die Deutschen dennoch an der Gründung des Schulze-Delitzsch als „Altmeister des festländi- britischen Insel, im schottischen Edinburgh. Diese ICA beteiligt waren, war als ein starkes Signal für schen Genossenschaftswesens“. sei nicht mit einer soliden deutschen Volksbank zu das internationale Genossenschaftswesen zu wer- Er versprach, dass das Arbeitsfeld der anstrebten vergleichen, die vorwiegend Personalkredite ver- ten. Allianz „auf sämtliche Zweige des genossenschaft- gebe. Die Schotten seien zwar auf ihr Geschäfts- Auch in Deutschland galten und gelten Genossen- lichen Wirkens“ ausgedehnt werde, namentlich auf modell der landwirtschaftlichen Hypothekenbank schaften als Schulen der Demokratie. Ihre Vorden- den in Großbritannien noch nahezu unbekannten sehr stolz. Häntschke prophezeite dem Institut je- ker, Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Will- Typus der deutschen Kreditgenossenschaft. Schul- doch keinen nachhaltigen Erfolg, da ihm über kurz helm Raiffeisen, entwickelten sie in einem mittel- ze-Delitzsch Zielstellung „Die Genossenschaft ist oder lang die Geldmittel ausgehen würden. europäischen Raum, der noch kein Nationalstaat GIZMAGAZIN 12
war. Im 19. Jahrhundert gab es viele deutsche Delitzsch als Ideengeber vor allem Handwerker Kleinstaaten, die zwar Rechtsstaaten, aber keine und Händler zahlreiche Genossenschaften, die die Demokratien waren. Inspiration fand Schulze-De- wirtschaftliche und soziale Not des Mittelstands litzsch, der sich in der Revolution von 1848/49 milderten. vergeblich für Freiheit und Demokratie einsetzte, Schulze-Delitzsch schuf 1859 den ersten deut- im Ausland. Neben französischen Frühsozialisten schen Bankenverband und danach den ersten Ge- waren es vor allem englische Praktiker wie Robert nossenschaftsverband. Er gilt außerdem als Schöp- Owen und die Rochdaler Pioniere, die ihn zur fer des Preußischen Genossenschaftsgesetzes, das Genossenschaftsidee brachten. Aber auch in wenige Jahre nach seinem Tod im Deutschen Kai- Deutschland gab es bereits eine Kreditgenossen- serreich verabschiedet wurde. Der von Schulze- schaft, die Schulze-Delitzschs Ideen vorwegnahm: Delitzsch auf nationaler Ebene gegründete die Oehringer Privatspar- und Leih-Kasse in Würt- „Allgemeine Verband der auf Selbsthilfe beruhen- temberg. Gleichwohl gründeten erst mit Schulze- den Deutschen Erwerbs- und Wirtschaftsgenos- senschaften“ war vor 125 Jahren den Rochdaler Prinzipien sehr verbunden. Die Grundsätze der Pioniere von Rochdale wurden aber auch in Deutschland respektiert und geach- tet. Tatsächlich war insbesondere das Demokratie- prinzip „one man, one vote“ ein Grund für die deutsche Unterstützung der ICA. Das deutsche Genossenschaftsgesetz und die Mitgliedschaft in einem internationalen Verband waren für deut- sche Genossenschaften eine „Lebensversicherung“ im Kaiserreich, einem undemokratischen Obrig- keitsstaat. Heute sind 222 Mitgliedsorganisationen aus 88 Ländern in der ICA organisiert, die in allen Sek- toren der Wirtschaft aktiv sind. Diese Kooperativen vertreten weltweit die Interessen von mehr als 800 Million Einzelpersonen. Genossenschaften le- ben weltweit die Werte Selbsthilfe, Selbstverant- Auf den Fotos: Links: das Gründungshaus der wortung, Demokratie, Gleichheit, Gerechtigkeit ICA in London. Heute arbeitet die Vereinigung, und Solidarität. Die ICA formuliert die genos- ganz zeitgemäß, von Brüssel aus. Die bunte senschaftlichen Mindeststandards, sie fördert den Flagge, die auf dem Bild zu sehen ist, ist übri- wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt in einzel- gens eine Regenbogenflagge. Sie wurde in den nen Staaten, wie auch den Genossenschaftsge- 1920er Jahren für die ICA entworfen und von danken in aller Welt. 1925 bis 2001 geführt – Bild: GIZ. „We agree to differ“ ist ein wichtiges Gründungs- Oben: Eine Seite aus dem ICA-Jahresbericht prinzip der ICA. Es zeigt uns heute, dass Solidarität 2019 mit aktuellen Daten und Fakten. Die Web- bei aller Verschiedenheit ein wichtiger Wert zur site der ICA finden Sie unter: Sicherung von Frieden und Freiheit ist. ••• https://www.ica.coop/en. GIZMAGAZIN 13
GIZ intern Von Mai bis Ende August 2019 sammelte Sonja Seit Anfang Oktober bereichert Pheline Junge Neuschwander im GIZ Erfahrungen in der prak- das GIZ. Sie absolviert ein Praktikum im Rahmen tischen Geschichtsarbeit. Neuschwander hat ein ihres archivwissenschaftlichen Studiums an der kulturwissenschaftliches Studium an der Hum- Fachhochschule Potsdam. Sie dokumentiert die boldt-Universität zu Berlin absolviert. Mit Sorgfalt, Printwerbung der Volksbanken Raiffeisenbanken Spürsinn und Kreativität erarbeitete sie ein um- aus den vergangenen zehn Jahren. Ziel ist es, die fassendes und innovatives Konzept für ein virtu- Vielfalt der Kampagne „Jeder Mensch hat etwas, elles Genossenschaftsmuseum. Sie verfolgte dabei das ihn antreibt“ möglichst vollständig zu doku- einen kooperativen und kontaktbasierten Ansatz, mentieren. der sowohl die Genossenschaftsorganisation als auch die Wissenschaft in die Erarbeitung der digi- talen Ausstellung einbezieht. Fürs GIZMAGAZIN Praktikanten gesucht verfasste sie spannende Beiträge zur genossen- schaftlichen Pandemiegeschichte und zur Historie Ohne die Arbeit von Praktikant*innen ist der von Bankbussen als fahrenden Zweigstellen. Wir Fortgang der Dokumentation in unserer Online- bedanken uns für ihr großes Engagement und Datenbank GenoFinder undenkbar. Wir danken wünschen ihr für die Zukunft alles Gute. deshalb für die fachkundige Unterstützung und freuen uns auf neue Praktikumsbewerber und Im August begann Paul Grünwald mit seinem -bewerberinnen, die Selbstverantwortung und Praktikum in der GIZ-Geschäftsstelle. Herr Grün- eine solide Ausbildung schätzen. Mindestvor- wald studiert auf Bachelor im Fachbereich Archiv- aussetzungen bei freiwilligen Praktika sind die wissenschaften an der Fachhochschule Potsdam. Zwischenprüfung oder der Bachelorabschluss in Neuerer Geschichte, Zeitgeschichte, Wirtschafts- Seit September sammelt Diana Vegner praktische und Sozialgeschichte oder Museologie. Viel- Erfahrungen im GIZ. Sie absolvierte ihr Studium leicht finden Sie an unseren Themen gefallen der Geschichte und Politikwissenschaft an der Uni- und entdecken sogar ein Thema für Ihre Ab- versität Kassel und schloss mit dem Bachelor ab. schlussarbeit! Herr Grünwald und Frau Vegner beschäftigen sich Weitere Informationen und Bewertungen ehe- mit der Bildsammlung des GIZ. Sie dokumentieren maliger Praktikant*innen finden Sie auf unserer überformatige Gemälde, Abbildungen und Fotos Website www.stiftung-giz.de unter „Über uns“ aus der Ablieferung des BVR Bonn und in der Rubrik „Jobs“. erschließen Bestände des Pressearchivs des BVR aus den 1980er und 1990er Jahren. Es handelt sich um 2.500 Bilder, die durch Auswahl auf 370 Motive reduziert wurden. Letztere wurden gescannt und im GenoFinder dokumentiert. GIZMAGAZIN 14
Beitrittserklärung Hiermit beantragen wir / beantrage ich die Mitgliedschaft im Förderverein zur Stiftung GIZ e.V. Gewünschtes Eintrittsdatum: Name (Institut oder Person), Anschrift: Jährlicher Vereinsbeitrag Beitragsstaffel (anteilig für das laufende Jahr): Kreditgenossenschaften, Verbände, Verbundunternehmen ª 500 € (Kreditgenossenschaft/Bilanzsumme bis zu 250 Mio. €) ª 1.000 € (Kreditgenossenschaft/Bilanzsumme bis zu 750 Mio. €) ª 1.500 € (Kreditgenossenschaft/Bilanzsumme über 750 Mio. €) ª 5.000 € (Verbände) ª 8.000 € (Verbundunternehmen/Zentrale Verbundeinrichtungen) ª _________ € (Freiwilliger höherer Beitrag) Waren-/Dienstleistungs-/Konsumgenossenschaften ª 100 € (Umsatzerlöse unter 5 Mio. €) ª 250 € (Umsatzerlöse über 5 Mio. €) ª 500 € (Umsatzerlöse über 100 Mio. €) ª 1.500 € (Umsatzerlöse über 500 Mio. €) ª 5.000 € (Umsatzerlöse über 2 Mrd. €) ª 5.000 € (Verbände) ª _________ € (Freiwilliger höherer Beitrag) Sonstige ª 80 € (Vereine, Genossenschaftsinstitute, Stiftungen, u.ä.) ª 50 € (Natürliche Personen) ª _________ € (Freiwilliger höherer Beitrag) Ort, Datum Unterschrift __________ __________________________________ Förderverein zur Stiftung GIZ e.V. c/o BVR, Schellingstr. 4, 10785 Berlin Mail: p.gleber@bvr.de / Telefon: 030 / 28 50 18 94 IBAN: DE64500604000000145646 BIC: GENODEFFXXX DZ BANK AG GIZMAGAZIN 15
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