Zum DFB-Image während der Fußball-WM 2006 - eine Internetbefragung
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Zum DFB-Image während der Fußball-WM 2006 – eine Internetbefragung Markus Klein, Werner Pitsch, Michael Fröhlich, Jens Flatau & Eike Emrich 1 Problemstellung Der Deutsche Fußballbund (im folg.: DFB) wurde von 2005 bis 2006 von mehreren Forschergruppen detailliert untersucht. Im Einzelnen wurden die Vereine, die Kreis-, Landes- und Regionalverbände sowie die Talentzentren wissenschaftlich betrachtet und sowohl im Vorfeld als auch während der Fußballweltmeisterschaft 2006 wurde als Teil der genannten Forschungspro- jekte eine bundesweite web-basierte Befragung durchgeführt. Die Untersu- chung hatte den DFB als Verband sowie den Fußballsport an sich aus der Perspektive der fußballinteressierten Öffentlichkeit zum Gegenstand. Dabei sollte sowohl die Attraktivität der Fernsehübertragung von Fußballspielen als auch das Live-Erlebnis im Stadion erfasst werden. Es sollten Einstellung zum Fußball allgemein (sowohl aus der Sicht des Aktiven als auch aus Sicht des Zuschauers) sowie Einstellungen und Meinungen zum Profifußball, zur Talentförderung, zum Kinder- und Jugendfußball sowie zur Zukunft des Fußballsports untersucht werden, und zwar differenziert für die Gruppierun- gen der aktiven Fußballer in Vereinen oder Hobbygruppen, der ehemaligen Fußballer, der reinen Fußballzuschauer [passive Konsumenten] sowie even- tuell auch für die Gruppierung der am Fußball nicht interessierten Personen. Im Folgenden sollen die Ergebnisse dieser Erhebung zur Beschreibung der – sicher nicht scharf abgrenzbaren – Population der Fußballinteressierten in Deutschland dargestellt werden. Alle untersuchten Aspekte sind impliziter Bestandteil des Images des Fußballes bzw. des DFB in der Öffentlichkeit. Der Terminus Image umfasst das mentale Bild oder die Vorstellung, die eine Person von einem Bezugsobjekt (bspw. von einer konkreten Person, aber auch von einem Unternehmen oder einer Organisation) hat. Es handelt sich um ein stark vereinfachtes, mit Erwartungen und Wertvorstellungen verbun- denes Vorstellungsbild von Sachverhalten, Produkten, Personen, Organisati- onen oder Institutionen (Eisenegger, 2005, 23; Trommsdorff, 2002, 222). Die Übersetzung des englischen Wortes „image“ kann sowohl mit „Bild, Abbild“ aber auch mit „Vorstellung“ wiedergegeben werden.1 Das Image- Konzept wurde erstmals von Gardner und Levy (1955) in die marktpsycho- 1 Vgl. auch das lateinische Wort imago (imaginis, f.), welches ebenfalls mit Bild sowie mit Vorstellung übersetzt werden kann. 59
logische Diskussion sowie (unabhängig von den zuvor genannten) von Boulding (1956) unter dem Aspekt social perception in die Sozialpsycholo- gie eingeführt (Schenk & Döbler, 2006, 781). 2 Methodik 2.1 Erhebungsinstrument Die Datenerhebung wurde mit einem interaktiven Web-Formular durchge- führt, welches von den Befragten online am PC ausgefüllt werden konnte. Zunächst wurde von den befragten Personen die subjektive Verbundenheit mit dem Fußball erfragt. Dabei interessierte, ob die Person zum Befragungs- zeitpunkt noch aktiv Fußball spielt, früher aktiv war oder nie aktiv gewesen ist. Im ersten und zweiten Fall interessierte dann weiterhin, in welcher Spiel- klasse die Person jetzt oder früher aktiv war/ist (s. Abb. 1 u. Abb. 2). Wei- terhin wurde erfragt, ob die befragte Person Funktionen wie Trainertätigkeit oder Funktionärstätigkeit in Vereinen oder Verbänden hat oder hatte. Abb. 1: Frage nach der Verbundenheit mit dem Fußball 60
Abb. 2: Weitere Differenzierung, wenn die befragte Person im Fußball aktiv ist Schließlich interessierten im Falle eines noch aktiven Fußballengagements die Trainingshäufigkeit sowie die Dauer der Trainingseinheiten (s. Abb. 3) Abb. 3: Frage nach Aspekten des Trainings In einer kurzen, auf 128 Zeichen beschränkten Freitextantwort konnte die Person schließlich noch darlegen, was sie mit dem Fußball persönlich ver- bindet (s. Abb. 4). 61
Abb. 4: Freitextantwortfeld Um die Einstellung zur Organisation des Deutschen Fußball-Bundes zu erfragen, wurde eine Itemliste (32 Aussagen) präsentiert, wobei die Zustim- mung zu den Aussagen auf einer 5-stufigen Skala (von -2 = „stimme über- haupt nicht zu“ bis 2 = „stimme voll und ganz zu“) erfragt wurde2. Da zu erwarten war, dass nicht alle der Befragten zu allen Aussagen Stellung neh- men konnten, wurde eine weitere Antwortkategorie gebildet („kann ich nicht beurteilen“; s. Abb. 5). Abb. 5: Ausschnitt der Eingabemaske der Skala „DFB“ Es folgten einige Itemlisten mit Einstellungsfragen zum Fußball, die grob an der deutschen Kurzfassung des ATPA (Einstellungsskala „Attitude Toward Physical Activity“, Kenyon, 1968a, b; Singer et al., 1987; Steffgen et al., 2000) orientiert waren, wobei nur jene Items ausgewählt wurden, die auf eine einzelne Sportart bezogen werden konnten. Berücksichtigt wurde dabei sowohl die Perspektive aktiver Fußballer als auch diejenige der Zuschauer (beide Itemlisten [Aktivenperspektive und Zuschauerperspektive] wurden 2 Diese Itemliste hat sich bereits in anderen Studien bewährt (vgl. u.a. Emrich & Pitsch 1999) 62
allen Befragten präsentiert). Eine kurze Itemliste betraf zusätzlich Aussagen zum Live-Erlebnis als Zuschauer (Stadion bzw. Fußballplatz). Des Weiteren wurden eine Liste mit Aussagen zum Kinder und Jugendtrai- ning sowie eine Itemliste zur Einschätzung des deutschen Spitzenfußballs angeboten. Ein weiterer Komplex befasste sich mit der Bekanntheit von Talentfördermaßnahem bzw., falls solche bekannt sind, mit einer Einschät- zung der Wichtigkeit solcher Maßnahmen und deren Zielen. Schließlich wurde eine kurze Aussagenliste zur Zukunft des Fußballsports präsentiert. Das Instrument endete mit Fragen nach sozialstatistischen Anga- ben (Alter, Geschlecht, Schulbildung, Beruf). In einem abschließenden Frei- textfeld3 konnten die befragten Personen ergänzende Angaben (eigene Mei- nung, Kritik usw.) machen (s. Abb. 6). Abb. 6: Freitextfeld zum Abschluss des Fragebogens 2.2 Vorgehensweise Um einen möglichst großen Personenkreis zu erreichen, musste der URL auf einer gut besuchten und weit verbreiteten Internetseite platziert werden. Eine der am besten besuchten Seiten zum Thema Fußball ist hierbei sicherlich die offizielle Homepage des Deutschen Fußball-Bundes. Der Link auf den Fra- gebogen-URL (http://www.fussballumfrage.de) wurde dort gut sichtbar hinter einem charakteristischen Button geschaltet (s. Abb. 7). 3 Die Eintragungen in dieses Freitextfeld waren, entgegen der ursprünglichen Erwartungen, sehr umfangreich, so dass sie an anderer Stelle systematisch inhaltsanalytisch ausgewertet werden sollen. Im vorliegenden Text soll jedoch als zusätzliches Belegmaterial in der Diskussion auf dieses Material rekurriert werden. 63
Abb. 7: Ausschnitt der Homepage des DFB mit der Schaltfläche auf die Umfrage Beim Besuch der Fragebogenseite erfolgte zunächst ein kurzer Einleitungs- text mit einer Weiterleitung auf den eigentlichen Fragebogen. Man konnte dabei auswählen, ob man den Fragebogen zum ersten Mal besucht („Neue Umfrage“) oder ob man eine bereits begonnene, aber vorzeitig abgebrochene Teilnahme fortsetzen möchte. Im zweiten Fall wurde man zur Eingabe einer Nummernfolge aufgefordert, die beim vorzeitigen Abbruch der Befragung mitgeteilt wurde. Damit der Befragte die noch zu erwartende Dauer der Befragung einschätzen konnte, wurde der in verschiedenen Abb.en bereits dargestellte Verlaufsbal- ken eingeblendet. Durch die Programmierung war es möglich, inkonsistente Antwortmuster auszuschließen (z.B. Widersprüche bei sozialstatistischen Angaben, ständiges Ankreuzen einer festen Zahl bei Itemlisten usw.). Die Datenerhebung erfolgte im Zeitraum zwischen dem 12. Mai und dem 21. Juni 2006. Hierbei ist anzumerken, dass sich der Zeitraum mit der akti- ven Phase der Fußball-Weltmeisterschaft überschnitt. 64
3 Ergebnisse 3.1 Stichprobe Im Erhebungszeitraum wurden Einträge von insgesamt 15.718 Antworten- den in der Datenbank gespeichert, davon haben insgesamt 4.378 den Frage- bogen vollständig ausgefüllt. Die folgende Ergebnisdarstellung bezieht sich nur auf die vollständigen Datensätze. 250 232 200 150 125 100 74 50 0 Donnerstag, 1. Juni 2006 Sonntag, 4. Juni 2006 Mittwoch, 7. Juni 2006 Donnerstag, 8. Juni 2006 Sonntag, 11. Juni 2006 Mittwoch, 14. Juni 2006 Donnerstag, 15. Juni 2006 Sonntag, 18. Juni 2006 Mittwoch, 21. Juni 2006 Donnerstag, 22. Juni 2006 Montag, 5. Juni 2006 Dienstag, 6. Juni 2006 Montag, 12. Juni 2006 Dienstag, 13. Juni 2006 Montag, 19. Juni 2006 Dienstag, 20. Juni 2006 Sonntag, 14. Mai 2006 Mittwoch, 17. Mai 2006 Donnerstag, 18. Mai 2006 Sonntag, 21. Mai 2006 Mittwoch, 24. Mai 2006 Donnerstag, 25. Mai 2006 Sonntag, 28. Mai 2006 Mittwoch, 31. Mai 2006 Freitag, 2. Juni 2006 Samstag, 3. Juni 2006 Freitag, 9. Juni 2006 Samstag, 10. Juni 2006 Freitag, 16. Juni 2006 Samstag, 17. Juni 2006 Montag, 15. Mai 2006 Dienstag, 16. Mai 2006 Montag, 22. Mai 2006 Dienstag, 23. Mai 2006 Montag, 29. Mai 2006 Dienstag, 30. Mai 2006 Samstag, 13. Mai 2006 Samstag, 20. Mai 2006 Samstag, 27. Mai 2006 Freitag, 12. Mai 2006 Freitag, 19. Mai 2006 Freitag, 26. Mai 2006 Abb. 8: Zugriffe an den Tagen von Erhebungsbeginn bis zum Auswertungs- zeitpunkt Abb. 8 zeigt die Zugriffe pro Tag. Zu den meisten Zugriffen kam es nach Bekanntgabe der Befragung am 16. Mai. Nach dem Eröffnungsspiel der Fußball-Weltmeisterschaft am 9. Juni (gegen Costa Rica, Ergebnis 4:2) gingen die täglichen Zugriffe zunächst zurück, ein kurzer leichter Anstieg war nach dem zweiten Spiel der deutschen Nationalmannschaft am 14. Juni (gegen Polen, Ergebnis 1:0) festzustellen. Die am Umfang der Wohnbevölkerung relativierte Verteilung der Datensät- ze auf die Bundesländer ist in Abb. 9 dargestellt. Es zeigt sich, dass anteils- mäßig die Beteiligung in Nordhrein-Westfalen am größten war, am gerings- ten in Mecklenburg-Vorpommern. Insgesamt zeigt sich eine eher geringere Beteiligung an der Befragung in den neuen Ländern. 18 % der Befragten haben nie Fußball gespielt (davon waren 35 % weib- lich), 37 % haben früher einmal gespielt (davon waren 6 % weiblich) und 45 % sind zum Befragungszeitpunkt noch aktive Fußballer (davon waren 65
11 % weiblich, vgl. Abb. 10). Bei den zuletzt genannten entspricht die Ge- schlechterverteilung mit einer leichten Unterrepräsentanz des weiblichen Geschlechts in etwa derjenigen der im Verband gemeldeten aktiven Mitglie- der.4 Zu den übrigen Angaben liegen kaum Vergleichszahlen vor. Lediglich zum Geschlechtsverhältnis von Fußballzuschauern gibt es Befunde, die den hier ermittelten Zahlen im Wesentlichen entsprechen (Schantz, 1996, 71). Als Trainer sind zum Befragungszeitpunkt 9 % der Befragten tätig, 10 % gaben an, dass sie früher Trainer waren und 71 % antworteten, sie seien nie Trainer gewesen, wobei der Anteil der weiblichen Befragungsteilnehmer unter den aktuell als Trainer Tätigen 7 % und unter den früher als Trainer Tätigen 4 % beträgt. Thüringen 0,032 Schleswig-Holstein 0,043 Sachsen-Anhalt 0,025 Sachsen 0,029 Saarland 0,062 Rheinland-Pfalz 0,060 Nordrhein-Westfalen 0,074 Niedersachsen 0,050 Mecklenburg-Vorpommern 0,022 Hessen 0,058 Hamburg 0,055 Bremen 0,065 Brandenburg 0,024 Berlin 0,048 Bayern 0,053 Baden-Württemberg 0,051 0,000 0,010 0,020 0,030 0,040 0,050 0,060 0,070 0,080 Abb. 9: Promilleanteil der Zugriffe an der Gesamtbevölkerung des jeweili- gen Bundeslandes (relative Häufigkeit) 4 Im Befragungsjahr waren laut DFB-Mitgliederstatistik ca. 14 % der Mitglieder weiblich, ca. 86 % männlich. 66
2000 1826 1800 1600 1452 1400 1200 männlich 1000 weiblich 800 600 521 400 275 175 200 125 0 zurzeit aktiv früher aktiv nie Abb. 10: Häufigkeiten der zurzeit Aktiven, früher Aktiven und nie Aktiven (N = 4374) 3.2 Der Deutsche Fußball-Bund aus Sicht der Befragten Die Befragten sind in hohem Maße davon überzeugt, dass es sich beim Deutschen Fußball-Bund um eine einflussreiche Organisation im deutschen Sportgeschehen handelt (MW = 1,58; S = 0,70)5. Daneben wird jedoch auch in hohem Maße dem Item zugestimmt, der DFB mache Fußball zum Ge- schäft (MW = 1,12; S = 1,06). Die geringste Zustimmung erhielt die Aussa- ge, der DFB sei basisdemokratisch (MW = -0,38; S = 1,23). Da für das Image einer Organisation Aussagen mit sehr geringen positiven oder negati- ven Beurteilungen nur eine untergeordnete Rolle spielen dürften, wurden von allen Items der Gesamt-Mittelwert (MW=0,39) sowie die Standardab- weichung der Beurteilungen (SD=0,46) ermittelt. Der Übersichtlichkeit halber sind in Abb. 11 nur diejenigen Aussagen dargestellt, deren mittlere Beurteilung den Gesamtmittelwert um mehr als eine Standardabweichung über- oder unterschritt. Von besonderer Bedeutung bei der Interpretation der imagebezogenen Er- gebnisse ist die Richtung der jeweiligen Itemformulierung. So wird das Item „der DFB ist eine einflussreiche Organisation im Deutschen Sport“ wohl sowohl von der Organisation als auch von den Befragten als positiv formu- 5 Die Werte beziehen sich auf die jeweils abgefragten Skalenkategorien (z.B. von -2 = “trifft überhaupt nicht zu“ bis 2 = „trifft voll und ganz zu“. Angegeben werden immer Mittelwert (MW) und Standardabweichung (S). 67
liertes Item wahrgenommen, bei dem eine höhere Zustimmung auch einem stärkeren positiv besetzten Aspekt des Images entspricht. Umgekehrt kann plausibel vermutet werden, dass das Item „der DFB ist ein bürokratischer Wasserkopf“ als negativ formuliertes Item in diesem Sinn zu verstehen ist. Dagegen kann bei einigen Items die Richtung der Interpretation nicht ein- deutig entschieden werden. So kann die Unterstützung der „Professionalisie- rung von Athleten“ je nach Zielvorstellung und/oder wertgebundenen Ein- stellungen positiv oder negativ besetzt gesehen werden. ...ist eine einflussreiche Organisation im deutschen Sport. 1,58 ...macht Fußball zum Geschäft. 1,12 ...ist eine schwierig zu führende Organisation. 0,96 ...ist in den Medien gut vertreten. 0,95 ...unterstützt die Professionalisierung von Athleten. 0,87 ...ist eine effizient arbeitende Organisation. -0,11 ...ist nicht in der Lage, den Einsatz seiner Bundestrainer wirkungsvoll zu steuern. -0,13 ...ist den Anforderungen der Zukunft nicht gewachsen. -0,13 ...ist eine Organisation, in der sachadäquat entschieden wird. -0,14 ...weist keine eindeutige Zielsetzung auf. -0,14 ...ist eine lernfähige Organisation. -0,18 ...nutzt die Chancen neuer Medien ungenügend. -0,28 ...beteiligt die Landesverbände angemessen an Entscheidungsprozessen. -0,30 ...ist basisdemokratisch. -0,38 -2 -1 0 1 2 Abb. 11: Mittelwerte relevanter Einschätzung von Aussagen zum Deutschen Fußball-Bund (-2 = trifft überhaupt nicht zu; 2 = trifft voll und ganz zu) In einzelnen Items zeigten sich dabei statistisch bedeutsame Unterschiede zwischen aktuell und früher aktiven sowie nicht aktiven Fußballern sowie zwischen weiblichen und männlichen Befragungsteilnehmern. Allerdings erreichte der Anteil der erklärten Varianz, berechnet über den Parameter η², in keinem Fall mehr als 5 % der Gesamtvarianz. Damit handelt es sich um praktisch unbedeutende Effekte, die nicht weiter diskutiert werden sollen. 3.3 Fußball aus Sicht der Zuschauer Angelehnt an den ATPA von Kenyon (Kenyon, 1968a, b; Singer et al., 1987; Steffgen et al., 2000) wurden verschiedene Einstellungsfragen, einerseits aus der Perspektive der Zuschauer und andererseits aus der Perspektive aktiv Fußball Spielender, gestellt. Aus der Zuschauerperspektive erhielt das Item „das Anschauen von Fußballspielen eignet sich gut zur Ablenkung von den 68
vielen Anforderungen des Lebens“ den höchsten Zustimmungswert (MW = 1,31; S = 1,01). Bedeutsam ist auch das „Wir-Gefühl“ der Mannschaft, das auch den Zuschauer anspricht (MW = 1,27; S = 0,93). Die deutlichste Ab- lehnung erhielt das Item „ich finde es langweilig, bei Fußballspielen zu zu- schauen“ (MW = -1,66; S = 0,80). Eine hohe Ablehnung erhielten aber auch die Items „Wenn von vorneherein klar ist, wer das Spiel gewinnt, schaue ich mir das Spiel gar nicht erst an“ (MW = -1,24; S = 1,10) sowie „Wenn ich mir im Fernsehen ein Spiel anschaue, bei dem es nicht gleich ‚zur Sache geht’, schalte ich gleich wieder ab“ (MW = -1,22; S = 1,02). Dies bedeutet, dass Fußballspiele auch dann angeschaut werden, wenn sie eher uninteres- sant und wenig abwechslungsreich erscheinen (s. Abb. 12 und Abb. 13). Das Anschauen von Fußballspielen eignet sich gut zur Ablenkung von den vielen Anforderungen des Lebens. 1,31 Beim Fußball schätze ich im meisten das Wir-Gefühl der Mannschaft. 1,27 Gerade beim Fußball schätze ich den Gedanken der Geselligkeit sehr hoch. 1,05 Fußballspiele muss man live im Stadion erleben. 0,75 Wenn ich mir Fußballspiele anschaue ist mir die Schönheit der menschlichen Bewegung egal. 0,41 Ein gutes Fußballspiel ist hart und körperbetont. 0,35 Wenn ich mir Fußball anschaue, schätze ich sehr den harten Einsatz der Spieler. 0,20 Fußball stellt für mich Ausdruck eleganter Körperbewegung dar. 0,12 Ein glückliches Leben ist auch vorstellbar, ohne sich Fußballspiele anzuschauen. 0,06 -2,00 -1,00 0,00 1,00 2,00 Abb. 12: Mittelwerte der Einschätzung von Aussagen zum Fußball aus der Sicht des Zuschauers (-2 = trifft überhaupt nicht zu; 2 = trifft voll und ganz zu, hier nur > 0) Damit wird klar, dass es nicht nur die Orientierung an Sieg und Niederlage ist, die Interesse erzeugt, sondern dass offensichtlich auch andere Aspekte und Anreize des Fußballspiels Nachfrage erzeugend wirken. Zudem eignet sich Fußball offensichtlich hervorragend aus Sicht der Befragten zur „Ab- lenkung von den vielen Anforderungen des Lebens“, womit die These von der Kompensations- und Ausgleichsfunktion sowie von der eigenweltlichen Charakteristik des Spiels neue Nahrung erhält. Dazu kommt, dass Fußball, hier das Zuschauen, eng mit Geselligkeit verknüpft wird, die man im Stadion live erleben muss. 69
Wenn ich mir Fußballspiele ansehe schätze ich am meisten, dass dieser Sport sehr viele Möglichkeiten für schöne Bewegungen -0,01 bietet. Fußball ist für mich reine Unterhaltung. -0,10 Es macht mir viel Freude, die Schönheit der menschlichen Bewegung im Fußball zu sehen. -0,12 Im Fernsehen schaue ich mir ein Fußballspiel nur an, wenn ich erwarte, dass es eine interessante Begegnung sein wird. -0,33 Das Anschauen eines Fußballspieles lohnt sich nur dann, wenn der Ausgang des Spieles völlig offen ist. -0,78 Das Anschauen eines Fußballspieles lohnt sich nur dann, wenn von Beginn an bis zum Schluss "ordentlich zur Sache geht". -0,81 Ich bin nicht bereit, 90 Minuten eines Abends zu opfern um im Fernsehen ein Fußballspiel zu verfolgen. -1,05 Wenn ich mir im Fernsehen ein Spiel anschaue, bei dem es nich gleich "zur Sache geht", schalte ich gleich wieder ab. -1,22 Wenn von vorneherein klar ist, wer das Spiel gewinnt, schaue ich mir das Spiel gar nicht erst an. -1,24 Ich finde es langweilig, bei Fußballspielen zu zuschauen. -1,66 -2,00 -1,00 0,00 1,00 2,00 Abb. 13: Mittelwerte der Einschätzung von Aussagen zum Fußball aus der Sicht des Zuschauers (-2 = trifft überhaupt nicht zu; 2 = trifft voll und ganz zu, hier nur < 0) Auch hier zeigten sich zwar vereinzelt statistisch abgesicherte und damit verlässliche, angesichts der niedrigen Varianzklärung jedoch praktisch nicht bedeutsame Unterschiede in Abhängigkeit vom Aktivitätsstatus sowie vom Geschlecht. In der kurzen Itemliste zum Fußball als Live-Erlebnis wurde der Aussage „Fußballspiele im ausverkauften Stadion sind Ereignisse mit Festcharakter“ am meisten zugestimmt (MW = 1,35; S = 1,01). Deutliche Ablehnung erhiel- ten die Aussagen „Ich schaue mir live nur Spiele der unteren Spielklassen an“ (MW = -1,04; S = 1,17) sowie „Als Zuschauer sehe ich mir nur die Spie- le der kleineren lokalen Vereine in meiner Umgebung an“ (MW = -1,00; S = 1,20, s. Abb. 14) Unterschiede zwischen verschiedenen Gruppierungen (Aktivitätsstatus sowie Geschlecht) sind relativ gering und sollen nicht wei- ter diskutiert werden. 70
Fußballspiele im ausverkauften Stadion sind Ereignisse mit Festcharakter. 1,35 Die Atmosphäre in einem vollen Fußballstadion zieht mich magisch an. 0,92 Fußball muss man live im Stadion erleben. 0,67 Der Stadionbesuch von Spielen ab Bundesliga-Niveau ist mir zu teuer. 0,15 Um ein gutes Spiel live mitzuerleben nehme ich sehr weite Wege in Kauf. -0,03 Ein gutes Spiel würde ich mir im Stadion nur ansehen, wenn es in der näheren Umgebung stattfindet. -0,26 Ein Fußballspiel lässt sich am Fernseher besser verfolgen als live im Stadion. -0,29 Ich bin Fan eines Vereins und besuche jedes Spiel dieser Mannschaft live. -0,44 Ich schaue mir im Stadion nur Spiele an, die mindesten Bundesliga-Niveau haben. -0,80 Als Zuschauer sehe ich mir nur die Spiele der kleineren lokalen Vereine in meiner Umgebung an. -1,00 Ich schaue mir live nur Spiele der unteren Spielklassen an. -1,04 -2,00 -1,00 0,00 1,00 2,00 Abb. 14: Mittelwerte der Einschätzung von Aussagen zum Fußball aus der Sicht des Zuschauers vor Ort (-2 = trifft überhaupt nicht zu; 2 = trifft voll und ganz zu) 3.4 Perspektive des aktiven Fußballers Aus der Perspektive aktiver Fußballer (Abb. 15) schätzt man vor allem das Wir-Gefühl in der Mannschaft (MW = 1,48; S = 0,78). Auch wird in hohem Maße der Aussage zugestimmt, Fußball sei ein gutes Mittel, um körperlich fit zu bleiben (MW = 1,38; S = 0,74). In hohem Maße abgelehnt wird die Aussage „Aktives Fußballspielen finde ich langweilig“ (MW = -1,67; S = 0,74) sowie „Aktive Fußballer sind primitive Leute“ (MW = -1,59; S = 0,95). Da es sich in diesem Befragungsteil bei den Befragten jedoch nur um „zurzeit Aktive“ und „früher Aktive“ handelt, sind die Ergebnisse der letztgenannten Aussagen nicht sehr verwunderlich. In Abhängigkeit vom Aktivitätsstatus zeigte sich ein deutlicher Unterschied bei der Aussage „Ein glückliches Leben ist auch vorstellbar, ohne aktiv Fußball zu spielen“. Die Gruppierung der „früher Aktiven“ (MW = 1,02; S = 1,31) stimmt dieser Aussage deutlich zu, während die „zurzeit Aktiven“ eine tendenziell ablehnende Haltung zeigen (MW = -0,22; S = 1,57; F = 522,60; df = 1;2853; p < 0,001; η² = 0,15). Mit einer Varianzklärung von 8 % zeigten sich ebenfalls statistisch abgesicherte und deutliche Unterschie- de zwischen zurzeit aktiven (MW = 0,12; S = 1,47) und früher aktiven (MW = 0,91; S = 1,22; F = 216,35; df = 1;2550; p < 0,001; η² = 0,08) beim Item 71
„zur Gesunderhaltung gibt es wesentlich bessere Mittel, als aktiv Fußball zu spielen“. Für zurzeit aktive Fußballspieler ist damit das Betreiben ihrer Sportart ein wesentliches Element eines glücklichen und gesunden Lebens. Deutliche Geschlechtsunterschiede zeigten sich dagegen nicht. Beim Fußball spielen schätze ich im meisten das Wir-Gefühl der Mannschaft. 1,48 Fußball spielen ist ein gutes Mittel, um körperlich fit zu bleiben. 1,38 Gerade beim Fußball schätze ich den Gedanken der Geselligkeit sehr hoch. 1,34 Fußballspielen eignet sich gut zur Ablenkung von den vielen Anforderungen des Lebens. 1,31 Beim Fußballspielen steht für mich der Spaß im Vordergrund. 1,29 Wenn ich als Spieler in einem Fußballspiel eingesetzt werde, kämpfe ich mit allen Mitteln um den Sieg unsere Mannschaft. 1,14 Wenn ich selbst Fußball spiele, ist mir die Schönheit der menschlichen Bewegung egal. 0,87 Fußballspielen ist ein gutes Mittel zum Aggressionsabbau. 0,67 Zur Gesunderhaltung gibt es wesentlich bessere Mittel, als aktiv Fußball zu spielen. 0,55 Ein glückliches Leben ist auch vorstellbar, ohne aktiv Fußball zu spielen. 0,47 -2,00 -1,00 0,00 1,00 2,00 Abb. 15: Mittelwerte der Einschätzung von Aussagen zum Fußball aus der Sicht des aktiv Fußballspielenden (-2 = trifft überhaupt nicht zu; 2 = trifft voll und ganz zu, hier nur > 0) 72
Am Fußballsport schätze ich vor allem das harte Training. -0,12 Es macht mir viel Freude, die Schönheit der menschlichen Bewegung beim Fußballspielen zu erleben. -0,44 Fußballspielen stellt für mich Ausdruck eleganter Körperbewegung -0,48 dar. Wenn ich selbst Fußball spiele, schätze ich am meisten, dass er sehr viele Möglichkeiten für schöne Bewegungen bietet. -0,57 Die Opfer, die für eine Karriere im Spitzenfußball notwendig sind, würde ich unter keinen Umständen auf mich nehmen. -0,65 Das Fußballtraining ist allgemein zu breitensportorientiert und müsste viel stärker auf den Leistungssport ausgerichtet werden. -0,68 Aktive Fußballer sind primitive Leute. -1,59 Aktives Fußballspielen finde ich langweilig.-1,67 -2,00 -1,00 0,00 1,00 2,00 Abb. 16: Mittelwerte der Einschätzung von Aussagen zum Fußball aus der Sicht des aktiv Fußballspielenden (-2 = trifft überhaupt nicht zu; 2 = trifft voll und ganz zu, hier nur < 0) 3.5 Ansichten zum Kinder- und Jugendtraining sowie zur Talentförderung Bei der Betrachtung der Funktionen von Fußballspiel und Fußballtraining für Kinder und Jugendliche wurde allgemein am stärksten der Aussage zuge- stimmt, dass das Spiel in der Mannschaft die Teamfähigkeit fördere (MW = 1,65; S = 0,71, s. Abb. 17). Weiterhin sieht man im Fußballtraining eine wirksame Maßnahme gegen den Bewegungsmangel (MW = 1,50; S = 0,84). Die größte Ablehnung erhielt die Aussage „Kinder und Jugendliche sollten nicht Fußball spielen (MW = -1,64; S = 0,83; s. Abb. 18). Zwischen Befrag- ten, die angaben, Trainer zu sein und solchen, die keine Trainerfunktion innehaben, zeigten sich wiederum vereinzelt signifikante Unterschiede. Die berichteten Differenzen sind in ihrer Ausprägung allerdings insgesamt recht gering in Bezug auf den Anteil der erklärten Varianz an der Gesamtvarianz. Ebenso verhält es sich mit Unterschieden in weiteren Gruppierungen (Ge- schlecht, Aktivitätsstatus) so dass auf eine weitergehende Diskussion an dieser Stelle verzichtet wird. 73
Das Spiel in der Mannschaft fördert die Teamfähigkeit. 1,65 Durch Fußball lässt sich der zunehmende Bewegungsmangel bei Kindern und Jugendlichen wirksam bekämpfen. 1,50 Im Fußballverein lernen Kinder und Jugendliche, sich an Regeln und Ordnung zu halten. 1,39 Im Fußballtraining lernen Kinder und Jugendliche mit Verpflichtungen umzugehen. 1,30 Im Fußballtraining lernen Kinder und Jugendliche Disziplin. 1,25 Fußball ist der ideale Breitensport. 1,02 Durch Fußball lernen Kinder und Jugendliche, sich in der Gruppe durchzusetzen. 0,83 Durch das Fußballtraining entwickelt sich bei den Kindern und Jugendlichen eine besondere Leistungsorientierung. 0,80 Der Fußballtrainer muss den Kindern und Jugendlichen klar machen, wo es lang geht. 0,69 Das Training im Fußball senkt die Gewaltbereitschaft. 0,69 Durch einen durchgreifenden Fußballtrainer lernen die Kinder Respekt vor der Obrigkeit. 0,16 -2,00 -1,00 0,00 1,00 2,00 Abb. 17: Mittelwerte der Einschätzung von Aussagen zum Kinder und Ju- gendtraining (-2 = trifft überhaupt nicht zu; 2 = trifft voll und ganz zu; Werte > 0) In Fußballvereinen werden Kinder und Jugendliche zum -0,89 Alkoholkonsum gebracht. Kinder und Jugendliche sind in anderen Sportarten besser -0,97 aufgehoben als im Fußball. Fußballtraining fördert Aggressivität und Gewaltbereitschaft im -1,14 Jugendalter. Mit Fußball können auch weniger kluge große Leistungen -1,50 vollbringen. Kinder und Jugendliche sollten nicht Fußball spielen. -1,64 -2,00 -1,00 0,00 1,00 2,00 Abb. 18: Mittelwerte der Einschätzung von Aussagen zum Kinder und Ju- gendtraining (-2 = trifft überhaupt nicht zu; 2 = trifft voll und ganz zu; Werte < 0) 74
Hinsichtlich der Talentförderung wurden zum Teil der Grad der Realisierung bzw. die Einschätzung der Bedeutung jener Ziele abgefragt, die der DFB vor allem für das aktuelle DFB-Stützpunkt-Konzept formuliert hat. Es wurde eine Auswahl getroffen, da sich nicht alle Aussagen für die Befragung ver- wenden ließen. Dazu wurden einige gegenteilige Formulierungen eingefügt. Die Befragten sollten die Wichtigkeit dieser Aussagen einschätzen. Die Stützpunktziele sind im Folgenden hervorgehoben. Tab. 1: Stützpunktziele des DFB Ziel 1 Intensive und regelmäßige Sichtung aller Talente einer Region Ziel 2 Flächendeckendes Fördern von talentierten Spielern und Spie- lerinnen Ziel 3 Individuelle Förderung der Talente als Ergänzung zum Ver- einstraining Ziel 4 Förderung der Talente mit einer einheitlichen, zeitgemäßen Methodik Ziel 5 Heranbildung technisch versierter und taktisch geschulter Spie- ler Ziel 6 Organisation von Fortbildungen für Vereins-Juniorentrainer vor Ort Ziel 7 „Kurze Wege“ zwischen DFB, Verband und Vereinen Ziel 8 Neue Motivation für alle an der Talentförderung mitwirkenden Ziel 9 Neue Anreize und Motivation für alle talentierten Nachwuchs- fußballer Ziel 10 Schnelleres Vermitteln neuer Trends in Spiel und Training an alle Vereine Am wichtigsten werden hierbei die Aussagen bewertet „Talentierte Spiele- rinnen und Spieler sollten flächendeckend gefördert werden“ (MW = 1,46; S = 0,80) und „Innerhalb einer Region sollten alle Talente regelmäßig und intensiv gesichtet werden“ (MW = 1,45; S = 0,77). Die Haltung bestätigt sich bei der Aussage, die als unwichtigste gesehen wird: „Man sollte die Aufmerksamkeit in einer Region lediglich auf einige wenige sehr gute Spie- ler richten“ (MW = -0,85; S = 1,10). 75
Innerhalb einer Region sollten alle Talente regelmäßig und intensiv gesichtet werden. 1,54 Talentierte Spielerinnen und Spieler sollten flächendeckend gefördert werden. 1,51 Die Vereins und Juniorentrainer sollten vor Ort weitergebildet werden. 1,41 Die entdeckten Talente sollen ergänzenmd zum Vereinstraining individuell gefördert werden. 1,34 Es ist anzustreben, Talente schon in möglichst jungen Jahren zu entdecken und systematisch zu fördern 1,13 Im Vordergrund der Förderung sollte die technische Ausbildung stehen 0,97 Die entdeckten Talente sollten mit einer individuellen Methodik gefördert werden. 0,94 Die entdeckten Talente sollten verstärkt im Rahmen ihres Vereinstrainings in ihrer Mannschaft gefördert werden 0,91 Das Training der Förderung solllte auch andere Sportaktivitäten als Fußball enthalten 0,83 Die entdeckten Talente sollten sich möglichst auf den Fußballsport konzentrieren 0,44 Die entdeckten Talente sollten mit einer einheitlichen Methodik gefördert werden. 0,43 Die Weiterbildungsmaßnahme für Vereins- und Juniorentrainer sollten zentral gebündelt werden 0,39 Im Vordergrund der Förderung sollte die Taktikschulung stehen 0,17 Das Training der Förderung sollte sich allein auf Fußball beschränken -0,14 Es sollten die Regionen mit den besten Spielern gefördert werden -0,36 Man sollte die Aufmerksamkeit in einer Region lediglich auf einige wenige sehr gute Spieler richten -0,98 -2,00 -1,00 0,00 1,00 2,00 Abb. 19: Mittelwerte der Bewertung der Wichtigkeit von Zielsetzungen der Talentförderung (-2 = völlig unwichtig; 2 = sehr wichtig; hier nur > 0) 3.6 Ansichten zum Profi-Fußball sowie zur Zukunft des Fuß- balls Interessanterweise wurde in Bezug auf den Spitzenfußball, wobei hier aus- schließlich Aussagen zum Männerfußball ausgewertet wurden, am stärksten der Aussage zugestimmt „Die Profi-Fußballer verdienen einfach zu viel Geld“ (MW = 1,16; S = 1,16). Die stärkste Ablehnung erhielt die Aussage „Das Niveau des deutschen Fußballs ist besser denn je“ (MW = -1,05; S = 1,12). Man sieht also eine recht kritische Haltung zum Thema Profifuß- ball und es werden überwiegend wirtschaftliche und kommerzielle Aspekte wahrgenommen, die jedoch abgelehnt werden (durch die Itemformulierung wird durch eine Zustimmung zur Aussage in den betreffenden Fällen eine ablehnende Haltung zum Ausdruck gebracht). 76
Die Profi-Fußballer verdienen einfach zu viel Geld. 1,16 Der Fußballsport ist zu sehr von der Wirtschaft abhängig. 0,88 Die deutschen Profi-Fußballer tun zuwenig für ihr Geld. 0,77 Im deutschen Fußball wird zu wenig für den professionellen 0,54 Nachwuchs getan. Im internationalen Vergleich ist der Fußball in Deutschland im 0,49 Abwärtstrend. Die Leistungssportförderung ist zu starr und unflexibel. 0,42 Der Deutsche Fußball ist in einer Krise. 0,24 Die deutsche Nationalmannschaft ist international kaum -0,02 konkurrenzfähig. Im internationalen Vergleich ist der deutsche Fußball im -0,57 Aufwärtstrend. Das Niveau des deutschen Fußballs ist besser denn je. -1,05 -2,00 -1,00 0,00 1,00 2,00 Abb. 20: Mittelwerte der Einschätzung von Aussagen zum Spitzenfußball der Männer (-2 = trifft überhaupt nicht zu; 2 = trifft voll und ganz zu) Bezüglich der Einschätzung der Zukunft des Fußballs in Deutschland wurde am stärksten der Aussage zugestimmt, dass immer mehr Fußballvereine finanzielle Schwierigkeiten bekommen werden (MW = 1,11; S = 0,96). Die geringste Zustimmung zeigt sich bei der Aussage „Aufgrund der demogra- phischen Entwicklung werden in Zukunft weniger Kinder Fußball im Verein spielen“ (MW = 0,36; S = 1,31). In Hinblick auf die Nachwuchsgewinnung wird der WM jedoch ein positiver Effekt zugeschrieben. Das zugehörige Item erhielt einen Zustimmungswert von MW = 0,99 (S = 1,02) 77
Es werden mehr Fußballvereine/-abteilungen finanzielle 1,11 Schwierigkeiten haben. Infolge der WM 2006 werden wir verstärkt Kinder und Jugendliche 0,99 für den Fußballsport gewinnen können. Die Konzentration leistungsstarker Talente und Spieler in größeren 0,82 Vereinen wird zunehmen. Der zunehmende allgemeine Bewegungsmangel bei Kindern und 0,80 Jugendlichen wird auch für den Fußball ein Problem darstellen. Vereine werden einer zunehmenden Konkurrenz kommerzieller 0,72 Sportanbieter gegenüberstehen. Die so genannten Trendsportarten werden bei Jugendlichen eine 0,42 zunehmende Konkurrenz zum Fußball darstellen. Aufgrund der demographischen Entwicklung werden in Zukunft 0,36 weniger Kinder Fußball im Verein spielen. -2,00 -1,00 0,00 1,00 2,00 Abb. 21: Mittelwerte der Einschätzung von Aussagen zur Zukunft des Fuß- balls (-2 = völlig unwichtig; 2 = sehr wichtig; hier nur > 0) 4 Diskussion Gegenstand der Untersuchung war die Frage, wie der Deutsche Fußball- Bund sowie die Sportart Fußball in der Öffentlichkeit wahrgenommen wer- den. Dass es sich hierbei um z. T. medial vermittelte Eindrücke handelt, die mit der Realität nicht übereinstimmen müssen, versteht sich dabei von selbst. Ein Image, wie derartige Eindrücke auch zu verstehen sind, soll dazu dienen, Marken, Produkte, Unternehmen und somit auch allgemein Organisationen zu individualisieren und in spezifischer Weise zu emotionalisieren (Schenk & Döbler, 2006, 782). Aus der weitgehend medialen Vermittlung des Images ergeben sich für den DFB charakteristische Probleme hinsichtlich der Frage der zielgerichteten Beeinflussbarkeit des Images. Ein Großteil der Befragten sieht im DFB eine einflussreiche Organisation im deutschen Sportgeschehen. Daneben zeigt sich auch, dass in der Öffentlich- keit eher kommerzielle Intentionen des Verbandes wahrgenommen werden und dieses eher negativ bewertet wird. Belege hierfür sind auch in den Text- passagen, welche die Befragten am Schluss des Fragebogens in das Freitext- feld zu Anmerkungen und Kritikpunkten eintragen konnten. So taucht dort die Begrifflichkeit „Kommerz“ oder „Kommerzialisierung“ 111-mal auf, und zwar generell mit negativen Bewertungen. Im Folgenden seien einige 78
typische Passagen zitiert, wobei in Klammer jeweils die Fallnummer des Datensatzes angegeben wird. Wichtigster Aspekt: Übertriebene Kommerzialisierung des Fußballs, […] (Nr. 418) Hört endlich mit der schrecklichen Verkommerzialisierung unseres Sports auf!! (Nr. 471) Mir steht viel zu sehr der Kommerz im Fußballsport im Vor- dergrund. (Nr. 670) Insgesamt spielen einige Herren und der Kommerz eine zu dominierende Rolle. Fußball macht keinen Spaß mehr. (Nr. 673) Der DFB sollte mehr an die Basis und den normalen Fußball- fan denken und gegen die Kommerzialisierung arbeiten. (Nr. 1655) Dass der DFB als eine schwierig zu führende Organisation angesehen wird, passt in gewissem Sinne auch zur tendenziell eher kritischen Einschätzung der Effizienz seiner Arbeit aus Sicht der Befragten. Aus diesem Blickwinkel ist sicher auch die ebenfalls tendenziell eher kritische Einschätzung der Sachbezogenheit von Entscheidungen zu sehen. Betrachtet man die Einschätzungen differenziert nach der eigenen fußballeri- schen Aktivität, so könnte man eine höhere Ideologiegebundenheit der Akti- ven vermuten. Dabei zeigt sich vor allem bei den „zurzeit Aktiven“, dass sie beispielsweise die Organisation weniger kritisch sehen, als diejenigen, die früher oder nie aktiv waren. Dies könnte mit der höheren Identifikation so- wie der vermuteten Abhängigkeit vom Dachverband erklärt werden. Bei den Einschätzungen in Abhängigkeit vom Geschlecht zeigt sich, dass die weiblichen Befragungsteilnehmer der Organisation vergleichsweise recht unkritisch gegenüber stehen, obwohl der Anteil der „nie Aktiven“ hier be- sonders hoch ist. Es ist zu vermuten, dass die Gruppierung der weiblichen Befragungsteilnehmer eine durchschnittlich höhere Identifikation mit dem Fußball aufweist, als die männlichen Teilnehmer und somit auch eine durch- schnittlich deutlichere emotionale Gebundenheit vorliegt. Ein Beleg dafür könnte möglicherweise die leichte Unterrepräsentiertheit der weiblichen Teilnehmer (bezogen bspw. auf die Mitgliederstatistik des DFB) sein, so dass sich hier lediglich besonders interessierte von der Befragung angespro- chen fühlten, während bei den männlichen Teilnehmern ein breiteres Perso- nenspektrum (und somit auch weniger interessierte) bereit zur Teilnahme war. Hierbei ist durchaus methodische Kritik an der Rekrutierung der Befra- gungsteilnehmer über lediglich eine Internetadresse anzumerken. Die Befragten sehen insgesamt den Dachverband DFB mehrheitlich als Organisation, welche neben dem Amateurbetrieb auch den professionellen 79
Fußball organisieren und vermarkten muss und zu einer gewissen Kommer- zialisierung gezwungen ist. Dabei wird jedoch gerade dieser Aspekt der Kommerzialisierung in der Öffentlichkeit eher negativ wahrgenommen und der sportlichen Idee als widersprüchlich zugewiesen. Auch aus der Zuschau- erperspektive wird die zunehmende Kommerzialisierung wahrgenommen und kritisiert. Letztlich wird der DFB als einflussreicher Akteur wahrgenommen, der aus Sicht der aktiven Amateurspieler den Kontakt zu Basis verloren hat, den Kommerz überbewertet, den Profispielern ein zu hohes Gehalt ermöglicht und den Sport aus den Augen verliert. Für das Image und die Öffentlich- keitswirkung wäre es für den DFB nun wichtig, diese Brüche zwischen Ver- bandsinteressen, Aktiveninteressen (Amateur- und professioneller Bereich) sowie Zuschauerinteressen ein Stück weit zu schließen. Durch die in Teilen formale Trennung in DFB, Landesverbände, Vereine auf der einen Seite und die Deutsche Fußball-Liga (DFL) als Interessenwahrer des professionellen Fußballs auf der anderen Seite sind hierzu organisationa- le Strukturen in Ansätzen bereits umgesetzt. Dem DFB als Dachorganisation obliegt hierbei die Aufgabe diese divergenten Zielausrichtungen einerseits zu markieren und andererseits zu harmonisieren. In Kooperation mit seinen Landesverbänden zu erbringende und von den Leistungserstellern sowie dem Führungs- und Verwaltungspersonal der Vereine nachgefragte Aus- und Weiterbildungsleistungen für die sogenannte Basis, die der Erhaltung und Verbesserung von Trainings- und Spielbetrieb in den Sportvereinen dienen, können möglicherweise dazu beitragen, die Distanz zwischen Dachverband und Mitgliedern zu überbrücken und tragen dem Charakter einer Bottom- Up-Organisation eher Rechnung. Eines der stärksten Motive zum aktiven Fußballspielen ist sicherlich Spaß bzw. Freude. So wurde im Freitextfeld zur Verbundenheit mit dem Fußball das Wort „Spaß“ 2375-mal genannt, „Freude“ 664-mal. Daneben wird vor allem das Wir-Gefühl in der Mannschaft hoch geschätzt, wie sich einerseits bei der Frage zur Einstellung zum aktiven Fußballspielen zeigte. Auch im Freitextfeld zur Verbundenheit mit dem Fußball ist der Begriff „Teamgeist“ mit 507 Nennungen nicht unerheblich. Es wird auch als eine Möglichkeit zur Beeinflussung körperlicher Fitness angesehen, aber auch das aktive Fußball- spiel lenkt nach Angaben der Befragten von den vielen alltäglichen Anforde- rungen ab. Im Vordergrund stehen somit einmal der Gesundheitsgedanke sowie der soziale Aspekt, daneben wird aber auch der Leistungsgedanke hoch eingeschätzt. Weniger von Bedeutung sind ästhetische Aspekte wie Schönheit und Eleganz der Bewegung. Gerade die einzelnen Fragen zu Äs- thetik, Eleganz bzw. Schönheit der menschlichen Bewegung haben viele Befragte irritiert. Insgesamt äußerten sich im abschließenden Freitextfeld 31 Personen zu diesen Fragen, mehrheitlich mit dem Tenor, dass so etwas mit 80
dem Fußball nichts zu tun habe und befremdend wirke. Es folgt eine kleine Auswahl an Textpassagen: Was sollen diese blöden Fragen mit Schönheit der Bewegung? In der Regel 10 steht doch ...Sieger ist die Mannschaft die, die meisten Tore schießt... Fußball ist kein Eiskunstlauf. (Nr. 380) Die diversen Formulierungen zur Schönheit der Bewegung ir- ritieren […] Mit dieser Formulierung verbindet man ja eher ästhetische Sportarten (Tanz, Turnen, Eiskunstlauf etc.) und nicht die Ballsportarten. M.E. interessiert dieses einen Fuß- ballfan im Stadion oder einen Spieler auf dem Platz weniger. (Nr. 409) Beim Fußball kommt es nicht auf die Schönheit der Bewegun- gen an. (Nr. 2954) Was sollen die Fragen zum Thema Schönheit der menschli- chen Bewegung beim Fußballspielen? (Nr. 8112) Bei der nach Aktivitätsstatus differenzierten Betrachtung zeigte sich ein deutlicher Unterschied in der Frage, ob ein glückliches Leben auch ohne Fußball möglich sei. Erwartungsgemäß wurde die Aussage von den zurzeit aktiven Sportlern eher abgelehnt, während von Seiten der früher aktiven deutlich zugestimmt wurde. Dies zeigt unter anderem, wie die Vorstellung eines glücklichen Lebens vom momentanen Zustand aus konstruiert wird und wohl nicht als ein festes Merkmal angesehen werden kann. Der Fußballsport wird aus der Perspektive der Zuschauer im Allgemeinen als gutes Mittel zur Ablenkung vom Alltagsgeschehen betrachtet. Wichtige Eigenschaften sind das Wir-Gefühl in der Mannschaft sowie das Gesellige. Gerade Zuschauen steht dabei besonders der Spannungsaspekt, weniger die Bewegungsästhetik im Vordergrund. Allerdings werden gemäß der Ein- schätzungen auch dann Spiele verfolgt, wenn der Sieger der Begegnung mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhergesagt werden kann, somit also eher wenige Spannungsmomente zu erwarten sind. Das Zuschauerhandeln betrachtet Messing (1996) vor einem systemtheoretischen Hintergrund (Parsons, 1976). Dabei ist dieses das Ergebnis physiologischer Prozesse, psychischer Einstel- lungen, sozialer Erwartungen, kultureller Werte sowie der physisch- organischen Umwelt (vgl. auch Messing, 1992). Die hier dargestellten Be- funde befassen sich überwiegend mit den Einstellungen und Motiven im personalen System. In Abhängigkeit vom Aktivitätsstatus unterscheiden sich die Gruppierungen am deutlichsten im Hinblick auf den Unterhaltungswert. So sehen diejeni- gen, die zum Befragungszeitpunkt aktiv waren, den Fußball auch aus der Zuschauerperspektive eher weniger als Unterhaltung als die früher und vor allem nie Aktiven. Auch sind die zurzeit Aktiven weniger geneigt, sich ein glückliches Leben ohne den Fußballsport vorstellen zu können. Dem Live- 81
Erlebnis im Fußballstadion wird besondere Bedeutung beigemessen. Die zurzeit Aktiven sind für ein gutes Spiel eher bereit, weite Wege in Kauf zu nehmen, als die früher bzw. auch die nie aktiven. Im Hinblick auf die Wahr- nehmung des Fußballs als Zuschauer sind die Geschlechtsunterschiede eher gering und unbedeutend. Dem Kinder- und Jugendtraining im Fußball wird eine fördernde Wirkung im Hinblick auf Teamfähigkeit zu geschrieben. Allgemein wird dem soziali- satorischen Aspekt besondere Bedeutung beigemessen (Regeln einhalten, Disziplin, Umgang mit Verpflichtungen usw.). Man schreibt der Sportart aber auch eine kompensatorische Wirkung in Bezug auf den Bewegungs- mangel zu. Bei der Differenzierung der Befragten in Trainer und andere zeigt sich eine gewisse Ideologiegebundenheit auf der Seite der Trainer. So sehen diese deutlichere Positivwirkungen und schwächere Negativwirkun- gen (z.B. Förderung der Gewaltbereitschaft), allerdings sind die genannten Einschätzungsunterschiede recht gering und sollen daher nicht überbewertet werden. Im Spitzenfußball spielen Einschätzungen zu finanziellen Fragen eine be- sondere Rolle. So werden bspw. Spielergehälter als überhöht angesehen und man nimmt eine deutliche Abhängigkeit des Fußballs von der Wirtschaft wahr. Kritisch wird allgemein das Niveau des deutschen Fußballs im inter- nationalen Vergleich gesehen6. Die ehemals aktiven Befragungsteilnehmer stehen dem Spitzenfußball tendenziell kritischer gegenüber als die anderen (zurzeit aktiv und nie aktiv). Weibliche Teilnehmer äußerten sich weniger kritisch, als männliche. Inwieweit unterschiedlichen Kommerzialisierungs- tendenzen im Frauen- und Männerfußball dieses Bild prägen, kann derzeit anhand dieser Untersuchung nicht abschließend erklärt werden. Die Ziele des DFB zur Talentförderung werden im Allgemeinen als recht wichtig eingeschätzt. Daneben wird sowohl allgemein als auch speziell von Trainern die möglichst frühzeitige systematische Förderung als wichtig ein- gestuft. Dies setzt ein Denkmuster voraus, welches dem Faktor „sportlicher Erfolg“ eine gewisse langfristige Planbarkeit und somit Vorhersagbarkeit zuschreibt. Dass diese Sichtweise jedoch von der Realität abweicht, haben mittlerweile zahlreiche Publikationen belegen können (vgl. im Überblick Emrich & Güllich, 2005; Emrich et al. 2005; Emrich, 2006; Emrich et al. 2008). Die Einschätzung der zukünftigen Entwicklung des Fußballs erscheint eher negativ. So vermuten viele Befragte zunehmende finanzielle Schwierigkei- ten bei den Vereinen. Es werden Probleme durch den zunehmenden Bewe- 6 Interessant wäre gewesen, diesen Aspekt auch nach der WM 2006 zu erfassen, da hier doch eine deutliche Veränderung zu erwarten wäre. Insgesamt dürfte diese Aussage mit dem aktuellen Erfolgsniveau der Deut- schen Fußball-Nationalmannschaft konfundiert sein. 82
gungsmangel bei Kindern und Jugendlichen auch für den Fußball gesehen.7 Weiterhin erwartet man eine zunehmende Konkurrenz durch Trendsportar- ten, wobei allerdings diese Befürchtungen im Widerspruch zur empirischen Realität stehen (vgl. Emrich et al. 2001). So engagieren sich die meisten in Vereinen organisierten Sportler nach wie vor in wettkampforientierten, tradi- tionellen Sportarten und hierbei vor allem in den Sportspielen. In der Gesamtbetrachtung zeigen sich durchaus diskussionswürdige Diver- genzen zwischen den Einschätzungen der Befragten und den Interessen des DFB. Tendenziell findet sich auf der einen Seite der engagierte, aktive Spie- ler, dessen Herz am Fußballspielen hängt, der sich dazu im Verein organi- siert, für den auch soziale und emotionale Aspekte (Wir-Gefühl der Mann- schaft, Teamgeist, Spielerlebnis, Spannung) im Vordergrund seines Tuns stehen, der mit seiner Mannschaft gewinnen will und im Fußball eine güns- tige Voraussetzung für die Entwicklung von Teamfähigkeit sieht. Weiterhin gibt es den leidenschaftlichen Fußballzuschauer, der das Spannungserlebnis im Stadion oder aber zu hause am Fernsehschirm sucht und mit seiner Mannschaft mitfiebert und für den Fußball eine Art organisierter emotiona- ler Sonderbereich mit Außeralltäglichkeitscharakter darstellt.8 Interessanter- weise haben aber für die Mitglieder beider Gruppierungen übereinstimmend Aspekte der Vergemeinschaftung im Fußballspiel (Wir-Gefühl, Teamgeist) sowie im unmittelbaren Umfeld große Bedeutung. Dieser gemeinschaftsstif- tende Aspekt des Fußballspiels ist sowohl für den „Konsumenten“ des Profi- Fußballs als auch für den „Produzenten“ des Amateurfußballs sowie auch für Fußball-interessierte insgesamt in der Einschätzung der sozialisatorischen Wirkungen des Betreibens dieser Sportart von Bedeutung. Für Aktive und Zuschauer wird dieser Sondercharakter der Sportart möglicherweise durch die wahrgenommene Weltausgegrenztheit („Spaß“, „Ablenkung von den Anforderungen des täglichen Lebens“) noch gesteigert. Die damit vorliegen- den empirischen Belege für die Bedeutung sozialer und kultureller Determi- nanten des Interesses für diese Sportart haben eine Entsprechung in philoso- phischen Ausführungen zu Ursprung und Funktion des Spiels bei Huizinga (1944) sowie speziell in den Gedanken Scheuerls (1954, 69 ff.) zur imma- nenten Zweckfreiheit bei Geschlossenheit (und damit Weltausgegrenztheit) und gleichzeitiger innerer Unendlichkeit (zur Bedeutung des Spielerischen speziell im Sport s. Jünger, 1953, 201 ff. sowie Hägele, 1990, 38 ff.). Sie verdienen sicherlich weitere Beachtung, zumal damit offensichtlich weder die Frage der Gewinnung und Bindung möglicher Aktiver bei zurückgehen- der Bevölkerung (Pitsch & Emrich, 2003; Büch, Emrich & Pitsch, 2003; 7 Hierbei muss jedoch angemerkt werden, dass es sich bei der Annahme vom Bewegungsmangel bei Kindern und damit verbundenen negativen Folgen zu einem nicht unerheblichen Teil um medial vermittelte soziale Krisenkonstruktionen handelt, deren reale Existenz eher zweifelhaft ist (vgl. u.a. Klein et al., 2005, Klein, 2007). 8 Einen Überblick über Zuschauerhandeln im verschiedenen Sportarten bietet der Sammelband von Messing & Lames (1996). 83
Büch & Pitsch, 2007) noch der Ansteuerung des Konsumentenverhaltens im Unterhaltungsmarktes „Profifußball“ losgelöst von diesen Determinanten hinreichend diskutiert werden kann. Literatur Boulding, K. E. (1956). The Image – Knowledge in Life and Society. Ann Arbor: The University of Michigan Press. Büch, M. P., Emrich, E. & Pitsch, W. (2003). Bevölkerungsentwicklung – Eine Heraus- forderung auch für den Fußball? In: Neumann, G. (Hrsg.), Fußball vor dem WM 2006. Spannungsbogen zwischen Wissenschaft und Organisation (S. 49-61). Köln: Strauß. Büch, M. P. & Pitsch, W. (2007). Bevölkerungsentwicklung und Sport – eine Heraus- forderung auch für den Fußball! In: M. Horn & B. Köppen, (Hrsg.), Demogra- phischer Wandel in Deutschland (S. 103-116). Berlin: Logos. Eisenegger, M. (2005). Reputation in der Mediengesellschaft. Konstitution - Issues Moni- toring - Issues Management. Wiesbaden: VS-Verlag. Emrich, E. (2006). Sportwissenschaft zwischen Autonomie und außerwissenschaftlichen Impulsen. Sportwissenschaft, 36, 151 - 170. Emrich, E., & Güllich, A. (2005). Zur "Produktion" sportlichen Erfolges. Organisations- strukturen, Förderbedingungen und Planungsannahmen in kritischer Analyse. Köln: Sport und Buch Strauß. Emrich, E., Güllich, A., & Büch, M.-P. (2005). Beiträge zum Nachwuchsleistungssport. Erweiterte Dokumentation des Workshops "Aktuelle empirische Forschung im Nachwuchsleistungssport" des Bundesinstituts für Sportwissenschaft und des Deutschen Sportbundes / Bereich Leistungssport vom 21.-23. November 2003 in Mainz. Schorndorf: Hofmann. Emrich, E., & Pitsch, W. (1999). Zur Situation der Leichtathletik in deutschen Sportverei- nen – Erste Ergebnisse einer empirischen Untersuchung. In S. Güldenpfennig & D. Krickow (Hrsg.), Deutsches Olympisches Institut. Jahrbuch 1998 (S. 73-94). St. Augustin: Academia. Emrich, E., Pitsch, W., Güllich, A., Klein, M., Fröhlich, M., Flatau, J., et al. (2008). Spit- zensportförderung in Deutschland – Bestandsaufnahme und Perspektiven. Leis- tungssport, 38 (1), Beilage. Emrich, E., Pitsch, W., & Papathanassiou, V. (2001). Die Sportvereine. Ein Versuch auf empirischer Grundlage. Schorndorf: Hofmann. Gardner, B. B., & Levi, S. (1955). The Product and the Brand. Harvard Business Review, 33 (2), 33-39. Hägele, W. (1990). Konstitutionsprinzipien von Spiel und Sport. München: Homo Ludens. Huizinga, J. (1944). Homo Ludens. Versuch der Bestimmung des Spielelements in der Kultur. Basel: Burg. Jünger, F. G. (1953). Die Spiele. Ein Schlüssel zu ihrer Bedeutung. Frankfurt am Main: Klostermann. Kenyon, G. S. (1968). A Conceptual Model for Chracterizing Physical Activity. Research Quarterly for Exercise and Sport, 39, 96-105. 84
Sie können auch lesen