Magazin - Erzbistum Berlin
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Magazin ihrer kirchenzeitung Tag des H errn September 2015 Freude am Glauben wecken Das Erzbistum Berlin und sein neuer Erzbischof Heiner Koch im Porträt › Seiten 6 bis 9 Die bescheidene Kathedrale › Seite 22 Immer noch Ost und West? › Seiten 30 und 31
zahlen & fakten Das Erzbistum Berlin Geschichte: Das Bistum Berlin wurde 1930 errichtet. Es liegt auf dem Gebiet der ehemaligen Bistümer Brandenburg, Havelberg, Kammin und Lebus. Heute umfasst das Bistum, das 1994 zum Erz bistum erhoben wurde, weite Teile Brandenburgs und Vorpommern. Gebietsumfang: 31 200 Quadratkilometer Katholikenzahl: 408 953 in Berlin: 331 419 in Brandenburg: 63 325 in Vorpommern: 14 209 Zahl der Pfarreien: 105 Priester im aktiven Dienst (2013): 162 Das Bischofswappen Diakone: 30 Pastoralreferenten (2013): 27 Die Felder des Gemeindereferenten (2013): 59 Schildes zeigen die Ordensleute (2013): 519 Wappen der vorre Durchschnittlicher Gottes- formatorischen Diö dienstbesuch am Sonntag: ca. 43 000 zesen Brandenburg, Taufen 2014: 2062 Havelberg, Cammin Trauungen 2014: 452 und Lebus. Im Herz Erstkommunionen 2014: 2043 schild ist der Stern Firmungen 2014: 1452 als Symbol für die Stand vom 31.12.2014 Gottesmutter Ma ria, die auf dem Meer des Lebens als „Meeresstern“ die Richtung weist. Das fließende Wasser verweist auf Chris tus als Quelle des ewigen Lebens; zugleich zeigt der Fluss die Verbindung des Erzbischofs zu sei ner rheinische Heimat, zur Elbe, die durch das Bistum Dresden-Meißen fließt, sowie zu Spree und Havel, die Flüsse des Erzbistums Berlin. Begleitet wird der Schild von den Insignien des Erzbischofs: dem goldenen Doppelkreuz, dem Pallium und dem grünen Bischofshut mit je zehn Quasten. Das Schriftband trägt als Devise des Erzbischofs die Aufforderung: „Freut euch allezeit! Der Herr ist nahe“. i mpress u m Das Tag des Herrn-Magazin ist eine Sonderpublikation der katholischen Wochenzeitung Tag des Herrn. Herausgeber: Die (Erz-) Bischöfe von Berlin, Dresden‑Meißen, Erfurt, Görlitz und Magdeburg Verlag: St. Benno Buch und Zeitschriften Verlagsgesellschaft mbH; Geschäftsführer: Michael Birkner, Christiane Völkel Redaktion: Matthias Holluba (Chefredakteur), Holger Jakobi, Dorothee Wanzek, Eckhard Pohl, Raphael Schmidt, Alexandra Wolff Leserservice und Anzeigen: Maria Körner Stammerstraße 11, 04159 Leipzig Telefon 03 41 / 4 67 77-12, Fax -7809 tdh@st-benno.de; www.tag-des-herrn.de Titelbild: KNA Druck: Druckerei Vetters GmbH & Co. KG, Gutenbergstraße 2, 01471 Radeburg Nachdruck – auch auszugsweise – nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion.
Gemeinsam auf Pilgerschaft Willkommensgruß für den neuen Erzbischof Prälat Tobias Przytarski „Warum habt Ihr uns den Bischof wegge- terwegs auf Pilgerschaft sind. Vertrauen nommen?“ Ich habe nicht mitgezählt, wie auf Gott und Zutrauen zu den Menschen oft mir seit der Bekanntgabe der Ernen- in seinem neuen Erzbistum sprechen aus nung unseres neuen Erzbischofs diese diesen Worten. Frage aus dem Bistum Dresden-Meißen Und so gefällt mir auch der bischöfliche gestellt worden ist. Ich nehme die Frage – Wahlspruch: „Freut Euch allezeit, der die ja auch ein bitterer Vorwurf ist – sehr Herr ist nahe!“ Eine Zusammenarbeit, ernst, zumal ich selbst mich ja beschwert die mit einem „Freut Euch!“ beginnt, habe, als uns 2014 unser Erzbischof zu- kann keine traurige Angelegenheit wer- gunsten einer anderen Ortskirche ge- den! Dabei ist Erzbischof Koch natürlich nommen wurde. Ich muss es gemeinsam bewusst, dass auch in Berlin, Branden- mit den anderen Mitgliedern des Metro- burg und Vorpommern nicht alles eitel politankapitels auch ertragen, dass ich Sonnenschein sein wird. Doch die Freu- keine Antwort auf die Frage geben darf, de am Herrn ist stärker. dies verbietet das Wahlverfahren. Manchmal ist es Lieber Herr Erzbischof, ich habe den Termin Ihrer nicht einfach, sich an die Spielregeln zu halten. Amtseinführung herbeigesehnt. Mit diesem Tag darf Und dennoch – ich freue mich von Herzen, dass Bi- ich die Verantwortung für die Erzdiözese in Ihre Hän- schof Heiner Koch unserer Wahl zugestimmt hat! Ich de legen. Ich verspreche Ihnen, dass wir Sie nicht al- bin überzeugt, er ist genau der richtige Hirte für un- leine lassen, sondern mit Ihnen gemeinsam den Weg ser Erzbistum Berlin. Ob im Gespräch mit der Pres- gehen, dass wir Ihnen zur Seite stehen und mit Ihnen se, mit dem Kapitel, mit den Mitarbeiterinnen und immer mehr und überzeugender Kirche des Herrn Mitarbeitern im Ordinariat oder mit dem Priesterrat sein und werden wollen. Ich wünsche Ihnen im Heili- – ich erlebe ihn als einen Bischof, der den Menschen gen Geist viel Kraft, Beharrlichkeit und Ausdauer auf zugewandt ist, der etwas zu sagen hat, der aber auch den langen Wegen, die es im Erzbistum zurückzule- gut zuhören kann. In seinem ersten Gruß an sein neu- gen gilt. Und ich wünsche Ihnen die tief empfundene es Erzbistum steht der schöne Satz: „Gerne gehe ich „Freude allezeit“, die sich durch nichts und nieman- mit Ihnen diesen Weg, uns unserer Berufung vor Gott den entmutigen lässt. Die aus der Zuversicht kommt: neu bewusst zu werden und gemeinsam nach Wegen „Der Herr ist nahe!“ zu suchen, das Wort Gottes in unserer Zeit den Men- In Seinem Namen und mit Seinem Segen beginnen schen nahe zu bringen.“ Ich höre daraus eine große Sie nun Ihren Weg mit uns. Unsere Fürbitten beglei- Nähe unseres Erzbischofs zu allen, die mit ihm un- ten Sie dabei! Ein Bischof für alle! Liebe Leserinnen, liebe Leser, ein Bischof für alle A us der R edaktion wolle er gerne sein, sagte Erzbischof Heiner Koch christlicher Kirchen, des Judentums und des Islam kurz nach der Bekanntgabe, dass er der Nachfolger eingeladen – quasi als Stellvertreter derer, für die von Kardinal Rainer Maria Woelki werden wird. er Bischof sein möchte. Ein Bischof für alle! Wer Ein Zeichen dafür setzte er schon vor dem eigent- genau dieser „Eine“ und wer alles diese „Alle“ sind, lichen Amtsantritt beim Ablegen des staatlichen das ist Thema dieses Magazins, das Sie gerade in Treueeids. Erzbischof Koch hatte dazu neben Ka- den Händen halten. tholiken auch Flüchtlinge und Vertreter anderer Viel Spaß beim Lesen wünscht Alexandra Wolff. Tag des Herrn magazin 3
„Er weiß, wo er hinkommt“ Berlin hat wieder einen Erzbischof Alexandra Wolff Ein Zugticket zurück ins Bistum Dresden-Meißen. Schmitt auch drei Stücke von Karl Forster ausgewählt Das schenkte der Vorsitzende des Diözesanrats der hat. Schmitt beeindruckt vor allem ein „Laudate Do- Katholiken im Erzbistum Berlin, Wolfgang Klose, dem minum“, das ein Amtsvorgänger (1934-1963) in den neuen Erzbischof, Heiner Koch, zu dessen Einfüh- letzten Kriegstagen 1945 vollendete. Zu dem Pontifi- rung. Doch natürlich nicht zu seinem alten Amtssitz kalamt sangen der Chor und die Jugendkantorei der nach Dresden, sondern nach Leipzig: St. Hedwigs-Kathedrale. Der Kam- „Dort wollen wir gemeinsam den mersymphonie Berlin hat sie beglei- 100. Katholikentag feiern“, erläuterte tet. An der Orgel saß Domorganist Klose in seinem Grußwort. „Dieses Thomas Sauer. Ticket ist Versprechen und Zusage, Die Auswahl der Lieder, die „voller dass wir mit ganz vielen zu ‚unserem‘ Inbrust mitgesungen wurden“, be- Katholikentag fahren wollen.“ wunderte Martin Kehnen, einer der Obwohl der Einführungsgottes- Gottesdienstbesucher, aber auch, dienst des neuen Erzbischofs auch dass die Fürbitten auf deutsch, ara- in benachbarte Gebäude übertragen bisch, englisch und kroatisch vor- wurde, reichte der Platz nicht für getragen wurden. Und auch beim alle, die gerne dabei gewesen wären. anschließenden Empfang staunt Deswegen waren viele auf die Über- Kehnen: „So viele unterschiedliche tragungen im Fernsehen und im In- Kulturen.“ Unter den Gottesdienst- ternet angewiesen. besuchern waren auch Schwester In seiner Predigt ging Koch auf Sandra und Schwester Susanne sein Leitwort für den bischöfli- Dompropst Rother präsentiert die von den Missionares Identes: „Er chen Dienst ein: „Gaudete semper! Ernennungsurkunde des neuen Erzbischofs. weiß, wo er hinkommt, kennt die Dominus prope“, also „Freut euch Diasporasituation und die damit allezeit! Der Herr ist nahe“ (Phil 4,4.6): „Gott kommt verbundenen Herausforderungen“, zeigt sich Schwes- nicht irgendwann, er ist da: jetzt und hier, in Kreuz- ter Sandra vom neuen Erzbischof überzeugt. Und ihre berg, Charlottenburg und Köpenick, in Potsdam und Mitschwester ergänzt: „Es ist toll, wie unvoreingenom- Greifswald, Brandenburg oder Frankfurt an der Oder, men er auf die Menschen zugeht.“ immer und ewig, in Freude und Leid, in Glück und Dass er so „echt und normal“ sei, bewundert auch Not, wenn ich seine Nähe spüre und wenn er mir Schwester Margit von den Comboni-Schwestern an fern zu sein scheint, im Leben und im Tod: Er ist und Heiner Koch. „Mit was für einer Klarheit er während bleibt uns nahe. Setzt dem menschlichen Leben keine seiner Predigt über die Liebe gesprochen hat! Dass Grenzen! Dafür müssen wir als Christen einstehen, der Weg zu Gott der Weg über die Menschen sei, dar- auch wenn wir dafür nicht von allen Seiten Beifall in hat ihn ja sogar der Regierende Bürgermeister Mi- bekommen.“ chael Müller in seinem Grußwort bestärkt.“ Dass sie mit dieser Meinung nicht alleine steht, zeigte sich bereits während des Pontifikalamtes: Nach der Fürbitten auf deutsch, arabisch, englisch und Inbesitznahme der Kathedra, bei einigen lobenden kroatisch – so viele unterschiedliche Kulturen Grußworten und sogar nach der Predigt gab es lang anhaltenden Applaus. Und gelacht wurde auch. Bei- Für diesen Wahlspruch hat Domkapellmeister Ha- spielsweise als der Rheinländer Koch erwähnte, dass rald Schmitt ein Chorwerk von Edward Elgar bear- bei seinem Amtsantritt in Dresden Köln spielte und beitet und neu orchestriert. Ein weiterer besonderer nun Köln wieder gegen Berlin antrete. Seine Dankes- musikalischer Akzent war, dass neben Werken von worte endete er mit: „Damals hat Köln gewonnen. Ich Josef Rheinberger und Felix Mendelssohn Bartholdy wünsche Ihnen eine schöne Woche.“ Tag des Herrn magazin 5
Heiner Koch kann zuhören und sucht bei jeder Gelegenheit das persönliche Gespräch mit jungen und alten Menschen – hier bei einer sorbischen Wallfahrt in Ralbitz-Rosenthal. Foto: picture alliance Für eine anziehende Kirche – zum Greifen nah Ein Porträt des neuen Berliner Erzbischofs: Wer ist Heiner Koch? Dorothee Wanzek Advent 2012. Das Dresdner Domkapitel hatte Heiner erzählt er dabei von Menschen, denen er selbst begeg- Koch zum Bischof gewählt. Ein paar Tage Bedenkzeit net ist und deren Lebenserfahrung ihn beeindruckt räumte man ihm ein. Nach Gebeten und innerem Rin- oder nachdenklich gestimmt hat. gen schrieb er schließlich in der Christnacht sein „Ja“ Würdenträger sind das selten, sondern eher einfache an Gott auf einen Zettel und legte es in die Krippe des Menschen wie die alte Frau, die ihm vom Bombenan- Kölner Doms. griff auf die Dresdner Hofkirche erzählte, wie sie ne- Bei seiner Ankunft in Dresden erzählte er davon. Hei- ben ihrer Schwester stand, die von einer Brandbom- ner Koch weiß um die Kraft von Bildern und Sym- be getroffen war und kurz vor ihrem Tod noch ein bolen, und das nicht erst seit seiner Zeit als Gene- Kirchenlied sang. Oder die atheistische Großmutter, ralsekretär des Kölner Weltjugendtags. Dass Glaube die bei der Tauffeier ihrer erwachsenen Kinder und Sichtbares und Greifbares braucht, um sich zu ent- Enkel in Tränen ausbrach und fragte: „Was habe ich zünden und zu wachsen, gilt nicht nur für junge Men- bloß falsch gemacht, dass meine Kinder sich jetzt tau- schen. Heiner Koch ist das bewusst. Den Zuhörern fen lassen?“ Und auch die tief gläubigen Eltern, für seiner Predigten bietet er selbst schwere theologische die das Krankenzimmer ihrer schwerst behinderten Kost immer in anschaulicher Verpackung, meistens Tochter wie eine Hauskapelle ist. 6 Tag des Herrn magazin
Die am Rande stehenden, Kleinen, Benachteiligten, Foto: Dorothee Wanzek Vergessenen sind dem neuen Erzbischof nicht erst wichtig, seit Papst Franziskus von einer „Kirche für die Armen“ spricht. Nicht von ungefähr hat Heiner Koch sein Ja-Wort zu Dresden in die Krippe gelegt und nicht vor eine Darstellung des erwachsenen oder gar königlichen Jesus. Gott, der sich klein gemacht hat und Mensch geworden ist, ist eines seiner bevor- zugten Predigtthemen, nicht nur zu Weihnachten. Dass er mit seinem pastoralen Prozess für das Bistum Dresden-Meißen an die Eucharistie angeknüpft hat, passt dazu: Die Selbsthingabe Christi, der sich so klein macht, dass er für den Menschen zur Nahrung wird, Heiner Koch weiß um die Kraft von Symbolen: Als er seinen Ab- ist der Angelpunkt. „Wir empfangen den Leib Christi, schied aus Dresden ankündigt, zeigt er ein Foto von seinem Emp- fang mit dem mittlerweile verstorbenen Weihbischof Weinhold. um mit Christus und miteinander Leib Christi zu sein für die Menschen“, schrieb der Bischof auf das Bild, das er bei seinem Abschiedsgottesdienst in der Dresd- ner Kathedrale verteilen ließ. B i ograf i sches Verhärtete Gottlosigkeit, Lebensstationen von ein Stachel im Fleisch Erzbischof Heiner Koch Als Kirche nicht nur für die eigenen Mitglieder da zu sein, sondern für alle Menschen, beschäftigt Heiner Koch nicht nur in „Eigentlich-müsste-man-doch“-Re- Heiner Koch wurde am 13. Juni 1954 in Düssel- den. Es lässt ihm keine Ruhe, dass offensichtlich so dorf als Sohn eines Justizamtsrates und einer viele Menschen im Osten Deutschlands sich selbst- Hausfrau geboren, die beide aus Schlesien stam- verständlich in einem Leben ohne Gott eingerichtet men. Nach dem Studium der Theologie, Philoso- haben. Deshalb nutzt er jede sich bietende Gelegen- phie und Erziehungswissenschaften in Bonn und heit, gelebten Glauben erfahrbar zu machen und über einer Promotion in Theologie empfing er 1980 Glaubensfragen ins Gespräch zu kommen. In Sachsen in Köln die Priesterweihe. Anschließend war er und Thüringen hat er dabei besonders die Möglich- unter anderem Hochschulpfarrer an der Univer- keiten schätzen gelernt, die christliche Kindergärten sität Düsseldorf und hatte leitende Funktionen in und Schulen als Erfahrungs- und Gesprächsorte für der Verwaltung des Erzbistums Köln inne. 2002 Kinder und ihre Eltern bieten. Auch unkonventionel- ernannte der damalige Kölner Erzbischof, Kardi- le Kanzeln hat er immer wieder gerne genutzt, zum nal Joachim Meisner, Koch zum Generalsekretär Beispiel das Spielfeld des Dynamo-Dresden-Fußball- des Weltjugendtags 2005. Nach der Bischofswei- stadions, auf dem der bekennende Fortuna-Düssel- he durch Meisner ein Jahr später war er Weihbi- dorf-Fan einmal während einer Halbzeitpause das schof im Erzbistum Köln. Mikrofon gereicht bekam. Im März 2013 ernannte Papst Benedikt XVI. Koch Auch sein Mittun bei Karneval und Schützenbrüder- zum Bischof des Bistums Dresden-Meißen. Papst schaften entspringt nicht allein seinem Sinn für Hu- Franziskus berief ihn am 8. Juni zum Erzbischof mor und rheinische Geselligkeit, sondern auch dem von Berlin. Dieses Amt tritt Koch am 19. Septem- Wunsch, als Priester und Bischof nahe bei den Men- ber an. schen zu sein und mit ihnen die Sorgen, aber auch die Als „Familienbischof“ der Deutschen Bischofs- Freuden zu teilen. konferenz hat er zudem eine wichtige Rolle bei Nahe bei den Menschen zu sein, das heißt für Bischof der Vorbereitung der Familiensynode im Herbst Koch nicht zuletzt auch, sich bei Stellungnahmen zu im Vatikan. Im Auftrag der Bischofskonferenz ist gesellschaftlichen und politischen Fragen mit Ankla- er überdies für die Kirchengemeinden deutscher gen und Pauschal-Verurteilungen zurückzuhalten, Katholiken im Ausland und für das Osteuropa- bei öffentlichen Kontroversen alle Parteien im Blick Hilfswerk Renovabis verantwortlich. Er gehört zu behalten und zu respektieren, das konstruktive Ge- der Leitung des 100. Katholikentags Leipzig 2016 spräch zu fördern. Bei den Dresdner PEGIDA-Kund- an, der vom 24. bis 29. Mai 2016 in Leipzig statt- gebungen etwa machte er sich unmissverständlich finden soll. (kna) Tag des Herrn magazin 7
für eine Willkommenskultur gegenüber Flüchtlingen die Hauptstadt gelockt, sondern die Überzeugung, und Fremden stark, suchte zugleich aber auch das Ge- dass sich Gottes Pläne mit der Kirche durchaus auch spräch mit Bürgern, die sich vor der steigenden Zu- durch das Wort des Papstes offenbaren können, das wanderung ängstigen. machte er seit Bekanntgabe seiner Ernennung immer „ „Ich maße mir nicht an, amtlich von der Kanzel her wieder deutlich. „Ich kann nicht von meinen Pries- zu beurteilen und zu belehren, welches die richtigen tern bei unumgänglichen, aber unliebsamen Ver- politischen Maßnahmen sind, um Völker und in ih- setzungen Gehorsam verlangen, wenn ich ihn nicht nen die Menschen vor dau- selbst lebe“, betont Heiner Koch erhafter Verschuldung und und fügt das gleiche hinzu wie Abhängigkeit in der Welt mo- Wir wissen nicht, wohin schon bei seinem Wechsel nach derner Finanzbeziehungen Dresden: „Die Entscheidung war “ zu befreien“, sagte der Bischof Gott uns führt. Wir wissen ein geistlicher Weg.“ in seiner Predigt zum G7-Fi- Sich Zeit zu nehmen für Gebete nanzministertreffen in Dres- nur, dass er uns führt. und Stille, ist ihm nicht nur vor den. Aber es müsse klar sein: großen Entscheidungen wichtig. „Letztlich geht es nicht um ein Edith Stein In seinem Anliegen, den Alltag Finanzsystem, sondern um in enger und lebendiger Bezie- die Würde und Größe eines hung zu Christus zu gestalten, ist jeden Menschen, der nicht leben kann, wenn andere er besonders von Edith Stein und der karmelitischen Menschen und Systeme ihn nicht leben lassen, wir Spiritualität geprägt. „Sich die Gegenwart Gottes zu ihnen viel schuldig bleiben und wir eigentlich ihre vergegenwärtigen und mit dem auferstandenen, le- Schuldner sind.“ bendigen Christus durch den Tag zu gehen, aktiv zu Dass Heiner Koch sich in der Öffentlichkeit und nicht sein in der Kontemplation und kontemplativ in den zuletzt auch auf internationalem Parkett wohlfühlt, Aktionen“ ist dabei das ständige Bemühen. ist unübersehbar, nicht zuletzt bei seinen Reisen in „Christus ist auch in der Küche, mitten zwischen den alle Welt als Beauftragter der Deutschen Bischofskon- Kochtöpfen“, hat die berühmte Karmelitin Teresa von ferenz für die Auslandsseelsorge. Als Erzbischof von Ávila einmal geschrieben. „Gott ist schon längst in Berlin wird er künftig noch näher dran sein am welt- Berlin angekommen“, sagte der Berliner Erzbischof bewegenden politischen Geschehen. bei seiner Abschiedsfeier in Dresden. „Ich reise nach.“ Nicht der Kitzel des Machtzuwachses hat ihn aber in Bischof Heiner Koch enthüllt das Werbepla- kat für den Katholikentag 2016. Als Me- tropolit bleibt er diesem Er- eignis weiter verbunden. 8 Tag des Herrn magazin
Immer den Menschen im Blick Dresdner geben Auskunft über Heiner Koch Raphael Schmidt Martina Weser war zweieinhalb wie Bischof Koch seine persönli- aufmerksam darauf, wie es seinen Jahre lang Sekretärin von Bischof chen Kontakte gepflegt hat, auch Mitarbeitern geht.“ Der Bischof Heiner Koch. „Der Bischof ist ein zu Menschen, die er in seiner Zeit gehe mit viel Energie und Kraft an ganz besonderer Mensch“, sagt sie. in Köln und Düsseldorf kennenge- seine Arbeit. „Manchmal im Auto „ „Er geht unglaublich freundlich lernt hat. „Wenn ihn jemand besu- auf dem Weg zu einem Termin auf jeden Menschen zu, egal wer chen wollte, hat er immer einen fragt er Herrn Bittner, seinen Fah- es ist. Auch wenn es einmal etwas Weg und etwas Zeit gefunden. Sein rer, wie lange es bis zur Ankunft zu kritisieren gibt, sucht er immer Wohnung stand immer offen, für alle. Gastfreundlichkeit ist einer seiner besonderen Charakterzüge.“ Immer ein offenes An eine kleine Begebenheit kann sich Martina Weser noch gut er- Haus und innern: Kurz nach Beginn ihrer “ Tätigkeit feierte sie ihren 50. Ge- ein bisschen Zeit burtstag. Es war ein kalter Oster- sonntag. Am Abend klingelte es für jeden. und vor der Tür stand der Bischof. Durchgefroren, denn er kam gera- Martina Weser de vom Osterreiten, aber mit ei- nem großen Blumenstrauß in der Hand, um zu gratulieren. „Keinen noch dauert. Fünf Minuten, ant- Martina Weser Geburtstag oder Namenstag hat er wortet dieser. Für mich wäre das vergessen.“ die Zeit noch etwas zu entspannen zuerst das Positive. Und erst dann Andreas Kutschke war als Gene- und aus dem Fenster zu schauen. kommt die Kritik, so verpackt, ralvikar einer der engsten Mitar- Nicht so Bischof Koch: Er führt dass man sie immer annehmen beiter von Bischof Koch. Er sei noch eineinhalb Telefonate oder kann.“ Der Bischof arbeite unheim- im Umgang ein sehr angenehmer diktiert einen Brief. “ lich fleißig und effizient. „Tags- und aufmerksamer Menschen, ge- über habe ich ihm die Mappen tragen von einem tiefen Glauben. vorbereitet. Abends wenn er von „Auch in schwierigen Situationen seinen Terminen zurückkommt, verliert er den Menschen nicht aus arbeitet er sie durch, oft bis spät dem Blick. Wenn ich als Generalvi- in die Nacht hinein. Und am Mor- kar manchmal in der Gefahr war, gen liegt alles erledigt auf meinem zu sehr in Strukturen zu denken Schreibtisch und kann von mir und zu handeln, hat er immer wie- weiterbearbeitet werden.“ Dabei der darauf aufmerksam gemacht, ging es nicht nur um die Dinge, dass es um den Menschen geht die im Bistum auf der Tagesord- und die Nöte, in denen er viel- nung stehen. Bischof Koch ist zum leicht gerade steckt.“ Beispiel auch der Familienbischof Von seinen Mitarbeiterinnen und Andreas Kutschke der Bischofskonferenz und er ist Mitarbeitern erwarte Bischof zuständig für die Auslandsseelsor- Koch Leistung, sagt Andreas ge für die deutschsprachigen Ka- Kutschke. „Dabei geht er selbst „Ein großes Anliegen von Bischof tholiken in aller Welt. voran und arbeitet oft bis spät in Koch ist es, dass Kirche in der Beeindruckt hat Martina Weser, die Nacht. Trotzdem achtet er sehr Öffentlichkeit wahrgenommen 10 Tag des Herrn magazin
wird. Deshalb hat er so viele Ein- zu finden.“ Wenn schmerzliche wäre die Zeit der Ernte gewesen; ladungen wie möglich angenom- Entscheidungen zu treffen seien, jetzt muss er gehen.“ men“, sagt Andreas Kutschke. Das versuche er, sie den Betroffenen Der Bischof hat auch die Frak- sei schon in Dresden schwierig verständlich zu machen. Bischof tionen im Sächsischen Landtag gewesen. In Berlin werde es wohl Koch sei jemand, „der dem ein- besucht. Als erster katholischer so kaum möglich sein. „Allen alles zelnen Schaf so weit wie möglich Bischof in Sachsen war er dabei werden, ist ein hoher Anspruch: nachgeht, ohne dabei die Mehrheit auch bei der Fraktion „Die Linke“. Letztlich kann das nur Gott ganz.“ aus dem Blick zu verlieren. Und Pötzsch: „So etwas hat mitunter Diesen Trost will der ehemalige dabei hat er einen bemerkenswert zu Irritationen geführt.“ Dass die Generalvikar seinem bisherigen langen Atem.“ Fraktion „Die Linke“ später ihr Bischof mitgeben. Für den Start Als weitere markante Eigenschaft Glückwunschschreiben anlässlich in Berlin wünscht er ihm, dass er von Bischof Koch nennt Elisabeth der Ernennung zum Erzbischof sich schnell in die neue Situation Neuhaus dessen Humor. „Freude von Berlin mit der Bitte um sein hineinfindet, gute Mitarbeiter und steht nicht nur in seinem Wappen- Gebet für einen guten Nachfolger Orte geistlicher Beheimatung. „Ich spruch, sie lebt in seinem Herzen. beendet hat, lässt für Christoph bin Bischof Koch dankbar für das, Mit dieser Freude und positiven Pötzsch erahnen, welchen Ein- was er für unser Bistum in dieser Ausstrahlung öffnet er manche druck der Bischof auf die Politi- kurzen Zeit getan hat und wün- Herzen und weitet scheinbar fest- ker gemacht hat. „Mehr kann man sche ihm im neuen Amt Gottes gefahrene Situationen. Die Berli- hier in Dresden nicht erreichen.“ Segen! “ ner können sich auf einen solchen Wie wichtig Bischof Koch die Beg- „An Bischof Koch schätze ich sei- Bischof freuen!“ nungen mit Menschen sind, dafür ne Gott verbundene Menschen- „Heiner Koch ist ein sehr offener Mensch, der auch als Bischof nicht oben auf der Kathedra thront. Er braucht immer Menschen um sich. Und besonders wichtig sind ihm alle Arten von Kommunikations- mittel“, sagt Ordinariatsrat Chris- toph Pötzsch, Leiter des Katholi- schen Büros Sachsen. Und: „Er ist in der Lage, bei seinem Gegenüber innerhalb kürzester Zeit festzustel- len, wo dessen Stärken sind. Das ist eine faszinierende Gabe.“ Die zwei Jahre an seiner Seite waren für Gottfried Kschidock Elisabeth Neuhaus Christoph Pötzsch „wichtige Lehr- stunden. In dieser Zeit hat Heiner hat Gottfried Kschidock ein paar freundlichkeit. Neben seiner Beispiele parat: „Der Bischof kam geistlichen Verwurzelung be- manchmal ziemlich knapp zum eindrucken seine Energie, seine Gottesdienst. Er war auf dem kur- Innovationskraft und die Bereit- zen Weg von seiner Wohnung in schaft, sich von Menschen mit die Kathedrale von Menschen, die unterschiedlichen Perspektiven das Gespräch mit ihm suchten, auf- beraten zu lassen, um dann seine gehalten worden. Eigentlich war Entscheidung zu treffen.“ Das sagt der Bischof immer im Gespräch Elisabeth Neuhaus. Sie leitet die mit den Leuten. Selbst wenn der Pastoralabteilung im Ordinariat Gottesdienst dadurch mal etwas in Dresden. Bischof Koch interes- später begann – das machte nichts. siere sich für die Menschen und Begegnungen mit den Menschen ihre Lebensgeschichten. Er hört zu sind ihm außerordentlich wichtig. und stellt Fragen. „Ich habe ihn in Christoph Pötzsch Als er damals nach Dresden kam, hat allen Leitungsfunktionen immer er auch uns, die Sakristeibesetzung auch als echten Seelsorger erlebt, Koch alle wichtigen Menschen in der Kathedrale, zum Kaffee eingela- der versucht, Menschen entgegen Dresden kennengelernt“. Pötzsch den. Das hat er wohl auch mit allen zu kommen und Lösungswege bedauert den Weggang: „Jetzt anderen Mitarbeitern so gemacht.“ Tag des Herrn magazin 11
Traditionsbewusst auf neuen Wegen: Das Erzbistum Berlin ist ein vergleichsweise junges Bistum. Es wurde als Bistum erst 1930 gegründet und 1994 zum Erzbistum erhoben. Zugleich gründet es aber auf einer langen Tradition, denn es liegt auf dem Gebiet der ehemaligen Bistümer Brandenburg, Havelberg, Cammin und Lebus. Diese wurden im zehnten bis zwölften Jahrhundert gegründet und bestanden bis ins 16./17. Jahrhundert. Vielfältige Traditionen bringt das Bistum aber auch durch seine recht unterschiedlichen Regionen und durch den Zuzug von Menschen aus aller Welt mit. Auf der anderen Seite ist vor allem Berlin eine moderne Großstadt, die gelegentlich als „Hauptstadt des Atheismus“ bezeichnet wird. Für die Kirche heißt das auch, immer wieder nach neuen Wegen zu suchen, wie sie die Botschaft des Evangeliums zu den Menschen bringen kann.
Foto: Walter Wetzler Lieber Erzbischof Koch! Herzlich willkommen – so ähnlich, meist viel netter, haben wir die Willkommensgrüße überschrieben, die Sie in diesem Sommer von uns erhalten haben. WIR – das sind: Menschen von der Ostseeküste, ansässig an den Ufern von Oder, Uecker, Randow, Weise, Ucker, Rhin, Havel, Elbe, Plane, Nieplitz, Dosse, Stepenitz, Spree, Panke, Dahme, Löcknitz, Schlaube (das sind noch nicht alle Flüsse). Fast jedes Ufer hat einen eige- nen Menschenschlag hervorgebracht – auch die vielen Seen. Darüber gibt es lesenswerte Geschichten – nicht nur von Fontane. WIR sind reich an geprägtem Eigensinn, an praktizierter Lebensfreude, an lebendigem – manchmal verstecktem – Glauben, an kritischer sponta- ner Teilhabe, an (un-)geduldigem Verbesserungswillen ... WIR sind „der Schatz“ des Erzbistums … Selbstbewusst sind wir auch. WIR im Erzbistum Berlin, – und nun sind alle gemeint, zugereist oder zugezogen (aus 190 Staaten) – wir warten auf Sie als Bischof, Hirte, Lehrer … Ihre Worte in ei- nem Interview hören sich spannend an: „Schließlich möchte ich nicht nur der ,Hauptstadtbischof‘, sondern ein Bischof für alle sein.“ Traditionsbewusst auf neuen Wegen: Ein jeder, von Gott geschenkter neue Tag bringt neue Wege: Wege irgendwohin, Wege zu den Menschen, Wege in mein Inneres, Wege zu Gott – und umgekehrt. Ich nehme mich (und meine Vergangenheit) mit auf neuen Wegen. Die Quellen der Vergan- genheit unseres Erzbistums sind vielfaltig und lehrreich: Seit 1709 wur- den die Interessen der Katholiken in Mitteldeutschland durch den Apos- tolischen Vikar für Hannover wahrgenommen. Für katholische Soldaten und Gewehrarbeiter wurden Gottesdienste in Berlin, Potsdam, Stettin und Spandau gefeiert. Durch pfälzische Auswanderer entstanden in Viereck, Luisenthal und Hoppenwalde katholische Gemeinden. 1761 entstand die Pfarrei Stralsund, damals zu Schweden gehörig. 1773 wird die Gemeinde St. Hedwig mit den Rechten einer Pfarrei ausgestattet; die Stolgebühren (Vergütungen für kirchliche Handlungen, d. Red.) mussten aber an den evangelischen Pfarrer abgeliefert werden. 1809 erhielten Stettin, Spandau und Frankfurt (Oder) Pfarrrechte. 1821 wurden die Pfarreien Berlin, Pots- dam, Spandau, Frankfurt (Oder), Stettin und Stralsund als „besonderer Bezirk“ dem Fürstbischof von Breslau unterstellt. Daraus entwickelte sich die Fürstbischöfliche Delegatur mit dem Propst von St. Hedwig als Delega- ten. Jetzt war St. Hedwig die Mitte des künftigen Bistums. Die heilige Hedwig von Schlesien kann uns Impulsgeberin sein für unsere caritativen, schulischen, missionarischen oder auch organisatorischen Ak- tivitäten. Wir müssen neue Antworten (Wege) finden auf die Herausforde- rungen von Flüchtlingen und Asylsuchenden, den Zuzug in das deutsch/ polnische Grenzgebiet und ins Ballungszentrum Berlin, der Hauptstadt. Unsere Vorfahren haben zum Beispiel Schulen gegründet, damit Bildung und Religion fundiert sind. Warum nicht eine deutsch-polnische Schule in der Uckermark und eine weitere Grundschule in Berlin? Einer Ihrer Vorgänger sagte: „Wo katholisch draufsteht, muss auch katho- lisch drin sein!“ Wir benötigen katholische Lehrkräfte und katholische Mitarbeitende. Eine „Zweiklassengesellschaft“ innerhalb der Mitarbeiter- schaft („Wir haben gute und sehr gute Mitarbeiter“), die sich nur über Zu- lagen definiert, ist nicht gemeinschaftsfördernd! Ich hoffe, Sie bleiben lange im Erzbistum und Ihre Freude wächst! Ronald Rother, Dompropst
Kirchlich gesehen gehört das ganz anderen Erinnerungen „Hauptstadt“-Erzbistum Ber- verbunden ist – erfolgte auf lin nicht zu den wichtigsten der Grundlage des sogenann- Diözesen in Deutschland. ten Preußen-Konkordats von Das flächenmäßig zweitgröß- 1929. Bis dahin war die gro- te (nach Hamburg) Bistum ße Region ein Delegaturbe- liegt mit seinen 408 953 Ka- zirk des Bistums Breslau. tholiken und seiner gerin- (Der östlich der Oder gelege- gen Finanzkraft im unteren ne Teil einschließlich der Ha- Mittelfeld der 27 deutschen fenstadt Stettin fiel 1945 an Bistümer. Auch den inoffizi- Polen und kam 1972 zu zwei ellen Titel, das „schwierigste neugegründeten polnischen Bistum der Weltkirche“ zu Diözesen.) sein, wie Papst Johannes Paul Die Geschichte des Christen- II. einmal sagte, als es noch tums im Gebiet des heutigen von Mauer und Stacheldraht (seit 1994) Erzbistums Berlin durchzogen wurde, hat es reicht mindestens 1000 Jah- seit der Wiedervereinigung re zurück. Bereits im zehnten Deutschlands nicht mehr. Jahrhundert wurden hier Foto: kna Doch solche Einordnungen die Bistümer Brandenburg sind für das kirchliche Leben und Havelberg gegründet, ohnehin kaum von Bedeu- Der Bischofssitz in der St. Hedwigs-Kathedrale ist wie- im zwölften Jahrhundert tung. der besetzt. Heiner Koch ist der zehnte Bischof des 1930 die weiter östlich gelegenen Wichtiger ist da schon die Be- gegründeten Bistums. Bistümer Lebus und Kam- merkung, die der damals neue min. Deren Entstehung war Erzbischof Rainer verbunden mit den Maria Woelki beim Besuch von Papst Benedikt im Olym- Zwischen zwei Missionsreisen, die Bischof Otto von Bamberg, heute Ber- Hauptstadt und piastadion im Sep- liner Bistumspatron, tember 2011 machte: 1124/28 nach Pom- Berlin sei keineswegs mern unternahm. In eine gottlose Stadt, der ersten urkundli- sondern „vielmehr sogar eine Stadt der Märtyrer“. In keiner Provinz chen Erwähnung von Berlins mittelalterli- cher Vorgängerstadt deutschen Stadt seien Cölln 1237 wird ein „im 20. Jahrhundert mehr Christen als Das Erzbistum Berlin Pfarrer namens Sime- on von der Petrikirche Zeugen für Christus zu Cölln unter den und seine Botschaft Norbert Zonker Zeugen aufgeführt. gestorben“ als in Ber- Gründungen von Zis- lin. Unter den Geistli- terzienserklöstern chen und Laien des Bistums, die ihren Einsatz für die wie Lehnin, Zinna oder Chorin im 12. und 13. Jahr- Verfolgten oder ihren Widerstand gegen die Nazis mit hundert, aber auch eines Benediktinerinnenklosters dem Leben bezahlten, ist der 1996 seliggesprochene in Spandau sowie von Klöstern der Franziskaner und Dompropst Bernhard Lichtenberg (1875–1943). Die Dominikaner in Berlin und Cölln zeugen von einem Erinnerung an die Märtyrer des Nationalsozialismus reichhaltigen kirchlichen Leben. – und an die vielen, die in den Zeiten des Kommu- Nach der Reformation wurde Brandenburg 1540 nismus ihren Glauben bewahrt haben – gehört, auch protestantisch, die mittelalterlichen Bistümer sowie wenn nur noch wenige Zeitzeugen der NS-Zeit leben, katholische Einrichtungen und Klöster wurden auf- zu den bleibenden Aufgaben der Berliner Ortskirche. gelöst. Doch die Expansion Brandenburg-Preußens Als eigenes Bistum besteht sie noch keine 100 Jahre. führte dazu, dass auch wieder Katholiken zum Land Die Gründung 1930 – an einem 13. August, einem Da- gehörten. Preußenkönig Friedrich II. ließ für sie nach tum, das durch den Bau der Berliner Mauer 1961 mit den Schlesischen Kriegen die 1773 geweihte Sankt- 14 Tag des Herrn magazin
Hedwigs-Kirche – die heutige Kathedrale des Bistums Einen besonderen Akzent setzt das (Erz-)Bistum Ber- – bauen. lin seit jeher auf Schule und Bildung; in der Haupt- Unter den zehn Berliner Bischöfen waren mehrere stadt ist es der größte Träger von freien Schulen. prägende Gestalten. Der aus Bayern stammende Kon- Ebenfalls stark engagiert ist das Erzbistum in der ka- rad Graf von Preysing (1935-50), von Anfang an ein ritativen Arbeit. In den Krankenhäusern, Sozialstatio- entschiedener Gegner des NS-Regimes, gehörte zu nen, Beratungsstellen und anderen Einrichtungen in den herausragenden Köpfen des damaligen Episko- Trägerschaft des Diözesancaritasverbands sind rund pats. Auch sein Kurs gegenüber dem sich nach dem 11 000 hauptamtliche Mitarbeiter tätig. Krieg herausbildenden SED-Staat setzte Maßstäbe. Unter seinen Nachfolgern war Julius Döpfner (1957– 61), später Vorsitzender der Deutschen Bischofskon- Nur in Köln und München leben ferenz. Auf ihn folgte der bisher einzige gebürtige Ber- mehr Katholiken als in Berlin liner, Alfred Bengsch (1961–80), der unmittelbar nach dem Mauerbau ernannt wurde und zwei Jahrzehnte Ein Vierteljahrhundert nach der Wiedervereinigung den kirchenpolitischen Kurs einer „loyalen Distanz“ des 28 Jahre durch die Mauer getrennten Bistums gibt – so der Historiker und Publizist Martin Höllen – in es noch Mentalitätsunterschiede in Ost und West, de- der DDR prägte. Ihm gelang es trotz aller Schwierig- ren Stellenwert allerdings nachlässt. Das hängt nicht keiten, die Einheit des Bistums zu bewahren. zuletzt damit zusammen, dass Berlin immer noch – Aus Erfurt kamen dann Joachim Meisner (1981–89), wie meist in seiner Geschichte – durch Zuwanderung der noch zu DDR-Zeiten auf spektakuläre Weise nach geprägt ist. Aufgrund dieses Zustroms bleibt hier zu- Köln berufen wurde, sowie Georg Sterzinsky (1989– gleich auch der Katholikenanteil seit Jahren mit gut 2011). Dieser stand vor der schwierigen Aufgabe, das neun Prozent relativ stabil. Zum Vergleich: Der Anteil politisch, aber nicht kirchenrechtlich geteilte Bistum der Protestanten sank in zwei Jahrzehnten um ein wieder zusammenzuführen, was sich als schwieriger Drittel, von 26 auf 17,5 Prozent. Mit ihren derzeit gut erwies als zunächst angenommen und um die Jahr- 331 000 Katholiken (leicht steigende Tendenz) liegt die tausendwende zu einer massiven Finanzkrise führ- Hauptstadt jedenfalls – Diaspora hin oder her – nach te. Sein Nachfolger Woelki startete in seiner kurzen Köln und München zahlenmäßig auf dem dritten Platz Amtszeit eine einschneidende Strukturreform des in Deutschland. Ganz anders sind die Verhältnisse in Erzbistums und nahm eine Sanierung und Umgestal- den zum Erzbistum gehörenden Regionen Branden- tung der Kathedrale in Angriff – beides nicht unum- burgs und in Vorpommern: die dort lebenden 63 000 strittene Projekte, die jetzt der neue Erzbischof Hei- bzw. 14 000 Katholiken verteilen sich auf weiträumige ner Koch zu Ende bringen muss. Pfarreien mit relativ wenigen Mitgliedern. Foto: Pictures Alliance Foto: kna Das Bistum Berlin (seit 1994 Erzbistum) hat mit Heiner Koch jetzt den zehnten Bischof seit seiner Gründung 1930. Hier einige Vorgänger: Kardinal Alfred Bengsch (Foto links Mitte) mit seinem Vorgänger Kardinal Julius Döpfner (links; rechts: Weihbischof Johannes Kleineidam). Das rechte Foto entstand beim Katholikentag 1990 und zeigt die Kardinäle Joachim Meisner (rechts) und Georg Sterzinsky. Tag des Herrn magazin 15
Im Zentrum der Coolness Was erwartet den Erzbischof? Ein Kommentar Volker Resing Berlin ist ein bisschen verkehrte Welt – zumindest aus bigen reden, so wird er wohl lernen müssen, dass die katholischem Blickwinkel. In der Hauptstadt wächst auf das Gespräch nicht gerade warten. An Berliner die Zahl der Katholiken, obwohl kaum irgendwo anders Schulen wird Humanismus als Bekenntnisunterricht das Katholische derart marginalisiert ist. Die Christen gelehrt, parallel zum Religionsunterricht. In so einer machen nur noch rund ein Drittel der Stadt aus, die zugigen Umgebung ist die Versuchung groß, sich in Katholiken nur zehn Prozent, dennoch ist Berlin mit die eigenen vier Wände zurückzuziehen. Dem muss 300 000 Katholiken die drittgrößte katholische Stadt der neue Erzbischof widerstehen. Aber zu der ver- Deutschlands. Und trotz der geringen Zahl kehrten Welt gehört auch, dass es bis- sind die Katholiken auch gespalten in Ost weilen in der Stadt eine große Neugierde und West. Ein Konflikt, der bis ins Ordi- für Religion und Religionen gibt. Jüngst nariat hereinreicht. Es gibt im Westen der lief auf der Museumsinsel eine Ausstel- Stadt katholische Gemeinden, die auch lung mit dem simplen Titel „Gott“. Doch durch Zuzug sehr vom Mehrheitskatholi- man muss aufpassen, dass sich die Ber- zismus „Westdeutschlands“, wie man hier liner für das Christentum nicht so inte- sagt, geprägt sind. Und im Osten tummelt ressieren, wie für die Inka oder Maya. sich weiter eine Diasporakirche, die bis- Faszinierend, aber vorbei. weilen immer noch stark aus der Erfah- Berlin ist auch die Stadt der sozialen rung der DDR-Vergangenheit lebt. Spannungen. Wie überall ist die katho- Dazwischen ist zusätzlich noch ein ei- lische Kirche als Helferin gefragt und gentümlicher Hauptstadt-Katholizismus präsent. Doch darf sie sich darauf nicht entstanden, der gespeist wird aus neu Volker Resing ist Chefredak- reduzieren lassen. sich ansiedelnden Gruppierungen und teur der Herderkorrespondenz Berlin ist die Stadt der religiösen Vielfalt. Ordensgemeinschaften, die gerne in der Kaum eine Sekte der Welt, die nicht auch „ „hippesten Stadt der Welt“ präsent sein wollen. Außer- in Berlin eine Niederlassung hat. Islam und Juden- dem kommen an die Spree Institutionen, die vor allem tum wiederum genießen in Berlin bisweilen eine viel als katholische Lobbyarbeiter in Berlin-Mitte noch mal größere öffent- ein ganz eigenes Milieu abgeben. Der neue Erzbischof liche Aufmerk- Heiner Koch muss mit dieser Gemengelage umgehen. samkeit als das Auf der einen Seite ist er Oberhirte einer armen und C h r i s t e n t u m . Mit der Rolle des versprengten Herde, auf der anderen Seite Hauptstadt- Auch da muss bischof der politisch wichtigsten Stadt Europas – und der neue Erzbi- belächelten Exo- des weltweit beäugten Zentrums für Coolness und schof Stellung Hippieness – und Hedonismus (Vergnügen als Zweck der Kirche in ten darf sich der des Handelns, d. Red.). Wer den berühmten Club „Berg- der Stadt neu “ hain“ als angesagtesten der Stadt bezeichnet, wird hier ausfüllen, im neue Erzbischof schon mal belehrt, er sei der wichtigste des Univer- Religionsdialog nicht abfinden. sums. Nun, Orte für Bischöfe sind das für gewöhnlich und auch im Er- nicht. Aber wie geht ein Erzbischof damit um, wenn klären des Eige- die städtischen Busse mit der bebilderten Werbung für nen. Wenn die Volker Resing ein Riesenbordell herumfahren, seine Kathedrale aber Katholiken mit kaum einer kennt. Die Postadresse des Bischofssitzes ein paar Tausend Menschen an Fronleichnam über lautet bekanntlich: Hinter der Katholischen Kirche 3. die Friedrichstraße ziehen, dann schütteln die meisten Es gibt in Berlin einen selbstbewussten wie religions- mit dem Kopf und die Japaner knipsen den Himmel kritischen bisweilen sogar aggressiven Atheismus. mit Monstranz. Mit der Rolle des belächelten Exoten Wenn Erzbischof Koch sagt, er wolle mit den Ungläu- darf sich der neue Oberhirte aber nicht abfinden. 16 Tag des Herrn magazin
Glaubens-Räume Erfahrungen mit dem Pastoralen Prozess Alfred Herrmann „Wir wollen unser Votum für einen Pastoralen Raum die geistliche Bedeutung des Prozesses vor Augen noch vor der Wahl abgeben, damit neu Pfarrgemein- und vergewissern sich ihrer selbst, stellen sich Fra- derat (PGR) nicht noch einmal von neuem diskutieren gen nach Altersverteilung, sozialer Situation, Haupt- muss.“ Tina Heller ist PGR-Vorsitzende von Herz-Jesu verkehrswegen. Mit diesen Erkenntnissen halten sie in Berlin-Prenzlauer Berg. Am 22. November wird ein Ausschau nach passenden Nachbarpfarreien, mit wel- neuer PGR gewählt – mitten im Pastoralen Prozess „Wo chen sie einen Pastoralen Raum bilden möchten, aus Glauben Raum gewinnt“. Die Pfarreien St. Hedwig, dem bis 2020/21 eine neue Pfarrei erwachsen soll. Herz-Jesu, St. Bonifatius und St. Marien Liebfrauen im In neun Arbeitsgruppen, die beim Steuerkreis im Or- Herzen Berlins wollen die sogenannte Findungspha- dinariat angesiedelt sind, diskutieren derweil Verant- se vorher abschließen. Dann kann wie in zahlreichen wortliche die Auswirkungen, Chancen und Möglich- weiteren Pfarreien die zweite Phase des Prozesses, die keiten auf das ganze Erzbistum. Zum Beispiel wie sich dreijährige Entwicklungsphase, beginnen. das Berufsbild der Priester verändert, wie sich das Or- Seit der ehemalige Erzbischof von Berlin, Kardinal dinariat umorganisieren muss, inwieweit eine neue Rainer Maria Woelki, im Advent 2012 den Pastoralen Trägerstruktur für Kitas entlastend sein kann, wie die Prozess angestoßen hat, ist im Erzbistum viel pas- PGRs und Kirchenvorstände der Zukunft aussehen siert. So gut wie alle Pfarreien befinden sich in der sollen, ob es Sakramentenkatechese auch an katholi- Findungsphase. In dieser ersten Zeit führen sie sich schen Schulen geben darf … Foto: Alfred Herrmann In der Findungsphase kamen die Pfarrei Herz Jesu und ihre Orte kirchlichen Lebens miteinander ins Gespräch (v.l.n.r.): Pfarrer Pater Jacek Mleczko und Pfarrgemeinderatsvorsitzende Tina Heller sowie Daniela Bethge, Projektleiterin „Caritas rund um den Kirchturm“, und Frank Petratschek, Leiter der Caritas Region Berlin-Nord. 18 Tag des Herrn magazin
Nicht überall trifft der Pastorale Prozess auf Gegen- teil des Bezirks Mitte. „Den Pfarreien ist es nicht be- liebe. Der Verlust der kirchenrechtlichen Selbststän- sonders schwergefallen, sich zusammenzutun“, meint digkeit der bisherigen Pfarreien – aus 105 Pfarreien Pater Michael Dillmann. Der Dominikaner leitet St. sollen rund 30 Pfarreien neuen Typs entstehen – sieht Paulus und St. Petrus sowie das Dekanat Berlin-Mitte, „ mancher kritisch. Die Angst vor weiten Wegen zum dem alle fünf Pfarreien angehören. Ähnliche Sozial- nächsten Kirchort sitzt in Brandenburg und Vorpom- struktur, Kooperationserfahrungen und historische mern besonders tief. Befürchtet Argumente führten die Pfarrei- wird, dass Pfarrer und Seelsorger en zusammen. die Gläubigen und ihre Lebensver- In der nun anstehenden dreijäh- hältnisse kaum noch persönlich Wie kann Kirche rigen Entwicklungsphase wer- wahrnehmen können. Dass die neu- den sich die Pfarreien zunächst ihren Auftrag auch “ en, größeren Pfarreien zu zentralis- die Zeit nehmen, sich kennen- tisch geführt werden und somit das zulernen und mit ihren Orten kirchliche Leben in den Gemeinden morgen erfüllen? kirchlichen Lebens stärker zu vor Ort erlöschen könnte. vernetzen. Im zweiten Jahr gilt Kardinal Rainer Maria Woelki Andere beginnen mit dem Pastora- es dann, ein Pastoralkonzept len Prozessen einen Neuaufbruch. zu entwerfen. Dabei bieten die Sich selbst kennenzulernen und zentralen Fragen der Pastora- einen anderen Blick auf die Kirche len Leitlinien Orientierung, vor Ort zu gewinnen, inspiriert sie, Kirche neu zu den- die Erzbischof Woelki 2013 verabschiedet hat: „Wie ken und das gemeinsame Priestertum aller Gläubigen kann die Kirche ihren Auftrag in dieser Pfarrei auch zu leben. Nachbargemeinden mit ihrem kirchlichen morgen erfüllen? Wie kann es die Pfarrei schaffen, in Leben wahrzunehmen und Orte kirchlichen Lebens einer veränderten gesellschaftlichen und kirchlichen wie katholische Schulen, Einrichtungen der Caritas, Situation, Menschen mit Jesus Christus in Berührung geistliche Gruppen und Ordensgemeinschaften zu zu bringen? Wie erreicht sie diejenigen, die Gott nicht entdecken, eröffnen neue Perspektiven. kennen? Wie kann die pastorale Arbeit unter den ge- genwärtigen Bedingungen neue Früchte tragen?“ Im dritten Jahr sollen schließlich anhand des Pastoral- Christen auf der Suche, wie Kirche konzepts Fragen der Struktur, des Personals und der in den nächsten 40 Jahren funktionieren kann Finanzen geklärt werden. Pater Michael Dillmann sieht in der Profilierung der „Es ist beeindruckend, dass sich so viele Menschen in Gemeinden die zentrale Herausforderung für die Ent- unseren Gemeinden und Orten kirchlichen Lebens so wicklungsphase. Jede Gemeinde habe die Aufgabe, intensiv auf den Weg gemacht haben“, sagt Markus für sich zu überlegen, was ihr Schwerpunkt im Kon- Weber, Leiter der Stabsstelle „Wo Glauben Raum ge- text eines Pastoralen Raums sein kann. „Erst wenn winnt“. Vieles sei in der Findungsphase in Bewegung wir uns richtig kennengelernt haben, können wir gekommen. „Wir haben zahlreiche Beispiele, die zei- intensiv zusammenarbeiten“, betont Ernst Pulsfort, gen: Katholische Christen machen sich auf die Suche, Pfarradministrator von St. Laurentius. Von der Ent- wie Kirche in den nächsten 40 Jahren funktionieren wicklungsphase erhofft er sich, dass sich jede Pfarrei kann.“ Wie die neuen Pfarreien letztendlich aussehen, so viel eigenständiges Leben wie möglich bewahren liege vor allem in den Händen der Gläubigen vor Ort: kann. „Wenn wir es schaffen wollen, eine gemeinsame „Bleibt ,Wo Glauben Raum gewinnt‘ in einem bloßen Pfarrei zu werden, müssen wir gutwillig mit kleinen Fusionsprozess stecken, scheitert der ganze Prozess.“ Es Dingen beginnen, die der Zusammenarbeit bedürfen.“ könne nur durch eine geistliche Erneuerung gelingen. St. Hildegard, Maria Gnaden und St. Martin in Berlin- Ihre Findungsphase abgeschlossen haben bislang drei Reinickendorf bilden bereits seit Herbst 2014 einen Pfarreien in Brandenburg, drei in Vorpommern und gemeinsamen Pastoralen Raum. Sie machen nun vor, 25 in Berlin. Sie gaben ihr Votum für neun Pastorale wie es bei den anderen weitergehen wird mit Pastoral- Räume ab und warten nun auf die Zustimmung des ausschuss, Leitendem Pfarrer, Moderator und haupt- Entscheiderkreises, sprich auf das „Ja“ des neuen Erz- beruflichem Verwaltungsleiter, vom Kennenlernen bischofs unterstützt durch Weihbischof und General- über die Entwicklung eines Pastoralkonzeptes hin zu vikar. Als erstes reichten die fünf Berliner Pfarreien einer neuen Pfarrei. Anfang 2017 soll mit Reinicken- St. Laurentius, St. Paulus, St. Joseph-Aloysius, St. Pet- dorf-Nord die erste Pfarrei der Zukunft im Erzbistum rus und St. Sebastian Anfang März ihr Votum ein. Ihr gegründet werden. geplanter Pastoraler Raum umfasst mit Moabit, Wed- ---> www.erzbistumberlin.de/wir-sind/ ding und gut der Hälfte des Tiergartens einen Groß- wo-glaube-raum-gewinnt Tag des Herrn magazin 19
Vorbild Pantheon Die Kathedrale von Berlin Die Berliner St. Hedwigs-Kathedrale gehört zu den Geweiht wurde der Kuppelbau vor 240 Jahren, am 1. wichtigen katholischen Gotteshäusern in Deutsch- November 1773. Er gehört zu den wenigen erhalte- land. Sie ist die Bischofskirche des Erzbistums Berlin nen Bauzeugnissen dieser Zeit in der Stadt. Zusam- mit jährlich über 200 000 Besuchern. Dort finden men mit Humboldt-Universität, Staatsoper und Kö- auch Gottesdienste aus staatlichen Anlässen statt, niglicher Bibliothek bildet die Kirche am Boulevard zuletzt vor der konstituierenden Sitzung des neuen Unter den Linden das Ensemble des Forum Friderici- Bundestags. Überdies ist sie ein bedeutender Ort der anum. Mit den Planungen befasst waren Wenzeslaus Kirchenmusik mit dem Hedwigschor, der auch als von Knobelsdorff, Jean Laurent Legeay und Johann Konzertchor bekannt ist. Boumann der Ältere. Mit dem Bau der St. Hedwigs-Kathe- Foto: Picture Alliance drale wollte Friedrich der Große ein Zeichen religiöser Toleranz setzen. 22
Die Initiative dazu kam auch von Friedrich dem GLAUBENSZEUGEN Großen. Anlass war die wachsende Zahl der Katho- liken in Preußen durch den Ausbau der Armee und die Eroberung Schlesiens. Die Kirche ist nach der Heilige Hedwig und Patronin der neuen Provinz, der heiligen Hedwig von Schlesien (1147-1243), benannt. Zudem wollte seliger Bernhard Lichtenberg der Preußen-König durch den Kirchbau seine reli- giöse Toleranz unter Beweis stellen. Mitte des 18. Jahrhunderts war knapp jeder Zehnte der 110 000 Hedwig von Andechs Berliner katholisch. Öffentliche katholische Gottes- (auch Hedwig von Schl dienste hatte es seit Reformation in der Stadt nicht esien), wahrscheinlich mehr gegeben, sie fanden allenfalls etwa in diploma- 1174 geboren, wurde tischen Vertretungen statt. mit zwölf Jahren mit Heinrich I., Herzog von Schlesien, verheiratet. Friedrich der Große nahm auch Ihrer Ehe entstammten auf die Gestaltung Einfluss sieben Kinder. Hedwig und Heinrich I. förder- Friedrich nahm auch auf die Gestalt des Gotteshau- ten die Vertiefung des ses Einfluss. Es entstand nach dem Vorbild des rö- christlichen Glaubens mischen Pantheons aus dem zweiten Jahrhundert Heilige Hedwig und die kulturelle Ent- nach Christus. Der Überlieferung nach beteiligte wicklung Schlesiens. sich Friedrich an den ersten Skizzen für den Rund- 1202 gründeten sie die Zisterzienserinnen-Abtei bau. Zudem stellte er das Grundstück und einen in Trebnitz. Als Vorbild christlicher Nächsten- Teil des Baumaterials unentgeltlich zur Verfügung. liebe unterstützte Hedwig die Kirche, half den Den größten Teil der Baukosten brachten indes eu- Armen und soll selbst im Winter barfuß gegan- ropäische Katholiken vor allem in Italien, Spanien gen sein. Angeblich ermahnte sie ihr Beichtvater, und Polen auf. Aus Spendenmangel stagnierten die Schuhe zu tragen, woraufhin sie die Schuhe in Arbeiten zeitweise. Nach Vorwürfen, finanzielle Mit- die Hand nahm. Deshalb wird die heilige Hed- tel seien falsch verwendet worden, sah sich die Kir- wig häufig mit Schuhen und einer Kirche in den chengemeinde genötigt, Einnahmen und Ausgaben Händen dargestellt. detailliert zu veröffentlichen. Nach dem ihr Mann Seit der Weihe wurde die Kirche dreimal umgestaltet. 1238 gestorben war, Der stärkste Eingriff fand nach dem Zweiten Welt- trat Hedwig in das von krieg statt, in dem Bomben das Gotteshaus bis auf die ihr gegründete Kloster Umfassungsmauern zerstörten. Bis 1963 baute der re- Trebnitz ein. Sie starb nommierte Düsseldorfer Architekt Hans Schwippert 1243 in Trebnitz. (1899-1973) es innen in modernen Formen wieder Bernhard Lichtenberg auf. war von 1938 bis 1941 leitender Priester an der St.-Hedwigs-Kathe Umstrittene Besonderheit: drale, der Berliner Bi- Acht Meter große Bodenöffnung schofskirche, in deren Seliger Bernhard Lichtenberg Krypta er bestattet ist. Eine architektonische Besonderheit ist eine rund acht Wegen seiner öffentlichen Gebete „für die ver- Meter große Bodenöffnung, die Schwippert im Zent- folgten Juden“ und weitere Opfer des Regimes rum des Kirchenraums anlegte. Über eine Treppe ist verhafteten ihn die Nationalsozialisten. Am 5. No- damit die Unterkirche mit den Grabkapellen der Berli- vember 1943 starb er auf dem Transport in das ner Bischöfe sowie des seliggesprochenen Domprops- Konzentrationslager Dachau. 1996 sprach Papst tes Bernhard Lichtenberg (1875-1943) erreichbar. Johannes Paul II. ihn bei seinem Berlin-Besuch Das „Loch“ war von Anfang an unter anderem wegen selig und erhob ihn damit zum Glaubensvorbild. seiner einschränkenden Konsequenzen für die Gestal- 2004 nahm die israelische Gedenkstätte Yad Vas- tung der Gottesdienste umstritten. Bei der anstehen- hem den Dompropst unter die „Gerechten unter den Sanierung der Kathedrale stehen auch alternative den Völkern“ auf. Das Erzbistum strebt auch seine architektonische Lösungen zur Debatte. (kna) Heiligsprechung an. Tag des Herrn magazin 21
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