MARKTAUSBLICK November 2020

Die Seite wird erstellt Hortensia-Pia Schade
 
WEITER LESEN
MARKTAUSBLICK November 2020
MARKTAUSBLICK
November 2020

Das Jahr 2020 … und darüber hinaus:
Wenn nichts normal ist

2020 wird in erster Linie als das Jahr der Corona-Pande-   selbst, deren Finanzierung ihnen eigentlich untersagt
mie in die Geschichte eingehen. Unsicherheit ist der       ist. Das japanische Beispiel der „Monetarisierung“ der
prägende Begriff dieses Jahres, entstanden durch den       Staatsschulden macht Schule und scheint als Vorbild zu
enormen wirtschaftlichen Schaden aufgrund der gesetz-      dienen. Dort hat es mittlerweile zur einer Schuldenlast
ten Maßnahmen („Lockdown“), um das Gesundheits-            des Staates in Höhe von 240% des BIP geführt (aller-
system vor einer unkontrollierten Überlastung zu schüt-    dings mit dem Unterschied, dass der überwiegende Teil
zen. Die Auswirkungen sind in der jüngeren Geschichte      der Schulden durch Institutionen im Inland gehalten
beispiellos und führen in praktisch allen Ländern zu der   wird und z.B. die japanische Zentralbank die Zinsen, die
schärfsten Rezession seit Ende des 2.Weltkrieges.          sie dafür kassiert, an den Haushalt der Regierung wie-
                                                           der zurück überweist). Die US-Notenbank FED wird
So ist beispielsweise die Wirtschaftsleistung (BIP), auf   durch Anleihenkäufe ihre Bilanz weiter aufblähen, ge-
Quartalsbasis berechnet, in Deutschland im 2.Quartal       schätzt in 2020 von 4,2 auf 8,6 Billionen US-Dollar, das
um -9,8% eingebrochen und in USA um -10,2%. Rund           sind rund 40% des BIP! Gleichzeitig werden die Zinsen
zwei Drittel dieses Rückganges dürften dabei dem Lock-     auf rekordtiefen Sätzen, in der EU sogar im negativen
down geschuldet sein und nur ein Drittel direkt der        Bereich, belassen bzw. wurden dorthin gesenkt.
Pandemie selbst.
                                                           Ein erstes Fazit daraus, welches durchaus langfristige
Die Staaten haben sehr rasch und unmittelbar darauf        Implikationen haben dürfte: Einerseits müssten die Zin-
reagiert und gigantische fiskalische Pakete zur Abfede-    sen weiterhin tief bleiben, ein Weg zurück in die Norma-
rung dieses Einbruchs geschnürt. So stellt alleine die     lität scheint unmöglich, der berühmte „point of no re-
US-Regierung rund drei Billionen US-Dollar zur Verfü-      turn“ dürfte bereits überschritten sein – Regierungen
gung, was immerhin ca. 14% des BIP ausmacht. Auch in       und Notenbanken sitzen längst in einem Boot. Der
Deutschland wurde innerhalb von Tagen ein Nachtrags-       große Verlierer dabei: Der Sparer wird weiterhin unter
haushalt im Ausmaß von 218 Milliarden Euro für das         dieser finanziellen Repression zu leiden haben. Auf glo-
laufende Jahr verabschiedet. Die EU-Kommission wollte      baler Basis rentieren rund 17 Billionen US-Dollar an
hier nicht zurückstehen und schnürte ein 750 Milliar-      Staatsanleihen negativ, das sind 26% in dieser Anlageka-
den schweres Konjunkturprogramm, unter anderem fi-         tegorie! Andererseits wurde empirisch nachgewiesen,
nanziert durch Anleihen, für welche die die EU-Länder      dass ab Staatsverschuldungsquoten von 90% und darü-
eine gemeinsame Garantie übernehmen. Und es ist            ber ein direkter Zusammenhang zwischen der Höhe der
nicht gesagt, dass nicht noch weitere Finanzpakete         Staatsschulden und gedämpftem Wirtschaftswachstum
folgen werden.                                             besteht. Der Hinweis sei erlaubt, dass so gut wie alle
                                                           größeren wesentlichen Industriestaaten diese Grenze
Man sieht: Akademische Auseinandersetzungen über           längst überschritten haben bzw. nunmehr werden. Ein
„Helikoptergeld“ oder politische Diskussionen über         „Herauswachsen“ aus diesen Verschuldungskoeffizien-
„Eurobonds“ haben sich schnell überholt und sind           ten dürfte daher ein unmögliches Unterfangen werden.
praktisch in kürzester Zeit salonfähig geworden.
                                                           Dennoch: Der dramatische Einbruch im Rahmen des
Auch die Notenbanken haben ihre Unabhängigkeit             Lockdowns könnte auch relativ rasch wieder aufgeholt
längst über Bord geworfen und sind zu den Financiers       werden. Eine V-förmige Erholung wäre durchaus nach-
der letzten Instanz geworden – und zwar für die Staaten    haltig erreichbar, wie man an dem globalen Einkaufs-
MARKTAUSBLICK November 2020
managerindex sieht, einem der verlässlichsten Früh­       Was hatte dies nun für Auswirkungen
indikatoren der künftigen Wirtschaftsentwicklung.         auf die Kapitalmärkte?
Natürlich nur unter der Prämisse, dass der gerade         Die eingangs erwähnte Unsicherheit hat sich in einer
angelaufene zweite Lockdown nicht zu ähnlichen            wahren Berg- und Talfahrt im 1. Halbjahr 2020 widerge-
Einbrüchen führt wie im Frühjahr 2020.                    spiegelt, Volatilitäten stiegen auf Niveaus, wie wir sie
                                                          seit der Finanzkrise vor 12 Jahren nicht mehr sahen.
                                                          So fielen die Börsenindizes von Ende Januar bis in die
                                                          2. Märzhälfte innerhalb von Wochen um über -35%, der
                                                          schlimmste Absturz für einen solch kurzen Zeitraum
                                                          seit 90 Jahren. Um dann genauso schnell wieder zu
                                                          drehen, und zwar mit den stärksten Erholungen seit
                                                          Jahrzehnten innerhalb kürzester Zeit! Dies ist sicher
                                                          dem Umstand der gigantischen fiskalischen und mone-
                                                          tären Maßnahmen, wie oben beschrieben, zu verdanken.
                                                          Die US-Börsenindizes nahmen dabei die Führungsrolle
                                                          ein, wobei natürlich angemerkt werden muss, dass dies
                                                          hauptsächlich den großen Technologiewerten zu ver-
                                                          danken war, welche von Home-Office und Lockdown
                                                          profitieren konnten.
                                                          Immerhin machen die Unternehmen Apple, Microsoft,
                                                          Amazon, Alphabet (Google) und Facebook alleine ca.
                                                          23% der Gewichtung des S&P500 Index aus, welcher in
                                                          diesem Jahr daher bereits wieder deutlich im Plus notiert,
                                                          zum Vergleich der EuroStoxx 50-Index jedoch nach wie
                                                          vor deutlich im Minus.

                                                          Der Ausblick könnte aber unsicherer nicht sein, denn
                                                          alles hängt von der weiteren Entwicklung im Rahmen
                                                          des 2. Lockdowns ab. Es bleibt abzuwarten, ob diese V-
                                                          förmige Entwicklung anhält. Mit der raschen Einfüh-
                                                          rung eines Impfstoffes könnte unsere Corona-geschockte
                                                          Wirtschaft bald wieder in einen normalen Modus über-
                                                          gehen, Zeitpunkt der Zulassung und Durchimpfung
                                                          der Bevölkerung sind naturgemäß schwer abzuschätzen
So zeigt auch der deutsche Geschäftsklimaindex des ifo    und entziehen sich einer seriösen Prognose. Positiv
aus München dieses „V“ für Deutschland. Immerhin          sollte sich die Berichtssaison der Großkonzerne aus–
wuchs das BIP in Deutschland im 3. Quartal bereits        wirken, denn statt der dramatisch prognostizierten
wieder um 8,2%, in Italien, in Spanien und in Frank-      Gewinneinbrüche (-18% in USA und -40% in Europa)
reich lag der Zuwachs sogar zwischen 16,1% und 18,2%      fielen diese bisher mit nur -5% bzw. -16% im 3. Quartal
(nach allerdings zuvor stärkeren Einbrüchen). Dabei       wesentlich moderater aus! Rund 90% der Unternehmen
wurde dieser Aufschwung sowohl vom Privaten Konsum        übertrafen dabei die Analystenerwartungen. Auch
als auch Investitionen sowie dem Außenhandel getra-       haben sich die Arbeitsmarktdaten erstaunlich erholt,
gen, ist also breit abgestützt. Ein gewisser Optimismus   so legte der US Arbeitsmarkt im Oktober mit 683.000
ist daher durchaus angebracht, dass die Wirtschaft sich   neuen Beschäftigten zu, die Arbeitslosenquote fiel von
nach dem 2. Lockdown wieder weiter erholt.                7,9% auf 6,9%.
MARKTAUSBLICK November 2020
Die US-Präsidentenwahl                                        tischen als auch republikanischen Präsidenten. Natürlich
Immer wieder werden wir nach den Auswirkungen der             wurde dies durch teils starke Korrekturen unterbrochen,
US-Präsidentenwahl auf die Börsenentwicklung gefragt.         dennoch kann mit freiem Auge ein – meist – positiver
Es kann davon ausgegangen werden (Stand 10.Novem-             Trend unter den Administrationen beobachtet werden.
ber), dass es in USA zu einem „split government“ kom-
men dürfte, d.h. der designierte Präsident Joe Biden von      Wie hat dies aber ausgesehen, wenn eine der beiden
den Demokraten wird mit einer – übrigens geringeren –         Parteien sowohl die Präsidentschaft inne hatte als auch
Mehrheit seiner Partei im Repräsentantenhaus und              beide Kammern des Kongresses dominierte, also einer
einem wahrscheinlich republikanisch dominierten               quasi absoluten Mehrheit in Exekutive wie Legislative?
Senat regieren (dies dürfte allerdings erst am 5. Januar      Also eine Konstellation, in der man annehmen könnte,
nach einer Stichwahl in Georgia mit zwei noch zu verge-       dass eine Partei 100% ihres Programmes in Gesetzes-
benden Senatorensitzen feststehen). Grundsätzlich kam         form brächte (wie gesagt, sieht dies derzeit nach der
diese Konstellation an den US-amerikanischen Börsen           Wahl 2020 nicht danach aus).
gut an: Alle relevanten Indizes hatten in der Woche der
Präsidentenwahl ihre besten Gewinne seit März d.J., für
den S&P500 war es sogar die diesbezüglich beste „Präsi-
dentenwahl-Woche“ seit 1932!

Politische Börsen haben allerdings kurze Beine. Viel
wichtiger werden die weitere Liquiditätsunterstützung,
die Zinspolitik, der Verlauf der Pandemie, Ausmaß und Länge
der Lockdowns sowie die Unternehmenskennzahlen sein.

Wir haben uns dennoch, quasi als Exkurs, die Börsen-
entwicklungen des S&P500 Index unter unterschiedlichen
Konstellationen der US-Regierung angesehen. Und es            Das mehr als überraschende Ergebnis: Seit 1926 hielten
kann „politische Entwarnung“ gegeben werden!                  die Republikaner Kongress und Präsidentschaft für 13
                                                              Jahre. In dieser Zeit stieg der Markt um 14,5% im Jahres-
Wenn wir einen sehr langen Zeitraum über 100 Jahre be-        durchschnitt. Es gab auch 34 Jahre einer einheitlichen
trachten, dann hat der US-Börsenindex S&P500 generell         demokratischen Führung, und der Markt stieg um …
eine Aufwärtstendenz, und zwar sowohl unter demokra-          14,5% im Jahresdurchschnitt!

                                                              Das Resümee daraus? Die Ergebnisse einer Präsidenten-
                                                              wahl sind einfach nur ein Teil der Komplexität des
                                                              Marktes und seiner Entwicklung! Die Aktionen der No-
                                                              tenbank, die Wirtschaft selbst und Tausende von Unter-
                                                              nehmen und Millionen von Konsumenten verwässern
                                                              die meisten der Effekte, die ein US-Präsident und seine
                                                              Administration alleine auf die Aktienbörsen haben
                                                              könnten. Die diesbezüglichen täglichen „News“ (von In-
                                                              formationen wollen wir hier gar nicht schreiben) sind
                                                              etwas für die Tagespresse und die Nachrichtenkanäle,
                                                              die ganz einfach ihre Storys und Erklärungen brauchen,
                                                              um Papier und Sendezeit zu füllen…Infotainment und
                                                              wohl nicht mehr.
MARKTAUSBLICK November 2020
Schlussfolgerungen für den Anleger
Mehr denn je sollte sich jedoch ein Anleger, unter pro-                                     Im Segment der Aktien ist vor allem Qualität gefragt:
fessioneller Unterstützung, seiner finanziellen und auch                                    Nachhaltige Geschäftsmodelle, eine starke Marktstellung,
persönlichen Umstände vergewissern und diese einer                                          hohe Eintrittsbarrieren für potentielle Konkurrenten,
genauen Analyse unterziehen. Insbesondere die beschrie­                                     solide Bilanzen mit niedrigem Verschuldungsgrad und
benen Unsicherheiten, die uns weiterhin stärkere Aus-                                       hohem freien Cashflow sind auch weiterhin zu favorisieren.
schläge im Sinne erhöhter Volatilitäten erwarten lassen,                                    Natürlich finden auch sehr zukunftsorientierte Geschäfts­
sind auf das Ausmaß der Risikotoleranz, und zwar auch                                       modelle ihre Berücksichtigung in einer Allokation, den-
in emotionaler Hinsicht, auf Seiten des Investors einzu-                                    noch wird interessant zu beobachten sein, ob die Out-
schätzen, zu definieren und einzugrenzen. Für das sich                                      performance von „Growth“ vs. „Value“ so anhalten wird
daraus ergebende Anlageziel empfehlen wir eine breite                                       können wie in den vergangenen 10 Jahren. Value heißt ja
globale Diversifikation, und zwar sowohl zwischen als auch                                  nichts Anderes als Unternehmen mit den oben beschrie-
innerhalb der Assetklassen. Die Nullzinspolitik zwingt,                                     benen Qualitätsmerkmalen zu einem vernünftigen Preis
um einen realen positiven Ertragswunsch zu erfüllen,                                        zu erwerben. Der überproportionale Anstieg des Growth-
in Alternativen in der Anlageklasse Anleihen zu denken,                                     Segmentes in den letzten 10 Jahren lässt sich jedenfalls
welche durchaus gegeben sind, ohne ein überhöhtes                                           in Relation zu den erwarteten Gewinnen im Vergleich
Risiko in der Schuldnerqualität eingehen zu müssen.                                         zum Value-Segment nicht wirklich rechtfertigen.

Haben Sie Fragen an uns oder möchten Sie unsere Berichte abonnieren?
Senden Sie eine E-Mail an: office@select-investment.at
Für mehr Informationen besuchen Sie auch unsere Website: www.select-investment.at

Select INVESTMENT GmbH
Wiedner Hauptstraße 120-124/2.OG
1050 Wien
office@select-investment.at
www.select-investment.at

Rechtlicher Hinweis:
Diese Unterlage ist eine Marketingmitteilung im Sinne des Wertpapieraufsichtsgesetzes (WAG 2018) und dient ausschließlich Ihrer Information. Die vorliegenden Aussagen stellen keine
Finanzanalysen dar und wurden nicht unter Einhaltung der Rechtsvorschriften zur Förderung der Unabhängigkeit von Finanzanalysen erstellt. Diese Marketinginformation stellt weder
eine Anlageberatung, eine Empfehlung zum Kauf oder Verkauf noch ein Angebot oder eine Einladung zur Angebotsstellung zum Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten oder zum
Abschluss eines Vermögensverwaltungsvertrages dar. Sie dienen insbesondere nicht dazu, eine individuelle Anlage- oder sonstige Beratung zu ersetzen.
Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Wertpapiergeschäfte zum Teil hohe Risiken in sich bergen und die steuerliche Behandlung von den persönlichen Verhältnissen abhängt und
künftigen Änderungen unterworfen sein kann.
MARKTAUSBLICK November 2020
Sie können auch lesen