MASTERPLAN KLIMAANPASSUNG + KLIMASCHUTZ - DSTGB
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„Klimaschutz braucht kluge Strategien. Nur mit den Kommunen werden wir die ehrgeizigen Klimaschutzziele erreichen!“ Ralph Spiegler & Dr. Gerd Landsberg im August 2021 I. MASTERPLAN KLIMAANPASSUNG +KLIMASCHUTZ ZENTRALE HERAUSFORDERUNGEN Der Klimawandel und die Klimaanpassung verän- Bürger, Unternehmen, die öffentliche Infrastruk- dern nicht nur die Umwelt, sondern auch unsere tur sowie Natur und Umwelt werden sowohl in Städte und Gemeinden. Ein Großteil der Kom- dichtbesiedelten Städten als auch in Gemeinden munen in Deutschland war in den letzten Jahren des ländlichen Raums weiter steigen. Die Anpas- bereits mehr als einmal von Starkniederschlägen, sung an den Klimawandel ist daher eine zentrale Hitze- und Dürreperioden, Stürmen oder Hoch- Zukunftsaufgabe der Kommunen! wasser betroffen. Die starkregenbedingte Flutka- tastrophe vom Juli 2021 in Nordrhein-Westfalen Städte und Gemeinden erarbeiten bereits seit und Rheinland-Pfalz hat gezeigt, welche verhee- Jahren vielfältige Maßnahmen zur Anpassung renden Folgewirkungen mit einem derartigen Ex- an den Klimawandel, etwa in den Bereichen der tremwetterereignis verbunden sein können. Mit Stadtplanung, der Mobilität, der Gesundheitsvor- den zu erwartenden Klimaveränderungen wer- sorge, der Starkregen- und Hochwasservorsorge, den die Extremwettereignisse weiter zunehmen. der Wasserver- und Abwasserentsorgung, aber Dies hat der Bericht des Weltklimarates (IPCC) auch in den Bereichen des Boden-, Biotop- und vom 09. August 2021 nochmals unterstrichen. des Artenschutzes. Diese Entwicklung beeinflusst nicht nur die Infra- Zur Bewältigung dieser Aufgabenbereiche be- strukturen unserer Städte und Gemeinden, son- darf es starker und handlungsfähiger Städte und dern auch die Umwelt, die Wirtschaft, die Land- Gemeinden! Dies gilt nicht nur in Bezug auf in- und Forstwirtschaft und nicht zuletzt Leben und vestive Maßnahmen. Vielerorts besteht auch ein Gesundheit eines jeden Einzelnen. Es ist daher Bedarf an Beratung, konzeptioneller Unterstüt- unabdingbar, dass sich auch Städte und Gemein- zung und Vernetzung. den auf die Folgewirkungen des Klimawandels einstellen und nachhaltige Konzepte zur Resilienz Insoweit ist der Drei-Punkte-Plan der Bundes- entwickeln. Es darf nicht nur darum gehen, Schä- regierung, den das Bundesumweltministerium den nach Extremwetterereignissen zu beseitigen, mit den kommunalen Spitzenverbänden im März sondern mit klugen Konzepten vorzubeugen und 2021 vorgestellt hat, ein erster richtiger Schritt. geeignete Anpassungsmaßnahmen zu ergreifen! Ein bundesweites Beratungszentrum für Kom- munen zur Klimaanpassung ist ebenso sinnvoll ANPASSUNG AN DEN wie die Förderung des Einsatzes von lokalen An- KLIMAWANDEL FÖRDERN passungsmanagerinnen und -managern. Unter- stützend für das Engagement der Kommunen ist Der Klimawandel hat Starkregen, Gewitter, Stür- auch die Prämierung von besonders innovativen me, aber auch anhaltende Hitze sowie Boden- Lösungen von Kommunen über den Wettbewerb erosion zur Folge. Die daraus resultierenden „Blauer Kompass“. Nun gilt es, dass der Bund den Belastungen und Risiken für Bürgerinnen und Worten auch Taten folgen lässt! 1
Neben kurzfristigen Maßnahmen muss eine In Städten und Gemeinden gilt: Zur Klimaanpas- langfristige Finanzierung im Bereich der Klima- sung sollte Wasser in der Fläche stärker zurück- folgenanpassung in den Städten und Gemein- gehalten werden. Flächenentsiegelung, Dach- den durch Bund und Länder etabliert werden. und Fassadenbegrünungen, multifunktionale Die Anpassung an die Folgen des Klimawandels Retentionsflächen und verstärkt blau-grüne Inf- ist keine alleinige kommunale, sondern eine ge- rastrukturen sind maßgebliche Faktoren für eine samtgesellschaftliche Aufgabe. Es ist daher an- klimabewusste Stadtentwicklung. gezeigt, dass die „Anpassung an den Klimawan- del“ künftig als echte Gemeinschaftsaufgabe von Schutz und Vorsorge vor Hochwasserereignissen Bund und Ländern anerkannt und entsprechend setzen im Übrigen einen an Starkniederschlägen in Art. 91a GG als neue Nummer 3 aufgenom- ausgerichteten technischen Hochwasserschutz, men wird. Der Bund würde so die Möglichkeit der u. a. Talsperren und Hochwasserrückhalte- erhalten, den Kommunen planbar finanzielle becken beinhaltet, einen verstärkten Wasser- Mittel für notwendige Anpassungsmaßnahmen rückhalt in der Fläche, eine enge Verzahnung mit zur Verfügung stellen zu können. Bei den Maß- dem Katastrophenschutz sowie auch die Eigen- nahmen zur Anpassung an vorsorge der Bevölkerung den Klimawandel muss an voraus. Je mehr Wasser Tempo deutlich zugelegt „Die Klimafolgen- in einem Wassereinzugs- werden. Dies zeigen ein- gebiet zurückgehalten drücklich die zunehmen- anpassung vor Ort, werden kann, desto gerin- den klimabedingten Kata- strophenereignisse. die auch Vorsorge- ger ist die Gefahr durch schnell und stark anstei- Die Klimafolgenanpassung und Notfallpläne gende Pegel. Der hier- für häufig notwendige vor Ort, die auch Vorsor- umfasst, wird stets Flächenerwerb oder die ge- und Notfallpläne um- Umwidmung von Flächen fasst, wird stets wichtiger. wichtiger. “ ist in der Praxis aber häu- Hier leistet die Nationale fig erst nach jahrelangen Klimaschutzinitiative des Verhandlungen möglich. Bundes eine wichtige Hilfe. Seit der Initiierung Hier sollten Verbesserungen, einschließlich ei- im Jahr 2008 wurden bis Ende 2020 mehr als ner finanziellen Unterstützung durch Bund und 35.500 Projekte mit einem Fördervolumen von Länder, mit einem Vorrang für die kommunale rund 1,23 Milliarden Euro durchgeführt. Hierbei Wasserwirtschaft geprüft werden. Zudem ist es muss gelten: Maßnahmen zum Klimaschutz und wichtig, für überschwemmungsgefährdete Ge- zur Klimaanpassung müssen grundsätzlich allen biete Hochwasserrisikokarten und auch Starkre- Kommunen – unabhängig von ihrer Größe und gen-Gefahrenkarten fortzuschreiben bzw. neu zu Wirtschaftskraft – in dem für sie gebotenen Rah- erstellen. men möglich sein. Die Kehrseite von Hochwasser und Starkregene- AKTIVES WASSERMANAGEMENT reignissen sind langanhaltende Hitze- und Dür- ERFORDERLICH! reperioden, die in Deutschland immer häufiger zu regionaler Wasserknappheit führen. Einzel- Aufgrund des Klimawandels und der zunehmen- ne Kommunen mussten bereits im vergangenen den Intensität von Starkniederschlägen ist es Jahr leergelaufene Wasserspeicher melden und erforderlich, dass planerische, wasserwirtschaft- eine zeitweise Notversorgung der Bevölkerung liche und raumordnerische Maßnahmen enger sichern. Es gilt daher, auch Maßnahmen zur flä- verzahnt werden. Hochwasserschutz und Kata- chendeckenden Sicherstellung der Wasserver- strophenschutz müssen zudem besser aufein- sorgung zu ergreifen. ander abgestimmt werden, um Menschenleben auch im Katastrophenfall zu schützen. Mit Blick auf die Trinkwasserversorgung ist da- 2
her ebenfalls ein aktives Wassermanagement Deutschland intensiv betroffen. Bei einem un- erforderlich. Trinkwasser ist das wichtigste Le- gebremsten Klimawandel muss aber damit ge- bensmittel für den Menschen. Die ständige Ver- rechnet werden, dass bis Mitte des Jahrhunderts fügbarkeit einer Mindestmenge an Trinkwasser sehr viel mehr Regionen insbesondere mit den muss daher hinsichtlich der Bemühungen von Auswirkungen von Hitze und Dürre konfrontiert Bund, Ländern und kommunaler Wasserwirt- werden. schaft eine besondere Bedeutung zukommen. ZIVILEN BEVÖLKERUNGSSCHUTZ Die Nationale Wasserstrategie des Bundes weist VERBESSERN – insoweit in die richtige Richtung! Nun kommt WARNSYSTEME AUSBAUEN es darauf an, auch die richtigen Maßnahmen anzustoßen. Um die Versorgungssicherheit zu Die Hilfsaktionen im Zusammenhang mit der gewährleisten, muss mit Blick auf zunehmende Flutkatstrophe im Juli 2021 haben gezeigt, dass Hitze- und Dürreperioden insbesondere der Aus- der zivile Katastrophenschutz in Zusammenar- bau von Wasserspeichern, aber auch der Bau von beit von tausenden Feuerwehren, technischem modernen, klimaneutralen Verbundstrukturen Hilfswerk, Hilfsorganisationen und Bundeswehr mit benachbarten Trinkwasserversorgern ver- grundsätzlich funktioniert hat. stärkt werden. Beim Thema Wasser ist zudem eine regionale Betrachtung erforderlich. Ein de- Gleichwohl braucht es im zivilen Katastrophen- zentrales Wassermanagement, das zugleich die schutz weiterer Verbesserungen. Die Fähig- Anforderungen des Klimawandels aufgreift, wird keiten, vor allem des Bundesamtes für Bevöl- weiterhin von den Kommunen und ihren Unter- kerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), nehmen vorangetrieben. Bund und Länder müs- müssen ausgebaut werden. Erforderlich sind sen daher die Kommunen in den vorgenannten neue und belastbare Strukturen. Das BBK muss Bereichen fördern und auch die Erarbeitung re- daher sowohl personell als auch was die inhalt- gionaler Wasserversorgungskonzepte langfristig liche Zuständigkeit angeht, deutlich gestärkt unterstützen. werden. Die bisherige Zuständigkeit liegt noch zu deutlich im Bereich des Spannungs- bzw. Ver- Die Notwendigkeit einer Anpassung an die Fol- teidigungsfalles. gen des Klimawandels belegen auch die Ergeb- nisse der im Juni 2021 vom Umweltbundesamt Es muss in Deutschland eingeübt werden, wie (UBA) veröffentlichten Klimawirkungs- und Ri- man mit Katastrophen- und Krisensituationen sikoanalyse sowie des Weltklimaberichts (IPCC) umgeht und wie die Zusammenarbeit zwischen vom August 2021. Die Studien kommen zu dem Bund, Ländern und Kommunen für die Zukunft Ergebnis, dass das Risiko für extreme Wetter- weiter optimiert werden kann. Dazu gehört auch phänomene (Hitze, Trockenheit, Starkregen) eine bundesweit zuverlässige Bevorratung von in den kommenden Jahren weiter zunehmen Einsatz- und Hilfsmitteln. In einer neuen Stra- wird. Bisher sind zwar nur wenige Regionen in tegie sollte auch festgelegt und erprobt werden, Bildnachweise: stockpics - Fotolia | Animaflora PicsStock - stock.adobe.com | magann - stock.adobe.com | filmbildfabrik - stock.adobe.com 3
welche Rolle die Bundeswehr dauerhaft im zi- dass die soziale Balance für die Menschen ge- vilen Bevölkerungsschutz spielen kann und zu- wahrt werden und eine breite Akzeptanz für künftig einnehmen soll. beabsichtigte Maßnahmen geschaffen werden muss. Es ist in Zukunft mit weiteren Großschadensla- gen zu rechnen. Daher müssen die Frühwarn- Eine breite Zustimmung in der Bevölkerung er- systeme – ob analog oder digital – verbessert reichen wir nicht, wenn wir einseitig durch die und an die Gefahrenlagen angepasst werden. Die Anhebung des CO2-Preises die Energiekosten vom Bund in Aussicht gestellte Ertüchtigung des bspw. von Eigenheimbesitzern und Mietern in Sirenen-Warnnetzes zielt insoweit in die richti- die Höhe treiben. Ebenso wenig, wenn die vielen ge Richtung und muss als ein wichtiger Baustein Pendler, die zwingend auf das Auto angewiesen schnell und flächendeckend erfolgen. Auch die sind, unverhältnismäßig belastet werden. Statt- Kommunikation zwischen den Akteuren im Vor- dessen muss der Grundsatz gelten, dass vor im- feld eines potentiellen Schadensereignisses muss mer neuen Belastungen den Menschen und der optimiert werden. Hierbei ist sicherzustellen, Wirtschaft zunächst die Möglichkeit gegeben dass Warnung und Kommunikation auch dann werden muss, ihr Verhalten im Interesse des noch funktionieren, wenn der Strom flächende- Klimaschutzes zu verändern. In den Köpfen der ckend ausgefallen ist. Menschen muss bei der Mobilität, beim Wohnen oder gegenüber der Ansiedlung von Erneuerba- KLIMASCHUTZ GEHT JEDEN AN! ren Energien ein klimaschutzgerechtes Umden- ken noch stärker verankert werden. Die Men- Klimaanpassung und Klimaschutz sind zwei Seiten schen werden mitmachen, wenn sie erleben, dass einer Medaille. Eine wichtige Regel hierbei lautet: Klimaschutz kein Verzicht, sondern ein Mehr an Nicht nur nachdenken, was andere anders machen Lebensqualität bedeutet. müssen. Sondern es selbst anders machen! Nur wenn der Mensch sich wandelt, können wir den FÖRDERUNG VON KOMMUNALEN Klimawandel stoppen. Liebgewonnenes aufzuge- KLIMASCHUTZAKTIVITÄTEN ben, muss nicht zu Schlechterem führen. Es kann – VERSTETIGEN wie etwa weniger Autoverkehr in unseren Städten und Gemeinden und dafür mehr Fahrradverkehr, Die Förderung des kommunalen Klimaschutzes mehr Platz für Fußgänger und sauberer Luft - zu hat in den vergangenen Jahren schon viele gute einem Mehr an Lebensqualität für uns alle beitra- Projekte auf den Weg gebracht. Ein wesentlicher gen. Kreativität und Mut zur Veränderung zeigen Baustein ist die „Kommunalrichtlinie“. uns den Weg zu einem effizienten Klimaschutz. Kommunen können in diesem Kontext Öffentlich- Die Kommunalrichtlinie des Bundesumweltmi- keit, Anerkennungskultur, Motivation und Vorbil- nisteriums unterstützt Städte und Gemeinden der für den Klimaschutz schaffen. beim Klimaschutz. Auch kommunale Unterneh- men können Förderanträge stellen. Die Förde- Den „Wohlfühl-Klimaschutz“ zum Nulltarif gibt rung zielt darauf ab, den Klimaschutz vor Ort zu es allerdings nicht. Ausgehend von der Taxono- stärken. Von 2008 bis 2020 hat die Kommunal- mie-Politik der Europäischen Union sehen das richtlinie bereits rund 18.700 Projekte in mehr neu beschlossene Klimaschutzgesetz und das als 3.650 Kommunen mit ca. 715 Millionen Euro Klimaschutz-Sofortprogramm 2022 des Bundes unterstützt. Die Kommunalrichtlinie muss daher vor, dass die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2030 langfristig auf hohem Niveau fortgeführt werden! im Vergleich zu 1990 um 65 Prozent gesenkt werden. Bis 2040 sollen die Emissionen um 88 Auch die im Jahr 2020 vorgesehene Erhöhung der Prozent gesenkt werden, ein solches Ziel fehlte Förderquoten für finanzschwache Kommunen im bislang. Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral Rahmen der Kommunalrichtlinie sowie die För- werden. derung von kommunalen Klimaschutz-Modell- projekten in den Bereichen Abfall- entsorgung, Mit Blick auf die Kosteneffekte wird zudem klar, Abwasserbehandlung, der Energie- und Ressour- 4
ceneffizienz oder auch zur Stärkung des Umwelt- gen. Deshalb muss dem Waldsterben unbedingt verbunds müssen - wie auch die Erstellung von etwas entgegengesetzt werden, denn ohne star- Klimaschutzkonzepten – langfristig vom Bund ke Wälder sind die Klimaschutzziele nicht zu gefördert werden. Denn Klimaschutz vor Ort darf erreichen! Jedes Jahr binden die wachsenden kein Opfer der Haushaltkonsolidierung werden. Waldbäume und die anschließende Verwendung So sind etwa die Städte und Gemeinden mit ihren des nachwachsenden Rohstoffes Holz bis zu 127 tausenden von Gebäuden gefordert, energetische Millionen Tonnen CO2 allein in Deutschland. Ak- Sanierungen an der Gebäudesubstanz oder auch tuell wird dadurch die Atmosphäre um rund 14 die Installation von Solardächern vorzunehmen. Prozent der gesamten CO2-Emissionen Deutsch- Die Kommunen haben aber schon jetzt einen In- lands entlastet. Eine maßgebliche Rolle nimmt vestitionsrückstand von 149 Milliarden Euro. Al- hierbei der Kommunalwald ein, der rund 20 Pro- lein bei den öffentlichen Verwaltungsgebäuden zent des Gesamtwaldbestandes ausmacht. sind es 16,4 Milliarden Euro. Dabei geht es bei der Anpassung an den Klima- Kommunaler Klimaschutz ist kein Sprint, son- wandel nicht nur um mehr „Grün“ in den Kom- dern ein Dauerlauf! Es bedarf daher einer plan- munen und den Wiederaufbau vielgestaltiger, ar- baren und langfristigen finanziellen Unterstüt- tenreichen und klimaangepasster Mischwälder, zung der Kommunen durch Bund und Länder! die darüber hinaus auch in Zukunft eine befriedi- gende Rohstoffversorgung sichern sollen. Es geht KLIMASTABILER KOMMUNALWALD insbesondere um die vielen Ökosystemdienst- leistungen, welche die Waldbesitzenden bisher Stürme, Hitze und Dürre mit einhergehender unentgeltlich bereit gestellt haben: Biologische rasanter Ausbreitung von Schädlingen haben in Vielfalt, Insektenschutz, Wasserverfügbarkeit Deutschlands Wäldern seit 2018 schwere Schä- und hohe Wasserqualität, Bodenfurchtbarkeit, den angerichtet. Jetzt, wo Erosionsschutz, Klima- der Wald als Klimaschüt- zer dringend gebraucht „Deshalb muss dem schutz, Kohlenstoffspeicher, Luftqualität, Walderleben, wird, ist der Klimawandel in den Wäldern und auch Waldsterben Erholung, Naturerlebnisse und vieles mehr. Der Unter- in den „Grünen Lungen“ unbedingt etwas schied zur Vergangenheit: unserer Innenstädte und Bisher ermöglichten die Ortskerne angekommen entgegengesetzt Erlöse aus der Holzproduk- und setzt ihnen schwer zu. tion die Finanzierung die- Betroffen ist nicht nur der werden, denn ohne ser Ökosystemleistungen. „Brotbaum“ der Forstwirt- In dieser Jahrhundertkrise schaft, die Fichte. Leider ist starke Wälder sind ist aber in vielen Forstbe- festzustellen, dass nahezu alle Baumarten vom Klima- die Klimaschutzziele trieben mit dem Wald auf Jahre bzw. Jahrzehnte kein wandel betroffen sind. Auf großer Fläche sterben auch nicht zu erreichen!“ Gewinn mehr aus dem Holzverkauf zu machen, ge- Altbuchen ab und immense schweige denn die Wieder- Schäden treten bei Tannen und Eichen auf – Bau- bewaldung und die von der Gesellschaft erwar- marten, auf die Förster bisher im Klimawandel teten Leistungen zu finanzieren. große Hoffnung setzten. Daher bedarf es beim Klimaschutzgesetz drin- Und die Krise wird weiter voranschreiten. Bei gender Nachbesserungen, da bei der Klimabilan- anhaltender Wärme, Trockenheit und vermehrt zierung der Fokus allein auf dem Waldspeicher auftretenden Stürmen sind für die kommenden liegt und die Holznutzung und deren Substituti- Jahre noch größere Schäden zu befürchten. Das onseffekte nicht in die Betrachtung einbezogen Waldsterben wird uns zukünftig, wenn nicht werden. Denn damit wird jede Baum- entnahme sogar über Jahrzehnte, noch sehr viel abverlan- bilanziell zu einer CO2-Emission – unabhängig 5
davon, ob dies zur Pflege der Waldbestände oder geht davon aus, dass Klimaneutralität nur durch zum klimagerechten Waldumbau erfolgt. Dies neue und innovative Technologien sowie eine hat zur Folge, dass der festgelegte kurzfristige massiv forcierte Digitalisierung gelingen kann. Aufbau der Waldsenke letztlich nur durch Nut- Gerade in innovativen Technologien liegt daher zungseinschränkungen und Flächenstilllegun- eine große Chance für Deutschland als Welt- gen erreicht werden kann. marktführer bei „grünen Technologien“. Die Forstbetriebe müssen durch die Honorie- Die Digitalisierung treibt auch Innovationen vo- rung der Klimaschutz- und Ökosystemdienstleis- ran. Hierbei hat nicht zuletzt die anhaltende Co- tungen ihrer Wälder in die Lage versetzt werden, rona-Pandemie als Beschleuniger der Digitalisie- diese auch zukünftig noch erbringen und finan- rung gewirkt. Innerhalb von kurzer Zeit haben zieren zu können. Videokonferenzen Dienstreisen ersetzt. Auch kann eine intelligente Haustechnik den Wärme- DIGITALISIERUNG + NEUE verbrauch senken. Intelligente Verkehrs- und TECHNOLOGIEN NUTZEN verbesserte Informationssysteme können den Verkehrsfluss optimieren und Wege vermeiden Der Unterschied zwischen Wunsch und Wirk- helfen. Sektorenkopplung wird durch die digitale lichkeit ist beim Kampf gegen den Klimawandel Vernetzung von Wärme- und Stromversorgung groß: So errechnete jüngst die Internationale erleichtert, so dass klimafreundliche Energieträ- Energieagentur (IEA), dass, wenn bis 2050 kein ger wie Wind und Sonne leichter integriert wer- Treibhausgas mehr ausgestoßen werden soll, ab den können. Es gilt, die Forschung und Entwick- sofort global nicht mehr in neue Öl-, Gas- und lung in diesem Bereich konsequent fortzusetzen. Kohleförderung investiert werden darf. Die IEA SCHADHOLZANFALL DEUTSCHLAND 2018–2020 2020: 72,4 Mio. m3 2019: 68,7 Mio. m3 = 176,7 Mio. m3 Schadholz 2018: 35,6 Mio. m3 Das entspricht etwa 6 Millionen LKW-Ladungen. Würde man die LKW Stoßstange an Stoßstange reihen, würde diese Schlange mehr als 3,5-mal um die Erde reichen. Quelle: BMEL; Grafik: DStGB 2021 6
AUSWEITUNG DES Windenergieanlagen in Deutschland in den letz- EMISSIONSHANDELS ten drei Jahren massiv eingebrochen. Viele Kernaufgaben der kommunalen Daseins- Zur Erreichung der Klimaschutzziele und zur Stei- vorsorge werden bereits heute nachhaltig und gerung der Akzeptanz vor Ort, gerade beim Aus- energieeffizient organisiert. Auch finden zahlrei- bau der Erneuerbaren Energien, bedarf es daher che Klimaschutzmaßnahmen in den Bereichen eines Klimaschutzbeschleunigungsgesetzes. Wir Wärme und Verkehr bereits vor Ort statt. Pers- brauchen schnellere Planungs-, Genehmigungs- pektivisch ist eine Ausweitung des Emissionshan- und Vergabeverfahren. Im Bundes- und Landes- dels auf weitere Bereiche aus kommunaler Sicht recht muss das Prinzip lauten: Vorfahrt für den zielführend. Auch für den Wärme- und Verkehrs- Klimaschutz! sektor bietet sich der Zertifikatehandel für Brenn- stoffemissionen an, um eine Lenkungswirkung VERZICHT AUF AUSGLEICHSREGELUNG für den europäischen Klimaschutz zu erzielen. Jedoch empfiehlt es sich zunächst, die nationalen Planungen, die explizit dem Klimaschutz dienen, bzw. supranationalen klimapolitischen Maßnah- dauern zu lange. Sie müssen beschleunigt wer- men aus Förderprogrammen zusammenzulegen. den. Daher ist es wichtig, in derartigen Fällen ei- nen Verzicht auf die naturschutzrechtliche Aus- „Viele Kernaufgaben gleichsreglung vorzusehen. Windkraftanlagen, aber auch der Fahrradwegebau, dienen durch die der kommunalen Reduzierung der Erderwärmung dem Natur- und Artenschutz. Diese Projekte sollten von der na- Daseinsvorsorge turschutzrechtlichen Ausgleichsregel (§ 15 Abs. 2 BNatSchG) freigestellt werden. werden bereits heute DIGITALE PLANUNTERLAGEN nachhaltig und Darüber hinaus muss die Auslegung von Pla- energieeffizient nungsunterlagen beschleunigt werden. Über die organsiert.“ aktuell bis Ende 2022 befristete Möglichkeit im Planungssicherstellungsgesetz hinaus, sollten für Klimaschutzprojekte Beteiligungen zeitlich Als wichtigste Maßnahme ist aber ein übergeord- unbefristet rein digital erfolgen können. neter Emissionshandel für die Bereiche Wärme und Verkehr auf europäischer Ebene zu benen- WIEDEREINFÜHRUNG VON nen. Dieser kann die versprochene Lenkungs- PRÄKLUSIONS- + STICHTAGSREGELUNGEN wirkung am besten entfalten und die Energieef- fizienz nachhaltig fördern. Jedoch dürfte fraglich Dringend erforderlich ist zudem die Einführung sein, ob sich eine derartige CO2-Bepreisung im von Präklusions-, Stichtags- und Heilungsregelun- europäischen Verbund zeitnah realisieren lässt. gen. Klagen von Privaten und Verbänden gegen Klimaschutzprojekte, wie etwa der Windenergie, KLIMASCHUTZBESCHLEUNIGUNGS- führen oft zu großen Verzögerungen. Sie sind da- GESETZ SCHAFFEN her zu begrenzen. Mehrfach sowohl bei Planungs- verfahren als auch im folgenden Gerichtsverfah- Planungs- und Genehmigungsverfahren dauern in ren vorgebrachte Belange müssen zukünftig durch Deutschland, auch beim Ausbau der Erneuerba- materielle Präklusions- sowie Stichtagsregelun- ren Energien, nach wie vor zu lange. Auch wegen gen vermieden werden. Die Bundesregierung ist zu komplexer Anforderungen an die Planungsver- aufgefordert, auf die Änderung der UVP-Richtlinie fahren sowie wegen Klagen – etwa gegen Win- und der Aarhus-Konvention hinzuwirken. denergieanlagen – und wegen einer mangelnden Akzeptanz vor Ort, ist die Anzahl an Zubauten von 7
WEGFALL DER AUFSCHIEBENDEN AUSBAU ERNEUERBARER ENERGIEN WIRKUNG – VERKÜRZUNG VON FORCIEREN – AKZEPTANZ ERHÖHEN GERICHTSWEGEN Bis 2030 soll in Deutschland der Anteil erneuer- Die aufschiebende Wirkung von Widerspruch barer Energien am Strom auf 65% steigen. Seit und Anfechtungsklage ist aktuell „nur“ bei der 2017 ist aber die Zulassung neuer Windenergie- Zulassung von Windkraftanlagen an Land (§ 63 anlagen als wichtigste Säule der Erneuerbaren BImSchG) weggefallen. Auch die erstinstanzli- Energien eingebrochen. Wurden 2017 noch fast che Zuständigkeit der Oberverwaltungsgerichte 1.800 Windenergieanlagen an Land neu gebaut, wurde nur für Klagen gegen Windenergieanlagen waren es 2020 nur noch 420. an Land eingeführt. Diese Begrenzung ist nicht sachgerecht. Nötig ist eine Übertragung dieser Der weitere Ausbau erneuerbarer Energien ist Änderungen auf alle größeren Klimaschutzpro- daher zu forcieren und zur Erreichung der Kli- jekte, etwa auch im Bereich der Umsetzung der maziele dringend notwendig. Die Forderung des Verkehrswende. DStGB, die Kommunen finanziell an Windener- gieanlagen an Land Photovoltaik-Freiflächen- DAUER VON GERICHTSVERFAHREN BEGRENZEN anlagen besser zu beteiligen, um die Akzeptanz für deren Ausbau zu fördern, wurde endlich im Für im dringenden öffentlichen Interesse liegen- Erneuerbare-Energien-Gesetz aufgenommen. de Vorhaben, wozu auch Klimaschutzvorhaben Jedoch muss weiter an verpflichtenden Rege- gehören, sollte schließlich eine maximale Ge- lungen gearbeitet werden. Ebenso müssen Be- samt-Regeldauer (12 Monate) von Gerichtsver- fahren gesetzlich, zumindest als Appellfunktion, standsanlagen hiervon erfasst werden. verankert werden. KLIMAGERECHTE VERGABEVERFAHREN FÜR MOBILITÄT STÄRKEN KLIMASCHUTZPROJEKTE BESCHLEUNIGEN Das neue und angepasste Klimaschutzgesetz Zur Beschleunigung von Bauvergaben für den sieht eine ambitionierte Emissionsreduzierung Klimaschutz sollten darüber hinaus dauerhaft für den Verkehrssektor vor. Dies ist grundsätz- höhere vergaberechtliche Wertgrenzen durch lich zu begrüßen, denn gerade im Bereich Ver- die Länder für die Kommunen eingeführt wer- kehr sind auch aufgrund des allgemeinen Ver- den. Danach könnten etwa Beschränkte Ver- kehrswachstums Emissionsminderungen nicht gaben (Bsp.: Bis 1.000.000 Euro), Freihändige in dem erforderlichen Maß eingetreten. Das Vergaben (Bsp.: Bis 100.000 Euro) und Direkt- Klimaschutzgesetz sieht vor, dass in diesem Sek- aufträge (Bsp.: Bis 15.000 Euro) auf Dauer er- tor bis 2030 nur noch 85 Millionen Tonnen an leichtert zulässig und Vergabeverfahren dadurch Jahresemissionen zulässig sein sollen. Um dies beschleunigt werden. zu erreichen, müssen über das bisherige Kli- Bildnachweise diese Seite v. l.: Robert Kneschke - Fotolia | U. Zimmermann/DStGB | | Sunny studio - stock.adobe.com | vencav - Fotolia 8
maschutzpaket hinaus mehr Investitions- und zusätzlicher sicherer Abstellmöglichkeiten wird Betriebsmittel für eine Mobilitätswende in den bundesweit auf etwa 1,5 Mio. Euro geschätzt. Städten als auch auf dem Land bereitgestellt werden. Nachholbedarf besteht einerseits bei Der Schienenverkehr muss zudem zur besseren Infrastruktur und Angeboten im ÖPNV, Radver- Anbindung der Städte und Gemeinden weiter kehr oder der Digitalisierung im Mobilitätsbe- durch Taktverdichtungen, neue Verbindungen reich. Auf der anderen Seite ist auch zusätzliches und Reaktivierungsvorhaben gestärkt werden. Personal in Planungs- und Tiefbauämtern sowie Ziel muss sein, auf nachfragestarken Strecken Genehmigungsbehörden erforderlich. für Pendlerinnen und Pendler und Auszubil- dende echte Alternativen zum Auto zu schaffen. Das Sonderprogramm „Stadt und Land“ zum Ebenso können mit Qualitätsbussystemen wei- Ausbau der Radinfrastruktur fördert den flä- tere Potenziale für den Umstieg dort gehoben chendeckenden Ausbau lückenloser Radnetze werden, wo keine Schienenverbindungen be- bis 2023. Mit Blick auf die Unterausstattung stehen. Mehr als 120 Mittelzentren in Deutsch- von Landstraßen (weniger als ein Drittel der land sind nicht an das Bahnnetz im Personen- Straßen außerorts verfügen über separate Rad- verkehr angeschlossen. Im Güterverkehr muss wege) und die Anpassungsbedarfe innerstädti- eine Verlagerungsoffensive auf Schienen und scher Straßeninfrastruktur hin zu sicherer Rad- Wasserstraßen gestartet werden. Neben der verkehrsführung ist das Programm auszuweiten CO2-Reduzierung muss hierbei auch die für die und die Finanzierung über 2023 hinaus zu si- Lebensqualität wichtige Lärmreduzierung im chern. Ebenso muss die Verknüpfung zwischen Blick stehen. Radverkehr und ÖPNV durch den Bau von Rad- abstellanlagen beschleunigt werden. Der Bedarf WINDKRAFTAUSBAU AN LAND NACH LÄNDERN Quelle: BNetzA, Auswertung: FA Wind; Grafik: DStGB 2021 9
VERKEHRSINFRASTRUKTUR der Masterplan Ladeinfrastruktur konsequent NACHHALTIG FINANZIEREN umgesetzt werden. Dabei muss in der Stadt und auf dem Land die Förderung des Ausbaus der Wo ÖPNV und Radverkehr keine Alternative Ladeinfrastruktur im privaten, halböffentlichen darstellen, brauchen wir einen technologieoffe- und öffentlichen Raum forciert werden. Dem nen Antriebswechsel auf unseren Straßen. Den steigenden Lieferverkehr in den Städten sollten Kommunen kommt gerade bei der Verbreitung unter anderem die verstärkte Zusammenarbeit der Elektromobilität und dem Einsatz von Was- bei der Auslieferung auf der „letzten Meile“ des serstoff im Verkehr eine entscheidende Rolle zu. Transports entgegengesetzt werden. Sie sind Vorbild und Umsetzer aber auch für die Genehmigung von Ladeinfrastruktur und dem Aufgrund des hohen kommunalen Anteils an koordinierten Aufbau von Infrastrukturen. Da- der Straßeninfrastruktur von über 83 Prozent mit hierbei kein Flaschenhals entsteht, sollten ist die Forderung nach einer aufwandbezogenen kommunale Elektromobilitätsmanager vor Ort Verteilung der Finanzmittel für die Verkehrsinf- gefördert und ausgebildet werden. Die Antriebs- rastruktur zwischen Kommunen, Ländern und wende gelingt nur durch den flächendeckenden Bund bei nutzerorientierten Infrastrukturabga- Know-how-Aufbau aller staatlichen Ebenen. Bei ben aktueller denn je. Dabei muss die Akzeptanz dem Aufbau von Schnellladeinfrastruktur dür- der Menschen für ein verbrauchs-, ausstoß- und fen zudem keine Regionen abgehängt werden. nutzungsorientiertes Abgabensystem im Vorder- Dies könnte sonst beispielsweise für Tourismus- grund stehen. Dies beinhaltet ein differenziertes gemeinden auf dem Land erhebliche Standort- Modell unter Einbeziehung der Kfz-Steuer sowie nachteile mit sich bringen. Neben der Erhöhung der Öko- und Energiesteuern und eine damit des Umweltbonus sollte bei der Elektromobilität verbundene Belastung klimaschädlichen Ver- 10
haltens einerseits und der Verwendung dadurch Kommunen sind mit ihren ca. 186.000 Gebäuden bedingter Einnahmen für klimafreundliche Maß- und ca. 1,6 Millionen kommunalen Wohnungen nahmen (ÖPNV, Radinfrastruktur etc.) sowie wesentliche Akteure. Zielgerichtete Investitions- eine Finanzierung für soziale Ausgleichszwecke programme von Bund, Ländern und Kommunen andererseits. Für eine bessere und zeitgemäße in die energetische Gebäudesanierung sind ange- ÖPNV-Finanzierung bedarf es eines abgestimm- sichts des oft in schlechtem Zustand befindlichen ten Finanzierungsmodells, um diesen für die Zu- Gebäudebestands auf hohem Niveau auch in Zu- kunft flächendeckend so auszuweiten, dass die kunft erforderlich. Verkehrswende bundesweit gelingt. Basis hierfür ist die schrittweise Erhöhung der Regionalisie- Ein weiterer wichtiger Baustein kann in diesem rungsmittel. Zusammenhang die Ausstattung aller kommu- nalen Gebäude mit Photovoltaikanlagen sein. BESTAND ENERGETISCH SANIEREN Der Bund ist aufgefordert, ein 100.000-Solardä- cher-Förderprogramm für öffentliche Gebäude Um die Klimaschutzziele im Gebäudesektor zu aufzulegen. Neben Verwaltungsgebäuden kön- erreichen, sind umfassende Sanierungen im Ge- nen Kitas, Sportstätten oder auch der kommu- bäudebestand erforderlich. nale Wohnungsbestand mit Eine der größten Heraus- einbezogen werden. Viele forderungen ist die Steige- Kommunen gehen seit Jah- rung der Sanierungsquote, „Die Antriebswende ren mit Solaranlagen auf die derzeit mit ca. 1 Prozent den Dächern ihrer Liegen- sehr niedrig liegt, um signi- gelingt nur durch schaften voran. Um die am- fikante Fortschritte bei der bitionierten Ausbauziele Energieeffizienz im Gebäu- den flächendecken- des Klimaschutzgesetzes desektor zu erreichen. flächendeckend zu errei- den Know-how- chen, wird es allerdings Um die Quote zu erhö- hen und die Gebäudes- Aufbau aller ohne zusätzliche Förderung nicht gehen. Die Kommu- anierung in Deutschland voranzutreiben, hat die staatlichen Ebenen.“ nen können auf diesem Weg Vorbild für private Eigen- Bundesregierung in ihrem heimbesitzer, aber auch für K l i m a s c h u t z p ro g ra m m die Wirtschaft sein, um ihre 2030 verschiedene Maßnahmen und Program- Dächer zur Installation von Photovoltaikanlagen me reformiert und neu aufgesetzt. Nun wird es zu nutzen. darauf ankommen, insbesondere das Gebäude- energiegesetz (GEG) mit angemessenen klimapo- NACHHALTIGE FINANZMÄRKTE litischen Standards für Neubau und Bestand wei- SCHAFFEN terzuentwickeln. Erforderlich sind unter anderem eine Umstellung der Bemessungsgrundlagen auf Auch die Finanz- und Haushaltspolitik der öffent- nachvollziehbare Parameter sowie der Bezug zur lichen Hand hat eine große Bedeutung für die Quartiersebene, zu den Lebenszykluskosten und Nachhaltigkeit. Die EU und aktuell auch der Bund zu den Energieversorgungsstrukturen. Gerade treiben das Projekt der Schaffung nachhaltiger über technologieoffene, an der Gebäude- und Finanzmärkte voran, die bei Investitionen, Anla- Nutzerstruktur orientierte Quartierskonzepte im gen, Krediten oder Anleihen die Beachtung der Neubau und Bestand können die Klimaschutzzie- ökologischen, ökonomischen und sozialen Nach- le im Gebäudebereich erreicht werden. haltigkeitsziele einbinden. Dabei darf keine Bü- rokratie entstehen, die letztlich kontraproduktiv Die Experimentierklausel des Gebäudeenergie- sein wird. Gegenüber einer Regulierung sollte auf gesetzes sollte im Übrigen deutlich erweitert und einen Benchmarking-Prozess gesetzt werden, in das Energierecht verstärkt auch auf den Klima- dem die besten Wege zu einem nachhaltigen Fi- schutz beim Wohnen ausgerichtet werden. Die nanzmarkt gefunden und optimiert werden. 11
INTERNATIONALE ENTWICKLUNGS- und in Wärmepumpen. Insbesondere muss die ZUSAMMENARBEIT AUSBAUEN Öl-Austauschprämie um den Anschluss an ein Wärmenetz erweitert werden. Generell setzt das Klimaschutz verlangt nach internationaler Ent- bestehende System nicht genügend Anreize zum wicklungszusammenarbeit und fairen inter- Einsatz umweltfreundlicher Energieträger. Strom, nationalen Märkten. In diesem Feld sind die Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas sind die Ener- Möglichkeiten der kommunalen Entwicklungszu- gieträger des Alltags. Doch sie sind unterschied- sammenarbeit weiter zu fördern und auszubau- lich hoch belastet mit Umlagen, Abgaben, Steuern en. Klimarelevante Politik wird nicht nur in den und Entgelten – im Wesentlichen, um die Ziele der Industriestaaten gemacht, daher müssen die ge- Energiewende zu erreichen und Einnahmen im meinsamen internationalen Klimaschutzzielset- Bundeshaushalt zu generieren. Deutschland hat zungen weiter geschärft und umgesetzt werden. bereits heute den höchsten Energiepreis in Euro- pa, was zulasten der Verbraucher aber auch der Wirtschaft geht. Im Interesse der Wettbewerbs- „Die Eigenversorgung fähigkeit müssen die Energiekosten im europäi- schen Vergleich jedoch stärker gesenkt werden. mit erneuerbarem Strom Maßnahmen zur Stabilisierung des Strompreises muss daher weiter und eine Reform bei den Abgaben und Umlagen sind daher unausweichlich. gestärkt und von Abgaben Die zunehmende Elektrifizierung der Sektoren und Steuern befreit Wärme und Verkehr wird die Energiewirtschaft verändern. Einsparverpflichtungen und Emis- werden.“ sionsreduzierungen werden den Energiesektor verstärkt fordern, aber auch Raum für Innovati- onen und Lösungen vor Ort geben. Dem werden sich die kommunalen Unternehmen stellen. An- KLIMAFREUNDLICHE stelle entschädigungsloser Enteignungen brau- INVESTITIONEN STÄRKEN chen die Unternehmen dazu verlässliche Inves- titionsbedingungen, etwa für den Umstieg auf Für die Energiewirtschaft muss der Anreiz für klimafreundliche Energieträger im Bereich der Investitionen in klima- freundliche Technologien Kraft-Wärme-Koppelung. verstärkt werden und für die Verbraucher muss es besonders attraktiv sein, klimafreundlichen grünen Strom zu beziehen. In der Elektromo- bilität, aber vor allem auch im Wärmebereich müssen sich klimaschonende Investitionen be- rechenbar lohnen, zum Beispiel in grünes Gas Bildnachweise: Halfpoint - stock.adobe.com | Petair - Fotolia.com | Mikael Damkier - stock.adobe.com 12
II. MASTERPLAN KLIMAANPASSUNG + KLIMASCHUTZ GLOBALER KLIMASCHUTZ VERBIETET NATIONALE ALLEINGÄNGE Der Klimaschutz beinhaltet eine globale Heraus- Kommission hat daher bereits im Dezember forderung. Dies hat der am 09. August 2021 ver- 2019 den europäischen „Grünen Deal“ auf den öffentlichte Bericht des Weltklimarats (IPCC) be- Weg gebracht. Er legt dar, wie Europa bis 2050 stätigt: Danach hat sich die Erderwärmung stark zum ersten klimaneutralen Kontinent gemacht beschleunigt und betrifft inzwischen alle Regio- werden kann und bietet einen Fahrplan, der die nen der Erde. Bereits 2030 droht demnach eine Wirtschaft in der EU nachhaltiger machen soll. Erderwärmung um 1,5 Grad – zehn Jahre früher Die EU-Kommission hat darüber hinaus ange- als bisher prognostiziert. Dies wird erhebliche kündigt, bis 2030 Investitionen von 1 Billion Folgewirkungen haben, wenn nicht schnell und Euro für den Klimaschutz zu mobilisieren. Die global gehandelt wird. EU muss nun ihre Koordinierungsrolle erfüllen. Deutschland hat allerdings nur einen Anteil am Klimaschutz ist und bleibt eine gesamtgesell- Ausstoß der weltweiten CO2-Emissionen von le- schaftliche Herausforderung. Nötig ist daher ein diglich 2 Prozent (China: ca. 28 Prozent; USA: ca. umfassender „Masterplan Klimaschutz“ unter 15 Prozent). Die in Deutschland geplanten Maß- Einbindung aller Akteure. Klimaschutz ist eine nahmen müssen daher in der EU und internati- politische Zielsetzung, neben der viele andere onal abgestimmt werden, um den gewünschten stehen, wie Sozialpolitik, Wirtschafts- und Fi- Effekt erreichen zu können. Deutschland wird nanzpolitik, Mobilität, Arbeitsmarkt oder Indus- das Weltklima nicht alleine retten können! triepolitik. Alle diese Bereiche haben ihre Inhalte und Bedeutung und dürfen nicht gegeneinander Die EU will die Klimaschutzziele insbesondere in Stellung gebracht werden. Im Gegenteil, sie durch den Emissionshandel und durch differen- müssen zu einem Politikkonzept „aus einem Guss“ zierte Beiträge der Mitgliedstaaten zur Emis- zusammengefügt werden. sionsminderung erreichen. Die Europäische CO2-AUSSTOSS WELTWEIT Angaben in Prozent China 29,7 USA 13,9 Indien 6,9 Russland 4,6 Japan 3,2 Deutschland 2,0 Iran 1,9 Südkorea 1,8 Saudi-Arabien 1,7 Kanada 1,6 Hier: Die 10 Länder mit dem größten Anteil weltweit. 0 5 10 15 20 25 30 Quelle: Sta�sta; Grafik: DStGB 2021 Marienstraße 6, 12207 Berlin Fon: 0 30/7 73 07 - 0, julia.sagasser@dstgb.de, www.dstgb.de Stand August 2021
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