Master in de Meertalige Communicatie 2015
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Faculteit Letteren & Wijsbegeerte Melissa Rosseel Das Bild vom Fall der Berliner Mauer in der flämischen Presse Masterproef voorgedragen tot het behalen van de graad van Master in de Meertalige Communicatie 2015 Promotor Dr. Geert Stuyckens Vakgroep Vertalen Tolken Communicatie
VORWORT Das Schreiben dieser Masterarbeit wäre nie so reibungslos verlaufen ohne die Hilfe einiger Menschen, denen ich gern dafür danken möchte. Erstens möchte ich mich bei meinem Betreuer, Dr. Geert Stuyckens, für die wertvolle Begleitung beim Schreiben meiner Masterarbeit bedanken. Er stand mir immer beratend und unterstützend zur Seite, auch während seiner Rehabilitation. Zweitens danke ich meiner Familie für ihre Unterstützung. Zum Schluss möchte ich mich gern bei meiner Freundin Alma Skrijlej bedanken. Sie wohnt bereits einige Jahre im deutschen Essen und sie hat mir als Muttersprachlerin beim Nachlesen dieser Masterarbeit gut geholfen.
INHALTSVERZEICHNIS 1 EINLEITUNG ................................................................................................................................. 4 2 GESCHICHTE DEUTSCHLANDS NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG ................ 5 2.1 Nachkriegsjahre ......................................................................................................................................................... 5 2.1.1 Kalter Krieg ....................................................................................................................................................... 6 2.1.2 Marshallplan ...................................................................................................................................................... 7 2.1.3 Währungsreform ............................................................................................................................................... 7 2.1.4 Gründung der Bundesrepublik (BRD) ...................................................................................................... 8 2.1.5 Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) ............................................................ 8 2.2 Deutschland: zwei Staaten ..................................................................................................................................... 9 2.3 Der Bau der Berliner Mauer ............................................................................................................................... 11 2.4 1961 - 1989: im Bann der Berliner Mauer .................................................................................................... 14 2.5 Der Fall der Berliner Mauer ............................................................................................................................... 16 3 DAS BILD ÜBER DEUTSCHLAND ...................................................................................... 18 4 FRAMING .................................................................................................................................... 21 4.1 Definitionen von Framing ................................................................................................................................... 21 4.2 Die Analyse von Frames ..................................................................................................................................... 22 4.3 Framing devices und reasoning devices ......................................................................................................... 25 5 FORSCHUNGSFRAGESTELLUNG ..................................................................................... 27 6 ABGRENZUNG FORSCHUNGSMATERIAL ................................................................... 28 6.1 Forschungseinheiten ............................................................................................................................................. 28 6.2 Datensammlung ...................................................................................................................................................... 29 7 FORSCHUNGSMETHODE ..................................................................................................... 31 8 FORSCHUNGSERGEBNISSE ................................................................................................ 33 8.1 Einleitung: Die Geschichte wird nicht gelöscht .......................................................................................... 33 8.2 Frames ....................................................................................................................................................................... 35 8.2.1 Frame 1 Ossis und Wessis, noch nicht ein Volk ................................................................................ 35 8.2.2 Frame 2 verdorrte Landschaften .............................................................................................................. 41 8.2.3 Frame 3 DDR-Helden in der Vergessenheit (außer Gorbatschow) .............................................. 47 8.3 Das Volk war der echte Held ............................................................................................................................. 51 8.4 Deutschland heutzutage ....................................................................................................................................... 52 8.5 Besprechung Forschungsergebnisse ................................................................................................................ 54 8.6 Tabelle mit reasoning devices ........................................................................................................................... 58 9 SCHLUSSFOLGERUNG .......................................................................................................... 59 10 BIBLIOGRAPHIE .................................................................................................................... 63 11 ANHANG .................................................................................................................................... 65 Anhang 1 Alle Zeitungsartikel aus dem Korpus ................................................................................................. 65 Anhang 2 Tabelle mit den meist vorkommenden Wörtern aus den Wortfrequenzlisten ...................... 70
4 1 EINLEITUNG Die Berliner Mauer, das Symbol des Kalten Krieges, verkörperte 28 Jahre lang die Spaltung zwischen Ost- und Westberlin, zwischen der kommunistischen DDR und der kapitalistischen Bundesrepublik und zwischen Ost- und Westeuropa. Der Fall der Mauer war nicht nur ein Höhepunkt in der europäischen Geschichte, sondern dieser hatte auch weltweit einen großen Einfluss. Nach 1989 verschwand aber in Ostdeutschland die Euphorie des Falls des verhassten antifaschistischen Schutzwalls schnell. Die Ungleichheit zwischen Ost- und Westdeutschland war groß und es stellte sich heraus, dass die sogenannten blühenden Landschaften, die der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl den Ostdeutschen versprochen hatte, eine Illusion waren. Deutschland hatte nach dem Fall der Berliner Mauer den Traum der Deutschen Einheit, aber die Wiedervereinigung lief nicht wie am Schnürchen, weder in der Politik, noch beim Volk. Trotz dieser Schwierigkeiten wird in Deutschland bis heute dieses Ereignisses festlich gedacht. So zogen im Jahre 2014 Millionen von Deutschen und Touristen in die Hauptstadt Berlin für den fünfundzwanzigsten Gedenktag. Das Ereignis von 1989 wird nie rückgängig gemacht und inspiriert weiterhin viele Menschen wie mich, darüber zu schreiben. Kapitel 2 vermittelt einen Überblick der Geschichte von Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg bis zum Fall der Berliner Mauer. Im Kapitel 3 wird das Bild über Deutschland heutzutage besprochen. Dieses Kapitel basiert auf dem Buch Dominant Duitsland von Dirk Rochtus. Kapitel 4 beschreibt das Konzept Framing. Im Forschungsteil dieser Masterarbeit wird nämlich in den flämischen Qualitätszeitungen De Standaard und De Morgen nach vorherrschenden Frames in Bezug auf den Mauerfall gesucht. Gamson & Modigliani (1987 zitiert in Matthes & Kohring 2008, S. 264) betrachten Frames als "a central organizing idea or story line that provides meaning to an unfolding strip of events". Ein Frame legt fest, wie die Leser die Realität betrachten sollen. Das 5. Kapitel umfasst einerseits die Forschungsfrage und andererseits drei Hypothesen. Im 6. und 7. Kapitel wird das Forschungsmaterial abgegrenzt bzw. die Methodologie besprochen. Das 8. Kapitel enthält die Forschungs- ergebnisse, in dem die gefunden Frames aus der Analyse des Zeitungskorpus nach Zeitung und Jahr besprochen werden. Das 9. und letzte Kapitel dieser Masterarbeit ist die Schlossfolgerung, in dem die wichtigsten Ergebnisse zusammengefast werden und eine Antwort auf die Fragestellung formuliert wird.
5 2 GESCHICHTE DEUTSCHLANDS NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG 2.1 Nachkriegsjahre Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges im Jahre 1945 war es deutlich, dass das Dritte Reich militärisch, politisch und ökonomisch völlig zerstört war (Tyrions, 2009). Historiker beschreiben diese Situation als Stunde Null. Auf der Konferenz von Jalta (im Februar 1945) wurde die Beteiligung von Deutschland besprochen. Der Sowjetführer Stalin, der amerikanische Präsident Roosevelt und der britische Premierminister Churchill hatten sich auf dieser Konferenz entschlossen, dass Deutschland völlig besetzt und das Naziregime ausgeschaltet werden sollte. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde das Land in drei Besatzungszonen aufgeteilt. Die Rote Armee, also die Sowjets, besetzte den Osten Deutschlands einschließlich der Hauptstadt Berlin. Die Briten besetzten den Norden und die Amerikaner den Süden Deutschlands. Mit der Zustimmung von Stalin wurde aus einem Teil des britischen und amerikanischen Sektors auch noch eine französische Besatzungszone gebildet. Die Hauptstadt Berlin wurde ebenfalls in vier Sektoren aufgeteilt. Die Aufteilung Deutschlands hat später zum Bau der Berliner Mauer geführt. Berlin befand sich nämlich inmitten der Sowjetzone. Deswegen musste man durch diese Zone, um die alliierten Sektoren zu erreichen. An der Spitze jeder Zone wurde ein Kommandant angestellt, der die absolute Macht in seiner Zone hatte. Es war die Absicht, dass die vier Kommandanten zusammenarbeiten würden, um den wirtschaftlichen und politischen Wiederaufbau Deutschlands zu regeln. Auf diese Weise wurde der Alliierte Kontrollrat gebildet. Dieser Kontrollrat einigte sich im Hinblick auf eine gemeinsame Deutschlandpolitik: Entmilitarisierung, Entnazifizierung, Dezentralisierung, Dekartellisierung der Wirtschaft und Demokratisierung (http://www.hdg.de/lemo/kapitel/nachkriegsjahre). Diese Prinzipien wurden auf der letzten großen Konferenz der Alliierten in Potsdam (vom 17. Juli bis zum 2. August 1945) bestätigt (Tyrions). Die Teilnehmer dieser Konferenz waren erneut Stalin und Churchill. Präsident Roosevelt war inzwischen gestorben und wurde von Harry Truman ersetzt. Auffällig war, dass trotz der Tatsache, dass die Franzosen eine Besatzungszone bekommen hatten, sie nicht in Potsdam vertreten waren. Auf der Konferenz in Potsdam wurde auch die Oder-Neiße-Grenze besprochen. Die Alliierten hatten sich entschlossen, dass die Westgrenze von Polen bis zu diesen zwei Flüssen verschoben werden solle. Das bedeutete, dass alle Gebiete östlich der Oder-Neiße-Grenze unter die Verwaltung der polnischen
6 Regierung kamen (Lehmann, 1991). Das Ergebnis waren Millionen Heimatvertriebene, die in die westlichen - alliierten - Besatzungszonen vertrieben wurden. 2.1.1 Kalter Krieg Es war ursprünglich die Absicht, dass die vier Besatzungsmächte für Deutschland eine gemeinsame Verwaltung gründen würden (Tyrions, 2009). Da jeder Besatzer jedoch nach seinem eigenen Verfahren und seinen eigenen politischen Interessen handelte, hatte man es nicht geschafft, dieses Ziel zu erreichen. Auch die Gegensätze zwischen den westlichen Alliierten und der Sowjetunion hatten zugenommen. Während die Amerikaner für längere Zeit in Europa blieben und in ihrem eigenen Sektor einen kapitalistischen Staat organisierten, hatte Stalin die Idee, in der Sowjetzone einen kommunistischen Staat zu gründen. Churchill war sich der kommunistischen Drohung bewusst, aber Westeuropa glaubte ihm zuerst nicht. Noch vor dem Ende des Krieges hatte Stalin jedoch einige ergebene Kommunisten, wie Walter Ulbricht, der später der erste Parteisekretär der SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands), der Kommunisten in Ostdeutschland, sein würde, nach Deutschland geschickt. Ulbricht begann sofort mit der Wiederherstellung der KPD (Kommunistische Partei Deutschlands). Es war deutlich, dass das politische Programm eine revolutionäre Arbeiterpartei nach sowjetischem Vorbild war. Einige Tage nach der Wiederherstellung der KPD wurde auch die SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands) wiederhergestellt. Beide Parteien bildeten endlich eine Einheitspartei, die SED. Nicht nur in Berlin, sondern auch in anderen osteuropäischen Ländern wurden kommunistische Regierungen gegründet. Diese Länder waren die sogenannten Satellitenstaaten. Die Westmächte hingegen bauten eine demokratische Gesellschaft auf (http://www.hdg.de/lemo/kapitel/nachkriegsjahre). Der Gegensatz zwischen dem Osten (dem Kommunismus) und dem Westen (dem Kapitalismus) nimmt ab 1946 immer mehr zu und die Teilung Deutschlands beginnt sich abzuzeichnen. Die fiktive Trennlinie zwischen dem kommunistischen Osten und dem kapitalistischen Westen wurde durch kilometerlangen Stacheldraht, Wachposten und Wachtürme konkretisiert: der Eiserne Vorhang (http://www.koude-oorlog.nl). Dieser Eiserne Vorhang verhinderte, dass die Einwohner des Ostens in den Westen fliehen konnten. Die Einwohner aus dem Westen durften nur unter strengen Bedingungen die Grenze überqueren.
7 2.1.2 Marshallplan Die USA entwickelte 1947 den Marshallplan, nach Außenminister George Marshall genannt, um den wirtschaftlichen Wiederaufbau in Westeuropa zu beschleunigen (http://www.koude- oorlog.nl). Die USA bot allen europäischen Ländern Geld, auch diesen in Osteuropa, aber Stalin lehnte die angebotene Hilfe ab (Tyrions, 2009). Diese Ablehnung war nicht unbegründet, weil der Marshallplan ein Teil der Containment-Politik von Präsident Truman war. Mit der Containment-Politik, auch die Eindämmungspolitik genannt, wollte die USA nämlich den wachsenden Einfluss des Kommunismus eindämmen. Der Marshallplan dauerte vier Jahre. 2.1.3 Währungsreform Trotz des Marshallplans brauchte die deutsche Wirtschaft noch einen Schubs (Tyrions, 2009). Nach dem Krieg war die Reichsmark wertlos geworden. Dadurch entstanden der Schwarzmarkt und der Tauschhandel. An Stelle der wertlos gewordenen Reichsmark wird im Jahre 1948 die Deutsche Mark eingeführt (http://www.hdg.de/lemo/kapitel/nachkriegsjahre). Die Währungsreform bedeutete vor allem einen neuen Beginn, weil sie die Gründung eines westdeutschen Staates vorbereitete (Tyrions). Sie war der Anfang des Wirtschaftswunders. Das heißt, dass die westdeutsche Wirtschaft riesig wuchs und damit auch der Wohlstand: In der Bundesrepublik gab es die ersten Fernseher, neue Häuser, die Westdeutschen reisten erneut, die Löhne erhöhten sich um zehn Prozent, die Anzahl der Autos stieg... Die Sowjetunion reagierte mit der Einführung einer eigenen Währung. Am 23. Juni hatte Deutschland zwei Währungen und am nächsten Tag schlossen die Sowjets alle Zugänge zu Berlin ab, d.h. die Sowjets reagierten mit einer Blockade aller Land- und Wasserverbindungen nach Westberlin (http://www.hdg.de/lemo/kapitel/nachkriegsjahre). Die 2,1 Millionen Westberliner konnten nur noch durch Flugzeuge versorgt wurden. Der US- Militärgouverneur Lucius D. Clay organisierte deswegen eine Luftbrücke. Bis Mai 1949 sahen die Westberliner massenhaft amerikanische und britische Flugzeuge, die sie mit Lebensmitteln versorgten. Durch diese Heldentat bekamen diese Flugzeuge den Namen Rosinenbomber. Diese Berlin-Blockade wird auch als der erste Höhepunkt des Kalten Krieges betrachtet.
8 2.1.4 Gründung der Bundesrepublik (BRD) Die wachsenden Gegensätze zwischen den westlichen Alliierten und der Sowjetunion machten schnell deutlich, dass eine Vereinigung der vier Zonen schwierig zu realisieren war (Tyrions, 2009). Der Parteichef der Sozialdemokraten (SPD), Kurt Schumacher, spielte in dieser politischen Uneinigkeit eine wichtige Rolle. Er war nicht nur ein Verfechter der deutschen Einheit, sondern auch ein Antikommunist. Er wollte vor allem, dass Westdeutschland eine neutrale Macht in der Mitte von Europa würde und nicht von den Amerikanern oder Sowjets gesichert würde. Seine Haltung verursachte Konflikte mit Parteimitgliedern wie Otto Grotewohl. Der größte politische Gegner von Schumacher war Konrad Adenauer, der ehemalige Bürgermeister von Köln und Vorsitzende des preußischen Staatsrats. Er hatte nach dem Krieg die CDU gegründet (Christlich Demokratische Union). Adenauer war sich von der Tatsache bewusst, dass eine Teilung Deutschlands unvermeidlich geworden war. Wegen des Kalten Krieges war Westdeutschland interessant für ein Bündnis mit den westlichen Alliierten. Adenauer wählte eine Westbindung, um von den Besatzern unabhängig zu werden. Auf einer Konferenz in London im Februar 1948 stimmten die drei westlichen Alliierten überein, dass Deutschland eine föderale Staatsform bekommen sollte. Mit den "Frankfurter Dokumenten" forderten die Westmächte die Ministerpräsidenten der Länder am 1. Juli 1948 auf, die Gründung eines westdeutschen Staates einzuleiten (http://www.hdg.de/lemo/kapitel/nachkriegsjahre). Daraufhin wurde ein Grundgesetz erarbeitet, das am 8. Mai 1949 von dem Parlamentarischen Rat angenommen wurde. Der Parlamentarische Rat trat am 1. September 1948 in Bonn unter seinem Präsidenten Konrad Adenauer zusammen und das Grundgesetz trat am 23. Mai 1949 in Kraft. Die Bundesrepublik Deutschland war damit gegründet. 2.1.5 Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) Auch aus der sowjetischen Besatzungszone entstand 1949 ein deutscher Staat. Im Jahre 1947 forderte die SED eine Volkskongressbewegung. Einige Monate später kam ein zweiter Volkskongress zusammen und aus dieser Volkskongressbewegung ging der erste Deutsche Volksrat hervor, der eine Verfassung ausarbeitete; diese trat am 7. Oktober 1949 in Kraft (http://www.hdg.de/lemo/kapitel/nachkriegsjahre). Zwei Monate später würden die Wahlen für einen dritten Volkskongress stattfinden, aber die Kommunisten wollten kein Risiko mehr eingehen. Deswegen wählte der dritte Volkskongress im Mai 1949 einen zweiten Volksrat,
9 der sich zur provisorischen Volkskammer erklärte, und Otto Grotewohl mit der Regierungsbildung beauftragte. Damit war die DDR als zweiter deutscher Staat gegründet, eine kommunistische Diktatur nach sowjetischem Vorbild. 2.2 Deutschland: zwei Staaten Die Bundesrepublik Bei den ersten Bundestagswahlen in der Bundesrepublik Mitte August 1949 wählten ungefähr 24 Millionen Westdeutscher zum ersten Mal ein Parlament (Tyrions, 2009). Die Christ- demokraten (CDU/CSU) unter Führung Konrad Adenauers waren die großen Gegner des Kommunismus und des Sozialismus und verteidigten die alten christlichen und deutschen Werte sowie die soziale Marktwirtschaft. Die Sozialdemokraten (SPD) unter Führung Kurt Schumachers verteidigten die alten sozialistischen Prinzipien, die Solidarität und die Arbeiter. Sie wollten, dass der Staat mehr Einfluss auf die Industrie und auf das Bankensystem hätte. Adenauer beschuldigte die SPD, das System der Sowjetzone auch in der Bundesrepublik einführen zu wollen. Einen Monat später wählte der Bundestag Adenauer als ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik mit einer Mehrheit von einer Stimme. Die SPD wurde damit eine Oppositionspartei. Die deutschen Politiker wollten so schnell wie möglich ihre Souveränität zurückgewinnen (Tyrions, 2009). Die Alliierten (Großbritannien, Frankreich und die USA) hatten nämlich immer noch das Entscheidungsrecht über u.a. militärische Angelegenheiten. Sie kontrollierten außerdem die ausländische Politik der Bundesrepublik. 1951 wurde die Bundesrepublik bereits Mitglied des Europarats. In demselben Jahr war die Bundesrepublik auch einer der Gründerstaaten der EGKS (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl). Adenauer wollte unbedingt Mitglied der EGKS sein, weil er auf diese Weise wieder die Kontrolle über die Kohlebergwerke und die Stahlindustrie im Ruhrgebiet hatte. 1957 unterzeichnete Westdeutschland, so wie die anderen Mitgliedstaaten der EGKS, die Römischen Verträge. Auf diese Weise wurde die EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) gegründet und so entstand ein gemeinsamer Markt. In demselben Jahr hatte Adenauer die absolute Mehrheit im Bundestag und das bedeutete den Höhepunkt seiner Macht. Adenauer beschäftigte sich auch bereits lange Zeit mit der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik. Nach dem Krieg hatten die Alliierten Deutschland völlig abgerüstet. Aber durch den Einfall des kommunistischen
10 Nordkoreas ins freie Südkorea brauchte der Westen die militärische Unterstützung der Bundesrepublik. Die Angst vor Deutschland änderte sich in Angst vor dem Kommunismus. Im Jahre 1952 wurde die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) gegründet. Die Bundesrepublik bekam von den anderen westeuropäischen Ländern die Möglichkeit, sich an der EVG zu beteiligen, um sich auf diese Weise gegen einen Einfall der Sowjetunion zu verteidigen. Adenauer wollte sich gern daran beteiligen, weil Westdeutschland auf diese Weise wieder ein bisschen mehr Souveränität bekam. Die EVG war sehr umstritten, auch in der Bundesrepublik. Die SPD war nämlich stark gegen diesen Plan, weil sie fürchten, dass die EVG den Gegensatz zwischen Ost und West noch mehr vergrößern würde. Trotz aller Kritik wurde Westdeutschland im Jahre 1955 Mitglied der NATO (Nordatlantikpakt-Organisation). Dank diesem Zutritt konnte die Bundesrepublik endlich wieder eine eigene Armee gründen, die Bundeswehr. Die DDR Anfang der fünfziger Jahre entwickelte auch die DDR sich zu einem selbständigen Staat, der aber immer noch von Moskau beherrscht wurde (Tyrions, 2009). Die DDR war für Stalin wichtig, um sein Ziel, d.h. dafür sorgen, dass Deutschland nie mehr eine Drohung für die Sowjetunion sein würde, zu erreichen. Der größte Teil Deutschlands blieb aber eine Drohung und deswegen entwickelte Stalin eine doppelte Politik. Einerseits stimmte er zu, dass die DDR einen eigenen Staat gründen konnte, aber andererseits wollte er seinen Einfluss in ganz Deutschland erweitern. Im Jahre 1952 schlug er vor, die zwei Teile Deutschlands wieder zusammenzubringen, unter der Bedingung, dass das wiedervereinigte Deutschland neutral sein würde. Die Wiedervereinigung wollte vor allem Vorbeugen, dass die Bundesrepublik Mitglied der EVG sein würde. Im Oktober 1950 fanden auch in der DDR die ersten Wahlen statt (Tyrions, 2009). Die Verteilung der Sitze in der Volkskammer wurde aber bereits im Voraus festgelegt. Wie es in einem demokratischen Staat sein sollte, hatte die DDR ein Parlament und eine Regierung. In der Wirklichkeit hatte aber die kommunistische Partei alle Macht. Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED), auch kurz die Partei genannt, beherrschte nämlich das ganze gesellschaftliche und öffentliche Leben der DDR. Nichts wurde realisiert ohne die Zustimmung der SED. Die Bevölkerung hatte dazu ein Lied erfunden, das mit den folgenden Wörtern beginnt: "Die Partei, die Partei, die hat immer recht." Das Zentralkomitee und vor
11 allem sein Generalsekretär, der wichtigste Mann der Partei, hatte eigentlich die echte Macht über die ganze DDR. Nur drei Männer haben diese Funktion erfüllt: Walter Ulbricht, Erich Honecker und Egon Krenz. Republikflucht Von ihrer Gründung 1949 an wuchsen die beiden deutschen Staaten schnell auseinander (Tyrions, 2009). Die Grenze zwischen beiden Ländern wurde offiziell "Staatsgrenze der DDR zur Bundesrepublik Deutschland" genannt. Anfangs gab es noch keine Wachtürme oder Barrikaden, aber das alles änderte sich im Jahre 1952, wenn der Westen den Vorschlag Stalins (ein neutrales Deutschland) abgelehnt hatte. Vor allem der Reiseverkehr zwischen Ost und West wurde gebremst. Zum Schluss wurden der kommunistische Osten und der kapitalistische Westen durch den Eisernen Vorhang getrennt (http://www.koude-oorlog.nl). Im Jahre 1955 war es für die ganze Welt deutlich, dass es in Deutschland zwei deutsche Staaten gab und dass die Wiedervereinigung weit weg war. Auch der neue Sowjetchef Chruschtschow erkannte 1955 diese Situation in Deutschland an, aber er wollte, dass die sozialistischen Errungenschaften der DDR bewahrt bleiben sollten. 1955 war aber in Westdeutschland das Jahr des Wirtschaftswunders. Die große Folge dieses Wirtschafts- wunders in den fünfziger Jahren war vor allem der Auszug der Ostdeutschen, die sogenannte Republikflucht. Sie wussten, dass sie in der Bundesrepublik mehr Arbeitsmöglichkeiten hätten und dort ein besseres Leben haben könnten. Zwischen 1949 und 1961 flohen ungefähr 2,6 Millionen Menschen aus der DDR, vor allem Jugendliche und Gebildete. Die SED konnte nur mit drastischen Maßnahmen den Auszug beenden. 2.3 Der Bau der Berliner Mauer Im Sommer '61, am 13. August, da schufen wir die Grenze, und keiner hat's gewußt. Klappe zu, Affe tot, endlich lacht das Morgenrot. (Hammer et al., 1981)
12 Im Gegensatz zur DDR war die Bundesrepublik blühend, wohlhabend, sozial stabil und eine wachsende militärische Macht (Taylor, 2006). Die antikommunistischen Westdeutschen waren kämpferisch gegenüber der DDR. Während seiner Fernsehansprache am 25. Juli 1961 warnte J.F. Kennedy die Kommunisten, dass der Westen dazu bereit sei, Risiken zu nehmen, um die Stadt Berlin zu verteidigen. Er erklärte auch, dass Berlin das Muster für den Mut und die Willensstärke des Westens geworden sei. Berlin war nicht nur die Stadt, wo die USA, Großbritannien und Frankreich anwesend waren, sondern auch die NATO und die Einwohner von Berlin. Die Nachricht von Kennedy an den Osten war also deutlich: Wenn der Zugang zu Westberlin beschränkt würde oder die westlichen Sektoren eingenommen würden, dann würde der Westen kämpfen. Es war vor allem Chruschtschow, der Parteichef der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU), der auf diese Drohungen reagierte. Er wies darauf hin, dass der Krieg, den Kennedy scheinbar machen wollte, ein Nuklearkrieg sein würde und ganz Europa zerstören würde. Die Reaktion von Chruschtschow schloss sich an die Kampagne Ulbrichts an, weil dieser Westberlin abgrenzen wollte. Der Anlass dieser Kampagne war die große Anzahl der Ostberliner, die in den Westen flohen. Viele Fabriken und Büros waren leer durch ihren Auszug. Niemand wusste, welche Absicht das DDR- Regime hatte, aber die Bevölkerung der DDR fürchtete, vor allem nach dem Unterscheiben des Friedenvertrags zwischen der Sowjetunion und Ostdeutschland, dass alle Zugänge in dem Westen geschlossen würden. Nach dem Unterschreiben des Friedenvertrags wollte das SED- Regime nämlich alle Luft- und Landwege von und nach Berlin unter Kontrolle bringen, um auf diese Weise unter anderem die Fluchtwege abzuschließen. Auf die Frage einer Journalistin der Frankfurter Rundschau ("Bedeutet die Gründung einer freien Stadt, dass eine Staatsgrenze beim Brandenburger Tor errichtet werden würde?") auf einer Pressekonferenz in Ostberlin, antwortete der DDR-Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht (http://www.lpb- bw.de/bau_der_mauer.html): Ich verstehe Ihre Frage so: Dass es Menschen in Westdeutschland gibt, die wünschen, dass wir die Bauarbeiter der Hauptstadt der DDR mobilisieren, um eine Mauer aufzurichten, ja? Eh, mir ist nicht bekannt, dass eine solche Absicht besteht, da sich die Bauarbeiter in der Hauptstadt hauptsächlich mit Wohnungsbau beschäftigen und ihre Arbeitskraft voll eingesetzt wird. Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten. Die Anzahl der Flüchtlinge wuchs immer stärker (Taylor, 2006). Ulbricht wusste, dass die Situation in der DDR sich verschlechterte, und deswegen kam das Leben in der Republik ins Gedränge und würde bald zu einer Explosion führen. Chruschtschow und sein Oberbefehlshaber in Deutschland, Jacubowsky, hatten die Landkarte von Deutschland studiert
13 und die Folgen der Grenze zwischen den östlichen und westlichen Sektoren besprochen. Es war Chruschtschow, der die Zustimmung gegeben hatte, die Grenzübergänge in Berlin zu schließen. Ulbricht hatte bereits einen detaillierten Plan, wie er die Grenze abschließen wollte: Stacheldraht und Zäune würden heimlich nach Berlin gebracht werden, die wichtigsten grenzüberschreitenden Eisenbahnhöfe sollten gemauert werden und das alles an einem Sonntag. Es war Erich Honecker, der Sicherheitssekretär des Zentralkomitees der SED, der diese Operation, den Bau der Berliner Mauer, koordinieren musste. Es war die Absicht, dass nicht nur die westlichen Großmächte, sondern auch die eigene DDR-Bevölkerung überrascht würde. Vor dem offiziellen Befehl zum Bau der Mauer war es wichtig, dass die Schließung der Grenze so aussah, als ob sie eine defensive Aktion des Warschauer Pakts wäre. Der Warschauer Pakt war von 1955 bis 1991 ein Militärbündnis des Ostblocks unter Führung der Sowjetunion. Auf diese Weise war es für den Westen deutlich, dass die ganze kommunistische Welt die Operation des Baus der Mauer unterstützte. Ulbricht wies Chruschtschow darauf hin, dass die offene Grenze und der größere Wohlstand in Westdeutschland das ostdeutsche Regime dazu zwang, den Lebensstandard der eigenen Bevölkerung zu erhöhen. Sobald die Ostdeutschen in ihrem Land eingesperrt waren und nicht mehr in den Westen gehen konnten, konnte das Regime sich auf Einfachheit und Einschränkungen zu Lasten der Konsumenten konzentrieren, ohne sich Sorgen um die zunehmende Unzufriedenheit der Bevölkerung zu machen. Viele DDR-Bürger waren sich der Tatsache bewusst, dass es Zeit war zu fliehen. Am 11. August 1961 wurde die Volkskammer, das DDR-Parlament, einberufen, um alle notwendigen Maßnahmen für den Mauerbau zu genehmigen. In der Nacht vom 12. August begann die Schließung der Grenze. Die ganze Grenze entlang standen alle zwei Meter Wachposten, um Fluchtversuche zu vermeiden, während Grenztruppen, paramilitärische Milizen und Bauarbeiter die Straßen mit Stacheldraht, Zäunen und Betonblöcken verbarrikadierten. Von den 81 Grenzübergängen mussten 68 abgeschlossen werden und auch mussten alle 193 Straßen, die Ost- und Westberlin verbanden, geschlossen werden. 12 U- und S-Bahnlinien wurden bei den Grenzen abgeschnitten und 10 Bahnhöfe an oder in der Nähe der Grenze wurden geschlossen. Am 13. August 1961 war die Berliner Mauer gebaut, und Honecker hatte seinen größten organisatorischen Triumph erreicht.
14 2.4 1961 - 1989: im Bann der Berliner Mauer Für die Mehrheit der Bevölkerung kam eine Flucht nicht in Frage und sie sah sich deswegen nach dem Mauerbau gezwungen, mit der SED-Herrschaft zu leben (Hertle, 1998). Die SED hatte die Verfügungsgewalt über Ausbildungs- und Studienplätze, Arbeitsplätze, Wohnungen, Ferienreisen usw. Die Staatssicherheit griff ein, wenn jemand sich oppositionell oder widerständig verhielt. Nach dem Mauerbau wurden Besuchsreisen und Übersiedlungen in die Bundesrepublik fast vollständig verhindert. Im Jahre 1963 aber begannen Abgeordnete des Berliner Senates mit der DDR zu verhandeln, um für die Westberliner Besuchsrecht zu organisieren, so dass sie ihre Familie in der DDR besuchen konnten (Tyrions, 2009). Aus diesem Grund wurde am 17. Dezember 1961 das Passierscheinabkommen unterzeichnet. Dieses Passierscheinabkommen bedeutete eine Wende in der westdeutschen Politik gegenüber der DDR. Die Aufteilung Deutschlands war eine Tatsache, und diese konnte man besser erkennen und die Folgen für die Bevölkerung eindämmen. Bis 1966 gab es verschiedene Arten von Passierscheinabkommen: eine Übereinkunft für Weihnachten, Neujahr, Ostern und Pfingsten. Ab 1966 konnte keine Übereinkunft mehr erreicht werden. Nur im Falle von "dringenden Familienangelegenheiten" wurden DDR-Bürgern Besuchsreisen in die Bundesrepublik oder nach Westberlin gestattet (Hertle). Die Reisegründe wurden 1972 auch auf Geburten, Eheschließungen, lebensgefährliche Erkrankungen und Sterbefälle von westdeutschen Verwandten beschränkt. In Westdeutschland bedeutete der Mauerbau für Bundeskanzler Konrad Adenauer den Anfang vom Ende (Tyrions, 2009). Nur neun Tage später hatte er den Mut, sich in Westberlin sehen zu lassen. Der Bürgermeister von Westberlin, Willy Brandt, reagierte hingegen sofort. Er unterbrach seine Wahlkampagne, um bei seinen Bürgern in der Stadt zu sein. Dank dieser Haltung war Brandt (SPD) der große Sieger der Wahlen im Jahre 1961. Im Oktober 1963 hatte Adenauer sein Amt niedergelegt und Ludwig Erhard, der Vater des Wirtschaftswunders, wurde den neuen Bundeskanzler (CDU/CSU). Im Jahre 1965 bildete Erhard eine Koalition mit der liberalen FDP (die Freie Demokratische Partei). Die Bundesrepublik, und auch ganz Europa, wurde damals von einer Wirtschaftskrise betroffen. Die FDP war nicht mit der Antwort Erhards auf die Krise einverstanden und so endete die Koalition im Oktober 1966. Kurt Kiesinger wurde der neue Bundeskanzler der neuen Koalition, der sogenannten Großen Koalition: CDU/CSU und SPD. Brandt wurde Außenminister und bereitete seine Ostpolitik unter dem Slogan "Wandel durch Annäherung" vor. Eine Annäherung an die DDR und die
15 Sowjetunion war aber nicht möglich mit den Christendemokraten in der Regierung. Als 1969 die Sozialdemokraten von der SPD die großen Sieger der Bundestagwahlen waren, konnten die SPD und FDP eine Koalition mit Brandt als Bundeskanzler bilden. Auf diese Weise konnte Brandt, zusammen mit seinem Strategen Egon Bahr, seine Ostpolitik durchführen, deren wichtigstes Ziel es war, die Beziehungen mit dem kommunistischen Ostdeutschland und mit Moskau zu verbessern. Vorsicht war aber durchaus geboten, um die Beziehungen mit den USA und Westeuropa nicht in Gefahr zu bringen. Die Ostpolitik war ein großer Erfolg und 1971 bekam Brandt den Friedensnobelpreis. Es stellte sich aber später heraus, dass seine idealistischen Vorhaben unrealistisch waren. Nach der Entlassung Brandts wurde Helmut Schmidt der neue Bundeskanzler. Anfang der siebziger Jahre musste er die erste Ölkrise unter Kontrolle haben und im Ausland war man neidisch gegenüber dem wachsenden deutschen Export. In der DDR ersetzte Erich Honecker 1971 Ulbricht als Parteichef der SED (Tyrions, 2009). Er proklamierte die "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik". Für ihn war die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage eine Bedingung für bessere soziale Einrichtungen. Der Lebensstandard und die Kaufkraft der Ostdeutschen mussten sich unbedingt erhöhen, um die Bevölkerung zufrieden zu halten und die Produktivität zu steigern. Zwischen 1970 und 1975 hatten die DDR-Bürger den höchsten Lebensstandard gegenüber allen Ostblockländern. Obwohl in der DDR der Unterricht und das Gesundheitswesen ausgezeichnet waren, tausende Wohnungen gebaut oder renoviert wurden, die Löhne stiegen usw., gab es noch viele Beschränkungen. Außerdem wurde jeder DDR-Bürger von der Stasi, der Staatssicherheit, scharf im Auge behalten. Alle Ostdeutschen wussten, dass sie bespitzelt wurden, und das sorgte dafür, dass sie ein unangenehmes Leben in der DDR hatten. Anfang der 1980er hatten fast alle Familien in der DDR einen Kühlschrank, eine Waschmaschine und einen Fernseher (Tyrions, 2009). Trotz dieser Ereignisse lebte die DDR in einer Illusion des Wohlstands und musste dadurch immer mehr Produkte einführen. Diese Lage hat zu mehreren Krisen geführt, wobei die DDR mehr Geld ausgeben musste. Die DDR kannte einen großen Geldmangel und bat andere Länder, ihr Geld zu leihen, wodurch die DDR eine enorme Schuld hatte. Im Herbst 1989 war die wirtschaftliche Lage in der DDR katastrophal geworden.
16 2.5 Der Fall der Berliner Mauer Am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer, das Symbol des Kalten Krieges. Diese Mauer war über Jahrzehnte der greifbarste Beweis für die Spaltung zwischen Ost- und Westberlin, zwischen der DDR und der Bundesrepublik und zwischen Ost- und Westeuropa (Tyrions, 2009). Es war Politbüro-Mitglied1 Schabowski, der während einer Pressekonferenz verkündete, dass alle DDR-Bürger ohne Bedingungen, d.h. ohne Zulassung oder Visum, aus der DDR reisen konnten und nicht obligatorisch zurückkehren mussten (Knack, 2014). Die Beschränkungen für das Reisen in den Westen waren damit aufgehoben. Diese Regelung sollte eigentlich erst am folgenden Tag in Kraft treten. Doch Schabowski unterlief ein Missgeschick. Auf eine Frage eines Journalisten, wann diese neue Maßnahme in Kraft treten würde, antwortete Schabowski zögernd "Das trifft nach meiner Kenntnis ... ist das sofort, unverzüglich". Diese Mitteilung war jedoch von den westlichen Presseagenturen anders verstanden worden (Tyrions, 2009). Associated Press und Reuters teilten der Welt mit, dass die Mauer offen war. Durch die Mitteilung dieser Presseagenturen hat die Tagesschau in der ARD (der westdeutsche TV-Sender) den deutschen Bürgern auch angekündigt, dass die Mauer offen war. Die DDR-Leitung war sich jedoch noch nichts bewusst. Gegen 9 Uhr 15 hatten sich am Grenzübergang der Bornholmer Straße bereits fünfhundert bis tausend DDR-Bürger versammelt. Die Grenzwächter waren total überfordert. Sie ließen einige Hitzköpfe die Grenze überqueren, aber so dachte die Masse, dass die Grenze offiziell geöffnet war. Die Nachricht über die "Öffnung der Mauer" verbreitete sich inzwischen weltweit. Gegen 22 Uhr bekommt auch Egon Krenz, Politiker der SED, diese Nachricht. Er hatte nur zwei Optionen: Entweder konnte er die Grenzen mit Gewalt sofort schließen lassen, oder er konnte die Grenzen geöffnet lassen. Er hatte sich entschlossen abzuwarten. In der DDR versuchte man mit aller Macht, die Bürger davon abzuhalten, bis an die Grenze zu gehen. Die Mühe war vergebens, spätestens als die westdeutsche Tageschau in der ARD mitteilte, dass der 9. November ein historischer Tag war und die Grenzen offen waren. Tausende DDR-Bürger haben die Grenzposten an der Bornholmer Straße überlaufen. Gegen Mitternacht waren alle Grenzübergänge zwischen Ost- und Westberlin geöffnet. Die Mauer war gefallen. 1 Das Politbüro ist das höchste Organ der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) und dadurch Machtzentrum der DDR.
17 Während der ganzen Nacht blieb es an der politischen Seite der DDR still (Tyrions, 2009). Das kommunistische Regime war noch hinten den Tatsachen zurück geblieben. Am nächsten Morgen hatte die Nachricht auch Moskau erreicht. Der sowjetische Botschafter Kotsjemassov forderte Egon Krenz auf, Gorbatsjov alles zu erklären. Am Nachmittag stellte man in Moskau fest, dass die Ereignisse in Berlin eine inländische Angelegenheit der DDR waren. Das bedeutete, dass die Sowjetunion nicht militärisch in der DDR eingreifen würde.
18 3 DAS BILD ÜBER DEUTSCHLAND In diesem Kapitel wird das Bild über Deutschland aus einer flämischen Perspektive besprochen. Das Kapitel basiert auf dem Buch Dominant Duitsland von Dirk Rochtus (2013). Als Deutschland 1871 ein Kaiserreich wurde, betrachteten die anderen europäischen Großmächte das vereinigte und stärkere Deutschland als eine Bedrohung und eine Gefahr. Die zwei Weltkriege haben die Versuche von Deutschland, eine mächtige Wirtschaft in Europa zu werden, vereitelt. Heutzutage stellen sich viele dieselbe Fragen wie Rochtus: Dominiert Deutschland Europa heute dank der Eurokrise? Existiert der deutsche Drang zu herrschen nicht nur in der Einbildung Europas? Deutschland ist geografisch in der Mitte Europas situiert und ist deswegen schon lange Zeit eine gefürchtete Macht für die anderen europäischen Großmächte. Vor dem Ersten Weltkrieg haben diese versucht die Macht Deutschlands zu mäßigen anhand von Diplomatie, Allianzen und Rüstungsbegrenzung, und nach dem Zweiten Weltkrieg anhand von Westbindung, d.h. anhand der Integration der Bundesrepublik in die Europäischen Gemeinschaft, die spätere Europäische Union und die NATO, zu bändigen. Als Deutschland nach dem Fall der Berliner Mauer den Traum der deutschen Einheit hatte, diskutierten der französische Präsident François Mitterrand und die britische Premierministerin Margaret Thatcher miteinander über die Frage, wie sie die größere und stärkere Bundesrepublik am besten im Zaum halten konnten. Mitterrand bevorzugte Einbindung, weil mehr Deutschland auch mehr Europa, mehr Integration und das Zustandekommen einer Wirtschafts- und Währungsunion bedeuten würde. Deutschland würde seine politische Souveränität zurückbekommen, aber seine monetäre abgeben. Das war der historische Deal zwischen Mitterrand und Kohl: Die deutsche Einheit im Tausch für den Euro. Thatcher distanzierte sich von der Eurozone, weil sie fürchtete, dass Deutschland die Wirtschafts- und Währungsunion dominieren würde. Eurokrise Einige Jahre vor der Eurokrise haben die südeuropäischen Länder gierig deutsche Produkte gekauft. Dank des Exports konnte Deutschland in den ersten Jahren nach der Gründung der Währungsunion seine eigene schwache Binnennachfrage kompensieren. Da Deutschland viel Wert auf Währungsstabilität legte und die Inflation niedrig hielt, spielte das Land eine dominierende Rolle innerhalb der Währungsunion. Die Bewunderung für Deutschland ist
19 groß, nicht nur für seinen Fleiß und seine Disziplin, sondern auch für seine konkreten politischen Maßnahmen. Das Bild eines starken Deutschlands wird durch die Einwanderungs- welle aus Südeuropa bestätigt. Viele junge Menschen aus Spanien, Portugal, Italien und Griechenland lernen Deutsch und so ist Deutschland wieder der kulturelle und wirtschaftliche Magnet wie vor der Naziperiode geworden. Nation Seit den Ereignissen des Dritten Reiches ist das Wort "Nationalismus" in Deutschland Tabu geworden. Nationalismus wird in Deutschland mit nationaler Selbstsucht, Chauvinismus und Rassismus gleichgesetzt. Hitler wollte aus dem Konzept, dass bestimmte rassisch definierte Großmächte die dominierende Rolle in einer bestimmten Region oder in einem bestimmten Kontinent sein mussten, wie zum Beispiel Deutschland in Europa oder Japan in Ostasien, die deutsche Nation zu einem Imperium ausbauen. Die Abneigung gegen die Nation führt manchmal aus zu Hass. Ein Beispiel davon war das Ereignis am 10. April 2013 an der Berliner Universität. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) wollte über die Bundeswehr und ihren Beitrag zur "Kohäsion in der Gesellschaft" sprechen. Sein Vortrag wurde aber von Dutzenden linken Studenten unterbrochen, die den Minister ausbuhten. Sie brüllten "Nie wieder Deutschland!" und "Deutschland ist Scheiße!". Europa Wenn von der Rolle Deutschlands in Europa die Rede ist, gibt es immer die Diskussion ob Deutschland in die Richtung eines europäischen Deutschlands oder eines deutschen Europas geht. Mit anderen Wörtern, wird Deutschland ein Land wie die anderen europäischen Länder werden und so dieselben europäischen Regeln und Gesetze einhalten oder wird Deutschland sich erneut als die einige Großmacht in Europa manifestieren wollen? In seiner seit langem erwarteten Rede am 22. Februar 2013 hielt der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck die Angst von vielen in Europa gegenüber Deutschland für überzogen. Er steht ganz in der Tradition der Europapolitik der Bundesrepublik. Gauck betonte, dass mehr Europa ein europäisches Deutschland bedeutete. Die Erfahrungen mit dem deutschen Nationalismus sorgten dafür, dass Politiker wie Gauck sich für noch mehr innere Vereinheitlichung innerhalb von Europa aussprechen, z.B. auf finanzieller und wirtschaftlicher Ebene, aber auch auf der Ebene der Außenpolitik, Ökologie, Einwanderung und Gesellschaft.
20 Europa war ursprünglich als Projekt gedacht, den Nationalismus zu besiegen, aber heutzutage besteht die Gefahr, dass Europa selbst nationalistisch wird und dabei keine Konkurrenz duldet. Diese Art von Europa ist zum Glück noch nicht erreicht und die Nationen spielen heutzutage immer mehr oder weniger ihre Rolle. Deutschland dominiert, weil es in Europa den größten Einfluss auf die wirtschaftlichen Integrationsprozessen und den institutionellen Rahmen ausübt. Aber die deutsche Dominanz ist nicht etwas, nach dem die Deutschen selbst bewusst streben. Laut Rochtus existiert sie nur in den Köpfen der Europäer.
21 4 FRAMING 4.1 Definitionen von Framing Dieses Kapitel umfasst eine theoretische Grundlage für die eigentliche Untersuchung, die sich mit der Frage befasst, welches Bild vom Berliner Mauerfall in den flämischen Zeitungen De Standaard und De Morgen in unterschiedlichen Jahren vermittelt wird, mit anderen Worten, wie der Berliner Mauerfall in diesen Zeitungen geframet wird. In den letzten Jahren ist die Framing-Theorie der meist verwendete Forschungsansatz im Bereich der Kommunikationswissenschaft (Bryant & Miron, 2004, zitiert in Van Gorp, 2007, S. 60). Die Herkunft des Framing-Konzeptes liegt aber in der kognitiven Psychologie von Barlett (1932) und in der Anthropologie von Bateson (1955/1972). Auch andere Disziplinen, wie die Soziologie, Wirtschaft, Linguistik und Politikforschung, haben sich schnell mit dem Framing-Konzept beschäftigt. In dieser Masterarbeit wird Framing im Bereich der Kommunikationswissenschaft und Medien besprochen. Das Konzept Framing zeigt, wie die Kommunikation von Informationen, z.B. durch eine Nachricht, das Bewusstsein der Menschen beeinflusst (Entman, 1993, S. 51-52). Weiter haben Frames mindestens vier Positionen im Kommunikationsprozess: der Sender, der Text, der Empfänger (z.B. der Leser) und die Kultur. Die Nachrichter machen bewusst oder unbewusst Urteile anhand von Frames. Der Text enthält Frames, in denen Schlüsselwörter, Stereotypen usw. vorhanden sind, die Tatsachen oder Urteile verstärken. Diese Frames beeinflussen die Gedanken und Konklusionen der Empfänger (z.B. der Leser). Zum Schluss kann Kultur als eine empirisch nachweisbare Reihe gemeinsamer Frames definiert werden, die im Diskurs und in der Kognition der meisten Menschen angesiedelt sind (Entman, 1993). Laut Matthes (2009, S. 350) gibt es zwei Typen von Definitionen für Framing. Der erste Typ sind allgemeine Definitionen, die das Konzept Framing ohne klare Richtlinien als eine operationalization beschreiben. So definiert Gitlin (1980, S. 6) Frames als "principles of selection, emphasis, and presentation composed of little tacit theories about what exists, what happens, and what matters". Gamson & Modigliani (1987, zitiert in Matthes & Kohring, 2008, S. 264) betrachten Frames als "a central organizing idea or story line that provides meaning to an unfolding strip of events". Laut Matthes & Kohring (2008) stehen diese zwei
22 Definitionen beim Verstehen des Framing-Verfahrens zentral, aber sie führen nicht zu einer praktikablen Definition von Medienframes. Der zweite Typ sind Definitionen, die operationelle Richtlinien spezifizieren, d.h. was Frames im Allgemeinen machen, wie Probleme definieren, moralisch urteilen und Hilfsmittel unterstützen. Laut Matthes & Kohring (2008) sind solche Definitionen praktikabler und deswegen haben diese Autoren für ihre Untersuchung die Definition von Entman gewählt: To frame is to select some aspects of a perceived reality and make them more salient in a communicating text, in such a way as to promote a particular problem definition, causal interpretation, moral evaluation, and/or treatment recommendation for the item described (Entman,1993, p. 52). Das bedeutet, dass ein Frame vier Funktionen hat: Probleme definieren, deren Ursachen feststellen, moralisch urteilen und zum Schluss Lösungen vorschlagen. Diese praktikable Definition wird auch in dieser Masterarbeit verwendet. 4.2 Die Analyse von Frames Medienframes organisieren die Welt nicht nur für Journalisten, die über die Welt berichten, sondern auch für uns, die ihren Berichten vertrauen (Gitlin, 1980). Laut Gitlin (1980, S. 7) sind Medienframes "persistent patterns of cognition, interpretation, and presentation, of selection, emphasis, and exclusion, by which symbol-handlers routinely organize discourse, whether verbal or visual". Frames ermöglichen Journalisten, große Mengen an Informationen schnell und routinemäßig zu verarbeiten. Frames sind unvermeidlich und Journalisten regulieren die Produktion von Frames. Beim Analysieren von Frames sind die folgenden Fragen wichtig zu beachten: Welches Frame gibt es hier? Warum dieses Frame? Welche Muster werden durch dieses Frame geteilt? Laut Matthes (2009) ist es beim Analysieren von Frames wichtig zu wissen, ob (1) die Analyse textbasiert oder zahlenbasiert ist, ob (2) die Frames induktiv oder deduktiv sind, ob (3) die Codierung manuell oder mithilfe eines Computers automatisiert erfolgt, und ob (4) Techniken zur Datenreduktion verwendet werden, um Frames aufzudecken. Die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten der beiden Wertigkeiten dieser vier Merkmale können zu verschiedenen methodologischen Ansätzen führen. Matthes & Kohring (2008, S. 259-263) unterscheiden fünf verschiedene Ansätze, um Medienframes zu analysieren.
23 Die erste Methode (Matthes & Kohring, 2008, S. 259) ist der hermeneutische Ansatz. Forscher versuchen in ihren Studien, Frames zu interpretieren, indem sie Medientexte mit weiteren kulturellen Elementen in Verbindung bringen. Diese qualitative Methode hat als Vorteil, dass die meisten Studien gut dokumentiert sind. Der Nachteil ist aber, dass es ziemlich schwierig ist, zu überprüfen, wie die Frames aus dem Material extrahiert worden sind. Die zweite Methode (S. 260) ist der linguistische Ansatz. Studien, die diese Methode verwendet haben, haben Frames durch die Analyse der Auswahl, der Anordnung und der Struktur spezifischer Wörter und Sätze in einem Text identifiziert. Die Grundidee dieser Methode ist, dass spezifische Wörter die Bausteine von Frames sind (Entman, 1993). Der detaillierteste linguistische Ansatz ist dieser von Pan & Kosicki (1993). Diese Autoren unterscheiden vier strukturelle Dimensionen, die die Bildung von Frames beeinflussen (Scheufele, 2006): (a) syntaktische Strukturen oder Muster in den Anordnungen von Wörtern oder Sätzen (Syntax), (b) skript-Strukturen, die auf das allgemeine Nachrichtenwert eines Ereignisses hinweisen, sowie die Absicht um Nachrichten und Veranstaltungen an das Publikum zu kommunizieren, die ihre begrenzte sinnliche Erfahrungen übersteigen (Script), (c) thematische Strukturen, die die Tendenzen der Journalisten reflektieren um kausale Erklärungen aufzulegen oder durch Beobachtungen mit dem direkten Zitat einer Quelle zu verbinden (Thema) und (d) rhetorische Strukturen, die auf die "stilistischen Auswähle der Journalisten im Hinblick auf ihre beabsichtigten Wirkungen" hinweisen (Rhetorik). Diese zweite Methode hat als Vorteil, dass die Medientexte systematisch und detailliert analysiert werden. Der Nachteil ist aber die Komplexität der Methode. Der manuelle holistische Ansatz ist die dritte Methode (S. 260). Mit dieser Methode kommen Frames nach einer qualitativen Analyse einiger neuen Texte zustande und danach werden diese Frames als holistische Variablen codiert, d.h. sie werden in einem sogenannten Codebuch definiert und werden dann in einer quantitativen Inhaltsanalyse codiert. Genau wie in der hermeneutischen Methode hängt die Gültigkeit dieser Methode vor allem von der Transparenz ab, wie Frames extrahiert worden sind. Außerdem, wenn die Forscher die Kriterien für die Identifikation von Frames nicht definieren, dann entsteht das Risiko, dass Untersuchungsframes und nicht die gewünschten Medienframes extrahiert werden.
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