Master in de Meertalige Communicatie 2015

Die Seite wird erstellt Elias Appel
 
WEITER LESEN
Master in de Meertalige Communicatie 2015
Faculteit Letteren & Wijsbegeerte

                                          Melissa Rosseel

                 Das Bild vom Fall der Berliner Mauer
                                in der flämischen Presse

                 Masterproef	
  voorgedragen	
  tot	
  het	
  behalen	
  van	
  de	
  graad	
  van	
  
                                                     	
  
                          Master	
  in	
  de	
  Meertalige	
  Communicatie	
  	
  
                                                     	
  
                                                   2015	
  

Promotor	
  Dr.	
  Geert	
  Stuyckens	
  
Vakgroep	
  Vertalen	
  Tolken	
  Communicatie	
  
	
  
 

VORWORT

Das Schreiben dieser Masterarbeit wäre nie so reibungslos verlaufen ohne die Hilfe einiger
Menschen, denen ich gern dafür danken möchte. Erstens möchte ich mich bei meinem
Betreuer, Dr. Geert Stuyckens, für die wertvolle Begleitung beim Schreiben meiner
Masterarbeit bedanken. Er stand mir immer beratend und unterstützend zur Seite, auch
während seiner Rehabilitation. Zweitens danke ich meiner Familie für ihre Unterstützung.
Zum Schluss möchte ich mich gern bei meiner Freundin Alma Skrijlej bedanken. Sie wohnt
bereits einige Jahre im deutschen Essen und sie hat mir als Muttersprachlerin beim Nachlesen
dieser Masterarbeit gut geholfen.

	
  
 

INHALTSVERZEICHNIS

1 EINLEITUNG	
  .................................................................................................................................	
  4	
  
2 GESCHICHTE DEUTSCHLANDS NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG	
  ................	
  5	
  
  2.1 Nachkriegsjahre	
  .........................................................................................................................................................	
  5	
  
     2.1.1 Kalter Krieg	
  .......................................................................................................................................................	
  6	
  
     2.1.2 Marshallplan	
  ......................................................................................................................................................	
  7	
  
     2.1.3 Währungsreform	
  ...............................................................................................................................................	
  7	
  
     2.1.4 Gründung der Bundesrepublik (BRD)	
  ......................................................................................................	
  8	
  
     2.1.5 Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR)	
  ............................................................	
  8	
  
  2.2 Deutschland: zwei Staaten	
  .....................................................................................................................................	
  9	
  
  2.3 Der Bau der Berliner Mauer	
  ...............................................................................................................................	
  11	
  
  2.4 1961 - 1989: im Bann der Berliner Mauer	
  ....................................................................................................	
  14	
  
  2.5 Der Fall der Berliner Mauer	
  ...............................................................................................................................	
  16	
  
3 DAS BILD ÜBER DEUTSCHLAND	
  ......................................................................................	
  18	
  
4 FRAMING	
  ....................................................................................................................................	
  21	
  
  4.1 Definitionen von Framing	
  ...................................................................................................................................	
  21	
  
  4.2 Die Analyse von Frames	
  .....................................................................................................................................	
  22	
  
  4.3 Framing devices und reasoning devices	
  .........................................................................................................	
  25	
  
5 FORSCHUNGSFRAGESTELLUNG	
  .....................................................................................	
  27	
  
6 ABGRENZUNG FORSCHUNGSMATERIAL	
  ...................................................................	
  28	
  
  6.1 Forschungseinheiten	
  .............................................................................................................................................	
  28	
  
  6.2 Datensammlung	
  ......................................................................................................................................................	
  29	
  
7 FORSCHUNGSMETHODE	
  .....................................................................................................	
  31	
  
8 FORSCHUNGSERGEBNISSE	
  ................................................................................................	
  33	
  
  8.1 Einleitung: Die Geschichte wird nicht gelöscht	
  ..........................................................................................	
  33	
  
  8.2 Frames	
  .......................................................................................................................................................................	
  35	
  
     8.2.1 Frame 1 Ossis und Wessis, noch nicht ein Volk	
  ................................................................................	
  35	
  
     8.2.2 Frame 2 verdorrte Landschaften	
  ..............................................................................................................	
  41	
  
     8.2.3 Frame 3 DDR-Helden in der Vergessenheit (außer Gorbatschow)	
  ..............................................	
  47	
  
  8.3 Das Volk war der echte Held	
  .............................................................................................................................	
  51	
  
  8.4 Deutschland heutzutage	
  .......................................................................................................................................	
  52	
  
  8.5 Besprechung Forschungsergebnisse	
  ................................................................................................................	
  54	
  
  8.6 Tabelle mit reasoning devices	
  ...........................................................................................................................	
  58	
  
9 SCHLUSSFOLGERUNG	
  ..........................................................................................................	
  59	
  
10 BIBLIOGRAPHIE	
  ....................................................................................................................	
  63	
  
11 ANHANG	
  ....................................................................................................................................	
  65	
  
  Anhang 1 Alle Zeitungsartikel aus dem Korpus	
  .................................................................................................	
  65	
  
  Anhang 2 Tabelle mit den meist vorkommenden Wörtern aus den Wortfrequenzlisten	
  ......................	
  70	
  

	
  
                                                                                          4	
  

1 EINLEITUNG

Die Berliner Mauer, das Symbol des Kalten Krieges, verkörperte 28 Jahre lang die Spaltung
zwischen Ost- und Westberlin, zwischen der kommunistischen DDR und der kapitalistischen
Bundesrepublik und zwischen Ost- und Westeuropa. Der Fall der Mauer war nicht nur ein
Höhepunkt in der europäischen Geschichte, sondern dieser hatte auch weltweit einen großen
Einfluss. Nach 1989 verschwand aber in Ostdeutschland die Euphorie des Falls des
verhassten antifaschistischen Schutzwalls schnell. Die Ungleichheit zwischen Ost- und
Westdeutschland war groß und es stellte sich heraus, dass die sogenannten blühenden
Landschaften, die der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl den Ostdeutschen versprochen
hatte, eine Illusion waren. Deutschland hatte nach dem Fall der Berliner Mauer den Traum der
Deutschen Einheit, aber die Wiedervereinigung lief nicht wie am Schnürchen, weder in der
Politik, noch beim Volk. Trotz dieser Schwierigkeiten wird in Deutschland bis heute dieses
Ereignisses festlich gedacht. So zogen im Jahre 2014 Millionen von Deutschen und Touristen
in die Hauptstadt Berlin für den fünfundzwanzigsten Gedenktag. Das Ereignis von 1989 wird
nie rückgängig gemacht und inspiriert weiterhin viele Menschen wie mich, darüber zu
schreiben.

Kapitel 2 vermittelt einen Überblick der Geschichte von Deutschland nach dem Zweiten
Weltkrieg bis zum Fall der Berliner Mauer. Im Kapitel 3 wird das Bild über Deutschland
heutzutage besprochen. Dieses Kapitel basiert auf dem Buch Dominant Duitsland von Dirk
Rochtus. Kapitel 4 beschreibt das Konzept Framing. Im Forschungsteil dieser Masterarbeit
wird nämlich in den flämischen Qualitätszeitungen De Standaard und De Morgen nach
vorherrschenden Frames in Bezug auf den Mauerfall gesucht. Gamson & Modigliani (1987
zitiert in Matthes & Kohring 2008, S. 264) betrachten Frames als "a central organizing idea or
story line that provides meaning to an unfolding strip of events". Ein Frame legt fest, wie die
Leser die Realität betrachten sollen. Das 5. Kapitel umfasst einerseits die Forschungsfrage
und andererseits drei Hypothesen. Im 6. und 7. Kapitel wird das Forschungsmaterial
abgegrenzt bzw. die Methodologie besprochen. Das 8. Kapitel enthält die Forschungs-
ergebnisse, in dem die gefunden Frames aus der Analyse des Zeitungskorpus nach Zeitung
und Jahr besprochen werden. Das 9. und letzte Kapitel dieser Masterarbeit ist die
Schlossfolgerung, in dem die wichtigsten Ergebnisse zusammengefast werden und eine
Antwort auf die Fragestellung formuliert wird.

	
  
                                                                                          5	
  

2 GESCHICHTE DEUTSCHLANDS NACH DEM ZWEITEN
WELTKRIEG

2.1 Nachkriegsjahre

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges im Jahre 1945 war es deutlich, dass das Dritte Reich
militärisch, politisch und ökonomisch völlig zerstört war (Tyrions, 2009). Historiker
beschreiben diese Situation als Stunde Null. Auf der Konferenz von Jalta (im Februar 1945)
wurde die Beteiligung von Deutschland besprochen. Der Sowjetführer Stalin, der
amerikanische Präsident Roosevelt und der britische Premierminister Churchill hatten sich auf
dieser Konferenz entschlossen, dass Deutschland völlig besetzt und das Naziregime
ausgeschaltet werden sollte. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde das Land in drei
Besatzungszonen aufgeteilt. Die Rote Armee, also die Sowjets, besetzte den Osten
Deutschlands einschließlich der Hauptstadt Berlin. Die Briten besetzten den Norden und die
Amerikaner den Süden Deutschlands. Mit der Zustimmung von Stalin wurde aus einem Teil
des britischen und amerikanischen Sektors auch noch eine französische Besatzungszone
gebildet. Die Hauptstadt Berlin wurde ebenfalls in vier Sektoren aufgeteilt. Die Aufteilung
Deutschlands hat später zum Bau der Berliner Mauer geführt. Berlin befand sich nämlich
inmitten der Sowjetzone. Deswegen musste man durch diese Zone, um die alliierten Sektoren
zu erreichen. An der Spitze jeder Zone wurde ein Kommandant angestellt, der die absolute
Macht in seiner Zone hatte. Es war die Absicht, dass die vier Kommandanten
zusammenarbeiten würden, um den wirtschaftlichen und politischen Wiederaufbau
Deutschlands zu regeln. Auf diese Weise wurde der Alliierte Kontrollrat gebildet. Dieser
Kontrollrat   einigte    sich   im   Hinblick   auf   eine   gemeinsame     Deutschlandpolitik:
Entmilitarisierung, Entnazifizierung, Dezentralisierung, Dekartellisierung der Wirtschaft und
Demokratisierung        (http://www.hdg.de/lemo/kapitel/nachkriegsjahre).   Diese    Prinzipien
wurden auf der letzten großen Konferenz der Alliierten in Potsdam (vom 17. Juli bis zum 2.
August 1945) bestätigt (Tyrions). Die Teilnehmer dieser Konferenz waren erneut Stalin und
Churchill. Präsident Roosevelt war inzwischen gestorben und wurde von Harry Truman
ersetzt. Auffällig war, dass trotz der Tatsache, dass die Franzosen eine Besatzungszone
bekommen hatten, sie nicht in Potsdam vertreten waren. Auf der Konferenz in Potsdam wurde
auch die Oder-Neiße-Grenze besprochen. Die Alliierten hatten sich entschlossen, dass die
Westgrenze von Polen bis zu diesen zwei Flüssen verschoben werden solle. Das bedeutete,
dass alle Gebiete östlich der Oder-Neiße-Grenze unter die Verwaltung der polnischen

	
  
                                                                                         6	
  

Regierung kamen (Lehmann, 1991). Das Ergebnis waren Millionen Heimatvertriebene, die in
die westlichen - alliierten - Besatzungszonen vertrieben wurden.

2.1.1 Kalter Krieg

Es war ursprünglich die Absicht, dass die vier Besatzungsmächte für Deutschland eine
gemeinsame Verwaltung gründen würden (Tyrions, 2009). Da jeder Besatzer jedoch nach
seinem eigenen Verfahren und seinen eigenen politischen Interessen handelte, hatte man es
nicht geschafft, dieses Ziel zu erreichen. Auch die Gegensätze zwischen den westlichen
Alliierten und der Sowjetunion hatten zugenommen. Während die Amerikaner für längere
Zeit in Europa blieben und in ihrem eigenen Sektor einen kapitalistischen Staat organisierten,
hatte Stalin die Idee, in der Sowjetzone einen kommunistischen Staat zu gründen. Churchill
war sich der kommunistischen Drohung bewusst, aber Westeuropa glaubte ihm zuerst nicht.
Noch vor dem Ende des Krieges hatte Stalin jedoch einige ergebene Kommunisten, wie
Walter Ulbricht, der später der erste Parteisekretär der SED (Sozialistische Einheitspartei
Deutschlands), der Kommunisten in Ostdeutschland, sein würde, nach Deutschland geschickt.
Ulbricht begann sofort mit der Wiederherstellung der KPD (Kommunistische Partei
Deutschlands). Es war deutlich, dass das politische Programm eine revolutionäre
Arbeiterpartei nach sowjetischem Vorbild war. Einige Tage nach der Wiederherstellung der
KPD wurde auch die SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands) wiederhergestellt.
Beide Parteien bildeten endlich eine Einheitspartei, die SED. Nicht nur in Berlin, sondern
auch in anderen osteuropäischen Ländern wurden kommunistische Regierungen gegründet.
Diese Länder waren die sogenannten Satellitenstaaten. Die Westmächte hingegen bauten eine
demokratische Gesellschaft auf (http://www.hdg.de/lemo/kapitel/nachkriegsjahre). Der
Gegensatz zwischen dem Osten (dem Kommunismus) und dem Westen (dem Kapitalismus)
nimmt ab 1946 immer mehr zu und die Teilung Deutschlands beginnt sich abzuzeichnen. Die
fiktive Trennlinie zwischen dem kommunistischen Osten und dem kapitalistischen Westen
wurde durch kilometerlangen Stacheldraht, Wachposten und Wachtürme konkretisiert: der
Eiserne Vorhang (http://www.koude-oorlog.nl). Dieser Eiserne Vorhang verhinderte, dass die
Einwohner des Ostens in den Westen fliehen konnten. Die Einwohner aus dem Westen
durften nur unter strengen Bedingungen die Grenze überqueren.

	
  
                                                                                           7	
  

2.1.2 Marshallplan

Die USA entwickelte 1947 den Marshallplan, nach Außenminister George Marshall genannt,
um den wirtschaftlichen Wiederaufbau in Westeuropa zu beschleunigen (http://www.koude-
oorlog.nl). Die USA bot allen europäischen Ländern Geld, auch diesen in Osteuropa, aber
Stalin lehnte die angebotene Hilfe ab (Tyrions, 2009). Diese Ablehnung war nicht
unbegründet, weil der Marshallplan ein Teil der Containment-Politik von Präsident Truman
war. Mit der Containment-Politik, auch die Eindämmungspolitik genannt, wollte die USA
nämlich den wachsenden Einfluss des Kommunismus eindämmen. Der Marshallplan dauerte
vier Jahre.

2.1.3 Währungsreform

Trotz des Marshallplans brauchte die deutsche Wirtschaft noch einen Schubs (Tyrions, 2009).
Nach dem Krieg war die Reichsmark wertlos geworden. Dadurch entstanden der
Schwarzmarkt und der Tauschhandel. An Stelle der wertlos gewordenen Reichsmark wird im
Jahre 1948 die Deutsche Mark eingeführt (http://www.hdg.de/lemo/kapitel/nachkriegsjahre).
Die Währungsreform bedeutete vor allem einen neuen Beginn, weil sie die Gründung eines
westdeutschen Staates vorbereitete (Tyrions). Sie war der Anfang des Wirtschaftswunders.
Das heißt, dass die westdeutsche Wirtschaft riesig wuchs und damit auch der Wohlstand: In
der Bundesrepublik gab es die ersten Fernseher, neue Häuser, die Westdeutschen reisten
erneut, die Löhne erhöhten sich um zehn Prozent, die Anzahl der Autos stieg... Die
Sowjetunion reagierte mit der Einführung einer eigenen Währung. Am 23. Juni hatte
Deutschland zwei Währungen und am nächsten Tag schlossen die Sowjets alle Zugänge zu
Berlin   ab,   d.h.   die   Sowjets   reagierten   mit   einer   Blockade   aller   Land-   und
Wasserverbindungen nach Westberlin (http://www.hdg.de/lemo/kapitel/nachkriegsjahre). Die
2,1 Millionen Westberliner konnten nur noch durch Flugzeuge versorgt wurden. Der US-
Militärgouverneur Lucius D. Clay organisierte deswegen eine Luftbrücke. Bis Mai 1949
sahen die Westberliner massenhaft amerikanische und britische Flugzeuge, die sie mit
Lebensmitteln versorgten. Durch diese Heldentat bekamen diese Flugzeuge den Namen
Rosinenbomber. Diese Berlin-Blockade wird auch als der erste Höhepunkt des Kalten Krieges
betrachtet.

	
  
                                                                                         8	
  

2.1.4 Gründung der Bundesrepublik (BRD)

Die wachsenden Gegensätze zwischen den westlichen Alliierten und der Sowjetunion
machten schnell deutlich, dass eine Vereinigung der vier Zonen schwierig zu realisieren war
(Tyrions, 2009). Der Parteichef der Sozialdemokraten (SPD), Kurt Schumacher, spielte in
dieser politischen Uneinigkeit eine wichtige Rolle. Er war nicht nur ein Verfechter der
deutschen Einheit, sondern auch ein Antikommunist. Er wollte vor allem, dass
Westdeutschland eine neutrale Macht in der Mitte von Europa würde und nicht von den
Amerikanern oder Sowjets gesichert würde. Seine Haltung verursachte Konflikte mit
Parteimitgliedern wie Otto Grotewohl. Der größte politische Gegner von Schumacher war
Konrad Adenauer, der ehemalige Bürgermeister von Köln und Vorsitzende des preußischen
Staatsrats. Er hatte nach dem Krieg die CDU gegründet (Christlich Demokratische Union).
Adenauer war sich von der Tatsache bewusst, dass eine Teilung Deutschlands unvermeidlich
geworden war. Wegen des Kalten Krieges war Westdeutschland interessant für ein Bündnis
mit den westlichen Alliierten. Adenauer wählte eine Westbindung, um von den Besatzern
unabhängig zu werden. Auf einer Konferenz in London im Februar 1948 stimmten die drei
westlichen Alliierten überein, dass Deutschland eine föderale Staatsform bekommen sollte.

Mit den "Frankfurter Dokumenten" forderten die Westmächte die Ministerpräsidenten der
Länder am 1. Juli 1948 auf, die Gründung eines westdeutschen Staates einzuleiten
(http://www.hdg.de/lemo/kapitel/nachkriegsjahre).   Daraufhin    wurde    ein   Grundgesetz
erarbeitet, das am 8. Mai 1949 von dem Parlamentarischen Rat angenommen wurde. Der
Parlamentarische Rat trat am 1. September 1948 in Bonn unter seinem Präsidenten Konrad
Adenauer zusammen und das Grundgesetz trat am 23. Mai 1949 in Kraft. Die Bundesrepublik
Deutschland war damit gegründet.

2.1.5 Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR)

Auch aus der sowjetischen Besatzungszone entstand 1949 ein deutscher Staat. Im Jahre 1947
forderte die SED eine Volkskongressbewegung. Einige Monate später kam ein zweiter
Volkskongress zusammen und aus dieser Volkskongressbewegung ging der erste Deutsche
Volksrat hervor, der eine Verfassung ausarbeitete; diese trat am 7. Oktober 1949 in Kraft
(http://www.hdg.de/lemo/kapitel/nachkriegsjahre). Zwei Monate später würden die Wahlen
für einen dritten Volkskongress stattfinden, aber die Kommunisten wollten kein Risiko mehr
eingehen. Deswegen wählte der dritte Volkskongress im Mai 1949 einen zweiten Volksrat,

	
  
                                                                                           9	
  

der sich zur provisorischen Volkskammer erklärte, und Otto Grotewohl mit der
Regierungsbildung beauftragte. Damit war die DDR als zweiter deutscher Staat gegründet,
eine kommunistische Diktatur nach sowjetischem Vorbild.

2.2 Deutschland: zwei Staaten

Die Bundesrepublik

Bei den ersten Bundestagswahlen in der Bundesrepublik Mitte August 1949 wählten ungefähr
24 Millionen Westdeutscher zum ersten Mal ein Parlament (Tyrions, 2009). Die Christ-
demokraten (CDU/CSU) unter Führung Konrad Adenauers waren die großen Gegner des
Kommunismus und des Sozialismus und verteidigten die alten christlichen und deutschen
Werte sowie die soziale Marktwirtschaft. Die Sozialdemokraten (SPD) unter Führung Kurt
Schumachers verteidigten die alten sozialistischen Prinzipien, die Solidarität und die Arbeiter.
Sie wollten, dass der Staat mehr Einfluss auf die Industrie und auf das Bankensystem hätte.
Adenauer beschuldigte die SPD, das System der Sowjetzone auch in der Bundesrepublik
einführen zu wollen. Einen Monat später wählte der Bundestag Adenauer als ersten
Bundeskanzler der Bundesrepublik mit einer Mehrheit von einer Stimme. Die SPD wurde
damit eine Oppositionspartei.

Die deutschen Politiker wollten so schnell wie möglich ihre Souveränität zurückgewinnen
(Tyrions, 2009). Die Alliierten (Großbritannien, Frankreich und die USA) hatten nämlich
immer noch das Entscheidungsrecht über u.a. militärische Angelegenheiten. Sie kontrollierten
außerdem die ausländische Politik der Bundesrepublik. 1951 wurde die Bundesrepublik
bereits Mitglied des Europarats. In demselben Jahr war die Bundesrepublik auch einer der
Gründerstaaten der EGKS (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl). Adenauer wollte
unbedingt Mitglied der EGKS sein, weil er auf diese Weise wieder die Kontrolle über die
Kohlebergwerke und die Stahlindustrie im Ruhrgebiet hatte. 1957 unterzeichnete
Westdeutschland, so wie die anderen Mitgliedstaaten der EGKS, die Römischen Verträge.
Auf diese Weise wurde die EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) gegründet und so
entstand ein gemeinsamer Markt. In demselben Jahr hatte Adenauer die absolute Mehrheit im
Bundestag und das bedeutete den Höhepunkt seiner Macht. Adenauer beschäftigte sich auch
bereits lange Zeit mit der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik. Nach dem Krieg hatten die
Alliierten Deutschland völlig abgerüstet. Aber durch den Einfall des kommunistischen

	
  
                                                                                      10	
  

Nordkoreas ins freie Südkorea brauchte der Westen die militärische Unterstützung der
Bundesrepublik. Die Angst vor Deutschland änderte sich in Angst vor dem Kommunismus.
Im Jahre 1952 wurde die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) gegründet. Die
Bundesrepublik bekam von den anderen westeuropäischen Ländern die Möglichkeit, sich an
der EVG zu beteiligen, um sich auf diese Weise gegen einen Einfall der Sowjetunion zu
verteidigen. Adenauer wollte sich gern daran beteiligen, weil Westdeutschland auf diese
Weise wieder ein bisschen mehr Souveränität bekam. Die EVG war sehr umstritten, auch in
der Bundesrepublik. Die SPD war nämlich stark gegen diesen Plan, weil sie fürchten, dass die
EVG den Gegensatz zwischen Ost und West noch mehr vergrößern würde. Trotz aller Kritik
wurde Westdeutschland im Jahre 1955 Mitglied der NATO (Nordatlantikpakt-Organisation).
Dank diesem Zutritt konnte die Bundesrepublik endlich wieder eine eigene Armee gründen,
die Bundeswehr.

Die DDR

Anfang der fünfziger Jahre entwickelte auch die DDR sich zu einem selbständigen Staat, der
aber immer noch von Moskau beherrscht wurde (Tyrions, 2009). Die DDR war für Stalin
wichtig, um sein Ziel, d.h. dafür sorgen, dass Deutschland nie mehr eine Drohung für die
Sowjetunion sein würde, zu erreichen. Der größte Teil Deutschlands blieb aber eine Drohung
und deswegen entwickelte Stalin eine doppelte Politik. Einerseits stimmte er zu, dass die
DDR einen eigenen Staat gründen konnte, aber andererseits wollte er seinen Einfluss in ganz
Deutschland erweitern. Im Jahre 1952 schlug er vor, die zwei Teile Deutschlands wieder
zusammenzubringen, unter der Bedingung, dass das wiedervereinigte Deutschland neutral
sein würde. Die Wiedervereinigung wollte vor allem Vorbeugen, dass die Bundesrepublik
Mitglied der EVG sein würde.

Im Oktober 1950 fanden auch in der DDR die ersten Wahlen statt (Tyrions, 2009). Die
Verteilung der Sitze in der Volkskammer wurde aber bereits im Voraus festgelegt. Wie es in
einem demokratischen Staat sein sollte, hatte die DDR ein Parlament und eine Regierung. In
der Wirklichkeit hatte aber die kommunistische Partei alle Macht. Die Sozialistische
Einheitspartei Deutschlands (SED), auch kurz die Partei genannt, beherrschte nämlich das
ganze gesellschaftliche und öffentliche Leben der DDR. Nichts wurde realisiert ohne die
Zustimmung der SED. Die Bevölkerung hatte dazu ein Lied erfunden, das mit den folgenden
Wörtern beginnt: "Die Partei, die Partei, die hat immer recht." Das Zentralkomitee und vor

	
  
                                                                                      11	
  

allem sein Generalsekretär, der wichtigste Mann der Partei, hatte eigentlich die echte Macht
über die ganze DDR. Nur drei Männer haben diese Funktion erfüllt: Walter Ulbricht, Erich
Honecker und Egon Krenz.

Republikflucht

Von ihrer Gründung 1949 an wuchsen die beiden deutschen Staaten schnell auseinander
(Tyrions, 2009). Die Grenze zwischen beiden Ländern wurde offiziell "Staatsgrenze der DDR
zur Bundesrepublik Deutschland" genannt. Anfangs gab es noch keine Wachtürme oder
Barrikaden, aber das alles änderte sich im Jahre 1952, wenn der Westen den Vorschlag Stalins
(ein neutrales Deutschland) abgelehnt hatte. Vor allem der Reiseverkehr zwischen Ost und
West wurde gebremst. Zum Schluss wurden der kommunistische Osten und der
kapitalistische Westen durch den Eisernen Vorhang getrennt (http://www.koude-oorlog.nl).
Im Jahre 1955 war es für die ganze Welt deutlich, dass es in Deutschland zwei deutsche
Staaten gab und dass die Wiedervereinigung weit weg war. Auch der neue Sowjetchef
Chruschtschow erkannte 1955 diese Situation in Deutschland an, aber er wollte, dass die
sozialistischen Errungenschaften der DDR bewahrt bleiben sollten. 1955 war aber in
Westdeutschland das Jahr des Wirtschaftswunders. Die große Folge dieses Wirtschafts-
wunders in den fünfziger Jahren war vor allem der Auszug der Ostdeutschen, die sogenannte
Republikflucht. Sie wussten, dass sie in der Bundesrepublik mehr Arbeitsmöglichkeiten
hätten und dort ein besseres Leben haben könnten. Zwischen 1949 und 1961 flohen ungefähr
2,6 Millionen Menschen aus der DDR, vor allem Jugendliche und Gebildete. Die SED konnte
nur mit drastischen Maßnahmen den Auszug beenden.

2.3 Der Bau der Berliner Mauer

Im Sommer '61, am 13. August,
da schufen wir die Grenze,
und keiner hat's gewußt.
Klappe zu, Affe tot,
endlich lacht das Morgenrot.
(Hammer et al., 1981)

	
  
                                                                                                       12	
  

Im Gegensatz zur DDR war die Bundesrepublik blühend, wohlhabend, sozial stabil und eine
wachsende militärische Macht (Taylor, 2006). Die antikommunistischen Westdeutschen
waren kämpferisch gegenüber der DDR. Während seiner Fernsehansprache am 25. Juli 1961
warnte J.F. Kennedy die Kommunisten, dass der Westen dazu bereit sei, Risiken zu nehmen,
um die Stadt Berlin zu verteidigen. Er erklärte auch, dass Berlin das Muster für den Mut und
die Willensstärke des Westens geworden sei. Berlin war nicht nur die Stadt, wo die USA,
Großbritannien und Frankreich anwesend waren, sondern auch die NATO und die Einwohner
von Berlin. Die Nachricht von Kennedy an den Osten war also deutlich: Wenn der Zugang zu
Westberlin beschränkt würde oder die westlichen Sektoren eingenommen würden, dann
würde der Westen kämpfen. Es war vor allem Chruschtschow, der Parteichef der
Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU), der auf diese Drohungen reagierte. Er
wies darauf hin, dass der Krieg, den Kennedy scheinbar machen wollte, ein Nuklearkrieg sein
würde und ganz Europa zerstören würde. Die Reaktion von Chruschtschow schloss sich an
die Kampagne Ulbrichts an, weil dieser Westberlin abgrenzen wollte. Der Anlass dieser
Kampagne war die große Anzahl der Ostberliner, die in den Westen flohen. Viele Fabriken
und Büros waren leer durch ihren Auszug. Niemand wusste, welche Absicht das DDR-
Regime hatte, aber die Bevölkerung der DDR fürchtete, vor allem nach dem Unterscheiben
des Friedenvertrags zwischen der Sowjetunion und Ostdeutschland, dass alle Zugänge in dem
Westen geschlossen würden. Nach dem Unterschreiben des Friedenvertrags wollte das SED-
Regime nämlich alle Luft- und Landwege von und nach Berlin unter Kontrolle bringen, um
auf diese Weise unter anderem die Fluchtwege abzuschließen. Auf die Frage einer
Journalistin der Frankfurter Rundschau ("Bedeutet die Gründung einer freien Stadt, dass eine
Staatsgrenze beim Brandenburger Tor errichtet werden würde?") auf einer Pressekonferenz in
Ostberlin, antwortete der DDR-Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht (http://www.lpb-
bw.de/bau_der_mauer.html):

       Ich verstehe Ihre Frage so: Dass es Menschen in Westdeutschland gibt, die wünschen, dass wir die
       Bauarbeiter der Hauptstadt der DDR mobilisieren, um eine Mauer aufzurichten, ja? Eh, mir ist nicht
       bekannt, dass eine solche Absicht besteht, da sich die Bauarbeiter in der Hauptstadt hauptsächlich mit
       Wohnungsbau beschäftigen und ihre Arbeitskraft voll eingesetzt wird. Niemand hat die Absicht, eine
       Mauer zu errichten.

Die Anzahl der Flüchtlinge wuchs immer stärker (Taylor, 2006). Ulbricht wusste, dass die
Situation in der DDR sich verschlechterte, und deswegen kam das Leben in der Republik ins
Gedränge und würde bald zu einer Explosion führen. Chruschtschow und sein
Oberbefehlshaber in Deutschland, Jacubowsky, hatten die Landkarte von Deutschland studiert

	
  
                                                                                           13	
  

und die Folgen der Grenze zwischen den östlichen und westlichen Sektoren besprochen. Es
war Chruschtschow, der die Zustimmung gegeben hatte, die Grenzübergänge in Berlin zu
schließen. Ulbricht hatte bereits einen detaillierten Plan, wie er die Grenze abschließen wollte:
Stacheldraht und Zäune würden heimlich nach Berlin gebracht werden, die wichtigsten
grenzüberschreitenden Eisenbahnhöfe sollten gemauert werden und das alles an einem
Sonntag. Es war Erich Honecker, der Sicherheitssekretär des Zentralkomitees der SED, der
diese Operation, den Bau der Berliner Mauer, koordinieren musste. Es war die Absicht, dass
nicht nur die westlichen Großmächte, sondern auch die eigene DDR-Bevölkerung überrascht
würde. Vor dem offiziellen Befehl zum Bau der Mauer war es wichtig, dass die Schließung
der Grenze so aussah, als ob sie eine defensive Aktion des Warschauer Pakts wäre. Der
Warschauer Pakt war von 1955 bis 1991 ein Militärbündnis des Ostblocks unter Führung der
Sowjetunion. Auf diese Weise war es für den Westen deutlich, dass die ganze
kommunistische Welt die Operation des Baus der Mauer unterstützte. Ulbricht wies
Chruschtschow darauf hin, dass die offene Grenze und der größere Wohlstand in
Westdeutschland das ostdeutsche Regime dazu zwang, den Lebensstandard der eigenen
Bevölkerung zu erhöhen. Sobald die Ostdeutschen in ihrem Land eingesperrt waren und nicht
mehr in den Westen gehen konnten,            konnte das Regime sich auf Einfachheit und
Einschränkungen zu Lasten der Konsumenten konzentrieren, ohne sich Sorgen um die
zunehmende Unzufriedenheit der Bevölkerung zu machen. Viele DDR-Bürger waren sich der
Tatsache bewusst, dass es Zeit war zu fliehen. Am 11. August 1961 wurde die Volkskammer,
das DDR-Parlament, einberufen, um alle notwendigen Maßnahmen für den Mauerbau zu
genehmigen. In der Nacht vom 12. August begann die Schließung der Grenze. Die ganze
Grenze entlang standen alle zwei Meter Wachposten, um Fluchtversuche zu vermeiden,
während Grenztruppen, paramilitärische Milizen und Bauarbeiter die Straßen mit
Stacheldraht, Zäunen und Betonblöcken verbarrikadierten. Von den 81 Grenzübergängen
mussten 68 abgeschlossen werden und auch mussten alle 193 Straßen, die Ost- und
Westberlin verbanden, geschlossen werden. 12 U- und S-Bahnlinien wurden bei den Grenzen
abgeschnitten und 10 Bahnhöfe an oder in der Nähe der Grenze wurden geschlossen. Am 13.
August 1961 war die Berliner Mauer gebaut, und Honecker hatte seinen größten
organisatorischen Triumph erreicht.

	
  
                                                                                   14	
  

2.4 1961 - 1989: im Bann der Berliner Mauer
	
  
Für die Mehrheit der Bevölkerung kam eine Flucht nicht in Frage und sie sah sich deswegen
nach dem Mauerbau gezwungen, mit der SED-Herrschaft zu leben (Hertle, 1998). Die SED
hatte die Verfügungsgewalt über Ausbildungs- und Studienplätze, Arbeitsplätze, Wohnungen,
Ferienreisen usw. Die Staatssicherheit griff ein, wenn jemand sich oppositionell oder
widerständig verhielt. Nach dem Mauerbau wurden Besuchsreisen und Übersiedlungen in die
Bundesrepublik fast vollständig verhindert. Im Jahre 1963 aber begannen Abgeordnete des
Berliner Senates mit der DDR zu verhandeln, um für die Westberliner Besuchsrecht zu
organisieren, so dass sie ihre Familie in der DDR besuchen konnten (Tyrions, 2009). Aus
diesem Grund wurde am 17. Dezember 1961 das Passierscheinabkommen unterzeichnet.
Dieses Passierscheinabkommen bedeutete eine Wende in der westdeutschen Politik
gegenüber der DDR. Die Aufteilung Deutschlands war eine Tatsache, und diese konnte man
besser erkennen und die Folgen für die Bevölkerung eindämmen. Bis 1966 gab es
verschiedene Arten von Passierscheinabkommen: eine Übereinkunft für Weihnachten,
Neujahr, Ostern und Pfingsten. Ab 1966 konnte keine Übereinkunft mehr erreicht werden.
Nur    im   Falle   von   "dringenden   Familienangelegenheiten"   wurden   DDR-Bürgern
Besuchsreisen in die Bundesrepublik oder nach Westberlin gestattet (Hertle). Die
Reisegründe wurden 1972 auch auf Geburten, Eheschließungen, lebensgefährliche
Erkrankungen und Sterbefälle von westdeutschen Verwandten beschränkt.
	
  
In Westdeutschland bedeutete der Mauerbau für Bundeskanzler Konrad Adenauer den Anfang
vom Ende (Tyrions, 2009). Nur neun Tage später hatte er den Mut, sich in Westberlin sehen
zu lassen. Der Bürgermeister von Westberlin, Willy Brandt, reagierte hingegen sofort. Er
unterbrach seine Wahlkampagne, um bei seinen Bürgern in der Stadt zu sein. Dank dieser
Haltung war Brandt (SPD) der große Sieger der Wahlen im Jahre 1961. Im Oktober 1963
hatte Adenauer sein Amt niedergelegt und Ludwig Erhard, der Vater des Wirtschaftswunders,
wurde den neuen Bundeskanzler (CDU/CSU). Im Jahre 1965 bildete Erhard eine Koalition
mit der liberalen FDP (die Freie Demokratische Partei). Die Bundesrepublik, und auch ganz
Europa, wurde damals von einer Wirtschaftskrise betroffen. Die FDP war nicht mit der
Antwort Erhards auf die Krise einverstanden und so endete die Koalition im Oktober 1966.
Kurt Kiesinger wurde der neue Bundeskanzler der neuen Koalition, der sogenannten Großen
Koalition: CDU/CSU und SPD. Brandt wurde Außenminister und bereitete seine Ostpolitik
unter dem Slogan "Wandel durch Annäherung" vor. Eine Annäherung an die DDR und die

	
  
                                                                                      15	
  

Sowjetunion war aber nicht möglich mit den Christendemokraten in der Regierung. Als 1969
die Sozialdemokraten von der SPD die großen Sieger der Bundestagwahlen waren, konnten
die SPD und FDP eine Koalition mit Brandt als Bundeskanzler bilden. Auf diese Weise
konnte Brandt, zusammen mit seinem Strategen Egon Bahr, seine Ostpolitik durchführen,
deren wichtigstes Ziel es war, die Beziehungen mit dem kommunistischen Ostdeutschland
und mit Moskau zu verbessern. Vorsicht war aber durchaus geboten, um die Beziehungen mit
den USA und Westeuropa nicht in Gefahr zu bringen. Die Ostpolitik war ein großer Erfolg
und 1971 bekam Brandt den Friedensnobelpreis. Es stellte sich aber später heraus, dass seine
idealistischen Vorhaben unrealistisch waren. Nach der Entlassung Brandts wurde Helmut
Schmidt der neue Bundeskanzler. Anfang der siebziger Jahre musste er die erste Ölkrise unter
Kontrolle haben und im Ausland war man neidisch gegenüber dem wachsenden deutschen
Export.

In der DDR ersetzte Erich Honecker 1971 Ulbricht als Parteichef der SED (Tyrions, 2009). Er
proklamierte die "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik". Für ihn war die Verbesserung
der wirtschaftlichen Lage eine Bedingung für bessere soziale Einrichtungen. Der
Lebensstandard und die Kaufkraft der Ostdeutschen mussten sich unbedingt erhöhen, um die
Bevölkerung zufrieden zu halten und die Produktivität zu steigern. Zwischen 1970 und 1975
hatten die DDR-Bürger den höchsten Lebensstandard gegenüber allen Ostblockländern.
Obwohl in der DDR der Unterricht und das Gesundheitswesen ausgezeichnet waren, tausende
Wohnungen gebaut oder renoviert wurden, die Löhne stiegen usw., gab es noch viele
Beschränkungen. Außerdem wurde jeder DDR-Bürger von der Stasi, der Staatssicherheit,
scharf im Auge behalten. Alle Ostdeutschen wussten, dass sie bespitzelt wurden, und das
sorgte dafür, dass sie ein unangenehmes Leben in der DDR hatten.

Anfang der 1980er hatten fast alle Familien in der DDR einen Kühlschrank, eine
Waschmaschine und einen Fernseher (Tyrions, 2009). Trotz dieser Ereignisse lebte die DDR
in einer Illusion des Wohlstands und musste dadurch immer mehr Produkte einführen. Diese
Lage hat zu mehreren Krisen geführt, wobei die DDR mehr Geld ausgeben musste. Die DDR
kannte einen großen Geldmangel und bat andere Länder, ihr Geld zu leihen, wodurch die
DDR eine enorme Schuld hatte. Im Herbst 1989 war die wirtschaftliche Lage in der DDR
katastrophal geworden.

	
  
                                                                                                                                                                                                                                16	
  

2.5 Der Fall der Berliner Mauer

Am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer, das Symbol des Kalten Krieges. Diese Mauer
war über Jahrzehnte der greifbarste Beweis für die Spaltung zwischen Ost- und Westberlin,
zwischen der DDR und der Bundesrepublik und zwischen Ost- und Westeuropa (Tyrions,
2009).

Es war Politbüro-Mitglied1 Schabowski, der während einer Pressekonferenz verkündete, dass
alle DDR-Bürger ohne Bedingungen, d.h. ohne Zulassung oder Visum, aus der DDR reisen
konnten und nicht obligatorisch zurückkehren mussten (Knack, 2014). Die Beschränkungen
für das Reisen in den Westen waren damit aufgehoben. Diese Regelung sollte eigentlich erst
am folgenden Tag in Kraft treten. Doch Schabowski unterlief ein Missgeschick. Auf eine
Frage eines Journalisten, wann diese neue Maßnahme in Kraft treten würde, antwortete
Schabowski zögernd "Das trifft nach meiner Kenntnis ... ist das sofort, unverzüglich". Diese
Mitteilung war jedoch von den westlichen Presseagenturen anders verstanden worden
(Tyrions, 2009). Associated Press und Reuters teilten der Welt mit, dass die Mauer offen war.
Durch die Mitteilung dieser Presseagenturen hat die Tagesschau in der ARD (der
westdeutsche TV-Sender) den deutschen Bürgern auch angekündigt, dass die Mauer offen
war. Die DDR-Leitung war sich jedoch noch nichts bewusst. Gegen 9 Uhr 15 hatten sich am
Grenzübergang der Bornholmer Straße bereits fünfhundert bis tausend DDR-Bürger
versammelt. Die Grenzwächter waren total überfordert. Sie ließen einige Hitzköpfe die
Grenze überqueren, aber so dachte die Masse, dass die Grenze offiziell geöffnet war. Die
Nachricht über die "Öffnung der Mauer" verbreitete sich inzwischen weltweit. Gegen 22 Uhr
bekommt auch Egon Krenz, Politiker der SED, diese Nachricht. Er hatte nur zwei Optionen:
Entweder konnte er die Grenzen mit Gewalt sofort schließen lassen, oder er konnte die
Grenzen geöffnet lassen. Er hatte sich entschlossen abzuwarten. In der DDR versuchte man
mit aller Macht, die Bürger davon abzuhalten, bis an die Grenze zu gehen. Die Mühe war
vergebens, spätestens als die westdeutsche Tageschau in der ARD mitteilte, dass der 9.
November ein historischer Tag war und die Grenzen offen waren. Tausende DDR-Bürger
haben die Grenzposten an der Bornholmer Straße überlaufen. Gegen Mitternacht waren alle
Grenzübergänge zwischen Ost- und Westberlin geöffnet. Die Mauer war gefallen.

	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  
1	
  Das Politbüro ist das höchste Organ der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) und dadurch
Machtzentrum der DDR.	
  	
  

	
  
                                                                                    17	
  

Während der ganzen Nacht blieb es an der politischen Seite der DDR still (Tyrions, 2009).
Das kommunistische Regime war noch hinten den Tatsachen zurück geblieben. Am nächsten
Morgen hatte die Nachricht auch Moskau erreicht. Der sowjetische Botschafter Kotsjemassov
forderte Egon Krenz auf, Gorbatsjov alles zu erklären. Am Nachmittag stellte man in Moskau
fest, dass die Ereignisse in Berlin eine inländische Angelegenheit der DDR waren. Das
bedeutete, dass die Sowjetunion nicht militärisch in der DDR eingreifen würde.

	
  
                                                                                     18	
  

3 DAS BILD ÜBER DEUTSCHLAND

In diesem Kapitel wird das Bild über Deutschland aus einer flämischen Perspektive
besprochen. Das Kapitel basiert auf dem Buch Dominant Duitsland von Dirk Rochtus (2013).
Als Deutschland 1871 ein Kaiserreich wurde, betrachteten die anderen europäischen
Großmächte das vereinigte und stärkere Deutschland als eine Bedrohung und eine Gefahr.
Die zwei Weltkriege haben die Versuche von Deutschland, eine mächtige Wirtschaft in
Europa zu werden, vereitelt. Heutzutage stellen sich viele dieselbe Fragen wie Rochtus:
Dominiert Deutschland Europa heute dank der Eurokrise? Existiert der deutsche Drang zu
herrschen nicht nur in der Einbildung Europas?

Deutschland ist geografisch in der Mitte Europas situiert und ist deswegen schon lange Zeit
eine gefürchtete Macht für die anderen europäischen Großmächte. Vor dem Ersten Weltkrieg
haben diese versucht die Macht Deutschlands zu mäßigen anhand von Diplomatie, Allianzen
und Rüstungsbegrenzung, und nach dem Zweiten Weltkrieg anhand von Westbindung, d.h.
anhand der Integration der Bundesrepublik in die Europäischen Gemeinschaft, die spätere
Europäische Union und die NATO, zu bändigen. Als Deutschland nach dem Fall der Berliner
Mauer den Traum der deutschen Einheit hatte, diskutierten der französische Präsident
François Mitterrand und die britische Premierministerin Margaret Thatcher miteinander über
die Frage, wie sie die größere und stärkere Bundesrepublik am besten im Zaum halten
konnten. Mitterrand bevorzugte Einbindung, weil mehr Deutschland auch mehr Europa, mehr
Integration und das Zustandekommen einer Wirtschafts- und Währungsunion bedeuten
würde. Deutschland würde seine politische Souveränität zurückbekommen, aber seine
monetäre abgeben. Das war der historische Deal zwischen Mitterrand und Kohl: Die deutsche
Einheit im Tausch für den Euro. Thatcher distanzierte sich von der Eurozone, weil sie
fürchtete, dass Deutschland die Wirtschafts- und Währungsunion dominieren würde.

Eurokrise

Einige Jahre vor der Eurokrise haben die südeuropäischen Länder gierig deutsche Produkte
gekauft. Dank des Exports konnte Deutschland in den ersten Jahren nach der Gründung der
Währungsunion seine eigene schwache Binnennachfrage kompensieren. Da Deutschland viel
Wert auf Währungsstabilität legte und die Inflation niedrig hielt, spielte das Land eine
dominierende Rolle innerhalb der Währungsunion. Die Bewunderung für Deutschland ist

	
  
                                                                                       19	
  

groß, nicht nur für seinen Fleiß und seine Disziplin, sondern auch für seine konkreten
politischen Maßnahmen. Das Bild eines starken Deutschlands wird durch die Einwanderungs-
welle aus Südeuropa bestätigt. Viele junge Menschen aus Spanien, Portugal, Italien und
Griechenland lernen Deutsch und so ist Deutschland wieder der kulturelle und wirtschaftliche
Magnet wie vor der Naziperiode geworden.

Nation

Seit den Ereignissen des Dritten Reiches ist das Wort "Nationalismus" in Deutschland Tabu
geworden. Nationalismus wird in Deutschland mit nationaler Selbstsucht, Chauvinismus und
Rassismus gleichgesetzt. Hitler wollte aus dem Konzept, dass bestimmte rassisch definierte
Großmächte die dominierende Rolle in einer bestimmten Region oder in einem bestimmten
Kontinent sein mussten, wie zum Beispiel Deutschland in Europa oder Japan in Ostasien, die
deutsche Nation zu einem Imperium ausbauen. Die Abneigung gegen die Nation führt
manchmal aus zu Hass. Ein Beispiel davon war das Ereignis am 10. April 2013 an der
Berliner Universität. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) wollte über die
Bundeswehr und ihren Beitrag zur "Kohäsion in der Gesellschaft" sprechen. Sein Vortrag
wurde aber von Dutzenden linken Studenten unterbrochen, die den Minister ausbuhten. Sie
brüllten "Nie wieder Deutschland!" und "Deutschland ist Scheiße!".

Europa

Wenn von der Rolle Deutschlands in Europa die Rede ist, gibt es immer die Diskussion ob
Deutschland in die Richtung eines europäischen Deutschlands oder eines deutschen Europas
geht. Mit anderen Wörtern, wird Deutschland ein Land wie die anderen europäischen Länder
werden und so dieselben europäischen Regeln und Gesetze einhalten oder wird Deutschland
sich erneut als die einige Großmacht in Europa manifestieren wollen? In seiner seit langem
erwarteten Rede am 22. Februar 2013 hielt der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck die
Angst von vielen in Europa gegenüber Deutschland für überzogen. Er steht ganz in der
Tradition der Europapolitik der Bundesrepublik. Gauck betonte, dass mehr Europa ein
europäisches Deutschland bedeutete. Die Erfahrungen mit dem deutschen Nationalismus
sorgten dafür, dass Politiker wie Gauck sich für noch mehr innere Vereinheitlichung
innerhalb von Europa aussprechen, z.B. auf finanzieller und wirtschaftlicher Ebene, aber auch
auf der Ebene der Außenpolitik, Ökologie, Einwanderung und Gesellschaft.

	
  
                                                                                      20	
  

Europa war ursprünglich als Projekt gedacht, den Nationalismus zu besiegen, aber heutzutage
besteht die Gefahr, dass Europa selbst nationalistisch wird und dabei keine Konkurrenz
duldet. Diese Art von Europa ist zum Glück noch nicht erreicht und die Nationen spielen
heutzutage immer mehr oder weniger ihre Rolle. Deutschland dominiert, weil es in Europa
den größten Einfluss auf die wirtschaftlichen Integrationsprozessen und den institutionellen
Rahmen ausübt. Aber die deutsche Dominanz ist nicht etwas, nach dem die Deutschen selbst
bewusst streben. Laut Rochtus existiert sie nur in den Köpfen der Europäer.

	
  
                                                                                         21	
  

4 FRAMING
	
  
4.1 Definitionen von Framing

Dieses Kapitel umfasst eine theoretische Grundlage für die eigentliche Untersuchung, die sich
mit der Frage befasst, welches Bild vom Berliner Mauerfall in den flämischen Zeitungen De
Standaard und De Morgen in unterschiedlichen Jahren vermittelt wird, mit anderen Worten,
wie der Berliner Mauerfall in diesen Zeitungen geframet wird.

In den letzten Jahren ist die Framing-Theorie der meist verwendete Forschungsansatz im
Bereich der Kommunikationswissenschaft (Bryant & Miron, 2004, zitiert in Van Gorp, 2007,
S. 60). Die Herkunft des Framing-Konzeptes liegt aber in der kognitiven Psychologie von
Barlett (1932) und in der Anthropologie von Bateson (1955/1972). Auch andere Disziplinen,
wie die Soziologie, Wirtschaft, Linguistik und Politikforschung, haben sich schnell mit dem
Framing-Konzept beschäftigt. In dieser Masterarbeit wird Framing im Bereich der
Kommunikationswissenschaft und Medien besprochen.

Das Konzept Framing zeigt, wie die Kommunikation von Informationen, z.B. durch eine
Nachricht, das Bewusstsein der Menschen beeinflusst (Entman, 1993, S. 51-52). Weiter haben
Frames mindestens vier Positionen im Kommunikationsprozess: der Sender, der Text, der
Empfänger (z.B. der Leser) und die Kultur. Die Nachrichter machen bewusst oder unbewusst
Urteile anhand von Frames. Der Text enthält Frames, in denen Schlüsselwörter, Stereotypen
usw. vorhanden sind, die Tatsachen oder Urteile verstärken. Diese Frames beeinflussen die
Gedanken und Konklusionen der Empfänger (z.B. der Leser). Zum Schluss kann Kultur als
eine empirisch nachweisbare Reihe gemeinsamer Frames definiert werden, die im Diskurs
und in der Kognition der meisten Menschen angesiedelt sind (Entman, 1993).

Laut Matthes (2009, S. 350) gibt es zwei Typen von Definitionen für Framing. Der erste Typ
sind allgemeine Definitionen, die das Konzept Framing ohne klare Richtlinien als eine
operationalization beschreiben. So definiert Gitlin (1980, S. 6) Frames als "principles of
selection, emphasis, and presentation composed of little tacit theories about what exists, what
happens, and what matters". Gamson & Modigliani (1987, zitiert in Matthes & Kohring,
2008, S. 264) betrachten Frames als "a central organizing idea or story line that provides
meaning to an unfolding strip of events". Laut Matthes & Kohring (2008) stehen diese zwei

	
  
                                                                                                        22	
  

Definitionen beim Verstehen des Framing-Verfahrens zentral, aber sie führen nicht zu einer
praktikablen Definition von Medienframes.
Der zweite Typ sind Definitionen, die operationelle Richtlinien spezifizieren, d.h. was Frames
im Allgemeinen machen, wie Probleme definieren, moralisch urteilen und Hilfsmittel
unterstützen. Laut Matthes & Kohring (2008) sind solche Definitionen praktikabler und
deswegen haben diese Autoren für ihre Untersuchung die Definition von Entman gewählt:

       To frame is to select some aspects of a perceived reality and make them more salient in a
       communicating text, in such a way as to promote a particular problem definition, causal interpretation,
       moral evaluation, and/or treatment recommendation for the item described (Entman,1993, p. 52).

Das bedeutet, dass ein Frame vier Funktionen hat: Probleme definieren, deren Ursachen
feststellen, moralisch urteilen und zum Schluss Lösungen vorschlagen. Diese praktikable
Definition wird auch in dieser Masterarbeit verwendet.

4.2 Die Analyse von Frames

Medienframes organisieren die Welt nicht nur für Journalisten, die über die Welt berichten,
sondern auch für uns, die ihren Berichten vertrauen (Gitlin, 1980). Laut Gitlin (1980, S. 7)
sind Medienframes "persistent patterns of cognition, interpretation, and presentation, of
selection, emphasis, and exclusion, by which symbol-handlers routinely organize discourse,
whether verbal or visual". Frames ermöglichen Journalisten, große Mengen an Informationen
schnell und routinemäßig zu verarbeiten. Frames sind unvermeidlich und Journalisten
regulieren die Produktion von Frames. Beim Analysieren von Frames sind die folgenden
Fragen wichtig zu beachten: Welches Frame gibt es hier? Warum dieses Frame? Welche
Muster werden durch dieses Frame geteilt?

Laut Matthes (2009) ist es beim Analysieren von Frames wichtig zu wissen, ob (1) die
Analyse textbasiert oder zahlenbasiert ist, ob (2) die Frames induktiv oder deduktiv sind, ob
(3) die Codierung manuell oder mithilfe eines Computers automatisiert erfolgt, und ob (4)
Techniken zur Datenreduktion verwendet werden, um Frames aufzudecken. Die
verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten der beiden Wertigkeiten dieser vier Merkmale
können zu verschiedenen methodologischen Ansätzen führen. Matthes & Kohring (2008, S.
259-263) unterscheiden fünf verschiedene Ansätze, um Medienframes zu analysieren.

	
  
                                                                                      23	
  

Die erste Methode (Matthes & Kohring, 2008, S. 259) ist der hermeneutische Ansatz.
Forscher versuchen in ihren Studien, Frames zu interpretieren, indem sie Medientexte mit
weiteren kulturellen Elementen in Verbindung bringen. Diese qualitative Methode hat als
Vorteil, dass die meisten Studien gut dokumentiert sind. Der Nachteil ist aber, dass es
ziemlich schwierig ist, zu überprüfen, wie die Frames aus dem Material extrahiert worden
sind.

Die zweite Methode (S. 260) ist der linguistische Ansatz. Studien, die diese Methode
verwendet haben, haben Frames durch die Analyse der Auswahl, der Anordnung und der
Struktur spezifischer Wörter und Sätze in einem Text identifiziert. Die Grundidee dieser
Methode ist, dass spezifische Wörter die Bausteine von Frames sind (Entman, 1993). Der
detaillierteste linguistische Ansatz ist dieser von Pan & Kosicki (1993). Diese Autoren
unterscheiden vier strukturelle Dimensionen, die die Bildung von Frames beeinflussen
(Scheufele, 2006): (a) syntaktische Strukturen oder Muster in den Anordnungen von Wörtern
oder Sätzen (Syntax), (b) skript-Strukturen, die auf das allgemeine Nachrichtenwert eines
Ereignisses hinweisen, sowie die Absicht um Nachrichten und Veranstaltungen an das
Publikum zu kommunizieren, die ihre begrenzte sinnliche Erfahrungen übersteigen (Script),
(c) thematische Strukturen, die die Tendenzen der Journalisten reflektieren um kausale
Erklärungen aufzulegen oder durch Beobachtungen mit dem direkten Zitat einer Quelle zu
verbinden (Thema) und (d) rhetorische Strukturen, die auf die "stilistischen Auswähle der
Journalisten im Hinblick auf ihre beabsichtigten Wirkungen" hinweisen (Rhetorik). Diese
zweite Methode hat als Vorteil, dass die Medientexte systematisch und detailliert analysiert
werden. Der Nachteil ist aber die Komplexität der Methode.

Der manuelle holistische Ansatz ist die dritte Methode (S. 260). Mit dieser Methode kommen
Frames nach einer qualitativen Analyse einiger neuen Texte zustande und danach werden
diese Frames als holistische Variablen codiert, d.h. sie werden in einem sogenannten
Codebuch definiert und werden dann in einer quantitativen Inhaltsanalyse codiert. Genau wie
in der hermeneutischen Methode hängt die Gültigkeit dieser Methode vor allem von der
Transparenz ab, wie Frames extrahiert worden sind. Außerdem, wenn die Forscher die
Kriterien für die Identifikation von Frames nicht definieren, dann entsteht das Risiko, dass
Untersuchungsframes und nicht die gewünschten Medienframes extrahiert werden.

	
  
Sie können auch lesen