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Die
Außenpolitik
   der DDR

      Andreas Fraude
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Andreas Fraude, geb. 1964, Diplom-Politologe, freier Publizist, wissenschaftlicher
Mitarbeiter

Veröffentlichungen: Zahlreiche selbstständige Beiträge, Rezensionen und Tagungs-
berichte, vor allem in der Zeitschrift Deutschland Archiv, u. a. zu Aspekten der DDR-
Geschichte und zum deutschen Einigungsprozess. Zuletzt: „Direkte Demokratie in
Hamburg“, in: Andreas Kost (Hrsg.): Direkte Demokratie in den deutschen Ländern.
Eine Einführung, Wiesbaden 2005, S. 113–123.

Diese Veröffentlichung stellt keine Meinungsäußerung der Landeszentrale für politische
Bildung Thüringen dar. Für inhaltliche Aussagen trägt der Autor die Verantwortung.

Landeszentrale für politische Bildung Thüringen
Regierungsstraße 73, 99084 Erfurt, www.lzt.thueringen.de
2006

ISBN 3-937967-03-6
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Inhalt

DDR-Außenpolitik: Ideologie und Interessenpolitik ....................5
Das „Sozialistische Weltsystem” ...................................................................6
„Friedliche Koexistenz” ...............................................................................9
Institutionen und Medien der DDR-Außenpolitik ..............................................12
Deutschlandpolitik als Bezugsrahmen für die DDR-Außenpolitik .........................13

1945–1949: Staatlichkeit als Voraussetzung für eine
„eigenständige“ DDR-Außenpolitik .............................................17

Die Fünfzigerjahre: „Kalter Krieg”
und staatliche Instabilität ...............................................................23

Die Sechzigerjahre: Bau der Mauer
und staatliche Konsolidierung ......................................................29

Die Siebzigerjahre: Entspannungspolitik
und internationale Anerkennung .................................................37

Die Achtzigerjahre: verschärfte Krise .........................................45

1990: Auf dem Weg in die deutsche Einheit .........................57

Zusammenfassung ..........................................................................61

Abkürzungsverzeichnis ..................................................................63

Verwendete und weiterführende Literatur ..................................65
DDR-Außenpolitik:
                   Ideologie und
                 Interessenpolitik

                                                                  (Bundesarchiv 183-11500-1342)

Demonstration aus Anlass der III. Weltfestspiele 1951 in Berlin
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Die Außenpolitik der DDR war kein
ideologiefreier Bereich. Vielmehr folg-         Das „Sozialistische
te sie der herrschenden Ideologie
des Marxismus-Leninismus, was auch              Weltsystem“
den innerstaatlichen Grundsätzen der
führenden „Sozialistischen Einheitspartei
Deutschlands“ (SED) entsprach. Die              Das Prinzip des „proletarischen Interna-
DDR-Außenpolitik (wie die Außenpolitik          tionalismus” geht auf Marx, Engels
aller sozialistischen Staaten innerhalb         und Lenin zurück und bestimmt die
des sowjetischen Herrschaftsbereichs)           Beziehungen zwischen marxistisch-leni-
bedeutete „Kampf“ mit nichtmilitärischen        nistischen Parteien. Zu seinen wichtigsten
Mitteln bis zum „Sieg des Sozialismus“          Elementen gehört die Errichtung
im Weltmaßstab. Andererseits musste der         einer klassenlosen Gesellschaft des
Staat der SED stets auch realpolitischen        Kommunismus „im Weltmaßstab“, Einheit
Erfordernissen Rechnung tragen. Daher           des Handelns, – besonders im „Kampf
ist bei der Betrachtung der Außenpolitik        gegen eine international agierende
nicht immer erkennbar, ob es sich um            Bourgeoisie” – Solidarität sowie gegen-
(reine) Interessenpolitik oder (vor allem) um   seitige Hilfe und Unterstützung. Der
eine ideologiegeleitete Politik gehandelt       „proletarische Internationalismus” galt
hat. War also die DDR-Außenpolitik im           vor allem bis zum Ende des Zweiten
Wesentlichen Interessenpolitik, dann kam        Weltkrieges, also solange die Sowjet-
ideologischen Elementen lediglich eine          union der einzige kommunistische Staat
Rechtfertigungsfunktion zu. Konkretisierte      war. Andere kommunistische Parteien
sich in der DDR-Außenpolitik hingegen           sollten danach auf Solidarität zur
marxistisch-leninistische Ideologie, hatte      UdSSR, vor allem aber auf Unterord-
diese eine weithin motivationsstiftende         nung unter die Interessen der Kom-
Funktion.                                       munistischen Partei der Sowjetunion
                                                (KPdSU) verpflichtet werden. Nach
Getreu ihren ideologischen Grundsätzen          1945 beschrieb der „proletarische Inter-
unterschied die SED und damit auch              nationalismus” das Verhältnis der SED
die DDR als staatlicher Akteur in ihrer         zu den “Bruderparteien” in nicht-kommu-
Außenpolitik das Verhältnis zu anderen          nistischen Staaten. Dazu gehörte auch
Staaten des „realen Sozialismus“ (inner-        die seit 1968 in der Bundesrepublik
halb Europas im Warschauer Pakt or-             existierende Deutsche Kommunistische
ganisiert), zu Staaten mit „kapitalistischer“   Partei (DKP). Allerdings war das Ver-
Gesellschaftsordnung (zumeist in der            hältnis der SED zur DKP ein Sonderfall,
NATO zusammengefasst) und zu nicht-             weil letztere finanziell nahezu voll-
paktgebundenen, „blockfreien“ Staaten.          ständig von der SED abhängig war
                                                und für diese auch deutschlandpolitisch
                                                eine spezielle Funktion erfüllte. Zu den
                                                besonders in den 70er-Jahren auf dem
                                                Vormarsch befindlichen „eurokommu-
                                                nistischen“ Parteien in Westeuropa, die
                                                den sowjetischen Führungsanspruch ab-
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                                                                  (Bundesarchiv 183-1983-0116)

Demonstration am 16. Januar 1983 zum Gedenken von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in
Berlin

                                                 tarischen Internationalismus“, nachdem –
Verhältnis jenseits des “proletarischen          auch auf anderen Kontinenten – Staaten
Internationalismus”. Insgesamt blieb die         entstanden, die dem marxistisch-leni-
Außenpolitik der DDR aber auch immer             nistischen Gesellschaftsmodell der So-
von eigenen Interessen bestimmt. So              wjetunion folgten. Der „sozialistische
spielten die Beziehungen der SED zu              Internationalismus” gehörte zum Verfas-
nicht-regierenden sozialistischen oder           sungsgrundsatz aller entsprechend re-
kommunistischen Parteien eine größere            gierten Länder und lag ihren Freund-
Rolle in jener Zeit, als sie um internationale   schafts- und Beistandsverträgen zugrun-
diplomatische Anerkennung rang. In               de. Ebenso bildete er die Grundlage
dieser Zeit erfüllten die Beziehungen zu         beim östlichen Militärbündnis War-
den Bruderparteien eine wichtige Ersatz-         schauer Pakt und beim Rat für Gegen-
funktion. Sie sollten in ihren Ländern           seitige Wirtschaftshilfe (RGW, auch
möglichst für die DDR werben oder gar            „Comecon“). Zu seinen Prinzipien
Druck auf ihre Regierungen ausüben.              gehörten auch die „Verteidigung“ und
                                                 der „Schutz der sozialistischen Errungen-
Der „sozialistische Internationalismus“          schaften”. So wurden beispielsweise
war eine „Höherentwicklung“ des „prole-          die Niederschlagung der ungarischen
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Revolution 1956 oder der Einmarsch             ten wie der Volksdemokratischen Repu-
in die Tschechoslowakei 1968 und in            blik Jemen und den afrikanischen Volks-
Afghanistan 1979 gerechtfertigt. Dieses,       republiken Mosambik, Äthiopien und
die Souveränität der betreffenden Staaten      Angola blieb – obwohl sozialistisch/
außer Kraft setzende Prinzip, wurde auch       kommunistisch regiert – ihre Dazugehö-
als „Breschnew-Doktrin” (nach Leonid           rigkeit bis zum Zusammenbruch des
Breschnew, von 1964 bis zu seinem Tod          „sozialistischen Weltsystems“ offen. Der
1982 KPdSU-Generalsekretär) bekannt.           ideologischen Verunsicherung der DDR
Erst unter Michail Gorbatschow sollte          kurz vor ihrem Zusammenbruch dürfte
jeder Staat seinen eigenen Weg finden          es geschuldet sein, dass das Stichwort
können, wofür man im Westen die                „Sozialistisches Weltsystem” im partei-
ironisierende Bezeichnung „Sinatra-            offiziellen „Kleinen Politischen Wörter-
Doktrin” („I did it my way”) fand. Der         buch“ in seiner Neuausgabe 1988 gar
„proletarische Internationalismus” hatte für   nicht mehr auftauchte.
die DDR die wichtige Konsequenz, dass
die staatlichen Organe die Beschlüsse          Das Verhältnis der DDR zur UdSSR war
der Partei vollziehen mussten. Die Partei      wie die Parteibeziehungen SED – KPdSU
bestimmte innen- wie außenpolitisch das        von spezieller Natur. Dies ergibt sich aus
staatliche Handeln.                            der Geschichte und der machtpolitischen
                                               Konstellation. Die DDR verdankte ihre
Nach marxistisch-leninistischer Lesart         Existenz dem Vordringen der Sowjetunion
bezeichnete das „sozialistische Welt-          bis in die Mitte Europas als Folge der
system” die Gesamtheit aller kommu-            Zerschlagung des nationalsozialistischen
nistisch regierten Länder unter Führung        Regimes 1945. Obwohl die SED darum
der Sowjetunion. Dazu zählten Ende der         bemüht war, sich ein eigenständiges Profil
80er-Jahre die Warschauer-Pakt-Staaten         zu geben und sich in der Tradition der
Sowjetunion, Polen, die DDR, die Tsche-        deutschen Arbeiterbewegung wähnte,
choslowakei, Ungarn, Bulgarien und Ru-         blieb sie doch stets von der UdSSR
mänien. Ebenso gehörten die Mongo-             abhängig. Ohne die Existenzgarantie
lische Volksrepublik, die Republik Kuba,       der Sowjetunion war der ostdeutsche
die Sozialistische Republik Vietnam,           Staat, wie sich 1989/90 zeigte, nicht
die Volksdemokratische Republik Laos,          überlebensfähig. Sichtbar war dies vor
die Volksrepublik Kambodscha und die           allem durch die in der DDR stationierten
Koreanische Demokratische Volksrepu-           400.000 sowjetischen Soldaten. Daraus
blik (Nord-Korea) dazu. Trotz ideologi-        resultierten auch die stark eingeschränkten
scher Differenzen gehörten auch die            Handlungsmöglichkeiten der DDR-Außen-
Volksrepublik China und die Volksrepu-         politik. Zudem schränkte der „sozia-
blik Albanien zum sozialistischen Welt-        listische Internationalismus“ die DDR im
system. Die damalige Sozialistische Fö-        Hinblick auf eine souveräne Außenpolitik
derative Republik Jugoslawien wurde            ein.
von der SED/DDR ausdrücklich nicht
dazugerechnet, was auch dem Selbst-
verständnis der in Jugoslawien regieren-
den Partei entsprach. Bei anderen Staa-
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                                                                   (Bundesarchiv 183-0601-041)

1. Juni 1984: Besuch des nordkoreanischen Präsidenten Kim Il Sung. Hier zusammen mit Erich
Honecker im Palast der Republik in Ost-Berlin

„Friedliche                                    zwischen Staaten unterschiedlicher Ge-
                                               sellschaftsordnung, ihres friedlichen Ne-
Koexistenz“                                    beneinanderbestehens, ihrer Zusammen-
                                               arbeit und Auseinandersetzung in der
                                               Epoche des Übergangs vom Kapita-
                                               lismus zum Sozialismus (...)”. In diesen
Der Grundsatz der „friedlichen Koexis-         Koexistenzvorstellungen akzeptierten die
tenz” reicht bis in die Frühphase der          kommunistischen Theoretiker zwar die
Sowjetunion zurück. Er wurde aber              Tatsache, dass es – jenseits des Ziels der
erst mit Beginn der „Entstalinisierung“,       Weltrevolution – für längere Zeit ein Ne-
auf dem XX. Parteitag der KPdSU im             beneinander zwischen kapitalistischen
Februar 1956, zum Grundprinzip so-             und sozialistischen Staaten geben wer-
zialistischer Außenpolitik gegenüber           de. Eine ideologische Koexistenz schloss
„kapitalistischen” Ländern erhoben. Das        dieses Prinzip aber explizit aus. Vielmehr
hier schon erwähnte „Kleine Politische         sollte der „ideologische Kampf” unver-
                                               mindert fortgesetzt und im Hinblick auf
Koexistenz” als „objektiv notwendige,          die weltrevolutionären Bestrebungen le-
einzig vertretbare Form der Beziehungen        diglich „strategisch und taktisch“ günsti-
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gere Bedingungen geschaffen werden.                Vordergrund. Ausdruck dafür war auch
Da die „friedliche Koexistenz“ sowohl              der „Grundlagenvertrag” zwischen den
konfrontative als auch kooperative Ele-            beiden deutschen Staaten sowie das
mente enthielt, trat je nach außenpoli-            „Viermächte-Abkommen” über Berlin.
tischen Erfordernissen der eine oder
andere Aspekt etwas mehr in den                    Bei der Außenpolitik nahmen unter ideo-
Vordergrund. Davon ließ sich auch die              logischen Vorzeichen die nicht-paktgebun-
DDR in ihrer Außenpolitik leiten, sofern sie       denen Staaten eine Sonderrolle ein. Zur
überhaupt autonom darüber entscheiden              „Bewegung der Nichtpaktgebundenen“
konnte. Grundsätzlich trat während der             zählte die DDR 1988 101 Staaten: fünf
allgemeinen Entspannungspolitik in den             sozialistische, 92 Entwicklungsländer
70er-Jahren der kooperative Aspekt der             Asiens, Afrikas und Lateinamerikas, zwei
„friedlichen Koexistenz“ stark in den              kapitalistische Länder Europas sowie die

                                                                         (Bundesarchiv 183-0610-101)

Die Partei- und Regierungsdelegation Grenadas unter Leitung des Vorsitzenden des Politbüros des ZK
der Neuen Jewel Bewegung und Ministerpräsidenten der Revolutionären Volksregierung Grenadas,
Maurice Bishop, unternahm am 9.6. mit dem Motorschiff “Köbis” eine Seerundfahrt auf den Berliner
Gewässern. Der Gast wurde von Hermann Axen, Mitglied des Politbürosund Sekretär des ZK der
SED [...] begleitet. (Zeitgenössische Bildlegende des Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienstes
der DDR,ADN)
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Palästinensische Befreiungsorganisation     handel (MAH) sowie das Ministerium für
(PLO) und die South West Africa People’s    Nationale Verteidigung (MfNV) wahr.
Organization (SWAPO). Als außenpo-          Der Staatsrat (das kollektive Staatsober-
litische Hauptaufgabe gegenüber Staa-       haupt) der DDR ratifizierte in den
ten der „Dritten Welt” in Asien, Afrika     60er-Jahren mehr als 30 internationale
und Lateinamerika sah die DDR die           Verträge. Dessen außenpolitische Befug-
solidarische Unterstützung dieser Völker    nisse gingen dann aber mit der Verfas-
im „Kampf gegen Imperialismus, Kolo-        sungsrevision von 1974 fast vollständig
nialismus und Neokolonialismus”. Dazu       auf den Ministerrat (die Regierung) der
sollte Hilfe bei der Festigung der poli-    DDR über. Alle grundlegenden Entschei-
tischen und Herstellung der ökonomi-        dungen in diesem Bereich wurden aller-
schen Unabhängigkeit geleistet werden.      dings im Politbüro des Zentralkomitees
Den Führungseliten dieser Länder sollte     (ZK) der SED, also auf der Führungsebene
ein „nichtkapitalistischer Entwicklungs-    der herrschenden Partei, gefällt. Diese
weg“ aufgezeigt, also das „sozialistische   „Arbeitsteilung“ war in allen Staaten
Weltsystem” möglichst auf Kosten des        innerhalb des kommunistischen Macht-
„kapitalistischen Lagers” ausgedehnt wer-   bereichs üblich, wo die staatlichen Insti-
den. Die intensive Kontaktpflege zu         tutionen durchweg den Anweisungen der
einigen Entwicklungsländern zielte auch     marxistisch-leninistischen Partei Folge zu
auf eine völkerrechtliche Anerkennung       leisten hatten. Neben den „offiziellen“
der DDR ab. Nach der „Anerkennungs-         außenpolitischen Beziehungen zu den
welle” 1971/72 veränderte sich daher        staatlichen Organen in anderen Ländern,
teilweise auch die außenpolitische Ein-     gab es immer auch Beziehungen der
schätzung und die Zielrichtung gegen-       SED zu der jeweiligen (regierenden oder
über den Staaten der „Dritten Welt“ bzw.    nichtregierenden) kommunistischen Par-
den dortigen „Befreiungsbewegungen“.        tei. Letzteres wurde von Beobachtern
                                            häufig als „Ersatzaußenpolitik” bezeich-
                                            net. Für die Beziehungen zu ausländi-
                                            schen kommunistischen Parteien zeichne-
                                            te die Abteilung für Internationale Ver-
                                            bindungen des Sekretariats des ZK der
Institutionen und                           SED verantwortlich.

Medien der DDR-                             Eine wichtige Rolle bei der Propagierung
                                            eines positiven DDR-Bildes im Ausland
Außenpolitik                                spielten die sogenannten „Freundschafts-
                                            gesellschaften”, die seit 1961 in der
                                            Dachorganisation „Liga für Völkerfreund-
Für die „Vorbereitung“ und „Durchführung“   schaft” zusammengeschlossen waren.
außenpolitischer Entscheidungen war in      Den 1989 rund 50 existierenden Freund-
der DDR das Ministerium für Auswärtige      schaftsgesellschaften (und -komitees) ob-
Angelegenheiten (MfAA) zuständig.           lag vornehmlich die Pflege der Kontakte
Zwischenstaatliche Funktionen nahmen        zu kapitalistischen Staaten und solchen
außerdem das Ministerium für Außen-         der “Dritten Welt”. Die Zusammenarbeit
12
mit den entsprechenden Gesellschaften      Kongresse sowie fremdsprachige Radio-
in den Partnerländern sollte vor allem     sendungen. Nachdem die internatio-
den außenpolitischen Zielen der DDR        nale Anerkennung erreicht war, ver-
dienlich sein. Solange die DDR noch        änderten sich teilweise die Ziele der
weltweit um diplomatische Anerkennung      Auslandspropaganda. Nun sollte in
ringen musste, spielten die Aktivitäten    einem allgemeineren Sinne ein positives
der Freundschaftsgesellschaften eine he-   Image der „sozialistischen Staatenge-
rausragende Rolle.                         meinschaft” nach außen vermittelt und
                                           gleichzeitig ein negatives Bild vom ka-
Gerade in jener Zeit, als der DDR auf-     pitalistischen System gezeichnet werden.
grund ihrer Nichtanerkennung das           Insbesondere die Bundesrepublik wurde
klassische Mittel der Diplomatie fehlte,   in einem äußerst schlechten Licht dar-
nutzte sie in erheblichem Maße das         gestellt.
Instrument der Auslandspropaganda.
Hierzu gehörten kulturelle Aktivitäten,    Die verschiedenen Aktivitäten der Aus-
Städtepartnerschaften, Beteiligung an      landspropaganda wurden von der SED
ausländischen Messen, internationale       in den entsprechenden Gremien vorbe-
Sportveranstaltungen, wissenschaftliche    reitet und koordiniert. Dafür nutzte sie

                                                       (Bundesarchiv 183-NO806-0204-008)

Das DDR-Kulturzentrum in Kairo 1968
13
bestehende Beziehungen zu soziali-           Folge, dass die Außenpolitik der DDR
stischen/kommunistischen Organisationen      – ob eigenständig oder nicht – immer
sowie „Befreiungsbewegungen” oder all-       auch als Deutschlandpolitik betrieben
gemein als „fortschrittlich” angesehenen     wurde. Das meint die Gestaltung des
Kräften. Auf Seiten der Partei waren         Verhältnisses der DDR zur Bundesrepublik
hierfür vor allem die ZK-Abteilungen für     und ihre Stellung zur „deutschen Frage”,
Auslandsinformation, Propaganda und          also zur Teilung und (Wieder-) Verei-
Agitation zuständig. Auf der Ebene der       nigung. Die Deutschlandpolitik der SED
Regierung trug das MfAA die Haupt-           war bis Mitte der 50er-Jahre auf die
verantwortung für die Durchführung der       Einheit Deutschlands gerichtet. Aller-
Auslandspropaganda. Das (Schein-)            dings strebte die DDR-Regierung diese
Parlament der DDR, die Volkskammer,          unter der Bedingung eines sozialisti-
unterhielt zahlreiche Kontakte zu auslän-    schen Gesamtdeutschlands an. Diese
dischen Parlamentariern in Gestalt ihres     Haltung zielte nicht zuletzt auf jene
„Ausschusses für Auswärtige Angelegen-       Deutschen in der Bundesrepublik, die
heiten” sowie der „Interparlamentarischen    der außenpolitischen Linie des Bundes-
Gruppe der DDR”. Auch die Blockpar-          kanzlers Adenauer skeptisch gegen-
teien und die „Massenorganisationen”         überstanden. Dieser befürwortete eine
(u.a. Freier Deutscher Gewerkschafts-        Integration der Bundesrepublik in die
bund, Deutscher Turn- und Sportbund)         politische Gemeinschaft des Westens.
waren mit außenpolitischen Aufgaben          Demgegenüber trat eine aktive Wieder-
betraut. Der „Friedensrat der DDR” als       vereinigungspolitik in den Hintergrund.
Mitglied im „Weltfriedensrat” unterstützte   Schon ab der zweiten Hälfte der 50er-
Aktivitäten und Programm der kommu-          Jahre kann jedoch lediglich noch von
nistisch gelenkten „Weltfriedensbewe-        einer „Wiedervereinigungspropaganda”
gung”.                                       seitens der DDR gesprochen werden. Ihr
                                             Bestreben war schon zu diesem Zeitpunkt
                                             auf eine völkerrechtliche Anerkennung
                                             ausgerichtet. Diese Anstrengungen setzte
                                             die DDR in den 60er-Jahren in noch mas-
                                             siverer Weise fort. Eine Reihe deutsch-
Deutschlandpolitik                           landpolitischer Maßnahmen führten zu
                                             einer weiteren (gewollten) Abschottung
als Bezugsrahmen                             und Vertiefung der Spaltung. Ausnahmen

für die DDR-
                                             hiervon bildeten 1963 bis 1966 vier
                                             zwischen dem Berliner Senat und der
                                             DDR-Regierung ausgehandelte Passier-
Außenpolitik                                 scheinabkommen, welche Berliner Bür-
                                             gern aus den West-Sektoren einen kurz-
                                             fristigen Besuch in den Ostteil der Stadt
Die Spaltung Deutschlands und die spe-       ermöglichten. Ende 1964 wurden Rent-
zifischen internationalen Rahmenbedin-       nern aus der DDR auch erstmals Besuchs-
gungen, speziell die Abhängigkeit der        reisen in die Bundesrepublik gestattet.
DDR von der Sowjetunion, hatten zur
14

                                      (Bundesregierung/Lehnartz)

Die Mauer am Brandenburger Tor 1989
15

                                                                   (Bundesarchiv 183-NO625-347)

Die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in der DDR 1974

Anfang der 70er-Jahre vollzog die DDR            der Bundesrepublik eine „rückständige”
– noch unter Staats- und Parteichef              kapitalistische deutsche Nation fortbe-
Walter Ulbricht – eine ideologische              stehe. Damit war man in der DDR
deutschlandpolitische Wende grundsätz-           endgültig und sichtbar von einer wie
licher Art. Auslöser war die neue sozial-        auch immer gearteten „Wiedervereini-
liberale Regierung in der Bundesrepublik         gungspolitik” abgerückt. Der 1972 ab-
unter Führung von Willy Brandt, der              geschlossene Grundlagenvertrag bilde-
im Rahmen seiner neuen Ostpolitik die            te den Auftakt zu einem engen Ver-
DDR als „zweiten Staat in Deutschland“           tragsnetz zwischen der DDR und der
– allerdings ohne völkerrechtliche               Bundesrepublik, das 1989 mehr als
Folgewirkungen – akzeptierte. Während            30 Abkommen umfasste. Das Ziel einer
man in Bonn an der einheitlichen                 völkerrechtlichen Anerkennung durch die
deutschen Nation festhielt, wurde dies           Bundesrepublik blieb der DDR verwehrt,
nun von Ost-Berlin in Frage gestellt.            auch wenn sie den Grundlagenvertrag
Die SED-Führung verstieg sich zu der             in dieser Richtung interpretierte. Dabei
These, in der DDR habe sich eine                 hatte die Bundesregierung in dem zum
eigenständige sozialistische deutsche            Vertrag gehörenden „Brief zur deutschen
Nation herausgebildet, während in                Einheit” ausdrücklich das Wiederver-
16
einigungsgebot des Grundgesetzes her-          zunächst die Eigenständigkeit der DDR
vorgehoben. Ein wichtiger Schritt zur          wahren und lediglich eine „Konfödera-
Demonstration ihrer Eigenständigkeit war       tion” mit dem westdeutschen Staat zu-
für die DDR die Einrichtung von „Stän-         lassen.
digen Vertretungen“ am 2. Mai 1974
in Bonn und Ost-Berlin. Freilich hatten        Die Verfassung der DDR, die keinen
diese wegen der besonderen deutsch-            übergeordneten Rahmen darstellte,
deutschen Beziehungen nicht die Qua-           sondern stetig die politischen Entwick-
lität „richtiger“ Botschaften.                 lungen im Staat der SED nachvollzog,
                                               spiegelte auch grundsätzliche deutsch-
An der Schwelle zu den 80er-Jahren             landpolitische Veränderungen wider. So
wurden die innerdeutschen Beziehungen          enthielt die 1968 verabschiedete zweite
kurzzeitig stark belastet. Dazu führte unter   Verfassung in Artikel 1 Absatz 1 noch
anderem die drastische Erhöhung des            das Bekenntnis zur „Einheit der Nation“,
Mindestumtausches für Besucher aus der         während die Präambel schon vom „Volk
Bundesrepublik. Zudem forderte Erich           der Deutschen Demokratischen Republik“
Honecker in den sogenannten „Geraer            sprach. Im Jahre 1974 wurden aus den
Forderungen” die Anerkennung der               Artikeln 1 und 8 die Hinweise auf den
DDR-Staatsbürgerschaft, die Auflösung          Bestand einer deutschen Nation in zwei
der in Salzgitter ansässigen „Zentralen        deutschen Staaten gestrichen. Auch
Erfassungsstelle für Menschenrechtsver-        von der Absicht einer „Vereinigung auf
letzungen in der DDR” und die Umwand-          der Grundlage von Demokratie und
lung der Ständigen Vertretungen in Bot-        Sozialismus“ durch eine „schrittweise
schaften.                                      Annäherung der beiden deutschen Staa-
Doch im Kontrast zu dem äußerst                ten“ war nun keine Rede mehr.
angespannten internationalen Klima durch
die Entscheidungen zur Stationierung
atomarer Mittelsteckenwaffen in Ost und
West forcierte die SED in ihrem letzten
Jahrzehnt die innerdeutsche Dialogpolitik.
Waren schon die Besuche zahlreicher
hochrangiger westdeutscher Politiker
aller Parteien in der DDR bemerkenswert,
so stellte der „Arbeitsbesuch” Honeckers
in Bonn im September 1987 einen
Höhepunkt für die prestigebedürftige
DDR dar. Nur zwei Jahre später begann
dann allerdings ihr Zusammenbruch.
Dem in der Bevölkerung zunehmend arti-
kulierten Wunsch nach einer schnellen
Vereinigung mit der Bundesrepublik ab
Anfang 1990 hatte der letzte SED(-PDS)-
Ministerpräsident Modrow nichts mehr
entgegenzusetzen. Modrow selber wollte
1945–1949:
      Staatlichkeit als
    Voraussetzung für
eine „eigenständige“
    DDR-Außenpolitik

                                         (Foto: Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Fotosammlung 2/14)

Die Führungsspitzen der Sowjetischen Militäradministration in Thüringen 1949 in Weimar
18
Schon während des Zweiten Weltkrieges        und auf die Behandlung als wirtschaft-
gab es verschiedene Pläne der späteren       liche Einheit. Der politische und gesell-
Siegermächte USA, Großbritannien und         schaftliche Neuanfang in den Besat-
Sowjetunion, wie Deutschland nach            zungszonen verlief unterschiedlich. Da-
Beseitigung der nationalsozialistischen      bei gab es zwischen der amerikanischen
Gewaltherrschaft aussehen sollte. Aller-     und britischen Zone die meisten Gemein-
dings waren die verschiedenen Vorstel-       samkeiten, insbesondere im Hinblick
lungen zu unterschiedlich, als dass sie      auf die Etablierung marktwirtschaftlich-
sich zu einem konkreten Ergebnis ver-        kapitalistischer Wirtschaftsstrukturen. Die
dichten konnten. Insgesamt setzte sich       Wiederbelebung des politischen Lebens
aber kein Konzept durch, das eine            in der französischen Zone verlief dage-
Zerstückelung des Landes zum Ziel hatte.     gen zunächst schleppend.
Auf der Jalta-Konferenz vom 4. bis 11.
Februar 1945 legten die Alliierten sich      Josef Stalin formulierte schon im April
auf die Grundsätze „Entnazifizierung,        1945, also wenige Wochen vor der
Demontage, Demilitarisierung und De-         Kapitulation des nationalsozialistischen Re-
mokratisierung“ fest, was eine Besetzung     gimes, folgendes deutschlandpolitisches
Deutschlands und eine Kontrolle mittels      Ziel: „Dieser Krieg ist nicht wie in der
militärischer Präsenz bedeutete.             Vergangenheit, wer immer ein Gebiet
                                             besetzt, erlegt ihm auch sein eigenes
Diese Grundsätze verhinderten nicht,         gesellschaftliches System auf. Jeder führt
dass die „Großen Drei“ nach der Kapi-        sein eigenes System ein, so weit seine
tulation Deutschlands unterschiedliche       Armee vordringen kann”. Damit war er
Vorstellungen von der Zukunft des be-        von seiner Maxime abgerückt, wonach
siegten Staates hatten. Die USA befür-       die Schwächung des Feindstaates
worteten eine Einbindung in die Welt-        oberste Priorität haben müsse. Russisch-
wirtschaft. Großbritannien hingegen sah      sowjetische Großmachtpolitik vermisch-
in Deutschland eher eine Gefahr, sollte      te sich mit dem Streben nach kommu-
es wieder zu einer politischen und wirt-     nistischer Weltherrschaft auf Grundlage
schaftlichen Macht aufsteigen. Trotzdem      der Ideologie des Marxismus-Leninismus.
sollte es als stabiler ökonomischer Faktor   Hinzu kam eine Projektion eigener ag-
in der Nachkriegsordnung Europas eine        gressiver Bestrebungen auf die (Außen-)
wichtige Rolle spielen. Ganz anders die      Politik des Westens. Das Maximalziel
Pläne der Sowjetunion, die möglichst         einer Übertragung ihres politischen
hohe Reparationen anstrebte. Auf der         Systems auf das gesamte Deutschland
Potsdamer Konferenz vom 17. Juli bis         hatte sich für die Sowjetunion zuneh-
2. August 1945 gab es ebenfalls keine        mend als unrealistisch erwiesen. So
deutschlandpolitischen Vorstellungen, die    wollte Stalin wenigstens den von ihm
einem einheitlichen Konzept folgten. Hier    besetzten Teil nach „realsozialistischem“
zeichneten sich noch deutlicher massive      Muster umgestalten. Bereits am 10.
Interessengegensätze zwischen den West-      Juni 1945 wurden in der sowjetischen
mächten und der Sowjetunion ab. Die          Besatzungszone „antifaschistische” und
Sieger verpflichteten sich aber auf eine     „demokratische“ Parteien zugelassen,
demokratische Umgestaltung Deutschlands      und eine Struktur aus Landes- und Pro-
19
vinzverwaltungen geschaffen. Darüber        Großbritannien zum 1. Januar 1947 ih-
hinaus wurde eine Bodenreform durch-        re jeweiligen Besatzungszonen zusam-
geführt und die agrarischen Großgrund-      menführten. Nur kurze Zeit später, am
besitzer entschädigungslos enteignet.       12. März 1947, verkündete der amerika-
Auch durch die Demontage eines Drittels     nische Präsident Truman eine Politik der
von Fabriken und Anlagen bis zum Früh-      Eindämmung („containment”) gegenüber
jahr 1946 zeichneten sich tiefgreifende     der Sowjetunion („Truman-Doktrin”). Da-
ökonomische und politische Umwälzun-        mit war ein gemeinsames politisches
gen in diesem Teil Deutschlands ab.         Handeln der vier Siegermächte gänzlich
                                            ausgeschlossen. Die Sowjetunion interpre-
Am 9. Juni 1945 wurde die „Sowje-           tierte den vom amerikanischen Außenmi-
tische Militäradministration in Deutsch-    nister Marshall am 5. Juni 1947 prokla-
land“ (SMAD) gegründet. Dies stellte        mierten Plan eines europäischen Wie-
eine wichtige Voraussetzung für eine        deraufbauprogramms („Marshall-Plan”) als
entsprechende politische und gesell-        Bedrohung ihres sozialistischen Modells.
schaftliche Transformation dar. Die aus     Moskau lehnte eine Teilnahme am US-
der (Zwangs-) Vereinigung von KPD           Wirtschaftsprogramm ab. Der Grad der
und SPD am 21./22. April 1946               Konfrontation zeigte sich auch in der
hervorgegangene SED unterstand der          Aussage des sowjetischen Außenmi-
Be-satzungsmacht und führte im wesent-      nisters Molotow am Rande der geschei-
lichen die „Empfehlungen” der Sowjet-       terten Außenministerkonferenz vom 25.
union aus. Dabei stellte die Berufung auf   November bis 15. Dezember 1947. Die-
einen „antifaschistischen Neuanfang” ei-    ser sprach von einem „imperialistischen
ne Besonderheit dar. Dies sprach be-        Krieg gegen die Sowjetunion“. Die
sonders die nach Deutschland zurück-        Erweiterung der Bizone zur „Trizone”
gekehrten Emigranten und KPD-Kader-         durch einen Beitritt Frankreichs und der
gruppen an, welche unter Führung von        Beschluss der westlichen Mächte zur
Walter Ulbricht an der Konstituierung       Errichtung eines föderativen Regierungs-
der neuen gesellschaftlichen Ordnung        systems auf einer Konferenz in London im
mitwirkten. Mit der Entstehung der SED      Februar/März 1948, vertiefte die Ost-
war ein wesentliches Fundament für einen    West-Spaltung zusätzlich. Am 20. März
eigenständigen Weg unter kommunisti-        1948 verließen die sowjetischen Vertre-
schen Vorzeichen in der Sowjetischen        ter den alliierten Kontrollrat. Dies war
Besatzungszone (SBZ) gelegt.                das formelle Ende einer gemeinsamen
                                            Deutschlandpolitik der vier Siegermäch-
Nach den gescheiterten Außenminister-       te.
konferenzen im April und Juni 1946 in
Paris, zeichnete sich zunehmend eine        Die SED-Führung war zur Unterstützung
konfrontative Politik ab, die über vier     eines ostdeutschen Separatstaates auf
Jahrzehnte lang als „Ost-West-Konflikt”     sozialistischer Grundlage schon deshalb
die Weltpolitik bestimmen sollte. Ihren     bereit, weil sie sich bewusst darüber
formalisierten Ausdruck fanden die zu-      war, dass sie bei freien Wahlen in
nehmenden Unterschiede in der Grün-         ihrem Ursprungsgebiet scheitern würde
dung der „Bizone“, mit der die USA und      und auch in Gesamtdeutschland keine
20
Chance zur Machterringung hatte.              und propagandistische Niederlage. Die
Konsequenterweise verwies der SED-            westlichen „Rosinenbomber” wurden zu
Vorsitzende Otto Grotewohl schon im           einem Identität stiftenden Moment in der
Oktober 1946 vor dem Parteivorstand           Westzone. An die Blockade knüpfte die
auf die Stärkung des internationalen          SED-Führung zunächst Hoffnungen, bald
Gewichts seiner Partei. Im Vorfeld der        in ganz Berlin regieren zu können. Sie
Moskauer Außenministerkonferenz sollte        beugte sich aber der Linie der Sowjet-
die SBZ in internationale Vereinbarungen      union zur Schaffung eines ostdeutschen
eingebunden werden. Auf ihrem II.             Teilstaates, nachdem sich die mit dieser
Parteitag im September 1947 erhob             Aktion verbundenen Ziele nicht reali-
die Parteiführung der SED gar den             sieren ließen. In der zweiten Jahreshälfte
Anspruch auf eine eigenständige po-           1948 wurden in den Westzonen Struk-
litische Orientierung. Die SED war            turen und Gremien geschaffen, die mit
darum bemüht, keine (offensichtlichen)        der Annahme des Grundgesetzes am
Gegensätze zu den Vorgaben der                23. Mai 1949 zur Gründung der Bun-
sowjetischen Besatzungsmacht durch-           desrepublik Deutsch-land führten.
scheinen zu lassen. Das zeigte sich in
der bereitwilligen Distanzierung von          In der Ostzone waren die sozialistischen
Jugoslawien im Sommer 1948, nachdem           Verwaltungsstrukturen bereits weit aus-
der dortige Staats- und Parteichef Tito von   gebildet. Der Weisung Stalins an die
Moskau als ideologischer „Abweichler”         SED Ende 1948, bald einen eigenen
gebrandmarkt worden war.                      Staat zu proklamieren, konnte somit
                                              problemlos Folge geleistet werden.
Die Sowjetunion reagierte auf die sepa-       Die Konstituierung einer provisorischen
rate Währungsreform der Westmächte            Volkskammer am 7. Oktober 1949
am 20. Juni 1948 nicht nur mit der            und die Verkündung der Verfassung der
Einführung einer eigenen Währung in           Deutschen Demokratischen Republik
ihrer Besatzungszone, sondern begann          schufen nur wenige Monate später den
die „Berlin-Blockade“: Die Zufahrtswe-        zweiten deutschen Staat.
ge nach West-Berlin wurden blockiert
und die Stromversorgung in den Ber-           Mit der Gründung der DDR endete
liner Westsektoren unterbrochen. Da-          die kurze Geschichte der SBZ, die
mit sollte der Anspruch auf Berlin als        trotz manch eigener Akzentsetzungen
Ganzes zum Ausdruck gebracht und die          durch die SED nahezu vollständig von
Sowjetische Besatzungszone stabilisiert       der sowjetischen Besatzungsmacht
werden. Ziel war es, die Westmächte           bestimmt wurde. Dazu trug vor allem die
zur Aufgabe Berlins zu bewegen. Die           Umwandlung der SED zu einer „Partei
Blockade fand am 12. Mai 1949 ihr             neuen Typs“ 1947/48 bei, die eine
Ende, nachdem eine von den West-              weitgehende „Stalinisierung“ bedeutete.
mächten getragene Luftbrücke die Ver-         Auch die Verwaltung der SBZ orientierte
sorgung der Bevölkerung in West-Berlin        sich schon recht früh an sowjetischen
erfolgreich sicherstellen konnte. Mit         Vorbildern. Die Folgen des Zweiten
der vergeblichen Blockade erlitt die          Weltkrieges führten aber nicht nur zu
Sowjetunion eine schwere politische           einer „Sowjetisierung“ des östlichen
21
Teils Deutschlands. Vielmehr bildeten
die Staaten Mittelosteuropas insgesamt
40 Jahre lang einen festen Gürtel
„realsozialistischer” Systeme unter Füh-
rung der UdSSR.
Die Fünfzigerjahre:
        „Kalter Krieg” und
      staatliche Instabilität

                                                                     (Bundesarchiv 183-08242 – 0023)

Vom 23. bis 25.9.1950 weilte eine Regierungsdelegation der DDR unter Leitung des Stellvertretenden

Sie unterzeichneten am 25.9.1950 ein Kulturabkommen und ein Finanzabkommen und beschlossen
die Vorbereitung eines langfristigen Handelvertrages. Sie gaben eine gemeinsame Deklaration heraus.
Unterzeichnungen der gemeinsamen Deklaration durch den Stellvertretenden. Ministerpräsidenten
der DDR Walter Ulbricht (links sitzend) und dem Vorsitzenden des Ministerrates der Volksrepublik
Bulgarien Wylko Tscherwenkoff (rechts sitzend). (Zeitgenössische Bildlegende des Allgemeinen
Deutschen Nachrichtendienstes der DDR,ADN)
24
Insgesamt war die DDR zu Beginn der         Die so genannte Stalin-Note stellte
50er-Jahre vor allem um die Konsolidie-     erstmals eine Herausforderung für die
rung ihres Staatswesens bemüht. Ob-         Außenpolitik der DDR dar. Am 10. März
wohl ihre „Satelliten-Funktion“ und die     1952 begann von der Sowjetunion
mangelnde außenpolitische Handlungs-        ausgehend ein Notenwechsel über die
fähigkeit überdeutlich waren, stellte sie   Möglichkeiten und Bedingungen einer
besonders gegenüber den Bruderländern       deutschen Wiedervereinigung. Die DDR
demonstrative Eigenständigkeit heraus.      wurde an der Ausarbeitung dieser Initia-
Noch in ihrem Gründungsjahr nahm            tive nicht beteiligt, obwohl es zunächst im
die DDR diplomatische Beziehungen zur       Zusammenhang mit der 1951 gestarte-
Vormacht Sowjetunion, dann zu Polen, der    ten Kampagne „Deutsche an einen Tisch”
Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien,         nach einer Mitwirkung an entsprechen-
China und Nord-Korea auf; 1950 folg-        den Plänen ausgesehen hatte. Nun
te die Mongolische Volksrepublik. In je-    wurde Ost-Berlin von Moskau instrumen-
nem Jahr erklärten die DDR und Polen        talisiert und über den Inhalt der Pläne
auch die Oder und Lausitzer Neiße zur       lediglich sehr kurzfristig informiert. Vor-
gemeinsamen „unantastbaren Friedens-        dergründig betrachtet, machte die So-
und Freundschaftsgrenze“ (Görlitzer Ver-    wjetunion mit ihrem Angebot eine Reihe
trag), obwohl die Abtretung der deut-       von Zugeständnissen an die Westmächte.
schen Ostgebiete zunächst auch von          Der „Entwurf für einen Friedensvertrag”
der SED-Führung abgelehnt wurde. Ge-        beinhaltete die Vision eines „unabhän-
genüber der Tschechoslowakei legte sich     gigen, demokratischen und friedlieben-
die DDR fest: es gebe zwischen beiden       den” Gesamtdeutschlands, welches frei-
Staaten keine „offenen und strittigen“      lich „keinerlei Koalitionen oder Militär-
Fragen und deswegen sei die „Umsied-        bündnisse“ eingehen und aus dem die
lung der Deutschen aus der Tschechos-       Besatzungsmächte abrücken sollten. Da-
lowakei unabänderlich, gerecht und          mit stellte die Sowjetunion die Existenz
endgültig”. Eine verstärkte ökonomische     ihres deutschen Satellitenstaates aufs
Ausrichtung auf die sowjetischen Nach-      Spiel, was allerdings durch die Ablehnung
barstaaten ergab sich durch den Beitritt    freier Wahlen wieder eingeschränkt
des ostdeutschen Staates zum RGW            wurde. Denn eine solche Zusicherung
am 29. September 1950. Schon vier           hätte die Herrschaft der SED im Ostteil
Jahre später wickelte die DDR inner-        Deutschlands definitiv beendet. Folglich
halb dieser Organisation drei Viertel       reagierten die Westmächte ablehnend
ihres Außenhandels ab. Institutionell war   auf die sowjetische Initiative. Die DDR
in dieser Zeit die Sowjetische Kontroll-    begleitete die Kampagne trotz ihres für
kommission (SKK) von Bedeutung. Sie         sie bedrohlich erscheinenden Inhalts
wurde am 5. November 1949 gebildet          positiv, verfolgte sie doch das Ziel, die
und besaß weitgehende Vollmachten           voranschreitende Westintegration der
über die Entwicklung in der DDR. Bereits    Bundesrepublik zu behindern. Auf der
am Tag der Staatsgründung wurde das         anderen Seite beschloss die SED auf
MfAA gebildet, das zunächst von Georg       ihrer II. Parteikonferenz im Juli 1952 den
Dertinger – damals Generalsekretär der      „Aufbau der Grundlagen des Sozialismus
CDU (Ost) – geleitet wurde.                 in der DDR”. Damit setzte sie sich vom
25
Inhalt der Stalin-Note deutlich ab. Dieses   dern unter Führung Walter Ulbrichts be-
Vorgehen deutete einerseits darauf hin,      suchte Anfang Juni 1953 Moskau, ohne
dass Ost-Berlin eine Ablehnung der           allerdings Klarheit über die sowjetische
Stalin-Note durch den Westen bereits         Haltung zu ihrem Staat zu bekommen.
ahnte. Andererseits hatte auch Stalin        Eine von der SED beschlossene Nor-
die SED-Führung im April 1952 dazu           menerhöhung für die Industrieproduktion
ermuntert, den Sozialismus in der DDR        führte dann am 16. und 17. Juni 1953
aufzubauen. Neuere Quellen belegen,          zu Protestaktionen der Arbeiterschaft.
dass es sich bei der Stalin-Note um eine     Diese begannen zunächst in Ost-Berlin,
propagandistisch motivierte Initiative ge-   breiteten sich jedoch schnell in ande-
handelt hat.                                 ren Städten der DDR aus. Die Unruhen
                                             nahmen den Charakter eines Volksauf-
Die Jahre 1952/53 waren für die DDR          standes an, der sich auch gegen das
mit zunehmender Instabilität und Verun-      politische System als Ganzes richtete. In
sicherung über die sowjetische Deutsch-      dieser Situation erwies sich die Patei- und
landpolitik verbunden. Sichtbarstes Zei-     Staatsführung als weitgehend handlungs-
chen ihrer Schwäche und ihres Abgren-        unfähig. Nur durch den Einsatz sowje-
zungsbedürfnisses war die Errichtung         tischer Truppen konnte die Existenz der
eines fünf Kilometer breiten Sperrgebietes   DDR gerettet werden. Nach Überwin-
entlang der Zonengrenze im Mai 1952,         dung der Krise gestand Moskau der
die bereits als „Demarkationslinie“ be-      DDR einen aktiveren Part innerhalb des
zeichnet wurde. Dass der ostdeutsche         östlichen Bündnisses zu. Fortan bemüh-
Außenminister Dertinger wegen unbotmä-       te sich die SED-Führung um eine Intensi-
ßiger Vorschläge zur Neutralisierung         vierung der wirtschaftlichen und kulturel-
Deutschlands im Januar 1953 zu 15            len Bindungen zu Ländern Osteuropas
Jahren Haft verurteilt wurde, zeigt, wie     und des RGW, was auch die Unter-
heikel das Thema eines eigenständigen        stützung der Sowjetunion fand. Am 25.
Staates „DDR” war. Dertinger ersetzte        März 1954 veröffentlichte die sowje-
der als linientreu geltende Lothar Bolz      tische Regierung eine Erklärung über
von der „Blockpartei” NDPD. Die zu-          die Anerkennung der Souveränität der
künftige Außenpolitik der Sowjetunion        DDR, die nun „nach eigenem Ermes-
war für die DDR-Führung nach dem Tod         sen über ihre inneren und äußeren An-
Stalins am 5. März 1953 nur schwer           gelegenheiten” bestimmen können sollte.
einschätzbar. Es gab aber Anzeichen für      An der Abhängigkeit des ostdeutschen
eine Kurskorrektur, weil die sowjetische     Staates von seiner Schutzmacht änderte
Regierung den „Aufbau des Sozialis-          dies freilich nichts, auch wenn von nun
mus” in der DDR nun als kontraproduktiv      an ein Botschafter statt des „Hohen Kom-
ansah. Am 28. Mai 1953 wurde die             missars” in Ost-Berlin residierte.
SKK aufgelöst, deren Aufgaben von
einem „Hohen Kommissar der UdSSR             Von großer Bedeutung für die außen-
in Deutschland” übernommen wurden.           politischen Bindungen der DDR war die
Dieses änderte aber nichts an der Wei-       Zugehörigkeit zum Warschauer Pakt
sungsmacht der Sowjetunion. Eine hoch-       (genaue Bezeichnung: „Vertrag über
rangige Delegation von Politbüro-Mitglie-    Freundschaft, Zusammenarbeit und ge-
26

                                                                     (Bundesarchiv 183-09435-0004)

Am 27. Januar 1951 unterzeichneten der Leiter des polnischen Außenministeriums Skrzeszewski
und Außenminister Dertinger in Frankfurt/O. das Abschlussprotokoll der Grenzmarkierung der
Oder-Neiße-Friedensgrenze. Damit ist die Friedensgrenze zwischen der Republik Polen un der DDR
endgültig festgelegt. (Zeitgenössische Bildlegende des Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienstes
der DDR,ADN)

genseitigen Beistand”). Dieser wurde am           Austritts war im Vertrag nicht vorgesehen.
14. Mai 1955 zwischen der UdSSR,                  Der Pakt diente als Gegengewicht zur
Albanien (bis 1968), Bulgarien, der               unmittelbar vorher gegründeten NATO
DDR, Polen, Rumänien, der Tschechos-              in Europa. Am 20. September 1955
lowakei und Ungarn geschlossen. Der               schlossen die UdSSR und die DDR
zunächst für 20 Jahre geltende „Freund-           noch einen zusätzlichen Vertrag ab,
schaftsvertrag”, in dem sich die Teil-            der die bilateralen Beziehungen bei
nehmerstaaten gegenseitig Beistand zu-            „völliger Gleichberechtigung, gegensei-
sicherten, war ein Militärbündnis mit             tiger Achtung der Souveränität und
einem gemeinsamen Kommando der                    der Nichteinmischung in die inneren
Streitkräfte unter Führung der Sowjetunion.       Angelegenheiten” regelte. Trotzdem
Durch Artikel 7 wurde die Souveränität            galten weiterhin die ideologischen Prinzi-
der Mitgliedsstaaten stark eingeschränkt:         pien, und die Vorherrschaft der UdSSR
So durften diese keinem anderen Bündnis           dokumentierte vor allem die Präsenz
angehören. Auch die Möglichkeit eines             sowjetischer Truppen auf dem Gebiet
27
der DDR. Mit der Aufstellung einer           konferenz im März 1956 zu festigen.
eigenen „Nationalen Volksarmee” (NVA)        Dort hob man hervor, die Entwicklung
und der Bildung eines entsprechenden         der DDR sei „jetzt nicht (…) mehr von der
Ministeriums im Januar 1956 wurde die        Entwicklung des ganzen sozialistischen
Eigenstaatlichkeit der DDR jedoch deut-      Lagers” zu trennen. Hier läge „die
lich abgesichert. Die politische und mili-   wichtigste Garantie für die weiteren
tärische Integration in das östliche Bünd-   Erfolge der Deutschen Demokratischen
nissystem war damit gleichfalls abge-        Republik”.
schlossen. Von allen Staaten des War-
schauer Paktes war die DDR am stärksten      In außenpolitischer Hinsicht folgte die
an der Geschlossenheit und militärischen     DDR dem Kurs des sowjetischen KPdSU-
Stärke des Bündnisses interessiert.          Generalsekretärs Chruschtschow, der
                                             in seiner legendären Geheimrede auf
Die „Hallstein-Doktrin” stellte die DDR-     dem XX. Parteitag der KPdSU im Februar
Außenpolitik vor eine neue Herausforde-      1956 dem Land eine „Entstalinisierung”
rung. Nach dem damaligen Staatssekre-        verordnet und die These von der „fried-
tär im Bonner Auswärtigen Amt Walter         lichen Koexistenz” formuliert hatte. Seit
Hallstein benannt, wurde sie erstmals im     Mitte der 50er-Jahre war die SED zu dem
Dezember 1955 auf einer Botschafter-         darum bemüht, sowohl diplomatische
konferenz in Bonn formuliert. Die Hall-      als auch wirtschaftliche Beziehungen zu
stein-Doktrin fixierte den „Alleinvertre-    Entwicklungsländern herzustellen. Damit
tungsanspruch” der Bundesrepublik. Das       erzielte die DDR Erfolge in Ägypten,
bedeutete, dass die Aufnahme diplo-          Indien, dem Sudan und Syrien. Gleich-
matischer Beziehungen anderer Länder         zeitig propagierte sie in Bezug auf die
zur DDR von der Bundesregierung als          Bundesrepublik Konföderationspläne, an
„unfreundlicher Akt” betrachtet und zum      deren Ernsthaftigkeit allerdings gezwei-
Abbruch ihrer Beziehungen zu diesen          felt werden musste. Auch der 1957
Ländern führte. Von der DDR wurde            vom polnischen Außenminister Rapacki
diese Strategie als „Alleinvertretungsan-    entwickelte Plan einer atomwaffenfreien
maßung” angeprangert und versucht,           Zone, die sich auf das Gebiet der Bun-
die Hallstein-Doktrin zu unterlaufen.        desrepublik, der DDR und Polen erstrek-
Dieses gelang ihr einmalig im Oktober        ken sollte, fand die propagandistische
1957. Die DDR nahm diplomatische             Unterstützung der DDR und der Sowjet-
Beziehungen zu Jugoslawien unter Tito        union. Bezogen auf die „Bruderländer”
auf, worauf die Bundesrepublik die           im Osten verfocht die DDR-Führung eine
Beziehungen zu Jugoslawien abbrach.          harte ideologische Linie. Die SED war je-
Dieser Schritt wurde seitens der DDR         derzeit bereit, Interventionen in anderen
wiederum als „völkerrechtswidriger Akt       Ländern zu rechtfertigen, wenn sie das
der unverhüllten Einmischung in Ange-        kommunistische Lager in Gefahr sah.
legenheiten dritter Staaten” und „Aus-       Dies galt auch für die Unruhen in Polen
druck der entspannungsfeindlichen, re-       1956, welche die SED schon deshalb
vanchistischen Politik der Bonner Regie-     argwöhnisch verfolgte, weil sie ein Über-
rung” gebrandmarkt. Die SED versuchte        greifen auf ihren Staat befürchtete. Noch
ihre Außenpolitik auf der III. Partei-       augenscheinlicher war diese Positionie-
28
rung im Zusammenhang mit dem Volks-        gimes für die Stadt. Zudem sollten die
aufstand in Ungarn im gleichen Jahr,       Moskau unterstellten Zufahrtswege der
der von der UdSSR militärisch niederge-    DDR übertragen werden. Am 27. No-
schlagen wurde. Dies fand die uneinge-     vember wurde diese Ankündigung den
schränkte politische Unterstützung der     Westmächten offiziell zur Kenntnis gege-
SED. Im November 1958 zeigte sich          ben. Den Entwurf für einen separaten
erneut, wie eingeschränkt gerade die       Friedensvertrag mit der DDR legte die
DDR-Außenpolitik aufgrund eigener Insta-   Sowjetunion am 10. Januar 1959 vor,
bilität war. Chruschtschow plante – noch   ohne dass sich die westlichen Mächte
in Abstimmung mit Ulbricht – einen Frie-   zu Konzessionen bereit zeigten. Die
densvertrag der Vier Mächte, die völker-   DDR selbst hatte kaum Einfluss auf die
rechtliche Anerkennung beider deutscher    Verhandlungen und deren Ergebnis.
Staaten und die Schaffung einer „Freien    Wegen der schlechten wirtschaftlichen
Stadt” Berlin. In seinem „Berlin-Ultima-   Situation und der vielen Tausend Flücht-
tum” vom 10. November 1958 forder-         linge in die Bundesrepublik war ihr Anse-
te er die Abschaffung des Besatzungsre-    hen ohnehin stark geschwächt.
Die Sechzigerjahre:
         Bau der Mauer
           und staatliche
          Konsolidierung

                                     (Bundesregierung/Schütz)

Mauerbau am Brandenburger Tor 1961
30
Mit Beginn des zweiten Jahrzehnts ihrer        lichten Erklärung, der sich auch die
Existenz verschärfte sich die Situation        Warschauer-Pakt-Staaten anschlossen,
für die DDR dramatisch. Der Westteil           wurde der Mauerbau als ein „Akt der
Berlins, „das Schaufenster des Westens”,       Friedenssicherung” bezeichnet, der an-
wirkte besonders auf Facharbeiter und          gesichts der „beschleunigten Aufrüstung
Akademiker aufgrund der freiheitlichen         und Atombewaffnung der westdeutschen
Möglichkeiten und der höheren Löhne            Bundeswehr” und einer „systematische[n]
anziehend. Im Jahre 1960 stieg der             Bürgerkriegsvorbereitung” notwendig ge-
Flüchtlingsstrom auf 199.000 Menschen          wesen sei. In der DDR werde „eine
an. Die „Abstimmung mit den Füßen”             solche Kontrolle an den Grenzen” ein-
zeigte, dass die DDR den Wettlauf um das       geführt, „wie sie an den Grenzen jedes
effektivste politische und wirtschaftliche     souveränen Staates üblich” sei.
System mit der Bundesrepublik schon zu
diesem Zeitpunkt verloren hatte. In einem      Die Folgen des Mauerbaus waren für
Brief an Chruschtschow im Januar 1961          die DDR durchaus zweigeteilt: Einer-
gestand Ulbricht zudem die zeitweise           seits sicherte der abrupte Stopp der
Zahlungsunfähigkeit im Jahr zuvor ein.         Fluchtwelle ihr staatliches Überleben,
Zwei Monate später plädierte er auf ei-        andererseits war mit dieser Maßnahme
ner Tagung der Staaten des Warschauer          ein beträchtlicher – gerade auch außen-
Paktes für eine sofortige Absperrung           politischer – Ansehensverlust verbunden.
West-Berlins, wobei in diesem Zusam-           Zudem zeigten sich Unstimmigkeiten
menhang auch bereits die Bezeichnung           zwischen der DDR und der Sowjetunion
„Grenzsicherung” fiel. Die DDR zeigte          bei der Frage nach den politischen
sich entschlossen, die für sie existenz-       Folgewirkungen. Während Ulbricht nach
gefährdende Lage durch Abschottung             wie vor einen separaten Friedensvertrag
zu beenden. Doch noch am 15. Juni              mit der UdSSR und einen schrittweisen
bekundete Ulbricht öffentlich, dass nie-       Abbau der Rechte der Westalliierten in
mand die „Absicht hat, eine Mauer              Berlin anstrebte, kam der Sowjetunion
zu errichten”. Der SED-Chef hatte es           ein konfrontativer Kurs in Europa gerade
jedenfalls geschafft, den „Bruderländern”      nicht gelegen. So nahm Chruschtschow
und insbesondere der Sowjetunion die           im Oktober 1961 sein Berlin-Ultimatum
Bedeutung „seiner” DDR für das gesam-          zurück. Auf internationalem Gebiet
te (real)sozialistische Lager zu vermitteln.   war die Sowjetunion daran interessiert,
Die Entscheidung für den Bau der Mauer         den ideologischen Führungsanspruch
fiel sehr wahrscheinlich auf einer Ver-        in Konkurrenz zu China zu behaupten.
sammlung der kommunistischen Partei-           Blockpolitische Notwendigkeiten veran-
führer der Warschauer-Pakt-Staaten vom         lassten die SED im Januar 1963 daher
3. bis 5. August 1961 in Moskau. Am            auch zum Bruch mit Peking.
13. August errichteten die DDR-Grenz-
truppen die „Berliner Mauer”, die zu-          Am 12. Juni 1964 schloss die DDR mit
nächst noch aus Stacheldraht bestand,          der Sowjetunion einen „Vertrag über
im Laufe der Jahre aber immer mehr             Freundschaft, gegenseitigen Beistand
perfektioniert und damit undurchlässiger       und Zusammenarbeit“, welcher in der
wurde. In einer von der SED veröffent-         Propaganda als „bis dahin wichtigste[s]
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