Auswirkungen umweltschädlicher Subventionen in Deutschland auf den Globalen Süden

 
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 STUDIE 10/2021

 HINTERGRUNDPAPIER / STUDIE

 Der blinde Fleck der Finanzpolitik

 Auswirkungen umweltschädlicher
 Subventionen in Deutschland auf
 den Globalen Süden

Christopher Leisinger, Ann-Cathrin Beermann,
Julian Tito & Paula Berendt
Auswirkungen umweltschädlicher Subventionen in Deutschland auf den Globalen Süden
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Inhalt
Dem deutschen Bekenntnis zu den Sustainable Deve-                      schwerwiegenden gesundheitlichen Risiken im Globa-
lopment Goals (SDGs) und dem Übereinkommen von                         len Süden bei. Lokale Märkte können außerdem durch
Paris wirken zahlreiche umweltschädliche Subventio-                    den Export hochsubventionierter Produktionsüber-
nen entgegen. Ihre Wirkungsketten erstrecken sich bis                  schüsse aus Deutschland bedroht werden. Der Umbau
in den Globalen Süden. Im Verkehrssektor befeuern sie                  der deutschen Subventionslandschaft ist daher auch
die Klimakrise durch die Förderung kraftstoffintensiver                aus globaler Sicht dringend notwendig. Er wäre ein
Pkw. Entlang internationaler Lieferketten des Sektors                  wichtiger Schritt, um den eigenen Selbstverpflichtun-
verschärfen sie zusätzlich bestehende soziale und öko-                 gen gerecht zu werden und die global ungleich verteil-
logische Konflikte. Auch in der Landwirtschaft tragen                  ten Lasten umweltschädlicher Subventionen zu redu-
deutsche umweltschädliche Subventionen zur Klima-                      zieren.
krise und der Zerstörung von Ökosystemen sowie

Herausgeber

Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS)
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Tel +49 (0) 30 76 23 991 – 30
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Über das FÖS

Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V.                      durchgeführt, konkrete Konzepte entwickelt und
(FÖS) ist ein überparteilicher und unabhängiger politi-                durch Konferenzen, Hintergrundgespräche und Bei-
scher Think Tank. Wir setzen uns seit 1994 für eine Wei-               träge in die Debatte um eine moderne Umweltpolitik
terentwicklung der sozialen Marktwirtschaft zu einer                   eingebracht. Das FÖS setzt sich für eine kontinuierli-
ökologisch-sozialen Marktwirtschaft ein und sind ge-                   che ökologische Finanzreform ein, die die ökologische
genüber Entscheidungsträger*innen und Multiplika-                      Zukunftsfähigkeit ebenso nachhaltig verbessert wie
tor*innen Anstoßgeber wie Konsensstifter. Zu diesem                    die Wirtschaftskraft.
Zweck werden eigene Forschungsvorhaben

Bildnachweise
Foto Titelseite: pixabay.com

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Auswirkungen umweltschädlicher Subventionen in
Deutschland auf den Globalen Süden

Inhaltsverzeichnis
1      Hintergrund ..................................................................................................................................................................... 5
    1.1           Auswirkungen der Klimakrise auf den Globalen Süden ................................................................................................. 5
    1.2           Deutschlands Verpflichtungen ................................................................................................................................................. 6
2      Verkehr ............................................................................................................................................................................. 7
    2.1           Pkw-Produktion ............................................................................................................................................................................... 7
    2.2           Pkw-Nutzung ................................................................................................................................................................................... 9
    2.3           Pkw-Verwertung ............................................................................................................................................................................. 11
    2.4           Schlussfolgerungen ...................................................................................................................................................................... 12
3      Landwirtschaft .............................................................................................................................................................. 13
    3.1           Klimawirkung ................................................................................................................................................................................... 14
    3.2           Umweltwirkung .............................................................................................................................................................................. 14
       3.2.1         Nitrat .............................................................................................................................................................................................. 14
       3.2.2         Luftschadstoffe ......................................................................................................................................................................... 14
       3.2.3         Ressourcen .................................................................................................................................................................................. 15
    3.3           Auswirkung auf die lokalen Märkte ........................................................................................................................................ 15
       3.3.1         Fleisch............................................................................................................................................................................................ 16
       3.3.2         Milch ............................................................................................................................................................................................... 17
    3.4           Schlussfolgerung ........................................................................................................................................................................... 18
4      Fazit ............................................................................................................................................................................... 20

Literaturverzeichnis ............................................................................................................................................................ 21

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Zusammenfassung der Ergebnisse
Deutschland bekennt sich über die Sustainable Deve-                    Auch im deutschen Landwirtschaftssektor fördern
lopment Goals und das Übereinkommen von Paris zu                       viele Subventionen gesundheitsgefährdende, umwelt-
einem wohlhabenderen, gerechteren und nachhalti-                       , klima- sowie tierwohlschädliche Produktions- und
gen globalen Zusammenleben. Trotz der Selbstver-                       Konsumweisen. Der Export deutscher Produktions-
pflichtungen wirken diesem Ziel zahlreiche umwelt-                     überschüsse übt zusätzlich starken Konkurrenzdruck
schädliche Subventionen entgegen. Ökologische und                      auf lokale Märkte und die Bevölkerung aus.
soziale Auswirkungen entfalten die staatlichen Förde-                  Die GAP-Subventionen und kleinere deutsche Sub-
rungen aber nicht nur hierzulande. Ihre Wirkungsket-                   ventionstatbestände, wie der reduzierte Energiesteu-
ten erstrecken sich bis hin in den Globalen Süden.                     ersatz auf Diesel, gehen mit einer starken Klimawir-
Im Verkehrssektor setzen deutsche umweltschädli-                       kung einher. Vor allem Emissionen der Tierhaltung,
che Subventionen starke Anreize zur Anschaffung und                    aber auch der Futtermittelproduktion und des Acker-
Nutzung kraftstoff- und emissionsintensiver Pkw. Dies                  baus verursachen mehr als 75 % des Treibhausgasaus-
gilt für die pauschale Dienstwagenbesteuerung                          stoßes der deutschen Landwirtschaft.
ebenso wie für die Steuervergünstigung auf Diesel-                     Die deutschen landwirtschaftlichen Subventionen ha-
kraftstoff. Beide Subventionen befördern einerseits die                ben zudem eine bedenkliche Umweltwirkung. Der für
übermäßige Automobilproduktion und den Ressour-                        das (Futtermittel-)Wachstum essenzielle (aber endli-
cenverbrauch. Andererseits muss am Lebenszyklus-                       che) Rohstoff Phosphor wird primär in Nordafrika ge-
ende eine vermehrte Anzahl an Fahrzeugen geschred-                     wonnen. Beschäftigte in Phosphatminen erleiden zum
dert oder recycelt werden.                                             Teil schwerwiegende gesundheitliche Schäden. Radio-
Viele der für die Pkw-Produktion benötigten Roh-                       aktive und krebserregende Nebenerzeugnisse der
stoffe (wie Roheisen, Bauxit und Kupfer) werden z. B. in               Phosphatproduktion werden außerdem oftmals ein-
Brasilien, Chile, Südafrika, dem Kongo oder Indonesien                 fach ins Mittelmeer eingeleitet.
gewonnen. Zu den lokalen Umweltfolgen der Roh-                         Ein Großteil des landwirtschaftlichen Angebotüber-
stoffextraktion zählt neben der Verschmutzung von                      hangs in Deutschland wird exportiert. Neben den EU-
Böden, Gewässern sowie Ökosystemen auch der mas-                       Nachbarn werden die Produktionsüberschüsse der
sive Flächenverbrauch durch Minen und Infrastruktur.                   deutschen Fleisch- und Milchherstellung z. B. auch
Die Bevölkerung leidet zudem unter Landnahme, der                      nach Westafrika ausgeführt. Lokale Märkte können
Verletzung von Menschenrechten und Arbeitsschutz                       mit dem starken Preisdruck ausländischer Produkte
sowie Gesundheitsschäden durch Luftschadstoff-                         aber oft nicht konkurrieren. Dies liegt auch daran, dass
emissionen und den Chemikalieneinsatz.                                 umweltschädliche Subventionen es deutschen Land-
Die betrachteten umweltschädlichen Subventionen                        wirt*innen ermöglichen, zu Erzeuger*innenpreise un-
befördern zudem den Kraftstoffverbrauch - und da-                      ter Produktionskosten zu wirtschaften.
mit den CO2-Ausstoß des deutschen Verkehrs. Die                        Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass ein Umbau
ökologischen und ökonomischen Schäden der Klima-                       der europäischen und deutschen Subventionsland-
krise betreffen aber vorrangig den Globalen Süden.                     schaft aus ökologischer, ökonomischer und sozialer
Neben Lebensmittelknappheiten durch vermehrte                          Perspektive notwendig ist. Das gilt aufgrund der aufge-
Extremwetterereignisse beeinträchtigen letztere zu-                    zeigten Wirkungsketten auch mit Blick auf den Globa-
dem die Bildungschancen der lokalen Bevölkerung.                       len Süden. Durch den Abbau der betrachteten um-
Auch die Folgen der deutsche Rohölnachfrage sind                       weltschädlichen Subventionen würde Deutschland die
vorrangig im Globalen Süden zu verorten: Neben der                     Klimakrise und soziale Konflikte entlang internationa-
Kontaminierung von Gewässern und Böden kommt es                        ler Lieferketten weniger stark befeuern. Der Subven-
immer wieder zu bewaffneten Konflikten um Erdölein-                    tionsabbau würde außerdem dabei helfen, Umwelt-
nahmen, beispielsweise in Libyen oder Nigeria.                         oder Gesundheitsrisiken im Globalen Süden zu redu-
Bei verstärkter Nachfrage nach Pkw gibt es auch ver-                   zieren und Marktverzerrungen zu beseitigen.
mehrt viele Gebraucht- und Altfahrzeuge. Trotz rest-
riktiver Vorgaben ist der Verbleib von bis zu 460.000
Fahrzeugen aus Deutschland pro Jahr ungeklärt. Bei il-
legalen Exporten und Verwertungen ist davon auszu-
gehen, dass Recyclingquoten und Umweltstandards
nicht eingehalten werden. Aber auch der legale Export
und die Weiternutzung schadstoffintensiver Ge-
brauchtwagen im Globalen Süden beeinträchtigen die
lokale Bevölkerung durch erhebliche Umwelt- und
Gesundheitsrisiken.

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1    Hintergrund
Die Agenda 2030 mit ihren 17 Sustainable Develop-                      gefördert oder produziert wird. Andererseits kann der
ment Goals (SDGs) und das Übereinkommen von Paris                      Export deutscher Produktionsüberschüsse Marktent-
sind grundlegende Meilensteine, um den Weg zu einer                    wicklungen und Kleinwirtschaften in anderen Ökono-
wohlhabenderen, gerechteren und nachhaltigeren Zu-                     mien beinträchtigen (vgl. Kapitel 2 und Kapitel 3).
kunft zu ebnen (UN 2019). Deutschland hat sich nicht
nur als Teil der internationalen Staatengemeinschaft
diesen Zielen selbstverpflichtet. Die Deutsche Nach-                   1.1    Auswirkungen der Klimakrise
haltigkeitsstrategie soll die nationale Umsetzung der                         auf den Globalen Süden
SDGs - also die grundlegende Verbesserung der Le-
bensverhältnisse aller Menschen sowie den Schutz der                   Jedes weitere Dezimalgrad Erderwärmung hat ökono-
Ökologie – gewährleisten (Bundesregierung 2021).                       mische und soziale Konsequenzen. Eine höhere glo-
                                                                       bale Temperatur befördert die Gefahr ökologischer
Entgegen diesen Selbstverpflichtungen wirken zahl-
                                                                       Kipppunkte – also einen Zustand, bei dem die Verän-
reiche umweltschädliche Subventionen der Nachhal-
                                                                       derungen des globalen Klimasystems unumkehrbar
tigkeit der deutschen Fiskalpolitik entgegen. Laut
                                                                       sind (Lenton u. a. 2008). Werden diese ökologischen
UBA (2021a) haben diese ein Gesamtvolumen von
                                                                       Kipppunkte überschritten, verändern sich Ökosysteme
etwa 65 Mrd. Euro (Stand: 2018). Auf die Sektoren Ver-
                                                                       und der Klimawandel wird zusätzlich beschleunigt.
kehr und Energie entfallen mit 30,8 bzw. 25,4 Mrd.
                                                                       Dadurch entstehen wiederum substanzielle wirt-
Euro die höchsten Subventionsposten. Landwirt-
                                                                       schaftliche Auswirkungen für Haushalte und Unter-
schafts- und Bausektor erhalten jährlich etwa 6,2 bzw.
                                                                       nehmen (FÖS/Öko-Institut 2021).
3,1 Mrd. Euro. Zusätzlich gehen die Subventionen mit
kritischen Verteilungskonflikten einher. Viele von                     Schätzungen zu den wirtschaftlichen Schäden der
                                                                       Klimakrise variieren stark. Nordhaus (2019) nimmt bei-
ihnen wirken regressiv und es profitieren vorrangig ein-
                                                                       spielsweise an, dass das globale Bruttoinlandsprodukt
kommensstarke und privilegierte Bevölkerungsgrup-
pen (FÖS 2021a). Das ökologische und ökonomische                       (BIP) bei einer Erderwärmung von 3° C um jährlich 2 %
Potenzial einer Reform ist entsprechend hoch: allein                   und bei 6° C um 8 % absinken würde. Wade/Jennings
                                                                       (2016) berechnen, dass das globale Wachstum bei ei-
der Abbau von nur zehn klimaschädlichen Subventio-
                                                                       nem Temperaturanstieg von 4° C durchschnittlich je-
nen bis 2030 kann ca. 100 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr
einsparen und jährlich fiskalische Kapazitäten in Höhe                 des Jahr um ca. 2,9 % abfällt. Dietz/Stern (2014) quan-
von 46 Mrd. Euro freisetzen (ebd.).                                    tifizieren bei gleicher Erhitzung, dass der globale Out-
                                                                       put im Vergleich zu einer Welt ohne Erderwärmung so-
Die Auswirkungen deutscher umweltschädlicher Sub-
                                                                       gar 50 % geringer ausfällt.
ventionen erstrecken sich aufgrund der globalen Fol-
                                                                       Deutlich wird bei aller Varianz allerdings, dass die öko-
gen der Klimakrise und internationaler ökonomischer
Verflechtungen bis in den Globalen Süden. Das ge-                      nomischen Einbußen der Klimakrise global ungleich
schieht in erster Linie, weil viele deutsche Subventio-                verteilt sind. Zu den ohnehin vulnerabelsten Regionen
                                                                       der Welt gehören Subsahara-Afrika, Südasien und
nen gegen das Verursacherprinzip verstoßen: Die Fol-
                                                                       Südostasien. Neben Dürren und Wasserknappheit
gekosten klimaschädlicher Konsum- und Produktions-
entscheidungen werden nicht von den Verantwortli-                      werden dort künftig auch Überschwemmungen und
chen getragen, sondern auf die globale Gemeinschaft                    Wirbelstürme Natur und Mensch vermehrt bedrohen
                                                                       (OECD 2013).
überwälzt (Kletzan-Slamanig/Köppl 2016). Des Weite-
ren stärken umweltschädliche Subventionen fossile                      Abbildung 1 verdeutlicht den heterogenen Einfluss ei-
Technologien und erhöhen damit die Gefahr „gestran-                    ner 2 Grad-Erwärmung auf die jährlichen Wachstums-
deter Vermögenswerte" - d. h., Investitionen in fossile                raten des Pro-Kopf-BIP. Während einige Volkswirt-
Wirtschaftsstrukturen werden im Strukturwandel un-                     schaften in der nördlichen Hemisphäre positive
rentabel (Ansari/Holz 2020). Dadurch wird die ökolo-                   Wachstumseffekte erwarten können (z. B. Mongolei
gische Transformation in Deutschland ausgebremst                       +1,55 %), werden viele Ökonomien des Globalen Sü-
und künftige Schadenskosten der Klimakrise erhöht.                     dens Verluste verzeichnen (z. B. Mali -1,84 %). In
Dies betrifft umso mehr den Globalen Süden (UNEP                       Summe werden etwa 80 % aller Schäden der Klima-
2021). Zusätzlich reizen umweltschädliche Subventio-                   krise voraussichtlich im Globalen Süden anfallen (Men-
nen den übermäßigen Konsum und die Produktion mit                      delsohn u. a. 2006).
starker Klimawirkung an (OECD/IEA 2021). Einerseits                    Zeitgleich sind aber auch die Auswirkungen der globa-
befördern sie den Ressourcenverbrauch, wobei eine                      len Temperaturveränderung im Globalen Süden un-
Vielzahl der Rohstoffe und Waren unter niedrigen Um-                   gleich verteilt. Der steigende Meeresspiegel trifft In-
welt- und Sozialstandards im Globalen Süden                            selstaaten sowie flache Küstenregionen und ist

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verantwortlich für eine Versalzung von Böden sowie                       Klimaabkommen, welches über die Begrenzung der
Grundwasser. Durch die Klimakrise kommt es häufiger                      Erderhitzung auf deutlich unter 2 °C (und möglichst
zu temporären Überflutungen oder gar zum dauerhaf-                       auf 1,5 °C) ebenfalls den Weg einer nachhaltigen Ent-
ten Versinken von Landmasse (IPCC 2018).                                 wicklung ebnen soll. Beide Abkommen enthalten als
Eine weitere Folge sind Extremwettereignisse, die                        konkrete Maßnahme den Abbau umweltschädlicher
rückblickend an Häufigkeit und Intensität zugenom-                       Subventionen (SDG 12, bzw. Artikel 2.1c des Überein-
men haben (Germanwatch 2021). Untersuchungen der                         kommens von Paris).
letzten 20 Jahre zeigen, dass die Länder mit den größ-                   Zusätzlich hat Deutschland über die G7 und die G20
ten Schäden durch Extremwettereignisse zum Globa-                        zugesagt, umweltschädliche Subventionen zeitnah
len Süden zählen. Dazu gehört u. a., dass aufgrund von                   abzubauen (FÖS 2021a). Zwischen 2014 und 2019 er-
Hitze- und Dürreperioden landwirtschaftliche Erträge                     zielten die G20 aber nur minimale Fortschritte beim
in Subsahara-Afrika, Teilen Lateinamerikas und in Süd-                   Subventionsabbau; zeitgleich wurden während der
ostasien ausfallen. Viele dieser Regionen werden auch                    Corona-Pandemie zahlreiche Maßnahmen umgesetzt,
künftig Schwierigkeiten bei der Versorgungssicherheit                    die fossile Energieträger stützen und diese Fortschritte
mit Lebensmitteln erfahren (Germanwatch 2021; IPCC                       zunichtemachen (IISD u. a. 2020).
2018). Des Weiteren treten Klimawandelfolgen selten                      Diese massiven Umsetzungsdefizite spiegeln sich auch
einzeln auf, sondern überlagern und verstärken sich                      durch die Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie im na-
gegenseitig. Vor allem in Teilen Afrikas und Asiens ist                  tionalen Rahmen wider. Darin bekräftigt die Bundesre-
die Gefährdung hoch, dass klimabezogene Risiken aus                      gierung, die deutsche Subventionslandschaft fortwäh-
den Bereichen Energie, Ernährung und Wasser zusam-                       rend auf Nachhaltigkeitskriterien zu überprüfen. Aller-
menwirken und damit einen noch größeren Schaden                          dings läuft die Diskussion über den Abbau umwelt-
für die Bevölkerung anrichten (IPCC 2018).                               schädlicher Subventionen bereits seit über 30 Jahren.
                                                                         Ein konkreter Zeitplan und zielführende Fortschritte
                                                                         bei Abkehr von staatlicher Förderung umweltschädli-
1.2     Deutschlands Verpflichtungen
                                                                         cher Wirtschaftsweisen bleibt bisher jedoch aus.
Durch die 17 SDGs haben sich nahezu alle Länder da-                      Der Subventionsabbau ist aber aus ökologischer, öko-
rauf verständigt, die globalen Implikationen ihrer                       nomischer und sozialer Perspektive notwendig. Er
Handlungen mitzudenken sowie Mensch und Umwelt                           wäre nicht nur ein wichtiger Schritt im Sinne der eige-
möglichst gering durch soziale, ökonomische und öko-                     nen Verpflichtungen, sondern auch, um die global un-
logische Konflikte zu belasten. Zu diesen Zielen ver-                    gleich verteilten Lasten umweltschädlicher Subventio-
pflichtet sich Deutschland als Teil der globalen Ge-                     nen zu reduzieren und zur Erreichung der gesteckten
meinschaft      zusätzlich   durch     das    Pariser                    Klima- sowie Nachhaltigkeitsziele beizutragen.

Abbildung 1: Wirtschaftliche Auswirkungen des globalen Temperaturanstiegs um 2° C

Anmerkung: Wachstumseffekte eines globalen Temperaturanstiegs um 2° C zu vorindustriellen Leveln relativ zum Fall keiner weiteren Erderwär-
mung; Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Pretis u. a. (2017); Daten: Pretis u. a. (2017): hellgrau = keine Daten verfügbar.

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2 Verkehr
Die mittel- und unmittelbaren ökologischen und sozia-                  Energiesteuervergünstigung auf Dieselkraftstoff be-
len Folgen von Pkw-Produktion, -Nutzung und -Ver-                      fördern klimaschädliche Wirtschafts- und Verhaltens-
wertung wirken sich überwiegend global aus. Die deut-                  weisen. Ein monokausaler Zusammenhang zwischen
sche Subventionspolitik im Verkehrssektor ist daher                    beiden Subventionen und den ökologischen sowie so-
auch in einem internationalen Kontext zu betrachten.                   zialen Auswirkungen auf die Länder des Globalen Sü-
Tatsächlich existieren starke, klimaschädliche Steuer-                 dens ist aber schwer zu etablieren. Die Studienland-
anreize zur Anschaffung und Nutzung stark motorisier-                  schaft zeigt jedoch klar, dass Dienstwagen- und Diesel-
ter Fahrzeuge mit hohem CO2-Ausstoß und Kraftstoff-                    privileg mittelbare Auswirkungen auf den Globalen Sü-
verbrauch (Elmer/Kemfert 2021).                                        den und seine Bevölkerung entfalten: Hierzulande rei-
Die pauschale Besteuerung der privaten Dienstwa-                       zen sie die übermäßige Automobilproduktion, den
gennutzung ist eine umweltschädliche Subvention mit                    Ressourcenverbrauch sowie die vermehrte Pkw-Nut-
einem Volumen von rund 4,4 Mrd. Euro pro Jahr (FÖS                     zung und den damit verbundenen Treibhausgasaus-
2020). 1 Für die private Nutzung der Fahrzeuge sind                    stoß an. Schlussendlich muss ein nachhaltiger Umgang
jährlich pauschal 12 % des Listenpreises als geldwerter                mit einer vermehrten Anzahl an Pkw an ihrem Lebens-
Vorteil steuerlich zu entrichten – unabhängig von der                  zyklusende gefunden werden.
tatsächlichen privaten Fahrleistung.2 Der Steuervorteil
ergibt sich daraus, dass die pauschale Berechnungs-                    2.1      Pkw-Produktion
methode den tatsächlichen geldwerten Vorteil der pri-
vaten Dienstwagennutzung systematisch unter-                           Die deutschen Subventionen des motorisierten Indivi-
schätzt. Schätzungen legen nahe, dass das deutsche                     dualverkehrs (MIV) setzen starke Anreize zur übermä-
Besteuerungsmodell nur etwa 40 % des tatsächlichen                     ßigen Pkw-Produktion. Im Fall des Dienstwagenprivi-
Vorteils erfasst (Harding 2014). Auch der internationale               legs liegt dies primär daran, dass als Bemessungs-
Vergleich zeigt, dass privates Dienstwagenfahren oft                   grundlage des geldwerten Vorteils der Bruttolisten-
deutlich höher besteuert wird (ACEA 2021). Je nach                     preis eines Pkw genutzt wird. So übt zum einen die
Ausgestaltung liegt das Treibhausgasminderungspo-                      Pauschalbesteuerung starke Anreize zum Neuwagen-
tenzial einer Reform im Jahr 2030 zwischen 1,3 Mio.                    kauf aus; der Erwerb (nach Anschaffungspreis) günsti-
und 5,8 Mio. t. In Großbritannien reduzierten sich Fahr-               ger gebrauchter Pkw lohnt sich häufig nicht (FÖS
leistung und Anzahl der Dienstwagen nach einer No-                     2021b). Zum anderen werden Dienstwagen unter-
vellierung deutlich (Agora Verkehrswende 2018).                        durchschnittlich lange gehalten, bevor sie durch Neu-
Dieselkraftstoff wird in Deutschland im Vergleich zu                   wagen ersetzt werden. Die durchschnittliche Halte-
Benzin deutlich geringer besteuert. Grund für die Be-                  dauer gewerblich gemeldeter Pkw beläuft sich gerade
vorzugung des Kraftstoffes war ursprünglich die Wett-                  einmal auf etwa 2,5 bis 4 Jahre (UBA 2016; VCD 2020).
bewerbsstärkung des dieselbetriebenen Straßengü-                       Empirische Forschung untermauert, dass die Dienst-
terverkehrs (UBA 2021a). Allerdings ist Diesel der ener-               wagenbesteuern den Neuwagenkauf befördert. So
giereichere und emissionsintensivere Kraftstoff: Ener-                 könnten die europäischen Besteuerungsmodelle die
gie -und CO2-Gehalt liegen knapp 10 % bzw. 13 % über                   Mehrproduktion von mehreren Millionen Pkw in den
dem von Benzin (vgl. FÖS/IKEM 2016). Umgerechnet                       Mitgliedsstaaten angereizt haben (Copenhagen Eco-
auf den CO2-Gehalt beläuft sich der Steuersatz für                     nomics 2008). Gutiérrez-i-Puigarnau/van Ommeren
Diesel auf 179 €/t CO2; der für Benzin liegt hingegen                  (2007) zeigen zudem, dass Steuervergünstigungen für
bei 288 Euro. In Summe hat die Subventionierung des                    privat genutzte Firmenwagen die Wahrscheinlichkeit
Dieselkraftstoffs ein Volumen von rund 8,19 Mrd. Euro                  erhöhen, mehrere Pkw zu halten.3
pro Jahr (FÖS 2020). Das Treibhausgasminderungs-                       Auch die Energiesteuervergünstigung für Dieselkraft-
potenzial des Subventionsabbaus liegt bei 3,7 Mio. t                   stoff hat in den letzten Jahrzehnten die Nachfrage
CO2 im Jahr 2030 (Agora Verkehrswende 2018).                           nach Diesel-Pkw angeregt. Dies könnte zur verstärkten
Sowohl das geltende Modell zur Besteuerung der pri-                    Fahrzeugproduktion beigetragen haben, weil der sub-
vaten   Dienstwagennutzung       als   auch    die                     ventionierte Diesel-Pkw mit einem Preisvorteil

1                                                                       3
    Das UBA (2021a) schätzt die Subvention auf mind. 3,1 Mrd. Euro.         Allerdings könnte dieser Effekte auch darauf zurückzuführen
2                                                                           sein, dass der Besitz eines Dienstfahrzeugs die Produktivität von
    Alternativ kann der geldwerte Vorteil der Dienstwagennutzung
    auch mithilfe eines Fahrtenbuchs ermittelt werden.                      Arbeitnehmer*innen und damit deren Nachfrage nach Pkw er-
                                                                            höht (Gutiérrez-i-Puigarnau/Van Ommeren 2011).

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gegenüber anderen Kraftstoffen und Antriebsarten                             Bleis (74 %) wird von der Automobilindustrie – pri-
ausgestattet ist (Dudenhöffer 2011).                                         mär in Autobatterien - verbraucht. Die Hälfte des in
Darüber hinaus begünstigen Dienstwagen- und Die-                             Deutschland nachgefragten Zinks wird zum Korro-
selprivileg die Herstellung schwerer und stark motori-                       sionsschutz für die Verzinkung von Stahl, vor allem
sierter Fahrzeuge. Im Falle des Dienstwagenprivilegs                         in der Automobil- und Bauindustrie, eingesetzt.
gilt dies insbesondere, weil rund 70 % aller Plug-In-                  ▪     Für die Fertigung von Plug-in-Hybriden werden
Hybride im gewerblichen Markt zu finden sind oder als                        neben den genannten Komponenten auch Roh-
Firmenwagen zugelassen werden. Tendenziell sind                              stoffe zur Produktion von Elektromotoren benötigt.
Plug-in-Hybride aber größere und leistungsstärkere                           Eine Antriebsbatterie kann z. B. bis zu 11 kg Lithium
Pkw (FÖS 2021b; Transport & Environment 2021).                               und 13 kg Kobalt enthalten (Öko-Institut 2021a).
Die mittelbaren Auswirkungen des Dienstwagen- und
Dieselprivilegs erstreckt sich bis hin in andere Weltre-
                                                                       Abbildung 2: Anteile der Automobilproduktion am
gionen und veräußert sich sehr deutlich im Ressour-
                                                                                     Rohstoffeinsatz
cenabbau und -einsatz für die Pkw-Fertigung. Neben
Glas für Scheiben sowie Fenster, Gummi für Reifen und
Plastik für Armaturen werden für die Fertigung von Ka-                                Blei                                  74%
rosserie, Motor und Elektronik zahlreiche metallische
Rohstoffe benötigt.4                                                       Platinmetalle                                    53%*
▪     Je nach Pkw und Antriebstechnologie bestehen
                                                                                     Zink                                   50%
      zwischen 50 % und 60 % aller Fahrzeugteile aus
      Stahl (Brot für die Welt u. a. 2019). Auch gemessen                    Aluminium
Auswirkungen umweltschädlicher Subventionen in Deutschland auf den Globalen Süden • Seite 9 von 28

Aufgrund seiner Leitfähigkeit ist Kupfer für die Auto-                 2.2 Pkw-Nutzung
mobilfertigung von besonderer Bedeutung, wobei
Chile (28 %) und Peru (11 %) zu den wichtigsten Abbau-                 Neben der erhöhten Automobilproduktion reizt die
ländern der Welt gehören (USGS 2021). In chilenischen                  deutsche Subventionierung des Pkw-Verkehrs eine
Kupferhütten zählen die Emission von Schwefeldioxid                    übermäßige Nutzung und die Anschaffung von Fahr-
und durch Schwermetalle kontaminiertes Trinkwasser                     zeugen mit höherem Kraftstoffverbrauch an. Beides
zu den größten Risiken für Menschen und Tierwelt                       führt in Folge zu höheren Treibhausgasemissionen.
(Holland 2020). Zudem verbrauchte der Bergbau und                      Insbesondere der Besteuerung von privat genutzten
angrenzende Sektoren 2014 etwa ein Fünftel des Was-                    Dienstwagen wird ein bedeutender Effekt auf die Höhe
serbedarfs in Chile (Rüttinger u. a. 2014). Rund 54 %                  der CO2-Emissionen des Pkw-Verkehrs zugeschrie-
der chilenischen Kupferproduktion stammt zeitgleich                    ben (Agora Verkehrswende 2018).
aus Antofagasta, einer wasserarmen Region im Norden                    Gewerblich zugelassenen Pkw machen einen erhebli-
des Landes (Lutter/Giljum 2019). Neben weiteren Im-                    chen Anteil der Neuzulassungen aus. Von den 2020
porten aus dem Globalen Süden stammt Raffinerie-                       rund 2,92 Mio. neuzugelassenen Pkw in Deutschland
kupfer hingegen vorrangig aus Europa und Russland                      entfielen etwa 63 % (ca. 1,84 Mio. Pkw) auf gewerbliche
(BGR 2020).                                                            Halter*innen (KBA 2021a). Der Bestand von in
Aluminium wird (sofern nicht recycelt) durch den Ab-                   Deutschland privat genutzten Dienstwagen beläuft
bau und die Verarbeitung von Bauxit gewonnen. Bau-                     sich auf etwa 1,7 bis 3 Mio. Fahrzeuge (Agora Verkehrs-
xitimporte nach Deutschland kommen zu 93,1 % aus                       wende/Öko-Institut 2021; FÖS 2020a). Copenhagen
Guinea (BGR 2020). Global betrachtet sind die bedeu-                   Economics (2008) schätzen, dass sich durch die
tendsten Herkunftsländer zudem Australien (29,65 %),                   Dienstwagenbesteuerung der europäische Kraftstoff-
China (16,17 %) und Brasilien (9,43 %; USGS 2021). Ver-                verbrauch um 4 % bis 8 % erhöht hat.
heerende ökologische Auswirkungen kommen bei der                       Dienstwagenfahrzeugmodelle gehören gängiger
Verarbeitung von Bauxit zu Aluminiumoxid auf. Dabei                    Weise den emissionsintensivsten Segmenten an und
entsteht als Produktionsrückstand Bauxitschlamm                        werden im Vergleich zu Privatwagen durchschnittlich
(Rotschlamm), der alkalisch ist und einen hohen Anteil                 etwa doppelt so viele Kilometer gefahren. Dies wiede-
an Schwermetallen enthält. Wird Rotschlamm nicht                       rum führt dazu, dass gewerblich zugelassene Pkw in
ausreichend abgedichtet, droht die Kontamination von                   Deutschland für 76 % der CO2-Emissionen von Neu-
Böden sowie Gewässern (PowerShift 2017). In Guinea                     wagen verantwortlich sind (Transport & Environment
führen Minen- und damit verbundenen Staudamm-                          2021). Auch im europäischen Vergleich fällt der CO2-
projekte außerdem zu Umsiedlungen und Vertreibun-                      Ausstoß von in Deutschland gewerblich zugelassenen
gen der ansässigen Bevölkerung, unzureichendem                         Pkw überdurchschnittlich aus. Bei Verbrenner-Pkw ist
Wasserzugang, hoher Luftschadstoffbelastung und                        das Land mit einem Durchschnitt von 157 g CO2/km
der Verletzung grundlegender Menschen- und Ar-                         Spitzenreiter bei den emissionsintensivsten gewerbli-
beitsrechte (Human Rights Watch 2018).                                 chen Zulassungen (ebd.).
Platin wird vor allem aus Südafrika (23,5 %) und Palla-                Ähnliches gilt für gewerblich genutzte Plug-In-Hyb-
dium vorrangig aus Russland (23,9 %) nach Deutsch-                     ride. Bei weiten Fahrstrecken wird die maximale elek-
land importiert (BGR 2020). Zu den wichtigsten globa-                  trische Reichweite der Pkw oft schnell überschritten.
len Förderern von Platinmetallen zählen daneben auch                   Durch die bisher an vielen Stellen lückenhafte Ladein-
Kanada und Zimbabwe (USGS 2021). Einzelne Auto-                        frastruktur wird der Effekt des übermäßigen Betriebs
mobilproduzenten beziehen Platin sogar direkt von                      im Verbrennungsmodus verstärkt. Plug-In-Hybride
den Minen. In Südafrika werden knapp 71 % des global                   verbrauchen außerdem oft mehr Strom und Kraftstoff
geförderten Platins unter hohem Wassereinsatz abge-                    als reinelektrische oder konventionelle Pkw. Dies liegt
baut, wobei der Rohstoff besonders stark im regenar-                   primär daran, dass sie meist als schwere emissionsin-
men Nordosten gefördert wird (Bahadur u. a. 2018).                     tensive Oberklassenfahrzeuge produziert werden (ifeu
Zeitgleich verfügt Südafrika über begrenzte Wasser-                    u. a. 2020).
vorkommen und selbst in der Hauptstadt Kapstadt lei-                   Außerdem kann von einem Interaktionseffekt zwi-
det die Bevölkerung teils unter akuten Wassermangel                    schen den umweltschädlichen Subventionen im MIV
(Fraunhofer FIP 2020). Zudem trägt der hohe Bedarf                     gesprochen werden: So lohnt es sich vor allem für (be-
der Rohstoffförderung nach günstiger Kohleenergie                      rufliche) Vielfahrer*innen einen Diesel-Pkw anzu-
signifikant dazu bei, dass die Pro-Kopf-Emissionen des                 schaffen, da dies oft kostengünstiger ist (FÖS 2015).
Landes mit ca. 7,5 t CO2 im Jahr 2018 knapp über de-
                                                                       Der Anteil von Diesel-Pkw am Fahrzeugbestand belief
nen Chinas (7,4 t CO2) und deutlich über dem globalen
                                                                       sich 2020 gerade einmal auf 31,7 % (KBA 2020). Zeit-
Schnitt von 4,5 t CO2 lagen (Republic of South Africa
                                                                       gleich erbrachten Dieselfahrzeuge beinahe die Hälfte
2019; World Bank 2021).
                                                                       der gesamten Pkw-Fahrleistung (45,4 %). Die durch-
                                                                       schnittliche Jahresfahrleistung eines Diesel-Pkw

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betrug im Jahr 2020 19.353 km. Benzin-Pkw wurden                         wiederum (neben gesundheitsschädigend Effekten)
im Mittel hingegen nur 10.395 km pro Jahr gefahren                       auf lokale Gemeinschaften und Subsistenzwirtschaf-
(KBA 2021b). Einen vermeintlichen „Klimavorteil“ kann                    ten aus (Fischerei und Landwirtschaft).7
man Diesel-Pkw aber nicht zuschreiben. Die überpro-                      Auch bewaffnete Auseinandersetzungen stehen in
portionale Fahrleistung von Diesel-Pkw geht mit ent-                     engen Zusammenhang mit der Rohölförderung. In Li-
sprechend hohem Kraftstoffverbrauch einher: Im Stra-                     byen versorgt der Rohstoff die verschiedenen Konflikt-
ßenverkehr stieg der Anteil des Diesels am gesamten                      parteien mit finanziellen Mitteln (Öko-Institut 2021b).
Kraftstoffverbrauch von 28 % im Jahr 2005 auf 45 % im                    Für Nigeria, wo sich der Beitrag des Öl- und Gassektors
Jahr 2018 an. Bei den privaten Haushalten wuchs der                      zum BIP 2019 auf 10 % beliefen (OPEC 2021), legen
Dieselverbrauch im selben Betrachtungszeitraum von                       empirische Studien nahe, dass der Anstieg des globa-
23 % auf 42 % an. Der Benzinverbrauch im Pkw-Ver-                        len Rohölpreises zu vermehrten Angriffen von bewaff-
kehr fiel im gleichen Zeitraum hingegen um etwa 21 %                     neten Gruppen auf die Bevölkerung und zu Konflikten
(Destatis 2020).6                                                        mit Regierungstruppen geführt hat (z. B. Nwokolo
                                                                         2021).

         Bis 2018 stieg der private Dieselver-
                                                                         Abbildung 3: CO2-Emissionen von Diesel-Pkw
         brauch im Straßenverkehr um
                                                                                                     60                     56,0

         99%                                                              CO2-Emission (in Mio. t)

         im Vergleich zu 2005 an.                                                                         33,8

                                                                                                     30

Der Rohölbedarf des deutschen Pkw-Verkehrs ist
enorm und könnte sich im Jahr 2020 auf 51 Mrd. Liter
belaufen haben (Öko-Institut 2021b). Etwa 98 % der
Rohölversorgung in Deutschland stammte 2019 aus
Importen, wobei Russland mit einem Anteil von ca.                                                    0
31 % an der gesamtdeutschen Rohleinfuhr das bedeu-                                                        2005              2018
tendste Lieferland war. Aus Ländern des afrikanischen
                                                                                                          Privathaushalte   Übrige
Kontinents stammen ca. 16 % der deutschen Rohölim-
porte. Libyen (9 %) und Nigeria (6 %) sind dabei die be-                 Anmerkungen: Diesel = Diesel & Biodiesel; Daten: Destatis (2020).
deutendsten Exporteure (Mineralölwirtschaftsver-
band 2020). Zeitgleich zählt Rohöl für die Herstellung                   Mit dem Kraftstoffbedarf stiegen auch die CO2-Emis-
von Kraftstoff zu einer der ökologisch und sozial pro-                   sionen des dieselbetriebenen Pkw-Verkehrs in den
blematischsten Ressourcen des Verkehrs.                                  letzten Jahren deutlich an (vgl. Abbildung 3). Im Zeit-
                                                                         raum 2005 bis 2018 wuchs der CO2-Ausstoß in
Insbesondere über die aktuellen Umweltfolgen der
                                                                         Deutschland zugelassener Diesel-Pkw von knapp 33,8
Rohölproduktion in Libyen ist aufgrund der anhaltend
                                                                         auf 56 Mio. Tonnen (ca. +66 %). Die Emissionen des
unstabilen politischen Lage im Land wenig bekannt.
                                                                         nicht subventionierten benzinbetriebenen Pkw-Ver-
Allerdings ist davon auszugehen, dass ohne funktions-
                                                                         kehrs fielen im selben Zeitraum hingegen um rund 22 %
fähige Regierung Umweltschäden an Böden, Gewäs-
                                                                         auf knapp 60 Mio. Tonnen CO2 ab.
sern und der Tierwelt auftreten (Öko-Institut 2021b).
Daneben berichtet die UNEP (2011) von jahrzehnte-                        Wie in Kapitel 1.1 beleuchtet, sind die Folgen des Treib-
langer Umweltverschmutzung durch die Rohölförde-                         hausgasausstoßes und der Klimakrise vorrangig im
rung im Nigerdelta. Diese kontaminieren Grundwasser                      Globalen Süden verortet. Betrachtet man das Eintre-
sowie Böden und gefährden artenreiche Mangroven-                         ten extremer Wetterereignisse (z. B. Stürme, Über-
wälder. Zusätzlich erhöhen Öllecke die Wahrschein-                       schwemmungen, Hitzewellen), zählten zwischen 2000
lichkeit von Bränden und führen dazu, dass Fische aus                    und 2019 Puerto Rico, Myanmar sowie Haiti zu den am
verseuchten Gebieten migrieren. Das wirkt sich                           stärksten betroffen Ländern (Germanwatch 2021). Die

6
    Es handelt sich hierbei um den Verbrauch von Diesel und Biodiesel.      Shell über eine Kompensationszahlung von knapp 95 Mio. Euro we-
7                                                                           gen Umweltschäden durch Öl-Lecks in den 1970er Jahren vom
    Nach einem jahrelangen Rechtsstreit wurde 2019 ein Urteil gegen
    die nigerianische Tochter des Mineral- und Erdgasunternehmens           obersten Nigerianischen Gericht bestätigt (DW 2021)

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Folgen von veränderten Wetterlagen betrifft die Be-                    Im Jahr 2020 wurden in Deutschland etwa 8 Mio. Pkw
völkerung des Globalen Südens beispielsweise bei der                   abgemeldet. Dies bedeutet jedoch nur, dass sie (tem-
Lebensmittelversorgung, dem Ausfall von Einkommen                      porär) nicht für öffentliche Straßen zugelassen sind.
und der Schwächung von Bildungschancen.                                Die meisten Autos werden noch im selben Jahr wieder
McCarthy u. a. (2018) zeigen, dass von Überschwem-                     angemeldet. Von einer endgültigen Abmeldung wird
mungen betroffene Haushalte in Malawi bis zu 50 %                      erst gesprochen, wenn das Auto in einer autorisierten
geringere Erträge aus dem Maisanbau erzielten. Zeit-                   Anlage zerlegt und die Materialien verwertet werden
gleich legen die Ergebnisse nahe, dass aufgespannte                    oder wenn ein Pkw in ein anderes Land exportiert wird.
Hilfsprogramme nur bedingt zur Lebensmittelversor-                     Jedes Jahr gibt es in Deutschland etwa 500.000 Au-
gung beitragen konnten. In Kenia reduzieren Extrem-                    tozerlegungen und 2,5 Mio. Gebrauchtwagen werden
wetterereignisse, und insbesondere Dürreperioden,                      exportiert (davon knapp 2 Mio. innerhalb der EU). Au-
nachweislich Haushaltseinkommen aus inner- und                         ßereuropäisches Hauptziel für Gebrauchtfahrzeuge
außerlandwirtschaftlichen Einnahmequellen. Ernte-                      sind die Länder Westafrikas (ca. 32 % aller nicht-EU Ex-
ausfälle können wiederum nur durch erhöhte Lebens-                     porte). Die jährlich knapp 70.000 Exporte in die Re-
mittelausgaben kompensiert werden (Wineman u. a.                       gion erfolgen z. B. nach Nigeria, Benin, Ghana und Ma-
2017). Francesca u. a. (2019) legen außerdem nahe,                     rokko (BMU 2021).
dass unerwartete Veränderungen des Niederschlags in                    Zeitgleich lässt sich der Aufenthaltsort von 160.000 bis
Madagascar dazu beitragen, dass junge Menschen die                     460.000 Fahrzeugen statistisch nicht erklären (UBA
Schule frühzeitig abbrechen und in den Arbeitsmarkt                    2021b). Eine Schätzung für das Jahr 2013 geht sogar
eintreten - vermutlich, um die finanziellen Unsicher-                  davon aus, dass der Verbleib von einer Millionen Alt-
heiten von Trockenheit oder Überschwemmungen auf                       fahrzeugen in Deutschland unklar ist (Sander u. a.
den Lebensunterhalt abzumildern. Auch im ländlichen                    2017). Gründe für diesen Zustand sind vielfältig. Denn
Indien verschlechtern Dürreperioden die Schulergeb-                    bei der Abmeldung des Fahrzeugs wird nicht zwischen
nisse von Schülerinnen und Schülern, wobei insbeson-                   einer temporären und einer endgültigen Abmeldung
dere einkommensschwache Haushalte weniger in die                       unterschieden. Dadurch kann auch kein Nachweis
Ausbildung ihrer Kinder investieren (Joshi 2019).                      über die Verschrottung oder den Verkauf verlangt wer-
Anpassungsmaßnahmen an die Klimakrise sind hin-                        den. Zudem werden die Abmeldedaten nach 7 Jahren
gegen zentrale Bauteile für mehr Resilienz der be-                     gelöscht, sodass eine langfristige Nachverfolgung die-
troffenen Länder. Dazu zählt in erster Linie die Erhö-                 ser Pkw nicht möglich ist (UBA 2020b).
hung der strukturellen Resilienz durch Investitionen                   Unabhängig davon, ob ein Pkw hierzulande, im EU-In-
(z. B. in Infrastruktur, Gebäudequalität, Katastrophen-                land oder in Drittstaaten verwertet wird, wird ein Fahr-
schutz) sowie die Stärkung fiskalischer Kapazitäten.                   zeug nie vollständig recycelt. Das führt dazu, dass Roh-
Daneben gilt es auch, die Diversifizierung von Einkom-                 stoffe aus dem Stoffkreislauf entfernt werden - es
mensquellen und den Zugang zu Mikrokrediten auf                        kommt zum sogenannten „Material Leakage“. Im Um-
Haushaltsebene zu stärken (CIF 2018; IMF 2019).                        kehrschluss müssen neue Rohstoffe für die Pkw-Pro-
                                                                       duktion gefördert werden; wie in Abschnitt 2.1 gezeigt,
                                                                       mit substanziellen Auswirkungen auf die Umwelt und
2.3 Pkw-Verwertung
                                                                       Bevölkerung im Globalen Süden. Ein weiteres Beispiel
Eine übermäßige Pkw-Produktion und - Nutzung be-                       hierfür sind Platinmetalle, deren Abbau und erstmalige
deutet auch, dass eine gesteigerte Menge an Ge-                        Weiterverarbeitung 69-mal so viel Treibhausgase und
braucht- und Altfahrzeugen verwertet bzw. recycelt                     107-mal so viele Schwefeldioxid verursacht, wie das
werden muss. Bei Abmeldung eines Pkw in Deutsch-                       Recycling (Sander u. a. 2017).
land wird je nach Zustand des Autos zwischen Ge-                       Pkw bestehen zu 75% aus gut recyclebarem Material.
brauchtwagen und Altfahrzeugen unterschieden.                          Abseits von metallischen Komponenten fällt die Re-
Ein Gebrauchtwagen gilt als fahrtüchtig und darf nach                  cyclingquote aber weniger hoch aus. So enthält ein
geltendem Recht innerhalb sowie außerhalb der EU                       Pkw durchschnittlich 140 kg Kunststoffe. Hiervon wer-
gehandelt werden. Altfahrzeuge werden hingen de-                       den gerade einmal 2,1 kg (ca. 1,4 %) demontiert und di-
montiert und (teilweise) verwertet oder geschreddert.                  rekt stofflich verwertet. Ähnlich sieht es bei Glas aus:
Eine Weiternutzung würde ein zu großes Risiko für die                  hier werden nur 2,5 von 30kg (8,3 %) demontiert und
Verkehrssicherheit und die Umwelt darstellen. Altfahr-                 verwertet. Bei der Fahrzeugelektronik sind es 2,1 kg; al-
zeuge dürfen daher nicht in Drittländer exportiert wer-                lerdings empfiehlt das UBA (2021) mindestens 15 kg.
den und müssen in autorisierten Anlagen innerhalb der                  Laut EU-Recht sollen 85 % eines Pkw stofflich und
EU verwertet werden. Ziel ist dabei, einen möglichst                   95 % auf weitere Weise verwertet werden. Deutsch-
großen Anteil des Fahrzeugs zu recyceln und unter                      land erfüllt diese Quoten in der Regel. Allerdings bezie-
den geltenden Umwelt- sowie Arbeitsstandards in den                    hen sich diese Zahlen zum einen nur auf die Verwer-
Rohstoffkreislauf zurückzuführen (UBA 2020b).                          tungen in autorisierten Anlagen. Viele Verwertungen

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(insbesondere außerhalb der EU) werden also gar nicht                  2.4 Schlussfolgerungen
erfasst. Zum anderen kann die Verwertungsquote
künstlich erhöht werden. Problematisch ist daran, dass                 Klimawirkung: In Summe könnten die Reformen des
neben demontierten Teilen auch Schredderstücke, die                    Dienstwagenprivilegs und der Energiesteuervergüns-
nicht mehr Teil des Stoffkreislaufs sind, mitgezählt wer-              tigung auf Dieselkraftstoff bis zu 9,5 Mio. t CO2 pro
den. Ohne dies würde die Quote von 85% nicht er-                       Jahr einsparen (Agora Verkehrswende 2018). Dieses
reicht werden. Verwertungsquoten von 95 % werden                       Minderungspotenzial ähnelt in etwa den jährlichen
nur erzielt, wenn Restkomponenten verbrannt und in                     Emissionen des Senegals (9,8 Mio. t) und übersteigt
Energie umgewandelt werden. Jedoch werden dem                          den CO2-Ausstoß vieler weiterer Länder des Globalen
Stoffkreislauf auch hier viele Materialen entzogen                     Südens um ein Vielfaches (z. B. DR Kongo: 2,3 Mio. t;
(SRU 2020).                                                            Uganda: 5,3 Mio. t; Benin: 8,0 Mio. t).8
Bei der illegalen Zerlegung werden solche Quoten                       Die Reform von nur zwei deutschen umweltschädli-
höchstwahrscheinlich nicht erfüllt. Das Schadenspo-                    chen Subventionen leistet denselben Klimaschutzbei-
tenzial ist erheblich. Das Öko-Institut (2017) schätzt,                trag, wie die Klimaneutralität ganzer Volkswirtschaften.
dass der Verbleib von jährlich 3 bis 4 Mio. Altfahrzeu-                Durch eine Reform der Subventionslandschaft würde
gen aus der EU ungeklärt bleibt. Allein diese Fahr-                    Deutschland seinen Selbstverpflichtungen gerecht
zeuge enthalten zwischen 20 und 55 Mio. Liter toxi-                    werden und als wirtschaftsstarke Industrienation zur
sche Flüssigkeiten (ohne Kraftstoff). Außerdem ent-                    fairen Lastenteilung im Klimaschutz beitragen.
halten sie etwa 630 t Kühlmittel. Wenn diese Stoffe auf
Grund von unsachgemäßem Umgang in die Umwelt
                                                                       Umweltwirkung: Im gesamten Pkw-Lebenszyklus be-
gelängen, hätte dies einen Treibhausgaseffekt äquiva-
                                                                       fördern die deutschen Subventionen des MIV Umwelt-
lent zur Emission von 900.000 t CO2 (ebd.).
                                                                       risiken. Die Dienstwagenbesteuerung könnte aller-
Beim Export in Drittländer ist noch zu betrachten, ob                  dings nach internationalem Vorbild so umgestaltet
die Autos vor Ort weiter genutzt werden. Allerdings                    werden, dass sie den Kauf von (gebrauchten) E-Pkw
weisen insbesondere deutsche Gebrauchtwagenex-                         begünstigt. Dies wäre im Vergleich zum Status Quo
porte in afrikanische Nationen häufig einen geringen                   ökologisch vorteilhaft, denn im Gegensatz zu fossilen
Exportwert auf (Durchschnitt: ca. 11.460 €; Nordafrika:                Kraftstoffen können verbaute Metalle recycelt werden.
ca. 3.000 €; Westafrika: ca. 1.500 €). Es ist also davon               Neben strengeren Recyclingquoten sollten auch Um-
auszugehen, dass vorrangig Fahrzeuge in den Globa-                     weltstandards entlang globaler Lieferketten verschärft
len Süden exportiert werden, die andernorts aufgrund                   und stärker kontrolliert werden, um die Umweltwir-
ihres Zustands keine Abnehmer mehr finden (Sander                      kung von (E-)Pkw zu minimieren (Öko-Institut 2021b).
u. a. 2017).
                                                                       Ziel der deutschen Verkehrswende sollte aber in erster
Der Handel mit Gebraucht- und Altfahrzeugen kann                       Linie die Stärkung von Umstiegsalternativen zum MIV
für die Bevölkerung in Schwellen- und Entwicklungs-                    sein (SRU 2017). Die erzielte Verkehrsverlagerung
ländern zwar eine Einkommensquelle sein. Die Nut-                      könnte dann die Ressourcennachfrage des Sektors
zung emissions- und schadstoffintensiver, ggf. man-                    verringern und die verheerenden Folgen der Pkw-Pro-
gelhafter Pkw sowie deren unregulierte Verschrottung                   duktion, -Nutzung und -Verwertung für die Ländern
stellen jedoch enorme Umwelt- und Gesundheitsrisi-                     des Globalen Südens reduzieren.
ken dar (Heinrich-Böll-Stiftung 2021). Unabhängig da-
von, ob legal exportierte Gebrauchtfahrzeuge oder il-
legal Altfahrzeuge in den Globalen Süden verschifft                    Soziale Wirkung: Dieselprivileg und pauschale Dienst-
werden, die Pkw müssen an ihrem Lebenszyklusende                       wagenbesteuerung steigern den Ressourcenbedarf
vor Ort verwertet werden. Vielen Ländern haben keine                   des deutschen MIV und befeuern damit langfristig an-
ausreichende Infrastruktur, um zumindest einfach zu                    haltende soziale Konflikte im Globalen Süden.
recycelnde Stoffe wie Stahl, Aluminium oder Kupfer zu                  Der Verletzung von Menschen- und Arbeiterrechten
verwerten. Die Verwertung und Entsorgung findet da-                    sollte von staatlicher Seite besser vorgebeugt werden,
her oft unter geringeren Umwelt- und Arbeitsstan-                      indem Unternehmen stärker verpflichtet werden, Ver-
dards als in Deutschland oder der EU und unter Einsatz                 antwortung für ihre Lieferketten zu übernehmen und
informeller Arbeit statt (Sander u. a. 2017).                          diese offenzulegen (Brot für die Welt u. a. 2021). Das
                                                                       gilt nicht nur für den Abbau metallischer Rohstoffe,
                                                                       sondern auch für die sozial und ökologisch höchst
                                                                       problematische Rohölförderung.

8
    Siehe: https://ourworldindata.org/co2-and-other-greenhouse-gas-
    emissions

Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. • Green Budget Germany
Auswirkungen umweltschädlicher Subventionen in Deutschland auf den Globalen Süden • Seite 13 von 28

3 Landwirtschaft
Der Landwirtschaftssektor in Deutschland wird durch                        und dem Verlust von Arten. Insbesondere in der
viele Subventionen gefördert. Neben den GAP-Sub-                           Nähe von Ställen treten Geruchs- und Feinstaub-
ventionen in Höhe von rund 6,2 Mrd. Euro (BMEL 2019)                       belastungen auf. Nicht zuletzt geht die Tierhaltung
kommen auch noch etwa 4,2 Mrd. Euro für die land-                          mit einem hohen Ressourcenverbrauch einher, un-
wirtschaftliche Sozialpolitik hinzu (BMEL 2021a) sowie                     ter anderem von Phosphat, Wasser und Flächen.
kleinere Fördertatbestände, wie z. B. der reduzierte                   ▪   Ethik: Die Tierhaltungsbedingungen sind zum Teil
Energiesteuersatz auf Agrardiesel, die Befreiung land-                     nicht tiergerecht. Die Diskussion um eine Kenn-
wirtschaftlicher Fahrzeuge von der Kraftfahrzeug-                          zeichnung der Haltungsformen auf tierischen Pro-
steuer oder die reduzierte Mehrwertsteuer auf Futter-                      dukten oder ein Tierwohllabel zeigen, dass sich
mittel und lebende Tiere. Doch nicht nur produktions-                      viele Verbraucher*innen wünschen, eine infor-
seitig profitiert der Ernährungssektor von Subventio-                      mierte Kaufentscheidung treffen zu können und
nen. Auch am Ende der Produktions-Konsumkette                              eine tiergerechtere Haltung zu fördern. Auch die
wird durch den reduzierten Mehrwertsteuersatz auf                          stetige Zunahme fleischreduzierter, vegetarischer
die meisten Lebensmittel eine indirekte Subvention                         und veganer Ernährung verweist auf eine zuneh-
getätigt. Allein für tierische Produkte beträgt das Sub-                   mende Ablehnung tierischer Produkte, auch aus
ventionsvolumen hier 5,4 Mrd. Euro (UBA 2016). Die fi-                     ethischen Motiven.
nanzielle Unterstützung und die Steuervergünstigun-
                                                                       Obwohl der Konsum tierischer Produkte in der Ver-
gen werden als Entlastung des Agrarsektors legitimiert,
                                                                       gangenheit leicht abnahm, stieg die Produktion im
der gegen Konkurrenz aus dem Ausland mit geringe-
                                                                       gleichen Zeitraum deutlich an (ebd.).
ren Personalkosten, Umweltstandards, etc. bestehen
müsse. Zum anderen werden sozialpolitische Motive                      Die dabei produzierten Überschüsse werden vermehrt
genannt, da es allen Bürger*innen möglich sein soll, Le-               exportiert. So zeigt Abbildung 4 die Entwicklung der
bensmittel zu erwerben.                                                Fleischexporte in 1.000 Tonnen zwischen 1997 und
                                                                       2019.
In Anbetracht der negativen Auswirkungen, besonders
bei der direkten oder indirekten Förderung von Pro-
duktion und Konsum tierischer Lebensmittel, werden                     Abbildung 4: Fleischexporte nach Fleischart (in
die kritischen Stimmen lauter, die sich gegen diese di-                             1.000 Tonnen).
rekte und indirekte Subventionierung aussprechen.
Die Gründe für die Ablehnung sind vielfältig (FÖS
2020b):
▪   Gesundheit: Die Deutsche Ernährungsgesell-
    schaft empfiehlt einen Fleischkonsum von 300 bis
    600 g pro Woche. Mit mehr als einem Kilo verzeh-
    ren die Deutschen aber das Zwei- bis Vierfache der
    empfohlenen Menge. Übermäßiger Konsum von
    Fleisch, gerade bei rotem oder hochverarbeitetem
    Fleisch, geht mit gesundheitlichen Gefahren ein-
    her. So steigt u. a. die Wahrscheinlichkeit, an
    (Darm-)Krebs, koronaren Herzerkrankungen,
    Schlaganfällen und Typ-2-Diabetes zu erkranken.
▪   Klima: Im Jahr 2020 machte die Emission von
    Treibhausgasen durch die Landwirtschaft 8,2 % der
    deutschen Gesamtemissionen aus. Davon lassen
    sich etwa drei Viertel der Emissionen direkt oder in-
    direkt auf die Tierhaltung zurückführen. Vor dem
    Hintergrund der Bemühungen, das 1,5 °C-Ziel ein-
    zuhalten, besteht in diesem Bereich also ein großer
    Einsparbedarf.                                                     Quelle: Thünen-Institut (o.J.)

▪   Umwelt: Neben Aspekten des Klimaschutzes spielt
                                                                       Auch die Produktion von Milch und Milchprodukten
    auch der weitere Umweltschutz eine Rolle. Erhöhte
                                                                       hat deutlich zugenommen und überschreitet die inlän-
    Nitratwerte in der Umwelt führen nicht nur zu
                                                                       dische Nachfrage.
    Grundwasserbelastungen, sondern auch zu Verän-
    derungen von Land- und Gewässerökosystemen

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