Mensch-Roboter-Arbeitssysteme effektiv gestalten - Potenziale der Mensch-Roboter-Zusammenarbeit zur Flexibilisierung von Arbeitssystemen - DR.KORS
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TOP-THEMA Foto: ROBOTICS Labor (c) Manuela Schwarzl, JOANNEUM RESEARCH Titanilla Komenda, Mathias Brandstötter Mensch-Roboter-Arbeitssysteme effektiv gestalten Potenziale der Mensch-Roboter-Zusammenarbeit zur Flexibilisierung von Arbeitssystemen Mensch-Maschine-Arbeitssysteme sind komplexe Systeme – vor allem, wenn sie die Möglichkeit der direkten Zusam- menarbeit im Sinne des Kollaborationsbegriffs ermöglichen. Auf den ersten Blick scheint die Mensch-Roboter-Kolla- boration nicht den operativen Unternehmenszielen genüge zu tragen. In diesem Beitrag werden wesentliche Stellschrau- ben in diesem komplexen System präsentiert und damit gezeigt, wie Potenziale der Mensch-Roboter-Kollaboration dennoch für industrielle Unternehmen im Bereich der Produktion nutzbar sind. 1. Einleitung eingeführt und es folgte eine kritische reagieren [DIE15]. Demnach fokus- Reflexion zum industriellen Einsatz sierten Forschungstätigkeiten eher Die Mensch-Roboter-Zusammenar- von Kollaboration. operative Kennzahlen, wie Produk- beit wurde erstmals 2006 mit dem tivität, Wirtschaftlichkeit, Flexibili- Kollaborationsbegriff in der ISO Obwohl die Mensch-Roboter- tät und Modularität, und argumen- 10218-1 definiert. Hier beschrieb die Zusammenarbeit zur Schließung der tierten gleichzeitig, dass das Wissen Kollaboration einen Betriebszustand, Lücke zwischen rein manueller Fer- über technische sowie sicherheitstech- in dem ein dafür konstruierter Robo- tigung und robotergestützter Ferti- nische Möglichkeiten zur Umsetzung ter innerhalb eines festgelegten Ar- gung identifiziert wurde [MAT13], sowie Wechselwirkungen systembe- beitsraums direkt mit den Menschen erfuhr sie nach der ersten Euphorie stimmender Faktoren innerhalb von an einem Objekt zusammenarbeitet. eine Welle der Frustration, da die Mensch-Roboter-Arbeitssystemen ei- Sinn der Mensch-Roboter-Zusam- Klassifizierung bzw. Einordnung nen entscheidenden Beitrag zur wirt- menarbeit war es, die Fähigkeiten eines potenziellen Arbeitssystems schaftlichen Implementierung solcher von Mensch und Roboter in einem in ein zeitlich/örtliches Klassifizie- hybrider Arbeitssysteme leisten. Arbeitssystem zu bündeln. Anstatt rungsschema keinen entscheidenden sich auf dieses Ziel zu fokussieren, wirtschaftlichen Umsetzungsfaktor Die Gestaltungsrichtlinien von folgte eine Klassifizierungsdiskussion darstellt. Viel entscheidender war die Mensch-Roboter-Arbeitssystemen über die zeitliche und örtliche Syn- Tatsache, dass die Mensch-Roboter- lassen sich also in Analogie zum klas- chronisation von Mensch und Robo- Zusammenarbeit die Möglichkeit sischen Technologie-Hype-Zyklus ter, um andere Betriebszustände von bietet, den Automatisierungsgrad an folgenden Zielen festmachen (vgl. der Kollaboration zu unterscheiden innerhalb eines Produktionssystems Abb. 1): [HAA16], [AAL18]. Begriffe, wie Ko- zu variieren und damit flexibel auf 1. als Marketinginstrument zur operation oder Koexistenz wurden wechselnde Marktanforderungen zu Schließung einer Fertigungslücke in WINGbusiness 2/2020 25
TOP-THEMA 3. Gestaltung von Mensch-Roboter- Arbeitssystemen Trotz Zuwachs an Cobot-Herstellern am Markt, ist für den kollaborativen Betrieb und damit die Hebung von operativen Optimierungspotenzi- alen, nicht die Klassifizierung von kollaborativ oder kollaborationsfähig entscheidend, sondern vielmehr der Einsatz eines Roboters ohne tren- nende Schutzeinrichtung. Ein hybri- des Arbeitssystem bringt aufgrund der variablen Aufgabenzuordnung zwischen Mensch und Roboter die notwendige Flexibilität mit sich, um auf veränderte Produktionsbedin- gungen zu reagieren [LÜD14]. Die Unterscheidung zwischen kollabo- Abbildung 1: Technologie-Hype-Zyklus von Mensch-Roboter-Arbeitssyste- rativ und kollaborationsfähig ist je- men doch für die sicherheitstechnische Implementierung der Personenüber- Hochlohnländern im Rahmen der sen samt Werkzeug und Arbeitsauf- wachung im Kollaborationsraum von Technologieeinführung [LIN15], gabe sicherheitstechnisch evaluiert wesentlicher Bedeutung. Hierzu gibt 2. als Substitutionsinstrument werden. Kollaborative Roboter un- es verschiedene sicherheitstechnische des Menschen in der Produktion terscheiden sich von kollaborations- Systeme, die entweder direkt am Ro- durch günstige Anschaffungspreise fähigen Robotern durch ihr inhärent boter, wie z. B. Sensorhäute, oder im [ANT16], sicheres Design (keine Quetschstellen Arbeitssystem, wie z. B. optische Sen- 3. als Werkzeug zur Bündelung der oder scharfe Kanten), das geringe Ge- soren, angebracht werden. Die Aus- Fähigkeiten von Mensch und Robo- wicht, die integrierte Sensorik und wahl der Arbeitssystemabsicherung ter in einem Arbeitssystem [RAN17], Regelungstechnik zur Leistungs- und hat dann schließlich auch Einfluss auf und Kraftüberwachung (im Fall einer Kol- die Größe des Arbeitssystems und das 4. als Assistenzsystem zur Unter- lision) und die im Vergleich zu klas- Interaktionsregime im Rahmen der stützung und Höherqualifizierung sischen Industrierobotern (noch) in- Mensch-Roboter-Zusammenarbeit. des Menschen in der Produktion tuitiveren Programmierumgebungen Mit der ganzheitlichen Gestal- [MAY19]. bzw. Mensch-Maschine-Schnittstel- tung von Mensch-Roboter-Arbeits- len. systemen und der Berücksichtigung 2. Begriffsdefinition und Einordnung von sich beeinflussenden Faktoren Die Technologie hat den Markt wurde erkannt, dass sich operative Im Rahmen der Mensch-Roboter- bereichert, doch das Frustrationstal Ziele dennoch mit Mensch-Roboter- Zusammenarbeit wird zunächst die wurde spätestens mit der Verfolgung Arbeitssystemen erreichen lassen. Art des eingesetzten Roboters unter- des Substitutionsziels erreicht. Die Dazu ist es essenziell, Optimierungs- schieden. Neben (inhärent sicheren) Anschaffungspreise von kollabora- potenziale in einzelnen Phasen des kollaborativen Robotern – sogenann- tiven Robotern waren zwar anfäng- Entstehungsprozesses von Mensch- ten Cobots – lassen sich Mensch- lich niedriger als die von herkömm- Roboter-Arbeitssystemen zu erken- Roboter-Arbeitssysteme auch mit lichen Industrierobotern, doch die nen (vgl. Abb. 2). Anhand eines herkömmlichen Industrierobotern sicherheitstechnische Absicherung Quick-Checks erfolgt zunächst die umsetzen, die mit entsprechenden sowie die normative Reglementierung richtige Arbeitsplatzauswahl auf Ba- (Sicherheits-)Vorkehrungen kollabo- der Bewegungsgeschwindigkeiten des sis wirtschaftlicher Kennzahlen, wie rationsfähig gemacht werden. Der Roboters führten zu Unsicherheiten Produktionsvolumina, Restlaufzeiten Umfang der notwendigen Sicherheits- bzgl. der Erreichung von operativen und Schichtmodelle [ERM19]. Im vorkehrungen umfasst die Roboter- Zielen. Der anfängliche Hype lässt Rahmen der Spezifikation erfolgt an- sensorik und -steuerung und erfordert sich auch an den Verkaufszahlen schließend eine Potenzialanalyse, um das Vorhandensein von sicherheitsbe- messen. Laut Industrial Federation wirtschaftliche sowie ergonomische werteter Funktionalität des Roboters, of Robotics (IFR) betrug 2018 der Potenziale innerhalb ausgewählter wie eine sichere Überwachung der Po- Marktanteil von jenen kollaborativen Arbeitsstationen zu quantifizieren sition, Geschwindigkeit als auch des Robotern nur 3,24 % von mehr als [RAL20]. Halts. 422.000 installierten Industriero- In diesem Schritt wird vor allem Dabei sind die eingesetzten Robo- botern weltweit – das sind global auch die Automatisierbarkeit einzel- ter entweder stationär oder mobil im betrachtet nur rund 14.000 Cobot- ner Prozesse innerhalb der Arbeits- Arbeitssystem eingebettet und müs- Einheiten. station bewertet. Im Rahmen der 26 WINGbusiness 2/2020
TOP-THEMA Abbildung 2: Phasen der Entstehung eines Mensch-Roboter-Arbeitssystems Konzeptionierung erfolgt die Auf- Faktoren, welche die operativen Ziele Während der Entwurfsphase kann gabenteilung zwischen Mensch und bestimmen [ZHA20]. mithilfe geeigneter Softwarepakete Roboter anhand der Fähigkeiten ein- die Gestaltung des Arbeitssystems zelner Ressourcen und der Anforde- 4. Berücksichtigung der wechselsei- unterstützt und optimiert werden. rungen einzelner Prozesse [RAN19]. tigen Beeinflussung von systembe- Dafür stehen diverse Modellie- Hierbei wird vor allem auch ein men- stimmenden Faktoren rungs- und Simulationswerkzeuge schzentrierter Ansatz verfolgt, bei zur Verfügung, wie bspw. Tecnoma- dem es nicht darum geht, alle Aufga- Durch die Auflösung der räumlichen tix Process Simulate oder ema Work ben dem Menschen zuzuordnen, die Trennung von Mensch und Roboter Designer. Obgleich diese nur in einem nicht automatisierbar sind, sondern ergeben sich vor allem auch Wech- beschränkten Umfang die Aspekte ihm jene Aufgaben zuzuteilen, die er selwirkungen zwischen systembe- eines Mensch-Roboter-Arbeitssy- machen kann und möchte. Im Zuge stimmenden Faktoren, wobei diese stems abbilden können, liefern sie ei- der Realisierung geht es dann um ein entweder der Entwurfs- oder der Be- nen wertvollen Einblick in das System sicheres Anlagendesign. Mechanische triebsphase zugeordnet werden kön- und dienen zur Erkennung von Wech- Gestaltungsprinzipien sowie die An- nen. Die systembestimmenden Fak- selwirkungen und Optimierungsan- ordnung von peripheren Einrich- toren sind: sätzen. Die umfassendste Ausprä- tungen innerhalb des Arbeitssystems gung stellt in der Entwurfsphase der haben bereits einen wesentlichen i. Sicherheitsmodus: Sicher- Digitale Zwilling dar, welcher als Einfluss auf die sicherheitstechnische heitstechnische Vorkehrungen ab- Multiparadigmen-Software sämt- Implementierung [PER20]. Für die hängig von der Art der Kollaboration liche Modellierungs-, Simulations-, erfolgreiche Implementierung eines zwischen Mensch und Roboter Planungs- und Optimierungswerk- Mensch-Roboter-Arbeitssystems ist ii. Diversität des Bedienperso- zeuge zu vereinen versucht. Diesem aber auch die laufende Einbeziehung nals: Individuelle Ausprägung des steht der Digitale Schatten gegenüber, des prospektiven Bedienpersonals Menschen hinsichtlich Arbeitsaus- mit dessen Hilfe ein kontinuierliches in den Entstehungsprozess entschei- führung, Lernkurve etc. und stets aktuelles Modell des Ar- dend. iii. A rbeitssystemgesta lt ung: beitssystems in der Betriebsphase be- Das Bedienpersonal soll mit der Ausführung und Anordnung des Ro- reitgestellt werden kann. Dieser kann Einführung des Roboters nicht über- boters, der peripheren Einrichtungen zudem menschliche Diversitätsfak- rascht oder überrumpelt werden und und des Arbeits-, Bewegungs- sowie toren abbilden, sofern entsprechende schon gar nicht den Eindruck ver- Kollaborationsraums Menschmodelle und laufende Mess- mittelt bekommen, dass der Roboter iv. Systemdynamik: Bewe- daten dafür vorliegen. Auf systemdy- die manuelle Arbeitskraft ersetzt. gungs-, Kollisions- und Störverhalten namischer Ebene können somit Ent- Vielmehr geht es darum, gemeinsam der einzelnen Ressourcen im Arbeits- scheidungen auf einer weitestgehend mit (im besten Fall direkt von) der system umfassenden und aktuellen Wissens- manuellen Arbeitskraft Arbeitspro- v. Zuverlässigkeit: Berücksich- basis beruhen [WAC20]. zesse zu identifizieren, die mithilfe tigung von Fehlverhalten bei der Ar- Eine stabile Betriebsphase zeichnet des Roboters besser oder leichter um- beitsausführung sich außerdem durch ein robustes und gesetzt werden können [DAC19]. Ziel vi. Aufgabenzuordnung: Aufga- zuverlässiges Systemverhalten aus. ist es, den Roboter als physisches As- benteilung zwischen einzelnen Res- Ein Vorteil des Mensch-Roboter-Ar- sistenzsystem zu betrachten. Im Rah- sourcen im Arbeitssystem, beispiels- beitssystems wird bei unvorhergese- men der Optimierung erfolgt dann weise anhand von Fähigkeiten und henen Fehlerfällen offensichtlich, weil schlussendlich die Berücksichtigung Anforderungen oder individuellen der Mensch in derartigen Situationen der wechselseitigen Beeinflussung von Präferenzen unmittelbar korrigierend eingreifen WINGbusiness 2/2020 27
TOP-THEMA Systembestimmende Beeinflussende Unterstützende umkonfiguriert, sämtliche Steuerpro- Faktoren Systemeigenschaften Planungsmethoden gramme von Hand adaptiert und Eva- • Arbeits- und Bewegungsraum des • Offline- Roboters Programmierung luierungen des adaptierten Systems Sicherheitsmodus • Bewegungsgeschwindigkeit des • 3D-Simulation – aufgrund der komplexen Zusam- Roboters • Diskrete • Prozesszeiten Ereignissimulation menhänge der systembestimmenden • Fähigkeiten und damit • 3D-Simulation mit Faktoren – durch Sicherheitsexperten Arbeitsaufteilung Diversität des • Prozessgeschwindigkeiten und digitalen durchgeführt. Dies widerspricht der Menschmodellen Bedienpersonals damit Prozesszeiten • Diskrete Vorstellung eines jederzeit dynamisch • Körpergröße und damit Position einzelner Körperteile Ereignissimulation anpassbaren Arbeitssystems. Diverse • Positionierung einzelner peripherer Forschungsgruppen arbeiten an un- Subsysteme • Positionierung des Roboters • Offline- terschiedlichen Teilbereichen dieser Programmierung Arbeitssystemgestaltung • Bewegungsraum des Roboters • 3D-Simulation vielschichtigen Problemstellung, wel- • Bewegungspfade • Kollisions- bzw. Quetschstellen • Digitaler Zwilling che sich dem übergeordneten Ziel – • Prozesszeiten der Schaffung eines wirtschaftlichen, • Bewegungsverhalten (im Sinne einer Annäherung oder eines sich selbstständig und sicher modifi- • Offline- Ausweichens) des Roboters sobald Programmierung zierbaren Mensch-Roboter-Arbeits- ein Mensch im Kollaborationsraum Systemdynamik agiert • 3D-Simulation systems – zuordnen lassen (siehe Tab. • Physik-Engine • Abschätzbarkeit der • Digitaler Schatten 2). Roboterbewegungen • Kollisionsverhalten • Psychophysiologie des Menschen • Erweiterte digitale 6. Diskussion und Zusammenfas- • Systemverhalten bei Fehlfunktionen Menschmodelle Zuverlässigkeit des Steuer- und Regelkreises des • Diskrete sung Robotersystems Ereignissimulation • Bewegungspfade und damit mögliche Kollisionsstellen • 3D-Simulation Ein wirtschaftlicher Einsatz der Aufgabenzuordnung • Digitaler Zwilling • Automatisierungsgrad und damit • Digitaler Schatten Mensch-Roboter-Kollaboration war Taktzeit aufgrund normativer Reglementie- Tabelle 1: Abhängigkeiten in Mensch-Roboter-Arbeitssystemen rungen und der daraus folgenden Einschränkung der Flexibilität hin- kann und je nach Schwere der Fehler- eines sicheren Arbeitssystems. Es er- sichtlich der Modifikation jener auswirkung eine laufende Produktion weisen sich allerdings drei Faktoren Arbeitssysteme kaum darstellbar. sicherstellt. Demnach kann ein nicht als maßgeblich: das Design des Ro- Forschungstätigkeiten haben nun hinreichend zuverlässiges Arbeitssy- boterarms und der mit ihm physisch allerdings systembestimmende Fak- stem mit wiederkehrenden partiellen wechselwirkenden Systemelemente, toren identifiziert, die es trotz der nor- Systemausfällen durch eine dyna- seine kinetische Energie bei der Be- mativen Reglementierungen möglich mische Aufgabenzuordnung stabili- wegungsausführung und die Häufig- machen, Mensch-Roboter-Arbeitssy- siert werden. Bei einer geänderten Zu- keit des Auftretens einer potenziellen steme so einzusetzen, dass operative teilung der Aufgaben sind allerdings Mensch-Roboter-Kontaktsituation Ziele erreicht werden können. die neu entstehenden Verfahrwege im Kollaborationsraum [VIC20]. des Roboters unter der zeitlichen und Eine Zusammenfassung der Die Gestaltung eines solchen Ar- örtlichen Synchronisation des Men- systembestimmenden Faktoren, de- beitssystems wird dadurch nicht schen hinsichtlich neu auftretender ren beeinflussende Systemeigenschaf- mehr nur auf die Geschwindigkeit des Kontaktstellen zu berücksichtigen. ten sowie unterstützende Planungs- Roboters beschränkt, um Kraft- und Bei einer Aufgabenzuordnung im methoden sind in Tab. 1 aufgelistet. Druckgrenzwerte bei einer möglichen Rahmen eines Systemausfalls, kann Kollision einzuhalten. Vielmehr geht die optimal erreichbare Taktzeit u. 5. Mittelfristig einsetzbare Techno- es darum, eine Reihe an Stellgrößen U. nicht eingehalten werden. Dies ist logien zur ganzheitlichen Gestaltung zu kennen, um ein Arbeitssystem, in aber im Vergleich zu einem Produkti- von Mensch-Roboter-Arbeitssyste- dem Mensch und Maschine gemein- onsstillstand durchaus akzeptierbar. men sam arbeiten, effektiv zu gestalten. Eine Voraussetzung für den Be- Die Identifikation dieser systembe- trieb eines Mensch-Roboter-Arbeits- Mensch-Roboter-A rbeitssysteme stimmenden Faktoren stellt nun einen systems ist die Sicherstellung der können im Idealfall auf neue Gege- größeren Lösungsraum und damit die physischen Sicherheit des Menschen. benheiten, wie bspw. einer Änderung Konfiguration einer Vielzahl an Sys- Notwendige Sicherheitsvorkehrungen des Produktionsprogramms oder temvarianten dar, um operative Ziele sind von dem gewählten Sicherheits- der Ressourcenverfügbarkeit, ange- zu erreichen. Die Anzahl dieser Fak- modus abhängig. Die zugehörigen glichen werden. Dieses Flexibilitäts- toren macht die optimale Lösungsfin- technischen Normen und Spezifika- potenzial lässt sich aktuell jedoch dung aber auch komplex. Aus diesem tionen legen hierfür die Rahmenbe- nur mit entsprechendem Personalauf- Grund wurden Methoden und Werk- dingungen fest und geben auch si- wand durch Änderung des Arbeitssy- zeuge in diesem Artikel zusammen- cherheitsrelevante Grenzwerte beim stems, organisatorische Maßnahmen gefasst und gegenübergestellt, die die Kontakt zwischen Mensch und Robo- und manuelle Systemanpassungen Auswirkungen dieser systembestim- ter vor. Sie bieten jedoch keine Hin- vollständig ausschöpfen. Periphere menden Faktoren ermitteln und vali- weise zur technischen Ausgestaltung Einrichtungen werden dazu manuell dieren können. 28 WINGbusiness 2/2020
TOP-THEMA Systemparameter System- Technologie/ Realisierungs- Forschungs ate Assembly Systems’ HRI Potential’, eigenschaft Werkzeug methode -projekte Wie wird es Welche Wer forscht in Tagungsband des 4. Kongress Mon- Was betrifft es? Was wird erreicht? realisiert? Herangehensweise? daran? tage Handhabung Industrieroboter, S. Abstands- und Kombination von Aktive Sicherheitsmodus Geschwindigkeits- mehreren Sensoren Kollisionsvermeidung SYMBIOTIC, 128-137. COROMA überwachung im Arbeitsraum durch Sensorfusion [HHA16] Haag, M. 2014, ‘Kollabora- Kombinatorische Sicherheitsmodus Sichere Änderung Software Analyse möglicher DR.KORS tives Arbeiten mit Robotern – Vision und des Arbeitssystems Systemvarianten realistische Perspektive’, in Zukunft der Ermittlung Smarte Auswertung von Arbeit in Industrie 4.0, A. Botthof und E. Diversität des individueller Arbeitskleidung mit AnDy, bewegten Bedienpersonals Personen- textilintegriertem SHERLOCK A. Hartmann (Hrsg.), Springer-Verlag, Sensorquellen eigenschaften Sensorsystem Berlin, S. 59-64. Schutz und Sensorbasierte Onlinefähige Diversität des [LIN15] Lindekamp, C. 2015, ‘Roboter Unterstützung des Bewegungsmessung Ergonomie- CoLLaboratE Bedienpersonals Bedienpersonals überwachung 4.0 in Hannover’, Handelsblatt 16. April. Manipulation Weiche und Arbeitsplatz- schwerer Lasten im Cobot für Traglasten dämpfende SHERLOCK Verfügbar unter: . (13. Robotersystem nehmung mittels Augmented Reality Mai 2020). Arbeitsplatz- Automatisierte SHERLOCK, [LÜD14] Lüdtke, A. 2014, ‘Wege aus der Personenabsicherung Software HORSE, gestaltung Risikobewertung DR.KORS Ironie in Richtung ernsthafter Automati- Sensitive Fähigkeiten Regelungstech- Regelungsverfahren sierung’, in Zukunft der Arbeit in Indus- Systemdynamik des Roboters bei auf Basis variabler CogiMon Montagevorgängen nischer Algorithmus Impedanz trie 4.0, A. Botthof und E.A. Hartmann Abbildung der Ganzheitliche (Hrsg.), Springer-Verlag, Berlin, S. 125- wechselseitigen Modellierung von StaProZell, Systemdynamik Beeinflussung von Digitaler Zwilling Mensch-Roboter- KOMPI 146. Ressourcen Arbeitssystemen [MAT13] Matthias, B. und Ding, H. Automatisierte An- passung an neue Datenaustausch Selbstlernfähigkeit CoLLaboratE, 2013, ‘Die Zukunft der Mensch-Roboter Systemdynamik zwischen System- System- komponenten des Systems COROMA Kollaboration in der industriellen Mon- anforderungen Intuitive Semantische tage’, in Tagungsband Internationales Systemdynamik Roboterprogrammie- Programmierung Wahrnehmung der AnDy, Forum Mechatronik (ifm), Winterthur, rung durch Nicht- durch Demonstration menschlichen FlexRoP Experten Fähigkeiten Schweiz. Anpassung des [MAY19] Mayrhofer, W., Ansari, F., maschinellen Systemdynamik Bewegungsverhalten Modell Studie CogiMon Sihn, W. und Schlund, S. 2019, ‘Konzept san den Menschen für ein Assistenzsystem für arbeitsplatz- Erweitertes digitales Vorhersagemodelle Prognose des nahes, reziprokes Lernen in hochautoma- Zuverlässigkeit Menschmodell inkl. für menschliches COROMA menschl. Verhaltens Verhaltensprognose Verhalten tisierten Produktionsumgebungen’, Früh- Deklarative jahrskonferenz, GfA (Hrsg.). Validierung von Systembeschreibung Zuverlässigkeit Programm- Systemarchitektur SAMY [PER20] Pérez, L., Rodriguez-Jiménez, und formale modifikationen Verifikation S., Rodriguez, N., Usamentiaga, R., Gar- Sensorbasierte Aufgaben- Onlinefähige Prädiktive Daten- Schätzung der cia, D.F. und Wang, L. 2020, ‘Symbiotic Adaption von CoLLaboratE zuordnung Aufgabenplänen bzw. Menschmodelle menschlichen Human-Robot Collaborative Approach Bewegung for Increased Productivity and Enhanced Tabelle 2: Adressierte Forschungsaspekte zur Berücksichtigung von system- Safety in the Aerospace Manufacturing bestimmenden Faktoren in Mensch-Roboter-Arbeitssystemen Industry’, The International Journal of Advanced Manufacturing Technology, Literatur qualitative Analyse zur Auswahl Springer. von MRK-Arbeitsplätzen unter Be- [RAL20] Rally, P. und Scholtz, O. 2020, [AAL18] Aaltonen, I., Salmi, T. und rücksichtigung der Mitarbeitersicht’. ‘Abschätzung der Wirtschaftlichkeit für Marstio, I. 2018, 'Refining Levels of Col- Dissertation. Fakultät der Human- MRK-Anwendungen', ZWF, Ausgabe laboration to Support the design and wissenschaften der Otto-von-Gue- 115, Band 3, S. 166-170. Evaluation of Human-Robot Interac- ricke-Universität Magdeburg. 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TOP-THEMA [VIC20] Vicentini, F. 2020, ‘Termino- von roboterge- logy in safety of collaborative robotics’, stützten Automa- Robotics and Computer-Integrated Ma- tisierungsanlagen nufacturing, Ausgabe 63. und beschäftigt Titanilla Komenda, [WAC20] Wache, H., Dinter, B. 2020, sich seit knapp MSc ‘The Digital Twin – Birth of an Inte- 4 Jahren mit der grated System in the Digital Age’, in menschzentrierten Wissenschaftliche Mit- Tagungsband des 53rd Hawaii Internati- industriellen Im- arbeiterin Fraunhofer onal Conference on System Sciences, S. plementierung der Austria Research im 5452-5461. Mensch-Roboter- Geschäftsbereich [ZHA20] Zhang, Z., Tang, Q., Ruiz, R. Kollaboration. Advanced Industrial und Zhang L. 2020, 'Ergonomic Risk Management and Cycle Time Minimization for the Dipl.-Ing. Dr. Ma- U-Shaped Worker Assignment Assembly thias Brandstöt- Line Balancing Problem: A Multi-Objec- ter ist seit 2015 tive Approach’, Computers and Opera- stellvertretender tions Research. Direktor bei RO- Dipl.-Ing. Dr. BOTICS, dem In- Mathias Brandstötter Autoren stitut für Robotik Stellvertretender Di- und Mechatronik rektor bei ROBOTICS, Titanilla Komenda, MSc, Jahrgang der JOANNE- dem Institut für Robo- 1988, hat Mechatronik/Robotik UM RESEARCH tik und Mechatronik an der Fachhochschule Technikum Forschungsgesell- der JOANNEUM RE- Wien studiert. Sie ist wissenschaft- schaft. SEARCH Forschungs- liche Mitarbeiterin bei Fraunhofer Seine wissen- gesellschaft Austria Research im Geschäftsbe- schaftliche Aus- reich Advanced Industrial Manage- bildung und be- ment. Ihr Hauptarbeitsgebiet liegt rufliche Laufbahn sind überwiegend seiner wissenschaftlichen Arbeiten im Bereich der Mensch-Roboter-Zu- dem Thema Robotik gewidmet und liegen in den Bereichen kollaborative sammenarbeit. Sie hat bereits knapp er bringt seine Erfahrungen unter an- Robotersysteme, Robotersicherheit, 10 Jahre Erfahrung in der Planung, derem als Forschungskoordinator bei sensitive mobile Manipulation und Implementierung und Optimierung ROBOTICS ein. Die Schwerpunkte Roboterkinematik. 30 WINGbusiness 2/2020
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