MISSION MIT VISION Wie Österreich seine Zukunft mit künstlicher Intelligenz gestaltet - Accenture

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MISSION
MIT VISION
Wie Österreich seine
Zukunft mit künstlicher
Intelligenz gestaltet
INHALT
Ziel der Studie                                      4
Executive Summary                                    5
Die vierte industrielle Revolution                   8
Künstliche Intelligenz heute                        9
Warum der Hype?                                     10
Staaten im Wettbewerb                               11
Auf dem Weg zu einer AIM AT 2030                    13
Aktivierung des KI-Potenzials in Österreich         14
Forschung und Innovation                            15
Gesellschaft, Ethik und Arbeitsmarkt                18
Qualifikation und Ausbildung                        20
KI-Governance, Sicherheit und Recht                 24
KI im öffentlichen Sektor                           26
Infrastruktur für industrielle Führungspositionen   28
KI in der Wirtschaft                                30

Auswirkungen der KI auf Wirtschaftszweige           34
Industrie Exkurs 1: KI in der Produktion            36
Industrie Exkurs 2: KI im Handel                    38
Industrie Exkurs 3: KI in der Landwirtschaft        40

Schlussfolgerungen                                  42
Quellenangaben                                      44

                                                         3
ZIEL DER STUDIE
In der im November 2018 veröffentlichten Broschüre
zur Erstellung des Masterplans für Künstliche Intelligenz
(„Artificial Intelligence Mission Austria 2030“) stellen das
Bundes­ministerium für Verkehr, Innovation und Tech­­-
no­logie (BMVIT) und das Bundesministerium für Digita­-
li­sierung und Wirtschaftsstandort (BMDW) die hohe
Relevanz von KI für Österreich fest und identifizieren
Zukunftsfelder für eine politische Gestaltung der KI.

Die vorliegende Studie von Accenture – im Auftrag des
BMDW – beleuchtet diese Zukunftsfelder aus praxisnaher,
gesellschaft­licher und wirtschaftlicher Perspektive:
Welche Vision sollte die österreichische Gesellschaft
verfolgen? Welche Fortschritte hat Österreich bereits
erzielt? Welchen Handlungsbedarf gibt es, damit unser
Land im KI-Zeitalter wettbewerbs­fähig bleibt?

Ziel der Studie ist es, den mit der Erarbeitung der öster-
reichischen KI-Strategie beauftragten Arbeitsgruppen
einen Beitrag für Diskussionen und konkrete politische
Handlungsempfehlungen zu bieten.

4
EXECUTIVE SUMMARY
Der technologische Fortschritt beschleunigt sich in den Industriegesellschaften
derzeit exponentiell. In den kommenden Jahren wird vor allem Künstliche Intelli­
genz (KI) für radikale Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft sorgen.
Für Österreich kann aber gerade darin eine große Chance liegen – nicht zuletzt,
weil der digitale Bildungsstand hierzulande im internationalen Vergleich hoch ist.

Zwei Drittel (67 Prozent) der Einwohner Österreichs        Dazu bedarf es nicht nur klarer Zielsetzungen, sondern
weisen zumindest digitale Grundkompetenzen entlang         auch Leitlinien, die von Verantwortungsbewusstsein und
der vier Dimensionen Information, Kommunikation,           Nachhaltigkeit geprägt sind. Zudem besteht ein Bedarf
Erstellung von Inhalten sowie Problemlösung auf. Das       an Standards und Normen, um für Transparenz, Sicher-
bedeutet im Digital Economy and Society Index (DESI)       heit, Fairness und Interoperabilität bei der Nutzung von
den achten Platz unter 28 europäischen Staaten.1           KI zu sorgen. Austrian Standards International (A.S.I.)
                                                           spielt in dieser Hinsicht auf nationaler Ebene, aber auch
In einem Szenario bis 2035 hat Accenture errechnet,        bei der Vertretung österreichischer Interessen in
dass die Wachstumsrate der österreichischen Wirt-          globalen Gremien, eine wichtige Rolle.
schaft durch den Einsatz von KI auf drei Prozent anstei-
gen kann. Bliebe es hingegen beim bisherigen techno-       In der Studie „Mission mit Vision: Wie Österreich seine
logischen Niveau, würde die Bruttowertschöpfung nur        Zukunft mit Künstlicher Intelligenz gestaltet“ beleuchtet
um 1,4 Prozent pro Jahr wachsen. Nicht zuletzt wird        Accenture sieben Zukunftsfelder, die entscheidend
die höhere wirtschaftliche Dynamik durch eine stark        für den Erfolg von KI sein werden. Diese Zukunftsfelder
steigende Arbeitsproduktivität möglich. Das Szenario       wurden vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation
geht von einer 30 Prozent höheren Produktivität der        und Technologie (BMVIT) und dem Bundesministerium
Beschäftigten in Österreich aus. Die zusätzliche Brutto-   für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW)
wertschöpfung daraus beläuft sich auf 122 Milliarden       in der im November 2018 veröffentlichten Broschüre
Euro im Jahr 2035.2                                        „Artificial Intelligence Mission Austria 2030“ zur Erstel-
                                                           lung des Masterplans für künstliche Intelligenz definiert.
                                                           Es sind:
                                                           1. Forschung und Innovation
ÖSTERREICH BRAUCHT EINE                                    2. Gesellschaft, Ethik und Arbeitsmarkt
KI-STRATEGIE                                               3. Qualifizierung und Ausbildung
Sollen diese Chancen genutzt werden, muss der              4. KI-Governance, Sicherheit und Recht
Wandel aktiv gestaltet werden. Zu den drei klassi-         5. KI im öffentlichen Sektor
schen Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und                6. Infrastruktur für industrielle Führungspositionen
Ka­pital tritt künftig die Künstliche Intelligenz als      7. KI in der Wirtschaft
ein vierter hinzu – mit der Folge, dass zahlreiche
neue Geschäftsmodelle in den bestehenden Indus­            Im Rahmen der Analysen dieser Zukunftsfelder hat
trien massive Umbrüche verursachen werden.                 Accenture zentrale Herausforderungen identifiziert
                                                           und daraus wesentliche Handlungsbedarfe abgeleitet.
Längst hat allerdings der globale Wettbewerb um die
besten Positionen in den neuen Märkten begonnen.
Mehr als 20 Industrienationen haben bereits eine
KI-Strategie definiert und beschäftigen sich mit der
Umsetzung. Österreich muss also schnell handeln
und ebenfalls festlegen, wie das Potenzial der neuen
Technologien für die Gesellschaft und die Wirtschaft
genutzt werden soll.

                                                                                                                   5
HERAUSFORDERUNGEN                                          INITIATIVEN BÜNDELN
Um in Österreich eine gute Basis für Innovationen          In den letzten Jahren sind in Österreich viele Gremien,
durch Künstliche Intelligenz zu schaffen, müssen           Communities, Kooperationen und industriespezifische
zunächst einige grundlegende Aufgaben erfüllt              Plattformen entstanden, die sich dem Thema KI wid-
werden. Die vorliegende Studie hat drei Heraus­            men. Teilweise wurden diese vom BMVIT oder BMDW
forderungen als besonders dringend eingestuft.             angestoßen. Viele sind aber auch aus der Wirtschaft
                                                           heraus entstanden. Noch ist diese Vielfalt an Initiativen
ZÖGERLICHKEIT ÜBERWINDEN                                   aber zu unübersichtlich, um ein leistungsfähiges Öko-
Unternehmen und Organisationen in Österreich               system für KI sicherzustellen. Es fehlt eine Stelle, die
haben die Bedeutung der Künstlichen Intelligenz            sich mit der Koordination der Einzelaktivitäten beschäf-
mehrheitlich erkannt. Zur operativen Anwendung             tigt und Interessenten zielgerichtet zu geeigneten
kommt es dennoch oft nicht. Gründe dafür sind das          Initiativen und Beratungsangeboten navigiert.
Fehlen von „Business Cases“ sowie das mangelnde
Know-how. Beim Know-how ist in technisches Know-
how sowie in Know-how zur KI-induzierten Transfor-         HANDLUNGSBEDARF
mation von Geschäftsmodellen zu unterscheiden.             Accenture hat in der Studie sechs Handlungs­
Österreichs Unternehmen müssen in beiden Berei-            empfehlungen herausgearbeitet, um KI in Öster-
chen die entsprechenden Kompetenzen und Kapazi­            reich schneller voranzubringen.
täten aufbauen oder über externe Dienstleister darauf
zugreifen können. Sie haben das Sammeln und Aus-           LEITLINIEN DEFINIEREN
werten von betriebsinternen Daten noch nicht syste-        Die Akzeptanz für KI kann durch die Definition von
matisch begonnen. Nur selten befassen sie sich mit         Leitlinien und Werten gesteigert werden. Dabei muss
Datenmarktplätzen. In vielen kleineren Betrieben           herausgestellt werden, dass KI in Österreich im Sinne
fehlen jegliche Erfahrungen mit Cloud-Technologien         einer „Responsible Artificial Intelligence“ aufgestellt
und Big Data. Aufseiten der öffentlichen Hand hat          wird. Denn 90 Prozent der österreichischen Unterneh-
Open Data längst noch nicht die erforderliche              men halten es für wichtig oder sehr wichtig, dass Kun-
Bedeutung.                                                 den und Mitarbeiter nachvollziehen können, anhand
                                                           welcher Daten und Kriterien KI-gestützte Entscheidun-
Bezeichnend sind diese Zahlen: Einer Umfrage von           gen in ihrem Unternehmen getroffen werden.4 Wichtig
Accenture unter Unternehmen mit mehr als 500 Milli-        ist auch, den Mittelstand einzubeziehen und zum Ein-
onen Euro Umsatz ergab, dass 87 Prozent der Unter-         stieg in KI zu motivieren sowie Ängste vor Arbeitsplatz-
nehmenslenker KI-Technologien als Auslöser einer           verlust abzubauen. Aller Voraussicht nach wird KI
signifikanten oder sogar vollständigen Trans­formation     nämlich nicht primär die Anzahl der Arbeitsplätze
ihres Industriesektors sehen. Doch nur 61 Prozent          senken, sondern Arbeitsinhalte verändern.
geben an, dass KI auch zu einer signifi­kanten oder
sogar vollständigen Transformation ihres eigenen           Dem Institut für Höhere Studien5 zufolge werden
Unternehmens führen wird.3                                 lediglich neun Prozent der Arbeitsplätze in Österreich
                                                           durch Automatisierung in Gefahr geraten. Im Gegen-
UNKLARHEITEN BESEITIGEN                                    zug entstehen aber auch neue Jobs durch KI. Statt
Die öffentlichen Debatten in Österreich zur KI offen­      Routinearbeiten werden kreative Tätigkeiten stärker
baren ein hohes Maß an Unsicherheiten und Ängsten          gefragt sein, denn die sich stets wiederholenden
in den Unternehmen sowie begrifflichen Unklarheiten        Aufgaben bewältigt auch der „Co-Arbeiter Maschine“.
in diesem Themenbereich. Angst hemmt jedoch die            Deshalb werden Weiterbildungen der Arbeitskräfte
Initiative für die Gestaltung des Wandels. Im Verhältnis   künftig eine besondere Bedeutung haben. In Öster-
zu den Chancen wird den Risiken zu viel Aufmerksam-        reich sehen 90 Prozent der Personalverantwortlichen
keit gewidmet. Mit Transparenz und Verantwortungs­         einen hohen Schulungsbedarf bezüglich der Digital-
bewusstsein muss deshalb mehr über KI informiert           kompetenzen für ihre Belegschaft.6 Aber auch Fähig-
werden.                                                    keiten wie emotionale Intelligenz, innovatives Denken
                                                           und kritische Reflexion sollten im Fokus der Qualifi­
                                                           zierung stehen.

6
KOORDINATION GEWÄHRLEISTEN                                DATENRAUM VORANTREIBEN
Österreichische KI-Initiativen und Innovationsförde-      Der „Europäische Datenraum“ ist eine Vision, die Öster-
rungen müssen koordiniert werden, um auch die Ori-        reich mit eigenen nationalen Schritten und bilateralen
entierung für KMU sicherzustellen und ihnen Zugang        Abkommen – zum Beispiel mit Deutschland – voran-
zu Ansprechpartnern und passenden Beratungsleis-          treiben kann. Das gilt insbesondere für Maschinen-
tungen zu bieten. Grundsätzlich sollte dabei die Förde-   und Industriedaten.
rung von Sprunginnovationen und deren Marktreife
einen Schwerpunkt bilden. Für Österreich besteht die      VERWALTUNG ALS VORREITER ETABLIEREN
große Chance, sich als Testmarkt für KI-Anbieter in       Der österreichische Staat kann vorangehen, indem
Europa zu etablieren. Auch die Position des Vorreiters    künftige Digitalisierungsprojekte in der Verwaltung
für das neue Mobilfunknetz 5G ist erreichbar.             mit starken KI-Komponenten aufgesetzt werden. Mit
                                                          solchen Initiativen lassen sich die Qualität und Effizi-
FORSCHUNGSSCHWERPUNKTE SETZEN                             enz der öffentlichen Dienstleistungen verbessern.
Als ein eher kleines Land braucht Österreich eine         Zudem kommen sie der Akzeptanz von KI in der öster-
klare Vision für die Entwicklung von KI-Aktivitäten und   reichischen Gesellschaft zugute.
folglich auch Spezialisierungen in der KI-Forschung.
In den Jahren 2012 bis 2017 förderte der Bund die         ITERATIVE PROZESSE EINRICHTEN
KI-Forschung mit fast 350 Millionen Euro.7 Damit ist      Die permanente Weiterentwicklung der geplanten
Österreich zwar bereits gut aufgestellt, jedoch ist ein   KI-Strategie in einem iterativen, fortlaufenden Prozess
weiterer Ausbau des Engagements wichtig. Insbeson-        sichert die längerfristigen Perspektiven der Konzepte.
dere gilt es, Schwerpunkte zu setzen. Infrage kommen      So kann die Strategie jeweils an technische, wirtschaft­
dafür Themen, die schon bisher von großer Bedeutung       liche und gesellschaftliche Entwicklungen anpasst
waren, wie zum Beispiel logische Systeme, neuronale       werden. Das gilt zum Beispiel für die Potenziale, die
Netze, Robotik und sprachverstehende Systeme.             sich aus der Kombination von KI mit Blockchain-
                                                          Anwendungen ergeben.
Dabei ist zu beachten, dass eine besonders hohe
zusätzliche Wertschöpfung durch KI im Bereich Smart
Production zu erwarten ist: Nach Berechnungen von
Accenture wird schätzungsweise ein Drittel (32 Prozent)
der durch KI zusätzlich generierten Bruttowertschöp-
fung in Höhe von 122 Milliarden Euro im Jahr 2035 auf
den Produktionssektor entfallen. Vor dem Durchbruch
steht die KI-gestützte Auswertung von Betriebsdaten.
Neben allgemeinen Effizienzgewinnen wird KI Effekte
vor allem durch zusätzliche Wertschöpfung mit neuen
datengetriebenen Produkten und Services entfalten.
Auch die Sektoren Landwirtschaft, Handel, Verkehr
und Lagerei sowie Finanzen können stark von KI profi-
tieren. Derzeit werden die Potenziale mit all diesen
Zukunftsthemen aber nicht ausgeschöpft. In der letzten
Ausschreibung des Förderprogramms „Produktion der
Zukunft“ der Österreichischen Forschungsförderungs-
gesellschaft mussten aus budgetären Gründen 44
Prozent der eingereichten kooperativen Projekte, die
förderwürdig waren, abgelehnt werden.8

                                                                                                                     7
DIE VIERTE INDUSTRIELLE
REVOLUTION
Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI), das Internet der Dinge, Big Data
Analytics, Nanotechnologie oder Blockchain verändern Wirtschaft und Gesell-
schaft tiefgreifend. Der technologische Fortschritt hat sich in den letzten Jahren
exponentiell beschleunigt. Neue digitale Geschäftsmodelle erschüttern Indus­
trien und Wertschöpfungsketten. Physische und digitale Welten verschmelzen
in dieser vierten industriellen Revolution9. Ob und wieweit diese Veränderungen
positiv oder negativ ausfallen, steht im Zentrum der aktuellen KI-Debatte.

Jeder Wandel bringt naturgemäß Chancen und Heraus-         Die vielleicht größte Herausforderung ist, den Wandel
forderungen mit sich. Häufig aber konzentrieren wir        aktiv zu gestalten. Nur so wird es gelingen, die Poten-
uns auf die potenziellen negativen Auswirkungen und        ziale möglichst umfangreich zu heben. Dafür braucht
übersehen dabei die Vorteile, die sich ergeben können.     es vor allem Visionen sowie ambitionierte und klare
Viel gravierender aber ist, dass wir unsere Gestaltungs-   Zielsetzungen, orientiert an ethischen, verantwortungs-
macht unterschätzen. Technologien wie KI können            vollen und nachhaltigen Leitlinien. Umso wichtiger ist
eine treibende Kraft für positive Veränderungen sein.      es, dass Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Sozial-
Entscheidend ist, den Menschen bei Entwicklung,            partner an einem Strang ziehen.
Anwendung und Steuerung in das Zentrum der Überle-
gungen zu stellen. Dazu braucht es nicht nur ethische      Diese Studie möchte einen Beitrag zur aktuellen
und rechtliche Rahmenbedingungen, sondern auch             Diskussion leisten, den Fokus auf die Chancen richten
Information, Aus- und Weiterbildung und vor allem:         und Handlungsbedarf aufzeigen. Wir verlagern die
viel Ausprobieren in den Klassenzimmern, Büros und         Debatte von der Theorie in die Praxis: In welchen
Fabriken. Auch für die Einführung der Dampfmaschine        Bereichen wird KI bereits heute erfolgreich ange­
und des elektrischen Lichts war „trial-and-error“ ein      wendet? Und wie können in Österreich die richtigen
wichtiger Erfolgsfaktor.                                   Weichen für die Zukunft gestellt werden?

8
KÜNSTLICHE
INTELLIGENZ HEUTE
KI macht es möglich, menschliche Fähigkeiten und Intelligenz durch Erkennen,
Verstehen, Handeln und Lernen zu unterstützen und zukünftig in Teilbereichen
sogar zu ersetzen. KI ist ein Querschnittsthema, für das technische wie gesell-
schaftliche Voraussetzungen zu schaffen sind. Implikationen bestehen für
Industrie und Forschung, aber auch für Gesellschaft und Konsumenten.

Die Basis der Künstlichen Intelligenz ist eine Kombina-   Jedoch wurden Fortschritte primär im Bereich der
tion neuer Technologien, Verfahren und Methoden.          schwachen KI erzielt – Algorithmen, die etwa Doku-
Dazu gehören Machine Learning, Natural Language           mente verarbeiten und Informationen auslesen, für
Processing und virtuelle Assistenten, kognitive robo-     Konsumenten passende Produkte heraussuchen,
tergesteuerte Prozessautomatisierung, Unique-Iden-        Verkaufsberater bei ihrem Kundenservice unterstützen,
tity-Technologie, Video Analytics und vieles mehr.        Fahrzeuge steuern oder Schach-Champions schlagen.
                                                          Von umfassenden Lösungen oder Anwendungen der
Die Geburtsstunde der KI geht auf eine Forscher-          starken KI sind wir nach Ansicht vieler Experten noch
gruppe um John McCarthy und Marvin Minsky am              weit entfernt. Mit starker KI ist die Entwicklung von
Dartmouth College in Hanover (New Hampshire, USA)         Maschinen gemeint, die wie Menschen denken,
in den Fünfzigerjahren zurück. Seitdem wurden große       Empathie empfinden und Recht von Unrecht unter-
Fortschritte erzielt. Datenverfügbarkeit, Rechnerkapa-    scheiden können.10
zitäten und die gesunkenen Kosten für Technologien
sind heute eine wichtige Grundlage für KI.

                                                                                                              9
WARUM DER HYPE?
KI ist als Thema zunehmend in den Unternehmen angekommen. Größere und
günstigere Rechenleistung sowie Datenspeicher, stark wachsende Datenmengen
und sich etablierende Open-Source-Frameworks bahnen der KI zunehmend
den Weg. Inzwischen gilt KI als General-Purpose-Technologie, die genau wie
die Elektrizität oder das Internet umfassende Transformationen nach sich
ziehen wird.11

Nicht von ungefähr sind die Investitionen in KI welt-     Und dies ist erst der Anfang: Künstliche Intelligenz
weit stark gestiegen: IDC berechnet, dass Unterneh-       entwickelt sich exponentiell. Naturgemäß ist es
men und andere Organisationen dieses Jahr weltweit        schwierig, die daraus resultierenden Herausforderun-
bis zu 32 Milliarden Euro für KI und kognitive Systeme    gen und Chancen für das nächste Jahrzehnt präzise
ausgeben werden.12 Laut CB Insights flossen im Jahr       vorauszusehen. Einige Entwicklungen, wie zum Beispiel
2017 etwa 13,5 Milliarden Euro an Investitionen in        das autonome Fahren, konkretisieren sich mittlerweile.
KI-Start-ups. Das ist ein Anstieg um 141 Prozent gegen-   Viele weitere neue KI-Anwendungen werden unsere
über dem Jahr 2016.13                                     Lebens- und Arbeitsweise auf noch unvorhersehbare
                                                          Art positiv verändern. Sie werden zu einem Treiber
KI-Anwendungen etablieren sich zunehmend als              für ein höheres Wirtschaftswachstum in Österreich.
Bestandteil unseres Alltags. Apples Siri und Google Now
können wir auf unseren mobilen Geräten ansprechen,
Amazons Alexa in unseren Wohnungen. Chatbots helfen
uns zunehmend als Kundenbetreuer weiter – etwa bei
Reisebuchungen oder Geldanlageentscheidungen.
Diese KI-basierten Tools ermöglichen den Menschen
in Österreich, effizienter zu arbeiten sowie zielgenaue
Informationen und Dienstleistungen zu erhalten.

10
STAATEN IM WETTBEWERB
China und die USA gelten bislang als führend im Bereich KI. Das muss nicht
so bleiben: Zahlreiche Staaten treten ambitioniert in den Wettlauf um techno­-
lo­gische Führung ein. Sie schaffen geeignete Rahmenbedingungen für KI,
zum Beispiel durch Investitionen in Forschung, Talentförderung und eine
innova­tionsfreundliche Regulierung.

Zahlreiche Staaten stehen im Wettbewerb um die                  Lediglich China und Großbritannien haben klare Ziele
besten Voraussetzungen für die Weiterentwicklung                formuliert und korrespondierend Investitionen ange-
und Nutzung von KI. Seit März 2017 haben mehr als               kündigt. China will 2030 weltweit führend im Bereich
20 Länder ihre KI-Strategien formuliert, Finanzmittel           KI sein: sowohl in der Grundlagenforschung als auch
allokiert und Governance-Strukturen etabliert.                  in der Anwendung sowie der Verfügbarkeit von Fach-
                                                                kräften. Die Künstliche Intelligenz soll bis 2030 150
Unsere vergleichende Analyse zeigt: Jede der natio­             Milliarden Dollar zur Wertschöpfung des Landes bei-
nalen KI-Strategien setzt andere Schwerpunkte. Sie              tragen. Auch Großbritannien hat ambitionierte unter-
reichen von Forschungs- und Wirtschaftsförderung                nehmerische Ziele präsentiert. Unter anderem: Das
über Bildungsoffensiven bis hin zur Verwaltungs­                Land plant einen Investmentfonds mit einem Volumen
modernisierung. Vielerorts wurden Gremien zu regu­              von 2,5 Milliarden Pfund, der gezielt KI-Start-ups fördert.
lativen, ethischen und handelspolitischen Frage­­
stellungen eingerichtet.

ABBILDUNG 1: AUSWAHL WICHTIGER INDUSTRIENATIONEN, DIE EINE NATIONALE STRATEGIE FÜR
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ ERSTELLT HABEN

                                                 SCHWEDEN Mai 2018                                 FINNLAND
EU                                                                       DÄNEMARK                  Mai 2017 (Finaler Bericht
April 2018 (Kommunikation)                                               Januar 2018               April 2019)
Dezember 2018 (Koordinierter Plan
für KI in Europa)                                                                                  DEUTSCHLAND
                                                                                                   Dezember 2018
FRANKREICH
März 2018                                                                                          SÜDKOREA
                                                                                                   Mai 2018 (aktualisiert)

KANADA                                                                                             JAPAN
März 2017                                                                                          März 2017

                                                                                                   CHINA
                                                                                                   Juli 2017;
VEREINIGTE                                                                                         Dezember 2017
STAATEN                                          UK                                                (Dreijahres-Aktionsplan)
Mai 2018 (Summit on AI                           April 2018
for American Industry)                                                   INDIEN                    SINGAPUR
Februar 2019 (Executive                                                  Juni 2018                 May 2017
order on Maintaining
American Leadership in
Artificial Intelligence)                                ITALIEN        AUSTRALIEN
                           MEXIKO                       März 2018      Mai 2018 (2018/2019 Budgetveröffentlichung);
                           Juni 2018                                   November 2018 (Digital Strategy mit
                                                                       KI-Komponente)

Quelle: Accenture Analyse 2019, inklusive Tim Dutton, An Overview of National AI Strategies, medium.com

                                                                                                                              11
BEISPIELE FÜR SCHWERPUNKTE WEITERER NATIONALER
STRATEGIEN:

Innovationsförderung                                        Ethik
Frankreich investiert in KI-Start-ups.14                    Singapur hat im Juni 2018 die Gründung eines zivil­
                                                            gesellschaftlich besetzten Ethikrates angekündigt, der
Verwaltungsmodernisierung                                   durch ein Forschungsprogramm unterstützt werden
Die Vereinigten Arabischen Emirate haben Ende 2017          soll.21 Die EU-Expertengruppe für Künstliche Intelli-
mit Omar bin Sultan al-Olama einen Minister für Künst-      genz arbeitet auch an ethischen Richtlinien.22 Separat
liche Intelligenz ernannt, der sich vorrangig um Kosten-    hat Großbritannien das Centre for Data Ethics and
reduzierung und Serviceverbesserung in der öffent­          Innovation geründet.23 China, Japan, die Vereinigten
lichen Verwaltung kümmert.15                                Staaten, Kanada, Großbritannien, Frankreich, Finnland,
                                                            Australien, Indien – sie alle fördern den ethischen
Internationale Zusammenarbeit                               Aspekt von KI.
Die nordischen Länder und die baltische Region
kooperieren, um Wissenstransfer und Skaleneffekte           Angewandte Technologieforschung
zu ermöglichen.16                                           Japan fokussiert in seiner im März 2017 vorgelegten
                                                            Strategie auf KI „as a service“ und stellt dafür eine
Zukunft der Arbeit                                          Roadmap vor.24
Im Juni 2018 veröffentlichte Finnland 28 Empfehlungen
für Kompetenzbildung und Beschäftigungssicherung            Inklusion
im Zeitalter von KI.17 Großbritannien fokussiert als Teil   Indien legt seinen Schwerpunkt auf gesamtgesell-
des „AI Sector Deals“ ebenfalls auf KI-Fähigkeiten.18       schaftlichen Fortschritt und Reduzierung der sozialen
                                                            Ungleichheit.25
Talentförderung
Laut JFGAGNE gibt es weltweit lediglich 22.000 promo-       Regulierung
vierte KI-Experten.19 Kanada hat als erstes Land im         Der New York City Council verabschiedete kürzlich
März 2017 eine KI-Strategie vorgelegt, die ihren Fokus      die Algorithm Accountability Bill, um potenzielle Partei­
auf Talentförderung und Research setzt.20                   lichkeit von automatischen Entscheidungssystemen
                                                            kommunaler Behörden zu adressieren.26

ABBILDUNG 2: SCHWERPUNKTE EINZELNER LÄNDERSTRATEGIEN UND AKTIONSPLÄNE (AUSWAHL)

                         Nordische
                          Länder

             Baltische
              Staaten

                                                                             1   Wettbewerbsfähigkeit

                                                                             2   Research- und Talentförderung
                                                                                 Kompetenzbildung und gesell-
                                                                             3
                                                                                 schaftlicher Wandel

                                     KI
                                                                             4   Inklusion

                                                                             5   Verwaltungsmodernisierung

                                                                             6   Industrialisierung von KI

                                                                             7   Nationale Sicherheit

                                                                             8   Internationale Zusammenarbeit

12
AUF DEM WEG ZU EINER
AIM AT 2030
Unsere Analyse der KI-Strategien zeigt: Viele andere führende Volkswirtschaften
haben das Potenzial der KI erkannt, investieren und arbeiten an geeigneten
Rahmenbedingungen. Auch Österreich sondiert, wie Politik, Wirtschaft und
Wissenschaft gemeinsam die Potenziale von KI realisieren und das dafür not-
wendige Vertrauen in der Gesellschaft stärken können. Die Zeit drängt – denn
die Weiterentwicklung der KI wartet nicht auf politische Entscheidungen.

Die Bundesregierung strebt an, den KI-induzierten              Der dem Ministerrat vorgelegte Antrag zeigt mögliche
Wandel in Österreich aktiv zu gestalten, Chancen zu            Schwerpunkte der künftigen Strategie auf, die im
nutzen und potenzielle negative Konsequenzen zu                3. Quartal 2019 veröffentlicht wird. So soll die KI-For-
vermeiden. Im November 2018 legten Bundesminister              schung in noch zu definierenden Schlüsselbereichen
Norbert Hofer (BMVIT) und Bundesministerin Margarete           auf ein weltweites Spitzenniveau gehoben, der Transfer
Schramböck (BMDW) dem Ministerrat einen Antrag                 von KI-Anwendungen in kleinere und mittlere Unterneh-
zur Ausarbeitung einer Strategie zur Künstlichen               men unterstützt und sichere sowie verantwortungs-
Intelligenz vor. Unter dem Arbeitstitel „Artificial Intelli-   volle rechtliche Rahmenbedingungen für die KI-Nutzung
gence Mission Austria 2030 (AIM AT 2030)“ sollen               gesetzt werden. Wichtig sei dem Antrag zufolge auch
Rahmenbedingungen für KI in Österreich in allen                der gesellschaftliche Dialog zu KI, entsprechende Aus-
Lebensbereichen erarbeitet werden.                             und Weiterbildungschancen sowie die Einführung der
                                                               KI im sicherheits- und kriminalpolizeilichen Umfeld.28
Unter der Federführung des BMVIT werden ressort-
übergreifende Arbeitsgruppen für die Ausarbeitung
gebildet, die auch auf verschiedene internationale
und nationale Studien zurückgreifen können, so zum
Beispiel auf das White Paper des Österreichischen
Rates für Robotik und Künstliche Intelligenz27. Neben
BMDW und BMVIT sind das Bundesministerium für
Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF), das
Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit
und Konsumentenschutz (BMASGK) und Vertreter aus
öffentlicher Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft
in den Prozess intensiv eingebunden.

                                                                                                                    13
AKTIVIERUNG DES
KI-POTENZIALS IN
ÖSTERREICH
Die Weiterentwicklung der Künstlichen Intelligenz schreitet rasant
voran. Es ist realistischerweise kaum absehbar, vor welche Chancen
und Herausforderungen uns diese neuen Technologien in den nächs-
ten Jahren und Jahrzehnten stellen werden. Umso wichtiger ist es,
zügig geeignete und agile Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen
sich KI entfalten kann. Bislang ist dies nur unzureichend geschehen:
Österreich belegt in dem Government AI Readiness Index von Oxford
Insights lediglich Platz 16 unter den OECD-Ländern.29

Doch wie kann das KI-Potenzial in Österreich aktiviert werden? Basis
dafür ist, die Weichen in den Zukunftsfeldern der KI richtig zu stellen
und kontinuierlich nachzujustieren. Nach­folgend blicken wir auf
diese entscheidenden Zukunftsfelder: Welche Chancen und Heraus-
forderungen ergeben sich durch KI für unser Land? Was ist zu tun,
damit wir auch im KI-Zeitalter unsere hohe Lebensqualität und
Wett­bewerbsfähigkeit bewahren und weiter ausbauen können?

14
ZUKUNFTSFELD FORSCHUNG UND
INNOVATION
WAS WOLLEN WIR ERREICHEN?                                                        betreiben und hierfür international kooperieren zu
                                                                                 ­wollen. Insbesondere ist aber auch der „Spillover“ zwi-
Der Erfolg der „Artificial Intelligence Mission Austria                           schen Forschern und KI-Anwendern in Unternehmen
2030“ wird vom KI-Ökosystem aus Wissenschaft,                                     und anderen gesellschaftlichen Bereichen von entschei-
Wirtschaft und Politik abhängen, in dem diese Strate­gie                          dender Bedeutung. Zu einer erfolgreichen Innovation
umgesetzt wird. Forschung und Entwicklung ist darin                               kann eine innovative Idee nur dann werden, wenn sie es
ein Kernfaktor. Österreich hat bereits die Ambition for-                          tatsächlich zur Marktreife schafft und in ein durchdach-
muliert, erfolgreich und auf Spitzenniveau K  ­ I-­Forschung                      tes Geschäftsmodell eingebettet wird.

ABBILDUNG 3: AUSWAHL ÖSTERREICHISCHER KI-FORSCHUNGSINSTITUTE UND -INITIATIVEN
Pro²Future sieht seine Tätigkeit eingebettet in        Im CD-Labor für Künstliche Intelligenz und           Das Österreichische Forschungsinstitut
die EU-Forschungsagenda, insbesondere dem              Optimierung in Planung und Scheduling an der         für Artificial Intelligence (OFAI) ist eine der
H2020-Programm in den Säulen Excellence in             Technischen Universität Wien werden gemein-          führenden gemeinnützigen Auftragsforschungs-
Science (ERC, FET), Industrial Leadership (LEIT)       sam mit Unter­neh­mens­partnern innovative           institutionen in Europa. Das Methodenportfolio
und Societal Challenges bezogen auf Energy,            Lösungstechniken für Probleme der Ressourcen-        des OFAI umfasst u.a. maschinelles Lernen und
Transport und Materials.                               planung (z.B. im Gesundheitswesen, in der            Data Mining, neuronale Netze, intelligente
                                                       indus­triellen Produktion oder beim Verkehr)         Software­agenten.
Die Universität Innsbruck arbeitet zusammen            auf Basis von KI und Optimierung erforscht.
mit den Firmen Onlim und feratel in der For-                                                                Das Land Steiermark ist mit über 80% Haupt­
schungskooperation MindLab zu den Chancen              Das Institut für Artificial Intelligence and         eigentümer an der Joanneum Research For-
von KI u.a. für den Tourismus. Ziel des Projektes      Decision Support (AID) an der Medizinischen          schungsgesellschaft. Die Expertise des Insti-
ist es, qualitativ hochwertige Daten, Methoden         Universität Wien ist fokussiert auf die Entwick-     tuts DIGITAL in den Bereichen Navigation,
und Werkzeuge zur automatisierten Dialogfüh-           lung intelligenter Anwendungssysteme in der          Fernerkundung und Maschinelles Sehen stellt
rung über ­Chatbots und Sprachassistenten              Medizin unter Nutzung von KI und Verfahren           ein Schlüssel-Know-how und auch Forschungs-
zur Verfügung zu stellen.                              der computer-basierten Entscheidungsunter-           schwerpunkt des Instituts für automatisiertes
                                                       stützung.                                            Fahren dar.
Das Grazer Know-Center wurde 2000 als K1-
Zentrum im Rahmen des Programm COMET –                 Das AIT Austrian Institute of Technology              IST – Institute of Science and Technology
Competence Centers for Excellent Technolo-             ist Österreichs größte außeruniversitäre For-         Austria in Klosterneuburg ist auf Grundlagen-
gies – gegründet und ent­wickelt als Forschungs-       schungseinrichtung. Mit seinen acht Centern           forschung ausgerichtet ist und bietet inter­
zentrum für Data-driven Business innovative            versteht sich das AIT als hoch spezialisierter       disziplinäre PhD-Programme an. Die Gruppe
Informations- und Kommunikationstechnolo-              Forschungs- und Entwicklungspartner für die          “Computer Vision and Machine Learning”
gien für die Wirtschaft.                               Industrie und beschäftigt sich mit den zentralen     ­ent­wickelt Algorithmen im Bereich des statis­
                                                       Infrastruktur­themen der Zukunft.                     tischen maschinellen Lernens und des
Das Institut Salzburg Research im Eigentum                                                                   Computer Vision.
des Landes Salzburg betreibt Forschung auf
inter­nationalem Niveau und entwickelt markt­
relevante Innovationen für Unternehmen,
Industrie und Verwaltung.

Software Competence Center Hagenberg
entwickelte eine Methode für Audio Scene
Classification (ASC) – eine der Hauptaufgaben
beim Machine Listening, welche Techniken
aus Machine Vision und Machine Listening                                                                          Donau-Universität Krems
                                                                                        FH Oberösterreich         IMC FH Krems
kombiniert. Das SCCH gewann damit den
                                                                                        Campus Hagenberg
1. und 2. Preis des IEEE Detection and Classi­
fication (DCASE 2016) Wettbewerbs.                                                                   LINZ               TU Wien
                                                                                               Johannes-Kepler-         FH Technikum Wien
                                                                                                                        FH Wiener Neustadt
                                                                                                                                                 WIEN
                                                                                               Universität Linz
                                                                                                                        Universität Wien
                                                                                                                        Medizinische Universität Wien
                                                                                                                        Wirtschaftsuniversität Wien
                                                                             SALZBURG
                                                                            Universität Salzburg
                                                                            FH Salzburg
                                                    FH Kufstein Tirol                                     Montan-
                                                                                                                          TU Graz
 FH Vorarlberg                                                                                            universität
                      MCI Management Center Innsbruck                                                                     Karl-Franzens-
                                                                                                          Leoben
                                                                                                                          Universität Graz
                                         INNSBRUCK                                                                        FH Joanneum Graz
                                Universität Innsbruck
                                                                                                                             GRAZ

                                                                                      Universität Klagenfurt
                                                                              KLAGENFURT

                                                                                                                                                          15
WO STEHEN WIR HEUTE?                                              tionsvereinbarung. Das Institut für Computergrafik der
                                                                  JKU und das Department of Computing des Imperial
In Österreich betreibt eine Reihe von Einrichtungen               College werden zu Fragen von KI und Visualisierung,
KI-Forschung auf hohem Niveau. Die Institute besetzen             beispielsweise in Bezug auf Bildgebung für medizini-
erfolgreich Nischen oder Spezialgebiete, sowohl in                sche Anwendungen, kooperieren.31
der Grundlagenforschung als auch zur Entwicklung
marktreifer Prototypen. Traditionelle Schwerpunkte                Jüngst wurde das „Institute of Advanced Research in
der österreichischen KI-Forschung sind zum Beispiel               Artificial Intelligence“ (IARAI) mit den Standorten Linz,
logische Systeme, neuronale Netze, Robotik und                    Wien und Zürich gegründet. Geschäftsführer sind
sprachverstehende Systeme. In den letzten Jahren                  Sepp Hochreiter von der Universität Linz, David Kreil
wurde auch zunehmend zur KI-unterstützten Produk-                 von der Universität für Bodenkultur Wien und Michael
tion und Industrie 4.0 geforscht. Allein zwischen                 Kopp von Here Technologies in Zürich. Das Besondere
2012 und 2017 förderte der Bund die KI-Forschung                  an dem neuen Institut ist der offene Forschungsansatz,
mit fast 350 Millionen Euro.30 Abbildung 3 zeigt eine             bei dem durch eine Kooperation mit Here, einem Ent-
Auswahl an bestehenden österreichischen Forschungs­               wickler und Anbieter von Geodatendiensten, Karten-
instituten und -initiativen.                                      und Verkehrsdaten in industriellem Maßstab für die
                                                                  Grundlagenforschung genutzt werden können.32
Mehr und mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass
Europa nur gemeinsam in der KI-Forschung auf                      In den letzten Jahren sind zudem in Österreich meh-
Augenhöhe mit den USA und China mitspielen kann.                  rere Multi-Stakeholder-Initiativen entstanden, die sich
Österreichische Forschungsinstitute haben bereits                 mit dem Innovationspotenzial von KI beschäftigen und
begonnen, ihre internationalen Kooperationen aus­                 die Vernetzung des nationalen KI-Ökosystems voran-
zubauen. Im Mai 2018 unterzeichneten zum Beispiel                 treiben wollen. Abbildung 4 zeigt eine Auswahl dieser
die Linzer Johannes-Kepler-Universität (JKU) und das-             Initiativen.33
Londoner Imperial College in London eine Koopera­

ABBILDUNG 4: AUSWAHL ÖSTERREICHISCHER MULTI-STAKEHOLDER-INITIATIVEN, DIE SICH MIT KI
IN ÖSTERREICH BESCHÄFTIGEN

Digitalisierungs-        Im Sommer 2018 hat die österreichische Digitalisierungsagentur DIA unter dem Dach der Österrei-
agentur DIA              chischen Forschungsförderungsgesellschaft mbH (FFG) ihre Arbeit aufgenommen. Sie fungiert als
                         Plattform zur Vernetzung der relevanten Stakeholder und zur Beratung der Bundesregierung hin-
                         sichtlich nationaler und internationaler Ansprechpartner. Ausdrückliches Ziel der DIA ist es, „Öster-
                         reich und seine KMU nach vorne“ zu bringen und durch erfolgreiche Digitalisierung die Produktivi-
                         tät, den Erfolg und die Innovationskraft von KMU zu fördern.

Digital                  Das BMDW unternimmt mit der Entscheidung zur bundesweiten Errichtung von so genannten Digital
Innovation               Innovation Hubs (oder „Digitalzentren“) Schritte, um den digitalen Aufholbedarf bei KMUs zu adres-
Hubs                     sieren. Explizite Zielsetzung ist laut Ausschreibung der FFG, die gemeinsam mit dem BMDW hinter
                         der Initiative steht, auch eine große regionale Abdeckung, sodass ein Großteil der KMUs einen Hub
                         in ihrer direkten Umgebung haben. Die Themenfelder Künstliche Intelligenz, Cybersicherheit, Block-
                         chain und 3D-Printing haben aus Sicht der FFG besondere Relevanz.

Verein „Data             Der 2018 gegründete Verein sieht sich als zentrale Plattform zur Förderung der Datenwirtschaft und
Intelligence             der Datenwissenschaft. Unterstützt vom BMVIT tauschen sich Experten aus Wirtschaft, Wissen-
Initiative“              schaft und öffentlicher Verwaltung zum Einsatz relevanter Technologien, der Marktbildung und zum
                         Management von Daten aus.

Verein                   Der Verein „Industrie 4.0 Österreich“, der 2015 vom BMVIT, der Bundesarbeitskammer (BAK) sowie
„Industrie 4.0           Fachverbänden und der Produktionsgewerkschaft gegründet wurde, ist eine Plattform insbesondere
Österreich“              für intelligente Produktion, die politische, wirtschaftliche und wissenschaftliche Akteure vernetzen
                         will. In Expertengruppen, zum Beispiel zu den Themen Normen und Standards sowie Forschung, Ent-
                         wicklung und Innovation, werden Erfahrungen ausgetauscht und politische Empfehlungen verfasst.

Verein                   Im Jahr 2018 hat sich der Verein „AI in Austria“ gegründet, der sich als unabhängiger Think Tank
„AI in Austria“          für den Austausch rund um das Thema KI versteht und Österreich als international relevanten
                         KI-Standort etablieren möchte.

Quelle: Accenture Analyse 2019; Webseiten der Organisationen

16
HANDLUNGSBEDARF                                             von der Forschung bis zur Markteinführung über einen
                                                            passenden und flexiblen institutionellen Rahmen
Vision für KI-Forschung erarbeiten                          nachgedacht werden, der „Spillover“-Prozesse erfolg-
Wie der Österreichische Rat für Robotik und Künst­          reich begleiten kann.
liche Intelligenz in seinem White Paper feststellt, fehlt
es trotz diverser Erfolge an einer „klaren Vision“ für      Anhaltspunkte, wie ein solcher Rahmen – möglicher-
unsere KI-Forschungslandschaft. Angesichts der Größe        weise eingebettet in die DIA – aussehen könnte, sind
und Investitionsstärke weltweit führender Forschungs-       beispielsweise in Deutschland zu finden: Die deutsche
standorte wie den USA und China hält es der Rat für         Bundesregierung gründete im August 2018 die „Agen-
nicht sinnvoll, nach dem Gießkannenprinzip Förderung        tur zur Förderung von Sprunginnovationen für den
in der Breite zu betreiben. Es sollten vielmehr Schwer-     zivilen Anwendungsbereich“, mit einem Fokus auf KI.35
punkte definiert werden, wobei die für Österreich in        Spezielle Innovationsmanager der Agentur ebnen
Wirtschaft, Gesellschaft und Verwaltung besonders           künftig Ideen und Forschungsergebnissen ihren Weg
relevanten Anwendungsfelder miteinbezogen                   in die Praxis. In Workshops, Wettbewerben und anderen
werden müssen.                                              Formaten wird die Agentur im Austausch mit Wissen-
                                                            schaft, Wirtschaft und Gesellschaft neue Ideen für
Vernetzung des KI-Ökosystems und Bündelung                  Wertschöpfung generieren. Die neue Agentur soll
von Information zu Beratungsmöglichkeiten                   Deutschland als Standort für KI sowie andere neue
Das Ökosystem für die Entwicklung von Künstlicher           Technologien wettbewerbsfähiger machen, indem
Intelligenz ist in den vergangenen Jahren stark ange-       differenzierende Innovationen schnell in den Markt
wachsen und hat sich diversifiziert. Für KI-interessierte   gebracht werden. Entscheidend für den Erfolg wird
Unternehmen wird das Angebot an potenziellen                sein, dass erfahrene Innovationsexperten mit techni-
Kooperationspartnern und Beratungsunternehmen               schem Know-how gewonnen werden und diese unab-
immer unübersichtlicher und die Suche nach geeig­           hängig Erfolg versprechende Projekte aufnehmen
neten Adressen, die Know-how und bereits etablierte         können.
KI-Anwendungen einbringen können, immer schwieri-
ger. Die Bandbreite reicht von kleineren, spezialisierten   Österreich könnte sich in Europa zudem verstärkt als
KI-Beratungsunternehmen über große, international           Testmarkt für innovative KI-Anwendungen positionieren.
tätige Unternehmens- und Technologieberatungen              Die Größe unseres Marktes erlaubt fundierte Rück-
bis zu Forschungseinrichtungen, die ebenfalls Bera-         schlüsse bei gleichzeitig überschaubaren Investitions-
tung anbieten.                                              rahmen für Firmen. Zudem bietet Österreich eine
                                                            gute digitale Infrastruktur, ambitionierte 5G-Pläne
KI-basierte Start-ups fördern                               und eine vergleichsweise hohe digitale Affinität der
Noch zu selten gibt es in der österreichischen Start-       Bevölkerung.36
up-Landschaft eine KI-Erfolgsgeschichte wie die des
Wiener Start-ups Craftworks, das mit dem ÖBB ein            Neben der Förderung von Sprunginnovationen darf
Projekt im Güterverkehrsbereich umsetzt, welches            die Bedeutung inkrementeller Innovation nicht unter-
schnellere Preisvorhersagen ermöglichen und somit           schätzt werden. Die Adaption und Weiterentwicklung
den Güterverkehr auf der Schiene wettbewerbsfähiger         bereits existierender KI-Anwendungen in Unternehmen
machen soll.34 In den letzten Jahren sind Inkubatoren       muss ausgeweitet werden. Vor allem im Mittelstand
für KI-Start-ups entstanden (zum Beispiel Factory1 für      bedarf es hier dringend eines Umdenkens: Neue Ideen,
Mobilität der Zukunft), deren Erfolg jedoch noch nicht      Konzepte und Technologien müssen evaluiert und
bewertet werden kann. Für den Erfolg der Start-ups          angewendet werden. Rechtzeitige Investitionen
ist eine klare rechtliche Grundlage für KI-basierte         in die Digitalisierung der Prozesse und in den Einsatz
Produkte und Services notwendig, finanzielle und            lernender Systeme werden zentral sein für die Wettbe-
organisatorische Unterstützung sowie ein funktionie-        werbsfähigkeit der mittelständischen Unternehmen.
rendes Ökosystem, in dem Kooperationen geschlossen
werden können – sei es mit anderen Unternehmen,
der Verwaltung oder der Wissenschaft.

Markteinführung von KI-Innovationen sowie
Wissenstransfer zwischen Forschung und
Unternehmen vereinfachen
Künftige Innovationen und deren Nachfrage auf
dem Markt vorauszuahnen und vorzubereiten ist nur
begrenzt möglich. Hilfreich für das gesamte Ökosys-
tem ist aber, eine Vision und Schwerpunkte für die
österreichische KI-Forschungslandschaft auszuarbei-
ten. Zudem sollte hinsichtlich der Innovationsketten

                                                                                                                17
ZUKUNFTSFELD GESELLSCHAFT,
ETHIK UND ARBEITSMARKT
WAS WOLLEN WIR ERREICHEN?                                  WO STEHEN WIR HEUTE?
KI kann die Lebensqualität nachhaltig verbessern und       So wie Österreich sehen sich derzeit viele Länder mit
aktuelle Herausforderungen adressieren. Schon heute        ethischen Fragestellungen zur Künstlichen Intelligenz
fördern erste KI-Anwendungen unter anderem die             konfrontiert. Wie kann sichergestellt werden, dass
gesellschaftliche Partizipation, die bessere und           eine KI auf das „richtige“ und nicht auf das „falsche“
schnellere Diagnose von Krankheiten sowie Umwelt-          Verhalten trainiert wird? Hier müssen die technischen
schutz und bürgernahe öffentliche Dienstleistungen.        Experten mit anderen Disziplinen ins Gespräch kommen
Klare ethische und rechtliche Rahmenbedingungen            und auch die Öffentlichkeit einbinden. Der Europäische
sowie ein besseres Verständnis der KI in der Öffent-       Wirtschafts- und Sozialausschuss fordert in seiner
lichkeit werden essenziell sein, um eine breite gesell-    Stellungnahme einen „[...] Verhaltenskodex für die Ent-
schaftliche Akzeptanz zu erreichen.                        wicklung, den Einsatz und die Nutzung von KI, um zu
                                                           gewährleisten, dass während der gesamten Nutzungs-
Auch auf dem Arbeitsmarkt wird Künstliche Intelligenz      dauer von KI-Systemen Menschenwürde, Integrität,
einen tiefgreifenden Wandel bewirken. Doch anders          Freiheit, Schutz der Privatsphäre, Datenschutz, kultu-
als in der derzeitigen Debatte oftmals dargestellt, wird   relle und Geschlechtervielfalt sowie die grundlegenden
die größte Auswirkung der KI nicht in der Verringerung     Menschenrechte gewahrt werden.“39
von Arbeitsplätzen bestehen, sondern in der Verände-
rung von Arbeitsinhalten. Projektbasierte und kreative     Können die Fragen nach dem „richtigen“ und „falschen“
Arbeit nehmen zu, während man dem „Co-Arbeiter             Verhalten von KI-Systemen befriedigend beantwortet
Maschine“ zeitgleich Routineaufgaben überträgt. Ent-       werden, ist der Weg frei für „AI for Good“: KI-Anwen-
sprechend sieht eine Studie des Instituts für Höhere       dungen, die gesellschaftliche Herausforderungen wie
Studien37 auch lediglich neun Prozent der Arbeits-         Gesundheit, Inklusion und Umweltschutz angehen.
plätze in Österreich durch Automatisierung in Gefahr       Die folgenden Beispiele zeigen auf, was bisher erreicht
– das ist ein geringerer Wert als die Prognose der         wurde. Im Rahmen der zu erwartenden Weiterentwick-
OECD von 14 Prozent für Industrieländer.38 Zugleich        lung von KI-Technologien und klaren ethischen und
können durch erfolgreiche Digitalisierung zahlreiche       rechtlichen Rahmenbedingungen für die Datenver-
neue Arbeitsplätze entstehen. Auch in der Vergangen-       wendung ist in den kommenden Jahren mit weiteren
heit haben technologische Neuerungen Ressourcen            Meilensteinen zu rechnen.
freigesetzt, die damit verbundenen Innovationen letzt-
endlich aber zu mehr Arbeitsplätzen geführt.               Bessere medizinische Diagnostik und Therapie
                                                            INT BEISPIEL: International zeigen sich vielverspre-
Ziel muss es sein, die derzeitigen und künftigen           chende Ansätze, wie das Zusammenspiel von KI und
Beschäftigten in unserem Land zu befähigen, im             menschlicher Expertise bessere Ergebnisse erzielt: Ein
KI-Zeitalter in Teams von Menschen und Maschinen           Team von Pathologen an der Harvard Medical School
zu arbeiten und sich hieraus neue Karrierewege zu          hat ein KI-basiertes Verfahren zur präziseren Identifi-
erschließen. Aus- und Weiterbildung ist hierfür von        zierung von Brustkrebszellen entwickelt. Als Ärzte und
zentraler Bedeutung (siehe Zukunftsfeld Qualifikation      Technik unabhängig voneinander arbeiteten, übertraf
und Ausbildung).                                           die diagnostische Treffsicherheit der Pathologen die
                                                           der Maschinen mit 96 zu 92 Prozent. Das Team aus
                                                           Ärzten plus Künstlicher Intelligenz identifizierte Brust-
                                                           krebszellen jedoch mit einer Quote von 99,5 Prozent.
                                                           Bei weltweit fast 1,7 Millionen neu diagnostizierten
                                                           ­Fällen von Brustkrebs jährlich bedeutet dies, dass die
                                                            Zahl der Frauen, die eine akkurate Diagnose erhalten,
                                                            um circa 60.000 steigt.40

18
Gesellschaftlicher Zusammenhalt und                          Berührungsängste mit KI in der Bevölkerung
Inklusion                                                    und in den Unternehmen abbauen
 INT BEISPIEL: Zusammen mit der indischen National           Vielen Menschen in unserem Land ist nicht bewusst,
Association for the Blind hat Accenture Labs die             dass sie heute bereits von KI profitieren, sei es durch
DRISTHI-App für Menschen mit Sehstörungen ent­               Sprachsteuerung im Auto oder durch personalisierte
wickelt. Sie nutzt Natural Language Processing,              Produktempfehlungen beim Online-Shopping. Mythen
­Optical Character Recognition und andere KI-Tech­           entlarven und „mögliche Ängste durch Information in
 nologien, um eine Audio-Beschreibung der direkten           Interesse verwandeln“ sind Ziele des Virtuellen Hauses
 Umgebung einer sehbehinderten Person zu erstellen.          der Digitalisierung in Niederösterreich. Die interaktive
 Die Lösung lässt sich in intelligente Brillen integrieren   Plattform wurde im Januar 2019 eröffnet und als
 und unterstützt so Sehbehinderte in ihrem Alltag.41         Begegnungsort für alle Bürger konzipiert, die sich für
                                                             Digitalisierung interessieren. Unter anderem bietet die
Umweltschutz und Energieeffizienz                            Plattform ein Vorschlagsystem zur Vernetzung heimi-
INT BEISPIEL: Das kanadische Unternehmen EMAGIN              scher Betriebe mit Forschungseinrichtungen, um die
Clean Technologies Inc. nutzt KI, um die Wasser- und         Digitalisierung der Unternehmen voranzutreiben.46
Abwasserwirtschaft von Stadtwerken zu verbessern.
Die operative KI-Software analysiert und „lernt“ von         Erfolgsfaktoren und gesellschaftliche Implika­
Daten, die Wasserversorger bereits über Sensoren             tionen von Mensch-Maschine-Kollaboration in
generieren. Hierdurch können Prognosen zum Wasser-           der Arbeitswelt erforschen
bedarf erstellt und die Stromeffizienz erhöht werden.42      Arbeiten in Zukunft Mensch und Maschine Hand in
                                                             Hand, birgt dies nicht nur neue Wertschöpfungspoten-
                                                             ziale, sondern auch mögliche Konflikte, Missverständ-
HANDLUNGSBEDARF                                              nisse und sogar Gefahren. Das Doktorandenkolleg
                                                             „TrustRobots“ an der TU Wien beschäftigt sich trans-
Ethische Leitlinien erarbeiten und                           disziplinär mit der Komplexität der Mensch-Roboter-
kommunizieren                                                Interaktion, der sicheren Nutzung und ethischen Sach-
KI muss auf verantwortungsvolle Weise konzipiert,            verhalten. Sowohl technische Grundlagenforschung
entwickelt und eingesetzt werden. Durch ethische             als auch die Auseinandersetzung mit anwendungs­
Rahmenbedingungen wird auf allen Ebenen Vertrauen            bezogenen Fragestellungen sind geplant, um die
in das System erzeugt – ein wesentlicher Bestandteil         gesellschaftlichen Implikationen von augmentierten
der „social licence to operate“. Sie stellen zugleich        Teams zu verstehen.47
eine nachhaltige Nutzung der KI-Vorteile sicher.

Auch die Unternehmen in Österreich erkennen die
Relevanz des Themas und sehen ihre Verantwortung:
90 Prozent geben an, es sei wichtig oder sehr wichtig,
dass Kunden und Mitarbeiter nachvollziehen können,
anhand welcher Daten und Kriterien KI-gestützte
Entscheidungen in ihrem Unternehmen getroffen
werden.43

Wie ein innovationsfreundlicher, agiler Ansatz für die
ethische Entwicklung von KI in Unternehmen aussehen
kann, zeigt zum Beispiel das von Accenture ent­wickelte
Framework namens Launchpad. Es hilft Unternehmen,
die Risiken zu verstehen, die sich aus KI-Initiativen
ergeben können. Zudem zeigt es Möglichkeiten auf,
durch Governance, technische Lösungen und sons-
tige Methoden diese Risiken zu mindern.44 Des Weite-
ren hat Accenture ein „Fairness Tool“ ent­wickelt. Es
untersucht sensible Daten – die beispielsweise Variab-
len wie Ethnizität oder Geschlecht beinhalten – und
identifiziert Diskriminierungen.45

                                                                                                                   19
ZUKUNFTSFELD QUALIFIKATION
UND AUSBILDUNG
WAS WOLLEN WIR ERREICHEN?                                     Die Beschäftigten weltweit nehmen den Wandel
                                                              bereits wahr: 67 Prozent erachten es als wichtig, Fähig-
Die Künstliche Intelligenz wird die Arbeitswelt grund-        keiten zu entwickeln, um mittelfristig mit intelligenten
legend verändern, doch ihre genauen Auswirkungen              Maschinen zusammenarbeiten zu können. Doch bekla-
können wir noch nicht abschätzen. Die Integration             gen sie mangelnde Unterstützung durch Arbeitgeber.
der KI in die Wertschöpfungsketten der verschiedenen          So geben 49 Prozent an, dass im Arbeitsalltag zu wenig
Wirtschaftszweige steht erst am Anfang. Klar ist, dass        Zeit für Weiterbildungen und das Erlernen neuer
sich durch den zunehmenden Einsatz von KI die Aufga-          Fähigkeiten bleibt.50 Tatsächlich wollen weltweit ledig-
ben und Tätigkeiten der Beschäftigten ändern werden.          lich drei Prozent der Führungskräfte zeitnah signifikant
                                                              mehr in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter investieren.51
Manche Tätigkeiten und Aufgaben in einem Unterneh-
men oder einer anderen Organisation können automa-            Der gefühlte Handlungsdruck hält sich jedoch in
tisiert und durch Maschinen ersetzt werden. Oftmals           Grenzen: Die Wirtschaftslage ist derzeit gut. Oftmals
kann KI den Menschen bei der Bewältigung seiner               setzen Unternehmen das Thema Künstliche Intelligenz
Arbeit unterstützen, so zum Beispiel bei der Entschei-        erst jetzt auf ihre Agenda. Das könnte sich rächen,
dungsfindung. Diese sich ausweitende Schnittstelle            denn an der Schnittstelle Mensch-Maschine müssen
Mensch-Maschine stellt sowohl die Menschen als auch           dringend neue Kompetenzen herangebildet werden.
Maschinen vor Herausforderungen – und ist der ent-            Das heißt aber nicht, dass jeder von uns zum Data
scheidende Faktor, um die Chancen von KI tatsächlich          Scientist werden muss. Auch in Bezug auf die aktuelle
zum Wohle der Menschen zu nutzen.                             und künftige Studenten-Generationen müssen wir uns
                                                              wenig Sorgen machen. Bei ihnen sind Digitalisierungs-
Wie ein Bericht des World Economic Forums aufzeigt,           berufe ohnehin „in“. Schwieriger kann es für jene
wird die Arbeitswelt durch die vierte industrielle Revo-      Arbeitnehmer werden, die noch zwanzig oder dreißig
lution oft höhere Qualifikationen und insbesondere            Jahre vor sich haben. Ihnen droht das Schicksal einer
spezielle Kompetenzen an der Schnittstelle Mensch-            nicht mitgenommenen „Lost Generation“.
Maschine erfordern.48 Es besteht somit die Gefahr,
dass es auf dem Arbeitsmarkt zu einer Polarisierung           Von Führungskräften ist oft dieser Satz zu hören: „Ich
kommt, indem mittlere Qualifikationen erodieren. Mit          finde nicht die Leute, die ich brauche“. Die logische
einem erhöhten Qualifikationsniveau über alle Quali­          Konsequenz daraus: eigene Aus- und Weiterbildung.
fikationen hinweg kann diesem Szenario entgegen­              Noch immer denken wir dabei aber zu sehr in Rollen.
gesteuert werden.49                                           Mitarbeiter sind entweder Controller, Ingenieure,
                                                              Marketing-Spezialisten – nie aber alles zusammen.

ABBILDUNG 5: ACCENTURE ETHNOGRAPHISCHE STUDIE, 2017

Die Evolution der Arbeit und die Augmentierung der Arbeiter

  Ein Fernfahrer steuert das Fahrzeug auf der Straße          Der Fahrer wird zum „Systemmanager in der Kabine“ und
  und ist für Geschwindigkeit, Bremsen und Lenken             leistet technische Arbeiten auf hohem Niveau, wie z.B. die
  verantwortlich.                                             Überwachung von Diagnosesystemen und die Optimierung
                                                              von Routineaufgaben, während das automatisierte
                                                              Fahrzeug Bremsen und Geschwindigkeit steuert.

  Ein Software-Entwickler verbringt jede Woche                Maschinelle Intelligenz identifiziert neue Spam-Keywords
  Zeit damit, neue Spam-Flags zu identifizieren               und aktualisiert Erkennungsregeln, wodurch der Mitarbeiter
  und manuell Regeln für die Spam-Erkennung zu                für die Entwicklung neuer Software befreit wird.
  schreiben.

  Ein Luft- und Raumfahrtingenieur entwirft eine neue         Generatives Design imitiert den evolutionären Ansatz der
  Flugzeugkomponente und führt manuelle Berech-               Natur, um Millionen von möglichen Designs vorzuschlagen,
  nungen durch, um widerstandsfähige und gleichzeitig         und prüft auf Widerstandsfähigkeit und Leichtigkeit der
  leichte Konstruktionen zu erstellen.                        Komponenten.

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