Mit dem Herzen kommunizieren - Mirnesa Manjic - unipub
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Mirnesa Manjic Mit dem Herzen kommunizieren Empathische Kommunikation mit dementen Menschen communication with the heart empathic communication on people with dementia Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades eines Master of Science im Rahmen des Universitätslehrganges Lehrer/-in für Gesundheits- und Krankenpflege Mag. Dr. Ulrike Schwarz Karl-Franzens-Universität Graz und UNI for LIFE Graz, 2021
Abstract Der demografische Wandel führt insgesamt zu einer Zunahme der Bevölkerung, und zu einer zunehmenden Anzahl älterer Menschen. Dadurch steigt auch die Tendenz, im Laufe eines Lebens mit der Diagnose Demenz konfrontiert zu werden. Mit dieser Diagnose verbindet sich die Herausforderung theoretisch sowie praktisch umzugehen. Je nach Schweregrad der demenziellen Erkrankung, entwickeln sich kognitive sowie kommunikative Defizite beim dementen Menschen, die große Anforderungen an die Pflege stellen. Menschen mit Demenz sind ständig in ihrer eigenen Gefühlswelt gefangen und zeigen sich als eher emotional verarbeitende Menschen. Die daraus resultierenden Schwierigkeiten mit dementen Menschen zu kommunizieren sind dementsprechend hoch und es braucht ein Grundverständnis für kommunikative Prozesse sowie die Fähigkeit, empathische Gespräche führen zu können. Die vorliegende Masterarbeit beschäftigt sich mit der Frage, welche Elemente von ausgewählten Kommunikationsmodellen und -theorien in der empathischen Kommunikation mit dementen Menschen von Bedeutung sind und wurde anhand der kritischen Auseinandersetzung mit der Literatur beantwortet. Es lässt sich über verschiedene Theorien und Modelle hinweg sagen, dass die empathische Kommunikation maßgeblich und essenziell für eine verständnisvolle, wertschätzende Gesprächsführung in der Kommunikation generell ist – insbesondere aber auch mit dementen Menschen. Insgesamt muss die Bedeutung kommunikativer Abläufe für die Pflege betont werden. Um einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Ausbildung in der Pflege zu leisten, wurden zentrale Aspekte aus den Kommunikationstheorien und -modellen gefiltert und daraus ein Leitfaden für zukünftige Teilnehmerinnen/Teilnehmer in der Pflegeausbildung entwickelt. Empathische Kommunikation, die für die einfühlsame Gesprächsführung mit dementen Menschen benötigt wird, kann in 10 wesentlichen Schritten gelingen.
Abstract Certain of the steadily increasing demographic change and the increasing tendency that the diagnosis „dementia“ popullary grows with humanity, the task of today's society is to become more familiar with the diagnosis. Both oft he sides – the theoretical and practical part of comunication with these patients. Depending on the severity of the dementia, the cognitive and communicative deficits of these people with dementia. But if you take a closer look at the dementia stages of the diagnosis, the dementia sufferers are constantly trapped in their own "emotional world" due to the inner processing of life, and accordingly express themselves in society as a "soulful species". The resulting communication difficulty in coming into contact with people with dementia is the building of familiar relationships and empathy. In order to become familiar with people on the relationship level, you need a basic understanding of communication and the ability to conduct empathic conversations. This master's thesis deals with the question of which elements of selected communication models and theories are important in empathic communication on people with dementia and was answered on the basis of a critical examination of the literature. It can be said across various theories and models that empathic communication is decisive and essential for understanding, appreciative conversation in communication in general - but especially with people, who have the diagnosis dementia. Overall, the importance of communicative processes for nursing needs to be emphasized. In order to contribute to the further development of nursing training, central aspects were filtered from the communication theories and models and a guide for future participants in nursing training is constructed from this. Empathic communication, which is required for sensitive conversations with people with dementia, can be achieved in 10 essential steps.
1 Einleitung Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung....................................................................................................... 1 2 Demenz .......................................................................................................... 6 2.1 Demenzformen ......................................................................................................... 7 2.1.1 Primäre Demenz ............................................................................................... 8 2.1.2 Sekundäre Demenz ........................................................................................ 12 2.2 Kommunikationsstörungen bei dementen Menschen ............................................. 13 3 Kommunikationstheorien und -modelle .................................................... 19 3.1 Paul Watzlawick: Pragmatische Axiome ................................................................. 21 3.2 Friedemann Schulz von Thun: Mit vier Ohren hören .............................................. 25 3.3 Eric Berne: Transaktionale Analyse ........................................................................ 28 4 Modelle der Gesprächsführung.................................................................. 31 4.1 Erwin Böhm: Erreichbarkeitsstufen ......................................................................... 31 4.2 Naomi Feil: Validation ............................................................................................. 33 4.3 Nicole Richard: Integrative Validation .................................................................... 37 4.4 Carl Rogers: Klientenzentrierte Gesprächsführung ................................................ 38 4.5 Marshall B. Rosenberg: Gewaltfreie Kommunikation ............................................. 39 4.6 Vera F. Birkenbihl: Bedürfnisbefriedigung .............................................................. 41 4.7 Virginia Satir: Kommunikationsmuster und Selbstwert ........................................... 44 5 Empathische Kommunikation .................................................................... 47 5.1 Empathische Grundaspekte ................................................................................... 48 5.1.1 Kontaktaufbau und Datenerhebung ................................................................ 51 5.1.2 Emotionen erkennen und interpretieren .......................................................... 53 5.1.3 Beziehung aufbauen und Vertrauen schaffen ................................................ 55 6 Leitfaden ...................................................................................................... 57 7 Zusammenfassung...................................................................................... 67 Literaturverzeichnis ......................................................................................... 73 1
1 Einleitung 1 Einleitung Verbale und nonverbale Kommunikation ist wesentliches Mittel aller sozialen Interaktionen zwischen Menschen – und das über alle Kulturen hinweg. Umso schwerwiegender ist es, wenn die sprachlichen Möglichkeiten beeinträchtigt sind. Verschiedene Grunderkrankungen führen bei Menschen zu Problemen im Sprachvokabular oder im Verhalten. Auch Demenz beeinträchtigt die Kommunikation auf unterschiedliche Art und Weise, wobei unterschiedliche Formen von Demenz unterschiedliche Veränderungen in Sprache, Beziehungsebene und Kommunikation mit anderen nach sich ziehen. Fachspezifische Literatur zeigt deutlich, dass sprachliche Defizite sowie Kommunikationsstörungen eines von vielen symptomatischen Begleiterscheinungen bei Demenz sind. Jedoch können diese individuell und je nach Schweregrad der Diagnose, weniger oder stärker ausgeprägt sein. Aus den sprachlichen Defiziten von Menschen mit Demenz muss die Konsequenz gezogen werden, dass Mitteilungen an die Umgebung oft wie Querschnitte wirken, schwer verständlich sind und immer mehr sprachliche Komplexitäten aufweisen (vgl. Ellis/Astell 2019, S. 22). Demenzielle Symptome, wie Vergessenheit oder Desorientiertheit sind für viele generell erschreckend. Wenn an Demenz oder Alzheimer gedacht wird, wird oft an Menschen gedacht, die vollkommen verwirrt sind, in ihrem Leben jegliche Kontrolle verloren haben und pflegebedürftig sind. Medien unterstützen solche Bilder durch Bilder von dementen Personen mit weit fortgeschrittenen Krankheitsverläufen (vgl. Stechl/Steinhagen- Thiessen/Knüvener 2008, S. 11). Die Befürchtung mit der Diagnose Demenz Selbstbestimmung, Selbständigkeit und Freiheit zu verlieren und schicksalshaft abhängig zu werden, löst Unwohlsein aus (vgl. Kitwood, 2019, S. 9). Neben diesen Defiziten können im Weiteren sprachliche und schwer nachvollziehbare Kommunikationsstörungen auftreten. Publiziert wird Demenz heute überwiegend als „organische bedingte psychische Erkrankung“ (vgl. Kitwood 2019, S. 20). Doch diese Diagnose verrät eben nichts über Verhaltens-, Kommunikations- und Wesensveränderungen, die 1
1 Einleitung mit der Krankheit Demenz verbunden sind und einen hohen Zeitaufwand für Pflege- oder Betreuungspersonen beanspruchen, welche mit dementen Menschen arbeiten. Wenn demente Menschen aufgrund ihrer schlecht regulierbaren Emotionsäußerungen, unbedachte Informationen von sich abgeben, können diese falsch interpretiert werden und als persönlicher Angriff verstanden werden, was dann zu zwischenmenschlichen Konflikten führen kann. Wird jedoch der Wissensstand zum Krankheitsbild Demenz erweitert, kann ein Grundverständnis für die Problematik entstehen. Dieser Sachverhalt erscheint umso bedeutungsvoller, wenn die zunehmende Anzahl an älteren Menschen in der Gesamtbevölkerung – und damit verbunden eine Zunahme der Diagnose Demenz – betrachtet wird. Schätzungsweise gab es im Jahr 2015 bereits 46,8 Millionen Menschen mit der Diagnose Demenz. 2030 wird es wohlmöglich einen Anstieg auf 74,7 Millionen Menschen mit Demenz geben, der sich 2050 noch mal auf 131,5 Millionen Menschen vergrößern wird (vgl. Ellis/Astell 2019, S. 18). Andere Studien gehen von etwas weniger großen Zahlen für 2050 aus, wobei dies eher jene Länder betrifft, die derzeit noch am Beginn des Alterungsprozesses stehen, und man im Grunde genommen nie vorausschauend sagen kann, was in der Zwischenzeit passieren wird (vgl. Bickel 2017, S. 18). Diese Zahlen machen deutlich, dass es zu einer steigenden Zahl von Demenzerkrankungen in der Bevölkerung kommen wird. Insgesamt bedeutet dies aber eben auch, das zukünftige Pflegeexperten eher und immer mehr den Kontakt zu dementen Menschen haben werden, weshalb eine fundierte Ausbildung zur Kommunikation mit Menschen, die an Demenz erkrankt sind, besonders von Bedeutung erscheint. Für die Gesellschaft insgesamt bedeutet eine ständig alternde Gesellschaft, dass Zukunftsszenarien für die Pflege in den Fokus rücken müssen. Es braucht mehr Gedanken zur Abschätzung des Bedarfs an medizinischen, pflegerischen, sozialen Diensten sowie Hilfsangeboten zur häuslichen Versorgung. Dies vor allem im Bereich des Case und Care-Managements. 2
1 Einleitung Gerade die häusliche Versorgung ist von zentraler Bedeutung, denn unbestritten ist, dass jeder Mensch so lange wie möglich zu Hause in der gewohnten Umgebung verbleiben möchte. Dementsprechend werden auch Therapie- und Unterstützungsangebote im mobilen Bereich erweitert, um dieses Bedürfnis, in gewohnter Umgebung zu verbleiben, dem dementen Menschen zu ermöglichen. Dies bedeutet auch ein Blick auf das Personal zu haben. Denn die Ausweitung der häuslichen Versorgung bedeutet auch, dass hier ein erhöhter Bedarf an professionell ausgebildeten Arbeitskräften besteht (vgl. Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz 2020, o.S.). Es lässt sich sagen, dass die Diagnose Demenz hohe Ansprüche an Angehörige und an das medizinisch- pflegerische Personal, sowie auch an den Rest der Gesellschaft stellt (vgl. Kitwood 2019, S. 20-21). Es geht in der Pflege eben nicht nur darum, demente Menschen mit dem Prinzip „warm-satt-sauber“ zu begleiten (vgl. Böhm 2012, S. 17). Hierbei geht es um mehr als nur die körperliche Unterstützung – es geht darum, Vertrauen aufzubauen und Verstehen zu fördern. Von allen Bereichen der Arbeit mit älteren Menschen, bringt die Pflege von Menschen mit Demenz nach Ansicht der Autorin der vorliegenden Arbeit, vielleicht die stärksten Herausforderungen. So lässt sich wie oben bereits festgestellt darauf aufmerksam machen, dass zukünftige Pflegeexperten, welche sich heute in Ausbildung befinden, im Laufe ihrer Tätigkeit immer mehr dazu aufgefordert sein werden, empathische Kommunikation in verschiedenen Settings ihres beruflichen Alltags anwenden zu müssen. Es lässt sich zudem aus obigen Ausführungen festhalten, dass kommunikative Kompetenzen eine der zentralsten Kompetenzen sind, die im Bereich der Pflege – insbesondere in der Arbeit mit an dementen Menschen – benötigt werden. Denn erst wenn es bei richtig angewandter Technik gelingt, Bedürfnisse und Emotionen von dementen Menschen ausfindig zu machen, können diese Bedürfnisse auch gestillt werden. Personen, die mit dementen Menschen arbeiten, haben die Aufgabe, einen Weg zu finden, mit den vielfältigen Verhaltensweisen der dementen Menschen zurechtzukommen. Dafür braucht es vor allem individuelle und angepassten Kommunikationstechniken und die Fähigkeit 3
1 Einleitung zur zwischenmenschlichen Empathie (vgl. Matolycz 2011, S. 62). Aus diesen Überlegungen heraus lässt sich die hohe Bedeutung von Kommunikation allgemein im Rahmen der Pflegeausbildung hervorstellen. Inwiefern sich aus bereits bekannten Kommunikationstheorien und - modellen Ableitungen für die Ausbildung notwendiger kommunikativer Kompetenzen und Gesprächstechniken – insbesondere für die Kommunikation mit dementen Menschen – machen lassen, bleibt zu prüfen. Die eben dargestellten Überlegungen führen zur Formulierung der folgenden Forschungsfrage: „Welche Elemente von ausgewählten Kommunikationsmodellen und - theorien sind in der empathischen Kommunikation mit dementen Menschen von Bedeutung?“ Die Forschungsfrage wurde anhand einer kritischen Analyse der Literatur einer Klärung zugeführt. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es einerseits, einen Überblick über die Möglichkeiten zur Kommunikation bei dementen Menschen zu geben, andererseits Elemente und Aspekte aus den Kommunikationstheorien und -modellen zu filtern, um daraus einen Leitfaden für zukünftige Teilnehmerinnen/Teilnehmer in der Pflegeausbildung zu entwickeln. Die vorliegende Arbeit ist in 7 Kapitel aufgebaut. Kapitel 2 beschäftigt sich mit dem Krankheitsbild Demenz und seinen Formen. Demenzformen werden in primäre und sekundäre unterschieden und auch die Ursachen sind unterschiedlich und werden erläutert. Diese Ursachen führen zu vielen gemeinsamen Begleiterscheinungen, die die Zusammenarbeit, sowie die zwischenmenschliche Interaktion mit an dementen Menschen erschwert. Wortfindungsstörungen sowie Gedächtnissprünge, emotionale Gemütseskapaden mit begleitenden Verhaltens- sowie Wesensveränderungen können grundsätzlich die Kommunikation schwierig machen. Auch mit diesen Kommunikations- und Sprachstörungen beschäftigt sich Kapitel 2. 4
1 Einleitung Kapitel 3 erörtert denkrichtig daher verschiedene Kommunikationsmodelle und -theorien und damit die Gestaltungsmöglichkeiten der Gesprächsführung. Es werden grundsätzliche empathischen Grundzüge und Elemente beleuchtet. Ausgewählt wurden Theorien und Modelle, die – aus Sicht der Autorin – mehr oder weniger explizit eine verständnisvolle und wertschätzende Kommunikation als zentralen Aspekt von Kommunikation beschreiben. Kapitel 4 geht in weiterer Folge auf Modelle der Gesprächsführung ein, welche auf den kommunikationstheoretischen Annahmen beruhen und deren Intention es ist, diese Annahmen auf die Praxis der Gesprächsführung umzulegen. Auch hier geht es immer um den Aspekt einer wertschätzenden Kommunikation miteinander. Kapitel 5 befasst sich mit den zentralen Aspekten einer empathischen Gesprächsführung. Es wird hier der Frage nachgegangen, was eine empathische Kommunikation ausmacht und welche Kompetenzen dafür benötigt werden. Emotionen dementer Menschen, die sich während einer Aufarbeitung gewisser Lebensereignisse erkennen lassen, werden von der Gesellschaft oft verdrängt oder gar falsch interpretiert. Hier braucht es Know-how zur einfühlsamen Kommunikation mit Menschen, die an Demenz erkrankt sind. In Kapitel 6 wird der oben erwähnte Leitfaden präsentiert. Dieser Leitfaden soll, Kommunikationstechniken mit Augenmerk auf empathische Aspekte für den Unterricht in Pflegeausbildungen zusammenfassen und Auskunft darüber geben, was in der Kommunikation mit dementen Menschen besonders zu beachten ist. Den Abschluss der Arbeit bildet eine Zusammenfassung, welche einen Rückblick liefert und dabei die Forschungsfrage beantwortet. 5
2 Demenz 2 Demenz Wenn mit dementen Menschen zusammengearbeitet und kommuniziert werden soll, muss im Grunde genommen ein Wissen darüber da sein, was Demenz ist und welche Defizite auftreten können – wie sich die Krankheit also letztlich auswirkt. Ein umfangreiches Fachwissen führt zu einem Grundverständnis der Diagnose Demenz und ihren Erscheinungsformen. Damit kann einer professionellen Kommunikation mit dementen Menschen nichts im Wege stehen. Der Begriff „Demenz“ kommt aus dem Lateinischen, und bedeutet übersetzt „ohne Geist“ sein. Zusammengefasst nehmen die geistigen sowie kognitiven Fähigkeiten ab (vgl. Engel 2012, S. 11). Andernorts wird beschrieben, dass die Demenz das funktionsfähige Gewebe des Gehirns angreift und sich die vorhandenen Gehirnfunktionen dementsprechend verschlechtern (vgl. Matolycz 2011, S. 55). Es wird im Grunde genommen nicht nur der psychische, sondern gemeinsam auch der physische Zustand eines Menschen beeinträchtigt (vgl. Feil/de Klerk-Rubin 2010, S. 45). Es wird zudem beschrieben, dass die Demenz keine eigentliche Erkrankung, sondern ein Syndrom ist, dass durch vereinzelte Grunderkrankungen im Gehirn, zu primären oder sekundären Gehirndefiziten führt (vgl. Hametner 2020, S. 18). Es bleibt hier jedoch kritisch nachzufragen, warum Demenz immer wieder als Krankheit oder Erkrankung dargestellt wird, wenn es sich im Grunde genommen bei Demenz eher um eine Symptomatik von Grunderkrankungen handelt. Demenz greift nicht nur die Leistungsfähigkeit an, sondern alle Bereiche, die das Menschsein ausmacht. Die Selbstbestimmung sowie die Selbständigkeit in allen Lebensaktivitäten können dadurch beeinträchtigt werden. Dies kann in der Bevölkerung Angst auslösen, mit dementen Menschen zusammenzuarbeiten oder gar selbst an Demenz zu erkranken (vgl. Hametner 2020, S. 15). 6
2 Demenz Demenz wird schon seit langem von Forschern, Wissenschaftlern und Neurologen untersucht, wobei die grundlegenden Erkenntnisse vom letzten Jahrhundert stammten (vgl. Ellis/Astell 2019, S. 18). Grundsätzlich wird Demenz in der wissenschaftlich-medizinischen Sprache als Überordnung für eine Reihe von Symptomen verwendet. Demenz sollte genau beobachtet werden – zeitintensiv ist – um die Diagnose adäquat stellen zu können (vgl. Ellis/Astell 2019, S. 18-19). Demnach sollte bei der Stellung der Diagnose Demenz nicht zu voreilig vorgegangen werden. Symptomatiken, wie Wesensveränderungen oder Kommunikationsstörungen, sollten in einem Zeitraum von sechs Monaten beobachtet und hinterfragt werden. Da es in einem Akutkrankenhaus jedoch aufgrund von Zeitmangel schwer möglich ist, Menschen genauer zu beobachten, sollten nahe Angehörige bzw. Betreuungspersonen herangezogen werden, die diese Beobachtungen zu Hause führen und diese an das medizinische Fachpersonal weiterleiten (vgl. König/Zemlin 2020, S. 13). 2.1 Demenzformen Demenz wird in eine primäre und in eine sekundäre Form unterschieden. Dementsprechend sind hier auch die Ursachen, die zu einer Demenz geführt haben, unterschiedlich. Bei der primären Demenzform führen Ablagerungen im Gehirn – sogenannte Plaques – zu demenzieller Symptomatik. Bei der sekundären Demenzform hingegen, führten Grunderkrankungen des Körpers, wie erhöhter Blutdruck, zu einer Überstrapazierung der Gehirngefäße, was dann zu einer begleitenden demenziellen Erkrankung führen kann (vgl. Engel 2012, S. 12). 7
2 Demenz 2.1.1 Primäre Demenz Zu der primären Demenzformen gehört die neurodegenerative Demenz. Der Begriff neurodegenerativ setzt sich aus den Begriffen Neuron, (Nervenzelle) und Degeneration (Rückbildung) zusammen. Das menschliche Gehirn besteht aus etwa 100 Milliarden Gehirnzellen. Das Absterben gewisser Gehirnzellen fängt bei dieser Form erst ab dem mittleren bis späten Lebensalter an (vgl. Engel 2012, S. 12). Die Schädigung im Gehirn beginnt vermutlich Jahre oder Jahrzehnte vor dem Zeitpunkt der Diagnoselegung, und ist sehr wahrscheinlich durch die Fehlentfaltung von Proteinen getriggert, die weitere Fehlentfaltungen induzieren und somit auch zu einer lokalen Ausbreitung des pathologischen Prozesses führen können (vgl. Gasser/Maetzler 2017, S. 36). Im Grunde genommen liegt die Ursache bei der neurodegenerativen Demenz hauptsächlich am Zellsterben der diversen Hirnregionen und in der Bildung schwer löslicher Eiweißablagerung (vgl. Alzheimer Forschung Initiative e.V. 2021a, o.S.). Wenn ein Teil der Nervenzellenkontaktstellen im Gehirn zerstört sind, treten die ersten wahrnehmbaren Symptome, wie Vergesslichkeit, auf. Betroffen sind zunächst nur bestimmte Gebiete des Gehirns, zum Beispiel eine Region, die relativ tief im Hippocampus liegt (vgl. Engel 2012, S. 12-13). Die Alzheimer-Demenz gehört zu den primären Demenzformen und wurde von Alois Alzheimer 1907 erstmals verschriftlicht und auf die Eiweißablagerungen hingewiesen (vgl. Ellis/Astell 2019, S. 18). In einer Studie aus dem Jahre (Snowden 1986) konnten allerdings gerade bezüglich der Annahme, dass die Eiweißablagerungen ein Indiz seien für Demenz, das Gegenteil empirisch belegt werden. In dieser längsschnittlichen Studie wurden 678 Nonnen aus den USA im Alter zwischen 75 und 106 Jahren beforscht (vgl. Klug 2015, o.S.). Die Teilnehmerinnen wiesen eine ähnliche bis idente Lebensführung auf und hatten sogar idente Lebenseinstellungen. Sie waren römisch-katholisch, lebten in einem Kloster und führten dadurch einen bewussten und 8
2 Demenz strukturierten Lebensstil. Alle waren sehr gläubig und lebten ohne Partner (vgl. Klug 2015, o.S.). Über 80 Prozent der beteiligten Nonnen waren als Lehrperson in einer Schulorganisation tätig und geistig daher ständig gefordert. Die Frage, die die Forscherinnen und Forscher beschäftigte, fokussierte die Faktoren, welche eine demenzielle geistige Beeinträchtigung herbeiführen konnten. Bei allen 678 Nonnen wurde die Lebensbiografie erhoben und drei Mal am Tag wurden Tests im Bereich der kognitiven Leistungsfähigkeit durchgeführt (vgl. Klug 2015, o.S.). Nach dem Tod der jeweiligen Nonnen wurden Obduktionen der Gehirne durchgeführt und auf Eiweißablagerungen untersucht. Bei allen Nonnen wurden Eiweißablagerungen nachgewiesen, bei einer Schwester sogar in hohem Maße. Nur dass diese Schwester namens Bernadette bis zu ihrem Versterben im Alter von 85 Jahren körperlich sowie geistig fit gewesen war und sich zu Lebzeiten keine Beeinträchtigungen in kognitiven Bereichen feststellen haben lassen (vgl. Klug 2015, o.S.). Diese Plaques bzw. Eiweißablagerungen, die Schwester Bernadettes Gehirn nachgewiesen worden sind, waren so stark wie bei einer stark dementen Person im Kortex zu finden (vgl. Klug 2015, o.S.). Dies lässt zwei Schlüsse zu: Zum einen könnte es sein, dass die Eiweißablagerungen kein Hinweis auf Demenz sind. Zum anderen auch, dass eine sinnerfüllte und strukturierte, ruhige Lebensweise der demenziellen Symptomatik einiges entgegenzusetzen hat (vgl. Langbein & Partner 2019, o.S.). 1970 konnte der Neurologe Robert Katzman erstmals ähnliche Gehirnstrukturen und Symptome bei seinen Patienten erkennen, wie Alzheimer sie schon beschrieben hatte. Laut Katzman und seinem damaligen Kollegen Krasu, war die Alzheimer-Demenz einer der häufigsten Ursachen des Versterbens in den USA. Katzmann und Krasu untersuchten grundlegende Aspekte des Gehirns und schlossen damit an die Arbeit von Alois Alzheimer an (vgl. Ellis/Astell 2019, S. 18). Die Symptome bei diesem Typ Alzheimer-Demenz sind am Anfang schleichend und die Betroffenen selbst merken diese auch nicht. Es kann immer wieder vorkommen, dass etwas vergessen oder verlegt wird. Das 9
2 Demenz Gehirn ist selbst so komplex, dass es versucht durch Bilden neuer Synapsen einen anderen Weg zu finden, um Vorgehensweisen und Fertigkeiten des Körpers zu steuern. Deswegen wird dies als schleichend empfunden. Hierbei gibt es vier Stadien, die beim grundsätzlichen Typ Alzheimer-Demenz unterschieden werden können (vgl. Matolycz 2011, S. 56-57). Im ersten Stadium, das sich auch das „frühe Stadium“, oder das „Vergessens-Stadium“ nennt, wirken die dementen Menschen eher verunsichert, zerstreut. Sie verlegen oder vergessen – wie oben beschrieben – oft Dinge im alltäglichen Leben. In diesem Stadium ist es schwer, als Betreuungs- oder Pflegeperson sofort die ersten Symptome zu erkennen, da ja die dementen Menschen selbst bei vollem Bewusstsein sind und diese Sachverhalte oft verdrängt und vertuscht werden. Zudem können in der ersten Phase auch depressive sowie aggressive Verstimmungen wahrgenommen werden (vgl. Matolyzc 2011, S. 58). In der CDR-Skala (Clinical Dementia Rating Scale), würden die dementen Menschen eine Stufe von 0,5 – 1 erhalten (vgl. Engel 2012, S. 27). Diese Skala hat den Ursprung aus England und besagt, dass jedes Stadium spezifische Symptomatiken bei Demenz aufzeigt. Die Skala fängt bei 0 (keine Demenz), 0,5 (mögliche Demenz), 1 (leichte Demenz), 2 (mittelschwere Demenz) und endet mit der Nummer 3 (schwere Demenz). Aufgrund der Skaleneinteilung wird eine Bewertung und Einordnung der Symptome versucht. Dies wird in der Praxis ausschließlich von ausgebildeten Fachpersonen durchgeführt, die sich in diesem Fachgebiet und Gefüge spezialisiert haben (vgl. Engel 2012, S. 27). Beim zweiten Stadium, auch das „mittlere Stadium“ oder „Verwirrtheitsstadium“ genannt, nimmt die Selbstgefährdung bei dementen Menschen zu. Diese können mit der Zeit nicht mehr selbständig einen Haushalt führen, da die Symptome stärker ausgeprägt sind. Die kognitiven Fähigkeiten nehmen deutlich ab und es kommt zu einer verstärkten Desorientiertheit. Hier beginnen auch schon die ersten Wortfindungs- und 10
2 Demenz Kommunikationsstörungen (vgl. Matolyzc 2011, S. 58-59). Die Satzkonstellationen werden deutlich kürzer und die demente Person versteht komplexe sowie langwierige Gespräche nicht mehr (vgl. Alzheimer Austria 2021, o.S.). Im dritten und vierten Stadium („terminales Stadium“), sind die dementen Menschen nicht mehr selbständig überlebensfähig. Sie brauchen rund um die Uhr eine pflegerische sowie oftmals medizinische Betreuung. Diese Menschen können selbständig nicht mehr auf Toilette gehen, essen oder trinken. Es kommt zu einer Schluckstörung, zu unkontrolliertem Schreien, Gangschwierigkeiten oder einer kompletten Bettlägerigkeit. Hier fällt oftmals die verbale Kommunikation zur Gänze weg und die nonverbale wird impulsiver (vgl. Matolyzc 2011, S. 58-60). Die Einstufung auf der CDR- Skala würde hier mit mittelschwer (2) und schwer (3) erfolgen (vgl. Engel 2012, S. 28). Eine weitere Form der primären Demenz ist die Lewy-Körperchen-Demenz. Bei diesem Typus spielen die Eiweißablagerungen der Gehirngefäße eine ähnliche Rolle wie bei der Alzheimer-Demenz. Primär ist auch hier, dass das Gehirn selbst angegriffen wird. Es lässt sich feststellen, dass vermehrt Menschen mit Parkinson diesen Typ an Demenz entwickeln (vgl. Kitwood 2019, S. 53). Oft wird fälschlicherweise die Alzheimer-Demenz mit der Lewy-Körperchen-Demenz in der Praxis verwechselt oder falsch diagnostiziert, da die Symptome nahezu ähnlich sind. Beschrieben wurde jedoch, dass man grundlegend auf die Halluzinationen achten sollte, da diese vermehrt bei der Lewy-Körperchen-Demenz vorkommen (vgl. Flöer 2021a, o.S.). Eine weitere primäre Demenzform ist die sogenannte Stirnhirn-Demenz. Bei diesen neurodegenerativen Demenzerkrankungen, bei der die vordere Gehirnregion (Frontallappen) besonders betroffen ist, kommt es meist zu sehr starken Persönlichkeits- und Wesensveränderungen. Diese werden begleitet von starken Beeinträchtigungen der Sprachfähigkeit (vgl. Engel 2012, S. 15). Diese Demenzform kann sich bereits ab dem 20. Lebensjahr 11
2 Demenz entwickeln und zu starken Persönlichkeitsveränderungen führen. Zudem wird beschrieben, dass sexuelle Triebe bzw. sexuelle Anspielungen der dementen Menschen gegenüber Betreuungspersonen stärker als bei anderen Demenzformen wahrgenommen werden (vgl. Flöer 2021b, o.S.). Ein grundlegendes Fazit bei allen primären Demenzformen ist, dass die unmittelbare Ursache eigentlich in allen Fällen neurologisch bedingt ist. Es kommt hier zu einem Defizit in der Steuerung des Schaltkreises bzw. in der synaptischen Informationsverarbeitung und -vermittlung (vgl. Kitwood 2019, S. 96). Deshalb werden vor allem Gedächtnisdefizite, wie Vergesslichkeit und Desorientierung, als Symptomatik wahrgenommen und beobachtet. Ab dem mittleren Stadium treten dann Sprach- und Kommunikationsstörungen auf. Zur Behandlung können hauptsächlich in allen Formen Antidementiva, wie beispielsweise Rivastigmin eingesetzt werden. Dieser Wirkstoff kann grundsätzlich die Symptomatik etwas hinauszögern, jedoch die Grunderkrankung selbst nicht heilen (vgl. Alzheimer Forschung Initiative e.V. 2021b, o.S.). 2.1.2 Sekundäre Demenz An zweithäufigster Stelle der vorkommenden Demenzformen steht eine Form der sekundären Demenz. 15% aller diagnostizierten Fälle betreffen die sogenannte vaskuläre Demenz (vgl. Dammshäuser/Menche/Keller 2014, S. 1279). Grundsätzlich sind hier die Blutgefäße im Gehirn betroffen. Gewisse Regionen im Kortex werden schlecht bis gar nicht versorgt und es kommt zu einem Absterben dieses Bereichs. Für so einen Verschluss können auch andere Ablagerungen verantwortlich sein, die sich durch die Ansammlung an der Innenwand des Gefäßes bilden. Wenn diese Gefäßwand zu dick und spröde wird, kann es passieren, dass sie reißt und es zu einer Gehirnblutung kommt. Bei so einer Gehirnblutung kommt es zu denselben kognitiven Defiziten, wie sie auch bei primären Demenzformen erkennbar sind (vgl. Engel 2012, S. 15-16). Bei der vaskulären Demenz wird auch von „Multiinfarkt-Demenz“ gesprochen. Die Symptome sind generell 12
2 Demenz ident mit denen der Alzheimer-Demenz, jedoch besteht hier der Unterschied darin, dass Symptome plötzlich und rascher auftreten. Offensichtliche Symptome können Halbseitenlähmungen sowie Gleichgewichts- und Gangstörungen sein. Zudem können neurologische Defizite, wie Denk- und Merkschwächen, Bewusstseinseintrübungen und kommunikative Schwierigkeiten wahrgenommen werden (vgl. Matolycz 2011, S. 55-58). In beiden Demenzformen kann zusammenfassend besagt werden, dass Kommunikationsdefizite, Verhaltensveränderungen und Sprachsprachstörungen auftreten können, was das Gespräch mit dementen Menschen schwierig macht. Grundlegend werden bei der vaskulären Demenz und der Alzheimer-Demenz auch die gleiche Therapieempfehlungen ausgesprochen. Die ursächlichen Risikofaktoren sollten konservativ behandelt werden, damit es zu keiner weiteren Strapazierung des Gefäßes führt. Beispielsweise kann hier ein erhöhter Blutdruck, der zu einer Gefäßschädigung geführt hat, medikamentös eingestellt werden. Die kognitiven Defizite, die ja auch ähnlich zur primären Demenzform Alzheimer-Demenz sind, können grundlegend mit Antidementiva behandelt werden (vgl. Feichter 2018, o.S.). 2.2 Kommunikationsstörungen bei dementen Menschen Der gesellschaftlich nachteilige Aspekt von Demenz beruht darauf, dass der Mensch im Normalfall immer in Kontakt mit der Außenwelt ist und sein möchte. Wir Menschen kommunizieren tagtäglich mit bekannten sowie neuen Gesprächspartnern, um uns auszutauschen. Wie wir mit den erhaltenen Informationen aus diesen Gesprächen schlussendlich umgehen, ist jedem selbst überlassen. In der Gesellschaft um uns herum schwirren Botschaften von allen Seiten. Diese nehmen wir in unser Bewusstsein auf und versuchen diese zu filtern, um dahingehend zu gewissen Themen in Gesprächen mitreden zu können (vgl. Specht-Tomann 2018, S. 69). 13
2 Demenz Die Informationen, die Menschen aufnehmen, werden innerlich gestaffelt und sortiert. Um aktiv und bewusst gewisse Mitteilungen unserer Umgebung anzunehmen, verwenden wir Menschen alle unsere Sinne, sowie das Kurz- und Langzeitgedächtnis. Falls dies jedoch beeinträchtigt ist, was gerade bei Demenz leider der Fall ist, können hier Lücken der Informationssammlung entstehen. Wenn Gedächtnislücken im Kurz- und Langzeitgedächtnis mindestens über ein halbes Jahr bemerkbar sind, könnte dies auf Demenz hinweisen und an eine entsprechende Diagnostizierung gedacht werden (vgl. Müller/Felchner 2020, o.S.). Dementsprechend ist es schwer, mit dementen Menschen über neue Sachverhalte zu sprechen und länger im Gespräch zu verbleiben (vgl. Wingchen 2014, S. 18-20). Ein Vergleich von autistischen und demenziellen Sprachstörungen hat interessante Ergebnisse gezeigt (vgl. Eilert 2013, S. 24). Bei autistischer Erkrankung sind Sprachdefizite von Geburt an vorhanden, denn sie sind größtenteils angeboren. Therapieangebote zur Förderung der sprachlichen Stärkung können angeordnet werden. Demente Menschen, bei denen Sprachstörungen aufgrund von kognitiven Verlusten auftreten, weisen zwar ähnliche Sprachdefizite auf, jedoch gibt es nur selten Therapiemöglichkeiten, weil die Forschung dazu in den Kinderschuhen steckt (vgl. Eilert 2013, S. 24). Als Gesprächspartnerin/Gesprächspartner von dementen Menschen ist zu beachten, dass nicht der Inhalt des Gesprächs analysiert wird. Es sollte vielmehr versucht werden, hörbare Äußerungen, welche der Mensch mit Demenz von sich gibt, zu verstehen. Denn auch der Mensch mit Demenz will verstanden sein und auch Menschen ohne Demenz wirken durch Tagträume und ein gedankliches Abgleiten in die Vergangenheit manchmal passiv für die Gesellschaft. Aber gewisse gegenwärtige Handlungen können an ein Ereignis der vergangenen Biografie erinnern (vgl. Zoelch/Berner/Thomas 2019, S. 24). 14
2 Demenz Das soll grundsätzlich verstanden werden und einfühlsam betrachtet werden. Der ideale Gesprächspartner wäre eine Person, die dieses Verständnis mit sich bringt. Doch je nach Schweregrad der Demenz, können Sprachdefizite aufkommen, die sogar durch eine einfühlsame Kommunikation schwierig gestaltbar ist (vgl. Specht-Tomann 2018, S. 69). Wir alle kennen das intuitive Gefühl, dass etwas „auf der Zunge liegt“, doch ein Abrufen des Inhalts, der auf der Zunge liegt ist nicht möglich (vgl. Engel 2012, S. 36-37). Es fallen einfach nicht die richtigen Wörter nicht ein, um sich genauer auszudrücken. Wortfindungsstörungen können immer wieder bei Stress, Müdigkeit, Unkonzentriertheit, Nervosität oder Depression auftreten. Bei dementen Menschen sind Wortfindungsstörungen bereits im Anfangsstadium bemerkbar (vgl. Engel 2012, S. 63). Demente Menschen können in dieser Hinsicht, keine zusammenhängenden Sätze aussprechen, was sehr frustrierend für die weitere Kommunikation sein kann. In dieser Hinsicht müssen sie ihre Bedürfnisse auf eine andere, schwer verständliche Weise ausdrücken (vgl. Eckardt 2020, S.28-29). Wichtig ist, dass man als Gesprächsperson immer das Interesse verspüren sollte, die demente Person verstehen zu wollen (vgl. Nolte 2020, S. 25). Wenn jedoch gewisse Gegenstände nicht benannt werden können, wird dies als Benennstörung in der Demenz bezeichnet. Dies liegt phasenweise sogar im Zusammenhang mit der Wortfindungsstörung vor (vgl. Engel 2012, S. 37). Der wesentliche Aspekt hierbei ist, dass die demente Person generell weiß, was man mit den Gegenständen machen kann, nur der dazu passende Name kann nicht abgerufen werden (vgl. Engel 2012, S. 63). Besteht jedoch eine Erkennungsstörung, dann weiß die demente Person, neben dem Namen des Gegenstands auch nicht, was damit gemacht werden kann. In der Praxis ist dies ein grundsätzlicher Problemfaktor, da der demente Mensch natürlich versucht sich zu artikulieren, was ihm aufgrund der Sprachstörung nicht gelingt und dann zu Kommunikationsstörungen führt (vgl. Engel 2012, S. 37). 15
2 Demenz Neben verbalen Kommunikationsstörungen können auch weitere Defizite, ein Gespräch mit dementen Menschen beeinträchtigen. Es kann immer wieder vorkommen, dass demente Menschen Gedankensprünge in die Vergangenheit entwickeln, wodurch sie von anderen als teilnahmslos oder passiv wahrgenommen werden (vgl. Engel 2012, S. 64). Das Verhalten wird grundsätzlich bei dementen Menschen als sehr sprunghaft bezeichnet, da sie in ihrer emotionalen Gemütsverfassung eben auch oft zu Gedankensprüngen verleitet werden. Dies wird im pflegerischen Setting als sehr belastend empfunden, denn Gespräche werden dadurch immer wieder abgebrochen und man hat das Gefühl nicht voranzukommen (vgl. Engel 2012, S. 64). Hierbei wäre es sinnvoll, Biografiearbeit zu leisten, um zu verstehen, was eigentlich der Hauptauslöser für die Gedankensprünge ist (vgl. Elkaffas o.J., S. 3). Denn bei diesen Gedankensprüngen können Lebensereignisse und biografische Geschichten des dementen Menschen, in die Gegenwart gestellt werden. Emotionen von damals in Verbindung mit bestimmten Ereignissen im Lebenslauf können nochmals nachempfunden werden. In dieser Phase der Aufarbeitung und Verarbeitung, können Wesens- und Verhaltensmerkmale bei dementen Menschen entstehen, die eine Kommunikation und das Zusammenarbeiten mit dementen Menschen, erheblich beeinträchtigen kann. Das bedeutet, dass Gesprächspartnerinnen/Gesprächspartner Zeit brauchen, wenn mit dementen Menschen kommuniziert werden soll und es braucht zudem kürzere Satzkonstellationen, nicht nur um Gedankensprünge zu vermeiden. Lange und komplexe Sätze sind schwer verständlich (vgl. Eckardt 2020, S. 33; Caritas Pflege 2019, S. 10). Die einfache Sprache sollte jedoch keineswegs an das Sprechen mit Kleinkindern erinnern (vgl. Leuthe 2012, S. 22). Vermutet wird, dass das manchmal so ist, weil der demente Mensch in seiner Sprachwahl als einfach wahrgenommen wird. Das Verhalten von Kindern kann aber nicht mit dem Verhalten von dementen Menschen verglichen werden. Kleinkinder entwickeln sich noch und haben gewisse Lebensabschnitte noch nicht erlebt. Demente Menschen befinden sich in einem höheren Lebensalter und haben die Reife, gewisse Sachverhalte zu verstehen. Wenn mit dementen 16
2 Demenz Menschen kommuniziert wird, wird also mit einem erwachsenen Menschen gesprochen. Das Sprechen „auf Augenhöhe“ wird daher oft missverstanden, denn jemandem auf Augenhöhe zu begegnen, bedeutet nicht nur, sich der Person verbal anzupassen. Es bedeutet vielmehr die Vermittlung von Wertschätzung und Respekt. Dadurch wird jene Ebenbürtigkeit vermittelt, wodurch sich keiner der Gesprächspartnerinnen/Gesprächspartner unter- oder übergeordnet fühlt (vgl. Eichmann 2018, o.S.). Im Grunde genommen kann man sagen, dass auch bei der Kommunikation mit dementen Menschen, sich die Gesprächsperson, immer der Grundhaltung anpassen sollte. Da die dementen Menschen aufgrund der Demenz, und deren begleitenden Kommunikationsdefiziten das schwächere Glied im Gespräch sind. Es sollte versucht werden, den dementen Menschen im Denken nicht zu erschweren, sondern mit ihm in Leichtigkeit und Harmonie im Gespräch zu verbleiben (vgl. Matolycz 2011, S. 215). Es ist auch wichtig, dass der demente Mensch durch das Reden bzw. durch die Kommunikation nicht ermüdet oder gelangweilt wird (vgl. Wilder 2019, o.S.). Es gibt Strategien gibt, um Gespräche eine gewisse „Würze“ zu verschaffen. Da Gespräche gesteuert werden können, sollte hier die Gelegenheit unbedingt wahrgenommen werden (vgl. Wilder 2019, o.S.). Wenn die demente Person schweigen und sich nicht am Gespräch beteiligen möchte, sollte dies akzeptiert werden, oder auf ein anderes Thema gelenkt werden. Es sollte nicht zu sehr ins Detail gegangen werden bei Erzählungen und Sachverhalte sollten für Nachfragen offengelassen werden. So soll die Gesprächspartnerin/der Gesprächspartner dazu animiert werden, nachzufragen (vgl. Wilder 2019, o.S.). Da Kommunikationsdefizite und Sprachstörungen bei Demenz nicht erst mit dem Schweregrad der Diagnose auftreten, sollten diese Defizite auch frühzeitig beobachtet und erkannt werden, damit angepasste Kommunikationsstrategien angewendet werden können (vgl. Bundesministerium für Gesundheit 2020, o.S.). Wertschätzende und einfühlsame Kommunikation ist bei 17
2 Demenz Kommunikationsstörungen von höchster Bedeutung (vgl. Nolte 2020, S. 26) und dient der Vertrauensbildung (vgl. Jerusalem 2016, o.S.). Ein grundlegendes Wissen über Kommunikationstheorien und Modelle der Gesprächsführung sind unabdingbar, um Kommunikation gestalten zu können. Dieses Wissen um die Gestaltbarkeit eines Gesprächs ist gerade in der Arbeit mit dementen Menschen von Bedeutung, weil hier die Unterhaltung unter erschwerten Bedingungen, die besonderes Fingerspitzengefühlt benötigt, geführt werden muss. Deshalb erfolgt im Anschluss an dieses Kapitel eine gründliche Auseinandersetzung mit bekannten Theorien und Modelle zur Kommunikation. 18
3 Kommunikationstheorien und -modelle 3 Kommunikationstheorien und -modelle Die Kommunikation ist ständig aktiv, und bewegt sich in einem wechselseitigen Spiel zwischen mindestens zwei Gesprächspartnerinnen/Gesprächspartnern. Man kann sich das ganze bildlich als einen imaginären „Kommunikationsball“ vorstellen. Dieser Ball, befindet sich immer bei der Person, die gerade aktiv spricht. Sobald der Redefluss der Person beendet wird, gibt sie den Ball an die Person weiter, von der sie eine Antwort oder Beteiligung am Gespräch erwartet (vgl. Plate 2015, S. 10). Damit es zu einer intakten Kommunikation kommt, müssen beide Gesprächspartner bewusst miteinander agieren, um den „Kommunikationsball“ immer in Bewegung zu halten (vgl. Plate 2015, S.10). Dieser „Kommunikationsball“, darf dabei nie den Boden berühren, denn dann wäre die Kommunikation – imaginär gesehen – durch etwas unterbrochen worden. Eine solche Unterbrechung könnten etwa Konfliktpunkte, Missverständnisse oder externe Einflüsse sein, die das Gespräch gestört haben. Das Gespräch sollte so geführt werden, dass sich alle beteiligten Personen angenommen, verstanden und akzeptiert fühlen, damit es eben zu keiner negativen Unterbrechung der Kommunikation kommt (vgl. Plate 2015, S.10). Kommunikationstheorien und -modelle beschreiben die zwischenmenschliche Kommunikation aus wissenschaftlicher Sicht. Dabei ist die zwischenmenschliche Kommunikation vor allem im Pflegeberuf ein wertvolles Werkzeug, um Bedürfnisse von Pflegenden zu erfahren, was letztendlich professionelles und adäquates Arbeiten ermöglicht (vgl. Neumann-Ponesch 2017, S. 147). Eine empathische – also einfühlsame – Kommunikation ist Teil der Sozialkompetenz und für eine professionelle Begleitung dementer Menschen von besonderer Bedeutung (vgl. Lauber 2012, S. 75). Betreuungs- sowie Pflegepersonen müssen in dieser Hinsicht ausreichend theoretisch und praktisch geschult und weitergebildet werden. 19
3 Kommunikationstheorien und -modelle Grundlegend werden hinsichtlich ihrer inhaltlichen Grundlagen allgemeine und psychologische Kommunikationsmodelle unterschieden (vgl. Röhner/Schütz 2016, S. 19). Allgemeine Kommunikationsmodelle erstreckt entwickeln ihre Theorien zur Kommunikation fachübergreifend und verschiedene Wissenschaften fließen hier ein. Bei den psychologischen Kommunikationsmodellen wird eine Theorie zur Kommunikation aus psychologischem Blickwinkel formuliert. Diese psychologischen Theorien unterteilen sich auch in Encoder-Decoder-Modelle, Intentionsorientierte Modelle, Perspektivübernahme-Modelle und Dialog-Modelle (vgl. Röhner/Schütz 2016, S. 19). Beim Encoder-Decoder-Modell, auch Medienwirksamkeitsmodell genannt, wird lediglich der Übertragungsweg einer Botschaft beschrieben (vgl. Röhner/Schütz 2016, S. 20; vgl. Landsiedel Seminare 2020, o.S.). Die Signale, die mit der Nachricht vom Sender an die Empfänger übertragen werden, spielen bei diesen Theorien eine wesentliche Rolle (vgl. Röhner/Schütz 2016, S. 20). Ein Beispiel für Ein Encoder-Decoder-Modell wäre das Kommunikationsmodell nach Shannon und Weaver oder das Vier- Ohren-Modell nach Schulz von Thun (vgl. Landsiedel Seminare 2020, o.S.). Beim Intentionsorientierten Modell möchte der Sender dem Empfänger genau und zielgerichtet die Botschaft übermitteln und sich verstanden fühlen (vgl. Röhner/Schütz 2016, S. 20). Der Empfänger sollte diese Botschaft jedoch genauso annehmen, wie es ursprünglich auch vom Sender ausgeschickt worden ist. Diese Balance sollte lediglich über die ganze Kommunikation andauern. Das Kommunikationsmodell nach Grice beschreibt diese Annahme genauer (vgl. Landsiedel Seminare 2020, o.S.). Beim Perspektivübernahme-Modell geht es darum, die Gesprächsperson in ihrer Kommunikation tiefgründig verstehen zu wollen und einfühlsam im Gespräch zu sein (vgl. Röhner/Schütz 2016, S. 19). Bei den Dialog- Modellen, auch zwischenmenschliches Modell genannt, ist nicht nur das Gesagte von Bedeutung, sondern wie man etwas von sich gibt (vgl. Röhner/Schütz 2016, S.20; vgl. Landsiedel Seminare 2020, o.S.). Mit welcher dynamischen oder interaktiven Ausdrucksweise. Jede Gesprächsperson ist individuell, und dementsprechend auch die Sichtweise 20
3 Kommunikationstheorien und -modelle und die eigene Wirklichkeit. Paul Watzlawick beschreibt dahingehend fünf Axiome, die bei der Annahme und Verständigung in der Kommunikation bedeutend sind (vgl. Röhner/Schütz 2016, S. 29). 3.1 Paul Watzlawick: Pragmatische Axiome Der bekannte Kommunikationsautor Paul Watzlawick prägte den Satz, dass es nicht möglich ist, nicht zu kommunizieren (vgl. Wingchen 2014, S. 21). Seine Kommunikationstheorie besagt, dass es in jeder Kommunikation sowohl eine Inhalts- als auch eine Beziehungsebene gibt. Sind zwei Menschen also im Gespräch, so ist nicht nur der Inhalt, sondern auch der Verlauf der zwischenmenschlichen Unterhaltung (Beziehungsebene) von großer Bedeutung. Bei der Inhaltsebene geht es nur um den sachlichen Inhalt der Mitteilung. Auf der Beziehungsebene wird die Information vom Zuhörer auf eine bestimmte Art und Weise interpretiert (vgl. Watzlawick 2015, S. 120). In Zuge dieser Interpretation erfahren wir sogar, in welcher Gefühlslage sich das Gegenüber befindet. Hierbei kann erkannt werden, ob Mitteilungen verstanden oder missverstanden wurden. Der Inhalt wird gewöhnlich verbal gesprochen, die Beziehung jedoch nonverbal vermittelt. Im Idealfall kompensieren sich diese beiden Kommunikationsebenen, und verschmelzen zu einer kongruenten Nachricht (vgl. Watzlawick 2015, S. 120-121). Wenn die Beziehungsebene zwischen den Gesprächspersonen im Einklang ist, brechen demnach „die Stricke“ nicht, und es können Konfliktgespräche aus dem Weg geschaffen werden (vgl. Watzlawick 2015, S. 121). Für eine harmonische Kommunikation ist es gut, wenn sich die Gesprächspersonen sympathisch sind, weil sie sympathische Personen mehr Zuwendung im Gespräch zeigen (vgl. Wingchen 2014, S. 22). Die Kommunikationstheorie von Watzlawick beruht auf fünf zentralen Aussagen. Das 1. Axiom wurde eingangs schon erwähnt. Es betrifft die Unfähigkeit nicht kommunizieren zu können. „Wenn man sich nicht nicht verhalten kann, dann könne man folglich auch nicht nicht kommunizieren. Etwas vorsichtiger ausgedrückt, im Beisein eines anderen hat jedes 21
3 Kommunikationstheorien und -modelle Verhalten einen potenziellen kommunikativen Charakter“ (Plate 2015, S. 20). Sowohl die verbale als auch die nonverbale Sprache hat also immer Mitteilungscharakter. Das ist der Grund, warum nicht nicht kommuniziert werden kann. Wird dieses Axiom auf die Kommunikation mit dementen Menschen angewendet, kann der Rückschluss gezogen werden, dass jede Mimik und jede Gestik der Betreuungsperson vom dementen Menschen in Mitteilungen und Informationen umgewandelt werden. Und gerade bei so emotionalen Menschen wie es demente Personen sind, ist die nonverbale Kommunikation von herausragender Bedeutung. Im Rahmen des 2. Axioms unterscheidet Watzlawick den Inhalts- und Beziehungsaspekt der Kommunikation. Auf inhaltlicher Ebene wird auf die sachliche Information der Mitteilung fokussiert. Auf der Ebene der Beziehung wird darauf fokussiert, wie der Empfänger der Information den Sachinhalt des Senders verstanden hat (vgl. Watzlawick 2015, S. 120). Die Metakommunikation – also die Kommunikation über die Kommunikation – gibt Aufschluss darüber, was die vom Sender ausgesandte, Sachinformation war, und wie der Empfänger sie interpretiert hat (vgl. Plate 2015, S. 21). Auch Niklas Luhmann, ein Systemtheoretiker, unterscheidet zwischen Inhalts- und Beziehungsebene in der Kommunikation. Um die Information (Sachinhalt) zu verstehen, sollte das Verhalten, das mit der Mitteilung gegeben wird, zueinander passen, damit die Mitteilung vom Empfänger im Sinne des Sachinhalts verstanden werden kann (vgl. Lueder 2018, o.S.). Hierbei wird von Kongruenz gesprochen. Ist die Nachricht nicht kongruent vom Sender übermittelt, kann beim Empfänger der Eindruck oder das Gefühl entstehen, dass „etwas nicht stimmt“ (vgl. Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache o.J., o.S.). Demente Menschen können oft abreißende, nicht zueinander passende Informationen und Mitteilungen von sich geben (vgl. Geißelmann 2017, o.S.). Man empfindet als Gesprächspartnerin/Gesprächspartner dann das Gefühl, dass die Gemütslage mit der mitgeteilten Information nicht zusammenpasst. Geht die Betreuungsperson mit Empathie und Verständnis an die Lage heran, kann sie mit der Mitteilung in diesem 22
3 Kommunikationstheorien und -modelle Moment fachadäquat umgehen, und so Missverständnisse vermeiden. Falls jedoch die Betreuungsperson Schwächen sowie Wissensdefizite in der Kommunikation mit dementen Menschen aufweist, besteht die Gefahr, dass Signale in der Kommunikation falsch interpretiert oder gar persönlich genommen werden (vgl. Geißelmann 2017, o.S.). Zum Beispiel kann es vorkommen, dass demente Menschen aggressiv in einer Situation werden, weil sie stark an einen bestimmten Moment im Leben erinnert werden, in dem sie sich eben zornig und wütend gefühlt haben. Das ursprüngliche Gespräch, das zu diesem Missempfinden führt, kann möglicherweise nur das Wetter behandelt haben. Verhält sich die demente Person zuerst noch freundlich, kann die Stimmung dann schnell umschlagen. Was dann eigentlich zu dieser Aggression geführt hat, kann im Grunde genommen nur die Biografie des dementen Menschen verraten (vgl. Geißelmann 2017, o.S.). Das 3. Axiom benennt die Interpunktion von Ereignisfolgen. Hierbei handelt es sich im Grunde genommen, um eine Kommunikation in Endlosschleife ohne erkennbaren Anfang oder erkennbares Ende. Die Kommunikation zwischen den Gesprächspartnerinnen/Gesprächspartnern dreht sich im Kreis. Ein gut erklärendes Beispiel für Interpunktionen wäre ein altes Ehepaar, wo sich die Gattin bei ihrem Mann nach jedem Kneipenbesuch des Gatten beschwert. Beide Seiten befinden sich kommunikativ in einer Schleife ohne Anfangs- und Endpunkt. Der Gatte seinerseits begründet seine Kneipenbesuche mit dem Entkommen vom ehelichen Genörgel, die Gattin ihrerseits, die ihre Nörgelei mit den ständigen Kneipenbesuchen ihres Mannes begründet (vgl. Plate 2015, S. 21-22). Kennen sich die Gesprächspartnerin/der Gesprächspartner länger – so wie im Beispiel oben das Ehepaar – entwickeln sie ihren eigenen Ablauf in der Kommunikation, die dann auch einen eigenen Kommunikationscharakter hat. Beide Seiten wissen grundsätzlich auch, wie sie sich bei dem jeweiligen Thema im Gespräch verhalten sollen (vgl. Watzlawick/Beavin/Jackson 2017, S. 23). In der beruflichen Praxis der Pflege von dementen Menschen lassen sich ähnliche Beispiele beschreiben: Die Pflegeperson ist auf die/den demente/n 23
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