Mit Kindern im Wald Möglichkeiten und Bedingungen, um in einem natürlichen Spiel- und Lebensraum sicher und gesund aufzuwachsen

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Mit Kindern im Wald Möglichkeiten und Bedingungen, um in einem natürlichen Spiel- und Lebensraum sicher und gesund aufzuwachsen
202-074
            DGUV Information 202-074

            Mit Kindern im Wald
            Möglichkeiten und Bedingungen,
            um in einem natürlichen Spiel- und
            Lebensraum sicher und gesund
            aufzuwachsen

März 2020
Mit Kindern im Wald Möglichkeiten und Bedingungen, um in einem natürlichen Spiel- und Lebensraum sicher und gesund aufzuwachsen
kommmitmensch ist die bundesweite Kampagne der gesetzlichen Unfallversicherung
in Deutschland. Sie will Unternehmen und Bildungseinrichtungen dabei unterstützen
eine Präventionskultur zu entwickeln, in der Sicherheit und Gesundheit Grundlage
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Herausgegeben von:
Deutsche Gesetzliche
Unfallversicherung e.V. (DGUV)

Glinkastraße 40
10117 Berlin
Telefon: 030 13001-0 (Zentrale)
Fax: 030 13001-9876
E-Mail: info@dguv.de
Internet: www.dguv.de

Sachgebiet „Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege“
des Fachbereichs „Bildungseinrichtungen“ der DGUV

Ausgabe: März 2020

DGUV Information 202-074
zu beziehen bei Ihrem zuständigen ­Unfallversicherungsträger oder unter
www.dguv.de/publikationen Webcode: p202074

Bildnachweis
Matthias Lange (Unfallkasse Hessen)
Mit freundlicher Unterstützung durch den Waldkindergarten
„Haselmäuse“ in Kirchhasel
Mit Kindern im Wald Möglichkeiten und Bedingungen, um in einem natürlichen Spiel- und Lebensraum sicher und gesund aufzuwachsen
Mit Kindern im Wald
Möglichkeiten und Bedingungen,
um in einem natürlichen Spiel- und
Lebensraum sicher und gesund
aufzuwachsen

DGUV Information 202-074 März 2020
Mit Kindern im Wald Möglichkeiten und Bedingungen, um in einem natürlichen Spiel- und Lebensraum sicher und gesund aufzuwachsen
Inhaltsverzeichnis

                                                                 Seite                                                                 Seite
Einleitung........................................................ 6       4.5        Forstarbeiten.................................... 25
                                                                           4.6        Jagdliche Einrichtungen............. 26
1         Der Waldkindergarten................. 8
1.1       Verschiedene Organisations­­-                                    5          Besondere Rahmen­-
          ­formen des Aufenthalts im                                                  bedingungen im Wald................. 27
           Wald...................................................... 8    5.1        Bauwagen, Hütten und Not-
1.2       Pädagogische Konzeption                                                     unterkünfte........................................ 27
           des Waldkindergartens............... 9                          5.2        Hygiene............................................... 30
1.3       Tagesablauf in einem Wald­
           kindergarten..................................... 10            6          Verhaltensregeln und
                                                                                      Vorsichtsmaßnahmen.................                           31
2         Grundlagen der kindlichen                                        6.1        Umgang mit Stöcken....................                        31
          Entwicklung......................................          12    6.2        Verhalten bei Insekten­stichen
2.1       Lebensbedingungen von                                                       oder -bissen......................................            31
          Kindern................................................    12    6.3        Vermeidung von Infektionen...                                 33
2.2       Wahrnehmung.................................               13    6.4        Vergiftungen.....................................             34
2.3       Bewegung..........................................         15
                                                                           Anhang 1.........................................................        36
3         Rechtliche Rahmenbeding-                                         Beispielhafte Gefährdungs-
          ungen von Waldkindergärten. 18                                   beurteilung für einen Waldkinder-
3.1       Nutzungs- und Betretungs-                                        garten................................................................   36
          recht...................................................... 18   Checkliste Ausrüstung..............................                      39
3.2       Betriebserlaubnis und                                            Verhaltensregeln im Wald.......................                          39
          Aufsichtspflicht............................... 19
                                                                           Anhang 2.........................................................        41
4         Ein Wald birgt auch Gefahren.                              20    Literatur............................................................    41
4.1       Schutz vor Witterungs-                                           Vorschriften, Regeln und
          einflüssen..........................................       20    Informationen der Deutschen
4.2       Gelände...............................................     22    Gesetzlichen Unfall­versicherung........                                 41
4.3       Kletterbäume....................................           22    Normen.............................................................      42
4.4       Totholz.................................................   24    Weitere Regelungen und Gesetze.......                                    42
Mit Kindern im Wald Möglichkeiten und Bedingungen, um in einem natürlichen Spiel- und Lebensraum sicher und gesund aufzuwachsen
„Stellen wir uns vor, wir müssten einige
      Kilometer über eine schnurgerade,
        ebene, hindernisfreie Betonbahn
    gehen. Am Ende der Strecke werden
                        wir ermattet sein.

       Wie anders wird es uns bei einer
 Wanderung durch einen Wald ergehen!
  Da sind verschlungene Pfade. Es geht
  über Stock und Stein. Wurzeln, Moos,
dichtes Gebüsch, Rinnsale. Das Licht ist
   dämmrig. Du musst ganz Auge, ganz
    Ohr sein. Ganz Nase. Es duftet nach
Waldkräutern und Waldboden. Seltsame
             Geräusche von überall her.
                        Vogelstimmen.

  Am Ende des Weges sind wir erfrischt,
           fast wie neugeboren. Was war
        geschehen? Im Walde war ich mit
      Körper, Seele und allen Sinnen voll
         beansprucht, überall kleine, mit
Hindernissen verbundene Wagnisse. Auf
der risikolosen Betonbahn forderte mich
        nichts heraus. Ich hatte nichts zu
            bestehen. Ich war sozusagen
  überflüssig. Das ist es, was uns kaputt
     macht: Die Unterschlagung unserer
   Fähigkeiten. Wo kein Wagnis, da kein
  Gewinn, wo kein Spiel, da kein Leben.“

                            Hugo Kükelhaus

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Mit Kindern im Wald Möglichkeiten und Bedingungen, um in einem natürlichen Spiel- und Lebensraum sicher und gesund aufzuwachsen
Einleitung

Wenn Eltern sich nach einer geeigneten       Gleichzeitig muss den besonderen Um-
Kindertageseinrichtung für ihr Kind um-      gebungsbedingungen in einem Wald
sehen, spielen viele verschiedene Ge-        Rechnung getragen werden. Bei ihrem
sichtspunkte eine Rolle. Waldkindergär-      täglichen Aufenthalt sollen Kinder unter
ten sind hierbei in den letzten Jahren       Berücksichtigung ihrer Fähigkeiten und
zunehmend in den Mittelpunkt des Inte-       Fertigkeiten auch in die Lage versetzt
resses vieler Eltern gerückt. Ein Grund      werden, verantwortungsvoll mit risiko-
ist sicherlich darin zu sehen, dass es       behafteten Situationen umzugehen,
Kindern in der heutigen Zeit nicht mehr      denn das Eingehen von Risiken ist Be-
ohne weiteres möglich ist, ihre Zeit in      standteil der kindlichen Entwicklung
der freien Natur zu verbringen. Der Le-      und somit auch Teil der pädagogischen
bensraum von Kindern wird durch eine         Arbeit. Pädagogische Fachkräfte sollten
hoch technisierte und motorisierte Ge-       in der Lage sein, die ihnen anvertrauten
sellschaft mehr und mehr verändert und       Kinder beobachten und einschätzen zu
die Bedürfnisse von Kindern werden           können und sie mit Aufgaben zu betrau-
immer weniger berücksichtigt.                en, die auch die Möglichkeit des Schei-
                                             terns beinhalten, ohne dass dies zu
Der Waldkindergarten bietet vielfältige      schweren Verletzungen führt. Hinsicht-
Möglichkeiten, die negativen Zivilisati-     lich der Bewegungsmöglichkeiten be-
onserscheinungen für Kinder zu kom-          deutet dies, dass Bewegungssicherheit
pensieren. Durch ein breites Angebot         auch nur durch Bewegung und das Be-
und Erfahrungsmöglichkeiten können           wältigen von Risikosituationen erlernt
Naturverständnis und Umweltbewusst-          werden kann. Nicht Risikominimierung,
sein geweckt, Grundwissen über den           sondern Risikodosierung trägt zu einer
eigenen Körper vermittelt sowie soziale      aktiven Sicherheitsförderung und der
Kompetenz und kognitive Fähigkeiten          Ausbildung von Risikokompetenz bei.
der Kinder entfaltet werden. Darüber
hinaus hält der Wald eine Fülle von An-      In diesem Zusammenhang können Kin-
geboten im Bereich der Wahrnehmungs-         der im Wald Chancen und Grenzen ihrer
schulung und Bewegungsförderung              körperlichen Fähigkeiten und Fertigkei-
bereit, die den Erfordernissen der kindli-   ten auf unterschiedlichste Art erleben.
chen Entwicklung entsprechen.

6
Mit Kindern im Wald Möglichkeiten und Bedingungen, um in einem natürlichen Spiel- und Lebensraum sicher und gesund aufzuwachsen
Einleitung

Die DGUV Information 202-074 „Mit Kin-
dern im Wald“ richtet sich an pädagogi-
sche Fachkräfte und interessierte Eltern,
die den Kindern ihrer Kindertagesein-
richtung den Lern- und Erfahrungsraum
Wald näherbringen möchten. Mit den
hier zusammengestellten Hinweisen
möchten wir sowohl die konzeptionell
ausgerichteten Waldkindergärten infor-
mieren, als auch jene Einrichtungen, die
ein Waldgebiet im Rahmen von Wochen-
angeboten oder Projekttagen besuchen.

                                                    7
Mit Kindern im Wald Möglichkeiten und Bedingungen, um in einem natürlichen Spiel- und Lebensraum sicher und gesund aufzuwachsen
1       Der Waldkindergarten

Die Idee des Waldkindergartens stammt      in einem nahe dem Wald gelegenen
aus Dänemark. Dort ist der Aufenthalt in   Gebäude, ein Bauwagen oder Ähnliches
der Natur ein selbstverständliches Ange-   sein. Diese Notunterkunft wird auch zum
bot in der Vorschulerziehung. Auch in      Aufbewahren der erforderlichen Materi-
Deutschland ist das Konzept, mit Kin-      alien, Kleidung usw. genutzt.
dern eine bestimmte Zeit in der Natur zu
verbringen, inzwischen in vielen Formen    Die Gruppengröße liegt häufig bei 15 bis
von Tageseinrichtungen auf unter-          20 Kindern, welche in der Regel von
schiedliche Art und Weise vertreten.       mindestens zwei pädagogischen Fach-
                                           kräften betreut werden.

1.1     Verschiedene Organisations­        Bei einem integrierten Waldkindergar-
        formen des Aufenthalts im          ten handelt es sich um einen Ganztags-
        Wald                               kindergarten, in dem die Kinder die
                                           Möglichkeit haben, den Vormittag in der
In einem klassischen Waldkindergarten      Natur und den Nachmittag in festen
verbringen die Kinder und die pädagogi-    Räumen zu verbringen. Die Waldgruppe
schen Fachkräfte den Vormittag unter       kann sich entweder täglich neu formie-
freiem Himmel. Nur bei extremen Witte-     ren oder besteht als feste Gruppe mit
rungsbedingungen steht eine Notunter-      einem wöchentlichen oder monatlichen
kunft zur Verfügung. Dies kann ein Raum    Wechsel.

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Mit Kindern im Wald Möglichkeiten und Bedingungen, um in einem natürlichen Spiel- und Lebensraum sicher und gesund aufzuwachsen
Der Waldkindergarten

In vielen Kindertageseinrichtungen sind
regelmäßig durchgeführte Waldtage
fester Bestandteil des Einrichtungskon-
zeptes. Meist verbringen die einzelnen
Gruppen an einem Tag oder mehreren
Tagen im Monat die Vormittagsstunden
im Wald.
                                           Abb. 1	Der Waldkindergarten
Eine weitere Möglichkeit, mit Kindern              „Die Haselmäuse“
Aktivitäten im Wald durchzuführen, be-
steht in der Planung und Durchführung      1.2     Pädagogische Konzeption
von Projektwochen. Diese finden meist              des Waldkindergartens
über einen Zeitraum von ein bis drei
Wochen statt.                              Der Waldkindergarten hat genauso wie
                                           jeder Regelkindergarten den durch die
Die Konzeption eines Naturkindergar-       jeweiligen Ländergesetze vorgegebenen
tens hat nicht wie die des Waldkinder-     Erziehungs- und Bildungsauftrag als
gartens das Ziel, mit den Kindern in die   Elementarbereich des Bildungssystems
Natur zu gehen, sondern die Natur in die   zu erfüllen. Viele Ländergesetze für
Einrichtung zu holen. Dies kann sich       ­Kindertageseinrichtungen beschreiben
zum Beispiel in einer naturnahen Ge-        diesen Auftrag wie folgt oder ähnlich:
staltung des Außengeländes, im Anle-        • die Lebenssituation jedes Kindes
gen von Biotopen oder der Haltung von         berücksichtigen,
Kleintieren widerspiegeln. Aber auch        • dem Kind zur größtmöglichen Selbst-
Einrichtungen mit einer schwerpunkt­          ständigkeit und Eigenaktivität ver­
mäßig ökologischen Konzeption ver­            helfen, seine Lernfreude anregen und
stehen sich als Naturkindergärten.            stärken,
                                            • dem Kind ermöglichen, seine emo­
Naturverbundene Früherziehung findet,         tionalen Kräfte aufzubauen,
je nach Region, auch in anderen Einrich-    • die schöpferischen Kräfte des Kindes
tungsformen wie in Strand- oder Bauern-       unter Berücksichtigung seiner indivi-
hofkindergärten statt.                        duellen Neigungen und Begabungen
                                              fördern,

                                                                                    9
Mit Kindern im Wald Möglichkeiten und Bedingungen, um in einem natürlichen Spiel- und Lebensraum sicher und gesund aufzuwachsen
Der Waldkindergarten

•    dem Kind Grundwissen über seinen             ­ örper alle Ebenen der Wahrnehmung
                                                  K
     Körper vermitteln und seine körper­          ansprechend,
     liche Entwicklung fördern,               •   Erleben der Pflanzen und Tiere in ih-
•    die Entfaltung der geistigen Fähigkei-       ren originären Lebensräumen,
     ten und der Interessen des Kindes        •   Möglichkeit, die Grenzen eigener Kör-
     unterstützen und ihm dabei durch ein         perlichkeit zu erfahren,
     breites Angebot von Erfahrungsmög-       •   Erfahren von Stille und Sensibilisie-
     lichkeiten elementare Kenntnisse von         rung für das gesprochene Wort,
     der Umwelt vermitteln.                   •   Sensibilisierung für ökologische Zu-
                                                  sammenhänge und Vernetzungen,
Der Waldkindergarten zielt darauf ab,         •   Wertschätzung der Lebensgemein-
Kinder (wieder) mit der Natur vertraut zu         schaft Wald und des Lebens
machen. Dies bedeutet natürlich auch,             überhaupt.“
sich nicht nur bei schönem Wetter in die
Natur zu begeben. Nach dem Motto „es
gibt kein schlechtes Wetter, sondern nur      1.3      Tagesablauf in einem
schlechte Kleidung“ sollen Naturver-                   Waldkindergarten
ständnis und Umweltbewusstsein der
Kinder geweckt und gefördert werden.          Da sich Waldkindergärten trotz ihrer glei-
                                              chen Zielsetzung voneinander abgren-
Die meisten Waldkindergärten sehen            zen, gibt es unterschiedliche Möglichkei-
die folgenden Aspekte als Grundlage           ten, den Kindergartentag zu gestalten
ihrer Arbeit (zitiert aus Miklitz 2001):      und mit Inhalten zu füllen. Dennoch ist
• „Förderung der Motorik durch natür­         allen Einrichtungen gemeinsam, dass
  liche, differenzierte, lustvolle Bewe-      den Kindern durch einen gleichbleiben-
  gungsanlässe und -möglichkeiten,            den Tagesablauf vor allem in der An-
• Erleben der jahreszeitlichen Rhyth-         fangsphase Orientierung gegeben wird.
  men und Naturerscheinungen,
• Förderung der Sinneswahrnehmung             Morgens finden sich die Kinder inner-
  durch Primärerfahrungen,                    halb einer gewissen Zeitspanne an ei-
• ganzheitliches Lernen, das heißt            nem Treffpunkt ein. Dieser Treffpunkt ist
  ­Lernen mit den Sinnen, mit dem             gut zugänglich und bietet den Eltern
                                              Parkmöglichkeiten. Unter Umständen

10
Der Waldkindergarten

befindet sich hier auch die Notunter-          Bedürfnissen nachzugehen. Dies kann
kunft. Nach der Begrüßung im Morgen-           sowohl die untersuchende Entdeckungs-
kreis, zum Beispiel durch ein Lied,            reise, das Ausleben des Bewegungsdran-
wird das Frühstück eingenommen                 ges oder das Ausruhen unter dem Blätter-
(Abbildung 2).                                 dach sein. Im angeleiteten Spiel werden
                                               die Entdeckungen der Kinder durch Sing-,
Dies geschieht entweder in der Unter-          Kreis- und Regelspiele aufgegriffen, es
kunft oder es wird erst noch ein Stück         werden Mal- und Bastelangebote unter-
des (Wald-) Weges zurückgelegt, um den         breitet, Geschichten erzählt, Bücher an-
Frühstücksplatz aufzusuchen. In einigen        geschaut und vieles mehr. Den Abschluss
Waldkindergärten findet das Frühstück          des Kindergartentages bildet der Ab-
auch erst nach den ersten Aktivitäten          schiedskreis am Treffpunkt, welcher
gegen zehn Uhr statt.                          meist durch ein Lied bestimmt ist. Hier
                                               haben die Eltern Gelegenheit, sich mit
Im freien Spiel haben die Kinder Gelegen-      anderen Eltern oder den pädagogischen
heit, in einem festgelegten Bereich ihren      Fachkräften auszutauschen.

Abb. 2   Frühstück in einem Waldkindergarten

                                                                                       11
2       Grundlagen der kindlichen Entwicklung

Viele Faktoren der kindlichen Entwick-     2.1    Lebensbedingungen von
lung sind genetisch bedingt. Dazu ge-             Kindern
hört das kindliche Entwicklungsbedürf-
nis nach Wahrnehmung und Bewegung.         Das soziale und ökologische Umfeld von
Die Ausprägung der dazugehörigen Fä-       Kindern hat sich in den letzten Jahren
higkeiten und Fertigkeiten hingegen        und Jahrzehnten drastisch verändert.
wird in hohem Maße von Einflüssen des      Dies äußert sich zum Beispiel darin,
Umfeldes bestimmt. Bei der Einschät-       dass Kindern immer weniger Freiräume
zung des Entwicklungsstandes von Kin-      zur Verfügung stehen, in denen sie ih-
dern ist neben dem Alter auch die unter-   rem Spiel- und Bewegungsbedürfnis
schiedliche Entwicklung von Kindern        nachkommen können. Die sogenannte
innerhalb einer bestimmten Zeitspanne      „Straßenspielkultur“, also die Möglich-
zu berücksichtigen. Das heißt zum Bei-     keit, sich mit anderen Kindern auf der
spiel, dass dreijährige Kinder im Hin-     Straße zum Spielen zu treffen, ist wenn
blick auf ihre feinmotorischen Bewegun-    überhaupt, nur noch in ländlichen Ge-
gen unterschiedlich sicher agieren         bieten gegeben. Zunehmende Bebau-
können.                                    ung von Freiräumen und auch die Zu-
                                           nahme des Straßenverkehrs sorgen
                                           dafür, dass Kinder nicht mehr ungehin-
                                           dert und ohne Erwachsenenbegleitung
                                           selbst gewählte Plätze zum Spielen

12
Grundlagen der kindlichen Entwicklung

aufsuchen können. An die Stelle primä-      2.2     Wahrnehmung
rer Spiel- und Sinneserfahrungen sind
die Erfahrungen aus zweiter Hand durch      Wahrnehmung ist ein zentraler Bestand-
den zunehmenden Medienkonsum ge-            teil der Kindesentwicklung. Kinder müs-
treten. Übermäßige Beschäftigung mit        sen ihre Umwelt im wahrsten Sinne des
Medien, wie Videospiele, Tablets oder       Wortes be„greifen“, um eine Vorstellung
Fernsehen, ist auch immer gleichbedeu-      von den Dingen, ihrem eigenen Körper
tend mit einer einseitigen Beanspru-        und den Beziehungen untereinander zu
chung der Sinne. Abgesehen von der          bekommen.
möglichen Überforderung durch Reiz­
über­­flutung geht den Kindern durch das    Wahrnehmung bezeichnet die Fähigkeit,
­passive Konsumverhalten aktive Bewe-       Informationen aus der Umwelt und des
gungszeit verloren.                         eigenen Körpers aufzunehmen und zu
                                            verarbeiten. Die Informationsaufnahme
Die genannten Bedingungen schränken         erfolgt über verschiedene Sinnes­sys­
die Qualität und auch die Quantität kind-   teme. Entscheidend ist, aus der Fülle
licher Bewegungserfahrungen in erhebli-     von Informationen diejenigen heraus zu
chem Maße ein und haben als logische        filtern, die für die jeweilige Situation von
Konsequenz auch Auswirkungen auf den        Bedeutung sind.
Gesundheitszustand und die körperliche
Leistungsfähigkeit von Kindern.             Es muss Ziel einer jeden Konzeption für
                                            Tageseinrichtungen sein, diese grund­
                                            legenden Aspekte der kindlichen Ent-
                                            wicklung in der täglichen Arbeit zu
                                            ­berücksichtigen. Dies scheint in einem
                                             Wald­kindergarten leichter realisierbar zu

                                            Abb. 3
                                            Auch jüngere Kinder können im Wald
                                            ­wichtige Erfahrungen sammeln

                                                                                       13
Grundlagen der kindlichen Entwicklung

sein als in einem Regelkindergarten, denn    beschrieben. Das fördert gleichzeitig die
der Aufenthalt im Wald bietet den Kindern    aus­dauernde Beschäftigung und Kon­zen­-­
Sinnesreize der unterschiedlichsten Art.     trationsfähigkeit.

Entsprechend der Vielfalt in der natürli-    Im Hinblick auf die akustische Wahrneh-
chen Umgebung werden die Sinne der           mung können Kinder unterschiedliche
Kinder sehr differenziert angesprochen.      Tierlaute, das Rauschen der Blätter im
„Allein über die Haut nimmt das Kind im      Wind oder unbekannte Geräusche, die
Laufe eines Vormittags die verschie-         erst identifiziert werden müssen, ebenso
densten Reize auf: kalt, warm, nass,         wahrnehmen wie zum Beispiel den Wech-
trocken, weich, hart, sandig, glitschig      sel von Geräuschen bzw. Lärm und Stille.
und vieles mehr.“ (Bickel 2001)
                                             In der heutigen Zeit einen Ort der Ruhe
Auch der Umgang mit den unterschied-         zu finden, ist besonders für Kinder oft-
lichsten Materialien (Holz, Erde, Blätter,   mals sehr schwierig. Im Wald besteht
Tannenzapfen, Moos, Rinde usw.)              diese Rückzugsmöglichkeit und Kinder
­fördert die taktile Wahrnehmung und         können die dort herrschende Stille unmit-
 gleichzeitig die Geschicklichkeit. Im       telbar erleben. Den Geräuschen des Wal-
 Wechsel der Jahreszeiten nehmen Kin-        des zu lauschen, sich mit Muße einer
 der die vielfältigsten Gerüche wie Blu-     Sache zu widmen oder auch einfach im
 mendüfte, feuchten Waldboden, Pilze,        Gras zu liegen und die Wolken zu beob-
 modriges Holz, Tannennadeln und             achten bedeutet auch gleichzeitig größe-
 ­vielen mehr wahr. Die visuelle Wahrneh-    res Wohlbefinden und kann der Verbesse-
  mung wird ebenfalls auf vielseitige Art    rung der Konzentrationsfähigkeit dienen.
  und Weise angesprochen.
                                             Pädagogische Fachkräfte und Eltern
Kinder im Waldkindergarten haben zahl-       erleben „Kinder, die den Waldkindergar-
reiche Möglichkeiten, ihre Umgebung          ten besuchen, als ausgeglichener,
zu beobachten, zu betrachten und zu          stressfreier und weniger aggressiv als
untersuchen. Entsprechend dem natürli-       andere Kinder.“ (Schede 2000)
chen Neugierverhalten werden Dinge
beispielsweise gesucht, gesammelt, in        Die Vielfalt an Bewegungsanlässen und
Beziehung gesetzt, verglichen oder           -möglichkeiten trägt zur Schulung der

14
Grundlagen der kindlichen Entwicklung

vestibulären und kinästhetischen Wahr-
nehmung bei. So müssen Kinder sich
beim Gehen, Laufen und Spielen zum
Beispiel immer wieder auf unterschied­
liche Bodenbeschaffenheiten einstel-
len. Das Gehen auf asphaltierten Wegen
stellt andere Anforderungen und vermit-
telt andere Eindrücke als das Gehen auf
weichem Waldboden, das Aufwirbeln
von Laub oder das Bewältigen von Hin-
dernissen wie Steine, Hölzer, Baumwur-
zeln oder Ähnliches. Das vielfältige Ge-   Abb. 4   F örderung von Entwicklungsreizen
lände bietet Möglichkeiten zum                       durch Bewegung im Freien
Balancieren, Klettern, Rutschen, Han-
geln, Aufsteigen, Rollen, Springen usw.    entscheidende Bedeutung. Kinder,
Der Körper wird immer wieder neu erfah-    ­ esonders im Kindergarten- und Grund-
                                           b
ren, permanent müssen Herausforderun-      schulalter, be­sitzen einen stark ausge-
gen bewältigt werden.                      prägten Bewe­gungs­drang und eignen
                                           sich ihre Umwelt­er­­­fahrungen über die
Lediglich die gustatorische Wahrneh-       Bewegung an. Dabei bilden Wahrneh-
mung tritt im Wald in den Hintergrund,     mung und Bewegung eine unzertrenn­
da gegebenenfalls selbst gesammelte        liche Einheit, denn ohne Wahrnehmung
Waldfrüchte wie Beeren, Pilze und Kräu-    ist keine willkürliche Bewegung möglich.
ter aufgrund der Infektionsgefahr nicht
gegessen werden dürfen.                    Bewegung bietet außerdem die notwen-
                                           digen Entwicklungsreize für das Organ-,
                                           Knochen- und Muskelwachstum.
2.3     Bewegung
                                           Es gilt also, den Kindern ausreichende
Bewegung ist grundlegend für die           Möglichkeiten und Bedingungen zu
­kindliche Entwicklung und hat für das     ­bieten, damit sie die für ihre Entwick-
 Wohlbefinden sowie die Sicherheit         lung wichtigen sensorischen und moto-
 und Gesundheit von Kindern eine           rischen Erfahrungen sammeln können.

                                                                                         15
Grundlagen der kindlichen Entwicklung

Bewegungsverhalten und die damit            akustische, taktile) schnell und ange-
­einhergehende Bewegungssicherheit,         messen zu reagieren.
 sind geprägt von einzelnen Fähigkeiten,
 die unter dem Begriff „Koordination“        Gleichgewichtsfähigkeit
 zusammengefasst werden. Unter Be­           bezeichnet die Fähigkeit, den Körper im
 wegungskoordination wird die zeit­liche,    Gleichgewicht zu halten bzw. das
 räumliche und kraftmäßige Steuerung         Gleichgewicht wiederherzustellen
 von Bewegungen in einer harmonischen       ­(Ab­bildung 5).
 Bewegungskette verstanden. Im Einzel-
 nen handelt es sich um folgende            Antizipationsfähigkeit
 Fähigkeiten:                               bezeichnet die Fähigkeit, den Verlauf
                                            und das Ergebnis einer Handlung auf
Orientierungsfähigkeit                      der Grundlage von Erfahrungen bereits
bezeichnet die Fähigkeit, sich bei Bewe-    vor Beginn dieser Handlung vorweg-
gungen im Raum zurechtzufinden.             zunehmen.

Reaktionsfähigkeit                          Differenzierungsfähigkeit
bezeichnet die Fähigkeit, auf verschie­     bezeichnet die Fähigkeit, die motori-
dene Reize (zum Beispiel optische,          schen Aktionen in zeitlicher, räumlicher
                                            und kräftemäßiger Hinsicht mit großer
                                            Bewegungspräzision durchzuführen.

                                            Abb. 5
                                            Förderung motorischer Fähigkeiten
                                             und der Gleichgewichtsfähigkeit durch
                                             das Spiel im Wald und Klettern auf
                                             Bäumen

16
Grundlagen der kindlichen Entwicklung

Gerade jüngere Kinder haben oft Schwie-      Im Wald werden durch die natürlichen
rigkeiten, Entfernungen und Geschwin-        Umgebungsbedingungen vielfältige
digkeiten richtig einzuschätzen, ihre        Anforderungen an die motorischen Fä-
Bewegungen zu koordinieren, einmal           higkeiten der Kinder gestellt. Trotz der
begonnene Bewegungen abzustoppen             festgelegten Aufenthaltsbereiche haben
oder die Bewegungsrichtung abrupt zu         Kinder eine nahezu uneingeschränkte
ändern, um Hindernissen auszu­weichen.       Bewegungsfreiheit, die zum Spielen,
Dies macht sich auch im Unfallgesche-        Toben, Rennen animiert. Mit der Ausein-
hen bemerkbar. Eine der Präventions-         andersetzung der natürlichen Umge-
maßnahmen in Kindertageseinrichtun-          bungsbedingungen im Wald, finden
gen stellt also die möglichst spielerische   gleichzeitig traditionelle Inhalte des Kin-
und abwechslungsreiche Schulung der          dergartenalltags ihre Berücksichtigung.
koordinativen Fähigkeiten dar.

                                                                                        17
3       Rechtliche Rahmenbedingungen
        von Waldkindergärten
3.1     Nutzungs- und                      Hierbei sind in erster Linie das Bundes-
        Betretungsrecht                    waldgesetz sowie bundeslandspezifi-
                                           sche Regelungen und Rechtsverordnun-
Das Betreten von Wäldern zum Zweck         gen zu berücksichtigen.
der Erholung ist grundsätzlich gestattet
und geschieht insbesondere in Bezug        Die regelmäßige Nutzung von Staats-,
auf waldtypische Gefahren unter Aus-       Körperschafts- oder Privatwald durch ei-
schluss der Haftung des Waldbesitzers      nen Waldkindergarten bedarf jedoch der
(§ 14 Bundeswaldgesetz). Waldtypische      Genehmigung durch die Forstverwaltung
Gefahren können beispielsweise lose        bzw. den Waldbesitzer. Nutzungsbedin-
Äste, unebene Untergründe, Wasser­         gungen wie zum Beispiel das Betreten des
gräben oder Giftpflanzen sein.             Waldes, Betretungsverbote, Aussagen zur
                                           Abfallbeseitigung, Waldgefährdung durch
Bestimmte Flächen (zum Beispiel Ver­       Feuer, Verhalten zum Schutz wildlebender
jüngungsflächen, forstbetriebliche und     Tiere, Pflanzen und bestimmter Biotope
jagdliche Einrichtungen, Flächen und       sind hier festgelegt. In der Regel schlie-
Wege, auf denen forstbetriebliche Maß-     ßen die Träger der Waldkindergärten mit
nahmen stattfinden) sind davon jedoch      dem zuständigen örtlichen Forstamt bzw.
ausgenommen und können der öffentli-       dem Waldbesitzer einen Vertrag, in wel-
chen Nutzung entzogen werden.              chem die Auflagen und Nutzungsbedin­-

18
Rechtliche Rahmenbedingungen von Waldkindergärten

gungen vereinbart werden. Inhalte dieses       Kontinuierliche Aufsicht bedeutet
Vertrages können zum Beispiel die Zuwei-       grundsätzlich ununterbrochene Auf-
sung bestimmter Aufenthaltsbereiche im         sicht. Da jedoch nicht immer alle Kinder
Wald, die Nutzungsfestlegung auf eine          gleichzeitig im Auge behalten werden
bestimmte Personenzahl, die Nutzungs-          können, ist es wichtig, dass sich die
begrenzung für eine bestimmte Zeitdauer,       Kinder durch die Anwesenheit des päda-
das Festlegen bestimmter Verhaltensre-         gogischen Personals beaufsichtigt füh-
geln und die eindeutige Zuordnung der          len, zum Beispiel durch regelmäßige
Verkehrssicherungspflicht sein.                Beobachtung von Spielsituationen
                                               durch die pädagogischen Fachkräfte.
                                               Kinder sollten daher gerade im Wald
3.2     Betriebserlaubnis und                  nicht außer Sichtweite gelassen werden.
        Aufsichtspflicht
                                               Eine aktive Aufsichtsführung beinhaltet
Tageseinrichtungen für Kinder und somit        die Überprüfung von aufgestellten Re-
auch Waldkindergärten unterliegen der          geln. Den Kindern muss klar sein, dass
Aufsicht der Landesjugendämter bzw.            das Nichteinhalten von vereinbarten
der kommunalen Jugendämter. Durch              Regeln Konsequenzen nach sich zieht.
das Erteilen einer Betriebserlaubnis nach
§ 45 SGB VIII soll gewährleistet sein, dass    Präventiv ist die Aufsicht, wenn sie vor-
der Träger die notwendigen Anforderun-         ausschauend unter Berücksichtigung
gen für die Förderung und den Schutz           der vorhandenen Gefahren wahrgenom-
der Kinder erfüllt. Mit der Betriebserlaub­-   men wird. Gerade im Wald setzt dies ein
nis geht für die Kinder der Schutz durch       umfangreiches Wissen aller Beteiligten
die gesetzliche Unfallversicherung ein-        voraus.
her. Um den besonderen Bedingungen
in einem Waldkindergarten hinsichtlich         Umfang und Intensität der Aufsicht wer-
der Aufsichtspflicht zu genügen, müssen        den neben der Berücksichtigung von
die länderspezifischen Auflagen der Ju-        Gefährdungen auch immer durch das
gendämter beachtet werden. Das erfor-          pädagogische Ziel, die Kinder zur Selbst-
derliche Maß der Aufsicht sollte sich an       ständigkeit zu erziehen bestimmt.
den drei Merkmalen „kontinuierlich“,
„aktiv“ und „präventiv“ orientieren.

                                                                                         19
4       Ein Wald birgt auch Gefahren

4.1     Schutz vor                            Reißverschlüsse verhindern das Eindrin-
        Witterungseinflüssen                  gen von Nässe. Sowohl Jacke als auch
                                              Hose sollten so groß sein, dass auch
Da sich die Kinder in einem Waldkinder-       dicke Winterkleidung darunter getragen
garten bei nahezu jedem Wetter draußen        werden kann. Die Kinder sollten über
befinden, ist es notwendig, sie vor den       festes Schuhwerk, Gummistiefel mit Pro-
unterschiedlichen Witterungsbedingun-         filsohle und im Winter eventuell gefütter-
gen zu schützen. Es ist zu beachten, dass     te Gummistiefel verfügen. Als Kopfbede-
die Temperaturen im Wald häufig niedriger     ckung bietet sich bei Regenwetter das
sind als in der umliegenden Umgebung.         Tragen von einem „Südwester“ an. Hier-
                                              bei handelt es sich um eine wasserfeste
Sinnvoll ist, dass die Kinder ihre Kleidung   Kappe, die rundum einen breiten Rand
entsprechend der „Zwiebel­methode“,           aufweist. Außerdem ist das Mitführen
das heißt in mehreren Schichten, ­tragen.     einer isolierenden Sitzunterlage sinnvoll.
Dies dient als Kältepuffer und ermöglicht
zudem ein situatives An- bzw. Ablegen         Bei Aufziehen eines Gewitters besteht
der Kleidung. Im Winter bietet sich das       die Gefahr des Blitzeinschlages. Obwohl
Tragen von langer, atmungsaktiver Un-         Gewitter in den Vormittagsstunden eher
terwäsche an. Bei Regenwetter emp-            selten sind, sollte jede Erzieherin und
fiehlt sich wasserdichte, atmungsaktive       jeder Erzieher in einem Waldkinder­
Regenkleidung. Doppelt abgedeckte             garten darauf vorbereitet sein.

20
Ein Wald birgt auch Gefahren

Falls noch rechtzeitig möglich, sollte      Gebiete mit jungem Baumbestand auf-
bei Aufziehen eines Gewitters eine Not-     gesucht werden, da dort die Gefahr von
unterkunft aufgesucht werden, die über      herunterfallenden Ästen wesentlich
eine Blitzschutzanlage verfügt und          geringer ist. Zudem sammeln sich in
Schutz vor umstürzenden Bäumen bie-         diesen lichten Gebieten im Winter gege-
tet. Da alle Erhebungen wie einzeln ste-    benenfalls weniger Schneemassen an.
hende, hohe Bäume oder auch Felsen
Blitze anziehen, sind diese zu meiden.      In jedem Fall sollten auch nach einem
Das Gleiche gilt für Waldränder und ge-     Sturm erneute Absprachen mit dem
wässernahe Gebiete. Besseren Schutz         zuständigen Forstamt bzw. dem Waldbe-
findet man im freien Gelände, zum Bei-      sitzer getroffen werden, welche Waldge-
spiel in einer Bodenvertiefung oder         biete genutzt werden können.
auch in der Mitte des Waldes. Die Emp-
fehlung, bei Gewitter Körperkontakt zu      Auch wenn sich Kinder im Wald in der
anderen Personen zu meiden, wird            Regel an schattigen Plätzen aufhalten,
bei verängstigten Kindern nicht umzu-       ist auf einen ausreichenden Schutz
setzen sein.                                vor zu intensiver Sonneneinstrahlung
                                            zu achten. Dies gilt vor allem für die
Der Aufenthalt im Wald bei Sturm birgt      Mittagszeit. Die Haut sollte bevorzugt
die Gefahr, dass Kinder von umstürzen-      durch sonnengerechte Kleidung (Kopf-
den Bäumen oder herunterfallenden           bedeckung, langärmelige Hemden oder
Ästen getroffen werden können. Dies ist     T-Shirts, lange Hosen) geschützt werden
vor allem auch im Winter der Fall, da       (Abbildung 6). An unbedeckten Körper-
gefrorene Äste leichter brechen. Zudem      stellen wird die Verwendung von Son-
muss beachtet werden, dass auch in der      nenschutzmittel empfohlen. Kindge-
Zeit nach einem Sturm sich noch Zweige      rechte Sonnenschutzmittel sind in der
aus den Baumkronen lösen können.            Regel Cremes oder Lotionen, welche die
                                            Haut nicht austrocknen.
Je nach Intensität des Wetterereignisses
kann es sinnvoll sein, ein Alternativpro-
gramm anzubieten bzw. die Notunter-
kunft aufzusuchen. Bei Aufenthalt im
Wald sollten große Lichtungen oder

                                                                                     21
Ein Wald birgt auch Gefahren

                                          sind Kinder zudem mit ständig wechseln-
                                          den Bodenbelägen konfrontiert, die nicht
                                          nur uneben, sondern je nach Witterung
                                          glatt, rutschig oder schlammig sein kön-
                                          nen. Unzu­reichende Kraft und verzögerte
                                          Reaktions­fähigkeit erschweren es den
                                          Kindern häufig, angemessen auf diese
                                          Bodenunebenheiten zu reagieren, so
                                          dass es zu Stürzen kommen kann. Eine
                                          bewusste Auseinandersetzung mit dem
                                          Gelände kann durch eine gezielte Bewe-
Abb. 6	Kopfbedeckung als Schutz vor      gungsförderung erreicht werden. Durch
        Sonneneinstrahlung                Lauf-, Hüpf- und Reaktionsspiele oder
                                          Spielen mit Änderung der Bewegungs-
An Tagen mit erhöhten Ozonwerten soll-    richtung werden die körperlichen Fähig-
ten die Kinder extreme Anstrengungen      keiten der Kinder geschult. Darüber hin-
vermeiden. Eine erhöhte Ozonkonzent-      aus sollten altersbezogene Hinweise auf
ration kann zu Hustenreiz, Reizung von    besondere Gefahrenstellen erfolgen.
Hals und Rachen und Kopfschmerzen         Festes Schuhwerk mit Profilsohle trägt
führen. Generell reagieren Kinder emp-    zudem zu einem besseren Halt bei.
findlicher auf erhöhte Ozonkonzentrati-
onen als Erwachsene. Befinden sich
besonders empfindliche Kinder in der      4.3     Kletterbäume
Gruppe, sollte ein Alternativprogramm
angeboten werden.                         Klettern entspricht einem Grundbedürf-
                                          nis von Kindern. Sie suchen und finden
                                          jede Möglichkeit dazu. Es macht ihnen
4.2      Gelände                          großen Spaß, stellt jedoch ein mögli-
                                          ches Unfallrisiko dar.
Stolperunfälle sind in Kindertagesein-
richtungen vor allem aufgrund des moto-   Hier kann ein gezieltes Angebot von
rischen Entwicklungsstandes von Kin-      Bewegungsspielen dazu dienen, Bewe-
dern ein Unfallschwerpunkt. Im Wald       gungsdefizite abzubauen und Sicherheit

22
Ein Wald birgt auch Gefahren

                                            DIN EN 1176 zum Beispiel durch eine
                                            Kennzeichnung zu beschränken. Die
                                            höchste Auftrittsmöglichkeit darf dem-
                                            nach bei maximal 3,0 m liegen, woraus
                                            sich eine Greifhöhe von ca. 4,0 m ergibt.
                                            V-förmige Öffnungen von Astgabelungen
                                            mit einem Winkel von weniger als 60°
                                            können zu Strangulationen des Halses
                                            oder Einklemmen von Gliedmaßen füh-
                                            ren. Sie sollten daher an zum Klettern
                                            ausgewiesenen Bäumen entfernt oder
                                            geschlossen werden.

                                            Für einen ausreichenden Fallschutz
                                            empfiehlt sich im Wald zum Beispiel das
                                            Aufbringen von Rindenmulch oder Holz-
                                            schnitzel unter den jeweiligen Kletter-
Abb. 7   Beispiel eines Kletterbaumes       bäumen. Außerdem ist auf einen ausrei-
                                            chenden Sicherheitsabstand zu achten.
beim Klettern zu gewinnen. Außerdem         Dieser beträgt mindestens 1,5 m, ab
sollte eine geeignete Auswahl der Klet-     1,5 m freie Fallhöhe ist er anhand folgen-
terbäume, auch in Absprache mit dem         der Formel bestimmbar:
zuständigen Forstamt bzw. dem Waldbe-
sitzer, erfolgen. Hierbei ist unter ande-    2/3 der freien Fallhöhe + 0,5 m =
rem der Gesundheitszustand der Bäume         Länge der Aufprallfläche.
ein wichtiges Kriterium. Ein niedriger
Ast­ansatz erleichtert den Einstieg und     Es dürfen keine Personen, Gegenstände
vor allem auch wieder das Herunterklet-     oder herausstehende Wurzeln im Fallbe-
tern. Die Kletterhöhe ist nach den Umge-    reich vorhanden sein. Unter Umständen
bungsbedingungen sowie den Fertigkei-       müssen Sträucher oder dornenreiche
ten der Kinder auszurichten. Darüber        und giftige Pflanzen entfernt werden.
hinaus ist sie entsprechend der Rege-       Das Tragen von festem Schuhwerk bietet
lung für Spielplatzgeräte nach              auch hier sicheren Halt.

                                                                                      23
Ein Wald birgt auch Gefahren

4.4      Totholz

Mit Totholz werden tote Baumstümpfe
und abgestorbene Äste und Zweige be-
zeichnet (Abbildung 8). Da sie die Le-
bensgrundlage für viele Tier- und Pflan-
zenarten bilden, werden sie bewusst im
Wald belassen, stellen aber besonders
nach Stürmen eine Gefahr für die Wald-
benutzer dar. Die pädagogischen Fach-
kräfte sollten Absprachen mit dem zu-
ständigen Forstamt oder Waldbesitzer
treffen und Aufenthaltsbereiche mei-
den, in denen sich bekannterweise viel
Totholz befindet. Besonders nach Stür-
men sollte auf Feld- und Wiesengebiete
ausgewichen werden.                         Abb. 8   Totholz

 Trockenheit erhöht die waldtypischen Gefahren:
 Der Wald hat unter der Hitze und Tro-      Besonders gefährlich sind absterbende
 ckenheit der letzten Sommer stark gelit-   Buchen, da als Folge der Erkrankungen
 ten, hinzu kommen Schädlinge wie der       Äste und Kronenteile plötzlich abbre-
 Borkenkäfer und Pilze. In vielen Wald-     chen und zu Boden fallen können.
 beständen zeigen sich trockene und
 absterbende Bäume. An vielen Stand-        Wenn Sie in betroffenen Beständen
 orten treten Schäden in großem Aus-        unterwegs sind, nehmen Sie Kontakt
 maß und hoher Geschwindigkeit auf.         mit Ihrem zuständigen Forstamt oder
 Erhöhen Sie daher die Achtsamkeit bei      Förster auf und informieren Sie sich
 Waldbesuchen, denn die waldtypi-           über die Situation Ihrer regelmäßig
 schen Gefährdungen durch abbrechen-        aufgesuchten Standorte und gegebe-
 de Baumteile und Totholz haben             nenfalls über Ausweichstandorte.
 zugenommen.

24
Ein Wald birgt auch Gefahren

4.5     Forstarbeiten

Im Rahmen von Forstarbeiten werden
Waldflächen dem öffentlichen Zugang
entzogen. Es ist erforderlich, sich beim
zuständigen Forstamt oder Waldbesitzer
über anstehende Forstarbeiten und die
sich daraus ergebende Zuweisung von
Aufenthaltsbereichen zu informieren.

Den Kindern sollten die Warnschilder
bekannt sein, die das Forstarbeitsgebiet
eingrenzen (Abbildung 9). Es ist sicher­
zustellen, dass sich keine Personen in
diesen Gebieten aufhalten.                 Abb. 9   Warnschild für Holzfällungen

Nach Forstarbeiten werden in Wäldern
häufig Holzstapel, sogenannte Holz­
polter, angelegt. Diese dienen aus-
schließlich der Lagerung von Schnitt-
holz und sind nicht als Spielgeräte
geeignet, da die Holzstämme u.U. nicht
ausreichend gegen ein Abrollen gesi-
chert sind. Holzstapel dürfen daher von
Kindern keinesfalls betreten werden
(Abbildung 10).

Freiliegende Einzelstämme, die sicher
und fest im Erdreich liegen, können je-    Abb. 10	Holzstapel dürfen nicht betreten
doch zum Balancieren oder Sitzen ge-                werden
nutzt werden.

                                                                                       25
Ein Wald birgt auch Gefahren

                                             4.6     Jagdliche Einrichtungen

                                             Von Jagdpächtern werden in Wäldern oft
                                             Hochsitze oder Unterstände errichtet
                                             (Abbildung 11). Diese sind nicht als Spiel-
                                             geräte konstruiert und bergen daher
                                             eine Reihe von Gefahrenstellen. Darüber
                                             hinaus sind sie oft nicht standsicher
                                             und dürfen daher von der Waldkita nicht
                                             genutzt werden.

                                             Ebenso können im Wald Munitionsreste
                                             von Jagden oder von militärischen Übun-
                                             gen vorgefunden werden. Diese dürfen
                                             nicht berührt oder gesammelt werden
Abb. 11	Hochsitze dürfen von der Waldkita   und die Kinder sind auf diese Gefahren
         nicht genutzt werden                hinzuweisen.

26
5       Besondere Rahmenbedingungen im Wald

5.1     Bauwagen, Hütten und                Ein Bauwagen muss aber ebenso die For-
        Notunterkünfte                      derung nach Sicherheit und Gesundheit
                                            der Kinder und des pädagogischen Perso-
Die Erteilung einer Betriebserlaubnis       nals erfüllen. Es ist zu gewährleisten, dass
durch die Jugendämter ist in einem          die Einrichtungsgegenstände in dem Bau-
Waldkindergarten in der Regel an einen      wagen keine scharfen Kanten und Ecken
festen Ort im Sinne einer Notunterkunft     aufweisen und abgerundet sind, eventuell
gebunden.                                   vorhandene Glasflächen bis in eine Höhe
                                            von 2,0 m aus Sicherheitsglas oder
Falls keine Möglichkeit besteht, Räum-      ­Material mit gleichwertigen Eigenschaften
lichkeiten in einem an den Wald gren-        bestehen, und dass ein Zugang zum Bau-
zenden Gebäude zu nutzen, entschei-          wagen mit Handläufen für Kinder und
den sich die meisten Waldkindergärten        Erwachsene ausgerüstet ist.
für das Aufstellen eines Bauwagens,
da dieser in einigen Bundesländern im       Bauwagen verfügen in der Regel über
Gegensatz zu einer Schutzhütte nicht        keinen Stromanschluss, so dass elek­
durch das Bauamt und die Forstbehörde       trische Gefährdungen ausgeschlossen
genehmigungspflichtig ist. Es ist in je-    werden können. Sind elektrische An­
dem Fall erforderlich, die länderspezifi-   lagen vorhanden werden diese häufig
sche Regelung zu beachten.                  mit Kleinspannung betrieben, die durch
                                            Solaranlagen erzeugt wird.

                                                                                     27
Besondere Rahmenbedingungen im Wald

Sollte der Bauwagen mit Gas beheizt          Heiße Oberflächen sind abgeschirmt
werden, sind in jedem Fall bei der Instal-   • Brennstoffe (Flüssigkeiten, Gase) sind
lation der Heizung die Herstellerangaben       für Kinder nicht zugänglich
(vor allem auch in Bezug auf die Lüftung)    • Bedieneinrichtung für Kinder sind
sowie die Vor­gaben des Deutschen Ver-         nicht zu erreichen
eins des Gas- und Wasserfaches (DVGW)        • Herstellerangaben und DVGW-Vorga-
zu beachten. Zudem sind die Gasanla-           ben (bei Gasheizung) werden einge-
gen in regel­mäßigen Abständen von             halten (Errichtung, Instandhaltung
einer fachkundigen Person zu prüfen.           und Prüfung)
                                             • Sauerstoffmangel bei Verbrennungs-
Wenn zur Heizung des Bauwagens Holz­           prozessen wird vorgebeugt
öfen genutzt werden (Abbildung 12),          • Feuerlöscher sind vorhanden
sollten diese eine Abdeckung der hei-
ßen Flächen beispielsweise durch ein
Schutzgitter besitzen. Weiterhin muss
ein Feuerlöscher vorhanden und gut
erreichbar sein. Der Ofen muss in regel-
mäßigen Abständen vom Schornsteinfe-
ger überprüft werden. Weiterhin sollte er
nicht so aufgestellt werden, dass er den
Ausgang im Brandfall versperrt, andern-
falls ist eine zweite Fluchtmöglichkeit
aus dem Bauwagen erforderlich.

Der Bereich unter dem Bauwagen ist
aufgrund scharfer Kanten und vorhande-
nem Gestänge abzuschirmen, damit sich
Kinder nicht darunter aufhalten können.

Wenn eine Heizung vorhanden ist,
ergeben sich folgende zusätzliche
Anforderungen:
                                             Abb. 12 Holzofen mit Schutzgitter

28
Besondere Rahmenbedingungen im Wald

Bauliche Erfordernisse an Bauwagen:

•   Keine spitzen/scharfen/rauen Gegen-   •   Handläufe an Treppen, die den
    stände oder Oberflächen bis 2,0 m         ­Kindern und Beschäftigten sicheren
    Höhe ab Standfläche der Kinder             Halt bieten
•   Abgerundete/gefaste Kantenradien      •    Deichsel gesichert (unbeweglich
    (≥ 2 mm)                                   bzw. abgeschirmt)
•   Lichtdurchlässige Flächen sind        •    Standsicherheit gewährleistet
    bruchsicher                                (­waagerecht und arretiert)
•   Elektrische Anlagen und Betriebs­     •    Abschirmung des Unterbodenbe-
    mittel sowie Gasanlagen und Öfen           reichs (wegen häufig vorhandener
    werden regelmäßig geprüft                  scharfer Kanten und Fangstellen)

                                                                                    29
Besondere Rahmenbedingungen im Wald

5.2     Hygiene                            großem Aufwand oder gar nicht möglich
                                           ist, müssen alternative Maßnahmen
Aus Sicht des Gesundheitsamtes müs-        ergriffen werden.
sen bestimmte Voraussetzungen bei der
Einrichtung eines Waldkindergartens        Um das Reinigen der Hände zu ermög­
erfüllt sein. Die Auflagen betreffen zu-   lichen, führen viele Waldkindergarten-
sätzlich zu den vom Landesjugend­amt       gruppen auf ihrem Bollerwagen einen
festgelegten Bedingungen in erster Linie   Wasserkanister sowie Seife und eine
die hygienischen Verhältnisse. Grund-      ­Nagelbürste mit (Abbildung 13). Des
sätzlich ist in einem Waldkindergarten      ­Weiteren fordern die Gesundheitsämter
der gleiche Hygienestandard zu gewähr-       in der Regel die Benutzung von täglich
leisten wie in einem Regelkinder-            zu wechselnde Stoffhandtüchern oder
garten. Da das Benutzen eines Wasch-         Papierhandtüchern.
beckens oder einer Toilette aufgrund der
räumlichen Bedingungen oft nur mit         Der Toilettengang wird in den einzelnen
                                           Waldkindergärten unterschiedlich
                                           ­geregelt. Die Benutzung einer Camping-
                                           toilette ist dabei eine von mehreren
                                           Möglichkeiten.

Abb. 13
Händewaschen mithilfe eines Wasser­
 kanisters im Waldkindergarten

30
6      Verhaltensregeln und
       Vorsichtsmaßnahmen
6.1    Umgang mit Stöcken                6.2     Verhalten bei Insekten­
                                                 stichen oder -bissen
Der Aufenthalt im Wald lädt Kinder in
besonderem Maße dazu ein, mit Stö-       Den Kindern sollte bekannt sein, dass sie
cken und Ästen zu spielen und diese      nicht nach Insekten schlagen oder in
zum Beispiel zu Schwertern umzufunkti-   Insektennestern im Erdreich stochern
onieren. Hierbei besteht die Gefahr,     sollten. Weiterhin ist vor allem in den
dass Kinder getroffen werden.            Sommermonaten auf den Verzehr von
                                         süßen Nahrungsmitteln zu verzichten. Bei
Das pädagogische Personal sollte mit     Trinkflaschen ist darauf zu achten, dass
den Kindern in Abhängigkeit vom Alter    diese verschlossen zu halten sind bzw.
und den individuellen Voraussetzungen    mit einem Strohhalm getrunken wird.
Regeln über das Spiel mit Stöcken ver-
einbaren, zum Beispiel dass Stöcke       Bei vorhandener allergischer Dispositi-
nicht in die Gesichtshöhe anderer Kin-   on können Insektengifte bei Kindern
der gehalten werden dürfen und nicht     unter Umständen zu lebensbedroh­
mit einem Stock in der Hand gerannt      lichen allergischen Reaktionen führen.
werden darf.                             Vereinbarungen über die eventuell erfor-
                                         derliche Gabe von Medikamenten soll-
                                         ten zwischen den Eltern der betroffenen

                                                                                31
Verhaltensregeln und Vorsichtsmaßnahmen

Kinder und Kita-­Leitung bzw. dem Träger     Verbreitung der infizierten Zecken
der Einrichtung schriftlich festgelegt       hauptsächlich auf den Süden und die
werden. Für solche Fälle muss ein Not-       Mitte Deutschlands beschränkt. Aktuel-
fall-Set mitgeführt werden. Weitere Infor-   le Informationen zu FSME-Risikogebie-
mationen können aus der DGUV Infor-          ten gibt es unter anderem auf der Home-
mation 202-092 „Medikamentengabe in          page des Robert-Koch-Instituts unter:
Kindertageseinrichtungen“ entnommen          www.rki.de. Eine spezifische Behand-
werden.                                      lung gibt es im Falle einer Erkrankung
                                             nicht. Daher sollte sich eine Impfindika-
Zeckenstiche                                 tion bei Kindern ähnlich wie bei Impfun-
Zecken werden vorwiegend in den Mo-          gen für Erwachsene nach dem Expositi-
naten März bis Oktober aktiv. Sie halten     onsrisiko richten, dies gilt auch für
sich bevorzugt in niedrigen Sträuchern,      Kinder unter drei Jahren.
Gräsern oder Farnen auf und werden von
dort abgestreift. Da der Speichel einer      Lyme-Borreliose
Zecke eine betäubende Substanz ent-          Die Borreliose ist eine durch Bakterien
hält, bleibt ein Zeckenstich beim Men-       übertragene Infektionskrankheit, die
schen häufig unbemerkt.                      vornehmlich die Haut, das Nervensys-
                                             tem, das Herz und die Gelenke betrifft.
Zecken können vorwiegend zwei Infekti-       Die Erkrankung verläuft in der Regel in
onskrankheiten übertragen, nämlich die       drei Stadien, wobei typische Symptome,
Frühsommer-Meningo-Enzephalitis              wie zum Beispiel die Rötung um die Ein-
(FSME) und die Lyme-Borreliose.              stichstelle herum, nicht immer auftre-
                                             ten. Die Krankheitserreger befinden sich
Frühsommer-Meningo-Enzephalitis              überwiegend im Darm der Zecke und
Die Frühsommer-Meningo-Enzephalitis          wandern erst beim Stich und dem damit
ist eine Viruserkrankung des zentralen       verbundenen Saugvorgang in den Spei-
Nervensystems, die bei einem schweren        chel. Da dieser Vorgang unter Umstän-
Krankheitsverlauf eine Hirnhautentzün-       den Stunden dauern kann, ist die Inku-
dung (Meningitis) oder Gehirnentzün-         bationszeit entsprechend lang. Durch
dung (Enzephalitis) mit unter Umstän-        eine rechtzeitige Behandlung der Krank-
den bleibenden Schäden zur Folge             heit mit Antibiotika können Spätfolgen
haben kann. In Deutschland ist die           wie chronische Gelenk- und

32
Verhaltensregeln und Vorsichtsmaßnahmen

Herzmuskelentzündungen vermieden            schädigen, ist zu beachten, dass sie
werden. Einen Impfschutz gegen Borre-       lediglich einen zeitlich begrenzten
liose gibt es derzeit noch nicht.           Schutz (ca. 2 Stunden) bieten. Außer-
                                            dem sollten die Kinder über die mögli-
Die Kinder sollten daher Kleidung tra-      chen Gefahren durch Zeckenstiche infor-
gen, die den Körper vollständig bedeckt.    miert werden.
Nach dem Waldaufenthalt sind die Kin-
der sorgfältig nach Zecken abzusuchen
(helle Kleidung erleichtert das Auffinden   6.3      Vermeidung von
von Zecken).                                         Infektionen

Zecken sollten nach ihrer Entdeckung        Tollwut
zügig und fachgerecht entfernt werden.      Die Tollwut ist eine lebensbedrohliche,
Hierzu stehen verschiedene Hilfsmittel,     durch Viren ausgelöste Infektionser-
wie Zeckenkarte, Zeckenzange oder           krankung, die in der Regel durch den
spezieller Zeckenentferner zur              Biss oder den Speichel eines erkrankten
Verfügung.                                  Tieres übertragen wird. Es wird empfoh-
                                            len, dass sich das pädagogische Perso-
Das pädagogische Personal der Kinder-       nal bei den örtlichen Veterinär- und
tageseinrichtung darf Zecken entfernen,     Forstbehörden über das Vorkommen von
allerdings nur unter der Voraussetzung,     Tollwut und eventuell ausgelegte Impf-
dass eine Einwilligung der Erziehungs-      köder informiert.
berechtigten vorliegt.
                                            Die Kinder sollten wissen, dass die Zu-
Die Anwendung von Öl, Nagellack oder        traulichkeit von Wildtieren ein Zeichen
Klebstoff zum Entfernen der Zecke ist       von Tollwutinfektion sein kann. Im Wald
nicht geeignet, da sich durch die ver-      gilt grundsätzlich, dass Wildtiere und
mehrte Speichelbildung bei den Zecken       auch deren Kadaver nicht berührt wer-
als Folge der Anwendung das Infektions-     den dürfen. Da Impfköder Tollwutviren
risiko erhöht. Dies gilt auch für das       in abgeschwächter Form enthalten, dür-
Quetschen des Zeckenkörpers. Bei der        fen auch diese nicht angefasst werden.
Benutzung von Repellents, das heißt         Sollte es zu einem Biss durch ein mögli-
Stoffen, die abstoßend wirken, ohne zu      cherweise erkranktes Tier kommen, ist

                                                                                      33
Verhaltensregeln und Vorsichtsmaßnahmen

sofort eine Ärztin oder ein Arzt zwecks     Der wirksamste Schutz gegen Wund-
passiver Immunisierung aufzusuchen.         starrkrampf ist, vor allem auch wegen
                                            der fehlenden Therapiemöglichkeiten,
Wundstarrkrampf (Tetanus)                   eine aktive Immunisierung. Die meisten
Beim Wundstarrkrampf handelt es sich        Waldkindergärten haben diesen Impf-
um eine durch Bakterien ausgelöste          schutz zur Auflage gemacht.
Erkrankung, die mit Krämpfen und Läh-
mungserscheinungen verbunden ist.
Hervorgerufen wird die Erkrankung           6.4      Vergiftungen
durch einen Erreger, der überall in der
Erde, in morschem Holz, an rostigen         Die Gefahr, durch den Verzehr von
Gegenständen oder in menschlichen           ­Waldfrüchten (wie Beeren oder Pilzen)
und tierischen Fäkalien vorkommen            eine Vergiftung zu erleiden, hängt von
kann. Besonders gefährlich sind tiefe        den individuellen Voraussetzungen des
Wunden, zum Beispiel Stiche, Bisse           betroffenen Kindes und der Art der
oder Splitterverletzungen. Unter Luftab-     Pflanze bzw. des Pflanzenteils ab. Ent-
schluss produzieren die Erreger einen        scheidend ist auch die Wirkstoffmenge,
Giftstoff, der die Erkrankung verursacht.    die beim Verzehr oder Kontakt aufge-
                                             nommen wird. Symptome einer Vergif-
                                             tung können unter anderem Benom-
                                             menheit, Übelkeit, Brechreiz, Schweiß-
                                             ausbrüche oder Durchfall sein.

                                            Dem pädagogischen Personal wird emp-
                                            fohlen, sich vor der Auswahl von Aufent-
                                            haltsbereichen im Wald in Absprache
                                            mit dem Forstamt bzw. dem Waldbe-

                                            Abb. 14
                                            Der Fingerhut (Digitalis) – eine häufig im
                                            Wald vorzufindende Giftpflanze

34
Verhaltensregeln und Vorsichtsmaßnahmen

sitzer über den Bewuchs mit Giftpflan-        Informationen über Giftpflanzen liefert
zen zu informieren (Abbildung 14). Im         unter anderem auch das Giftinformat­
Einzelfall kann es ratsam sein, bestimm-      ionszentrum-Nord in Göttingen, das
te Pflanzen (zum Beispiel Bärenklau           auf seiner Homepage eine Liste von
oder den extrem giftigen Knollenblätter-      giftigen Pflanzen aufgeführt hat ­
pilz) zu entfernen. Die Kinder sollten        (www.giz-nord.de).
neben der Regel, dass keine Waldfrüch-
te gegessen werden dürfen, auch die
von Giftpflanzen ausgehenden Gefahren
kennen. Ein Bestimmungsbuch kann
dafür nützlich sein.

Die Telefonnummer der nächsten Gift-
notrufzentrale sollte mitgeführt werden.
Besteht der Verdacht einer Vergiftung,
ist sofort eine Ärztin oder ein Arzt aufzu-
suchen. Pflanzen, die möglicherweise
eine Vergiftung verursacht haben, soll-
ten zur eindeutigen Bestimmung mitge-
nommen werden.

                                                                                        35
Anhang 1

Beispielhafte Gefährdungsbeurtei-           Tageseinrichtungen durchgeführt wer-
lung für einen Waldkindergarten             den. Für Waldkindergärten können die
                                            folgenden Hinweise als Vorlage dienen,
Auf Grundlage des Arbeitsschutzgeset-       sollten aber auf die jeweilige Situation
zes und der DGUV Vorschrift 1 muss eine     angepasst und ergänzt werden.
Gefährdungsbeurteilung sowohl für die
Beschäftigten wie auch für die Kinder in

Gefährdung            Maßnahmen zur Abhilfe
Extreme               1. Gut zu erreichende Schutzhütte oder Bauwagen als Unterschlupf
Wetterereignisse         oder feste Ausweichräume (z. B. Gemeinde, Verein, Kirche, Kita­
                         gebäude) sind vorhanden
                      2. Wechselkleidung für alle ist vorhanden
Natürliche            1. Ausreichend Schattenplätze vorzugsweise unter Bäumen und
UV-Strahlung             Sträuchern sind vorhanden
                      2. Die Kleidung ist körperbedeckend (Sonnenhut, lange Ärmel und
                         Hosen, möglichst UV-Strahlen undurchlässig)
                      3. Nicht bedeckte Körperstellen werden mit geeigneter Sonnen-
                         creme eingekremt (mind. Lichtschutzfaktor 30, Sonnencreme ist
                         jeweils für die Kinder geeignet)
Kälte                 1. Geeignete Kleidung der Versicherten nach dem ‚Zwiebelprinzip‘
                         in mehreren Lagen (Mütze, Handschuhe, lange Unterwäsche,
                         wasserabweisend, schnell-trocknend, winddicht, wärmend) wird
                         getragen
                      2. Decken und Sitzkissen sind vorhanden
                      3. Heizmöglichkeit im Unterschlupf ist vorhanden
                      4. Feste Ausweichräume (z. B. Gemeinde, Verein, andere Kita) sind
                         vorhanden
Hitze                 1. Ausreichend Schattenplätze vorzugsweise unter Bäumen und
                         Sträuchern sind vorhanden
                      2. Ausreichendes Trinkwasser wird mitgenommen
                      3. Geeignete Kleidung (luftdurchlässig, schnelltrocknend da
                         ­kühlend, helle Farben) wird getragen

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