DER GKV-CHECK-UP DEUTSCHER HEALTHCARE-SEKTOR - TRENDS UND PERSPEKTIVEN, EDITION 2019 - MCKINSEY

 
WEITER LESEN
DER GKV-CHECK-UP DEUTSCHER HEALTHCARE-SEKTOR - TRENDS UND PERSPEKTIVEN, EDITION 2019 - MCKINSEY
Deutscher Healthcare-Sektor

Der GKV-
Check-up
Trends und Perspektiven, Edition 2019
DER GKV-CHECK-UP DEUTSCHER HEALTHCARE-SEKTOR - TRENDS UND PERSPEKTIVEN, EDITION 2019 - MCKINSEY
Deutscher Healthcare-Sektor

Der GKV-
Check-up
Trends und Perspektiven, Edition 2019

Alles, was Sie über die GKV wissen müssen   1
DER GKV-CHECK-UP DEUTSCHER HEALTHCARE-SEKTOR - TRENDS UND PERSPEKTIVEN, EDITION 2019 - MCKINSEY
2   Der GKV-Check-up   Aktuelle Themen der GKV
DER GKV-CHECK-UP DEUTSCHER HEALTHCARE-SEKTOR - TRENDS UND PERSPEKTIVEN, EDITION 2019 - MCKINSEY
Vorwort
Umfassende Reformvorhaben der Politik mit ersten auswirkungsstarken neuen Gesetzen (u.a. TSVG
und VEG), kontinuierlich steigender Kostendruck und wachsende digitale Chancen und Erfordernisse:
Viel spricht dafür, dass die GKV-Landschaft nach Jahren vergleichsweiser „Stabilität“ auf tief greifende
Veränderungen zusteuert.

GKV-Vorstände und -Entscheider benötigen in dieser anspruchsvollen Branchensituation einen fun-
dierten und aktuellen Überblick über alle relevanten Entwicklungen, Neuerungen und Prognosen. Mit
der Ihnen vorliegenden „Erstauflage“ unserer Publikation Der GKV-Check-up wollen wir hierzu einen
Beitrag leisten.

Die GKV steht Ende des Jahres 2019 vor einer doppelten Herausforderung. Auf der einen Seite gilt es,
die digitalen Schlüsselherausforderungen dieser Zeit zu meistern: Denn wie gut zum einen die Automa-
tisierung und Digitalisierung interner Prozesse und zum anderen die digitale Transformation von Kun-
denerlebnissen gelöst werden, wird wesentlich mit darüber entscheiden, welche GKVen langfristig und
nachhaltig gut aufgestellt sind. Doch was genau hat es damit auf sich? Durch Digitalisieren und Auto-
matisieren ihrer internen Prozesse können GKVen nicht nur dem weiter steigenden Kostendruck mit
Produktivitätssteigerungen begegnen. Zugleich schaffen sie mit dem Einleiten ihrer digitalen Transfor-
mation nach außen und innen auch wichtige Voraussetzungen, die Kunden- und Mitarbeiterzufrieden-
heit zu verbessern, ihre Arbeitgebermarke zu stärken und (künftige) gesetzliche Vorgaben zu erfüllen.

Besonders bei Letzteren stehen die GKVen unter Zugzwang, denn die Politik fordert bei aktuellen
Reformvorhaben wie dem Digitale-Versorgung-Gesetz eine solche digitale Transformation bereits ein.
Entsprechend sind die GKVen gefordert, zügig die technischen und infrastrukturellen Voraussetzungen
dafür zu schaffen – Stichworte hier sind die elektronische Gesundheitsakte, (Versorgungs-)Apps und
digitale Filialen – und zugleich ihre zahlreichen traditionellen (Infra-)Strukturen kritisch zu hinterfragen,
v.a. die bisherige Geschäftsstellenstrategie. Im ersten Buchteil von Der GKV-Check-up zeigen wir daher
zunächst aktuelle Praxisperspektiven zur Digitalisierung der GKVen und des Gesundheitswesens auf.

Gleichzeitig zur Herausforderung der digitalen Transformation mehren sich die Anzeichen, dass nach
fünf Jahren weitgehender Stabilität das Umfeld der GKV wieder deutlich dynamischer wird: Zusatzbei-
träge steigen, Leistungsausgaben übersteigen teils deutlich die gemäß Morbidität zu erwartenden Aus-
gaben, Wechselbewegungen von Mitgliedern verstärken sich. All diese Trends gilt es im Detail analy-
tisch zu verstehen. Daher liefern wir Ihnen im zweiten Buchteil umfangreiche, systematische Analysen
zu den jüngsten Entwicklungen im GKV-Markt in den Bereichen Wettbewerb, Kassenergebnis sowie
Kunde und Service.

Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre – und sind gespannt auf Ihre Rückmeldung dazu.

Stuttgart, im Oktober 2019

Florian Niedermann                          Thomas Rudolph                             Manuela Martin
Leiter des deutschen                        Leiter des deutschen Sektors               Herausgeberin
Healthcare-Sektors                          Pharma und Medizintechnik

Alles, was Sie über die GKV wissen müssen                                                                       3
DER GKV-CHECK-UP DEUTSCHER HEALTHCARE-SEKTOR - TRENDS UND PERSPEKTIVEN, EDITION 2019 - MCKINSEY
4   Der GKV-Check-up   Aktuelle Themen der GKV
DER GKV-CHECK-UP DEUTSCHER HEALTHCARE-SEKTOR - TRENDS UND PERSPEKTIVEN, EDITION 2019 - MCKINSEY
Inhalt

A Praxisperspektiven                                                  6

  A1 Digitalisierung des Gesundheitswesens –
     welche Leistungen sich Versicherte und Ärzte wünschen            8

  A2 Digitale Transformation von Kundenerlebnissen –
     Versicherte warten ungeduldig darauf                            14

  A3 Produktivität steigern, die Organisation digital ausrichten –
     ehrliche Analyse und strikte Priorisierung vorausgesetzt        22

B Aktuelle Entwicklungen im GKV-Markt                                30
  B1 Wettbewerbstrends                                               34

  B2 Entwicklung der Kassenergebnisse                                40

  B3 Kundenzufriedenheit – aktuelle Trends und Fokusthemen           54

Ausblick                                                             78

Methodik und Definitionen                                            80

Impressum                                                            84

Alles, was Sie über die GKV wissen müssen                                 5
DER GKV-CHECK-UP DEUTSCHER HEALTHCARE-SEKTOR - TRENDS UND PERSPEKTIVEN, EDITION 2019 - MCKINSEY
Praxisperspektiven

A
6   Der GKV-Check-up   Praxisperspektiven
DER GKV-CHECK-UP DEUTSCHER HEALTHCARE-SEKTOR - TRENDS UND PERSPEKTIVEN, EDITION 2019 - MCKINSEY
Die drei Artikel in diesem Buchteil zeigen aktuelle              Offlinekommunikationskanäle künftig einneh-
Praxisperspektiven zur Digitalisierung der GKVen                 men? Wie können die GKVen bei der Transfor-
und des Gesundheitswesens auf. Folgende The-                     mation vorgehen und was sind die notwendigen
menbereiche und Schlüsselfragen stehen dabei im                  Schritte?
Mittelpunkt:
                                                              —— Produktivitätssteigerungen und digitale Aus-
—— Digitalisierung des Gesundheitswesens. Was                    richtung der Organisation. In welchen Bereichen
   erhoffen und erwarten sich Versicherte und                    und mit welchen Hebeln lassen sich die größ-
   Ärzte von einer künftigen digitalen Gesundheits-              ten Digitalisierungs- und Automatisierungspo-
   versorgung? Auf welche Anwendungsfälle sollte                 tenziale am einfachsten erschließen? Anhand
   zunächst der Fokus gelegt werden? Welche                      welcher Kriterien sind die zu optimierenden Pro-
   Herausforderungen gilt es bei der Umsetzung zu                zesse auszuwählen? Wie lassen sich priorisierte
   beachten?                                                     Vorhaben in die Tat umsetzen?

—— Digitale Transformation von Kundenerlebnissen.             Datengrundlage sind v.a. die Ergebnisse zwei aktu-
   Wie beeinflussen digitale Angebote die Kunden-             eller von McKinsey in Auftrag gegebenen Umfra-
   zufriedenheit und Weiterempfehlungsrate der                gen – zur Relevanz von Online- und Digitalservices
   GKVen? Welche Erwartungen knüpfen Versi-                   für herausragende Kundenerlebnisse im Industrie-
   cherte an digitale Dienste und Services im Kun-            vergleich1 und zur Relevanz von Anwendungsfällen
   denservice und Vertrieb der Zukunft? Welchen               im Rahmen der digitalen Gesundheitsversorgung,
   Stellenwert werden die einzelnen Online- und               jeweils in Deutschland.

1
    Customer-centric tech-enabled transformation survey

Produktivität steigern, die Organisation digital ausrichten                                                    7
DER GKV-CHECK-UP DEUTSCHER HEALTHCARE-SEKTOR - TRENDS UND PERSPEKTIVEN, EDITION 2019 - MCKINSEY
Digitalisierung des Gesundheits-
wesens – welche Leistungen sich
Versicherte und Ärzte wünschen

A1
8     Der GKV-Check-up             Praxisperspektiven
DER GKV-CHECK-UP DEUTSCHER HEALTHCARE-SEKTOR - TRENDS UND PERSPEKTIVEN, EDITION 2019 - MCKINSEY
Auch wenn die Einführung digitaler Gesundheitsangebote in
Deutschland nicht einfach ist: Die gesetzlichen Krankenkassen
müssen ein großes Interesse am Ausbau der digitalen Gesund-
heitsversorgung haben. Eine aktuelle Umfrage von McKinsey
zeigt, was Versicherte unabhängig vom Alter und Ärzte unab-
hängig von der Fachrichtung wollen – und was nicht.

Noch denken die meisten Deutschen beim Thema          Das digitale Leistungsangebot
digitale Gesundheit an Präventions- und Fitness-      umfasst drei Kategorien von
Apps, v.a. weil diese den Markt bis 2014 dominiert    Anwendungsfällen
haben.1 Dass dies so ist, obwohl die Bandbreite an
digitalen Angeboten inzwischen wesentlich grö-        In der Onlinebefragung sollten sich die Teilnehme-
ßer ist und u.a. digitale Medikationspläne, Online-   rinnen und Teilnehmer dazu äußern, wie relevant ver-
terminvereinbarungen und die elektronische            schiedene Anwendungsfälle aus dem digitalen Leis-
Gesundheits-/Patientenakte bzw. den Zugriff auf       tungsangebot für sie sind. Ihre Antworten beziehen
eigene Gesundheitsdaten umfasst, zeigt v.a. eins:     sich auf drei Nutzungsoptionen:
Die digitalen Angebote zur Gesundheitsversor-
gung stoßen bislang nur auf ein überschaubares        Administration und Service. Hierzu zählen insbe-
Interesse. Im Umkehrschluss bedeutet das: Wer         sondere Angebote, die die umfassenden Gesund-
den Ausbau erfolgreich vorantreiben möchte,           heitsdaten von Versicherten zusammenführen und
sollte Ursachenforschung für den Mangel an Inte-      digital bereitstellen. Konkret handelt es sich dabei
resse betreiben und zunächst v.a. solche digita-      um die elektronische Patientenakte und elektro-
len Angebote entwickeln, die für die Zielgruppen      nische Gesundheitspässe sowie um Anwendun-
hochrelevant sind.                                    gen, die den Zugriff auf eigene Gesundheitsdaten
                                                      ermöglichen. Auch die digitale Kommunikation mit
Welche Erwartungen aber knüpfen Versicherte und       der Krankenkasse fällt in diese Kategorie.
Ärzte an den Ausbau der digitalen Gesundheitsver-
sorgung – und was steht deren Erfüllung entge-        Prävention. Beim Erhalt der Gesundheit helfen
gen? Um dies herauszufinden, hat McKinsey eine        Auswertungen von Gesundheitsdaten sowie Fit-
Onlineumfrage zur Relevanz von Anwendungsfällen       ness- und Gesundheitsangebote. Darunter fallen
im Rahmen der digitalen Gesundheitsversorgung         etwa Apps für Krankenkassen-Bonusprogramme
in Deutschland durchgeführt und mehr als 500          und Apps, die über Vorsorgeleistungen informie-
Versicherte sowie über 100 Ärzte befragt. Wie die     ren oder Versicherten zu einer gesunden Lebens-
Ergebnisse der Umfrage zeigen, sind sowohl Ärzte      weise verhelfen (u.a. mit Meditation oder gesunder
als auch Versicherte einerseits am Ausbau digita-     Ernährung).
ler (Dienst-)Leistungs- und Versorgungsangebote
in den Bereichen Administration, Prävention und       Medizinische Versorgung. Anwendungsfälle aus
Medizinische Versorgung stark interessiert. Wie       diesem Bereich setzen an den unterschiedlichsten
wir im Folgenden ausführen, halten beide Grup-        Stellen des gesamten Versorgungsprozesses an.
pen allerdings andererseits ganz unterschiedliche     Sie reichen von der Onlineterminvereinbarung bis
digitale Angebote für besonders relevant und nen-     zur eigentlichen ärztlichen Versorgung, die etwa
nen jeweils ein anderes Haupthindernis, das der       durch die digitale Konsultation eines zweiten Arztes
Nutzung im Wege steht. Aus diesen Aussagen las-       verbessert wird, ggf. unterstützt durch einen digita-
sen sich wichtige Implikationen für die GKVen bei     len Medikationsplan. Die digital erfasste Behand-
der Entwicklung und Unterstützung neuer digitaler     lungshistorie von Versicherten enthält z.B. eine
Angebote ableiten.                                    Übersicht über alle in Anspruch genommenen

1
    Siehe Kapitel B3, Schaubild 6, S. 62

Digitalisierung des Gesundheitswesens                                                                        9
Leistungen und verschafft dem behandelnden Arzt                       Gefragt nach ihrer persönlichen Meinung zu die-
              ein umfassendes Bild seiner Patienten.                                ser Entwicklung, äußert sich sogar die absolute
                                                                                    Mehrheit der Befragten positiv: 65% der befragten
                                                                                    Versicherten und sogar 79% der befragten Ärzte
              Versicherte und Ärzte gehen von                                       stehen der Einführung digitaler Versorgungsange-
              zunehmender Bedeutung der                                             bote positiv bzw. eher positiv gegenüber.
              Digitalisierung aus
                                                                                    Diese hohe Zustimmung überrascht nicht, sofern
              Eine wichtige Erkenntnis aus der Befragung                            es sich bei den Befragten um Versicherte und
              bezieht sich auf die Bedeutung, die Versicherte                       Ärzte jüngeren Alters und mit hoher Digitalaffini-
              und Ärzte den digitalen Versorgungsangeboten                          tät handelt. Über alle Altersklassen hinweg zeigen
              jetzt schon und künftig zuschreiben (Schaubild 1):                    jedoch auch Versicherte mit chronischen Erkran-
                                                                                    kungen und gesetzlichem Versicherungsschutz
              —— Bedeutung heute. 53% der befragten Versi-                          sowie Krankenhausärzte eine überdurchschnittlich
                 cherten und 62% der befragten Ärzte halten                         positive Einstellung zu digitalen Versorgungsan-
                 digitale Versorgungsangebote zum gegenwär-                         geboten.
                 tigen Zeitpunkt für wichtig bzw. sehr wichtig.
                                                                                    Welche konkreten Anwendungsfälle aber halten
              —— Bedeutung in der Zukunft. Insgesamt 82% der                        Versicherte und Ärzte für besonders relevant? Dies
                 Versicherten und 95% der Ärzte glauben, dass                       herauszufinden war das Hauptziel der Umfrage,
                 digitale Angebote in zehn Jahren wichtig bzw.                      denn Erkenntnisse über die Präferenzen dieser
                 sehr wichtig sein werden.                                          beiden Gruppen liefern Hinweise darauf, auf

Schaubild 1

              Versicherte und Ärzte messen der Digitalisierung zunehmend
              Bedeutung bei
              Bedeutung von digitalen Versorgungsangeboten
              in Prozent

                              Versicherte                                                    Ärzte
                              Aktuelle                      Bedeutung in                     Aktuelle                     Bedeutung in
                              Bedeutung                     10 Jahren                        Bedeutung                    10 Jahren

              Unwichtig         5                             2                               1                           0

              Nicht
              besonders         5                             4                                       14                   2
              wichtig

              Weder
              unwichtig
                                          38                      12                                       23              3
              noch
              wichtig

              Wichtig                    32                            40                                       53                   47

                                               53                              82                                    62                   96

              Sehr
                                    21                                  42                        9                                  49
              wichtig

              Quelle: McKinsey-Umfrage unter 509 Versicherten und 150 Ärzten

                                               Folien für Artikel zu
                                               Digitalisierung des
10            Der GKV-Check-up                 Gesundheitswesens                                                           Praxisperspektiven
welchen Gebieten die digitale Transformation des                  Darüber hinaus zeigen beide Gruppen jedoch
              Gesundheitswesens vorrangig voranzutreiben ist.                   unterschiedliche Präferenzen, auf die in den bei-
                                                                                den folgenden Abschnitten näher eingegangen
              Die Bewertung bzw. Priorisierung der Anwen-                       wird.
              dungsfälle erfolgte durch randomisierte paar-
              weise Vergleiche, bei denen die Teilnehmer aus
              jeweils zwei gezeigten Anwendungsfällen den aus
                                                                                Versicherte sehen größten Nutzen bei
              ihrer Sicht wichtigeren auswählen mussten. Die
                                                                                Administration und Service
              Umfrage ergab, dass Versicherte und Ärzte klare
              – wenn auch voneinander abweichende – Vorstel-                    Gefragt nach der Anwendungsbereitschaft, also
              lungen davon haben, welche Anwendungsfälle für                    inwiefern sie selbst digitale Angebote nutzen wür-
              sie besonders relevant sind (Schaubild 2).                        den, äußern sich die Versicherten stark unter-
                                                                                schiedlich und haben vergleichsweise häufig
              Relativ einig sind sich beide Gruppen im Hinblick                 Vorbehalte:
              auf Telemedizin sowie Fitness- und Gesundheits-
              angebote: Sowohl Versicherte als auch Ärzte                       —— Etwa 15 bis 20% der befragten Versicherten
              hegen hierfür ein vergleichsweise geringes Inter-                    lehnen die Nutzung der meisten Anwendungen
              esse. Dieser geringen Priorität steht ein breit gefä-                aus Datenschutzgründen komplett ab.
              chertes Angebot an Apps gegenüber, die zu etwa
              75% der Prävention und der medizinischen Ver-                     —— Abhängig vom Anwendungsfall sind ~ 10 bis
              sorgung dienen (zu mehr als 50% der Prävention;                      25% der Versicherten bereit, die Daten voll-
              siehe Kapitel B3, Schaubild 7, S. 62).                               ständig und vorbehaltlos freizugeben.

Schaubild 2

              Die Anwendungspräferenzen von Versicherten und Ärzten unterscheiden
              sich in ihren Schwerpunkten

                    Relative Anwendungspräferenzen
                    in Prozent
                    Welche der folgenden Anwendungen würden Sie lieber nutzen?

                                                                               Versicherte                 Ärzte

                    Zugriff auf Gesundheitsdaten1                                                  65                        64

                    Elektronische Patientenakte                                                   60                              80

                    Onlineterminvereinbarung                                                      58                    44

                    Elektronische Gesundheitspässe                                               57                      54

                    Digitale Kommunikation mit Krankenkasse                                  47                    31

                    Digitaler Medikationsplan                                               45                                75

                    Digitale Arztkonsultation                                               45                      43

                    Fitness- und Gesundheitsangebote                                   34                          32

              1 Eigene Daten bei den Versicherten, E-Status bei den Ärzten
              Quelle: McKinsey-Umfrage unter 509 Versicherten und 150 Ärzten

                                         Folien für Artikel zu
                                         Digitalisierung des
                                         Gesundheitswesens
              Digitalisierung des Gesundheitswesens                                                                                    11
—— Die große Mehrheit der befragten Versi-                              übrigen Anwendungsfällen erachtet, die elek-
                 cherten ist bereit, die Daten freizugeben,                           tronische Patientenakte in 60% der Fälle und
                 knüpft dies allerdings an bestimmte Voraus-                          elektronische Gesundheitspässe in 57%.
                 setzungen. Beispielsweise daran, dass nur
                 Stammärzte und nicht alle Ärzte auf die Daten                     —— In der Kategorie der medizinischen Versorgung
                 zugreifen können, dass sie von Fall zu Fall über                     spielt zudem die Onlineterminvereinbarung eine
                 die Datenfreigabe entscheiden können oder                            wichtige Rolle, die in 58% der Fälle präferiert
                 dass digitale Anwendungsfälle nur in Routine-                        wird.
                 situationen (etwa beim Anfragen von Vorsor-
                 geterminen) zulässig sind.                                        Ärzte setzen auf Effizienzgewinne
              Klare Vorstellungen haben die Versicherten                           Im Vergleich zu den Versicherten äußert sich die
              davon, welche Angebote ihnen zusagen: Primär                         Gruppe der Ärzte hinsichtlich ihrer Anwendungs-
              sehen sie Nutzen in Angeboten der Kategorie                          bereitschaft deutlich positiver und hat weniger
              Administration und Service, die die Übermittlung                     Vorbehalte:
              von Daten erleichtern. Zudem ist den Versicher-
              ten der Zugriff auf die eigenen Daten durchgängig                    —— Lediglich 3 bis 5% der Ärzte lehnen die
              sehr wichtig:                                                           elektronische Patientenakte, den digitalen
                                                                                      Medikationsplan, den elektronischen Pati-
              —— Der Zugriff auf eigene Gesundheitsdaten wird                         entenstatus (E-Status) und elektronische
                 hier in 65% der Fälle präferiert bzw. als wich-                      Gesundheitspässe aus Datenschutzgründen
                 tigerer Anwendungsfall im Vergleich zu allen                         komplett ab.

Schaubild 3

              Ärzte erwarten von den Krankenkassen bei der Digitalisierung
              Beratung/Schulung und finanzielle Unterstützung

              „                                                                                                              “
              Ausgewählte Antworten von Ärzten auf die Frage „Welche Unterstützung würden Sie sich bei
              einer Einführung digitaler Versorgungsangebote von Ihrer Krankenkasse wünschen?“

                                                         Hard- und Softwarelösungen, die
                                                         funktionieren und bei denen die Kassen an
                   Patient muss unbedingt
                                                         den Kosten beteiligt werden
                   zustimmen. Erfasste Daten
                                                                                            Nur ein einheitliches kranken-
                   müssen dem Patienten
                                                                                            kassenübergreifendes System
                   bekannt sein
                                                                                            macht Sinn
                                                      Finanzielle Unterstützung

                Beratung und Einweisung
                                                    Umfangreiche Schulungen                                 Volle Kostenübernahme der
                                                                                                            Infrastruktur

                       Transparenz
                                                              Beteiligung an der                    Ein bequemes, benutzer-
                                                              Finanzierung                          freundliches Internetportal

                                       Sicherstellung des Datenschutzes,
                                       auch gegenüber der Krankenkasse
                                                                                      Klare und verständliche
                                                                                      Einführung

              Quelle: McKinsey-Umfrage unter 509 Versicherten und 150 Ärzten

                                          Folien für Artikel zu
                                          Digitalisierung des
12            Der GKV-Check-up
                                          Gesundheitswesens                                                                       Praxisperspektiven
—— Rund 40 bis 50% der Ärzte befürworten, dass                           effektiv unterstützen lässt. Die Umfrageergebnisse
   bei den drei betrachteten Anwendungen alle                            liefern hierzu zwei wesentliche Erkenntnisse:
   Ärzte alle vorliegenden Informationen ohne Ein-
   schränkungen nutzen können.                                           —— Die Bereitschaft von Versicherten und Ärz-
                                                                            ten, digitale Angebote zu nutzen, ist hoch –
—— Je nach Anwendungsfall knüpfen rund 40 bis                               allerdings v.a. bei den Versicherten sehr eng
   45% der Ärzte die Nutzung der Informationen                              geknüpft an die Erfüllung bestimmter Daten-
   von anderen Ärzten an bestimmte Vorausset-                               schutzvoraussetzungen.
   zungen, z.B. individuell über die Freigabe von
   Patientendaten an Kollegen.                                           —— Ärzte erwarten von den Krankenkassen Unter-
                                                                            stützung in zweierlei Hinsicht: Sie benötigen
Die Präferenzen der Ärzte liegen – angesichts                               Beratung bzw. Schulungen bei der Einfüh-
deren sehr klarer Priorisierung von Anwendungs-                             rung digitaler Angebote und sie wünschen sich
fällen – auf Angeboten, die Effizienzgewinne in der                         finanzielle Unterstützung dafür (Schaubild 3).
Versorgung versprechen und v.a. aus der Kategorie                           Die Vorstellungen dazu sind durchaus unter-
Administration stammen: Die elektronische Pati-                             schiedlich und reichen von einer Beteiligung der
entenakte wird in 80% der Fälle präferiert bzw. als                         Krankenkassen an den Kosten für Hard- und
wichtigerer Anwendungsfall im Vergleich zu allen                            Softwarelösungen bis hin zur vollen Übernahme
anderen Anwendungsfällen angesehen, der digitale                            der Kosten für die Bereitstellung der entspre-
Medikationsplan in 75% der Fälle, der elektronische                         chenden Infrastruktur.
Patientenstatus (E-Status) in 64% der Fälle und
elektronische Gesundheitspässe in 54% der Fälle.                         Angesichts dessen könnte ein erfolgversprechen-
Alle übrigen Anwendungsfälle werden in weniger                           der Unterstützungsansatz der GKVen beispielsweise
als 50% der Fälle präferiert.                                            so aussehen, dass sie Ärzte bei der Einführung und
                                                                         Anwendung erster digitaler Leistungsangebote
                                                                         aktiv unterstützen. Die daraus resultierenden Ange-
Ein optimaler Ausbau der digitalen                                       bote dürften dann für einen festgelegten Zeitraum
Versorgung verlangt spezifische                                          zunächst nur diejenigen Versicherten nutzen, die
Angebote für Versicherte und Ärzte                                       im Gegenzug ihre Gesundheitsdaten zur Verfügung
                                                                         stellen. Diese Versicherten würden dann zugleich als
Abschließend bleibt zu diskutieren, wie sich der                         überzeugende Multiplikatoren für die weitere Ver-
Ausbau der digitalen Versorgung durch die GKVen                          breitung digitaler Angebote fungieren.

                                                                          

Sowohl Versicherte als auch Ärzte signalisieren deutlich ihre Bereitschaft, digitale Leistungsangebote im
Gesundheitswesen anzunehmen. Die GKVen, die bereits seit einigen Jahren dieser wachsenden Nach-
frage verstärkt Rechnung tragen,2 sollten daher einer der Kernakteure sein, die den Ausbau der digitalen
Gesundheitsversorgung vorantreiben. Hierbei bietet es sich für sie an, den Fokus zunächst auf administra-
tiv-unterstützende digitale Angebote wie die elektronische Patientenakte und elektronische Gesundheits-
pässe zu legen.

Flankierend gilt es – ggf. auch durch neue gesetzliche Regelungen –, einen angemessenen Gesund-
heitsdatenschutz sowie die Finanzierung des Ausbaus der digitalen Angebote bei allen Beteiligten, d.h.
Versicherte, Ärzte und GKVen, sicherzustellen. Erste Schritte dazu sind bereits u.a. mit dem Entwurf zum
Digitale-Versorgung-Gesetz und mit der über das TSVG verpflichtenden Einführung einer elektronischen
Patientenakte ab 2021 unternommen worden.

2
    Dies zeigt sich u.a. daran, dass mittlerweile nahezu alle GKVen mit mehr als 1 Mio. Versicherten zumindest eine zentrale Administrations-
    und Service-App anbieten (siehe Kapitel B3, Schaubild 6, S. 62).

Digitalisierung des Gesundheitswesens                                                                                                      13
Digitale Transformation von
Kundenerlebnissen – Versicherte
warten ungeduldig darauf

A2
14    Der GKV-Check-up            Praxisperspektiven
Das mag überraschen: Obwohl es in der Gesundheitswirtschaft
um hochsensible Daten geht, erwarten die Kunden von Kran-
kenkassen neue Onlineangebote im noch höheren Maß als von
ihren Finanzdienstleistern oder Handelsunternehmen. Zugleich
nutzen sie seltener Vergleichsportale, sondern steuern direkt
die Unternehmensseiten an. Das zeigt eine aktuelle McKinsey-
Umfrage. Doch die meisten GKVen bieten ihren Kunden digital
nicht einmal das, was in anderen Branchen längst Standard ist.

Besonders junge und neue Krankenversicherungs-            Alter und Geschlecht repräsentativ befragten Per-
kunden sind eine rasche, digitale Interaktion mit         sonen sind mehr als 1.300 als Kunden von Kranken-
ihren Dienstleistern gewohnt. Dazu beigetragen            kassen befragt worden. Die wichtigsten Ergebnisse
haben führende Unternehmen wie Amazon oder                stellen wir nachfolgend vor.
Google. Ihre Kunden nutzen Onlinedienste 24 Stun-
den und sieben Tage die Woche – von der Recher-           GKVen nutzen den Erfolgstreiber
che über den Verkauf bis hin zum Kundenservice.           digitales Kundenerlebnis bislang
                                                          weniger als andere Branchen
Etablierte Unternehmen, wie die meisten Kran-
kenversicherungen, müssen jedoch erst einmal              Die Art und Weise, wie Kunden digitale Dienste nut-
die notwendige Technologie aufbauen, um ihre              zen oder mit ihren Dienstleistungsanbietern über
Schwachstellen anzugehen, ein digitales Service-          digitale Kanäle interagieren, beeinflusst maßgeb-
angebot zu entwickeln und die Kundenreisen neu            lich ihre Gesamterfahrung mit ihren Krankenversi-
gestalten zu können. Der Aufwand lohnt sich, denn         cherungen (Schaubild 1).
der Nutzen ist messbar: Die Kundenzufriedenheit
steigt um 15 bis 20%. Ein positives Kundenerleb-          Wir haben den Zusammenhang analysiert zwischen
nis ist essenziell, da es ein wichtiger Treiber für den   einer Schlüsselkennzahl – der Bereitschaft der
Geschäftserfolg ist und tief greifende Folgen für         Kunden, ein (Krankenversicherungs-)Unterneh-
eine Reihe von Bereichen jenseits der reinen Kun-         men einem Freund oder Bekannten zu empfehlen
denzufriedenheit hat. So kann beispielsweise ein          (Schaubild 1, Y-Achse) — und dem Umfang, in dem
effektives Kundenerlebnis die Servicekosten um            dieses Unternehmen digitale Dienstleistungen
20 bis 40% senken, da die Prozesse effizienter            anbietet, etwa eine eigens entwickelte Service-App
werden oder Kunden verstärkt Self-Service-Tools           oder die Möglichkeit, die persönlichen Angaben im
nutzen. Ebenso können Optimierungen sowie eine            Kundenportal zu ändern (X-Achse). Die Ergebnisse
bessere Orchestrierung von Multikanalpfaden die           belegen, dass mit zunehmender Verfügbarkeit digi-
Konversionsrate um 20% erhöhen.                           taler Dienste auch die Bereitschaft der Kunden
                                                          zunimmt, den Anbieter zu empfehlen.
Um die Nutzung digitaler Dienste in der Kranken-
versicherungsbranche, die Erwartungen, die Kun-           Umgekehrt schwindet der Einfluss der klassischen
den an zukünftige digitale Dienste und Services           Kontaktkanäle und Dienste auf die wichtigsten
richten, und die Einflüsse auf ein besseres Kunden-       Kennzahlen für das Kundenerlebnis, da diese tradi-
erlebnis im digitalen Zeitalter besser zu verstehen,      tionellen Kontaktkanäle und -dienste immer weni-
hat McKinsey eine Studie in fünf B2C-Dienstleis-          ger zeitgemäß sind. Aus diesem Grund profitiert
tungsbranchen durchgeführt: Banken, Kfz-Ver-              jeder Dienstleistungsanbieter von der Optimie-
sicherungen, Energie, Krankenversicherung und             rung seines digitalen Angebots, weil er dadurch ein
Mobilfunk. Von den insgesamt über 3.600 nach              attraktiveres Kundenerlebnis ermöglicht.

Digitale Transformation von Kundenerlebnissen                                                               15
Insbesondere Krankenversicherungsunternehmen                        Und 4. Welche Kanäle für Informationsbeschaffung
              verfügen auf dem Gebiet der Digitalisierung noch                    und Vertragsabschluss bei der Krankenkassensu-
              über beträchtliches Potenzial, denn die meisten von                 che werden seitens des Vertriebs angeboten? Bei
              ihnen befinden sich gegenwärtig auf einem eher                      allen untersuchten Themen ergab sich ein Trend zu
              niedrigen Digitalisierungsniveau. Sowohl hinsicht-                  digitalen Angeboten, die aber nach Meinung der
              lich der Verfügbarkeit digitaler Dienste als auch                   Befragten punktuell durch Offlineangebote flan-
              hinsichtlich der Empfehlungsbereitschaft liegen sie                 kiert werden sollten.
              hinter Branchen wie Banken oder Telekommunika-
              tion zurück.                                                        Bis zu 90% der GKV-Kunden erwarten künftig
                                                                                  ein umfangreiches Angebot an digitalen
              Digitale Kundenerlebnisse werden                                    Services
              zum bestimmenden Faktor in                                          Entsprechend dem Bedürfnis nach einem besse-
              Kundenservice und Vertrieb                                          ren Kundenerlebnis wünschen sich Kunden immer
                                                                                  mehr digitale Dienste (Schaubild 2). Krankenver-
              Unsere Umfrage hat sich insbesondere mit vier                       sicherungen haben hier jedoch im Vergleich zu
              Themen beschäftigt: 1. Welche digitalen Services                    den anderen untersuchten Branchen – Banken,
              bietet die eigene Krankenversicherung bereits an                    Mobilfunk, Energie und Kfz-Versicherung — bis-
              und welche sollte sie zukünftig anbieten? 2. Welche                 lang wenig zu bieten. Für ihre Versicherten lassen
              Kommunikationskanäle nutzen Versicherte gegen-                      sich jedoch bisweilen selbst grundlegendste Auf-
              wärtig und welche wollen sie künftig nutzen?                        gaben nicht online erledigen: Nur 53% können ihre
              3. Wie häufig ist die Nutzung digitaler Services                    persönlichen Angaben online ändern und lediglich
              heute und welche künftige Nutzung wird erwartet?                    45% können ihre Ansprüche online einreichen.

Schaubild 1

              Die Empfehlungsbereitschaft in B2C-Service-Branchen wird durch digitale
              Kundenerlebnisse erhöht – Krankenversicherungen hinken hinterher

                                                        Krankenversicherung                Unternehmen anderer B2C-Service-Branchen

              Empfehlungsbereitschaft
              (0 - 10)

              9,0

              8,0

              7,0

              6,0

              5,0
                    30                  40                  50                   60                   70                   80      90

                                                                                               Verfügbarkeit von Digitalservices
                                                                                                                      in Prozent

              Quelle: Customer-centric tech-enabled transformation survey (März 2019; N=3.610; Krankenversicherung [KV] N=1.303)

16            Der GKV-Check-up                                                                Folien für Artikel zu
                                                                                                                  Praxisperspektiven

                                                                                              Digitale Transformation
Dabei erwarten bis zu 90% der Kunden, dass Kran-                      der Befragten können sich vorstellen, diesen Kanal
              kenversicherungen ihnen dafür eine Onlinelösung                       zur Klärung ihrer Versicherungsansprüche und
              anbieten. Der Wunsch ist damit sogar ausgepräg-                       Anliegen zu nutzen. Dieser Bedarf an direktem Tele-
              ter, als er derzeit von den digital fortschrittlicheren               fonkontakt ist nur geringfügig höher als in anderen
              Dienstleistungsbranchen erfüllt wird: von Banken                      Branchen, z.B. 77% bei Banken, 75% bei Energie-
              zu 84% und von Mobilfunkunternehmen zu 83%.                           versorgern und 77% bei Mobilfunkanbietern.
              Darüber hinaus würden 88% der Krankenkassen-
              kunden die Möglichkeit begrüßen, bestimmte                            Daneben gibt es eine zweite Gruppe von etwas
              Bescheinigungen und Berichte zu erhalten und zu                       weniger beliebten Online- und Offlinekanälen, die
              überprüfen, und 77% hätten gern die Möglichkeit,                      allerdings immerhin noch mehr als die Hälfte der
              medizinische Services online zu nutzen.                               Kunden erreichen: Niederlassungen, Briefe und
                                                                                    Websites.
              Trotz zunehmender Bedeutung digitaler Kon-
              taktpunkte nutzen GKV-Kunden weiterhin ein                            Anders sieht es bei den moderneren digitalen
              breites Angebot an Offlinekontaktpunkten                              Angeboten aus: Hier werden Apps bzw. mobile Sei-
              In der Krankenversicherungsbranche stellen die                        ten und Video-Chats künftig zwar leicht an Popu-
              traditionellen Kanäle weiterhin eine tragende Säule                   larität gewinnen: Apps/mobile Websites sind dann
              dar (Schaubild 3) — mit immer weiter wachsenden                       für 40% der Kunden (+7 Prozentpunkte) relevant,
              Kundenansprüchen. Die E-Mail wird sich zum pri-                       Chats für 31% der Kunden (+8 Prozentpunkte).
              mären Kontaktpunkt für Kunden entwickeln, denn                        Gleichzeitig wird SMS und Video-Chats auch künf-
              84% der Befragten planen, diesen Kanal zu nutzen.                     tig nur von rund jedem zehnten Kunden Bedeutung
              Dennoch ist das Telefon fast ebenso wichtig: 81%                      beigemessen. Ein Großteil der Befragten sieht in

Schaubild 2

              Krankenversicherungen bieten zwar Basisfunktionen bereits als digitale Ser-
              vices an, doch steigende Kundenerwartungen erfordern weiteren Ausbau

                                                                                                                      Heute          Zukunft

              Angebot an Online-/Digitalservices heute und in Zukunft
              in Prozent
              Frage: Welche Online-/Digitalservices bietet Ihre Krankenversicherung heute an/sollte sie in Zukunft
              unbedingt anbieten?
                                                        0                20            40             60        80             100
              Persönliche Daten ändern                                         53                                         89

              Am Bonusprogramm teilnehmen                                      53                                    82

              Anträge/Erstattungen abwickeln                              45                                              90

              Kundenmagazin einsehen                                     42                               59

              Bescheinigungen abrufen                                36                                                   88

              Medizinische Services nutzen                          31                                          77

              Arzttermine vereinbaren                          19                                     56

              Weitere                                        15                                      55

              Quelle: Customer-centric tech-enabled transformation survey (März 2019; N=3.610; KV N=1.303)

                                                                                        Folien für Artikel zu
                                                                                        Digitale Transformation
              Digitale Transformation von Kundenerlebnissen                             von Kundenerlebnissen                             17
diesen Kanälen also weiterhin keinen relevanten                       über wurden die Kunden in den übrigen befragten
              Kontaktpunkt für die Regelung möglicher Kranken-                      Branchen dazu angeleitet, die verfügbaren digi-
              versicherungsanliegen (Schaubild 3).                                  talen Angebote häufiger zu nutzen, beginnend mit
                                                                                    einer Basis von 19% (Autoversicherung) bis hin zu
              Insgesamt ist die Verlagerung zu digitalen Kom-                       40% (Banken) der Kunden, die fast alle Anfragen
              munikationsformen über alle Kanäle hinweg weit-                       online erledigen — gegenüber 8% in der Kranken-
              gehend konsistent, wobei lediglich Telefonate in                      versicherungsbranche. Andererseits zeigen sich
              Zukunft leicht an Bedeutung verlieren. Die Heraus-                    lediglich 7% der Kunden in der Krankenversiche-
              forderung für Krankenversicherungsanbieter wird                       rungsbranche zögerlich gegenüber digitalen
              darin bestehen, die Verfügbarkeit, das nahtlose                       Angeboten.
              Angebot sowie die schnelle Reaktionszeit all dieser
              Kontaktkanäle sicherzustellen.                                        Was also hindert die GKVen? Die Kunden fordern
                                                                                    nicht nur weitere digitale Angebote, sondern signa-
              Der Anteil der reinen Offlinenutzer wird stark                        lisieren auch klar ihre Bereitschaft, diese zu nutzen,
              zurückgehen, die Zahl der intensiven Online-                          sobald sie verfügbar sind (Schaubild 4). In einem
              nutzer deutlich steigen                                               solchen Zukunftsszenario mit einer besseren Ver-
              Heute nutzen mehr als ein Viertel der Kunden über-                    fügbarkeit der gewünschten Services würde es
              haupt keine Digitalservices (Schaubild 4). Rechnet                    dann fast jeder zweite Kunde (46%) — statt der-
              man diejenigen Kunden hinzu, die digitale Ange-                       zeit jeder fünfte Kunde (20%) — bevorzugen, mehr
              bote allenfalls für jedes vierte Anliegen nutzen                      als die Hälfte aller Anfragen online zu erledigen. Im
              (33%), dominieren noch immer die Kunden, die                          Gegenzug würde sich der Anteil der regelmäßigen
              weitgehend offline bedient werden. Demgegen-                          Offlinenutzer von 59 auf nur noch 27% reduzieren.

Schaubild 3

              Digitale Kontaktkanäle gewinnen an Bedeutung zur Klärung von Service-
              anliegen – E-Mail wird Telefon als wichtigsten Einzelkanal ablösen

                                                                                                                         Heute         Zukunft

              Nutzung von Kommunikationskanälen
              in Prozent
              Frage: Wie treten Sie heute mit Ihrer Krankenversicherung in Kontakt/möchten Sie in Zukunft in
              Kontakt treten zur Klärung Ihrer Anliegen (z.B. Servicefragen)?
                                                        0                 20             40            60           80           100
              Telefon                                                                                              81    84
              E-Mail                                                                     78                              84

              Niederlassung                                                     62                            65

              Brief                                                            58                            62

              Website/Self-Service                                             54                     56
              App/mobile Website                                     33                       40

              Chat                                              23                  31

              SMS                                           9      12

              Videochat                                     9        13

              Quelle: Customer-centric tech-enabled transformation survey (März 2019; N=3.610; KV N=1.303)

                                                                                          Folien für Artikel zu
                                                                                          Digitale Transformation
18            Der GKV-Check-up                                                            von KundenerlebnissenPraxisperspektiven
Um die Kundenzufriedenheit zu erhöhen und die                       talen nach Krankenversicherungsunternehmen
              Betriebskosten zu senken, erfordert eine derart                     recherchieren, also viel weniger als bei den meisten
              starke Verschiebung der Kundenkommunikations-                       anderen Dienstleistungsanbietern. Bei den Ener-
              kanäle nicht nur die Bereitstellung der gewünsch-                   gieversorgern sind es z.B. 84%, bei den Kfz-Versi-
              ten digitalen Angebote, sondern auch die Anleitung                  cherern 76%. Schließlich sind die Niederlassungen
              und Beratung der Kunden und der beteiligten                         der Anbieter der einzige andere Kanal, der die
              Akteure.                                                            Mehrheit der Krankenversicherten erreicht, wobei
                                                                                  55% der Kunden die Niederlassungen zu Informati-
              Im Vertrieb sind Onlinekanäle für die Infor-                        onszwecken aufsuchen.
              mationssuche bereits am wichtigsten
              Digitale Angebote spielen nicht nur im Kundenser-                   Geht es nicht nur um die reine Informationssuche,
              vice eine wichtige Rolle, sondern auch im Vertrieb,                 bei der der Onlinekanal dominiert, sondern um den
              und zwar bei der Beschaffung von Informationen                      Vertragsabschluss, sticht die Filiale als wichtigster
              und dem tatsächlichen Abschluss.                                    Kanal hervor: Sie liegt vor allen Onlinekanälen. Die-
                                                                                  ses Muster ist innerhalb der Dienstleistungsbran-
              Unternehmenswebsites sind mit Abstand die                           chen allerdings nicht einheitlich:
              wichtigste Informationsquelle für Krankenversi-
              cherungskunden (Schaubild 5): 88% nutzen den                        —— Verträge und Kundenbeziehungen mit typi-
              Onlineauftritt für die Suche nach einer Versiche-                      scherweise kürzeren Laufzeiten, wie in den
              rung. Nur Mobilfunkanbieter erreichen einen ähnli-                     Bereichen Energie, Mobilfunk und Kfz-Versi-
              chen Nutzungsgrad. Auffällig ist, dass nur 70% der                     cherung üblich, werden meist auf der Website
              Krankenversicherungskunden auf Vergleichspor-                          des Anbieters abgeschlossen – z.B. 79% bei

Schaubild 4

              Während 59% der Versicherten Onlineservices bisher nicht bzw. wenig
              nutzen, wollen künftig 46% ihre Anliegen vorwiegend online erledigen

              Nutzung von Online- und Digitalservices
              in Prozent
              Frage: Wie häufig nutzen Sie Online-/Digitalservices bereits/würden Sie diese in Zukunft nutzen,
              wenn Ihre Wunschfunktionen zur Verfügung stehen?
                      100%
                                                            7         Gar nicht
                                          27                          Für jedes vierte Anliegen oder weniger (1 - 25%)
                                                           20

                                                            27        Für bis zu der Hälfte meiner Anliegen (26 - 50%)
                                          32

                                                            20        Für bis zu drei Viertel meiner Anliegen (51 - 75%)
                                          21

                                          12                26        Für nahezu alle Anliegen (76 - 100%)
                                           8
                                        Heute           Zukunft

              Quelle: Customer-centric tech-enabled transformation survey (März 2019; N=3.610; KV N=1.303)

                                                                                        Folien für Artikel zu
                                                                                        Digitale Transformation
              Digitale Transformation von Kundenerlebnissen                             von Kundenerlebnissen                         19
Energieversorgungs- und Mobilfunkunterneh-                      men aber bestrebt sein, Kunden für den Abschluss
                  men, gefolgt von Preisvergleichsportalen mit                    von Verträgen und für die Erledigung ihrer Anliegen
                  z.B. 72% bei Energieversorgungs- und 58% bei                    in Richtung Onlinekanäle zu bewegen, indem sie
                  Mobilfunkunternehmen.                                           Vertrauen in die digitalen Kanäle aufbauen.

              —— Längerfristige Kundenbeziehungen mit höhe-                       Angesichts des beschriebenen messbaren Nutzens
                 ren Wechselkosten (Bankwesen, Krankenversi-                      besteht bei Krankenversicherungen trotz der hohen
                 cherungen) hängen nach wie vor stark von der                     Regulierungsdichte dieses Dienstleistungsbereichs
                 menschlichen Begegnung in der Filiale ab – v.a.                  ein realisierbares Verbesserungspotenzial. Zudem
                 beim Vertragsabschluss. Telefonhotlines und                      zählen die Kundenanforderungen und die Bereit-
                 Makler erreichen nur einen kleinen Teil der Kun-                 schaft zu mehr Digitalisierung unter allen unter-
                 den, allerdings mit einer hohen Umwandlungs-                     suchten Branchen zu den höchsten. Digital Natives,
                 rate beim Vertragsabschluss.                                     die Innovationen auch bei den etablierten Unter-
                                                                                  nehmen vorantreiben, werden diese Entwicklung
              Um sich mit einem großartigen Kundenerlebnis vom                    noch beschleunigen.
              Wettbewerb abzuheben, müssen Krankenversi-
              cherungsunternehmen angesichts dieser Umfra-                        Die Entwicklung herausragender
              geergebnisse einerseits eine nahtlos integrierte                    digitaler Kundenerlebnisse erfordert
              Kundenreise über die vorwiegend digitalen Informa-                  einen holistischen Ansatz
              tionskontaktpunkte anbieten und andererseits wei-
              terhin eine Offlineoption für den Vertragsabschluss.                Technologie ist der Schlüssel zur Schaffung eines
              Zugleich sollten Krankenversicherungsunterneh-                      großartigen Kundenerlebnisses, das es Anbietern

Schaubild 5

              Kunden nutzen zur Information meist Onlinekanäle – der Vertrags-
              abschluss erfolgt aber meist noch offline in den Niederlassungen

              Nutzung von Informations- und Abschlusskanälen
              in Prozent
              Frage: Angenommen, Sie sind auf der Suche nach einer Krankenversicherung, wie würden Sie sich
              über eine Krankenversicherung informieren/wie können Sie sich vorstellen, diese abzuschließen?

                                                           Information                                 Abschluss

              Websites der Anbieter                                                            88                           73

              Vergleichsportale (z.B. Check24)                                         70                              49

              Niederlassung der Anbieter                                          55                                        75

              Telefonhotline der Anbieter                              25                                         27

              Finanzmakler oder Agenturen                         16                                         19

              Quelle: Customer-centric tech-enabled transformation survey (März 2019; N=3.610; KV N=1.303)

                                                                                        Folien für Artikel zu
                                                                                        Digitale Transformation
20            Der GKV-Check-up                                                          von KundenerlebnissenPraxisperspektiven
ermöglicht, zugleich zu wachsen und effizienter zu           miert werden können, Planungen entsprechender
werden. Aber der technologische Fortschritt und              Marketingmaßnahmen zu deren aktiver Förderung
die Entwicklung digitaler Dienste sollten nicht allein       und eine genaue Überwachung der tatsächlichen
Aufgabe der IT-Abteilung sein. Nahezu alle Aspekte           Nutzung in einem iterativen Ansatz.
eines Unternehmens, einschließlich der internen
Prozesse, der Arbeitsmethoden und des Kunden-                Jedes B2C-Dienstleistungsunternehmen muss
services, spielen für effektive digitale Dienste eine        dafür sorgen, dass alle drei Komponenten vorhan-
Rolle. Aus diesem Grund sollten Unternehmen, die             den sind, da sie nur in Kombination wirken. So kön-
mit Hilfe der Technologie kundenzentrierter wer-             nen beispielsweise eine neue IT-Architektur und
den und damit zusätzlichen Geschäftserfolg erzie-            optimierte Kundenreisen nur dann differenzierende
len wollen, einen dreiteiligen Transformationsansatz         Kundenerlebnisse ermöglichen, wenn Kunden und
verfolgen:                                                   Mitarbeiter die Produkte und Dienstleistungen am
                                                             Ende tatsächlich auch aktiv nutzen. Anderenfalls
Aufbau einer technologischen Basis. Den Auftakt              gerät die Technologietransformation zu einem kost-
bildet die Auswahl der richtigen IT-Architektur und          spieligen Unterfangen ohne positive Auswirkung
die Priorisierung der Komponenten anhand der                 auf den Geschäftserfolg.
Kundenanwendungsfälle.
                                                             Die drei Komponenten stehen zwar in einer natür-
Entwicklung eines digitalen Angebots. Anschlie-              lichen Abfolge; für die Implementierung existiert
ßend gilt es, die Digitalservices oder Kontaktka-            jedoch kein strikter Zeitrahmen. Dieser sollte viel-
näle für die Entwicklung zu priorisieren, Prototypen         mehr vom individuellen Ausgangspunkt eines
gemeinsam mit den Kunden zu erstellen und mit                Unternehmens abhängen. So könnte es vorteilhaft
der Entwicklung von Produkten und Services zu                sein, sehr früh im Transformationsprozess einen
beginnen. Für die Bereitstellung der Services und            neuen Ansatz zu entwickeln und zu erproben, der
die Sicherstellung der Integration dieser Services in        auf der alten IT-Plattform läuft, und analog dazu mit
das IT-Backend sind feste Intervalle zu planen.              dem Aufbau der neuen technologischen Basis zu
                                                             beginnen.
Sichern der Nutzung von Produkten/Services. Den
Abschluss bilden Überlegungen, wie Kunden und
Mitarbeiter über die neuen Dienstleistungen infor-

                                                             

Dass sich die technologiegestützte Transformation dank zufriedenerer Kunden, niedrigerer Kosten und
höherer Konversionsraten rechnet, gilt für alle Branchen. Aber in keiner anderen haben die Kunden ein so
großes Interesse daran wie bei ihrer Krankenkasse – erst recht, wenn sie es schafft, online und offline barri-
erefrei miteinander zu verbinden.

Digitale Transformation von Kundenerlebnissen                                                                    21
Produktivität steigern, die Organisation
digital ausrichten – ehrliche Analyse
und strikte Priorisierung vorausgesetzt

A3
22    Der GKV-Check-up             Praxisperspektiven
Die GKVen stehen unter massivem Druck, ihre Produktivität
zu steigern. Die wichtigste Antwort auf diese Herausforderung:
Prozesse digitalisieren und automatisieren. Beide Ansätze vereint
führen nicht nur zu enormen Effizienzsteigerungen, sondern auch
zu zufriedeneren Kunden und Mitarbeitern. Entscheidend für den
Erfolg der Digitalisierungs- und Automatisierungsmaßnahmen
ist eine begleitende Transformation zur konsequenten Ausrichtung
der gesamten GKV-Organisation auf die digitale Welt. Für viele
Anbieter ist dieser Weg noch weit.

Von den tief greifenden Herausforderungen, denen              „Vereinfachen, Weglassen, Verlagern“. Hier liegt
sich GKVen zurzeit gegenübersehen und die sich                häufig großes Vereinfachungspotenzial, beispiels-
gegenseitig verstärken, sind zwei in ihren Auswir-            weise im Weglassen eines manuellen Eingabe-
kungen unmittelbar spürbar: der hohe, zuletzt deut-           schritts zur Datenerfassung, der bereits gleichzeitig
lich weiter gestiegene Kostendruck und die rapide             maschinell durchgeführt wird, oder bei der Aus-
alternde Mitarbeiterschaft. Zugleich ist es politisch         weitung genehmigungsfreier Hilfsmittel. Zugleich
gewollt, dass die knapp über 100 GKVen ihre Ver-              können Mitarbeiter von Routineaufgaben entlastet
waltungsausgaben so niedrig wie möglich halten:               werden und stehen für wichtigere – aus ihrer Sicht
2017 waren es nahezu 11 Mrd. EUR – oder 4,7% der              oft auch interessantere – Aufgaben zur Verfügung.
Gesamtausgaben. Doch tatsächlich sind die Verwal-             Diese Maßnahmen sind vergleichsweise einfach
tungskosten in den vergangenen Jahren nicht nur               umzusetzen bei niedrigen Investitionskosten.
um rund 5% gestiegen, sondern es bestehen auch
ganz erhebliche Unterschiede bei den Verwaltungs-             „Kontrollieren und Optimieren“. Fortlaufende
kostenquoten. Diese variieren je nach Kasse zwi-              Sicherstellung operativer Exzellenz und kontinu-
schen rund 70 und 250 EUR je Versicherten.                    ierliche Optimierung der verbleibenden manuellen
                                                              Prozessschritte lassen sich durch Steuerung über
Zudem werden bei zahlreichen GKVen rund 20 bis                Kennzahlen und Anpassung der Organisations-
30% der Mitarbeiter in den nächsten fünf bis zehn             struktur gewährleisten. Ein Beispiel für Letzteres
Jahren in den Ruhestand gehen, ohne dass es auf               ist etwa die Optimierung der Arbeitssteuerung in
dem Arbeitsmarkt genügend Arbeitskräfte gibt, um              Hilfsmittel-Sachbearbeiterteams durch verbesserte
diese Lücken zu füllen. Die Notwendigkeit, die Pro-           Fallzuteilung.
duktivität der GKVen rasch und substanziell zu stei-
gern, ist offensichtlich.                                     „Digitalisieren und Automatisieren“. Digitale Lösun-
                                                              gen für einzelne Prozessschritte oder ganze Pro-
                                                              zesse wie die digitalen Self-Services, Digitalisierung
Das Digitalisieren und Automatisieren                         der Eingangsstrecken, Analytics-basierte Auto-
von Prozessen hat erste Priorität                             matisierung oder Rapid Process Automation (RPA)
                                                              bei der Automatisierung von Regelwerksaufgaben
Nach wie vor laufen die meisten internen Prozesse             erhöhen die Effizienz.
von deutschen Krankenkassen manuell und auf
Papier ab. Nach unseren Berechnungen besteht                  Alle genannten Ansätze vereinfachen Prozesse und
schon an dieser Stelle typischerweise ein Poten-              steigern die Produktivität. Doch auf dem Digitalisie-
zial zur Effizienzsteigerung von 20 bis 30%. Drei             ren und Automatisieren sollte besonderes Augen-
Ansätze sind dabei entscheidend:                              merk liegen: Zum einen lassen sich damit bereits

Produktivität steigern, die Organisation digital ausrichten                                                      23
rund zwei Drittel des bei Krankenkassen typischer-     in absehbarer Zeit weiter zuspitzen. Krankenkas-
     weise gegebenen Effizienzsteigerungspotenzials         sen genießen dabei noch nicht den Ruf, als digitale
     von insgesamt 20 bis 30% erschließen – das mit-        Vorreiter für Arbeitskräfte besonders interessant zu
     tels kontinuierlicher Verbesserung realisierbare       sein. Nur wenn sie sich zu einer starken und attrak-
     Potenzial nicht mitgerechnet. Zum anderen wirkt        tiven Arbeitgebermarke weiterentwickeln, werden
     sich dieser erste Schritt auch auf zwei andere wich-   sie neue Mitarbeiter in ausreichender Zahl und mit
     tige Kennzahlen aus:                                   der nötigen Expertise gewinnen können.

     Höhere Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit            Nur ein klarer Fokus bis ins
     Nicht nur die Kostenquote, auch die Kunden und die     Detail führt zu substanziellen
     GKV-Mitarbeiter profitieren von digital vereinfach-    Effizienzsteigerungen
     ten oder automatisierten Prozessen. Beispielsweise
     beschleunigen sie die Anliegenbearbeitung deutlich,
     ermöglichen innovative und passgenaue Produkt-         Egal, ob kleine oder große GKV, für beide gel-
     angebote, optimieren die Kundenreise und schaf-        ten dieselben Kriterien bei der Auswahl der Hebel
     fen verbesserte Arbeitsbedingungen, indem sie den      und der zu betrachtenden Prozesse sowie bei der
     Anteil repetitiver Tätigkeiten reduzieren helfen.      Umsetzung der gewählten Effizienzmaßnahmen.
                                                            Ggf. muss in Verbundlösungen gedacht werden, bei
     Älteren Versicherten, die besondere Erwartungen        denen sich mehrere GKVen die nicht selten hohen
     an den persönlichen Service durch Mitarbeiter der      Entwicklungskosten teilen. Die Kernfragen lau-
     GKV haben und sich – wie Umfrageergebnisse             ten: Wie schnell ist die Umsetzung angesichts der
     belegen (Quelle: Bitkom) – z.B. Informationsange-      finanziellen Möglichkeiten und intern vorhandenen
     bote oder Zugang zu ihren eigenen Gesundheits-         Ressourcen möglich? Und welche Priorisierung ist
     daten wünschen, können entsprechende Angebote          sinnvoll?
     leichter zugänglich gemacht werden. Damit wird
                                                            Die Auswahl der Hebel
     das Serviceversprechen der Kassen auch insge-
     samt besser eingelöst. Gleichzeitig hat diese Ziel-    Die im Fokus stehenden Digitalisierungs- und
     gruppe allerdings noch immer den Wunsch, eine          Automatisierungspotenziale lassen sich im Wesent-
     Geschäftsstelle in der Nähe zu haben.                  lichen mit Hilfe von vier Hebeln erschließen (Schau-
                                                            bild 1):
     Auch auf die sich verändernden Ansprüche jüngerer
     Versicherter müssen die GKVen mit neuen Themen,        —— Digitales Input-/Outputmanagement. Übertra-
     Informations- und Serviceangeboten reagieren.             gung von Daten in internes Dokumentenma-
     Das allein reicht aber nicht: Ihren Gewohnheiten          nagement, Zuordnung und Aufbereitung der
     entsprechend erwarten jüngere Versicherte auch            Daten
     von ihrer GKV digitale Kommunikationswege, damit
     die digitale Geschäftsstelle für sie die Rollen des    —— Automatisierung. Verarbeitung durch
     persönlichen Beraters vor Ort und des präferier-          Robotics-Lösungen – z.B. Automatisierung
     ten ersten Ansprechpartners in Gesundheitsfragen          der Schnittstelle von intelligenten Formularen
     übernehmen kann.                                          und Systemen durch Nutzung von RPA – sowie
                                                               Erhöhung der Dunkelverarbeitungsquote
     Steigende Attraktivität als „moderner und
     digitalisierter“ Arbeitgeber                           —— Standardisierte systemseitige Umsetzungslö-
     Wie zuvor beschrieben, ist längst offensichtlich,         sungen. Abbildung des Prozessergebnisses in
     dass die GKVen in den nächsten Jahren neue Mit-           den Kernsystemen, z.B. Umsetzung von stan-
     arbeiter mit neuen Qualifikationen rekrutieren müs-       dardisierten Lösungen der jeweiligen IT
     sen – und davon sehr viele. Doch dieses Problem
     betrifft auf Grund des Renteneintritts der gebur-      —— Omnikanal. Bereitstellung der notwendigen
     tenstarken Jahre auch die meisten anderen Bran-           Eingangskanäle (E-Mail, App, Onlineantrags-
     chen. Der Wettbewerb um „digitale Köpfe“ wird sich        strecken etc.).

24   Der GKV-Check-up                                                                           Praxisperspektiven
Dabei ergibt sich zwischen den verschiede-                              Dabei sollten Prozesse anhand der Dimensionen
              nen Hebeln eine klare Gewichtung: Nach unse-                            gebundene Ressourcen, Optimierungspotenzial
              ren Erfahrungen lassen sich 40% des über                                des jeweiligen Prozesses und strategische Rele-
              „Digitalisieren und Automatisieren“ zu nutzen-                          vanz für die GKV bewertet werden. Die Bewer-
              den Gesamtpotenzials mit digitalem Input-/                              tungsparameter im Einzelnen sind:
              Outputmanagement erschließen, rund 30%
              mit Automatisierung, 20% durch systemsei-                               Gebundene Ressourcen. Umfangreiche Mit-
              tige Einbindung sowie 10% durch Nutzung von                             arbeiterkapazitäten binden typischerweise die
              Omnikanal. Zudem ist zu beachten, dass die                              Genehmigungs- und Abrechnungsprozesse
              Implementierungskomplexität bei Omnikanal und                           in den Leistungsbereichen. Außerdem sind
              digitalem Input-/Outputmanagement überwie-                              besonders solche Prozesse ressourceninten-
              gend mittel bis hoch ist, während für die übrigen                       siv, die sich mit der Verwaltung der Versicherten
              beiden Hebel nur geringe bis mittlere Aufwände                          beschäftigen – von der Mitgliedschafts- und
              erforderlich sind.                                                      Stammdatenverwaltung über Inkasso bis hin zur
                                                                                      Neumitgliederakquisition.
              Die Prozessauswahl
                                                                                      Optimierungspotenzial. Der schon erreichte Grad
              Was lässt sich wie am sinnvollsten optimie-                             der Automatisierung und Digitalisierung ist im
              ren? Die Antwort darauf kann nur eine ehrliche                          jeweiligen Einzelfall zu bewerten. Allerdings zeigt
              Überprüfung aller bestehenden Prozesse und                              sich, dass auf Grund der Serviceerwartungen der
              Tätigkeiten der Organisation sein und – daraus                          Versicherten bisher erst einmal auf ein möglichst
              resultierend – deren strikte Priorisierung.                             umfassendes digitales Kundenangebot gesetzt

Schaubild 1

              Typischerweise ist digitales Input-/Outputmanagement ein wichtiger
              Hebel bei der Digitalisierung von Prozessen

                                                                                                                       Komplexität der Umsetzung
              Typische Verteilung der Wirkung bei Optimierung
              in Prozent

                                                          Mittel bis hoch

                                                          Omnikanal

                                                                            10

                                                                                                         Digitales
                                         Standardisier-                                                  Input-/Out-
                     Gering bis mittel                                                                                      Mittel bis hoch
                                         bare Lösungen      20                                           putmanage-
                                                                                                 40
                                                                                                         ment

                                                                                 30

                                                                      RPA/Auto-
                                                                      matisierung

                                                                      Gering bis mittel

              Quelle: McKinsey

                                          Folien für Artikel zu
              Produktivität steigern, die Organisation digital ausrichten                                                                     25

                                          Produktivität steigern, die
wird und nachgelagerte Prozessschritte vielfach       Transformationsprogramm erstellen, das sie in zwei
     auch erst nachrangig betrachtet werden.               Jahren durch die gesamte Organisation bringt und
                                                           an deren Ende die Optimierung aller Prozesse steht.
     Optimierungspotenziale müssen allerdings immer
     als vollständiger Prozess betrachtet werden, um       Kleinere Kassen hingegen müssen stärker priorisie-
     sie ermitteln bzw. auszuschöpfen zu können. Nur       ren, bestenfalls geclustert nach inhaltlichen Krite-
     so lässt sich die maximale Verbesserung erzielen,     rien und nach Möglichkeit im Verbund mit anderen
     die beispielsweise möglich ist, wenn Versicherte      Kassen, um die Kosten v.a. der technischen Lösun-
     oder Leistungserbringer ihre Abrechnungsanfragen      gen auf mehrere Schultern zu verteilen. Für sie gilt
     online stellen und deren automatisierte Abwicklung    es beispielsweise,
     mit geringstmöglichem Aufwand stattfindet. Auch
     Kunden, die ihre Mitgliedschaftsanträge selbst        —— alle bestehenden Genehmigungsprozesse
     online eingeben, vereinfachen die Bearbeitung            gemeinsam über alle Fachabteilungen hinweg
     enorm. Wichtig ist zudem der Mut, bestehende Pro-        zu analysieren und wiederkehrende Herausfor-
     zesse nicht nur radikal weiter zu verbessern, son-       derungen gebündelt zu lösen und
     dern komplett neu zu denken.
                                                           —— gemeinsam mit anderen GKVen entweder
     Strategische Relevanz. Insbesondere Prozesse mit         bestehende Lösungen zu übernehmen oder
     Versichertenbezug haben eine kritische Relevanz          einen Verbund zu bilden, z.B. zum Bau eines
     für die GKVen. Grundsätzlich muss die Frage nach         Roboters.
     den selbst gesteckten Zielen der GKVen gestellt
     werden – eine auf Wachstum ausgerichtete BKK          Entscheidend sind die intern verfügbaren Kapazitä-
     wird zunächst andere Prozesse in den Fokus der        ten und die bestehenden Fähigkeiten. Doch häufig
     Effizienzsteigerung rücken als eine große Orts-       mangelt es an ausreichenden IT-Kenntnissen sowie
     krankenkasse mit vergleichsweise höherem Durch-       den notwendigen Ressourcen zur Realisierung der
     schnittsalter der Versicherten.                       Hebel. Hier ist ein neues organisatorisches Setup
                                                           wichtig. Die Standardisierungen müssen dafür
     In einem weiteren Schritt gilt es dann, die Verän-    ebenso sichergestellt werden wie die Vorausset-
     derungsmaßnahmen von internen Kräften, die die        zungen für erfolgreiches, agiles Arbeiten. Dafür hilf-
     nötigen Fähigkeiten on the Job erwerben, konkret      reich sind ad hoc gebildete und zeitlich begrenzte
     ausarbeiten zu lassen und damit den Grundstein        Arbeitsgruppen, kleinere Werkstätten für ausge-
     für eine digitale Transformation zu legen. Nur so     wählte Optimierungsthemen oder dauerhafte Digi-
     lässt sich sicherstellen, dass das nötige Wissen im   tal Factories.
     eigenen Haus wächst und verbleibt. Erst dann ist
     kontinuierliche Verbesserung möglich. Ziel muss es    Gleichzeitig müssen interne Kräfte aktiv an der
     daher sein, einen Mindset unter GKV-Mitarbeitern      Umsetzung mitwirken. Auch diese Mitarbeiter gilt
     zu etablieren, der kontinuierliche Verbesserung in    es, on the Job aufzubauen und weiterzubilden,
     den Mittelpunkt allen Handelns stellt.                damit sie die Change-Prozesse in der Organisation
                                                           begleiten und das digitale Mindset aller Mitarbeiter
     Die Umsetzungsplanung
                                                           fördern können – was ebenfalls eine Herausforde-
     Wie lassen sich Optimierungsvorhaben realisieren?     rung ist.
     Hier gilt es, zwischen großen und kleinen Kassen
     zu unterscheiden, ebenso zwischen dem jeweili-        Ohne eine holistische Weiter-
     gen Ambitionsniveau. Maßgeblich sind die internen     entwicklung ist keine GKV mehr
     Ressourcen der jeweiligen Kasse.                      wettbewerbsfähig
     Mittlere und größere Kassen (mit mehr als 1 Mio.      Viele GKVen haben eine Organisation, die noch
     Versicherten) können Prozesse in der Regel in drei-   immer auf die Schwerpunkte der nicht digitalen
     monatigen Wellen mit jeweils fünf bis sechs Pro-      Welt ausgerichtet ist. Diese Organisation lässt sich
     zessbündeln optimieren, d.h. ein umfassendes          in vier Bereiche einteilen (Schaubild 2): Steuerung,

26   Der GKV-Check-up                                                                           Praxisperspektiven
Sie können auch lesen