DER GKV-CHECK-UP DEUTSCHER HEALTHCARE-SEKTOR - TRENDS UND PERSPEKTIVEN, EDITION 2019 - MCKINSEY
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Deutscher Healthcare-Sektor Der GKV- Check-up Trends und Perspektiven, Edition 2019 Alles, was Sie über die GKV wissen müssen 1
Vorwort Umfassende Reformvorhaben der Politik mit ersten auswirkungsstarken neuen Gesetzen (u.a. TSVG und VEG), kontinuierlich steigender Kostendruck und wachsende digitale Chancen und Erfordernisse: Viel spricht dafür, dass die GKV-Landschaft nach Jahren vergleichsweiser „Stabilität“ auf tief greifende Veränderungen zusteuert. GKV-Vorstände und -Entscheider benötigen in dieser anspruchsvollen Branchensituation einen fun- dierten und aktuellen Überblick über alle relevanten Entwicklungen, Neuerungen und Prognosen. Mit der Ihnen vorliegenden „Erstauflage“ unserer Publikation Der GKV-Check-up wollen wir hierzu einen Beitrag leisten. Die GKV steht Ende des Jahres 2019 vor einer doppelten Herausforderung. Auf der einen Seite gilt es, die digitalen Schlüsselherausforderungen dieser Zeit zu meistern: Denn wie gut zum einen die Automa- tisierung und Digitalisierung interner Prozesse und zum anderen die digitale Transformation von Kun- denerlebnissen gelöst werden, wird wesentlich mit darüber entscheiden, welche GKVen langfristig und nachhaltig gut aufgestellt sind. Doch was genau hat es damit auf sich? Durch Digitalisieren und Auto- matisieren ihrer internen Prozesse können GKVen nicht nur dem weiter steigenden Kostendruck mit Produktivitätssteigerungen begegnen. Zugleich schaffen sie mit dem Einleiten ihrer digitalen Transfor- mation nach außen und innen auch wichtige Voraussetzungen, die Kunden- und Mitarbeiterzufrieden- heit zu verbessern, ihre Arbeitgebermarke zu stärken und (künftige) gesetzliche Vorgaben zu erfüllen. Besonders bei Letzteren stehen die GKVen unter Zugzwang, denn die Politik fordert bei aktuellen Reformvorhaben wie dem Digitale-Versorgung-Gesetz eine solche digitale Transformation bereits ein. Entsprechend sind die GKVen gefordert, zügig die technischen und infrastrukturellen Voraussetzungen dafür zu schaffen – Stichworte hier sind die elektronische Gesundheitsakte, (Versorgungs-)Apps und digitale Filialen – und zugleich ihre zahlreichen traditionellen (Infra-)Strukturen kritisch zu hinterfragen, v.a. die bisherige Geschäftsstellenstrategie. Im ersten Buchteil von Der GKV-Check-up zeigen wir daher zunächst aktuelle Praxisperspektiven zur Digitalisierung der GKVen und des Gesundheitswesens auf. Gleichzeitig zur Herausforderung der digitalen Transformation mehren sich die Anzeichen, dass nach fünf Jahren weitgehender Stabilität das Umfeld der GKV wieder deutlich dynamischer wird: Zusatzbei- träge steigen, Leistungsausgaben übersteigen teils deutlich die gemäß Morbidität zu erwartenden Aus- gaben, Wechselbewegungen von Mitgliedern verstärken sich. All diese Trends gilt es im Detail analy- tisch zu verstehen. Daher liefern wir Ihnen im zweiten Buchteil umfangreiche, systematische Analysen zu den jüngsten Entwicklungen im GKV-Markt in den Bereichen Wettbewerb, Kassenergebnis sowie Kunde und Service. Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre – und sind gespannt auf Ihre Rückmeldung dazu. Stuttgart, im Oktober 2019 Florian Niedermann Thomas Rudolph Manuela Martin Leiter des deutschen Leiter des deutschen Sektors Herausgeberin Healthcare-Sektors Pharma und Medizintechnik Alles, was Sie über die GKV wissen müssen 3
Inhalt A Praxisperspektiven 6 A1 Digitalisierung des Gesundheitswesens – welche Leistungen sich Versicherte und Ärzte wünschen 8 A2 Digitale Transformation von Kundenerlebnissen – Versicherte warten ungeduldig darauf 14 A3 Produktivität steigern, die Organisation digital ausrichten – ehrliche Analyse und strikte Priorisierung vorausgesetzt 22 B Aktuelle Entwicklungen im GKV-Markt 30 B1 Wettbewerbstrends 34 B2 Entwicklung der Kassenergebnisse 40 B3 Kundenzufriedenheit – aktuelle Trends und Fokusthemen 54 Ausblick 78 Methodik und Definitionen 80 Impressum 84 Alles, was Sie über die GKV wissen müssen 5
Die drei Artikel in diesem Buchteil zeigen aktuelle Offlinekommunikationskanäle künftig einneh- Praxisperspektiven zur Digitalisierung der GKVen men? Wie können die GKVen bei der Transfor- und des Gesundheitswesens auf. Folgende The- mation vorgehen und was sind die notwendigen menbereiche und Schlüsselfragen stehen dabei im Schritte? Mittelpunkt: —— Produktivitätssteigerungen und digitale Aus- —— Digitalisierung des Gesundheitswesens. Was richtung der Organisation. In welchen Bereichen erhoffen und erwarten sich Versicherte und und mit welchen Hebeln lassen sich die größ- Ärzte von einer künftigen digitalen Gesundheits- ten Digitalisierungs- und Automatisierungspo- versorgung? Auf welche Anwendungsfälle sollte tenziale am einfachsten erschließen? Anhand zunächst der Fokus gelegt werden? Welche welcher Kriterien sind die zu optimierenden Pro- Herausforderungen gilt es bei der Umsetzung zu zesse auszuwählen? Wie lassen sich priorisierte beachten? Vorhaben in die Tat umsetzen? —— Digitale Transformation von Kundenerlebnissen. Datengrundlage sind v.a. die Ergebnisse zwei aktu- Wie beeinflussen digitale Angebote die Kunden- eller von McKinsey in Auftrag gegebenen Umfra- zufriedenheit und Weiterempfehlungsrate der gen – zur Relevanz von Online- und Digitalservices GKVen? Welche Erwartungen knüpfen Versi- für herausragende Kundenerlebnisse im Industrie- cherte an digitale Dienste und Services im Kun- vergleich1 und zur Relevanz von Anwendungsfällen denservice und Vertrieb der Zukunft? Welchen im Rahmen der digitalen Gesundheitsversorgung, Stellenwert werden die einzelnen Online- und jeweils in Deutschland. 1 Customer-centric tech-enabled transformation survey Produktivität steigern, die Organisation digital ausrichten 7
Digitalisierung des Gesundheits- wesens – welche Leistungen sich Versicherte und Ärzte wünschen A1 8 Der GKV-Check-up Praxisperspektiven
Auch wenn die Einführung digitaler Gesundheitsangebote in Deutschland nicht einfach ist: Die gesetzlichen Krankenkassen müssen ein großes Interesse am Ausbau der digitalen Gesund- heitsversorgung haben. Eine aktuelle Umfrage von McKinsey zeigt, was Versicherte unabhängig vom Alter und Ärzte unab- hängig von der Fachrichtung wollen – und was nicht. Noch denken die meisten Deutschen beim Thema Das digitale Leistungsangebot digitale Gesundheit an Präventions- und Fitness- umfasst drei Kategorien von Apps, v.a. weil diese den Markt bis 2014 dominiert Anwendungsfällen haben.1 Dass dies so ist, obwohl die Bandbreite an digitalen Angeboten inzwischen wesentlich grö- In der Onlinebefragung sollten sich die Teilnehme- ßer ist und u.a. digitale Medikationspläne, Online- rinnen und Teilnehmer dazu äußern, wie relevant ver- terminvereinbarungen und die elektronische schiedene Anwendungsfälle aus dem digitalen Leis- Gesundheits-/Patientenakte bzw. den Zugriff auf tungsangebot für sie sind. Ihre Antworten beziehen eigene Gesundheitsdaten umfasst, zeigt v.a. eins: sich auf drei Nutzungsoptionen: Die digitalen Angebote zur Gesundheitsversor- gung stoßen bislang nur auf ein überschaubares Administration und Service. Hierzu zählen insbe- Interesse. Im Umkehrschluss bedeutet das: Wer sondere Angebote, die die umfassenden Gesund- den Ausbau erfolgreich vorantreiben möchte, heitsdaten von Versicherten zusammenführen und sollte Ursachenforschung für den Mangel an Inte- digital bereitstellen. Konkret handelt es sich dabei resse betreiben und zunächst v.a. solche digita- um die elektronische Patientenakte und elektro- len Angebote entwickeln, die für die Zielgruppen nische Gesundheitspässe sowie um Anwendun- hochrelevant sind. gen, die den Zugriff auf eigene Gesundheitsdaten ermöglichen. Auch die digitale Kommunikation mit Welche Erwartungen aber knüpfen Versicherte und der Krankenkasse fällt in diese Kategorie. Ärzte an den Ausbau der digitalen Gesundheitsver- sorgung – und was steht deren Erfüllung entge- Prävention. Beim Erhalt der Gesundheit helfen gen? Um dies herauszufinden, hat McKinsey eine Auswertungen von Gesundheitsdaten sowie Fit- Onlineumfrage zur Relevanz von Anwendungsfällen ness- und Gesundheitsangebote. Darunter fallen im Rahmen der digitalen Gesundheitsversorgung etwa Apps für Krankenkassen-Bonusprogramme in Deutschland durchgeführt und mehr als 500 und Apps, die über Vorsorgeleistungen informie- Versicherte sowie über 100 Ärzte befragt. Wie die ren oder Versicherten zu einer gesunden Lebens- Ergebnisse der Umfrage zeigen, sind sowohl Ärzte weise verhelfen (u.a. mit Meditation oder gesunder als auch Versicherte einerseits am Ausbau digita- Ernährung). ler (Dienst-)Leistungs- und Versorgungsangebote in den Bereichen Administration, Prävention und Medizinische Versorgung. Anwendungsfälle aus Medizinische Versorgung stark interessiert. Wie diesem Bereich setzen an den unterschiedlichsten wir im Folgenden ausführen, halten beide Grup- Stellen des gesamten Versorgungsprozesses an. pen allerdings andererseits ganz unterschiedliche Sie reichen von der Onlineterminvereinbarung bis digitale Angebote für besonders relevant und nen- zur eigentlichen ärztlichen Versorgung, die etwa nen jeweils ein anderes Haupthindernis, das der durch die digitale Konsultation eines zweiten Arztes Nutzung im Wege steht. Aus diesen Aussagen las- verbessert wird, ggf. unterstützt durch einen digita- sen sich wichtige Implikationen für die GKVen bei len Medikationsplan. Die digital erfasste Behand- der Entwicklung und Unterstützung neuer digitaler lungshistorie von Versicherten enthält z.B. eine Angebote ableiten. Übersicht über alle in Anspruch genommenen 1 Siehe Kapitel B3, Schaubild 6, S. 62 Digitalisierung des Gesundheitswesens 9
Leistungen und verschafft dem behandelnden Arzt Gefragt nach ihrer persönlichen Meinung zu die- ein umfassendes Bild seiner Patienten. ser Entwicklung, äußert sich sogar die absolute Mehrheit der Befragten positiv: 65% der befragten Versicherten und sogar 79% der befragten Ärzte Versicherte und Ärzte gehen von stehen der Einführung digitaler Versorgungsange- zunehmender Bedeutung der bote positiv bzw. eher positiv gegenüber. Digitalisierung aus Diese hohe Zustimmung überrascht nicht, sofern Eine wichtige Erkenntnis aus der Befragung es sich bei den Befragten um Versicherte und bezieht sich auf die Bedeutung, die Versicherte Ärzte jüngeren Alters und mit hoher Digitalaffini- und Ärzte den digitalen Versorgungsangeboten tät handelt. Über alle Altersklassen hinweg zeigen jetzt schon und künftig zuschreiben (Schaubild 1): jedoch auch Versicherte mit chronischen Erkran- kungen und gesetzlichem Versicherungsschutz —— Bedeutung heute. 53% der befragten Versi- sowie Krankenhausärzte eine überdurchschnittlich cherten und 62% der befragten Ärzte halten positive Einstellung zu digitalen Versorgungsan- digitale Versorgungsangebote zum gegenwär- geboten. tigen Zeitpunkt für wichtig bzw. sehr wichtig. Welche konkreten Anwendungsfälle aber halten —— Bedeutung in der Zukunft. Insgesamt 82% der Versicherte und Ärzte für besonders relevant? Dies Versicherten und 95% der Ärzte glauben, dass herauszufinden war das Hauptziel der Umfrage, digitale Angebote in zehn Jahren wichtig bzw. denn Erkenntnisse über die Präferenzen dieser sehr wichtig sein werden. beiden Gruppen liefern Hinweise darauf, auf Schaubild 1 Versicherte und Ärzte messen der Digitalisierung zunehmend Bedeutung bei Bedeutung von digitalen Versorgungsangeboten in Prozent Versicherte Ärzte Aktuelle Bedeutung in Aktuelle Bedeutung in Bedeutung 10 Jahren Bedeutung 10 Jahren Unwichtig 5 2 1 0 Nicht besonders 5 4 14 2 wichtig Weder unwichtig 38 12 23 3 noch wichtig Wichtig 32 40 53 47 53 82 62 96 Sehr 21 42 9 49 wichtig Quelle: McKinsey-Umfrage unter 509 Versicherten und 150 Ärzten Folien für Artikel zu Digitalisierung des 10 Der GKV-Check-up Gesundheitswesens Praxisperspektiven
welchen Gebieten die digitale Transformation des Darüber hinaus zeigen beide Gruppen jedoch Gesundheitswesens vorrangig voranzutreiben ist. unterschiedliche Präferenzen, auf die in den bei- den folgenden Abschnitten näher eingegangen Die Bewertung bzw. Priorisierung der Anwen- wird. dungsfälle erfolgte durch randomisierte paar- weise Vergleiche, bei denen die Teilnehmer aus jeweils zwei gezeigten Anwendungsfällen den aus Versicherte sehen größten Nutzen bei ihrer Sicht wichtigeren auswählen mussten. Die Administration und Service Umfrage ergab, dass Versicherte und Ärzte klare – wenn auch voneinander abweichende – Vorstel- Gefragt nach der Anwendungsbereitschaft, also lungen davon haben, welche Anwendungsfälle für inwiefern sie selbst digitale Angebote nutzen wür- sie besonders relevant sind (Schaubild 2). den, äußern sich die Versicherten stark unter- schiedlich und haben vergleichsweise häufig Relativ einig sind sich beide Gruppen im Hinblick Vorbehalte: auf Telemedizin sowie Fitness- und Gesundheits- angebote: Sowohl Versicherte als auch Ärzte —— Etwa 15 bis 20% der befragten Versicherten hegen hierfür ein vergleichsweise geringes Inter- lehnen die Nutzung der meisten Anwendungen esse. Dieser geringen Priorität steht ein breit gefä- aus Datenschutzgründen komplett ab. chertes Angebot an Apps gegenüber, die zu etwa 75% der Prävention und der medizinischen Ver- —— Abhängig vom Anwendungsfall sind ~ 10 bis sorgung dienen (zu mehr als 50% der Prävention; 25% der Versicherten bereit, die Daten voll- siehe Kapitel B3, Schaubild 7, S. 62). ständig und vorbehaltlos freizugeben. Schaubild 2 Die Anwendungspräferenzen von Versicherten und Ärzten unterscheiden sich in ihren Schwerpunkten Relative Anwendungspräferenzen in Prozent Welche der folgenden Anwendungen würden Sie lieber nutzen? Versicherte Ärzte Zugriff auf Gesundheitsdaten1 65 64 Elektronische Patientenakte 60 80 Onlineterminvereinbarung 58 44 Elektronische Gesundheitspässe 57 54 Digitale Kommunikation mit Krankenkasse 47 31 Digitaler Medikationsplan 45 75 Digitale Arztkonsultation 45 43 Fitness- und Gesundheitsangebote 34 32 1 Eigene Daten bei den Versicherten, E-Status bei den Ärzten Quelle: McKinsey-Umfrage unter 509 Versicherten und 150 Ärzten Folien für Artikel zu Digitalisierung des Gesundheitswesens Digitalisierung des Gesundheitswesens 11
—— Die große Mehrheit der befragten Versi- übrigen Anwendungsfällen erachtet, die elek- cherten ist bereit, die Daten freizugeben, tronische Patientenakte in 60% der Fälle und knüpft dies allerdings an bestimmte Voraus- elektronische Gesundheitspässe in 57%. setzungen. Beispielsweise daran, dass nur Stammärzte und nicht alle Ärzte auf die Daten —— In der Kategorie der medizinischen Versorgung zugreifen können, dass sie von Fall zu Fall über spielt zudem die Onlineterminvereinbarung eine die Datenfreigabe entscheiden können oder wichtige Rolle, die in 58% der Fälle präferiert dass digitale Anwendungsfälle nur in Routine- wird. situationen (etwa beim Anfragen von Vorsor- geterminen) zulässig sind. Ärzte setzen auf Effizienzgewinne Klare Vorstellungen haben die Versicherten Im Vergleich zu den Versicherten äußert sich die davon, welche Angebote ihnen zusagen: Primär Gruppe der Ärzte hinsichtlich ihrer Anwendungs- sehen sie Nutzen in Angeboten der Kategorie bereitschaft deutlich positiver und hat weniger Administration und Service, die die Übermittlung Vorbehalte: von Daten erleichtern. Zudem ist den Versicher- ten der Zugriff auf die eigenen Daten durchgängig —— Lediglich 3 bis 5% der Ärzte lehnen die sehr wichtig: elektronische Patientenakte, den digitalen Medikationsplan, den elektronischen Pati- —— Der Zugriff auf eigene Gesundheitsdaten wird entenstatus (E-Status) und elektronische hier in 65% der Fälle präferiert bzw. als wich- Gesundheitspässe aus Datenschutzgründen tigerer Anwendungsfall im Vergleich zu allen komplett ab. Schaubild 3 Ärzte erwarten von den Krankenkassen bei der Digitalisierung Beratung/Schulung und finanzielle Unterstützung „ “ Ausgewählte Antworten von Ärzten auf die Frage „Welche Unterstützung würden Sie sich bei einer Einführung digitaler Versorgungsangebote von Ihrer Krankenkasse wünschen?“ Hard- und Softwarelösungen, die funktionieren und bei denen die Kassen an Patient muss unbedingt den Kosten beteiligt werden zustimmen. Erfasste Daten Nur ein einheitliches kranken- müssen dem Patienten kassenübergreifendes System bekannt sein macht Sinn Finanzielle Unterstützung Beratung und Einweisung Umfangreiche Schulungen Volle Kostenübernahme der Infrastruktur Transparenz Beteiligung an der Ein bequemes, benutzer- Finanzierung freundliches Internetportal Sicherstellung des Datenschutzes, auch gegenüber der Krankenkasse Klare und verständliche Einführung Quelle: McKinsey-Umfrage unter 509 Versicherten und 150 Ärzten Folien für Artikel zu Digitalisierung des 12 Der GKV-Check-up Gesundheitswesens Praxisperspektiven
—— Rund 40 bis 50% der Ärzte befürworten, dass effektiv unterstützen lässt. Die Umfrageergebnisse bei den drei betrachteten Anwendungen alle liefern hierzu zwei wesentliche Erkenntnisse: Ärzte alle vorliegenden Informationen ohne Ein- schränkungen nutzen können. —— Die Bereitschaft von Versicherten und Ärz- ten, digitale Angebote zu nutzen, ist hoch – —— Je nach Anwendungsfall knüpfen rund 40 bis allerdings v.a. bei den Versicherten sehr eng 45% der Ärzte die Nutzung der Informationen geknüpft an die Erfüllung bestimmter Daten- von anderen Ärzten an bestimmte Vorausset- schutzvoraussetzungen. zungen, z.B. individuell über die Freigabe von Patientendaten an Kollegen. —— Ärzte erwarten von den Krankenkassen Unter- stützung in zweierlei Hinsicht: Sie benötigen Die Präferenzen der Ärzte liegen – angesichts Beratung bzw. Schulungen bei der Einfüh- deren sehr klarer Priorisierung von Anwendungs- rung digitaler Angebote und sie wünschen sich fällen – auf Angeboten, die Effizienzgewinne in der finanzielle Unterstützung dafür (Schaubild 3). Versorgung versprechen und v.a. aus der Kategorie Die Vorstellungen dazu sind durchaus unter- Administration stammen: Die elektronische Pati- schiedlich und reichen von einer Beteiligung der entenakte wird in 80% der Fälle präferiert bzw. als Krankenkassen an den Kosten für Hard- und wichtigerer Anwendungsfall im Vergleich zu allen Softwarelösungen bis hin zur vollen Übernahme anderen Anwendungsfällen angesehen, der digitale der Kosten für die Bereitstellung der entspre- Medikationsplan in 75% der Fälle, der elektronische chenden Infrastruktur. Patientenstatus (E-Status) in 64% der Fälle und elektronische Gesundheitspässe in 54% der Fälle. Angesichts dessen könnte ein erfolgversprechen- Alle übrigen Anwendungsfälle werden in weniger der Unterstützungsansatz der GKVen beispielsweise als 50% der Fälle präferiert. so aussehen, dass sie Ärzte bei der Einführung und Anwendung erster digitaler Leistungsangebote aktiv unterstützen. Die daraus resultierenden Ange- Ein optimaler Ausbau der digitalen bote dürften dann für einen festgelegten Zeitraum Versorgung verlangt spezifische zunächst nur diejenigen Versicherten nutzen, die Angebote für Versicherte und Ärzte im Gegenzug ihre Gesundheitsdaten zur Verfügung stellen. Diese Versicherten würden dann zugleich als Abschließend bleibt zu diskutieren, wie sich der überzeugende Multiplikatoren für die weitere Ver- Ausbau der digitalen Versorgung durch die GKVen breitung digitaler Angebote fungieren. Sowohl Versicherte als auch Ärzte signalisieren deutlich ihre Bereitschaft, digitale Leistungsangebote im Gesundheitswesen anzunehmen. Die GKVen, die bereits seit einigen Jahren dieser wachsenden Nach- frage verstärkt Rechnung tragen,2 sollten daher einer der Kernakteure sein, die den Ausbau der digitalen Gesundheitsversorgung vorantreiben. Hierbei bietet es sich für sie an, den Fokus zunächst auf administra- tiv-unterstützende digitale Angebote wie die elektronische Patientenakte und elektronische Gesundheits- pässe zu legen. Flankierend gilt es – ggf. auch durch neue gesetzliche Regelungen –, einen angemessenen Gesund- heitsdatenschutz sowie die Finanzierung des Ausbaus der digitalen Angebote bei allen Beteiligten, d.h. Versicherte, Ärzte und GKVen, sicherzustellen. Erste Schritte dazu sind bereits u.a. mit dem Entwurf zum Digitale-Versorgung-Gesetz und mit der über das TSVG verpflichtenden Einführung einer elektronischen Patientenakte ab 2021 unternommen worden. 2 Dies zeigt sich u.a. daran, dass mittlerweile nahezu alle GKVen mit mehr als 1 Mio. Versicherten zumindest eine zentrale Administrations- und Service-App anbieten (siehe Kapitel B3, Schaubild 6, S. 62). Digitalisierung des Gesundheitswesens 13
Digitale Transformation von Kundenerlebnissen – Versicherte warten ungeduldig darauf A2 14 Der GKV-Check-up Praxisperspektiven
Das mag überraschen: Obwohl es in der Gesundheitswirtschaft um hochsensible Daten geht, erwarten die Kunden von Kran- kenkassen neue Onlineangebote im noch höheren Maß als von ihren Finanzdienstleistern oder Handelsunternehmen. Zugleich nutzen sie seltener Vergleichsportale, sondern steuern direkt die Unternehmensseiten an. Das zeigt eine aktuelle McKinsey- Umfrage. Doch die meisten GKVen bieten ihren Kunden digital nicht einmal das, was in anderen Branchen längst Standard ist. Besonders junge und neue Krankenversicherungs- Alter und Geschlecht repräsentativ befragten Per- kunden sind eine rasche, digitale Interaktion mit sonen sind mehr als 1.300 als Kunden von Kranken- ihren Dienstleistern gewohnt. Dazu beigetragen kassen befragt worden. Die wichtigsten Ergebnisse haben führende Unternehmen wie Amazon oder stellen wir nachfolgend vor. Google. Ihre Kunden nutzen Onlinedienste 24 Stun- den und sieben Tage die Woche – von der Recher- GKVen nutzen den Erfolgstreiber che über den Verkauf bis hin zum Kundenservice. digitales Kundenerlebnis bislang weniger als andere Branchen Etablierte Unternehmen, wie die meisten Kran- kenversicherungen, müssen jedoch erst einmal Die Art und Weise, wie Kunden digitale Dienste nut- die notwendige Technologie aufbauen, um ihre zen oder mit ihren Dienstleistungsanbietern über Schwachstellen anzugehen, ein digitales Service- digitale Kanäle interagieren, beeinflusst maßgeb- angebot zu entwickeln und die Kundenreisen neu lich ihre Gesamterfahrung mit ihren Krankenversi- gestalten zu können. Der Aufwand lohnt sich, denn cherungen (Schaubild 1). der Nutzen ist messbar: Die Kundenzufriedenheit steigt um 15 bis 20%. Ein positives Kundenerleb- Wir haben den Zusammenhang analysiert zwischen nis ist essenziell, da es ein wichtiger Treiber für den einer Schlüsselkennzahl – der Bereitschaft der Geschäftserfolg ist und tief greifende Folgen für Kunden, ein (Krankenversicherungs-)Unterneh- eine Reihe von Bereichen jenseits der reinen Kun- men einem Freund oder Bekannten zu empfehlen denzufriedenheit hat. So kann beispielsweise ein (Schaubild 1, Y-Achse) — und dem Umfang, in dem effektives Kundenerlebnis die Servicekosten um dieses Unternehmen digitale Dienstleistungen 20 bis 40% senken, da die Prozesse effizienter anbietet, etwa eine eigens entwickelte Service-App werden oder Kunden verstärkt Self-Service-Tools oder die Möglichkeit, die persönlichen Angaben im nutzen. Ebenso können Optimierungen sowie eine Kundenportal zu ändern (X-Achse). Die Ergebnisse bessere Orchestrierung von Multikanalpfaden die belegen, dass mit zunehmender Verfügbarkeit digi- Konversionsrate um 20% erhöhen. taler Dienste auch die Bereitschaft der Kunden zunimmt, den Anbieter zu empfehlen. Um die Nutzung digitaler Dienste in der Kranken- versicherungsbranche, die Erwartungen, die Kun- Umgekehrt schwindet der Einfluss der klassischen den an zukünftige digitale Dienste und Services Kontaktkanäle und Dienste auf die wichtigsten richten, und die Einflüsse auf ein besseres Kunden- Kennzahlen für das Kundenerlebnis, da diese tradi- erlebnis im digitalen Zeitalter besser zu verstehen, tionellen Kontaktkanäle und -dienste immer weni- hat McKinsey eine Studie in fünf B2C-Dienstleis- ger zeitgemäß sind. Aus diesem Grund profitiert tungsbranchen durchgeführt: Banken, Kfz-Ver- jeder Dienstleistungsanbieter von der Optimie- sicherungen, Energie, Krankenversicherung und rung seines digitalen Angebots, weil er dadurch ein Mobilfunk. Von den insgesamt über 3.600 nach attraktiveres Kundenerlebnis ermöglicht. Digitale Transformation von Kundenerlebnissen 15
Insbesondere Krankenversicherungsunternehmen Und 4. Welche Kanäle für Informationsbeschaffung verfügen auf dem Gebiet der Digitalisierung noch und Vertragsabschluss bei der Krankenkassensu- über beträchtliches Potenzial, denn die meisten von che werden seitens des Vertriebs angeboten? Bei ihnen befinden sich gegenwärtig auf einem eher allen untersuchten Themen ergab sich ein Trend zu niedrigen Digitalisierungsniveau. Sowohl hinsicht- digitalen Angeboten, die aber nach Meinung der lich der Verfügbarkeit digitaler Dienste als auch Befragten punktuell durch Offlineangebote flan- hinsichtlich der Empfehlungsbereitschaft liegen sie kiert werden sollten. hinter Branchen wie Banken oder Telekommunika- tion zurück. Bis zu 90% der GKV-Kunden erwarten künftig ein umfangreiches Angebot an digitalen Digitale Kundenerlebnisse werden Services zum bestimmenden Faktor in Entsprechend dem Bedürfnis nach einem besse- Kundenservice und Vertrieb ren Kundenerlebnis wünschen sich Kunden immer mehr digitale Dienste (Schaubild 2). Krankenver- Unsere Umfrage hat sich insbesondere mit vier sicherungen haben hier jedoch im Vergleich zu Themen beschäftigt: 1. Welche digitalen Services den anderen untersuchten Branchen – Banken, bietet die eigene Krankenversicherung bereits an Mobilfunk, Energie und Kfz-Versicherung — bis- und welche sollte sie zukünftig anbieten? 2. Welche lang wenig zu bieten. Für ihre Versicherten lassen Kommunikationskanäle nutzen Versicherte gegen- sich jedoch bisweilen selbst grundlegendste Auf- wärtig und welche wollen sie künftig nutzen? gaben nicht online erledigen: Nur 53% können ihre 3. Wie häufig ist die Nutzung digitaler Services persönlichen Angaben online ändern und lediglich heute und welche künftige Nutzung wird erwartet? 45% können ihre Ansprüche online einreichen. Schaubild 1 Die Empfehlungsbereitschaft in B2C-Service-Branchen wird durch digitale Kundenerlebnisse erhöht – Krankenversicherungen hinken hinterher Krankenversicherung Unternehmen anderer B2C-Service-Branchen Empfehlungsbereitschaft (0 - 10) 9,0 8,0 7,0 6,0 5,0 30 40 50 60 70 80 90 Verfügbarkeit von Digitalservices in Prozent Quelle: Customer-centric tech-enabled transformation survey (März 2019; N=3.610; Krankenversicherung [KV] N=1.303) 16 Der GKV-Check-up Folien für Artikel zu Praxisperspektiven Digitale Transformation
Dabei erwarten bis zu 90% der Kunden, dass Kran- der Befragten können sich vorstellen, diesen Kanal kenversicherungen ihnen dafür eine Onlinelösung zur Klärung ihrer Versicherungsansprüche und anbieten. Der Wunsch ist damit sogar ausgepräg- Anliegen zu nutzen. Dieser Bedarf an direktem Tele- ter, als er derzeit von den digital fortschrittlicheren fonkontakt ist nur geringfügig höher als in anderen Dienstleistungsbranchen erfüllt wird: von Banken Branchen, z.B. 77% bei Banken, 75% bei Energie- zu 84% und von Mobilfunkunternehmen zu 83%. versorgern und 77% bei Mobilfunkanbietern. Darüber hinaus würden 88% der Krankenkassen- kunden die Möglichkeit begrüßen, bestimmte Daneben gibt es eine zweite Gruppe von etwas Bescheinigungen und Berichte zu erhalten und zu weniger beliebten Online- und Offlinekanälen, die überprüfen, und 77% hätten gern die Möglichkeit, allerdings immerhin noch mehr als die Hälfte der medizinische Services online zu nutzen. Kunden erreichen: Niederlassungen, Briefe und Websites. Trotz zunehmender Bedeutung digitaler Kon- taktpunkte nutzen GKV-Kunden weiterhin ein Anders sieht es bei den moderneren digitalen breites Angebot an Offlinekontaktpunkten Angeboten aus: Hier werden Apps bzw. mobile Sei- In der Krankenversicherungsbranche stellen die ten und Video-Chats künftig zwar leicht an Popu- traditionellen Kanäle weiterhin eine tragende Säule larität gewinnen: Apps/mobile Websites sind dann dar (Schaubild 3) — mit immer weiter wachsenden für 40% der Kunden (+7 Prozentpunkte) relevant, Kundenansprüchen. Die E-Mail wird sich zum pri- Chats für 31% der Kunden (+8 Prozentpunkte). mären Kontaktpunkt für Kunden entwickeln, denn Gleichzeitig wird SMS und Video-Chats auch künf- 84% der Befragten planen, diesen Kanal zu nutzen. tig nur von rund jedem zehnten Kunden Bedeutung Dennoch ist das Telefon fast ebenso wichtig: 81% beigemessen. Ein Großteil der Befragten sieht in Schaubild 2 Krankenversicherungen bieten zwar Basisfunktionen bereits als digitale Ser- vices an, doch steigende Kundenerwartungen erfordern weiteren Ausbau Heute Zukunft Angebot an Online-/Digitalservices heute und in Zukunft in Prozent Frage: Welche Online-/Digitalservices bietet Ihre Krankenversicherung heute an/sollte sie in Zukunft unbedingt anbieten? 0 20 40 60 80 100 Persönliche Daten ändern 53 89 Am Bonusprogramm teilnehmen 53 82 Anträge/Erstattungen abwickeln 45 90 Kundenmagazin einsehen 42 59 Bescheinigungen abrufen 36 88 Medizinische Services nutzen 31 77 Arzttermine vereinbaren 19 56 Weitere 15 55 Quelle: Customer-centric tech-enabled transformation survey (März 2019; N=3.610; KV N=1.303) Folien für Artikel zu Digitale Transformation Digitale Transformation von Kundenerlebnissen von Kundenerlebnissen 17
diesen Kanälen also weiterhin keinen relevanten über wurden die Kunden in den übrigen befragten Kontaktpunkt für die Regelung möglicher Kranken- Branchen dazu angeleitet, die verfügbaren digi- versicherungsanliegen (Schaubild 3). talen Angebote häufiger zu nutzen, beginnend mit einer Basis von 19% (Autoversicherung) bis hin zu Insgesamt ist die Verlagerung zu digitalen Kom- 40% (Banken) der Kunden, die fast alle Anfragen munikationsformen über alle Kanäle hinweg weit- online erledigen — gegenüber 8% in der Kranken- gehend konsistent, wobei lediglich Telefonate in versicherungsbranche. Andererseits zeigen sich Zukunft leicht an Bedeutung verlieren. Die Heraus- lediglich 7% der Kunden in der Krankenversiche- forderung für Krankenversicherungsanbieter wird rungsbranche zögerlich gegenüber digitalen darin bestehen, die Verfügbarkeit, das nahtlose Angeboten. Angebot sowie die schnelle Reaktionszeit all dieser Kontaktkanäle sicherzustellen. Was also hindert die GKVen? Die Kunden fordern nicht nur weitere digitale Angebote, sondern signa- Der Anteil der reinen Offlinenutzer wird stark lisieren auch klar ihre Bereitschaft, diese zu nutzen, zurückgehen, die Zahl der intensiven Online- sobald sie verfügbar sind (Schaubild 4). In einem nutzer deutlich steigen solchen Zukunftsszenario mit einer besseren Ver- Heute nutzen mehr als ein Viertel der Kunden über- fügbarkeit der gewünschten Services würde es haupt keine Digitalservices (Schaubild 4). Rechnet dann fast jeder zweite Kunde (46%) — statt der- man diejenigen Kunden hinzu, die digitale Ange- zeit jeder fünfte Kunde (20%) — bevorzugen, mehr bote allenfalls für jedes vierte Anliegen nutzen als die Hälfte aller Anfragen online zu erledigen. Im (33%), dominieren noch immer die Kunden, die Gegenzug würde sich der Anteil der regelmäßigen weitgehend offline bedient werden. Demgegen- Offlinenutzer von 59 auf nur noch 27% reduzieren. Schaubild 3 Digitale Kontaktkanäle gewinnen an Bedeutung zur Klärung von Service- anliegen – E-Mail wird Telefon als wichtigsten Einzelkanal ablösen Heute Zukunft Nutzung von Kommunikationskanälen in Prozent Frage: Wie treten Sie heute mit Ihrer Krankenversicherung in Kontakt/möchten Sie in Zukunft in Kontakt treten zur Klärung Ihrer Anliegen (z.B. Servicefragen)? 0 20 40 60 80 100 Telefon 81 84 E-Mail 78 84 Niederlassung 62 65 Brief 58 62 Website/Self-Service 54 56 App/mobile Website 33 40 Chat 23 31 SMS 9 12 Videochat 9 13 Quelle: Customer-centric tech-enabled transformation survey (März 2019; N=3.610; KV N=1.303) Folien für Artikel zu Digitale Transformation 18 Der GKV-Check-up von KundenerlebnissenPraxisperspektiven
Um die Kundenzufriedenheit zu erhöhen und die talen nach Krankenversicherungsunternehmen Betriebskosten zu senken, erfordert eine derart recherchieren, also viel weniger als bei den meisten starke Verschiebung der Kundenkommunikations- anderen Dienstleistungsanbietern. Bei den Ener- kanäle nicht nur die Bereitstellung der gewünsch- gieversorgern sind es z.B. 84%, bei den Kfz-Versi- ten digitalen Angebote, sondern auch die Anleitung cherern 76%. Schließlich sind die Niederlassungen und Beratung der Kunden und der beteiligten der Anbieter der einzige andere Kanal, der die Akteure. Mehrheit der Krankenversicherten erreicht, wobei 55% der Kunden die Niederlassungen zu Informati- Im Vertrieb sind Onlinekanäle für die Infor- onszwecken aufsuchen. mationssuche bereits am wichtigsten Digitale Angebote spielen nicht nur im Kundenser- Geht es nicht nur um die reine Informationssuche, vice eine wichtige Rolle, sondern auch im Vertrieb, bei der der Onlinekanal dominiert, sondern um den und zwar bei der Beschaffung von Informationen Vertragsabschluss, sticht die Filiale als wichtigster und dem tatsächlichen Abschluss. Kanal hervor: Sie liegt vor allen Onlinekanälen. Die- ses Muster ist innerhalb der Dienstleistungsbran- Unternehmenswebsites sind mit Abstand die chen allerdings nicht einheitlich: wichtigste Informationsquelle für Krankenversi- cherungskunden (Schaubild 5): 88% nutzen den —— Verträge und Kundenbeziehungen mit typi- Onlineauftritt für die Suche nach einer Versiche- scherweise kürzeren Laufzeiten, wie in den rung. Nur Mobilfunkanbieter erreichen einen ähnli- Bereichen Energie, Mobilfunk und Kfz-Versi- chen Nutzungsgrad. Auffällig ist, dass nur 70% der cherung üblich, werden meist auf der Website Krankenversicherungskunden auf Vergleichspor- des Anbieters abgeschlossen – z.B. 79% bei Schaubild 4 Während 59% der Versicherten Onlineservices bisher nicht bzw. wenig nutzen, wollen künftig 46% ihre Anliegen vorwiegend online erledigen Nutzung von Online- und Digitalservices in Prozent Frage: Wie häufig nutzen Sie Online-/Digitalservices bereits/würden Sie diese in Zukunft nutzen, wenn Ihre Wunschfunktionen zur Verfügung stehen? 100% 7 Gar nicht 27 Für jedes vierte Anliegen oder weniger (1 - 25%) 20 27 Für bis zu der Hälfte meiner Anliegen (26 - 50%) 32 20 Für bis zu drei Viertel meiner Anliegen (51 - 75%) 21 12 26 Für nahezu alle Anliegen (76 - 100%) 8 Heute Zukunft Quelle: Customer-centric tech-enabled transformation survey (März 2019; N=3.610; KV N=1.303) Folien für Artikel zu Digitale Transformation Digitale Transformation von Kundenerlebnissen von Kundenerlebnissen 19
Energieversorgungs- und Mobilfunkunterneh- men aber bestrebt sein, Kunden für den Abschluss men, gefolgt von Preisvergleichsportalen mit von Verträgen und für die Erledigung ihrer Anliegen z.B. 72% bei Energieversorgungs- und 58% bei in Richtung Onlinekanäle zu bewegen, indem sie Mobilfunkunternehmen. Vertrauen in die digitalen Kanäle aufbauen. —— Längerfristige Kundenbeziehungen mit höhe- Angesichts des beschriebenen messbaren Nutzens ren Wechselkosten (Bankwesen, Krankenversi- besteht bei Krankenversicherungen trotz der hohen cherungen) hängen nach wie vor stark von der Regulierungsdichte dieses Dienstleistungsbereichs menschlichen Begegnung in der Filiale ab – v.a. ein realisierbares Verbesserungspotenzial. Zudem beim Vertragsabschluss. Telefonhotlines und zählen die Kundenanforderungen und die Bereit- Makler erreichen nur einen kleinen Teil der Kun- schaft zu mehr Digitalisierung unter allen unter- den, allerdings mit einer hohen Umwandlungs- suchten Branchen zu den höchsten. Digital Natives, rate beim Vertragsabschluss. die Innovationen auch bei den etablierten Unter- nehmen vorantreiben, werden diese Entwicklung Um sich mit einem großartigen Kundenerlebnis vom noch beschleunigen. Wettbewerb abzuheben, müssen Krankenversi- cherungsunternehmen angesichts dieser Umfra- Die Entwicklung herausragender geergebnisse einerseits eine nahtlos integrierte digitaler Kundenerlebnisse erfordert Kundenreise über die vorwiegend digitalen Informa- einen holistischen Ansatz tionskontaktpunkte anbieten und andererseits wei- terhin eine Offlineoption für den Vertragsabschluss. Technologie ist der Schlüssel zur Schaffung eines Zugleich sollten Krankenversicherungsunterneh- großartigen Kundenerlebnisses, das es Anbietern Schaubild 5 Kunden nutzen zur Information meist Onlinekanäle – der Vertrags- abschluss erfolgt aber meist noch offline in den Niederlassungen Nutzung von Informations- und Abschlusskanälen in Prozent Frage: Angenommen, Sie sind auf der Suche nach einer Krankenversicherung, wie würden Sie sich über eine Krankenversicherung informieren/wie können Sie sich vorstellen, diese abzuschließen? Information Abschluss Websites der Anbieter 88 73 Vergleichsportale (z.B. Check24) 70 49 Niederlassung der Anbieter 55 75 Telefonhotline der Anbieter 25 27 Finanzmakler oder Agenturen 16 19 Quelle: Customer-centric tech-enabled transformation survey (März 2019; N=3.610; KV N=1.303) Folien für Artikel zu Digitale Transformation 20 Der GKV-Check-up von KundenerlebnissenPraxisperspektiven
ermöglicht, zugleich zu wachsen und effizienter zu miert werden können, Planungen entsprechender werden. Aber der technologische Fortschritt und Marketingmaßnahmen zu deren aktiver Förderung die Entwicklung digitaler Dienste sollten nicht allein und eine genaue Überwachung der tatsächlichen Aufgabe der IT-Abteilung sein. Nahezu alle Aspekte Nutzung in einem iterativen Ansatz. eines Unternehmens, einschließlich der internen Prozesse, der Arbeitsmethoden und des Kunden- Jedes B2C-Dienstleistungsunternehmen muss services, spielen für effektive digitale Dienste eine dafür sorgen, dass alle drei Komponenten vorhan- Rolle. Aus diesem Grund sollten Unternehmen, die den sind, da sie nur in Kombination wirken. So kön- mit Hilfe der Technologie kundenzentrierter wer- nen beispielsweise eine neue IT-Architektur und den und damit zusätzlichen Geschäftserfolg erzie- optimierte Kundenreisen nur dann differenzierende len wollen, einen dreiteiligen Transformationsansatz Kundenerlebnisse ermöglichen, wenn Kunden und verfolgen: Mitarbeiter die Produkte und Dienstleistungen am Ende tatsächlich auch aktiv nutzen. Anderenfalls Aufbau einer technologischen Basis. Den Auftakt gerät die Technologietransformation zu einem kost- bildet die Auswahl der richtigen IT-Architektur und spieligen Unterfangen ohne positive Auswirkung die Priorisierung der Komponenten anhand der auf den Geschäftserfolg. Kundenanwendungsfälle. Die drei Komponenten stehen zwar in einer natür- Entwicklung eines digitalen Angebots. Anschlie- lichen Abfolge; für die Implementierung existiert ßend gilt es, die Digitalservices oder Kontaktka- jedoch kein strikter Zeitrahmen. Dieser sollte viel- näle für die Entwicklung zu priorisieren, Prototypen mehr vom individuellen Ausgangspunkt eines gemeinsam mit den Kunden zu erstellen und mit Unternehmens abhängen. So könnte es vorteilhaft der Entwicklung von Produkten und Services zu sein, sehr früh im Transformationsprozess einen beginnen. Für die Bereitstellung der Services und neuen Ansatz zu entwickeln und zu erproben, der die Sicherstellung der Integration dieser Services in auf der alten IT-Plattform läuft, und analog dazu mit das IT-Backend sind feste Intervalle zu planen. dem Aufbau der neuen technologischen Basis zu beginnen. Sichern der Nutzung von Produkten/Services. Den Abschluss bilden Überlegungen, wie Kunden und Mitarbeiter über die neuen Dienstleistungen infor- Dass sich die technologiegestützte Transformation dank zufriedenerer Kunden, niedrigerer Kosten und höherer Konversionsraten rechnet, gilt für alle Branchen. Aber in keiner anderen haben die Kunden ein so großes Interesse daran wie bei ihrer Krankenkasse – erst recht, wenn sie es schafft, online und offline barri- erefrei miteinander zu verbinden. Digitale Transformation von Kundenerlebnissen 21
Produktivität steigern, die Organisation digital ausrichten – ehrliche Analyse und strikte Priorisierung vorausgesetzt A3 22 Der GKV-Check-up Praxisperspektiven
Die GKVen stehen unter massivem Druck, ihre Produktivität zu steigern. Die wichtigste Antwort auf diese Herausforderung: Prozesse digitalisieren und automatisieren. Beide Ansätze vereint führen nicht nur zu enormen Effizienzsteigerungen, sondern auch zu zufriedeneren Kunden und Mitarbeitern. Entscheidend für den Erfolg der Digitalisierungs- und Automatisierungsmaßnahmen ist eine begleitende Transformation zur konsequenten Ausrichtung der gesamten GKV-Organisation auf die digitale Welt. Für viele Anbieter ist dieser Weg noch weit. Von den tief greifenden Herausforderungen, denen „Vereinfachen, Weglassen, Verlagern“. Hier liegt sich GKVen zurzeit gegenübersehen und die sich häufig großes Vereinfachungspotenzial, beispiels- gegenseitig verstärken, sind zwei in ihren Auswir- weise im Weglassen eines manuellen Eingabe- kungen unmittelbar spürbar: der hohe, zuletzt deut- schritts zur Datenerfassung, der bereits gleichzeitig lich weiter gestiegene Kostendruck und die rapide maschinell durchgeführt wird, oder bei der Aus- alternde Mitarbeiterschaft. Zugleich ist es politisch weitung genehmigungsfreier Hilfsmittel. Zugleich gewollt, dass die knapp über 100 GKVen ihre Ver- können Mitarbeiter von Routineaufgaben entlastet waltungsausgaben so niedrig wie möglich halten: werden und stehen für wichtigere – aus ihrer Sicht 2017 waren es nahezu 11 Mrd. EUR – oder 4,7% der oft auch interessantere – Aufgaben zur Verfügung. Gesamtausgaben. Doch tatsächlich sind die Verwal- Diese Maßnahmen sind vergleichsweise einfach tungskosten in den vergangenen Jahren nicht nur umzusetzen bei niedrigen Investitionskosten. um rund 5% gestiegen, sondern es bestehen auch ganz erhebliche Unterschiede bei den Verwaltungs- „Kontrollieren und Optimieren“. Fortlaufende kostenquoten. Diese variieren je nach Kasse zwi- Sicherstellung operativer Exzellenz und kontinu- schen rund 70 und 250 EUR je Versicherten. ierliche Optimierung der verbleibenden manuellen Prozessschritte lassen sich durch Steuerung über Zudem werden bei zahlreichen GKVen rund 20 bis Kennzahlen und Anpassung der Organisations- 30% der Mitarbeiter in den nächsten fünf bis zehn struktur gewährleisten. Ein Beispiel für Letzteres Jahren in den Ruhestand gehen, ohne dass es auf ist etwa die Optimierung der Arbeitssteuerung in dem Arbeitsmarkt genügend Arbeitskräfte gibt, um Hilfsmittel-Sachbearbeiterteams durch verbesserte diese Lücken zu füllen. Die Notwendigkeit, die Pro- Fallzuteilung. duktivität der GKVen rasch und substanziell zu stei- gern, ist offensichtlich. „Digitalisieren und Automatisieren“. Digitale Lösun- gen für einzelne Prozessschritte oder ganze Pro- zesse wie die digitalen Self-Services, Digitalisierung Das Digitalisieren und Automatisieren der Eingangsstrecken, Analytics-basierte Auto- von Prozessen hat erste Priorität matisierung oder Rapid Process Automation (RPA) bei der Automatisierung von Regelwerksaufgaben Nach wie vor laufen die meisten internen Prozesse erhöhen die Effizienz. von deutschen Krankenkassen manuell und auf Papier ab. Nach unseren Berechnungen besteht Alle genannten Ansätze vereinfachen Prozesse und schon an dieser Stelle typischerweise ein Poten- steigern die Produktivität. Doch auf dem Digitalisie- zial zur Effizienzsteigerung von 20 bis 30%. Drei ren und Automatisieren sollte besonderes Augen- Ansätze sind dabei entscheidend: merk liegen: Zum einen lassen sich damit bereits Produktivität steigern, die Organisation digital ausrichten 23
rund zwei Drittel des bei Krankenkassen typischer- in absehbarer Zeit weiter zuspitzen. Krankenkas- weise gegebenen Effizienzsteigerungspotenzials sen genießen dabei noch nicht den Ruf, als digitale von insgesamt 20 bis 30% erschließen – das mit- Vorreiter für Arbeitskräfte besonders interessant zu tels kontinuierlicher Verbesserung realisierbare sein. Nur wenn sie sich zu einer starken und attrak- Potenzial nicht mitgerechnet. Zum anderen wirkt tiven Arbeitgebermarke weiterentwickeln, werden sich dieser erste Schritt auch auf zwei andere wich- sie neue Mitarbeiter in ausreichender Zahl und mit tige Kennzahlen aus: der nötigen Expertise gewinnen können. Höhere Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit Nur ein klarer Fokus bis ins Nicht nur die Kostenquote, auch die Kunden und die Detail führt zu substanziellen GKV-Mitarbeiter profitieren von digital vereinfach- Effizienzsteigerungen ten oder automatisierten Prozessen. Beispielsweise beschleunigen sie die Anliegenbearbeitung deutlich, ermöglichen innovative und passgenaue Produkt- Egal, ob kleine oder große GKV, für beide gel- angebote, optimieren die Kundenreise und schaf- ten dieselben Kriterien bei der Auswahl der Hebel fen verbesserte Arbeitsbedingungen, indem sie den und der zu betrachtenden Prozesse sowie bei der Anteil repetitiver Tätigkeiten reduzieren helfen. Umsetzung der gewählten Effizienzmaßnahmen. Ggf. muss in Verbundlösungen gedacht werden, bei Älteren Versicherten, die besondere Erwartungen denen sich mehrere GKVen die nicht selten hohen an den persönlichen Service durch Mitarbeiter der Entwicklungskosten teilen. Die Kernfragen lau- GKV haben und sich – wie Umfrageergebnisse ten: Wie schnell ist die Umsetzung angesichts der belegen (Quelle: Bitkom) – z.B. Informationsange- finanziellen Möglichkeiten und intern vorhandenen bote oder Zugang zu ihren eigenen Gesundheits- Ressourcen möglich? Und welche Priorisierung ist daten wünschen, können entsprechende Angebote sinnvoll? leichter zugänglich gemacht werden. Damit wird Die Auswahl der Hebel das Serviceversprechen der Kassen auch insge- samt besser eingelöst. Gleichzeitig hat diese Ziel- Die im Fokus stehenden Digitalisierungs- und gruppe allerdings noch immer den Wunsch, eine Automatisierungspotenziale lassen sich im Wesent- Geschäftsstelle in der Nähe zu haben. lichen mit Hilfe von vier Hebeln erschließen (Schau- bild 1): Auch auf die sich verändernden Ansprüche jüngerer Versicherter müssen die GKVen mit neuen Themen, —— Digitales Input-/Outputmanagement. Übertra- Informations- und Serviceangeboten reagieren. gung von Daten in internes Dokumentenma- Das allein reicht aber nicht: Ihren Gewohnheiten nagement, Zuordnung und Aufbereitung der entsprechend erwarten jüngere Versicherte auch Daten von ihrer GKV digitale Kommunikationswege, damit die digitale Geschäftsstelle für sie die Rollen des —— Automatisierung. Verarbeitung durch persönlichen Beraters vor Ort und des präferier- Robotics-Lösungen – z.B. Automatisierung ten ersten Ansprechpartners in Gesundheitsfragen der Schnittstelle von intelligenten Formularen übernehmen kann. und Systemen durch Nutzung von RPA – sowie Erhöhung der Dunkelverarbeitungsquote Steigende Attraktivität als „moderner und digitalisierter“ Arbeitgeber —— Standardisierte systemseitige Umsetzungslö- Wie zuvor beschrieben, ist längst offensichtlich, sungen. Abbildung des Prozessergebnisses in dass die GKVen in den nächsten Jahren neue Mit- den Kernsystemen, z.B. Umsetzung von stan- arbeiter mit neuen Qualifikationen rekrutieren müs- dardisierten Lösungen der jeweiligen IT sen – und davon sehr viele. Doch dieses Problem betrifft auf Grund des Renteneintritts der gebur- —— Omnikanal. Bereitstellung der notwendigen tenstarken Jahre auch die meisten anderen Bran- Eingangskanäle (E-Mail, App, Onlineantrags- chen. Der Wettbewerb um „digitale Köpfe“ wird sich strecken etc.). 24 Der GKV-Check-up Praxisperspektiven
Dabei ergibt sich zwischen den verschiede- Dabei sollten Prozesse anhand der Dimensionen nen Hebeln eine klare Gewichtung: Nach unse- gebundene Ressourcen, Optimierungspotenzial ren Erfahrungen lassen sich 40% des über des jeweiligen Prozesses und strategische Rele- „Digitalisieren und Automatisieren“ zu nutzen- vanz für die GKV bewertet werden. Die Bewer- den Gesamtpotenzials mit digitalem Input-/ tungsparameter im Einzelnen sind: Outputmanagement erschließen, rund 30% mit Automatisierung, 20% durch systemsei- Gebundene Ressourcen. Umfangreiche Mit- tige Einbindung sowie 10% durch Nutzung von arbeiterkapazitäten binden typischerweise die Omnikanal. Zudem ist zu beachten, dass die Genehmigungs- und Abrechnungsprozesse Implementierungskomplexität bei Omnikanal und in den Leistungsbereichen. Außerdem sind digitalem Input-/Outputmanagement überwie- besonders solche Prozesse ressourceninten- gend mittel bis hoch ist, während für die übrigen siv, die sich mit der Verwaltung der Versicherten beiden Hebel nur geringe bis mittlere Aufwände beschäftigen – von der Mitgliedschafts- und erforderlich sind. Stammdatenverwaltung über Inkasso bis hin zur Neumitgliederakquisition. Die Prozessauswahl Optimierungspotenzial. Der schon erreichte Grad Was lässt sich wie am sinnvollsten optimie- der Automatisierung und Digitalisierung ist im ren? Die Antwort darauf kann nur eine ehrliche jeweiligen Einzelfall zu bewerten. Allerdings zeigt Überprüfung aller bestehenden Prozesse und sich, dass auf Grund der Serviceerwartungen der Tätigkeiten der Organisation sein und – daraus Versicherten bisher erst einmal auf ein möglichst resultierend – deren strikte Priorisierung. umfassendes digitales Kundenangebot gesetzt Schaubild 1 Typischerweise ist digitales Input-/Outputmanagement ein wichtiger Hebel bei der Digitalisierung von Prozessen Komplexität der Umsetzung Typische Verteilung der Wirkung bei Optimierung in Prozent Mittel bis hoch Omnikanal 10 Digitales Standardisier- Input-/Out- Gering bis mittel Mittel bis hoch bare Lösungen 20 putmanage- 40 ment 30 RPA/Auto- matisierung Gering bis mittel Quelle: McKinsey Folien für Artikel zu Produktivität steigern, die Organisation digital ausrichten 25 Produktivität steigern, die
wird und nachgelagerte Prozessschritte vielfach Transformationsprogramm erstellen, das sie in zwei auch erst nachrangig betrachtet werden. Jahren durch die gesamte Organisation bringt und an deren Ende die Optimierung aller Prozesse steht. Optimierungspotenziale müssen allerdings immer als vollständiger Prozess betrachtet werden, um Kleinere Kassen hingegen müssen stärker priorisie- sie ermitteln bzw. auszuschöpfen zu können. Nur ren, bestenfalls geclustert nach inhaltlichen Krite- so lässt sich die maximale Verbesserung erzielen, rien und nach Möglichkeit im Verbund mit anderen die beispielsweise möglich ist, wenn Versicherte Kassen, um die Kosten v.a. der technischen Lösun- oder Leistungserbringer ihre Abrechnungsanfragen gen auf mehrere Schultern zu verteilen. Für sie gilt online stellen und deren automatisierte Abwicklung es beispielsweise, mit geringstmöglichem Aufwand stattfindet. Auch Kunden, die ihre Mitgliedschaftsanträge selbst —— alle bestehenden Genehmigungsprozesse online eingeben, vereinfachen die Bearbeitung gemeinsam über alle Fachabteilungen hinweg enorm. Wichtig ist zudem der Mut, bestehende Pro- zu analysieren und wiederkehrende Herausfor- zesse nicht nur radikal weiter zu verbessern, son- derungen gebündelt zu lösen und dern komplett neu zu denken. —— gemeinsam mit anderen GKVen entweder Strategische Relevanz. Insbesondere Prozesse mit bestehende Lösungen zu übernehmen oder Versichertenbezug haben eine kritische Relevanz einen Verbund zu bilden, z.B. zum Bau eines für die GKVen. Grundsätzlich muss die Frage nach Roboters. den selbst gesteckten Zielen der GKVen gestellt werden – eine auf Wachstum ausgerichtete BKK Entscheidend sind die intern verfügbaren Kapazitä- wird zunächst andere Prozesse in den Fokus der ten und die bestehenden Fähigkeiten. Doch häufig Effizienzsteigerung rücken als eine große Orts- mangelt es an ausreichenden IT-Kenntnissen sowie krankenkasse mit vergleichsweise höherem Durch- den notwendigen Ressourcen zur Realisierung der schnittsalter der Versicherten. Hebel. Hier ist ein neues organisatorisches Setup wichtig. Die Standardisierungen müssen dafür In einem weiteren Schritt gilt es dann, die Verän- ebenso sichergestellt werden wie die Vorausset- derungsmaßnahmen von internen Kräften, die die zungen für erfolgreiches, agiles Arbeiten. Dafür hilf- nötigen Fähigkeiten on the Job erwerben, konkret reich sind ad hoc gebildete und zeitlich begrenzte ausarbeiten zu lassen und damit den Grundstein Arbeitsgruppen, kleinere Werkstätten für ausge- für eine digitale Transformation zu legen. Nur so wählte Optimierungsthemen oder dauerhafte Digi- lässt sich sicherstellen, dass das nötige Wissen im tal Factories. eigenen Haus wächst und verbleibt. Erst dann ist kontinuierliche Verbesserung möglich. Ziel muss es Gleichzeitig müssen interne Kräfte aktiv an der daher sein, einen Mindset unter GKV-Mitarbeitern Umsetzung mitwirken. Auch diese Mitarbeiter gilt zu etablieren, der kontinuierliche Verbesserung in es, on the Job aufzubauen und weiterzubilden, den Mittelpunkt allen Handelns stellt. damit sie die Change-Prozesse in der Organisation begleiten und das digitale Mindset aller Mitarbeiter Die Umsetzungsplanung fördern können – was ebenfalls eine Herausforde- Wie lassen sich Optimierungsvorhaben realisieren? rung ist. Hier gilt es, zwischen großen und kleinen Kassen zu unterscheiden, ebenso zwischen dem jeweili- Ohne eine holistische Weiter- gen Ambitionsniveau. Maßgeblich sind die internen entwicklung ist keine GKV mehr Ressourcen der jeweiligen Kasse. wettbewerbsfähig Mittlere und größere Kassen (mit mehr als 1 Mio. Viele GKVen haben eine Organisation, die noch Versicherten) können Prozesse in der Regel in drei- immer auf die Schwerpunkte der nicht digitalen monatigen Wellen mit jeweils fünf bis sechs Pro- Welt ausgerichtet ist. Diese Organisation lässt sich zessbündeln optimieren, d.h. ein umfassendes in vier Bereiche einteilen (Schaubild 2): Steuerung, 26 Der GKV-Check-up Praxisperspektiven
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