Frau geht vor 01 - DGB Frauen
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frau geht vor 01 2016 Europa auf Kurswechsel Abschied von der Gleichstellungspolitik? DGB-Bundesvorstand | Abteilung Frauen, Gleichstellungs- und Familienpolitik | März 2016
Inhalt Editorial ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 3 Heute für morgen Zeichen setzen Aufruf zum Internationalen Frauentag -------------------------------------------------------------------------------- 4 „Sisypha“ – gescheit, pragmatisch, ausdauernd Aktuelle Herausforderungen und Tendenzen der EU-Gleichstellungspolitik ------------------------------------ 5 Auf halbem Weg stecken geblieben Europa tut sich schwer mit der Geschlechtergerechtigkeit -------------------------------------------------------- 8 Unbezahlte Arbeit ist immer noch Frauensache Erwerbsbeteiligung und Arbeitsbedingungen von Frauen in Europa ------------------------------------------- 10 Ein schwieriges Unterfangen Gleichstellung im Europäischen makroökonomischen Finanzwesen ------------------------------------------- 13 Krisenpolitik auf Kosten von Frauen Der Einfluss der europäischen Geld- und Fiskalpolitik auf die Geschlechtergerechtigkeit ------------------ 16 Frankreich Avantgarde oder Trugbild in der beruflichen Gleichstellung? --------------------------------------------------- 18 Meldungen DGB Appell an die Kanzlerin / Entgeltgleichheit auf dem Prüfstand ------------------------------------------- 20 EU beerdigt Gleichstellungsstrategie Proteste gegen unverbindliches Arbeitspapier -------------------------------------------------------------------- 21 Wir machen Fortschritte Der neue EGB Generalsekretär Luca Visentini setzt auf Gleichstellung --------------------------------------- 22 Charta der Gleichstellung auf EU Ebene IG BCE setzt auch international auf Nachhaltigkeit -------------------------------------------------------------- 24 Meldungen Honoriert, was Frauen leisten / Gleichberechtigung an Hochschulen / Deutscher Personalräte-Preis 2016 Girls‘Day – Mädchen-Zukunftstag / Buchtipp: Mehr Zeit für die Familie! ------------------------------------ 25 „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ Elisabeth Selbert und der gleichstellungspolitische Coup im Grundgesetz------------------------------------ 27 2 DGB Frau geht vor
Editorial Europa auf Kurswechsel Gleichstellungspolitik auf dem Rückmarsch Von Anja Weusthoff Liebe Kolleginnen, liebe Frauen, nach, wie schwer sich Europa mit der Geschlech- von Beginn an stand die Europäische Union tergerechtigkeit tut: Auf halbem Weg stecken für die tatsächliche Gleichstellung von geblieben (Seite 8). Wie es um die Erwerbsbe- Frauen und Männern. Sie gehört zu den teiligung und Arbeitsbedingungen von Frauen in Grundwerten der Europäischen Union, der EU bestellt ist, erläutern Erika Mezger und seit 1957 der Grundsatz gleicher Lohn für Barbara Gerstenberger, wenn sie als Fachfrauen gleiche Arbeit in den Römischen Verträgen von Eurofound feststellen: Unbezahlte Arbeit ist verankert wurde. Für die Gleichstellung immer noch Frauensache (Seite 10). Anja Weusthoff leitet die auf dem Arbeitsmarkt durch mehr Frauen Abteilung Frauen, Gleich- stellungs- und Familienpolitik in Führungspositionen oder durch eine Brigitte Young geht für uns der Frage nach, beim DGB-Bundesvorstand. bessere Vereinbarkeit von Beruf und warum so wenige Frauen auf die wirklich Familie, hat Europa unverzichtbare Impulse wichtigen wirtschafts- und finanzpolitischen www.frauen.dgb.de geliefert, die wir auch in Zukunft brauchen. Entscheidungen Einfluss nehmen und die Gender Studies Ungleichheit in erster Linie als Problem Mit ihrer Strategie für die Gleichstellung von der Arbeitsmärkte, Sozial- und Familienpolitik Frauen und Männern hat die Europäische Union analysieren – obwohl gerade Geldpolitik eine 2010–2015 das Ziel verfolgt, die wirtschaftliche zentrale Voraussetzung der Sozialpolitik ist Unabhängigkeit von Frauen zu fördern. Doch mit (Seite 8). Und Helene Schuberth ist sicher: Die der Gleichstellungsstrategie ist nun Schluss – und europäische Krisenpolitik wird auf Kosten von eine neue ist gegen den erklärten Willen des Frauen gemacht, denn die europäische Geld- EU-Ministerrates und des Europäischen Parla- und Fiskalpolitik hat erheblichen Einfluss auf die mentes nicht in Sicht. Es mangelt ganz offensicht- Geschlechtergerechtigkeit (Seite 16). lich am politischen Willen der Kommission! Die Gewerkschaften werben für ein politisch Darum zeigen wir in diesem Heft auf, wie es um vereintes, demokratisches, wirtschaftlich starkes die Gleichstellung in Europa bestellt ist. Gabriele und sozial gerechtes Europa, das auch seine Bischoff und Barbara Helfferich bilanzieren gleichstellungspolitischen Ziele umsetzt. Darum politische Erfolge und klagen rückschrittliche engagiert sich auch der Europäische Gewerk- Tendenzen an: So wird die auf Frauen zielende schaftsbund (EGB) für eine Europäische Gleich- „Gleichberechtigungspolitik“ einer Politik der stellungstrategie. Im EGB-Generalsekretariat „Chancengleichheit für alle“ untergeordnet. Die kümmert sich darum vor allem Montserrat Mir gesamte Rechtsetzung erhält einen Prüfvorbe- Roca (Seite 21). Aber auch der EGB-General- halt und das Gender-Programm „Strategisches sekretär Luca Visentini kritisiert die Lücken der Engagement für Gendergleichheit (2016–2019)“ Gleichstellungspolitik in Europa und erläutert im mit dem Status eines Arbeitsdokuments, dass die Interview mit „frau geht vor!“ die Schlüsselrolle Gleichstellungsstrategie ablösen soll (Seite 5). der Gewerkschaften bei der Überwindung der tiefsitzenden und strukturellen Geschlechterun- Den Gender-Equality-Index des Europäischen gleichheiten sowie deren Bedeutung für den EGB Instituts für Geschlechterfragen (EIGE) verortet (Seite 22). den Stand der Gleichstellung auf einer Skala von 1 bis 100 bei gerade mal 52,9. An konkreten Bespielen dafür weist Inge von Bönninghausen Ausgabe Nr. 1 – März 2016 3
Schwerpunkt 2016 Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frauen in Deutschland sind immer häufiger erwerbstätig. Aber fast jede zweite arbeitet in Teilzeit - oft ihr gesamtes Erwerbsleben lang. Damit ist Deutschland im europäischen Vergleich Spitzenreiter. Und wird es wohl auch bleiben: Während Männer weiterhin überwiegend Vollzeit arbeiten, steigt der Anteil an erwerbstätigen Frauen in Teilzeit. Meistens ist es die Frau, die zusätzlich zur Arbeit für Kind und Haushalt sorgt - für viele Frauen nur mit einem Teilzeit- oder Minijob möglich. Dabei ist vor allem Teilzeit mit wenigen Arbeitsstunden mit Nachteilen verbunden: beim Einkommen, bei der Karriere und der sozialen Sicherung. Der Trend bei den Wunscharbeitszeiten von Unter- und Überbeschäftigten ist ungebrochen: Vor allem Frauen in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen und in Teilzeit möchten ihre Arbeitszeit gerne ausweiten, immer mehr Männer ihre Stundenzahl reduzieren. Aber starre Arbeitszeitregelungen und Präsenzkultur machen es beiden – Frauen und Männern – unmöglich, Erwerbstätigkeit, Hausarbeit und Familienpflichten miteinander zu vereinbaren. Sie haben keine Chance, über Dauer, Lage und Takt ihrer Arbeitszeiten mitzubestimmen. Für eine geschlechtergerechte Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben brauchen alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Arbeitszeitsouveränität. Ohne einen gesetzlichen Rahmen lässt sich das nicht verwirklichen. Deswegen setzen Gewerkschaften am internationalen Frauentag 2016 ein Zeichen und fordern: das im Teilzeit- und Befristungsgesetz enthaltene Recht auf Teilzeit auf alle Beschäftigten auszuweiten unabhängig davon, wie groß der Betrieb ist, indem sie arbeiten. ein Recht auf befristete Teilzeit. Damit Beschäftigte ihre Arbeitszeit nach Bedarf auch wieder aufstocken können und auch Männer sich trauen, in bestimmten Lebensphasen ihre Arbeitszeit zu reduzieren. ein Recht, aus der Teilzeit wieder zurück zu kehren. Wer raus will aus der Teilzeitfalle, soll auch einen gesetzlichen Anspruch darauf haben. Die Frauen im DGB machen sich stark für eine geschlechtergerechte Verteilung der Arbeitszeit und eine eigenständige Existenzsicherung von Frauen über alle Lebensphasen hinweg. Deshalb lasst uns gemeinsam: Heute für morgen Zeichen setzen! Elke Hannack, Stellvertretende DGB-Vorsitzende 4 DGB Frau geht vor WWW.FRAUEN.DGB.DE
„Sisypha“ – gescheit, pragmatisch, ausdauernd Aktuelle Herausforderungen und Tendenzen der EU-Gleichstellungspolitik Von Gabriele Bischoff und Barbara Helfferich Das Bemühen um Gendergleichheit in ist die Zahl der wirtschaftlich inaktiven Frauen Foto: EU2015 der Europäischen Union mutet an wie die noch zweimal so hoch wie die der Männer. Bisher Arbeit des Sisyphos. Seit der Verankerung sind nur 29 Prozent der Selbstständigen Frauen. des Grundsatzes von gleichem Lohn für Frauen verdienen immer noch 16 bis 19 Prozent gleiche Arbeit in den Römischen Verträgen weniger Lohn als Männer. Sie arbeiten oft halbtags versuchen die „Schwestern“ des Sisyphos, und/oder in niedrig bezahlten Stellungen. Deshalb den Stein der Gleichheit über die Berg- liegt der allgemeine Lohnunterschied in der EU bei kuppe hinaus zu rollen. Gescheiter als ihr durchschnittlich 16 Prozent (in Deutschland bei Gabriele Bischoff ist seit berühmter Bruder und überzeugt davon, 21 Prozent), was fatale Folgen für die Rente und 2015 Präsidentin der Arbeitnehmergruppe im dass man es nur gemeinsam schaffen soziale Sicherheit hat. Heute liegen die Rentenan- Europäischen Wirtschafts- und kann, arbeiten Gewerkschaften, Frauen- sprüche der Frauen fast 50 Prozent unter denen der Sozialausschuss (EWSA). Die organisationen und Teile der Europäischen Männer und hier liegen Deutschland und Luxem- Politologin leitete von 2008 bis 2014 die Europa-Abteilung beim Institutionen an diesem Ziel. burg an der Spitze mit stolzen 44 und 47 Prozent. DGB-Bundesvorstand. Da ist die Altersarmut der Frauen vorprogrammiert. „Und weiter sah ich den Sisyphos in gewaltigen www.eesc.europa.eu Schmerzen: wie er mit beiden Armen einen Trotz besserer Gesetze und steigenden sozialen Felsblock, einen ungeheuren, fortschaffen Bewusstseins für die Gewalt an Frauen sind die wollte. Ja, und mit Händen und Füßen stemmend, stieß er den Block hinauf auf einen Zahlen Zeugen einer traurigen Bilanz. Gewalt an Hügel. Doch wenn er ihn über die Kuppe Frauen ist immer noch ein Allgemeinplatz und Foto: privat werfen wollte, so drehte ihn das Übergewicht nimmt die verschiedensten Formen an: Eine Frau zurück: von neuem rollte dann der Block, der unter dreien hat schon mal physische oder sexuelle schamlose, ins Feld hinunter. Er aber stieß ihn Gewalt erfahren. Fünf Prozent der Frauen in der immer wieder zurück, sich anspannend, und es EU sind schon mal vergewaltigt worden und viele rann der Schweiß ihm von den Gliedern, und der Staub erhob sich über sein Haupt hinaus.“ haben Gewalterfahrung im Internet gemacht. Es wird geschätzt, dass mehr als 500.000 Frauen und Homer: Odyssee 11. Gesang, 593–600. Mädchen in der EU dem Risiko einer Genitalver- Übersetzung Wolfgang Schadewaldt Dr. Barbara Helfferich stümmelung ausgesetzt sind. ist Schatzmeisterin und Gründungsmitglied von Gender 5 plus – the European Es gibt keinen Zweifel, dass viel geschafft worden Gleichstellungspolitische Fortschritte – Feminist Think Tank. ist in den letzten 58 Jahren: Der Gleichheitsgrund- EU übernimmt Vorreiterrolle satz, Gender Mainstreaming und Anti-Diskrimi- Die EU hat sich über viele Jahre als Champion www.gender5plus.eu nierung sind festgeschriebene Werte und Gesetze der Gleichstellung von Frauen und Männern in der Europäischen Union – und das nicht nur im hervorgetan, vor allem aber auch die Europäische Bereich Arbeit, sondern auch im Zugang zu Sozial- Kommission, die durch ihre Aktionsprogramme, versicherung, Gesundheit und Rentenansprüchen. Genderstrategien und Gesetzesvorschläge neue Sind dies nicht konkrete Gründe zu feiern; ist der Realitäten für Mitgliedsstaaten geschaffen hat. Stein nicht schon oben und brauchen wir ihn nur Viele dieser Vorschläge wurden vom Europäischen noch zu sichern? Parlament angestoßen und von den Parlamenta- rier/innen weiter verbessert. Durch EU Richtlinien, Viel geschafft, aber mehr noch zu tun und insbesondere durch die Kodifizierung der Ein Blick auf die aktuellen Fakten muss diesen einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen positiven Eindruck revidieren: Trotz hoher Investi- Gerichtshofes, haben jetzt Frauen die Möglichkeit, tionen im Bildungsbereich und allgemein besserer ihre Rechte einzuklagen (auch wenn sie das bisher Abschlussnoten von Frauen an den Universitäten, nicht oft genug tun). Ausgabe Nr. 1 – März 2016 5
Gleichwohl ist eine gute EU-Rechtsetzung die REFIT-Plattform eingerichtet, um sich regelmäßig REFIT-Plattform (REgulatory FITness and Performance) Grundvoraussetzung dafür, dass die nationalen mit den Mitgliedstaaten u.a. über Verbesserungen www.ec.europa.eu/smart-regulation/ Gesetzgeber verpflichtet werden, die EU-weite der EU-Rechtsvorschriften auszutauschen. Die refit/index_de.htm Gleichbehandlung auch in ihrem Land umzusetzen. REFIT-Plattform besteht aus zwei ständigen Neben der REFIT-Plattform wurde Gerade in Deutschland haben Frauen davon Gruppen, einer Gruppe mit Regierungsvertreter/ im Juli 2015 ein Ausschuss für profitiert, weil diese gleichstellungspolitischen innen und einer Gruppe mit Vertreter/innen der Regulierungskontrolle eingerichtet, Fortschritte ohne die EU-Gesetzgebung kaum Wirtschaft, der Sozialpartner und der Zivilge- der die Qualitätssicherung und die Unterstützung für die erreicht worden wären, insbesondere im Feld der sellschaft (Gruppe der Interessenträger). Diese Folgenabschätzungen und Antidiskriminierungspolitik. 20-köpfige Stakeholder-Gruppe besteht überwie- Evaluierungen der Kommission gend aus Vertreter/innen der Arbeitgeber- und sicherstellen soll. Ergänzend lohnt der Blick auf die europäischen Wirtschaftsverbände, intermediärer Organisationen makroökonomischen Strategien. Gleichstellungspo- oder Nichtregierungsorganisationen (NRO). Den litik wird als Teil der übergeordneten, makroöko- Gewerkschaften wurde ein einziger Platz einge- nomischen Politik gesehen. Die zugrundeliegenden räumt, frauen- oder genderpolitische Nichtregie- Ziele waren und sind jedoch nicht die Gleichbe- rungsorganisationen (NRO) sind überhaupt nicht rechtigung – als Wert an sich – sondern soge- vertreten. nannte übergeordnete Ziele wie die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit, die Wettbewerbsfähigkeit EU auf Kurswechsel – oder mehr Wachstum. Gleichberechtigung soll Chancengleichheit für Alle diesen Zielen dienen. Wenn sie das tut, finden und Der mögliche Austritt Großbritanniens aus der fanden sich auch Mehrheiten. Europäischen Union, die Brexit-Drohung, tat ein Übriges, um die EU-Agenda noch businessfreund- Krise in Europa – Auswirkungen auf die licher zu machen, als sie ohnehin schon war. All Gleichstellungspolitik dies stellt einen ernstzunehmenden Kurswechsel Aber die Zeiten sind schwer in Europa; die Finanz- dar, der allerdings schon von der Europäischen und Wirtschaftskrise hat ihre Wunden hinterlassen Kommission unter Barroso 1 begann. Mit diesem und die Entscheidungsträger haben sich auf einen Präsidenten der Europäischen Kommission wurde rigiden Sparkurs geeinigt, der keine Rücksicht auf aus der spezifischen Gleichberechtigungspolitik, die zentralen, sozialen wie gleichstellungspoliti- die ihre stärksten Wurzeln in den 70er bis 90er schen Aufgaben und Ziele nimmt. Jahren hatte und auch stark von der interna- tionalen Frauenpolitik und der Pekinger Welt- Parallel dazu hat die EU-Kommission dem Drängen frauenpolitik beeinflusst wurde, eine Politik, die der Wirtschaft wie auch der Europaskeptiker nach- die Gleichberechtigung von Frauen unter dem gegeben und die gesamte Rechtsetzung Oberbegriff – Equal Opportunities for All – also unter Prüfvorbehalt gestellt. Dazu wurde eine „Chancengleichheit für Alle“ einstufte. Art Anti-Bürokratiemaschinerie geschaffen, die die Europäische Rechtsetzung vereinfachen und Die ehemaligen, frauenspezifischen Aktions- bürokratische Hürden, insbesondere für Unter- programme in den 80er und 90er Jahren und nehmen, abbauen soll. Als Label dient der Begriff die Gender Strategie in den ersten Jahren des „bessere Rechtsetzung“. Eric van den Abeele, neuen Jahrtausends wurden kurzerhand durch Europäisches Gewerkschaftsinstitut European Trade Union Institute Mitarbeiter der Ständigen Vertretung Belgiens bei ein Anti-Diskriminierungsprogramm abgelöst. www.etui.org der EU, spricht von einer schleichenden Büro- Gleichzeitig wurde die einflussreiche Gruppe der kratisierung der Rechtsetzung, die insbesondere Kommissare zum Gendermainstreaming in „Gruppe die EU-Kommission selbst trifft. Sie verliert damit der Kommissare für Fundamentale Rechte, Anti- Acquis communautaire (frz. „gemeinsamer Besitzstand“), ihre Rolle als Motor der Gesetzgebung. Diskriminierung und Chancengleichheit“ umbe- umfasst alle Rechte und Pflichten, nannt, um diesem Trend Rechnung zu tragen. Des die für alle Mitgliedstaaten der EU Gleichberechtigungs- und Anti- Weiteren wurde das Chancengleichheitsreferat verbindlich sind. Dazu gehören zum einen der EU- und der EG-Vertrag diskriminierungspolitik auf dem Prüfstand von der Generaldirektion Arbeit und Soziales in die (Primärrecht), zum anderen Unter Prüfvorbehalt stehen nicht nur mögliche Generaldirektion Justiz verlagert. Dadurch wurde die Verordnungen, Richtlinien, Entscheidungen und Empfehlungen, die neue Rechtsetzungen, sondern auch der gesamte gleichzeitig der Aktionsrahmen für Gendergleich- von den Organen der EU (Europäische bestehende „Acquis Communautaire“, und damit heit eingeschränkt. Kommission, Rat der Europäischen u.a. alle Erfolge der Rechtsetzung im Bereich der Union und Europäisches Parlament (EP)) erlassen werden (Sekundärrecht) Gleichberechtigungs- und Antidiskriminierungspo- Viele Gender Expertinnen und Experten, die sowie die Entscheidungen des litik. Die Kommission hat 2015 eine sogenannte im Bereich Arbeit und Soziales etabliert waren, Europäischen Gerichtshofs(EuGH). 6 DGB Frau geht vor
verloren Stimme und Einfluss. Diesem Trend spezifische Probleme von Frauen auf dem Arbeits- konnte auch das FEMM Komitee im Europäischen markt wurden nicht mehr in der Strategie erwähnt. Parlament nichts entgegensetzten, dass 1984 Das Beschäftigungsziel drückt sich in nur einer Zahl FEMM Komitee gegründet, immer wieder selber um seine Berechti- aus: 75 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung Der Ausschuss für die Rechte der gung kämpfen muss. sollten in 2020 einer Arbeit nachgehen. In der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (FEMM) ist einer der jetzigen Strategie, Europa 2020, kommen Frauen 20 Ausschüsse des Europäischen Politischer Wille fehlt – Gendergleichheit und Gendergleichheit überhaupt nicht mehr vor. Parlaments. wird zum unverbindlichen Ziel Während die Lissabon-Strategie Gendermain- www.europarl.europa.eu/ committees/de/FEMM/home.html Wie weit der politische Willen auf Gendergleich- streaming noch erwähnte, existiert dieses Konzept heit hinzuarbeiten geschwunden ist, zeigt das erst in der gegenwärtigen Strategie nicht mehr kürzlich veröffentlichte und nach langem Ringen verbindlich. Gleiches gilt für die Indikatoren, die die verabschiedete neue Gender-Programm der EU Strategie begleiten sollen. Daraus folgt auch, dass (Dezember 2015). Allein der Name – „Strategisches die Evaluierung der nationalen Politiken Ungleich- Engagement für Gendergleichheit (2016-2019)“ – heiten, die in den Mitgliedsstaaten existieren, nicht und nicht etwa „Strategie für Gendergleichheit“ mehr registriert und/oder versucht zu korrigieren. gibt dem Ganzen einen allzu freiwilligen und Nationale Aktionsprogramme und länderspezifi- nebulösen Charakter. Als wäre dies nicht genug sche Empfehlungen bei der Kommission blenden an Unverbindlichkeit verzichtete die Kommission Gendergleichheit komplett aus. nachfolgend auch darauf, das Dokument, das Quellen: Éric Van den Abeele, The EU’s REFIT nur noch den Status eines Arbeitsdokuments Europa braucht eine verbindliche strategy: a new bureaucracy in the der Europäischen Kommission hat, dem Rat zur Genderstrategie service of competitiveness? ETUI Verabschiedung vorzulegen. Dies war in früheren Europa – so scheint es – hat den Frauen den Working Paper 2014.05 Jahren so üblich. Damit düpiert die Europäische Rücken gekehrt. Der Stein des Sisyphos rollt wieder Isabelle Schömann, EU REFIT Kommission auch das Europäische Parlament, das den Berg hinunter, falls sich dagegen kein breiter machinery ‘cutting red tape’ at the cost of the acquis communautaire, in: ETUI im Juli 2015 die Kommission aufgefordert hat, eine Protest regt. Der Europäische Gewerkschaftsbund Policy Brief 05/2015 Gendergleichstellungsstrategie vorzulegen. zusammen mit vielen Gewerkschaften, genauso wie Frauenverbände und NRO haben dagegen Diese Vorgehensweise steht gleichwohl im Einklang protestiert, ohne bisher ausreichend Druck entfa- mit der Logik des Programms zur „besseren Recht- chen zu können. Dabei lohnt es sich nach wie vor, setzung“, indem verbindliche Ankündigungen für für eine echte, verbindliche Gender-Strategie zu neue Rechtsetzung und Initiativen vermieden und mobilisieren und die Kräfte zu bündeln. Partner alles so lang offengehalten wird, bis alle Etappen sind das Europäische Parlament wie auch einige der neuen Anti-Bürokratiemaschinerie durchlaufen Regierungen. Die Autorinnen sind überzeugt, sind. Damit kann die Gesetzgebung verzögert, dass die politischen Kosten einer unterlassenen entkernt oder ganz verhindert werden. Gleichberechtigungspolitik für Europa mittel- bis langfristig zu hoch sind. Die Juncker-Kommission Strategie Europa 2020 lässt Frauen und wäre gut beraten, ihre Vorreiterrolle wieder Gendergleichheit außen vor einzunehmen. Bereits mit der Lissabon-Strategie im Jahr 2002 wurden spezifische Politiken zu Gender und Gendergleichheit nach und nach aufgeweicht, Gender equality and economic EIGE independence: Review of the Das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE, Implementation of the BPFA, englisch European Institute for Gender Equality) ist eine Report, EIGE, 2014. Agentur der Europäischen Union (EU). Das Institut soll die Gender equality and economic independence: Institutionen und Mitgliedstaaten der EU dabei unterstützen, Report die Gleichstellung der Geschlechter zu verwirklichen part-time work and self-employment Review of the Implementation of the Beijing Platform for Action in the EU Member States und gegen geschlechtsbezogene Diskriminierung (Sexismus) vorzugehen. Zu den Aufgaben gehören die Erhebung und Analyse von vergleichbaren Daten zur Geschlechtergleichstellung, die Förderung der Einbeziehung des Gleichstellungsaspekts in alle Politikbereiche, die Erleichterung des Austauschs bewährter Verfahren sowie Stärkung des Dialogs zwischen den Beteiligten und die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Gleichstellungsthemen. Ausgabe Nr. 1 – März 2016 7
Schwerpunkt Auf halbem Weg stecken geblieben Europa tut sich schwer mit der Geschlechtergerechtigkeit Von Inge von Bönninghausen Lässt sich die Gleichstellung von Frauen Diskriminierung mehr, aber es besteht die Gefahr, Foto: privat und Männern mit Punkten benoten? dass Frauen unhinterfragt in männlich geprägte Ja, sagt das Europäische Institut für Normen eingepasst werden. Geschlechterfragen (EIGE) und hat einen Gender-Equality-Index entwickelt, der Der Differenz-Ansatz (difference) geht aus von zunächst auf Daten von 2005 und 2010 biologisch bedingten Unterschieden und will basierte. Jetzt wurde er für 2012 fortge- erreichen, dass sie gleich beachtet und gewertet schrieben. Die Bilanz ist bitter: Winzig werden. Zwar wird hier die Dominanz männlicher kleine Schritte vorwärts – und auch Verhaltens- und Denkmuster kritisiert, nicht aber Inge von Bönninghausen ist rückwärts. In Zahlen ausgedrückt ist der die Bindung von „weiblich“ und „männlich“ an Journalistin unter anderem leitete sie frauTV des WDR. Von 2000 EU-Durchschnittswert für die Gleich- die Biologie, und es kommt leicht zur Verfestigung bis 2004 war sie Vorsitzende des stellung auf einer Skala von 1 bis 100 um von Rollenklischees. Ein dritter Ansatz (transfor- Deutschen Frauenrates. ganze 1,6 Punkte auf 52,9 gekrochen. mation) sucht nach Wegen, um „beyond gender“ alle Zuschreibungen zu überwinden. Auf der Zunächst stellt sich die Frage, was hier mit „equa- Punkteskala des EIGE von 1 bis 100 wäre dann der lity“ gemeint ist. Das EIGE definiert sie als „equal höchste Wert erreicht. share of assets and equal dignity and integrity between women and men“. Das ist nicht einfach In der Praxis finden sich alle drei Ansätze: zu übersetzen, weil „asset“ sowohl monetäres Frauenförderung, Quoten und Antidiskrimi- Einkommen bedeutet als auch Gewinn im ideellen nierungsgesetze haben „sameness“ zum Ziel. Sinn. Gemeint ist mit „equality“ die gleiche Differenz kommt z.B. im Schwangerenschutz zum Teilhabe von Frauen und Männern an materiellen Ausdruck und zögerlich auch im Gesundheits- und immateriellen Gütern sowie gleiche Würde und wesen. Eine Transformation setzt voraus, dass Unversehrtheit. Dieses umgreifende Verständnis die allen gesellschaftlichen Verhältnissen und kann der Begriff „Gleichstellung“ nicht abdecken, Entscheidungen inhärente Geschlechterdimension aber einen passenderen gibt es leider nicht. erst einmal bewusst gemacht wird. Dazu bietet Gender Mainstreaming, zu dem sich die EU 2008 Der Anspruch des Gender-Equality-Index ist hoch, im Lissabonner Vertrag verpflichtet hat, die beste Gender Equality Index www.eige.europa.eu/gender-statistics/ soll doch die Komplexität der Geschlechterverhält- Strategie. Die messbaren Ergebnisse aller dieser gender-equality-index nisse abgebildet und gleichzeitig den politischen Bemühungen, Gleichheit zwischen den Geschlech- Akteur/innen ein verständliches Instrument für tern herzustellen, sind in den Index eingeflossen. ihre Gleichstellungspolitik zur Verfügung gestellt werden. Sowohl für die EU als auch für die 28 Mitglied- staaten wurden alle bereits vorliegenden Statis- Drei Konzepte von Gleichheit tiken und Untersuchungen ausgewertet, um den Dem EIGE-Team war es wichtig, mit Bezug auf die Gender Gap festzustellen und zu vergleichen. bestehenden Gleichstellungspolitiken die unter- Sechs sowohl individuell als auch gesellschaft- schiedlichen Konzepte von Gleichheit und von den lich wichtige Felder wurden untersucht: Arbeit, Wegen zu ihr zu skizzieren. Der Gleichheits-Ansatz Geld, Wissen, Zeit, Macht und Gesundheit. Dazu (sameness) hat zum Ziel, Frauen überall einzu- kommen Gewalt gegen Frauen und Mehrfachdis- beziehen, wo sie bisher ausgeschlossen waren, kriminierung als sogenannte Satelliten, weil sie ihnen alle Möglichkeiten zu öffnen, die bisher enger definierte Personenkreise betreffen. nur Männer haben, und jegliche Benachteiligung abzuschaffen. Wenn das gelingt, gibt es keine 8 DGB Frau geht vor
Jeder Bereich ist wiederum in meist zwei Unter- und Männer bei den materiellen Gütern (Arbeits- gruppen aufgeteilt: Wissen zum Beispiel in markt, Einkommen) ein bisschen gleicher gestellt Fächerwahl/Hochschulabschluss und lebenslanges sind, bleiben Männer in Politik und Wirtschaft Lernen. Die Indikatoren Studium, Abschluss für eklatant überrepräsentiert. Das immaterielle Gut das Lehramt, für Gesundheitsberufe oder in den der Macht in Politik und Wirtschaft wiegt schwer, Geisteswissenschaften geben Auskunft über denn es bedeutet, Entscheidungen für eine ganze geschlechtsspezifische Unterschiede in Bildung und Bevölkerung und über Landesgrenzen hinaus zu Ausbildung. Lebenslanges Lernen wird gemessen treffen. Der Gender Gap ist hier vor allem ein an der Teilnahme an formeller und informeller gravierendes Demokratiedefizit. berufsbegleitender Weiterbildung. Im Ergebnis liegt die Zahl von Frauen bei den Hochschulabschlüssen Das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen in den meisten Mitgliedstaaten heute höher als wertet auch gleiche Würde und Unversehrtheit als die der Männer, aber die Geschlechtersegregation wesentliche Bestandteile von Gleichheit zwischen der Studiengänge besteht weiter wie in Beton den Geschlechtern. Hier tritt Ungleichheit am gegossen. Lebenslanges Lernen wird in der EU von deutlichsten zutage als Gewalt gegen Frauen. Arbeitgebern kaum angeboten und wenn es sie Dieser Themenschwerpunkt ist in diesem Jahr gibt, dann beteiligen sich eher Frauen als Männer. erstmals berücksichtigt, weil erst jetzt Daten für die gesamte Union vorliegen, allerdings auch nur Demokratiedefizit für direkte physische, sexuelle und psychische Das Thema Macht ist besonders interessant, Gewalt (Survey on Violence against Women). weil hier die Gleichstellung in den allermeisten Die Statistiken aus den Mitgliedstaaten sind Mitgliedstaaten noch unter dem sehr niedrigen nicht vergleichbar, weil lückenhaft und sehr EU-Wert von 39,7 Punkten liegt und weil die unterschiedlich. Hier fordert das EIGE wesentlich Abstände zu den anderen Feldern besonders größeres Engagement der Mitgliedstaaten. Es drastisch sind. Macht wird für den Index unterteilt gibt noch keine handlungsleitenden Ergebnisse, in politische und wirtschaftliche Macht. Indika- aber dennoch ist es wichtig, dass hier ein Anfang toren für politische Macht sind Ministerämter gemacht ist für ein umfassendes Verständnis von sowie Parlamentsmandate auf nationaler und Gleichheit zwischen Frau und Mann. regionaler Ebene. Die Verteilung wirtschaftlicher Macht wird an Aufsichtsräten börsennotierter Der Gender-Equality-Index erreicht seine beiden Unternehmen und an Entscheidungsträger/innen Ziele: Akteuren und Akteurinnen der nationalen in Zentralbanken gemessen. Für Beides zusammen und europäischen Gleichstellungspolitik hand- erreicht Deutschland 45,1 Punkte, demgegenüber habbare Daten für ihre Arbeit zu bieten und aber beim Geld (Verteilung von Einkommen und gleichzeitig komplexe Zusammenhänge vertiefend Armutsrisiko) erstaunliche 78,4 und im Bereich darzustellen. Sich mit ihnen zu beschäftigen Arbeit immerhin 62,2 der möglichen 100 Punkte. verlangt intensive Arbeit, die sich aber wegen ihres hohen Erkenntniswertes rundum lohnt. Italien kommt beim Geld auf 68,0 Punkte, bei der Macht aber nur auf 21,8 und auch in Großbritan- Der Artikel erschien in der Zeitschrift „FrauenRat“ nien fällt die Verteilung von Macht auf Frauen und Ausgabe 05/2015. Nachdruck mit freundlicher Männer mit 33,2 Punkten weit zurück hinter alle Genehmigung des Deutschen Frauenrates. anderen Bereiche. Das heißt, selbst wenn Frauen www.frauenrat.de Ausgabe Nr. 1 – März 2016 9
Schwerpunkt Unbezahlte Arbeit ist immer noch Frauensache Erwerbsbeteiligung und Arbeitsbedingungen von Frauen in Europa Von Erika Mezger und Barbara Gerstenberger Frauen holen auf dem Arbeitsmarkt auf. vorläufigen Ergebnisse dieser Studie weiter erläu- Foto: Eurofound 2016, Conor Healy Doch trotz steigender Erwerbsbeteiligung tert werden, zunächst ein Blick auf die Arbeitswelt sind die geschlechtsspezifischen Unter- von Männern und Frauen. schiede, was Beruf, Arbeitsplatz, Arbeits- zeiten und Verdienst angeht, groß. Nicht Geschlechtsspezifische Berufe nur für die einzelne Frau, sondern auch und Arbeitsplätze gesamtgesellschaftlich, ist das mit großen Männer und Frauen erleben ihre Arbeitswelt wirtschaftlichen Einbußen verbunden. unterschiedlich. Das zeigen die Erhebungen zu den Arbeitsbedingungen in Europa, die Eurofound Barbara Gerstenberger ist Die Erwerbsbeteiligung von Frauen in Europa hat seit 1990 in regelmäßigen Abständen durchführt. Koordinatorin im Direktorat der Europäischen Stiftung zur sich in den vergangenen Jahrzehnten erheblich Verwunderlich ist das nicht, denn Männer und Verbesserung der Lebens- und erhöht. Während 1994 weniger als die Hälfte der Frauen arbeiten in unterschiedlichen Sektoren, in Arbeitsbedingungen (Eurofound). Frauen in der EU erwerbstätig waren, waren es unterschiedlichen Berufen und an unterschied- www.eurofound.europa.eu zehn Jahre später schon 55,5 Prozent. 2014 lag die lichen Arbeitsplätzen. Geschlechtsspezifische Beschäftigungsquote für Frauen im Alter zwischen Segregation erfreut sich also bester Gesundheit. 15 und 64 Jahren im EU Durschnitt bei 59,6 Dabei ist allgemein bekannt, dass Sektoren wie Prozent. Die Unterschiede zwischen den Mitglieds- das Baugewerbe, Transport, das verarbeitende staaten sind allerdings groß: in Schweden gingen Gewerbe und die Landwirtschaft Männerdomänen 2014 fast drei Viertel aller Frauen (73 Prozent) sind, während das Gesundheitswesen und das einer Erwerbstätigkeit nach, in Griechenland waren Bildungswesen von Frauen dominiert werden. es nur knapp über 40 Prozent. Geschlechtertrennung ist die Regel Frauen sind seltener Aber Geschlechtertrennung geht weiter: Nur fünf erwerbstätig als Männer der 20 beschäftigungsintensivsten Berufsgruppen Und nach wie vor ist die Erwerbstätigenquote sind im Hinblick auf männliche und weibliche von Frauen niedriger als die von Männern. Auch Beschäftigte ausgeglichen. Unter kaufmännischen im Jahr 2014 gab es – ohne Ausnahme – in allen Angestellten zum Beispiel oder in personenbezo- 28 Mitgliedsstaaten eine Beschäftigungslücke. In genen Dienstleistungsberufen finden sich Männer Deutschland klafft diese Lücke um 8,6 Prozent- und Frauen in etwa gleichen Anteilen. Aber selbst punkte auseinander. Obwohl die Beschäftigungs- in diesen Berufsfeldern ist Geschlechtertrennung quote für Frauen hier mit 69,5 Prozent über dem am Arbeitsplatz häufig die Regel. In der jüngsten EU Durchschnitt liegt, sorgt eine sehr hohe Quote Europäischen Erhebung zu den Arbeitsbedin- bei den Männern (78,1 Prozent) dafür, dass der gungen, die Eurofound 2015 durchgeführt hat, „kleine Unterschied“ im Hinblick auf die Erwerbs- gab mehr als die Hälfte aller Erwerbstätigen an, tätigenquote recht eindeutig ausfällt. dass an ihrem Arbeitsplatz hauptsächlich Kollegen ihres eigenen Geschlechts die gleiche Stellenbe- Deutschland ist damit zwar besser als der EU zeichnung haben wie sie selbst. Nur ein Fünftel der Durchschnitt (10,5 Prozentpunkte), liegt aber weit Erwerbstätigen erklärte, dass gleich viele Männer hinter dem Klassenbesten, Finnland, wo der Unter- und Frauen die gleiche Stellenbezeichnung haben schied nur 1,5 Prozentpunkte beträgt. Eurofound wie sie selbst. stellt zurzeit Berechnungen an, um herauszufinden, welche Kosten mit diesen geschlechterspezifischen Keine Geschlechterbalance am Arbeitsplatz Beschäftigungsdifferenzen verbunden sind, für die Geschlechterbalance am Arbeitsplatz ist die Gesellschaft und für die einzelne Frau. Bevor die Ausnahme, nicht die Regel. Eine gute Nachricht ist, 10 DGB Frau geht vor
dass der Anteil der Beschäftigten mit einer weibli- Stunden als Männer. Es ist die unbezahlte Arbeit in chen unmittelbaren Vorgesetzten zwischen 2000 Familie und Haushalt, die den Unterschied macht: und 2015 gestiegen ist, von 24 Prozent auf 33 Frauen verbringen wöchentlich durchschnittlich 22 Prozent. Umgekehrt bedeutet das aber auch, dass Stunden mit unbezahlter Arbeit, Männer neun. Der zwei Drittel der Beschäftigten nach wie vor einen größte Unterschied besteht in der Gruppe der 35- männlichen Vorgesetzten haben. Bei Männern ist bis 49-Jährigen. das in 85 Prozent aller Fälle so. Der weibliche Chef ist also eher eine Realität für Frauen. Die Hälfte Die Notwendigkeit, bezahlte Arbeit mit anderen, von ihnen wird von Vorgesetzen ihres Geschlechts unbezahlten Verpflichtungen zu vereinbaren, steht angeleitet. nicht nur in Zusammenhang mit der Summe der wöchentlichen bezahlten Arbeitsstunden. Eine Foto: Eurofound 2016, Conor Healy Zu den auffälligsten Ergebnissen der 2015 Erhe- Verbindung besteht auch im Hinblick auf ihre bung im Hinblick auf Geschlechterunterschiede Regelmäßigkeit. Nach wie vor ist es für die meisten gehören die Angaben hinsichtlich der Arbeitszeit. Erwerbstätigen normal, regelmäßig pro Tag und Das Geschlechtergefälle hinsichtlich der bezahlten Woche gleichbleibend viele Arbeitsstunden zu Wochenarbeitsstunden ging in der EU seit 2005 leisten, jede Woche dieselbe Anzahl von Tagen zwar leicht zurück. Das liegt aber vor allem daran, zu arbeiten und ihre Arbeit stets zu den gleichen dass die Zahl der bezahlten Arbeitsstunden bei Zeiten zu beginnen und zu beenden. Dr. Erika Mezger ist seit Juli 2009 Männern stärker sank als bei Frauen. Ungeachtet stellvertretende Direktorin von Eurofound. dessen bleiben die Unterschiede groß: Männer Regelmäßige Arbeitszeiten arbeiten im Durchschnitt 39 Stunden in der erleichtern Planungen www.eurofound.europa.eu Woche; Frauen sind durchschnittlich 33 Stunden in Eurofound hat einen Index für die Regelmäßigkeit ihrem Hauptberuf tätig. Arbeiten Frauen deshalb entwickelt, der zeigt, dass für 43 Prozent der weniger? Erwerbstätigen sehr regelmäßige Arbeitszeiten und Arbeitszeitregelungen gelten. Für etwa ein Drittel Unbezahlte Arbeit gehören unregelmäßige Zeiten und Regelungen ist nach wie vor Frauensache aber zum Arbeitsalltag. Der Anteil der Frauen mit Die Antwort ist eindeutig nein. Die Eurofound sehr regelmäßigen Arbeitszeiten ist mit 46 Prozent Erhebung erfasst neben der bezahlten Arbeitszeit höher als der entsprechende Anteil der Männer im Hauptberuf auch Arbeitszeit in einem etwaigen (40 Prozent). Die Regelmäßigkeit unterstützt die Nebenjob, unbezahlte Arbeit wie Kinderbetreuung, Planbarkeit von Aufgaben und Verpflichtungen Hausarbeit oder Pflege sowie Wegezeiten. außerhalb der bezahlten Arbeit. Nimmt man bezahlte und unbezahlte Arbeitszeit zusammen, dann ergibt sich folgendes Bild: Frauen, Für die meisten Beschäftigten ist es der Arbeit- ob vollzeit- oder teilzeitbeschäftigt, arbeiten mehr geber, der Arbeitszeitpläne vorgibt. Zwei Drittel der Zusammengesetzter Indikator der bezahlten und unbezahlten Arbeitszeit von Frauen und Männern Men Full-time Women Men Part-time Women Men Total Women 0 10 20 30 40 50 60 70 ain job n S econd job n U npaid working time n C ommuting time nM Ausgabe Nr. 1 – März 2016 11
Beschäftigten (64 Prozent) haben keine Möglich- Die Studie schätzt auch die Kosten eines lebens- Übersicht über die Erhebungen: keit, ihren Arbeitszeitplan zu ändern, während nur langen Ausschluss von Erwerbstätigkeit von www.eurofound.europa.eu/european- working-conditions-surveys-ewcs jeder Zehnte zwischen unterschiedlichen Plänen Frauen. Was bedeutet es, wenn eine Frau ab ihrem wählen kann, die vom Unternehmen festgelegt 20. Lebensjahr und für den Rest ihres Lebens nicht Die Eurofound Studie zu den Kosten werden. Dabei ist es interessant festzustellen, arbeitet? Für eine Frau mit Hochschulabschluss der geschlechterspezifischen dass Frauen häufiger als Männer in Firmen wäre das ein Verlust von fast zwei Millionen Euro. Beschäftigungslücke: „The gender arbeiten, deren Beschäftigte zwischen mehreren Für eine Frau mit weiterführendem Schulabschluss employment gap: Challenges and solutions“ (Arbeitstitel) erscheint vorgegebenen Arbeitszeitplänen wählen können. oder niedrigerer Qualifikation beliefen sich die voraussichtlich im Juni 2016. Ein zentraler Punkt bei der Vereinbarkeit von Kosten auf 1,2 Millionen Euro. bezahlter Arbeit und anderen Verpflichtungen ist die Möglichkeit, während der Arbeitszeit ein Beschäftigungsquote von Frauen erhöhen bis zwei Stunden frei zu nehmen, um persönliche Bei diesen Überlegungen geht es nicht darum, oder familiäre Angelegenheiten zu erledigen. Zwei weibliche Arbeitskraft als Ware darzustellen. Eine Drittel der Erwerbstätigen (65 Prozent) gibt an, hohe Erwerbstätigenquote bei Frauen bringt neben dies sei „sehr einfach“ oder „ziemlich einfach“ zu wirtschaftlichem Nutzen auch viele soziale Vorteile. arrangieren. In Deutschland sagen das allerdings Sie ist außerdem Voraussetzung dafür, dass nur 55 Prozent. angesichts der sinkenden Zahl und des steigenden Alters der Menschen im erwerbsfähigen Alter Ungleiche Verteilung von in vielen Mitgliedsstaaten ausreichend Arbeits- Betreuungspflichten kraft zur Verfügung steht, um eine nachhaltige Aus dem bisher gesagten wird deutlich, dass sich wirtschaftliche Entwicklung sicherzustellen. die Bedingungen der Erwerbsbeteiligung von Andererseits muss auch der gesellschaftliche und Frauen und Männern in vieler Hinsicht noch immer wirtschaftliche Nutzen der von Frauen geleisteten deutlich unterscheiden. Die ungleiche Verteilung unbezahlten Arbeit einbezogen werden, zum von Betreuungspflichten und unbezahlter Hausar- Beispiel der durch Kinderbetreuung und Pflege Eurofound Die Europäische Stiftung zur beit zwischen Frauen und Männern, scheinen der geleistete Beitrag. Das Eurofound-Projekt versucht, Verbesserung der Lebens- und Schlüssel zur Erklärung geschlechterspezifischer auch diesen Aspekt miteinzubeziehen und so die Arbeitsbedingungen (European Foundation for the Improvement of Beschäftigungsdifferenzen zu sein. Der Wunsch Netto-Kosten der Beschäftigungslücke transpa- Living and Working Conditions) ist und die Notwendigkeit, unbezahlte Aufgaben in renter zu machen. eine Einrichtung der Europäischen Familie und Haushalt zu übernehmen, dürfte zu Union, die 1975 gegründet wurde, um zur Konzipierung und unterschiedlichen Entscheidungen, was Berufs- Gerechtere Verteilung Schaffung besserer Lebens- und wahl, Arbeitsplatzwahl und das Ausmaß von von unbezahlter Arbeit notwendig Arbeitsbedingungen beizutragen. bezahlten Arbeitsstunden betrifft, führen. Aber Die dadurch gewonnenen Einsichten können Die Stiftung erfüllt diese Aufgabe in partnerschaftlicher Zusammenarbeit ist die daraus resultierende Beschäftigungsschere helfen, die Bedeutung der Teilnahme von Frauen mit Regierungen, Arbeitgebern, tatsächlich ein Problem? am Arbeitsmarkt hervorzuheben und der Diskus- Gewerkschaften und den Organen der Europäischen Union. Dazu sion, wie eine höhere Beschäftigungsquote von beobachtet und analysiert sie Beschäftigungslücke mit großen Frauen zu erreichen ist, neue Impulse zu geben. den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Einbußen Die Erkenntnisse aus der Europäischen Erhebung ökonomischen Wandel, untersucht Lösungsmöglichkeiten für Probleme Die Eurofound Studie zu den Kosten der geschlech- zu den Arbeitsbedingungen weisen darauf hin, und versucht den Austausch zwischen terspezifischen Beschäftigungslücke schätzt, dass eine gerechtere Verteilung von unbezahlter Experten, Verantwortungsträgern dass sich die wirtschaftlichen Einbußen – durch Arbeit zwischen Männern und Frauen einer der und Betroffenen zu fördern mit folgenden drei Schwerpunkten: Einkommensverlust, geringeres Steueraufkommen, wichtigsten Ansatzpunkte ist. Gleichstellungspolitik Arbeitsbedingungen (z. B. fehlende Sozialbeiträge und erhöhte Transfer- sollte deshalb mehr Augenmerk auf Männer und Organisation von Arbeit leistungen – für die gesamte EU im Jahr 2013 auf Väter richten, um die Veränderung von Verhaltens- und Arbeitszeitgestaltung), Lebensbedingungen der europäischen 370 Milliarden Euro beliefen. Das sind 2,8 Prozent mustern zu ermutigen und zu unterstützen. Das Bürger (Verhältnis von Beruf und des EU Bruttoinlandproduktes. Selbst wenn man setzt auch eine Verbesserung der Möglichkeiten, Familie, staatliche Sozialleistungen etc.), Arbeitsbeziehungen (u.a. die in die Berechnungen nur Frauen einbezieht, die Beruf und außerberufliche Verpflichtungen mitein- Europäisierung der Beziehungen, nicht arbeiten aber gerne arbeiten möchten (also ander zu verbinden, voraus. Kürzere und im Sinne Arbeitnehmerbeteiligung). Die nicht diejenigen, die auf eigenen Wunsch auf des Arbeitnehmers /der Arbeitnehmerin flexible Ergebnisse der Forschungen werden Schlüsselfiguren auf dem Feld eine Erwerbstätigkeit verzichten), beliefe sich der Arbeitszeiten sind ein wichtiger Punkt. Finanzier- der europäischen Sozialpolitik zur Verlust immer noch auf 169 Milliarden Euro. bare, gute Kinderbetreuung ist ein weiterer Faktor. Verfügung gestellt. 12 DGB Frau geht vor
Ein schwieriges Unterfangen Gleichstellung im Europäischen makroökonomischen Finanzwesen Von Brigitte Young Männer geben im Finanzwesen immer der weiblichen Integration in Spitzenpositionen ist Foto: privat noch den Ton an. Frauen sind in Spitzen- die Eurogruppe weit entfernt, da Entscheidungen gremien des Finanzsektors Mangelware. in Hinterzimmern ohne Protokolle und demokrati- Doch gerade in der Makroökonomie sind sche Kontrolle vonstattengehen. Genderthemen und alternative feministi- sche Finanzkonzepte notwendig. Dies gilt übrigens auch für die wichtigen, vorbe- reitenden Eurozone Working Groups. Ein kleiner Die ausgeprägten Frauendefizite in Spitzengre- Lichtblick ist die Ankündigung von Eurogruppen- Prof. Dr. Brigitte Young ist mien im deutschen Finanzsektor, die sich auch Präsident Jeroen Dijsselbloem, der mehr Trans- Professorin (em.) für Internationale Politische Ökonomie am Institut auf andere Mitgliedsstaaten der EU übertragen parenz ihrer bisher geheimen Sitzungen bekannt für Politikwissenschaft an der lassen, zeigt der jüngste Bericht des Deutschen gab. Von einer vollständigen Transparenz und Universität Münster. Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) demokratischen Kontrolle ist die Eurogruppe, wie http://e-education.uni-muenster.de/ von Elke Holst/Anjua Kirsch. Zwar lag in den 100 Sven Giegold, wirtschafts- und finanzpolitischer Team/byoung.php größten Banken in Deutschland der Frauenanteil Sprecher für die Grünen im EU-Parlament, verkün- in Vorständen Ende 2015 bei knapp acht Prozent digte, noch weit entfernt. Auf europäischer Ebene und in den 59 größten Versicherungen bei gut fehlt das Engagement einer Christine Lagard, die in neun Prozent – das war aber jeweils weniger als ihrer ersten Amtszeit als Chefin des Internationalen ein Prozentpunkt mehr als im Jahr zuvor. In den Währungsfonds (IWF), die Frauenrechte in den Aufsichtsräten ist der Frauenanteil zwar traditionell Bereichen von makroökonomischen Policies und im höher. Allerdings waren sowohl die Geldhäuser internationalen Finanzbereich über das Mandat des (gut 21 Prozent Frauen in den Kontrollgremien) IWF hinaus vorangetrieben hat. als auch die Versicherungen (gut 19 Prozent) noch weit von einer ausgeglichenen Repräsentation der Warum gelangen so viele inkompetente Geschlechter entfernt. Wie in Deutschland geben Männer in die Führungsetage? Männer mit überwältigender Mehrheit auch in Woran liegt das gravierende Frauendefizit in anderen europäischen Ländern den Ton an. den Spitzenpositionen von Finanzinstitutionen, zentralen Regulierungsbehörden, Zentralbanken Frauen sind bei wichtigen und Finanznetzwerken oder anders ausgedrückt: Entscheidungen außen vor „Warum gelangen so viele inkompetente Männer Um mehr Gleichstellung auf höchster Ebene zu in die Führungsetage?“. Diese provokante Frage erreichen hat die Europäische Zentralbank (EZB) „Why Do So many Incompetent Men become 2013 eine Frauenquote beschlossen. Bis Ende 2019 Leaders?“ wurde in einem Artikel des Harvard soll der Frauenanteil im mittleren Management 35 Business Review 2013 thematisiert. Der Autor, Prozent und im oberen Management 28 Prozent Tomas Chamorro-Premuzic, Professor für Wirt- betragen. Dies würde eine Verdoppelung des schaftspsychologie am University College London, Frauenanteils bedeuten, der 2013 bei 17 bezie- kommt zu einer nicht ganz überraschenden hungsweise 14 Prozent lag. Die Frauenquote gilt Antwort, dass Menschen häufig die Darstellung aber nicht für das Direktorium der EZB, dieses wird von festen Überzeugungen und Selbstvertrauen als politisch besetzt. Die Mitgliedsstaaten schlagen Kompetenz einstufen. In anderen Worten, Männer Kandidaten vor, denen das Europaparlament haben allgemein gegenüber Frauen den Vorteil demnach zustimmen muss. Im Januar 2014 wurde sich durch ihr übermäßiges Selbstbewusstsein die Juristin Sabine Lautenschläger, als dritte aber in Führungspositionen zu bringen. Dass Frauen derzeit einzige Frau, in das sechsköpfige EZB- große Hürden überbrücken müssen, um die Direktorium berufen. Von diesen kleinen Schritten gläserne Decke zu durchstoßen ist zwar allgemein Ausgabe Nr. 1 – März 2016 13
bekannt. Das größere Problem bestehe aber in Finanznetzwerke gleichen Euro-Gruppe Die Euro-Gruppe (vormals EURO-X) den „mangelnden Hindernissen für inkompetente exklusiven, elitären Clubs ist ein Gremium der Europäischen Männer“, so das Fazit des Autors. Denn die verschiedenen Finanznetzwerke und Union, in dem die Staaten Finanzinstitute sind exklusive und elitäre Clubs, der Eurozone ihre Steuer- und WSI GenderDatenPortal Wirtschaftspolitik koordinieren. Sie In der Zwischenzeit thematisiert auch die Financial die ein Gruppendenken durch die Rekrutierung www.wsi.de/genderdatenportal 1/5 wacht gleichfalls über die Einhaltung Times nicht nur die Abwesenheit von Frauen als aus eng verbundenen sozialen Milieus hervor- des Euro-Stabilitätspaktes, um das Finanzakteure, sondern vor allem den Rückgang rufen. Auf Grundlage intern formulierter Kriterien Funktionieren der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion derFÜHRUNGSPOSITIONEN Fonds-Managerinnen in den Vereinigten in EUROPAteilenUnternehmen diese Experten die mitgleichen Einschätzungen und ohne Frauen sicherzustellen. Dazu kontrolliert die Staaten (US) und dem Vereinigten Königreich trotz kausaler Zusammenhänge und Politikziele wie Euro-Gruppe die Haushaltspolitik und die öffentlichen Finanzen der Euro- Bemühungen diese Branche für Frauen attraktiver auch normative Grundannahmen und Geltungs- Länder. Die Sitzungen der Gruppe zu gestalten. So ist in den letzten sechs Jahren ansprüche. Abweichungen von diesen Normen sind informell und finden in der Regel der Anteil der Fond-Managerinnen in den US von werden als unwissenschaftlich, subjektiv, am Vortag des Rats für Wirtschaft und Finanzen (Ecofin-Rat) statt. Die Jedes fünfte Unternehmen in Europa ohne Frau in zehn Prozent in 2009 auf sieben Prozent in 2015 irrational verunglimpft und als unzulässiges Gruppe gilt als „ein Forum des Dialogs gefallen (FTfm 2.2.2015, S. 9). Gleichzeitig ist der Abweichen von der standardisierten Lehre eines Spitzenposition Anteil der Asset-Managerinnen im Vereinigten rationalen Akteurs abgetan. und der politischen Abstimmung ohne konkrete Entscheidungsbefugnisse“ Quelle: Wikipedia Frau/en in den Unternehmen mithöchsten und ohneEntscheidungsgremien* Frau/en in den höchstender größten Entscheidungsgremien * der größten börsennotiertenUnternehmen börsennotierten Unternehmenin in den den 2828 EU-Ländern EU-Ländern (2014), (2014), in Prozent in Prozent Frankreich 100,0 EUROPA Verein. Königreich 4,0 96,0 Finnland 18,2 81,8 Belgien 22,2 77,8 Italien 2,7 8,1 89,2 Schweden 3,7 7,4 88,9 Dänemark 5,6 22,2 72,2 Deutschland 6,7 93,3 Spanien 9,1 24,2 66,7 Kroatien 12,0 56,0 32,0 Slowenien 15,0 50,0 35,0 Niederlande 18,2 4,5 77,3 keine Frau EU-28 21,9 21,9 56,3 Lettland 24,1 27,6 48,3 1 Frau Österreich 25,0 5,0 70,0 Irland 26,3 36,8 36,8 Portugal 29,4 35,3 35,3 mehr als 1 Frau Griechenland 34,8 34,8 30,4 Litauen 34,8 56,5 8,7 Polen 36,8 31,6 31,6 Luxemburg 40,0 10,0 50,0 Ungarn 42,9 42,9 14,3 Zypern 45,0 40,0 15,0 Bulgarien 46,7 26,7 26,7 Slowakei 50,0 10,0 40,0 Rumänien 50,0 30,0 20,0 Estland 68,8 25,0 6,3 Tschech. Republik 77,8 22,2 Malta 81,0 19,0 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 n k eine Frau n 1 Frau n mehr als 1 Frau * Erfasst werden alle Mitglieder des höchsten Entscheidungsgremiums im Unternehmen (board of directors). Wo es einen Vorstand und Aufsichtsrat gibt (dualistisches System, z.B. Deutschland), werden nur die Mitglieder des Aufsichtsrats (supervisory board) betrachtet. Wo dies nicht getrennt wird (monistisches System, z.B. Groß- *britannien), E rfasst werden wird dasalle Mitglieder gesamte des höchsten Direktorium erfasst. Entscheidungsgremiums im Unternehmen (board of directors). Wo es einen Vorstand und Aufsichtsrat Datenquelle: gibt (dualistisches Europäische System, z.B. Kommission, Datenbank überDeutschland), werden Frauen und Männer nur die Mitglieder des in Entscheidungspositionen, Aufsichtsrats (supervisory auf Anfrage. board) Bearbeitung: WSI betrachtet. 2015 GenderDatenPortal Wo dies nicht getrennt wird (monistisches System, z.B. Großbritannien), wird das gesamte Direktorium erfasst. Datenquelle: Europäische Kommission, Datenbank über Frauen und Männer in Entscheidungspositionen, auf Anfrage. Bearbeitung: WSI GenderDatenPortal 2015 Kurzanalyse Königreich von acht Prozent auf vier Prozent in Diese ökonomische Orthodoxie, die besonders 2013/14 gesunken. Neu an dieser Diskussion – in im Finanzwesen vorherrscht, enthält zugleich ein einer Gut sicher jedesnicht männerkritischen fünfte und außerdem Bündel große Börsenunternehmen in der von Annahmen hängen, dassüber Männer aufgrundunddes Frauen. dualistischen Systems dem FinanzkapitalUnion Europäischen zugeordneten Zeitung hat noch immer– ist, Frauen keine Frau in werden in als weniger rational Deutschland (mit konstru- Vorstand und Aufsichtsrat) für seinem dass nicht höchsten Entscheidungsgremium. mehr die Kompetenz der Frauen oder Bei iert,ei- deneineuropäischen ihnen wird Vergleich geringeres Verständnis lediglich die Mitglieder von nem weiteren reichlichen Fünftel das fehlende Macht- und Karrierebestreben findet sich dort des häufiger mit Frauen Mathematik und Logik nachgesagt. Dabei trägtbesetzten Aufsichtsrates lediglich oder eine einzige Frau. der Entscheidungsdruck Nur Familie zwischen gut jedes zweite (supervisory die Homogenität board), dieses Wissens nichtzuaber erheblich den die Mitglieder des Unternehmen in der EU 28 hat mehr als ein weib- Vorstandes betrachtet werden. In deutschen Un- und Beruf im Mittelpunkt der Erklärung stehen, systemischen Risiken von Finanzgovernance bei. liches Mitglied in seinem höchsten Entscheidungs- ternehmen, in denen die Arbeitnehmerseite im sondern vielmehr der chauvinistische „Boy’s Club“ Deshalb wird heute auch als mögliche Ursache gremium. Aufsichtsrat vertreten ist, ist, ist der Frauenanteil und das sexistische Klima in der Finanzindustrie. der Finanzkrise das stark zudem männerdominierte höher als in Firmen ohne Unternehmens- Deutschland liegt im Europavergleich relativ weit mitbestimmung, da die meisten Frauen von der 14 DGB Frau geht vor vorn. Dies kann unter anderem damit zusammen- Arbeitnehmerseite in den Aufsichtsrat gewählt werden.
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