Monitor Schweiz mit "Spezial Inflation" Die Schweiz steht im Stau - Dienstagmorgen, 07:15 Uhr auf Schweizer Strassen - UB Basel
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Economic Research Swiss Issues Konjunktur März 2014 Monitor Schweiz mit «Spezial Inflation» Die Schweiz steht im Stau Dienstagmorgen, 07:15 Uhr auf Schweizer Strassen
Credit Suisse Economic Research Impressum Herausgeber Giles Keating Head of Research and Deputy Global CIO Tel. +41 44 332 22 33 E-Mail: giles.keating@credit-suisse.com Oliver Adler Head Economic Research Tel. +41 44 333 09 61 E-Mail: oliver.adler@credit-suisse.com Bestellungen Direkt bei Ihrem Kundenberater oder bei jeder Geschäftsstelle der Credit Suisse Einzelexemplare (kostenlos) über www.credit-suisse.com/publikationen Interne Bestellungen via MyShop mit Mat.-Nr. 1545771 Abonnements mit Publikationscode MSD (HOST: WR10) Druck gdz AG, Zürich Titelbild Copyright: Bundesamt für Landestopografie, Bundesamt für Statistik, Geostat, Navteq, Credit Suisse Redaktionsschluss 3. März 2014 Autoren «Spezial Inflation» Oliver Adler Sara Carnazzi Weber Maxime Botteron Björn Eberhardt Lukas Gehrig Jonathan Horlacher Shailesh Jha Tim Sprissler Philipp Waeber Copyright Die Publikation darf mit Quellenangabe zitiert werden. Copyright © 2014 Credit Suisse Group AG und/oder mit ihr verbundene Unternehmen. Alle Rechte vorbehalten. Swiss Issues Konjunktur I März 2014 2
Credit Suisse Economic Research Editorial Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser Falls Sie (wie der Unterzeichnete) dieser Tage südlich der Alpen in einer Berghütte eingeschneit waren, während sich Ihre Familienmitglieder nördlich der Alpen an der Föhnsonne räkelten, ist Ihnen die Bedeutung einer – meteorologischen – Staulage am Alpenkamm sehr bewusst. Noch selten hat diese so lange angedauert wie diesen Winter. Das Problem des Staus manifestiert sich auch in der Schweizer Politik. Ob das Ja zur Initiative gegen «Masseneinwanderung» zur Sackgasse wird, muss sich weisen, negative Folgen für die Wirtschaft sind aber wohl mittel- und längerfristig kaum zu vermeiden. Die grundlegende Ursa- che für das Abstimmungsresultat liegt in der gegenseitigen Blockade der politischen Kräfte in der Schweiz. Die Zentrumsparteien (aber auch wir Ökonomen) haben es nicht verstanden – oder nicht gewagt? –, den Stimmbürgern klar aufzuzeigen, wie zentral für das Gedeihen der Schweiz unsere wirtschaftliche, aber auch soziale, kulturelle und wissenschaftliche Einbindung in die Europäische Union ist, wie immer man zu gewissen institutionellen Auswüchsen dieses Gebildes steht. Stattdessen hat man den Bilateralismus gepredigt, obwohl er eigentlich nur noch Worthülse ist. Weil gleichzeitig die Linke den verstärkten Wettbewerb, der sich aus den vier Freiheiten der EU ergibt, fürchtet, konnte die Rechte ihre Illusionswelt der tapferen helveti- schen Eigenständigkeit mit Erfolg an den Mann bringen. Nun wird der Druck an der politischen Staumauer – wie nach dem EWR-Nein – wohl zunehmen. Nach lange andauernden Debatten werden sich die realen Interessen der Schweiz (und der EU) wohl durchsetzen, die da lauten: Auflösung des Staus mittels erweiterter und vertiefter Integration mit unseren Partnern in der EU. Der Stau im privaten Verkehr ist das Debatten-Thema dieser Monitor-Ausgabe. Mittels Daten der Volkszählung und Informationen zum Verkehrsfluss berechnen wir einen «Pendlerstau- Index» für sämtliche Agglomerationen der Schweiz. Obwohl der Stau der Autolawinen an den Toren unserer Städte als physisches Phänomen wahrgenommen wird, dem man auch mit phy- sischen Mitteln beizukommen sucht – mehr Strassenbau, Ausbau des öffentlichen Verkehr etc. –, handelt es sich um ein ökonomisches Problem. Die Nachfrage nach Mobilität steigt mit dem Einkommen der Bevölkerung rascher, als das Angebot ausgedehnt wird. Das effizienteste Mit- tel, um Nachfrage und Angebot in Einklang zu bringen, scheint die Einführung eines flexiblen Systems von «Road Pricing», wie es bereits mit Erfolg in mehreren Städten der Welt angewandt wird. Schliesslich behandeln wir in unserem Spezialbericht zum Thema «Inflation und Deflation» ein Problem des makroökomischen Staus. Weshalb hat sich das viele Geld, welches die Notenban- ken der Welt (so auch unsere Schweizerische Nationalbank) «gedruckt» haben, nicht in Inflation geäussert? Hält die Stau-, d.h. die Deflationsgefahr an? Wird es zu einem weiteren Über- schwappen der Geldschwemme auf Vermögenswerte kommen, dem dann weitere destruktive Dammbrüche folgen? Unser Hauptszenario bleibt vorsichtig optimistisch, d.h. wir erwarten eine sich weiter erholende Weltkonjunktur mit einer – auch aus strukturellen Gründen – anhaltend tiefen Inflation. Die risikohaften Nebenszenarien lassen sich aber nicht ausschliessen. Wir wünschen eine anregende Lektüre und freuen uns auf Ihre Reaktionen. Dr. Oliver Adler Leiter Economic Research Swiss Issues Konjunktur I März 2014 3
Credit Suisse Economic Research Themenübersicht Konjunktur Global 5 Der von den Industrieländern getragene globale Konjunkturaufschwung dürfte sich trotz einer leichten Delle zum Jahresauftakt fortsetzen. Der Ausblick für wichtige Schwellenländer bleibt jedoch noch eingetrübt. Konjunktur Schweiz 7 Die Schweizer Wirtschaft kam gut durch die Krise und die Erholung schreitet voran. Für 2014 rechnen wir mit einem Wirtschaftswachstum von 2%. Die An- nahme der Initiative gegen «Masseneinwanderung» gefährdet die Aussichten. Branchen 10 Trotz starkem Franken kam es nicht zum Preiszerfall in der Schweizer Hotelle- rie. Die von den Statistiken kaum erfassten Rabatte trüben aber das Bild. Die Zukunftschancen der Branche liegen in einer konsequenten Qualitätsstrategie. Debatte Verkehr und Mobilität 12 Die Verkehrsinfrastruktur ist zu Pendlerzeiten überlastet. Wo der Stau über- handnimmt, zeigt unser «Pendlerstau-Index». Abhilfe schaffen könnte ein «Road Pricing». Regionen 14 Nicht nur Steuersätze, sondern auch die Gebührenmodelle unterscheiden sich zwischen den Kantonen deutlich. Dies zeigt das Beispiel der Abfallgebühren. Geldpolitik 16 Nach mehreren Jahren mit übermässig hohen Kapitalzuflüssen in die Schweiz kommt es mittlerweile wieder zu Abflüssen, wenn auch nur allmählich. Die SNB dürfte ihre Devisenreserven noch länger nicht reduzieren. Immobilien 20 Die Auswahl an Wohnimmobilien ausserhalb der Zentren wächst. Um im Wett- bewerb zu bestehen, wird die gute regionale Erreichbarkeit immer wichtiger. Die Annahme der Zuwanderungsinitiative dürfte diese Entwicklung akzentuieren. Wirtschaftspolitische Agenda 22 Spezial Inflation I Es fehlen die Katalysatoren 23 Das «Spezial Inflation» untersucht monetäre, zyklische und strukturelle Bestim- mungsfaktoren der Inflation. Vieles deutet auf ein Anhalten des Tiefinflations- umfelds hin. Ein Abgleiten in verbreitete Deflation scheint unwahrscheinlich. Prognosen und Indikatoren 46 Swiss Issues Konjunktur I März 2014 4
Credit Suisse Economic Research Konjunktur Global Industrieländer sind die Wachstumsmotoren Der von den Industrieländern getragene globale Konjunkturaufschwung dürfte sich trotz einer leichten Delle zum Jahresauftakt fortsetzen. Der Ausblick für wichtige Schwellenländer bleibt jedoch noch eingetrübt. US-Wirtschaft dürfte sich Das globale Wirtschaftswachstum hat zu Beginn des Jahres 2014 etwas an Schwung verloren. weiter beschleunigen In den USA ist die Wachstumsverlangsamung auf die ungewöhnlich widrigen Witterungsbedin- gungen und einen Lageraufbau Ende 2013 zurückzuführen. Nach unserer Einschätzung sollte die Konjunktur jedoch im Laufe des Jahres wieder anziehen. Die laufende Verbesserung am Ar- beitsmarkt lässt ein robustes Wachstum des Privatkonsums erwarten, und die Unternehmensin- vestitionen sollten graduell steigen. Zudem sind von staatlicher Seite keine zusätzlichen Bela- stungen in der Form von Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen zu erwarten. Entspre- chend gehen wir davon aus, dass die US-Notenbank (Fed) ihr Anleihekaufprogramm schrittwei- se zurückführen und im Herbst 2014 beenden wird. Eine erste Erhöhung der Leitzinsen wird aus unserer Sicht jedoch frühestens im Sommer 2015 erfolgen. Fortsetzung der Erholung in Auch in der Eurozone sollte sich der Aufschwung fortsetzen, allerdings weiterhin mit ausgepräg- der Eurozone. Inflation ten Länderunterschieden. So ist die Dynamik in Deutschland, aber auch in Spanien stark, in bleibt weit unter EZB-Ziel Italien und besonders auch in Frankreich viel schwächer. Die Inflation könnte angesichts hoher Überkapazitäten noch weiter unter den Zielwert der Europäischen Zentralbank (EZB) fallen. Auch angesichts der anhaltenden Eurostärke könnte sich deshalb eine weitere geldpolitische Lockerung, möglicherweise in Form des Ankaufs von Anleihen, noch als notwendig erweisen. Zentral für die längerfristige Gesundung der Eurozone wird die möglichst konsequente Durch- setzung der Bankensanierungen seitens des neuen Regulators sein. Langsameres Wachstum in Die Wachstumsaussichten für 2014 scheinen in den Schwellenländern weiterhin verhältnis- China trübt Aussichten für mässig trübe. Zum einen befindet sich China in einem Prozess strukturell allmählich abnehmen- andere Schwellenländer der Wachstumsraten, zum anderen bemühen sich Regierung und Zentralbank, die Wirtschaft verstärkt auf den Binnenkonsum auszurichten und gleichzeitig Kreditexzesse zu verringern. Die- ser Prozess dürfte das Wachstum der Rohstoffimporte nach China dämpfen, was die Wachs- tumsaussichten von rohstoffexportierenden Ländern (Südamerika, Südafrika) verringert. Mehr auf die chinesische Konsumnachfrage ausgerichtete Länder (Südkorea, Taiwan) sollten hinge- gen zu den Profiteuren des chinesischen Strukturwandels zählen. bjoern.eberhardt@credit-suisse.com Abbildung 1 Abbildung 2 Lage am US-Arbeitsmarkt verbessert sich kontinuierlich Erholung in der Eurozone dürfte an Fahrt aufnehmen Neu geschaffene Stellen in Tsd.; Arbeitslosenquote in % (rechte Skala) Länderbeiträge zum BIP-Quartalswachstum in der Eurozone in Prozentpunkten 600 10.0 1.0 Deutschland Frankreich Italien 400 0.8 9.0 Spanien Übrige Eurozone 200 0.6 8.0 0 0.4 -200 7.0 0.2 -400 0 6.0 -600 -0.2 Stellenauf/abbau US Arbeitslosenquote 5.0 -800 -0.4 -1000 4.0 -0.6 2008 2010 2012 2014 2010 2011 2012 2013 Quelle: Datastream, Credit Suisse Quelle: Datastream, Credit Suisse Swiss Issues Konjunktur I März 2014 5
Credit Suisse Economic Research Konjunktur Global l Monitor Vorlaufindikatoren deuten auf Wachstumsbeschleunigung Einkaufsmanagerindex des verarbeitenden Gewerbes Index > 50 = Wachstum Die konjunkturellen Vorlaufindikatoren notieren weiterhin in 65 der Wachstumszone. Der Trend des globalen Einkaufsmana- Eurozone Global China (offiziell) USA gerindexes für das verarbeitende Gewerbe zeigt weiterhin 60 nach oben. Allerdings kam es in einigen Ländern jüngst zu Indexrückgängen. Das starke Absinken in den USA im Janu- 55 ar war allerdings ein durch das widrige Wetter bedingter Ausreisser. Der chinesische Einkaufsmanagerindex war 50 ebenfalls rückläufig, verharrt aber weiterhin in der neutralen 45 Zone. Ungebrochen ist der ansteigende Trend in der Eurozo- ne, Grossbritannien und Japan, was auf eine Fortsetzung der 40 wirtschaftlichen Erholung hindeutet. 35 30 2005 2007 2009 2011 2013 philipp.waeber@credit-suisse.com Quelle: Datastream, PMIPremium, Credit Suisse Inflation in der Eurozone weit unter EZB-Ziel Inflationsraten der vier grössten Staaten der Eurozone In %, ggü. Vorjahr Die Inflationsraten in den vier grössten Ländern der Eurozone 4.0 sind seit der Mitte des Jahres 2012 kontinuierlich am Sinken. Die Preisdynamik ist insbesondere in Spanien und Italien sehr 3.5 schwach. Beide Länder fanden erst in der zweiten Jahres- 3.0 hälfte 2013 aus einer längeren Phase der Rezession. Auch in Deutschland ist die Inflationsrate gesunken, liegt aber über 2.5 1% und damit über dem Durchschnitt der Eurozone. Für das 2.0 Jahr 2014 erwarten wir eine Stabilisierung der Inflationsrate um das Niveau vom Jahresbeginn und prognostizieren für die 1.5 gesamte Eurozone einen Preisanstieg von 0.9%. 1.0 0.5 Eurozone Deutschland Frankreich Italien Spanien 0 2010 2011 2012 2013 2014 bjoern.eberhardt@credit-suisse.com Quelle: Eurostat, Datastream, Credit Suisse Chinesische Zentralbank fokussiert auf Schuldendynamik Verschuldung der chinesischen Provinzen In RMB Mrd. und in % des chinesischen BIP Im Jahr 2013 lagen die Schulden der chinesischen Zentral- 25 40% regierung bei rund 53% des BIP. Dies ist im internationalen in RMB Mrd. in % des BIP (rechte Skala) Vergleich nicht besonders hoch, und das damit verbundene 35% finanzielle Risiko erscheint tragbar. Zudem hält die Regierung 20 30% eine substanzielle Summe an Devisenreserven und anderen Vermögenswerten. Die Priorität der Regierung liegt derzeit 15 25% bei der Kontrolle der Schulden der Lokalregierungen (31.4% 20% vom BIP). Diese sind seit dem wirtschaftlichen Stimulus im Jahr 2008 mit beinahe 30% pro Jahr gewachsen. Die 10 15% Massnahmen zur Eindämmung der Schuldenstände dürften sich negativ auf das chinesische Investitions- und damit das 10% 5 BIP-Wachstum auswirken. 5% 0 0% 2007 2008 2009 2010 2011 2012 S1 2013 nora.wassermann@credit-suisse.com Quelle: China National Audit Office, Credit Suisse Swiss Issues Konjunktur I März 2014 6
Credit Suisse Economic Research Konjunktur Schweiz Noch dreht der Super-Zyklus Die Schweizer Wirtschaft kam gut durch die Krise und die Erholung schreitet voran. Für 2014 rechnen wir mit einem Wirtschaftswachstum von 2%. Die Annahme der Initiative gegen «Masseneinwanderung» gefährdet aber die Aussichten. Wirtschaftswachstum war Der Blick in den konjunkturellen Rückspiegel offenbart ein erfreuliches Bild. Im vergangenen 2013 erneut solide Jahr ist die Schweizer Wirtschaft um 2% gewachsen, und es wurden netto 60'000 Stellen geschaffen. Der «Super-Zyklus», bestehend aus Wechselwirkungen und Rückkoppelungseffek- ten zwischen Zuwanderung, Immobilienboom und tiefen Zinsen, hat der Schweiz abermals ein höheres Wirtschaftswachstum als in vergleichbaren Ländern beschert (vgl. Abb. 1). Exporterholung gewinnt Auch der Start in das Jahr 2014 präsentiert sich positiv. Die Exportwirtschaft hat die Talsohle wieder an Fahrt verlassen und baut wieder Stellen auf, und der Einkaufsmanagerindex notiert auf dem höchsten Stand seit dem Erholungsboom 2011, was auf eine Beschleunigung der Konjunktur hindeutet (vgl. Abb. 2). Das Teuerungsklima dürfte mild bleiben: Wir gehen für 2014 von einem erneut leichten Rückgang des Preisniveaus (2014: -0.1%) aus, was die Kaufkraft schont und der Schweizerischen Nationalbank (SNB) Handlungsspielraum verschafft. Entsprechend kann die Exportwirtschaft noch länger auf die EUR/CHF-Untergrenze von 1.20 zählen, und das Zinsni- veau dürfte weiterhin tief bleiben. Abwärtsrisiken für die Wirt- Das positive Bild hat jedoch durch die Annahme der Masseneinwanderungsinitiative tiefe Kratzer schaft ab 2015 sind gross erhalten. Zwar dürften die Auswirkungen auf das Wachstum 2014 eher gering sein, weshalb wir unsere Wachstumsprognose für das Bruttoinlandprodukt unverändert bei 2% belassen. Doch könnte das mittel- und langfristige Wachstumspotenzial ernsthaft beeinträchtigt worden sein. Auf Grundlage der Annahme niedrigerer Investitionsausgaben und verhaltener Personaleinstel- lungen schätzen wir den Rückgang der Wirtschaftsleistung in der dreijährigen Übergangsperiode vor Inkrafttreten des neuen Quotensystems auf rund CHF 1.2 Mrd. oder 0.3%. Zudem rechnen wir damit, dass in den drei Jahren rund 80'000 Arbeitsplätze weniger geschaffen werden, als das unter der Personenfreizügigkeit der Fall gewesen wäre. Langfristig dürften Wachstumsraten von 2% – wie momentan – wohl der Vergangenheit angehören, und das Beschäftigungs- wachstum könnte sich halbieren. Auf den «Super-Zyklus» als Wachstumsgarant ist dann näm- lich kein Verlass mehr. claude.maurer@credit-suisse.com Abbildung 1 Abbildung 2 Schweiz kam besser durch die Krise als das Ausland Einkaufsmanagerindex deutlich in der Wachstumszone Index 1.Q 2007 = 100 Index > 50 = Wachstum 110 70 Schweiz Japan USA Eurozone 108 65 106 60 104 102 55 100 50 98 45 96 40 94 92 35 90 30 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Quelle: Datastream, Credit Suisse Quelle: Credit Suisse, procure.ch Swiss Issues Konjunktur I März 2014 7
Credit Suisse Economic Research Konjunktur Schweiz l Monitor Kraftvoller Jahresauftakt für den Export Warenexporte In Standardabweichungen (+1) Für die Schweizer Exportwirtschaft stehen die Zeichen in die- 4.0 Barometer Exporte (ggü. Vorjahr) sem Jahr auf Wachstum. Nachfrageimpulse sind aus praktisch Exporte Trendwachstum allen grossen Absatzländern der Schweiz zu erwarten. Das 3.0 Exportbarometer der Credit Suisse, das die ausländische Nachfrage nach Schweizer Produkten abbildet, steht derzeit 2.0 auf dem höchsten Stand seit dem Erholungsboom 2011. Zu- 1.0 dem fällt dieses Jahr der negative Effekt der Anpassung der Erhebungsmethode für den Stromhandel weg, welcher 2013 0 das Handelsvolumen, hauptsächlich mit Deutschland, in beiden Verkehrsrichtungen um CHF 3–4 Mrd. oder rund 2 Prozent- -1.0 punkte reduziert hat. Für das Jahr 2014 erwarten wir ein reales -2.0 Exportwachstum von 5%. -3.0 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 bettina.rutschi@credit-suisse.com Quelle: Bloomberg, Datastream, PMIPremium, Credit Suisse Zuwanderer wichtiger Treiber des Konsumwachstums Privater Konsum Anteile am Wachstumsbeitrag des Konsumwachstums Der private Konsum war auch 2013 eine verlässliche Stütze 100% der Schweizer Konjunktur. Das Konsumwachstum lag mit 90% 2.3% deutlich über dem langjährigen Durchschnitt von 1.6% 80% und nur marginal unter dem Rekordwert des Vorjahres (2012: 70% 2.4%). Trotz Rezession und Finanzkrise nahm der private Kon- sum zwischen 2008 und heute um insgesamt beinahe CHF 30 60% Mrd. zu. Für das Konsumwachstum spielt die Zuwanderung 50% eine entscheidende Rolle. Rund ein Viertel des Wachstums seit 40% 2008 ist laut unserer Analyse der Nettomigration zu verdanken. 30% Ob die Schweiz weiterhin auf diese Wachstumsstütze zählen 20% kann, ist nach Annahme der Masseneinwanderungsinitiative 10% mehr als fraglich. 0% 2009 2010 2011 2012 2013 Zuwanderer Bevölkerung claude.maurer@credit-suisse.com Quelle: Bundesamt für Statistik, SECO, Credit Suisse Beschäftigungswachstum halbiert sich Arbeitsmarkt Index 2014 = 100 Das Beschäftigungswachstum dürfte zwar auch in diesem Jahr 106 andauern, schliesslich ist dank der Erholung der Exportwirt- Beschäftigungsprognose bisher schaft selbst in der Industrie wieder ein Stellenaufbau zu erwar- 105 Beschäftigungsprognose revidiert ten. Doch wird sich der Wachstumspfad aufgrund der Unsi- cherheiten nach Annahme der Masseneinwanderungsinitiative 104 wohl deutlich verflachen. Die Unternehmen dürften in Anbe- tracht aller Unwägbarkeiten bei der Einstellung von Personal 103 zögerlicher vorgehen. Konkret rechnen wir mit rund 80'000 weniger neuen Stellen in den kommenden drei Jahren, was 102 quasi einer Halbierung der bisherigen Prognose entspricht. 101 100 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 bettina.rutschi@credit-suisse.com Quelle: Credit Suisse Swiss Issues Konjunktur I März 2014 8
Credit Suisse Economic Research Die Hochpreisinsel erodiert weiter Inflation Index Januar 2009 = 100 Der Druck auf Schweizer Händler, die wechselkursbedingten 115 Bekleidung und Schuhe Möbel und Einrichtungszubehör Preisvorteile aus dem Einkauf im Ausland an die Konsumenten EUR/CHF-Wechselkurs weiterzugeben, dürfte weiter bestehen bleiben. Schliesslich 110 sollte sich der Franken in der nahen Zukunft nicht merklich 105 abschwächen. Spielraum für Preisnachlässe ist durchaus vor- 100 handen: Möbel oder Kleider beispielsweise sind heute um rund 10% günstiger als im Jahr 2009 – der Franken hat sich seither 95 aber um mehr als 20% aufgewertet. Der Druck auf die Hoch- 90 preisinsel Schweiz dürfte sich zudem aufgrund der momentan 85 moderaten Teuerung in Europa weiter verstärken. Wir progno- 80 stizieren für 2014 einen Rückgang des Preisniveaus um 0.1% und für 2015 einen schwachen Anstieg um 0.5%. 75 70 2009 2010 2011 2012 2013 2014 claude.maurer@credit-suisse.com Quelle: Bundesamt für Statistik, Datastream, Credit Suisse Unsicherheit ist Gift für Investitionen Ausrüstungsinvestitionen Beitrag zur Volatilität des Wirtschaftswachstums in % seit 1994 Die langfristigen Auswirkungen der Annahme der Massenein- 35 wanderungsinitiative werden einerseits davon abhängen, wie grosszügig die Quoten angelegt und wie sie umgesetzt werden, Ausrüstungsinvestitionen Privater Konsum 30 und anderseits davon, inwiefern der Zugang zum EU-Markt Handelsbilanz Bauinvestitionen beeinträchtigt wird. Sicher ist, dass das Investitionsverhalten 25 am stärksten unter Unsicherheit leidet. Rund ein Drittel der Staatlicher Konsum Volatilität des Wirtschaftswachstums ist den Ausrüstungsinve- 20 stitionen geschuldet. Das Wachstumspotenzial dürfte selbst im 15 Fall grosszügiger Quoten beeinträchtigt werden. Mit Quoten etwas über den Zuwanderungszahlen vor Inkrafttreten der 10 bilateralen Verträge würde das Wachstumspotenzial unserer Ansicht nach um jährlich rund 0.3 Prozentpunkte sinken und 5 damit auf etwa 1.6% zu liegen kommen. 0 claude.maurer@credit-suisse.com Quelle: SECO, Credit Suisse Auf statistisch unsicherem Boden Bauinvestitionen Saisonbereinigtes und unbereinigtes Quartalswachstum, in CHF Mio. Gemäss Staatssekretariat für Wirtschaft SECO haben sich die 13'500 Bauinvestitionen 2013 mit einem Wachstum von nominal 4.2% äusserst dynamisch entwickelt und den Rückgang des Jahres 13'000 2012 überkompensiert. Die hohe Wachstumsrate von 2013 12'500 könnte aber noch nach unten revidiert werden, weil der Rück- 12'000 gang des Jahres 2012 von 2.5% nicht mit anderen Erhebun- 11'500 gen übereinstimmt: Die Bauausgaben weisen gemäss Bundes- amt für Statistik beispielsweise für 2012 ein Wachstum von 11'000 3.4% aus. Ungeachtet dieser statistisch unsicheren Grundlage 10'500 gehen wir weiterhin davon aus, dass sich die Bauinvestitionen 10'000 2014 positiv entwickeln werden und prognostizieren ein reales Wachstum von 2%. 9'500 9'000 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 christian.kraft@credit-suisse.com Quelle: SECO, Credit Suisse Swiss Issues Konjunktur I März 2014 9
Credit Suisse Economic Research Branchen Kein Ausverkauf in der Schweizer Hotellerie Trotz starkem Franken kam es nicht zum befürchteten Preiszerfall in der Schweizer Hotellerie. Die von den Statistiken kaum erfassten Rabatte trüben aber das Bild. Die Zukunftschancen der Branche liegen in einer konsequenten Qualitätsstrategie. Frankenaufwertung ak- Die starke Aufwertung des Schweizer Frankens in den Jahren 2010–2011 traf viele Anbieter im zentuierte Preisvorteil der Schweizer Tourismus in einem Moment, in dem sie noch mit den Nachwehen der starken Re- ausländischen Konkur- zession von 2009 kämpften. Die ausländische Konkurrenz legte ohne eigenes Zutun innerhalb renz kürzester Zeit markant an Wettbewerbsfähigkeit zu. Der Spielraum für Preissenkungen ist in der Tourismusbranche, die durch intensive Konkurrenz geprägt ist, äusserst gering. Zudem können die Schweizer Hotels, im Gegensatz zu Branchen mit einem hohen Anteil an ausländischen Zu- lieferern, kaum von wechselkursbedingt günstigeren Inputpreisen profitieren. Beherbergungsertrag im Nachdem die Hoteliers seit 2001 mit Ausnahme von 2004 und 2005 jedes Jahr höhere Preise Luxussegment am stärk- durchsetzen konnten, flachte sich der Preistrend ab 2009 deutlich ab (vgl. Abb. 1). Somit folgte sten rückläufig die Preisentwicklung in der Beherbergung in etwa derjenigen des Gesamtindexes. Demgegen- über kannten die Preise in Restaurants nur eine Richtung, nämlich nordwärts. Die Entwicklung der Übernachtungspreise war hingegen alles andere als homogen. Während die Hoteliers im 2- und 3-Sterne-Segment die Preise halten und im 1-Stern-Segment insgesamt sogar erhöhen konnten, sanken die Durchschnittspreise im 4- und 5-Sterne-Bereich seit 2008 (vgl. Abb. 2). Rabatte vor Preissenkun- Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass die gehobene Hotellerie unter dem grössten gen währungsbedingten Anpassungsdruck steht. Einerseits stiegen die Preise in diesen Kategorien in den Boom-Jahren am stärksten. Andererseits dürften Rabatte und Extras (ein «gratis» Ski- pass oder ein «geschenktes» Frühstück) im tiefen und mittleren Segment stärker verbreitet sein. Diese Rabatte sind denn auch mitverantwortlich dafür, dass die Konsumentenpreise und die Zimmer-Moyenne (Beherbergungsumsatz pro Zimmernacht) den Preisdruck in der Branche nur ungenügend widerspiegeln. Die Hoteliers sind bei Preissenkungen mit gutem Grund zurückhal- tend, denn spätere Preiserhöhungen sind für die Gäste schwieriger zu verdauen als das Wegfal- len eines Sonderrabatts. Nachhaltiger als die Preis- und Rabattschlacht ist ohnehin eine konse- quente Qualitätsorientierung. Da der Schweizer Tourismus im Preiswettbewerb chancenlos ist, gilt es stärker denn je, auf die Qualität, den Innovationsgehalt und die klar definierte Positionie- rung der gebotenen Leistung zu fokussieren nicole.braendle@credit-suisse.com Abbildung 1 Abbildung 2 Steigende Preise in Restaurants, Abflachung bei Hotels Preisentwicklung stark von Sternekategorie abhängig Landesindex der Konsumentenpreise, Index Dezember 2010 = 100 Zimmer-Moyenne (Beherbergungsumsatz pro Zimmernacht), Index 2008 = 100 105 140 Restaurants und Cafés Hotellerie Total 1-Stern 2-Stern 103 130 3-Stern 4-Stern 101 5-Stern nicht klassiert 99 120 97 95 110 93 100 91 89 90 87 85 80 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2008 2009 2010 2011 2012 2013* Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Quelle: Hotelleriesuisse; *Werte 2013 durch Credit Suisse geschätzt Swiss Issues Konjunktur I März 2014 10
Credit Suisse Economic Research Branchen I Monitor Stimmungsaufhellung in der Industrie Geschäftslage in der Industrie Saldo positiver und negativer Beurteilungen in Prozentpunkten Die Schweizer Industrie ist gut ins Jahr gestartet. Im Januar 40 2014 überwogen im Industriedurchschnitt erstmals seit August 09.13 10.13 11.13 12.13 01.14 2011 die positiven Beurteilungen der Geschäftslage. Die Erho- 20 lung stützt sich immer breiter ab: In praktisch allen Industrie- 0 zweigen verbesserte sich die Stimmung seit letztem Herbst. -20 Dieser insgesamt positive Trend darf aber nicht darüber hinweg -40 täuschen, dass die Lage in gewissen Branchen schwierig -60 bleibt, insbesondere in der stark vom Strukturwandel geprägten -80 Textil- und Papierindustrie sowie der Druckbranche. Im weite- Papierindustrie Industrie Total Uhrenindustrie Metallindustrie Holzindustrie Textilindustrie Kunststoffindustrie Maschinenbau Chemie/Pharma Druck Elektro/Präzisionsinstr. Lebensmittelindustrie ren Jahresverlauf dürfte sich der Aufschwung vor allem in den Exportbranchen fortsetzen, welche von der Erholung in den Hauptexportmärkten profitieren. emilie.gachet@credit-suisse.com Quelle: Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF), Credit Suisse Praktisch alle grossen Exportbranchen im Plus Exporte nach Branchenaggregaten Wachstumsbeiträge in Prozentpunkten (YoY), Basis: 12-Monats-Durchschnitte Im 4. Quartal 2013 exportierten praktisch alle grossen Export- Rest (ohne Strom) branchen mehr als im Vorjahr. Die MEM-Industrie schaffte 15% Uhren und Präzisionsinstrumente dabei die Trendwende. Zum zweiten Mal in Folge wiesen so- Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie Pharma/Chemie wohl Metallindustrie als auch Elektrotechnik und Maschinenbau 10% Total (ohne Strom) ein Wachstum gegenüber dem Vorjahresquartal aus. Dass das 5% Gesamtexportwachstum mit 1.7% (ohne Strom) zum Jahres- ende im langfristigen Vergleich unterdurchschnittlich ausfiel, 0% lag an stark rückläufigen Chemieausfuhren und einer Wachs- tumsschwäche bei bisherigen Treibern wie Pharma oder Ge- -5% tränken. Angesichts der konjunkturellen Aufhellung in den europäischen Absatzmärkten dürften die Ausfuhren in den -10% kommenden Monaten weiter an Dynamik gewinnen. -15% 2008 2009 2010 2011 2012 2013 andreas.christen@credit-suisse.com Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung, Credit Suisse Positive Dynamik im Detailhandel und im Gastgewerbe Detailhandelsumsätze und Logiernächte Ggü. Vorjahr, in %. Basis: 3-Monats-Durchschnitte Zum Jahresende 2013 zog der Detailhandel etwas an. Das 15% Gesamtjahr war mit einem Wachstum von rund 0.5% aber nicht berauschend. 2014 dürften die Detailhandelsumsätze Detailhandelsumsätze nominal Logiernächte hingegen ein solides Wachstum ausweisen. Der Einkaufstou- 10% rismus wird nicht mehr weiter zunehmen, und die Preise wer- den nur noch leicht zurückgehen. In der Hotellerie schwächte 5% sich das Wachstum der Logiernächte zuletzt ab, insbesondere aufgrund eines Basiseffekts. Dies ändert nichts an der Tatsa- 0% che, dass sich die Lage im Tourismus weiter verbessert. Die Umsatzentwicklung in der Hotellerie drehte im 4. Quartal 2013 erstmals seit dem 1. Quartal 2011 ins Positive. In der Gastro- -5% nomie hat der Umsatzrückgang jüngst deutlich nachgelassen. -10% 2008 2009 2010 2011 2012 2013 nicole.braendle@credit-suisse.com Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Swiss Issues Konjunktur I März 2014 11
Credit Suisse Economic Research Debatte Verkehr und Mobilität Zürich und Genf hilft wohl nur «Road Pricing» Die Verkehrsinfrastruktur ist zu Pendlerzeiten überlastet. Wo der Stau überhand- nimmt, zeigt unser «Pendlerstau-Index». Abhilfe schaffen könnte ein «Road Pricing». Starker Anstieg der Ver- Die Staustunden auf den Nationalstrassen haben sich zwischen 2008 und 2012 verdoppelt. kehrsbelastung Diese massive Zunahme ist ein Indiz dafür, dass die Belastungsgrenze der Infrastruktur erreicht ist; an der Kapazitätsgrenze nimmt der Stau nämlich überproportional zum Verkehrsaufkommen zu. Am stärksten zum höheren Verkehrsaufkommen beigetragen haben die privaten Motorfahr- zeuge. Insbesondere der Arbeitsverkehr nahm deutlich zu; alleine in den letzten zwölf Jahren um 230'000 Pendler. Entsprechend prägt der Arbeitsverkehr das Stauaufkommen: Rund 85–90% aller Staustunden werden innerhalb von Agglomerationen beobachtet. In Zürich staut's am mei- Mittels Daten der Volkszählung und Informationen zum Verkehrsfluss haben wir einen «Pendler- sten stau-Index» berechnet, der zeigt, wo der durchschnittliche Pendler am längsten im Stau steht (vgl. Abb. 1).1 Am meisten vom Stau betroffen sind Pendler in der Agglomeration Zürich. An Werktagen reihen sich die Fahrzeuge hauptsächlich an den Eingangstoren der Stadt Zürich, beim Milchbucktunnel und den Autobahnausfahrten Brunau und Zürich-City. Mit Winterthur, Baden-Brugg und Zug befinden sich zudem noch drei weitere Agglomerationen aus dem Gross- raum Zürich unter den ersten Zehn der Stau-Rangliste, die Belastung ist dort allerdings um je- weils ein Drittel tiefer als in der Stadt Zürich. Genf und Lausanne bele- Um nur gerade 4% kürzer als in Zürich ist der verkehrsbedingte Zeitverlust in der Agglomeration gen Plätze Zwei und Drei Genf – Rang zwei im Pendlerstau-Index. Die hohen Pendleraufkommen aus den Nachbarkanto- nen und dem Ausland überlasten täglich die Infrastruktur. Die Verkehrssituation ist dabei ent- lang des gesamten Genfersees kritisch. Auch Lausanne schafft es mit 79% der Belastung Zü- richs als Stadt mit dem drittmeisten Stau aufs «Podest». Um die Lage am Genfersee etwas zu entschärfen, darf während der Hauptverkehrszeiten mittlerweile auf Abschnitten der A1 der Pannenstreifen als Fahrspur genutzt werden. Im Vergleich der Grosszentren leidet Basel am wenigsten unter Pendlerstau und erreicht im Pendlerstau-Index den 10. Rang. Am Rheinknie ist die Staubelastung um 40% tiefer als in Zürich. Abbildung 1 Wer in der Schweiz morgens im Stau steht – der Pendlerstau-Index Karte: Orte, an denen die Pendler am Morgen vom Stau betroffen sind, pro km2; Pendlerstau-Index: Rangliste der vom Stau am meisten betroffenen Agglomerationen Pendlerstau-Index Top 20 1 Zürich 2 Genf 3 Lausanne 4 Bern 5 Winterthur 6 Fribourg 7 Lugano 8 Baden-Brugg 9 Zug 10 Basel 11 Burgdorf 12 Biel/Bienne 13 Vevey-Montreux 14 Yverdon-les-Bains 15 Aarau 16 Lenzburg 17 Luzern 18 Neuchâtel 19 Bellinzona 20 Wetzikon-Pfäffikon Quelle: Bundesamt für Statistik, Geostat, Navteq, Credit Suisse 1 Die Analyse umfasst alle Arbeitspendler, die mit dem Privatauto zur Arbeit fahren, und misst die Stauzeit bei einer Abfahrt um 07.15 Uhr. Swiss Issues Konjunktur I März 2014 12
Credit Suisse Economic Research Bevölkerungs- und Ein- Die rasante Zunahme des Verkehrsaufkommens ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen: Er- kommenswachstum sind ste Ursache ist das Bevölkerungswachstum (vgl. Abb. 2). Zweitens sind die Haushaltseinkom- Mobilitätstreiber men real angestiegen. Drittens ist eine zunehmende räumliche Zweiteilung von Bevölkerungs- und Beschäftigungswachstum zu beobachten (vgl. Abb. 3). Arbeitsplätze werden hauptsächlich in den Zentren geschaffen, während sich die Bevölkerung zunehmend in der Agglomeration an- siedelt, hauptsächlich wegen knappem Wohnangebot und steigenden Immobilienpreisen in den Zentren. Zwischen 2008 und 2011 sind im Umkreis von zehn Minuten Fahrzeit um die Zentren über 120'000 Arbeitsplätze entstanden, während die Bevölkerung im selben Gebiet um nur 52'000 Personen zugenommen hat. Strassenbau fördert Ver- Aus ökonomischer Sicht gilt es, Stauaufkommen möglichst zu vermeiden, da die dafür ver- kehrsaufkommen brauchte Zeit keinen Nutzen stiftet. Die scheinbar naheliegendste Lösung für die Stauproblema- tik wäre, überlastete Strassenabschnitte auszubauen und dadurch die Kapazität zu erhöhen. Dies ist jedoch ein zweischneidiges Schwert. Obwohl Stauzeiten kurz- bis mittelfristig reduziert würden, fördern derartige Effizienzsteigerungen auch die Mobilität und damit eine weitere Zer- siedelung. Ein Bespiel dafür ist der Bareggtunnel bei Baden, wo die Nationalstrasse A1 wegen der hohen Stauaufkommen von vier auf sieben Spuren ausgebaut wurde. Mit der Eröffnung der zweiten Tunnelröhre erhöhte sich der durchschnittliche Werktagsverkehr innerhalb von nur zehn Jahren um 36%. Mit einem Kapazitätsausbau wird also auch das Verkehrsaufkommen geför- dert. Bei anhaltendem Bevölkerungswachstum und angesichts der limitierten Landreserven wä- re es sinnvoller, anstelle einer maximalen eine möglichst optimierte Mobilität anzustreben. Auch ein grosszügiger Ausbau des ÖV-Netzes kann das Stauproblem nicht lösen. Obwohl die Preise beim ÖV relativ zu den Gestehungskosten gering sind, ist der «Komfort-adjustierte» Preis von Autofahrten immer noch um einiges geringer. Dies gilt insbesondere für Pendelstrecken mit tie- fer ÖV-Lagegüte am Wohn- oder Arbeitsort. Das Privatauto und der ÖV sind daher auch nur begrenzt als Substitute zu betrachten. «Road Pricing» steuert Ein effizienterer Ansatz, die Überlastung des Strassennetzes zu reduzieren, ist die gezielte Be- Verkehrsaufkommen steuerung der Infrastrukturnutzung, auch «Road Pricing» genannt. Die Benutzung der Strasse ohne Infrastrukturausbau würde marktwirtschaftlichen Preismechanismen unterliegen und an staugefährdeten Orten zu Hauptverkehrszeiten kostenpflichtig werden. Mit der Kontrolle der Mobilitätskosten kann das Verkehrsaufkommen direkt gesteuert und die Infrastruktur durch den Tagesverlauf gleichmässi- ger belastet werden. Gegenüber dem Ausbau der Infrastruktur wird mit diesem Ansatz die Mobi- litätsbereitschaft nicht erhöht, Staustunden werden aber gleichwohl reduziert. Die Nutzung der Infrastruktur würde effizienter und nicht, wie beispielsweise bei Quantitätsrestriktionen von In- nenstadt-Parkplätzen, weiter eingeschränkt. «Road Pricing» ist technisch In Schweizer Städten wird der Verkehr bereits an den Eingangstoren aufgestaut, was die tech- machbar und attraktiv nische Umsetzung eines «Road Pricing» erheblich erleichtern würde. Durch den rasanten tech- nologischen Fortschritt wird die Einführung eines solchen Systems zudem immer kostengünsti- ger und benutzerfreundlicher. In Grossstädten wie Stockholm, London und Singapur wird «Road Pricing» seit Jahren erfolgreich eingesetzt und auch die leistungsabhängige Schwerverkehrsab- gabe (LSVA) funktioniert nach demselben Prinzip. Für die Städte Zürich und Genf wäre ein sol- ches System ebenfalls eine sinnvolle Lösung. fabian.huerzeler@credit-suisse.com Abbildung 2 Abbildung 3 Fahrleistung wächst mit Bevölkerung und Einkommen Zweiteilung von Wohn- und Arbeitsort Index, 2000 = 100 Wachstumszahlen 2008–2011, Fahrzeit in Minuten zum nächsten Zentrum 120 140'000 Bevölkerung Bevölkerungswachstum Beschäftigungswachstum 115 Haushaltseinkommen real 120'000 Fahrleistung privater motorisierter Verkehr 100'000 110 80'000 105 60'000 100 40'000 95 20'000 90 0 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 1 - 10 11 - 20 21 - 30 31 - 40 41 - 50 51 - 60 > 60 Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Swiss Issues Konjunktur I März 2014 13
Credit Suisse Economic Research Regionen Gebührenfinanzierung: Der Föderalismus lebt! Nicht nur Steuersätze, sondern auch die Gebührenmodelle unterscheiden sich zwi- schen den Kantonen deutlich. Dies zeigt das Beispiel der Abfallgebühren. Äquivalenz- vs. Leistungs- Staatliche Leistungen können aus dem allgemeinen Steuertopf oder aus leistungsbezogenen fähigkeitsprinzip Gebühren finanziert werden. Steuern sind abhängig von Einkommen, Gewinn oder anderen Bemessungsgrundlagen und werden auch dann erhoben, wenn ein Steuerpflichtiger keine Leistungen bezieht (z.B. im Fall der Kirchensteuerpflicht für Unternehmen). Allerdings variiert aufgrund des Standortwettbewerbs die Steuerbelastung und damit auch der fixe Ticketpreis, der für die Nutzung «öffentlicher Güter» an verschiedenen Standorten verlangt wird, auch wenn diese sich ansonsten durch Nicht-Ausschliessbarkeit und Nicht-Konkurrenz im Konsum auszeichnen. Preise schaffen Anreize, Im Gegensatz dazu stehen Gebühren für «private Güter» – etwa für Eintragungen ins im Optimalfall richtige Grundbuch, Abfallentsorgung oder die Fahrprüfung. Diese folgen dem Äquivalenzprinzip, das für eine staatliche Leistung eine äquivalente Abgabe fordert. Die Gebühr soll dabei einen Marktpreis ersetzen und die Kosten decken. Entsorgungsgebühren geben zusätzlich den Anreiz, Abfälle zu trennen oder zu reduzieren. Da die Leistungen meistens von Monopolen erbracht werden, ist die Festlegung einer «korrekten» Gebühr schwierig. Aus ökonomischer Sicht sind Gebühren meist effizienter als Steuern, da sie den Verursacher belasten und nicht die Allgemeinheit. Aufwändige Erhebungsmodelle können diesen Vorteil allerdings kippen: Das private Inkasso der Schweizer Rundfunkgebühr verschlingt jährlich CHF 45 Mio. und steht in der Dauerkritik. Die Abgabe entspricht quasi einer schweizweit einheitlichen Kopfsteuer, die auch die Steuerämter erheben könnten. Stark unterschiedliche Im Durchschnitt stammen 13.9% aller Einnahmen der Kantone und Gemeinden aus Entgelten Gebührenpraxis in den (vor allem Gebühren), Steuererträge belaufen sich auf 61.5% (vgl. Abb 1). Während Entgelte in Kantonen Appenzell Innerrhoden nur gerade 8.1% an die Erlöse beitragen, liegt der Glarner Wert bei 18.9%. Damit finanzieren Kantone und Gemeinden zwischen 34.4% (Genf) und 97.1% (Basel- Stadt) der entsprechenden Ausgaben. Das Beispiel der Abfallgebühren zeigt die unterschiedli- che Praxis der Kantone (vgl. Abb. 2): In Genf werden diese Kosten praktisch vollumfänglich durch allgemeine Staatserträge getragen – die Abfallentsorgung ist vielerorts nach wie vor ge- bührenfrei. In elf Kantonen werden über 80% der Kosten gedeckt. Glarus und Graubünden er- wirtschaften mit der Entsorgung sogar Überschüsse, was auf eine Verletzung des Kosten- deckungsprinzips hindeutet. thomas.ruehl@credit-suisse.com Abbildung 1 Abbildung 2 Einnahmen von Kantonen und Gemeinden Gebührenfinanzierung: Abfallwirtschaft In % der entsprechenden Ausgaben, Kantone und Gemeinden, 2011 In %, Kantone und Gemeinden, 2011 Uri: Abfallwirtschaft ausgelagert und nicht in der Kantonsrechnung 120% Entnahmen aus Fonds, Spezial- finanzierungen 100% 1.3% Transferertrag Verschiedene 20.4% 80% Erträge 0.1% 60% Entgelte Fiskalertrag 13.9% 61.5% 40% 20% Regalien und Konzessionen 0% 2.7% ZH BE LU UR SZ OWNW GL ZG FR SO BS BL SH AR AI SG GR AG TG TI VD VS NE GE JU CH Quelle: Eidgenössische Finanzverwaltung, Credit Suisse Quelle: Eidgenössische Finanzverwaltung, Credit Suisse Swiss Issues Konjunktur I März 2014 14
Credit Suisse Economic Research Regionen I Monitor Klumpenrisiken betreffen vor allem Grosszentren Beschäftigungsanteile nach Unternehmensgrösse In %, ausgewählte Wirtschaftsregionen, 2011 Grossunternehmen sind wichtig für die Wahrnehmung eines 70% Standorts und weisen oft eine hohe Produktivität auf. Für einen Mikrounternehmen (250) Wirtschaftsstandort darf das Klumpenrisiko jedoch nicht igno- 60% riert werden: Je stärker die Konzentration der Beschäftigten 50% auf wenige Grossunternehmen, desto mehr ist der Standort 40% vom Geschäftsgang und den Entscheidungen einzelner Firmen 30% abhängig. Im Gegensatz zu den Grosszentren sind einzelne 20% ländliche und gebirgige Regionen überwiegend von Mikroun- 10% ternehmen geprägt. Während Klumpenrisiken in diesem Fall 0% vernachlässigbar sind, bleibt das Wachstumspotential einge- Pays d'Enhaut Entlebuch Weinland Mesolcina Surselva Einsiedeln Goms Leuk Oberes Emmental Lausanne Baden Winterthur-Stadt Genève Bern Basel-Stadt La Vallée Fricktal Glattal Schwarzwasser Zürich-Stadt schränkt. thomas.ruehl@credit-suisse.com Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Höhere Steuersätze zahlen sich nicht immer aus Unternehmenssteuern: Belastung und Einnahmen Einnahmen je Vollzeitstelle 2011 (Privatwirtschaft), in CHF; Steuerbelastung 2013 Nach Jahren der Überschüsse haben die Rechnungsabschlüs- 5'000 se jüngst in mehreren Kantonen in den roten Bereich gedreht. BS Schweizer Mittel GE Grund dafür sind meist geringere Fiskalerträge. Der Ruf nach Unternehmenssteuereinnahmen pro Steuererhöhungen wird deshalb lauter. Unterschiedliche Bran- 4'000 chenstrukturen machen das Spektrum der Steuererträge von juristischen Personen pro Beschäftigten sehr breit – von rund Vollzeitstelle 3'000 CHF 400 in Appenzell Innerrhoden bis CHF 4'900 in Basel- ZG VD Stadt. Zug erwirtschaftet trotz sehr geringer Steuerbelastung 2'000 NE TI AG BL ZH die dritthöchsten Erträge. Berns hohe Steuersätze führen hin- SG FR JU Median gegen nicht zu überdurchschnittlichen Einnahmen. 1'000 LU SH SO VS GL GR BE AR SZ TG NW OW AI UR 0 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 150 Steuerbelastung der juristischen Personen thomas.ruehl@credit-suisse.com Quelle: Eidgenössische Finanzverwaltung, Braingroup, Credit Suisse Steuern sind Preisschild eines Standorts Steuerbelastung vs. Zentralität Steuerlast Unternehmen 2013; Indikator für Zentralität: regionale Erreichbarkeit Die Steuerbelastung stellt aus standortpolitischer Sicht das 3.0 Preisschild für das Leistungsangebot eines Standorts dar. Aus SOLL-POSITIONIERUNG Steuerbelastung und Leistungsangebot bzw. Zentralität (ge- Lausanne 2.0 messen anhand der regionalen Erreichbarkeit) entsteht so ein Basel Genève Preis-Leistungsmix. Während die Zentralität einer Gemeinde 1.0 Zürich Steuerbelastung gegeben ist, kann die Steuerbelastung gewählt werden. Aus Bern standortpolitischer Sicht sollte dabei eine hohe Zentralität mit 0 einer hohen Steuerbelastung einhergehen und umgekehrt. Die -1.0 Gemeinden Kantonshauptorte positionieren sich mehrheitlich effizient, VD Gemeinden während innerhalb der Kantone grosse Unterschiede bestehen. Appenzell -2.0 Zug ZH Gemeinden Luzern Hauptorte Sarnen Stans -3.0 SOLL-POSITIONIERUNG Herisau -2 -1 0 1 2 3 Leistungsangebot (Zentralität) andrea.schnell@credit-suisse.com Quelle: Braingroup, Credit Suisse Swiss Issues Konjunktur I März 2014 15
Credit Suisse Economic Research Geldpolitik Was «übermässige» Kapitalzuflüsse antreibt Nach mehreren Jahren mit übermässig hohen Kapitalzuflüssen in die Schweiz kommt es mittlerweile wieder zu Abflüssen, wenn auch nur allmählich. Die SNB dürfte ihre Devisenreserven noch länger nicht reduzieren. Stetige Kapitalabflüsse Eine Volkswirtschaft wie die Schweiz, die sich durch einen hohen Leistungsbilanzüberschuss, sind der «Standard» eine hohe Sparquote und daher vergleichsweise tiefe inländische Zinsen auszeichnet, reinve- stiert gewöhnlich einen Teil ihrer Erträge aus dem Handel mit dem Ausland oder auf Anlagen im Ausland direkt wieder in ausländische Vermögenswerte wie Aktien, Anleihen oder Produktions- stätten. Solche Kapitalabflüsse gleichen in normalen Zeiten den Leistungsbilanzüberschuss voll- ständig aus. Unerwartete Ereignisse, welche die Märkte erschüttern, wie die globale Finanzkrise oder die Krise in der Eurozone, erhöhen jedoch die mit ausländischen Vermögenswerten ver- bundenen Risiken. Dies kann zu Brüchen bei den Kapitalflusstrends führen. Infolge der Finanz- und Zu einem solchen Trendbruch kam es in der Schweiz zwischen Ende 2008 und Anfang 2009. Eurokrise wurde der Er wurde durch die globale Finanzkrise ausgelöst und durch die Krise in der Eurozone weiter Trend gebrochen verstärkt (vgl. Abb. 1). Schweizer Anleger kauften nicht mehr regelmässig ausländische Vermö- genswerte. Im Gegenteil: Sie begannen, einen Teil ihrer ausländischen Vermögenswerte zu ver- kaufen, was die Nachfrage nach Schweizer Franken erhöhte und die Währung einem erhebli- chen Aufwertungsdruck aussetzte. Ausländische Anleger erhöhten den Aufwertungsdruck ihrer- seits mit vermehrten Käufen von Schweizer Vermögenswerten. Immerhin schienen die Schwei- zer Unternehmen ihr Anlageverhalten in diesem Zeitraum nicht ebenfalls grundlegend geändert zu haben. Dennoch musste die Schweizerische Nationalbank (SNB) mittels umfangreicher De- visenkäufe den Ausfall der Käufe ausländischer Vermögenswerte durch den Privatsektor kom- pensieren. Die «übermässigen» Abbildung 1 zeigt die kumulativen (Netto-)Kapitalflüsse seit 1999 (negative Werte beschreiben Zuflüsse entsprechen Netto-Kapitalexporte). Diese beinhalten Portfolioinvestitionen und sogenannte «übrige Investitio- weitgehend der Zunahme nen», die vorwiegend aus grenzüberschreitenden Interbankenkrediten bestehen, und damit die bei den Devisenreserven beiden volatilsten Kategorien, bei welchen auch der Bruch zum Trend von vor der Krise am deutlichsten ausfiel. Bis 2008 beliefen sich die Netto-Portfolioabflüsse und Interbankenkredit- flüsse auf durchschnittlich CHF 6 bis 7 Mrd. pro Quartal. Seit 2008 kam es zu erheblichen Ka- pitalzuflüssen, was zu einer Umkehr des zuvor (scheinbar) linearen Trends führte. Für die grobe Schätzung der «übermässigen» Zuflüsse berechnen wir die Differenz zwischen der Fortschrei- bung des linearen Trends ab 2009 und den effektiven kumulierten Kapitalflüssen. Abbildung 1 Abbildung 2 Trendbruch bei den Kapitalflüssen Schätzung «übermässiger» Kapitalzuflüsse In CHF Mrd. (negative Werte beschreiben Kapitalexporte) In CHF Mrd., kumulativ seit 2009 50 450 Portfolioflüsse Übrige Investitionsflüsse Währungsreserven SNB 0 400 -50 350 -100 300 -150 250 -200 200 -250 150 -300 -350 100 Total kumulierte Kapitalflüsse (Portfolio- und übrige Investments) -400 50 Linearer Trend (1999-2008) -450 0 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2009 2010 2011 2012 2013 Quelle: Datastream, Credit Suisse Quelle: Datastream, Credit Suisse Swiss Issues Konjunktur I März 2014 16
Credit Suisse Economic Research Abbildung 2 zeigt die kumulativen «übermässigen» Zuflüsse nach Kategorien (Portfolio- und In- terbankenkreditflüsse). Es scheint, dass die «übermässigen» Zuflüsse weitgehend mit den ku- mulativen Erhöhungen der Devisenreserven durch die SNB wachsen. Ausländische Banken Abbildung 2 zeigt ferner, dass die «übermässigen» Portfoliozuflüsse weniger volatil sind als die kaufen indirekt CHF Interbankenkreditflüsse. Zudem ist die Korrelation zwischen Letzteren und der Akkumulation der Devisenreserven deutlich höher (und liegt in diesem Zeitraum nahe bei 1). Der ursächliche Zu- sammenhang zwischen der Akkumulation von Devisenreserven durch die SNB und den Inter- bankenkreditflüssen ist unklar. Es ist durchaus denkbar, dass die Devisenzukäufe durch die SNB zu diesen Zuflüssen führten. Die SNB hat die Frankenmenge nämlich vor allem durch den Kauf von Devisen von inländischen Banken erhöht. Die inländischen Banken kauften wiederum Devisen von ausländischen Banken, die keinen Zugang zur SNB haben. Technisch gesehen kommt der Kauf von Schweizer Franken durch ausländische Banken in Statistiken zur grenz- überschreitenden Interbankenkreditvergabe einem Kapitalimport gleich. Die Normalisierung der Gemäss unseren Kapitalflussmessungen (Portfolio- und Interbankenkreditflüsse) ist es seit der Portfolioflüsse dürfte zweiten Jahreshälfte 2012 wieder zu Abflüssen aus dem Franken gekommen. Dies gilt aller- dauern dings nur für Interbankenkredite. Die Portfoliozuflüsse hingegen haben weiter zugenommen und die «übermässigen» Zuflüsse mittlerweile ein beträchtliches Niveau erreicht. Bis heute gibt es keine Anzeichen für eine Trendumkehr beim Anlageverhalten inländischer Anleger. Diese haben noch nicht wieder mit dem Kauf ausländischer (insbesondere auf EUR lautender) Titel begon- nen. Wir gehen davon aus, dass es noch einige Zeit dauert, bis Schweizer Anleger wieder rege in europäische Aktien und Obligationen investieren. Die Europäische Zentralbank ist noch weit entfernt von einer Straffung der geldpolitischen Zügel – und damit von höheren Zinsen – und die Erholung in den Peripherieländern der Eurozone verläuft immer noch zaghaft. Die SNB wird ihre Selbst wenn die Kapitalabflüsse wieder zunehmen sollten, glauben wir nicht, dass die SNB dies Devisenreserven wohl als Gelegenheit nutzen würde, um ihre Devisenreserven deutlich zu verringern. Verkäufe würden nicht reduzieren die Entschlossenheit der Nationalbank zur Verteidigung des EUR/CHF-Mindestwechselkurses weniger glaubhaft erscheinen lassen. Über die letzten Jahre hat die SNB übrigens lediglich bei einer Gelegenheit eine grosse Menge an Devisen verkauft, und zwar nachdem sie ihre Goldre- serven verringert und den Erlös vorübergehend in Fremdwährungen investiert hat. Zudem san- ken im ersten Halbjahr 2005 die Devisenreserven um rund CHF 20 Mrd., allerdings vor dem Hintergrund einer Frankenabschwächung. Selbst längerfristig könnte sich eine Reduzierung der Reserven angesichts des hohen Devisenvolumens und der Tatsache, dass der Schweizer Fran- ken fundamental stark bleiben und eher mit Aufwertungsdruck konfrontiert sein wird, als schwierig erweisen. Sollte die SNB später einmal in der Lage sein, zu einer restriktiveren Geld- politik überzugehen und die Überschussliquidität abzubauen, so wären wohl andere Mittel wie beispielsweise die Emission von eigenen Schuldverschreibungen (SNB Bills) wirksamer. Insge- samt deutet vieles darauf hin, dass die SNB noch längere Zeit auf ihren Devisenpositionen «sit- zen bleiben» wird und daher der Strukturierung des SNB-Portfolios grosse Bedeutung zukommt. maxime.botteron@credit-suisse.com Swiss Issues Konjunktur I März 2014 17
Credit Suisse Economic Research Geld, Kredit & Märkte I Monitor Leichte Abnahme der Bilanzsumme der SNB aufgrund des SNB wies für 2013 hohen Verlust aus Goldpreisrückgangs In CHF Mrd. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) fuhr infolge des Gold- 600 preisrückgangs einen Verlust von CHF 15 Mrd. ein. Der Ge- Gold Deviseninvestitionen Übrige Anlagen winn aus Devisenreserven (CHF 3 Mrd.) und der Ertrag aus 500 dem StabFund (CHF 3 Mrd.), der ehemals illiquide Vermö- genswerte der UBS enthält, vermochten den Gesamtverlust 400 lediglich auf CHF 9 Mrd. zu reduzieren. Die SNB wird somit keine Dividende an Bund und Kantone ausschütten können. 300 Angesichts der grossen Bilanz, die durch den Verlust im ver- gangenen Jahr nur leicht beeinträchtigt wurde, dürften die 200 Gewinne der SNB auch in den kommenden Jahren volatil ausfallen. Die Bilanzsumme von CHF 490 Mrd. entspricht noch 100 immer mehr als 80% des Schweizer BIP. 0 2005 2007 2009 2011 2013 maxime.botteron@credit-suisse.com Quelle: Datastream, Credit Suisse Erste Bremsspuren im Wachstum der Hypothekarkredite Hypothekenvolumen und BIP Hypothekarausleihungen an Privathaushalte, in % des BIP Das Wachstum der Hypothekarausleihungen an Privathaushal- te wurde gegen Ende 2013 gebremst, was die Wirkung der 110 ergriffenen Massnahmen zur Beruhigung des Immobilienmark- tes, nicht zuletzt der strengeren Eigenmittelanforderungen im 100 Rahmen der Selbstregulierung der Banken, widerspiegelt. Mit +3.6% ggü. dem Vorjahr im November liegt es unter dem 90 langjährigen Mittel, aber immer noch über dem nominalen BIP- 80 Wachstum. Die SNB warnte verschiedentlich, dass «Ungleich- gewichte an den Hypothekar- und Immobilienmärkten» zuneh- 70 men und dass dieser Trend «die privaten Haushalte anfälliger gegenüber negativen makroökonomischen Schocks» mache 60 (Bericht zur Finanzstabilität 2013, S. 16). Wir gehen davon aus, dass die SNB die Entwicklung am Immobilienmarkt wei- 50 terhin genau beobachten und im Bedarfsfall weitere Massnah- 1986 1989 1992 1995 1998 2001 2004 2007 2010 2013 men prüfen wird. maxime.botteron@credit-suisse.com Quelle: Schweizerische Nationalbank, Credit Suisse Striktere Richtlinien für die Hypothekenvergabe Inflationsprognose der SNB weiterhin tief Inflationsrate in %, ggü. Vorjahr Auf Antrag der SNB erhöhte der Bundesrat den antizyklischen 3.0 Kapitalpuffer um einen Prozentpunkt. Danach werden die Inflation Banken ab dem 30. Juni 2014 verpflichtet, basierend auf 2.5 SNB Prognose September 2013 ihrem (risikogewichteten) Hypothekarportfolio 2% zusätzliches 2.0 SNB Prognose Dezember 2013 Eigenkapital zu halten. Da die Risiken aus dem Immobilien- 1.5 markt mit zielgerichteten Massnahmen angegangen werden, kann sich die SNB auf die Inflation und den Wechselkurs kon- 1.0 zentrieren. Trotz des soliden Wirtschaftswachstums der ver- 0.5 gangenen Jahre bleibt die Inflation gedämpft. Wir gehen daher 0 davon aus, dass die SNB vorerst am EUR/CHF-Mindest- -0.5 wechselkurs auf dem aktuellen Niveau festhalten wird. -1.0 -1.5 2006 2008 2010 2012 2014 2016 maxime.botteron@credit-suisse.com Quelle: Datastream, Schweizerische Nationalbank, Credit Suisse Swiss Issues Konjunktur I März 2014 18
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