Gedanken zu Grenzen in der Palliative Care - Dr. med. Roland Kunz Chefarzt universitäre Klinik für Akutgeriatrie und Zentrum für Palliative Care ...

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Gedanken zu
Grenzen
in der Palliative
Care
                    Dr. med. Roland Kunz
                    Chefarzt universitäre Klinik für
                    Akutgeriatrie und Zentrum für
                    Palliative Care
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Grenzen

          Zur kurativen Medizin

          Der Möglichkeiten der Palliative
          Care

          Aus Sicht des Patienten

          Ethische Grenzen

          Persönliche Grenzen der Carer

          Unserer Zuständigkeit

          Strukturelle
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Definition Palliative Care: Grenze der Kuration
Nationale Leitlinien BAG 2010

 Palliative Care umfasst die Betreuung und die Behandlung von
 Menschen mit unheilbaren, akut lebensbedrohlichen oder
 chronisch-fortschreitenden Krankheiten. Sie wird vorausschauend
 miteinbezogen, ihr Schwerpunkt liegt aber in der Zeit, in der die
 Kuration der Krankheit als nicht mehr möglich erachtet wird und
 kein primäres Ziel mehr darstellt.
                                  Unterschiedliche Ziele als Grenze
 Behandlungs-        Patient?
 team?                            Grenzen in der Kommunikation, im
            Angehörige?           unterschiedlichen Verständnis
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Grenzen setzen zwischen Kuration und Pall. Care
am Beispiel des geriatrischen Patienten
                                       Ziel: Lebensqualität statt
                                       Kampf gegen die
                                       Krankheiten um jeden Preis
      Erste Symptome,
      Einschränkungen

          Neue Diagnosen…
                                                                    Grenze des
            Abklärung                                               Lebens
            Heilung?                                                akzeptieren,
                                                                    gutes Sterben
                            = Weiterführung der für den Patienten   ermöglichen
                            optimalen Therapie
                               Wiederholte       mit geändertem
                                           Entscheidungen
                            Therapieziel (Goal of Care)
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Frau X, geb. 1928

 Notfallmässige hausärztliche Zuweisung bei Immobilisation nach Sturz am 14.11.2018. Sie habe
  danach nicht mehr selbständig aufstehen können und sei nach 5 Stunden vom Nachbar
  vorgefunden und ins Bett gebracht worden.

 Aktuell könne die Patientin nicht selbständig aufsitzen und habe keine Schmerzen. Sie beschreibt
  einen chronischen Schwankschwindel seit mehreren Monaten, besonders beim Aufstehen und
  Gehen.

 Fremdanamnestisch ist zu erfahren, dass die Patientin in den letzten Wochen zunehmend
  gangunsicher sei und zuletzt nur noch in Begleitung mobil gewesen sei. Ausserdem sei ihr eine
  Schwellung der Füsse aufgefallen.

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Frau X, geb. 1928

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Wie weiter?

 Konsilium Onkologie:
   Punktion des Lebertumors
   Rectosigmoidoskopie und Biopsie
   Vorstellung am Tumorboard

 Info an Patientin, was jetzt geplant ist
   Patientin willigt ein
   Patientin hat keine Angehörigen

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Gespräch auf Visite

 Information über Befunde
 Aktuelle Beschwerden?
 Behandlungsmöglichkeiten
   Operation
   Chemotherapie
 Was würde dadurch besser an ihrer Situation? Was schlechter?

 Wo setzt die Patientin Grenzen?

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Weiterer Verlauf

 Keine Symptome einer Stenosierung im Rectum
 AZ würde durch Interventionen nicht besser, im Gegenteil

 Entscheid zur rein palliativen Weiterbehandlung, keine weiteren Abklärungen,
  Verlegung in Hospiz Zürcher Lighthouse

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Goals of Care

 Alte Menschen bevorzugen das Formulieren von Prioritäten
  und Zielen (und wünschen nur eine passive Rolle im
  konkreten Entscheid!)
  Romo RD et al. Sense of control in end-of-life decision-making.
  J Am Geriatr Soc 2017;65: E70-E75
Grenzen der Möglichkeiten der Palliative Care

                              Calman Gap
               Erwartungen    (K.C. Calman 1984)

                              Die Realität kann nicht
                              an die Erwartungen des
        Realität              Patienten angehoben
                              werden.
Palliativmedizin: Mehr Lebensqualität durch Hilfe
zur Akzeptanz und zielgerichtete Behandlung

                         Goal of Care: Interdisz.
          Ziele          Behandlungsteam zusammen
          relativieren   mit dem Patienten, den
                         Angehörigen

         Med.            Palliative Care inkl. Rehabilitation
         Massnahmen
Grenzen im Symptommanagement

                                                                                Symptome, das Leiden
                                                                                sind subjektiv

                                                                                 Erfragen, der Patient
                                                                                  gewichtet

                                                                                 Kommunikationsfähig-
                                                                                  keit erforderlich

                                                                                 Prioritäten des
                                                                                  Patienten behandeln

    Kelley AS, Morrison RS. N Engl J Med 2015: Symptome im letzten Lebensjahr
ESAS : wir können nicht alles auf Null bringen
(Edmonton Symptom Assessment System, Bruera et al.)

 Symptom               0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
 Schmerz                               x

 Atemnot                                                  x

 Übelkeit                                      x

 Angst                                     x

 Müdigkeit                                                    x

 Appetitlosigkeit                  x

 ……………………..                                           x

 ……………………..                        x

 ………………………                                                x
Grenzen der medizinischen Möglichkeiten: Total Pain, Total Symptom, Leiden

                                     Körperlicher Schmerz
                                                                                  Medizinische
                                                                                  Massnahmen
                                      Biomedizinische Faktoren
                                       Organische Pathologie
                                         Gewebsschädigung

                                       Seelischer Schmerz                         Aushalten,
 Nur im
                            Emotionale Verletzungen, Reaktionen auf Verluste
                            Angst vor dem Sterben, vor dem Ungewissen, vor
                                                                                  ernstnehmen
                                     unbehandelbaren Symptomen                    informieren
 interprofessionellen
 Teamansatz                                                                       Wahrnehmen,
                                         Sozialer Schmerz
 möglich                    Probleme / Stress in Partnerschaft, Familie, Arbeit   Beraten,
                          Einsamkeit, Ausgrenzung, Nutzlosigkeit, Abhängigkeit,
                                      Finanzielle Sorgen, Schwäche
                                                                                  Lösungen
                                                                                  vermitteln

                                        Spiritueller Schmerz
                                            Warum? Sinnkrise                       Reden über
                                Leiden an ethischen + religiösen Dilemmata
                             Leiden an der eigenen Lebensaufgabe / Berufung
                                                                                   das Sterben,
                                                                                   Fragen
                                                                                   aushalten
Symptommanagement

 Grenzen:
   Nicht alle Symptome lassen sich immer genügend lindern
   Die Behandlung des «total symptoms» kann schwierig sein
   Der Patient hält die Situation trotz unserer Bemühungen nicht mehr
    länger aus

 Möglichkeit: Palliative Sedierung
  Verabreichung sedierender Medikamente in einer
   symptomgesteuerten Dosierung zur Erleichterung eines oder
   mehrerer therapierefraktärer Symptome durch permanente oder
   zeitlich begrenzte Herabsetzung des Bewusstseinszustandes.
Selbstbestimmung: Grenzen setzen ja, einfordern
von sinnlosen Massnahmen nein
Das Lebensende als Folge von bewussten
Entscheidungen der Grenzsetzung

       Bosshard G et al. Swiss Medical Forum 2016;16: 896-898
Gesundheitliche Vorausplanung

Gesunde              Chronisch            Schwerkranke         Unterstützer                   Instrumente/
Menschen              kranke/               Personen                                          Dokumente (Bsp.)
                     vulnerable
                     Patienten
                                                                                                  Vorsorgeauftrag,
                                                                                                    Testament,
     Allgemeine Vorausplanung für verschiedene                Juristinnen, Seelsorger,             Versicherung,
          Lebensbereiche (engl. =planning)                   Beratungsorganisationen            Festlegung Stv. für
                                                           (Patientenorganisationen etc.)       finanzielle Belange

                   Krankheitsspezifische Vorausplanung     Qualifizierte Fachpersonen mit        Betreuungsplan,
                       für Betreuung / Behandlung           krankheitsbezogenem Wissen           Basisdokument
                           (engl.=care planning)          (Hausärzte, APN, Palliative Care)         Netzwerk

                                                           Qualifizierte Fachpersonen mit       Festlegung Stv. für
 Vorausplanung für die Situation der Urteilsunfähigkeit   Wissen um Urteilsunfähigkeit und     medizinische Belange,
           (engl. = advance care planning)                um Chancen / Sinn von intensiv-             Ärztliche
                                                           medizinischen und palliativen         Notfallverordnung,
                                                                                                Patientenverfügung,
                                                                    Massnahmen
                                                                                               Organspendenausweis
Selbstbestimmung: Einschränkungen
  und Grenzen
 In der Endphase der Krankheit, im Sterbeprozess besteht eine erhöhte
  Vulnerabilität, Gefahr der Fremdbestimmung
   Willenskundgebungen beachten
   frühere Äusserungen, PV prüfen

 Übertragung der Entscheidung an Dritte (in PV, Vorsorgeauftrag)  Patient kann
  trotzdem jederzeit selber entscheiden, sofern er noch urteilsfähig ist!

 Betreuungsteam und Angehörige müssen sich der Gefahr bewusst sein, dass die
  Projektion eigener Wünsche und Vorstellungen Entscheidungen
  mitbeeinflussen kann.  Grenze der Einflussnahme einhalten!
Selbstbestimmung: Einschränkungen und
Grenzen
 Das Selbstbestimmungsrecht stösst aber an eine Grenze, wenn die betroffene Person das
  «Unmögliche» einfordert, d.h. Behandlungen, die chancenlos und damit aus medizinischer
  Sicht nicht indiziert sind.
 Gelegentlich fordern Patienten oder Angehörige Reanimationsversuche auch in Situationen, in
  welchen diese aus medizinischer Sicht nicht indiziert sind. Ausserdem kann es vorkommen,
  dass Angehörige die ablehnende Haltung eines Patienten gegenüber Reanimationsversuchen
  nicht akzeptieren. Solche Situationen sind ein Indiz für einen erhöhten Bedarf an Information.
  Oft geht es darum, Missverständnisse zu klären und dem Patienten und seinen Angehörigen in
  mehreren Gesprächen die therapeutischen Grenzen der kurativen Medizin und die
  Möglichkeiten der Palliative Care aufzuzeigen. RL Reanimation

 Ein Verzicht auf den «informed consent» könnte rechtlich insbesondere dann begründet
  werden, wenn die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Reanimation verschwindend klein
  erscheint (futile treatment). Rechtl. Grundlagen im med. Alltag
Einteilung möglicher Handlungen im Umgang mit
Sterben und Tod (SAMW-RL 2018)

1. Handlungen, die mit den allgemein anerkannten Zielen der Medizin
   übereinstimmen  gehören grundsätzlich zum Aufgabenbereich medizinischer
   Fachpersonen
2. Handlungen, die kontrovers diskutiert werden und deren Ausführung Ärzten
   vorbehalten bleibt, die im Einzelfall zur persönlichen Überzeugung gekommen
   sind, dass diese dem Wohle des Patienten dienen. Der Arzt handelt dabei in
   Eigenverantwortung und kann keinesfalls zu solchen Handlungen verpflichtet
   werden.
3. Handlungen, die dem Schweizer Gesetz widersprechen und damit verboten sind.
Handlungen, die -möglicherweise oder sicher- den
Eintritt des Todes beschleunigen

1. Allgemein akzeptierte Handlungen:

  1. Behandlungsverzicht oder –abbruch (passive Sterbehilfe). …
     Therapien ohne Aussicht auf einen Erfolg können weder vom
     Patienten noch von den Angehörigen eingefordert werden (d.h.
     auch IPS, REA).
  2. Linderung von Schmerzen, anderen Symptomen: Die Angst, mit
     dem Einsatz sedierender Analgetika das Leben des Pat. zu
     verkürzen darf nicht Motiv sein, diese zu tief zu dosieren.
  3. Sedierung: bei refraktärem Symptom, das für den Pat. in
     unerträglicher Weise persistiert, besteht die Behandlungsoption
     einer vorübergehenden oder kontinuierlichen Sedierung.
Handlungen, die -möglicherweise oder sicher- den
Eintritt des Todes beschleunigen

2. Kontrovers diskutierte Handlungen

   Berufsethisches Selbstverständnis der Fachpersonen wird
    herausgefordert: Autonomie in der Ausübung des Berufes versus
    Empathie und Mitgefühl. Jeder Behandelnde muss selber
    entscheiden, ob für ihn diese Handlung mit den Zielen der Medizin
    vereinbar ist oder nicht. (persönliche Grenzen)
    Ablehnung der Handlung  muss erklären, welche Optionen für
    ihn in Frage kommen.
Suizidhilfe

 Rolle der Ärztin im Umgang mit Sterben und Tod: Symptome lindern, Patient
  begleiten
 Gehört nicht zu ihren Aufgaben, von sich aus Suizidhilfe anzubieten, noch ist sie
  verpflichtet, diese zu leisten. Sie muss dies auch nicht begründen.
 Suizidhilfe ist keine medizinische Handlung, auf die Patienten einen Anspruch
  erheben können.
 Sie kann vom einzelnen Arzt selbst oder in Zus.arbeit mit einer
  Suizidhilfeorganisation geleistet werden, wenn er sich überzeugt hat, dass die
  Voraussetzungen erfüllt sind.
Handlungen, die -möglicherweise oder sicher- den
Eintritt des Todes beschleunigen
2. Kontrovers diskutierte Handlungen (Forts.)

 Begleitung beim freiwilligen Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit
   In der Sterbephase nehmen Durst- und Hungergefühl physiologisch
    ab, Verzicht leicht  Mundpflege, Erklärung an Angehörige

   Bewusst vor Eintritt der Sterbephase  Versicherung der
    Urteilsfähigkeit. Wie weit kann / soll Patient unterstützt werden?

   Sedierung zur Unterdrückung von Hunger- und Durstgefühl ist nicht
    zulässig (kein refraktäres Symptom).
3. Nicht zulässige Handlungen

 Tötung auf Verlangen (Euthanasie)
 Tötung ohne entsprechendes Verlangen

              Bosshard G et al. JAMA 2016
Grenzen unserer Zuständigkeit

 Schwierige Familiensituationen, ungelöste Konflikte

 Lebensgeschichte des Patienten

 Schicksal der Diagnose

 Unerfüllbare Wünsche und Hoffnungen

 Wir können vieles nicht (mehr) ändern, aber wir können zuhören, «mit leiden»
und aushalten
Grenzen unserer Zuständigkeit

 Was ist die Kernkompetenz jedes Teammitgliedes?
   Eigene Grenzen eingestehen, Kompetenzen der anderen anerkennen
   Verantwortung teilen!

 Offenheit im Team: wo komme ich persönlich an Grenzen (eigene Geschichte,
  persönliche Einstellung)

 Wo kommen wir als Team an Grenzen? Wie gehen wir damit um? Wechsel des
  Behandlungsteams als Lösung?
Strukturelle Grenzen

 Politische und ökonomische Rahmenbedingungen
   DRG
   Finanzierung der Langzeitpflege

 Sicherheit für Patient und Angehörige: Erreichbarkeit im Notfall?

 Wunsch zu Hause zu bleiben bei Pflegebedarf rund um die Uhr
Wer Grenzen nicht respektiert und
beachtet kann scheitern…

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
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