MUSIK FEST BERLIN 9.9. 2019 - Berliner ...

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MUSIK FEST BERLIN 9.9. 2019 - Berliner ...
Berliner Festspiele     # musikfestberlin

      MUSIK
       FEST                                 In Zusammen­

      BERLIN
                                            arbeit mit
                                            der Stiftung
                                            Berliner
                                            Philharmoniker

9.9.
2019
          Liederabend
          Georg Nigl &
          Olga Pashchenko
MUSIK FEST BERLIN 9.9. 2019 - Berliner ...
Berliner Festspiele

 Orchester – expanded!

 10.9.             Di     20:00
                   Philharmonie   15.9.            So     11:00
                                                   Philharmonie

 Alfred Schnittke                 Helmut Lachenmann
 Symphonie Nr. 1                  Tanzsuite mit Deutschlandlied
                                  Musik für Orchester mit Streichquartett
 Anton Bruckner
 Symphonie Nr. 6 A-Dur            Richard Strauss
                                  Ein Heldenleben
 Münchner Philharmoniker          Symphonische Dichtung op. 40
 Valery Gergiev Leitung
                                  Jack Quartet
                                  Junge Deutsche Philharmonie
                                  Jonathan Nott Leitung
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MUSIK
30.8.–

   FEST
19.9.
2019     In Zusammen­­-

  BERLIN
         arbeit mit
         der Stiftung
         Berliner
         Philharmoniker
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Bildnachweise

S. 6    H
         erbert Bayer, Einsamer Großstädter, 1932 / 1969, Fotomontage,
        Foto: Christian P. Schmieder
S. 8    F
         ranz Schubert, Graphische Sammlung Albertina Wien,
        Foto: Wikimedia Commons
S. 20   P
         ortrait von Franz Schubert
        nach einem Aquarell von Wilhelm August Rieder,
        1825, Foto: Wikimedia Commons
S. 21   W
         olfgang Rihm © Universal Edition Eric Marinitx
S. 22   L
         udwig van Beethoven, 1818, Zeichnung von August von Klober,
        Foto: Wikimedia Commons
S. 23   O
         lga Pashchenko © Melle Meivogel
S. 24   G
         eorg Nigl © Anita Schmid
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MUSIKFEST BERLIN 2019

                    Montag
                    9. September
                    20:00 Uhr

Konzertprogramm                             S. 5

Lieder singen
Gespräch mit Georg Nigl                     S. 6

Liedtexte                                   S. 11

Komponisten                                 S. 20

Interpret*innen                             S. 23

Musikfest Berlin 2019 im Radio und online   S. 29

Musikfest Berlin 2019 Programmübersicht     S. 30

Impressum                                   S. 32

                3
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PROGRAMM

      Liederabend
      Georg Nigl & Olga Pashchenko

                              Franz Schubert (1797– 1828 )
                              Die Taubenpost G-Dur   D 957 (1828/29 )
                              Die Forelle  Des-Dur   op. 32    D 550 (1816/17 )
                              Der Wanderer an den Mond G-Dur   op. 80/1    D 870 (1826/27 )
                              Das Zügenglöcklein As-Dur   op. 80/2    D 871 (1826/27 )
                              Im Freien  Es-Dur   D 880 (1826 )
                              Die Sommernacht C-Dur   D 289 (1815 )
                              Abendstern A-Dur   D 806 (1824 )
                              Fischerweise  D-Dur   op. 96/4    D 881 (1826/28 )

                              Ludwig van Beethoven (1770 – 1827 )
                              An die ferne Geliebte op. 98 (1816 )
                              Liederzyklus nach Gedichten von Alois Jeitteles

                              I     Auf dem Hügel sitz ich spähend
                              II    Wo die Berge so blau
                              III   Leichte Segler in den Höhen
  Montag,   9.9.              IV    Diese Wolken in den Höhen
                              V     Es kehret der Maien, es blühet die Au
  20:00                       VI    Nimm sie hin denn, diese Lieder

  Kammermusiksaal             Pause

                              Wolfgang Rihm (*1952 )
  Einführung 19:10            Vermischter Traum
                              Gryphius-Stück für Bariton und Klavier (2017 )
  Ausstellungsfoyer           Uraufführung
des Kammermusiksaals          Kompositionsauftrag der
                              Berliner Festspiele / Musikfest Berlin

                              Franz Schubert
                              Der Winterabend B-Dur   D 938 (1828 )
                              Die Sterne Es-Dur   op. 96/1    D 939 (1828 )
                              An die Musik D-Dur   op. 88/4    D 547 (1817 )
                              Abschied G-Dur   D 475 (1816 )

                              Georg Nigl Bariton
                              Olga Pashchenko Klavier

                       Eine Veranstaltung der Berliner Festspiele   /   Musikfest Berlin

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GESPRÄCH

Lieder singen
Georg Nigl im Gespräch
mit Barbara Barthelmes

              6
GESPRÄCH

Im Zentrum Ihres Liederabends steht Wolfgang             Schubert hat ja eine ganz eigene Weise, diese
Rihms Vermischter Traum, Gryphius-Stück für              Inhalte in Musik zu verwandeln.
Bariton und Klavier, eingebettet in einen Reigen         Und Rihm wiederum auch. Wie gehen Sie
von Schubert- und Beethoven-Liedern.                     mit den unterschiedlichen Texten und Modi
Wie ist dieses Programm zustande gekommen?               des musikalischen Ausdrucks um?

Ich möchte zunächst kurz erzählen, wie Wolfgang          Zunächst, man muss sehr aufpassen bei der
Rihm überhaupt dazu gekommen ist, diesen                 Vertonung von romantischen Texten. Zum Beispiel
Gryphius-Text zu vertonen. Vor zwei Jahren war           glauben alle, dass Die Forelle ein lustiges Lied ist,
ich für seine Oper Jakob Lenz in Berlin. Bei einem       aber eigentlich ist es ein hoch politisches Lied *.
Interview fiel ein Gryphius-Zitat. Mir war Gryphius      Man darf auch nicht vergessen, in welcher Zeit
schon begegnet, denn er ist ein Autor, den meine         diese Lieder geschrieben worden sind, zur Zeit des
Freundin sehr schätzt. Daraufhin fing ich an, seine      Metternich-Staats in Österreich. Und wir wissen
Gedichte zu lesen. Da ich wusste, dass es Wolfgang       nicht sehr viel über Schuberts politische Haltung,
in dieser Zeit nicht besonders gut ging, habe ich        über die von Beethoven schon etwas mehr. Was
ihm diese Texte als Trost geschickt. Gryphius ist in     Wolfgang Rihm betrifft, so wie ich ihn lese, sind
diesen Texten sehr radikal in der Selbstbeschau.         das sehr intime Lieder, die er da geschrieben hat.
Allerdings habe ich ihm die Texte nicht geschickt,
weil ich hoffte, dass er sie für mich vertonen           Was ist für Sie an den Liedern von Rihm wichtig,
würde, sondern einfach von Freund zu Freund.             warum singen Sie Rihm?
Später hat sich herausgestellt, dass er das zum
Anlass genommen hat, wieder zu komponieren.              Warum singe ich Rihm? Ich habe mir über die Jahre
Das hat mich sehr berührt und es freut mich auch,        eine gewisse Anzahl von Komponisten und ihre
dass er das letztlich für mich geschrieben hat.          Werke erarbeitet. Die Musiksprache von Mozart
Somit war auch klar, dass das zur Uraufführung           ist der von Haydn noch sehr ähnlich. In der zeit­-
gebracht werden muss. Gryphius ist ein Autor,            genössischen Musik allerdings werde ich mit den
der den 30-jährigen Krieg erlebt hat und trotz aller     verschiedensten Musiksprachen konfrontiert,
Verluste immer positiv geblieben ist. Auch bei           zwischen denen sich kaum Verbindungen her­
ihm findet sich diese Sehnsucht und die typische         stellen lassen. Wolfgang Rihm ist jedoch einer der
Melancholie, die man ja in der Kunst über Jahr­          Komponisten, der auf eine sehr klassische Art und
hunderte hinweg immer wieder aufgegriffen hat.           Weise die Stimme behandelt. Er ist ein Rhetoriker.
Ich habe dann Musik gesucht, die dazu passen             Er weiß, was ein Text ist. Bei ihm muss man sehr
könnte. Zu dieser Zeit hatte ich sowieso den Plan,       genau darauf achten, was die Interpunktions­
mich wieder an einen großen Zyklus heran­                zeichen bedeuten. Die sollte man niemals über-
zuwagen, so wie ich es vor einigen Jahren mit            lesen. Er ist ein sehr genauer Komponist und steht
Brahms-Liedern und auch mit der Winterreise              mit seiner Art und Weise zu komponieren in einer
gemacht habe. Auch war es wieder an der Zeit,            musikalischen Tradition, die mir sehr vertraut ist.
mich mit Beethoven zu beschäftigen. Es haben             Er ist niemand, der völlig frei irgendwohin experi-
also gar nicht so sehr inhaltliche Über­legungen zu      mentiert und Musik nur als Vehikel benutzt, was es
dieser Zusammenstellung geführt. Obwohl man              ja auch gibt. Ich habe überhaupt keine Schwierig-
diese sehr romantischen Lieder und Texte immer           keiten, ihn in einen Kontext mit Brahms, Wolf oder
sehr leicht mit anderen Liedern verbinden kann.          in diesem Fall mit Schubert und Beethoven zu
Natürlich ist dieses „Ich hier – ihr dort“ – und diese   setzen. Das ist eigentlich sogar eher einfach und
Konfrontation mit dem eigenen Ich der innere             naheliegend. Bei anderen Komponisten tue ich mir
Kern der Überlegung.                                     schwerer und muss mir sehr genau über­­legen, wie
                                                         etwas überhaupt zusammenpassen könnte.

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abliefere, mit mir überhaupt nichts zu tun. Wenn
                                                       der nach dutzenden Vorstellungen etwas
                                                       mit mir persönlich zu tun hätte, wäre ich heute
                                                       in der Psychiatrie. Da tasten wir uns an ganz
                                                       schwierige Fragen heran. Oder denken wir an
                                                       Schuberts Lied Sei mir gegrüßt, das er als 25-Jähri-
                                                       ger geschrieben hat. Und dann schreibt er kurz
                                                       vor seinem Tod diese Fantasie C-Dur für Violine
                                                       und Klavier, in der dieses Sei mir gegrüßt wieder­
                                                       auftaucht. Ist das nun ein Mensch, der an Syphilis
                                                       leidet und weiß, dass er stirbt und sich an eine
                                                       vergangene Liebe erinnert? Oder ist es einfach nur
                                                       eine Melodie, die ihm gut gefallen hat? Ich weiß
                                                       es nicht. Da werde ich als Interpret zu einem
                                                       Suchenden, bleibe aber auch immer mit offenen
                                                       Fragen zurück. Doch genau das ist das Interes­
                                                       sante und Spannende, wenn man einen Lieder-
                                                       abend konzipiert. Man nähert sich dem Gegenüber
                                                       an, dem Komponisten oder dem Schriftsteller,
                                                       der vertont wurde. Aber sie bleiben einander auch
                                                       immer fern. Der Lied-Gesang richtet es sich ja
Welche Rolle spielt das Wissen über den                immer an die fernen Geliebten …
Komponisten, über seine persönliche
Lebens­situation für Ihre Interpretation?              Man braucht also unbedingt ein Wechselspiel
Wie weit identifizieren Sie sich damit?                zwischen Distanz und Nähe, um eine Spannung
                                                       zu diesem künstlerischen Subjekt aufzubauen,
Bei solchen Fragen muss man immer sehr vorsich-        um eine Interpretation überhaupt zu bewirken?
tig sein. Natürlich ist jede Arbeit, die wir machen,   Wie verhält es sich mit dem Dialog mit dem
auch persönlich konnotiert. Wir sind immer auf         Publikum?
der Suche nach Erklärungen für etwas, das wir
nicht erklären können. Beim Unterrichten meiner        Genau. Aber da haben wir beim Liedgesang noch
Studenten kann ich immer wieder sehen, dass es         ein weiteres Problem, nämlich, dass der Lied-
letztlich nicht so wichtig ist, ob jemand irgenwann    Gesang innerhalb der sogenannten klassischen
einmal eine Liebe erlebt hat, die nicht gelungen ist   Musikwelt eine Spezialform darstellt. Es gibt ein
und deswegen jetzt ein guter Interpret für melan-      Publikum, das sich speziell für das Kunstlied
cholische Lieder ist. Dennoch wirft das Fragen auf,    interessiert und zu Hause über Jahrzehnte hinweg
für die man Antworten finden muss.                     die verschiedenen Aufnahmen gesammelt hat.
Zum Beispiel hat mich die berühmte Aufforderung        Da ist eine Erwartungshaltung gegenüber Liedern
Stanislawskis an die Schauspieler, die sinngemäß       und ihrer Interpretation entstanden. Ich selbst höre
lautet „Spiel nicht, sei!“ lange beschäftigt. Was      mir aber überhaupt keine Aufnahmen an. Denn
heißt das eigentlich? Oder die Frage, warum            die Problematik, die ich in den unglaublich vielen
Sänger andauernd süß singen, wenn es „süß“             Aufnahmen der 1950er und 60er Jahren empfinde,
heißt oder blau singen, wenn es „blau“ heißt?          ist, dass sie auf dem falschen Notenmaterial,
Jetzt bin ich bei der Frage, inwieweit das Persön-     nämlich schlecht recherchierten, musikwissen-
liche innerhalb der Inter­pretation eine Notwendig-    schaftlich nicht fundierten Abschriften basieren,
keit hat und welchen Platz man ihm einräumen           und ich heute durch das Lesen der Urtext-Noten
kann und welchen Platz man ihm nicht einräumen         oder von den wichtigen Bibliotheken im Netz
kann. Glauben Sie, wenn ich vor zwei Tagen in          mittlerweile verfügbar gemachten Original-Hand-
Aix-en-Provence auf der Bühne gestanden und            schriften zu einem ganz anderen Schluss kommen
den Lenz von Wolfgang Rihm gesungen habe,              muss. Dennoch bin ich mit einem Publikum kon-
dann hat die Figur des Lenz, die ich um 20 Uhr dort    frontiert, das den Kanon der Rezeptionsgeschichte

                                       8
GESPRÄCH

dieser Lieder, über Schallplatte, CD usw., gut         Diese Lieder wie die von Schubert sind ja eher
kennt und auch die Stimm­färbung ihrer Lieblings-      für die Aufführung in einem intimen Kreis, in
sänger unbewusst präferiert. Dazu kommt noch,          kleineren Räumen, für die Kammermusik kreiert
dass Lieder wie die von Schubert und anderen           worden und sie lebten von einer Musikkultur,
niemals dazu gedacht waren, in einem Konzert           die von der Hausmusik, vom Selbersingen
aufgeführt zu werden. Das ist das Spannende und        geprägt war und nicht wie heute von einem
gleichzeitig das Heikle, darin liegt eine Herausfor-   medial vermittelten Musikhören.
derung bei der Gestaltung eines Liederabends.
Für mich aber ist überhaupt das Tollste an einem       Ja, sie gehören nicht in einen Saal mit tausend
Liederabend, dass ich keinem Dirigenten, keinem        Leuten. Dazu kommt das Problem, dass diese
Regisseur, keinem Intendanten und niemandem            Lieder damals auch komponiert wurden, um sie
verpflichtet bin.                                      zu Hause für sich selbst zu singen. Heutzutage hat
                                                       man zu viel Respekt davor, ein Schubertlied
Der Liederabend als ein Format, das große              überhaupt in die Hand zu nehmen, obwohl das
künstlerische Freiheit ermöglicht?                     völliger Blödsinn ist. Man musiziert das auch nicht
                                                       mehr zu Hause. Ich weiß nicht, wie viele Menschen
Ja, und auch wieder nicht. Die Erwartungshaltung       es in Deutschland oder Österreich gibt, die zu
des Publikums und die Tatsache, dass Lieder­           Hause für sich selbst Lieder singen. Als ich studiert
abende immer weniger werden, oder kaum noch            habe, hatte ich einen Freund, zu dem ich immer
veranstaltet werden, was sich im Moment gerade         gegangen bin und wir haben Schach gespielt,
wieder zuspitzt, das beeinflusst einen natürlich       Salami gegessen – weil es nichts Anderes im Kühl-
auch. Aber ich wehre mich dagegen.                     schrank gab – und Lieder gesungen. Deswegen
     Es natürlich notwendig, eine Verbindung           kenne ich so unglaublich viele Lieder. Der war
zwischen Komponisten und Interpreten zu haben.         Arzt, hat auf seinen Turnusdienst im Spital
Wie fruchtbar das war, sieht man an der Geschich-      gewartet und hatte deswegen viel Zeit. Gut Klavier
te der Liedinterpretation. Als allererstes fallen      spielen konnte er auch und so haben wir einfach
mir Franz Schubert und Johann Michael Vogl oder        immer die Lieder durchgesungen. Alle Bände von
Benjamin Britten und Peter Pears ein. Aber wir         Schubert, alle Bände von Schumann, alle von
vergessen immer wieder, dass wir nicht alleine in      Brahms. Das ist auch der Grund, warum ich heute
der Welt rumschwirren. Man muss einfach sagen,         diese Lieder alle kenne.
dass sich das Publikum verändert hat. Es ist immer
noch klug und interessiert, die Theater sind noch      Zwischen dem Singen im Privaten, zuhause
immer voll. Auch diesen Starrummel, wie es ihn         und dem in der Öffentlichkeit vor Publikum ist
noch vor einigen Jahrzehnten gegeben hat, den gibt     doch ein großer Unterschied. Was passiert,
es so heute in der klassischen Musik nicht mehr.       wenn man als Sänger diese Liedkultur auf einer
Die Zeit, in der ein berühmter Sänger, wenn er         Bühne präsentiert?
Liederabende in Berlin gegeben hat, nur in der
Berliner Staatsoper singen konnte, weil die Leute      Für mich war das anfangs total schockierend. Als
ihm einfach die Bude eingerannt haben, sind            ich anfing, Lieder zu singen und zum ersten Mal
vorbei. Vielleicht hat man sich da auch zu lange       auf der Bühne stand, habe ich mich überhaupt
darauf verlassen und war überrascht, als es nicht      nicht ausgekannt, was da jetzt überhaupt los ist.
mehr funktionierte. Ich bin sicher, dass in den             Es beginnt alleine schon damit, dass Sie nicht
letzten 20 Jahren meine Interpreten-Kolleg*innen       neben, sondern vor einem Klavier stehen. Sobald
nicht plötzlich alle schlecht waren und deswegen       Sie auf einer Bühne stehen, haben Sie eine andere
die Leute nicht mehr in Liederabende gehen. Ich        Aufmerksamkeit. Jemand, der einen halben Meter
denke vielmehr, dass sich das Selbstverständnis        über den anderen steht, der muss wirklich was zu
der Künstler selbst gewandelt hat und die Situa-       sagen haben. Denken Sie aber mal darüber nach,
tion auf dem Musikmarkt ebenso.                        was es bedeutet oder bewirkt, wenn die Hand zum
     Letztlich muss ich mich als Interpret auf         Klavier geht? Die schwierige Aufgabe ist aber, wie
meine Arbeit konzentrieren und sie so gut wie          bringe ich die Hand vom Klavier wieder zurück?
möglich zu machen.                                     Das sind so scheinbare Kleinigkeiten, Gesten, die

                               9
GESPRÄCH

in dieser Bühnensituation eine große Bedeutung        Monteverdi usw. Und da stellt sich dann, in Bezug
bekommen. Darüber kann man ganz gut beim              auf einen Liederabend, die Frage nach dem Klavier,
Goethe nachlesen, der eine Reihe Regeln für Schau-­   was das eigentlich ist und woher es kommt. Und:
spieler formuliert hat (in seinen „Theoretischen      Für welche Art von Klavier hat einer wie Schubert
Schriften“), in denen er genauestens auflistet, wie   geschrieben?
ein Schauspieler sich zu verhalten hat. Diesen so          Jetzt kommt das Fortepiano (Hammerklavier)
vom Goethe imaginierten Schauspieler möchte           ins Spiel. Ich will da gar nicht darüber reden, ob
ich gar nicht gesehen haben, aber was er da er­-      das schöner, besser oder richtiger wäre. Bei einer
zählt, ist für einen Liederabend sehr interessant.    Pianistin, die so vielseitig ist wie Olga Pashchenko,
     Das sind Gesten, die ich auf einer Opernbühne    die Fortepiano und Cembalo spielt, Organistin
nicht verwenden würde, anders als die typische        und Pianistin ist, habe ich einfach den Vorteil, dass
Hand, die nach außen fährt, wo man sofort „Gloria     ich über gewisse Musiksprachen und Interpreta­
Tosca“ sagt, Dinge, die man aus der Oper kennt.       tionen gar nicht reden muss. Zum Beispiel über
Bei mir werden Sie das allerdings nicht finden.       die berühmte Vibrato-Frage: Gehen Sie einmal in
Ich nehme übrigens immer Noten mit, weil ich mich     eine Barockkirche, singen mit Vibrato und ver­
an den Noten festhalten kann, weil es aber auch       suchen, den Leuten den Text klarzumachen – es
wie ein Vorleben des Singens selbst ist. Das hat      geht nicht. Deswegen hat man in der Barock-
nichts damit zu tun, dass ich es nicht auswendig      musik mit weniger Vibrato gesungen, das ist
lernen kann.                                          der einzige Grund, denn sonst wäre es ein totales
                                                      Kauderwelsch. Heute ist das Vibrato aufgrund
Mehr ein Requisit, ein Bestandteil der                der Re­zeptionsgeschichte im 19. Jahrhundert eine
Aufführung?                                           vielgeliebte und vielgepriesene Interpretations­
                                                      farbe eines Sängers. Im 18. Jahrhundert hätte man
Ja, natürlich. Und es kommt der Genauigkeit, mit      ganz anders darüber geredet, da war das Vibrato
der ich arbeite, sehr entgegen. Jedes Komma, jeden    nur eine Art des Singens unter anderen. Über
Beistrich, jeden Punkt – alles sehe ich dabei klar    solche Dinge möchte ich mit meinen Begleitern –
vor mir.                                              ob wir Schuberts Werke oder die älterer Kompo­
                                                      nisten spielen – nicht einmal reden müssen. Ich
An einem Liederabend sind immer zwei                  kann es nicht ertragen, wenn ein Pianist einen
Personen beteiligt, in Ihrem Fall ist das die         Triller spielt, der keinen Anfang und kein Ende hat.
Pianistin Olga Pashchenko.                            Wenn es nur ein rein technisches Fingerspiel ist,
Wie sind Sie zusammengekommen und                     da wird es für mich ganz schwierig. Solche und
wie musizieren Sie zusammen?                          andere Fragen nehme ich sehr ernst, ob das jetzt
                                                      gerade en vogue ist oder nicht, ist mir herzlich egal.
Ich arbeite meistens nicht mit sogenannten Lied-      Das ist mein Zugang zu dieser Art von Musik,
begleitern. Das hätte zwar Vorteile und es gibt       egal ob alt oder neu.
hervorragende Kollegen, die sich wunderbar auf
den Sänger einstellen können und mit denen man            10. Juli 2019
innerhalb von fünf Stunden einen Liederabend
klären kann, weil beide das Repertoire gut kennen.
                                                      * Der Textdichter Schubart wurde von 1777 bis 1778
Ich wollte aber eigentlich immer Kammermusik          aufgrund seiner Kritik an Adel und Klerus gefangen
machen, weswegen ich mich immer mit Kammer-           gehalten. Das Gedicht Die Forelle entstand während
musikern zusammengetan habe. Zum Beispiel             seiner Gefangenschaft. So erscheint auch eine
                                                      politische Deutung des Gedichts möglich, die zu den
mit Gérard Wyss, der ein bekannter Liedbegleiter      Bedeutungsebenen „Fisch und Angler“ und „Mädchen
und ein großer Kammermusiker ist. Oder mit            und Männer“ hinzutritt. In dieser Sicht verknüpft
dem Pianisten Sascha Melnikov, der sowohl als         sich mit dem Text ein aufklärerischer Gedanke, wobei
                                                      die Gefangennahme des Dichters mit dem Fang der
Solist als auch als Kammermusiker auftritt,           Forelle gleichgesetzt wird. Die Entstehungszeit des
letzteres oft mit der Geigerin Isabelle Faust. Ich    Liedes fällt auch mit den zunehmenden Repressalien
glaube, man sollte die Musikgeschichte nicht von      des Metternich-Staates zusammen. Es wäre denkbar,
                                                      dass Schubert bewusst die vierte Strophe des Gedichts
heute aus sozusagen rückwärts lesen, sondern          weggelassen hat, um die politische Bedeutungsebene
chrono­logisch, von Josquin Desprez über Claudio      zu stärken.

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LIEDTEXTE

Franz Schubert
Die Taubenpost                                               Die Forelle
Ich hab’ eine Brieftaub’ in meinem Sold,                     In einem Bächlein helle,
Die ist gar ergeben und treu,                                Da schoss in froher Eil
Sie nimmt mir nie das Ziel zu kurz,                          Die launige/launische Forelle
Und fliegt auch nie vorbei.                                  Vorüber wie ein Pfeil.
                                                             Ich stand an dem Gestade
Ich sende sie viel tausendmahl                               Und sah in süßer Ruh
Auf Kundschaft täglich hinaus,                               Des muntern Fisches Bade
Vorbei an manchem lieben Ort,                                Im klaren Bächlein zu.
Bis zu der Liebsten Haus.
                                                             Ein Fischer mit der Rute
Dort schaut sie zum Fenster heimlich hinein,                 Wohl an dem Ufer stand,
Belauscht ihren Blick und Schritt,                           Und sah‘s mit kaltem Blute,
Gibt meine Grüße scherzend ab,                               Wie sich das Fischlein wand.
Und nimmt die ihren mit.                                     So lang dem Wasser Helle,
                                                             So dacht ich, nicht gebricht,
Kein Briefchen brauch’ ich zu schreiben mehr,                So fängt er die Forelle
Die Träne selbst geb ich ihr,                                Mit seiner Angel nicht.
Oh, sie verträgt sie sicher nicht,
Gar eifrig dient sie mir.                                    Doch plötzlich/endlich ward dem Diebe
                                                             Die Zeit zu lang. Er macht
Bei Tag, bei Nacht, im Wachen und Traum,                     Das Bächlein tückisch trübe,
Ihr gilt das alles gleich,                                   Und eh ich es gedacht,
Wenn sie nur wandern, wandern kann,                          So zuckte seine Rute,
Dann ist sie überreich!                                      Das Fischlein zappelt dran,
                                                             Und ich mit regem Blute
Sie wird nicht müd, sie wird nicht matt,                     Sah die Betrogene an.
Der Weg ist stets ihr neu,
Sie braucht nicht Lockung, braucht nicht Lohn,               Text:
Die Taub’ ist so mir treu!                                   Christian Friedrich Daniel Schubart
                                                             (1739 – 1791)
Drum heg’ ich sie auch so treu an der Brust,
Versichert des schönsten Gewinns;
Sie heißt – die Sehnsucht! Kennt ihr sie? – kennt ihr sie?
Die Botin treuen Sinns.

Text: Johann Gabriel Seidl
(1804 – 1875)

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LIEDTEXTE

Der Wanderer an den Mond
Ich auf der Erd‘, am Himmel du
Wir wandern beide rüstig zu: –
Ich ernst und trüb, du mild und rein,
Was mag der Unterschied wohl sein?

Ich wandre fremd von Land zu Land,
So heimatlos, so unbekannt;
Bergauf, bergab, waldein, waldaus,
Doch bin ich nirgend, ach! zu Haus.          Das Zügenglöcklein
Du aber wanderst auf und ab                  Kling‘ die Nacht durch, klinge,
Aus Westens Wieg‘ in Ostens Grab,            Süßen Frieden bringe
Wallst Länder ein und Länder aus,            Dem, für wen du tönst!
Und bist doch, wo du bist, zu Haus.          Kling‘ in weite Ferne,
                                             So du Pilger gerne
Der Himmel, endlos ausgespannt,              Mit der Welt versöhnst!
Ist dein geliebtes Heimatland:
O glücklich, wer, wohin er geht,             Aber wer will wandern
Doch auf der Heimat Boden steht!             Zu den lieben Andern,
                                             Die voraus gewallt?
Text: Johann Gabriel Seidl                   Zog er gern die Schelle?
(1804 – 1875)                                Bebt er an der Schwelle,
                                             Wann Herein erschallt?

                                             Gilt‘s dem bösen Sohne,
                                             Der noch flucht dem Tone,
                                             Weil er heilig ist?
                                             Nein, es klingt so lauter,
                                             Wie ein Gottvertrauter
                                             Seine Laufbahn schließt.

                                             Aber ist‘s ein Müder,
                                             Den verwaist die Brüder,
                                             Dem ein treues Tier
                                             Einzig ließ den Glauben
                                             An die Welt nicht rauben,
                                             Ruf ihn, Gott, zu dir!

                                             Ist‘s der Frohen einer,
                                             Der die Freuden reiner
                                             Lieb und Freundschaft teilt,
                                             Gönn ihm noch die Wonnen
                                             Unter dieser Sonnen,
                                             Wo er gerne weilt!

                                             Text: Johann Gabriel Seidl
                                             (1804 – 1875)

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LIEDTEXTE

Im Freien
Draußen in der weiten Nacht
Steh ich wieder nun,
Ihre helle Sternenpracht
Lässt mein Herz nicht ruhn!

Tausend Arme winken mir               Die Sommernacht
Süß begehrend zu,
Tausend Stimmen rufen hier,           Wenn der Schimmer von dem Monde nun herab
„Grüß dich, Trauter, du!“             In die Wälder sich ergießt, und Gerüche
                                      Mit den Düften von der Linde
O ich weiß auch, was mich zieht,      In den Kühlungen wehn:
Weiß auch, was mich ruft,
Was wie Freundes Gruß und Lied        So umschatten mich Gedanken an das Grab
Locket, locket durch die Luft.        Meiner Geliebten, und ich seh‘ im Walde
                                      Nur es dämmern, und es weht mir
Siehst du dort das Hüttchen stehen,   Von der Blüte nicht her.
Drauf der Mondschein ruht?
Durch die blanken Scheiben sehn       Ich genoß einst, o ihr Toten, es mit euch!
Augen, die mir gut!                   Wie umwehten uns der Duft und die Kühlung,
                                      Wie verschönt warst von dem Monde,
Siehst du dort das Haus am Bach,      Du, o schöne Natur!
Das der Mond bescheint?
Unter seinem trauten Dach             Text: Friedrich Gottlieb Klopstock
Schläft mein liebster Freund.         (1724  – 1803)

Siehst du jenen Baum.
Der voll Silberflocken glimmt?
O wie oft mein Busen schwoll
Froher dort gestimmt!
                                      Abendstern
Jedes Plätzchen, das mir winkt
Ist ein lieber Platz,                 Was weilst du einsam an dem Himmel,
Und wohin ein Strahl nur sinkt,       O schöner Stern? und bist so mild;
Lockt ein teurer Schatz.              Warum entfernt das funkelnde Gewimmel
                                      Der Brüder sich von deinem Bild?
Drum auch winkt mir‘s überall         „Ich bin der Liebe treuer Stern,
So begehrend hier,                    Sie halten sich von Liebe fern.“
Drum auch ruft es, wie der Schall
Trauter Liebe mir.                    So solltest du zu ihnen gehen,
                                      Bist du der Liebe, zaud‘re nicht!
Text: Johann Gabriel Seidl            Wer möchte denn dir widerstehen?
(1804 – 1875)                         Du süßes eigensinnig Licht.
                                      „Ich säe, schaue keinen Keim,
                                      Und bleibe trauernd still daheim.“

                                      Text: Johann Baptist Mayrhofer
                                      (1787 – 1836)

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LIEDTEXTE

                                             Ludwig van
                                             Beethoven

Fischerweise                                 An die ferne Geliebte
Den Fischer fechten Sorgen
Und Gram und Leid nicht an,                  Auf dem Hügel sitz ich spähend
Er löst am frühen Morgen
Mit leichtem Sinn den Kahn.                  Auf dem Hügel sitz ich spähend
                                             In das blaue Nebelland,
Da lagert rings noch Friede                  Nach den fernen Triften sehend,
Auf Wald und Flur und Bach,                  Wo ich dich, Geliebte, fand.
Er ruft mit seinem Liede
Die gold‘ne Sonne wach.                      Weit bin ich von dir geschieden,
                                             Trennend liegen Berg und Tal
Er singt zu seinem Werke                     Zwischen uns und unserm Frieden,
Aus voller frischer Brust,                   Unserm Glück und unsrer Qual.
Die Arbeit gibt ihm Stärke,
Die Stärke Lebenslust!                       Ach, den Blick kannst du nicht sehen,
                                             Der zu dir so glühend eilt,
Bald wird ein bunt Gewimmel                  Und die Seufzer, sie verwehen
In allen Tiefen laut,                        In dem Raume, der uns teilt.
Und plätschert durch den Himmel
Der sich im Wasser baut –                    Will denn nichts mehr zu dir dringen,
                                             Nichts der Liebe Bote sein?
Und schlüpft auf glatten Steinen             Singen will ich, Lieder singen,
Und badet sich und schnellt,                 Die dir klagen meine Pein!
Der Große frisst den Kleinen
Wie auf der ganzen Welt.                     Denn vor Liedesklang entweichet
                                             Jeder Raum und jede Zeit,
Doch wer ein Netz will stellen               Und ein liebend Herz erreichet
Braucht Augen klar und gut,                  Was ein liebend Herz geweiht!
Muss heiter gleich den Wellen
Und frei sein wie die Flut;

Dort angelt auf der Brücke
Die Hirtin – schlauer Wicht,
Gib auf nur deine Tücke
Den Fisch betrügst du nicht!

Text:
Franz Xaver Schlechta von Wschehrd
(1796 – 1875)

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LIEDTEXTE

Wo die Berge so blau

Wo die Berge so blau
Aus dem nebligen Grau
Schauen herein,
Wo die Sonne verglüht,
Wo die Wolke umzieht,                  Diese Wolken in den Höhen
Möchte ich sein!
                                       Diese Wolken in den Höhen,
Dort im ruhigen Tal                    Dieser Vöglein muntrer Zug,
Schweigen Schmerzen und Qual           Werden dich, o Huldin, sehen.
Wo im Gestein                          Nehmt mich mit im leichten Flug!
Still die Primel dort sinnt,
Weht so leise der Wind,                Diese Weste werden spielen
Möchte ich sein!                       Scherzend dir um Wang‘ und Brust,
                                       In den seidnen Locken wühlen.
Hin zum sinnigen Wald                  Teilt ich mit euch diese Lust!
Drängt mich Liebesgewalt,
Innere Pein                            Hin zu dir von jenen Hügeln
Ach, mich zög‘s nicht von hier,        Emsig dieses Bächlein eilt.
Könnt ich, Traute, bei dir             Wird ihr Bild sich in dir spiegeln,
Ewiglich sein!                         Fließ zurück dann unverweilt!

Leichte Segler in den Höhen            Es kehret der Maien, es blühet die Au

Leichte Segler in den Höhen,           Es kehret der Maien, es blühet die Au,
Und du, Bächlein klein und schmal,     Die Lüfte, sie wehen so milde, so lau,
Könnt mein Liebchen ihr erspähen,      Geschwätzig die Bäche nun rinnen.
Grüßt sie mir viel tausendmal.
                                       Die Schwalbe, die kehret zum wirtlichen Dach,
Seht ihr, Wolken, sie dann gehen       Sie baut sich so emsig ihr bräutlich Gemach,
Sinnend in dem stillen Tal,            Die Liebe soll wohnen da drinnen.
Laßt mein Bild vor ihr entstehen
In dem luft‘gen Himmelssaal.           Sie bringt sich geschäftig von kreuz und von quer
                                       Manch weicheres Stück zu dem Brautbett hieher,
Wird sie an den Büschen stehen         Manch wärmendes Stück für die Kleinen
Die nun herbstlich falb und kahl.
Klagt ihr, wie mir ist geschehen,      Nun wohnen die Gatten beisammen so treu,
Klagt ihr, Vöglein, meine Qual.        Was Winter geschieden, verband nun der Mai,
                                       Was liebet, das weiß er zu einen.
Stille Weste, bringt im Wehen
Hin zu meiner Herzenswahl              Es kehret der Maien, es blühet die Au.
Meine Seufzer, die vergehen            Die Lüfte, sie wehen so milde, so lau.
Wie der Sonne letzter Strahl.          Nur ich kann nicht ziehen von hinnen.

Flüstr‘ ihr zu mein Liebesflehen,      Wenn alles, was liebet, der Frühling vereint,
Laß sie, Bächlein klein und schmal,    Nur unserer Liebe kein Frühling erscheint,
Treu in deinen Wogen sehen             Und Tränen sind all ihr Gewinnen.
Meine Tränen ohne Zahl!

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LIEDTEXTE

Nimm sie hin denn, diese Lieder

Nimm sie hin denn, diese Lieder,
Die ich dir, Geliebte, sang,
Singe sie dann abends wieder
Zu der Laute süßem Klang.

Wenn das Dämmrungsrot dann zieht
Nach dem stillen blauen See,
Und sein letzter Strahl verglühet
Hinter jener Bergeshöh;

Und du singst, was ich gesungen,
Was mir aus der vollen Brust
Ohne Kunstgepräng erklungen,
Nur der Sehnsucht sich bewußt:

Dann vor diesen Liedern weichet
Was geschieden uns so weit,
Und ein liebend Herz erreichet
Was ein liebend Herz geweiht.

                                         Wolfgang Rihm
Text des Liedzyklus:
Alois Jeitteles (1794 – 1858)

                                         Vermischter Traum
                                         1 Majestoso sostenuto
                                         Was ist diß Leben doch / was sind wir / ich und ihr?
                                         Was bilden wir uns ein! Was wünschen wir zu haben?

                                         2 Andante
                                         Mir sind die Jahre nicht die mir die Zeit genommen/
                                         Mein sind die Jahre nicht / die etwa möchten kommen
                                         Der Augenblick ist mein / und nehm‘ ich den in acht
                                         So ist der mein / der Jahr und Ewigkeit gemacht.

                                         3 Grave, ma non troppo
                                         Ich bin nicht der ich war / die Kräfte sind verschwunden/
                                         Die Glider sind verdorr’t / als ein durchbrandter Grauß:
                                         Mit schaut der schwartze Tod zu beyden Augen aus /
                                         Ich werde von mir selbst nicht mehr in mir gefunden
                                         Der Athem wil nicht fort / die Zunge steht gebunden /
                                         Wer siht nicht / wenn er siht die Adern sondern Mauß /
                                         Die Armen sonder Fleisch / daß diß mein schwaches Hauß
                                         Der Leib zerbrechen wird / noch inner wenig Stunden.
                                         Gleich wie die Wissen Blum lebt wenn das Licht der Welt
                                         Hervor bricht / und noch ehr der Mittag weggeht / fällt;
                                         So bin ich auch benetzt mit Thränen-tau angekommen:
                                         So sterb ich vor der Zeit. O Erden gute Nacht!

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LIEDTEXTE

Mein Stündlein laufft zum End / itzt hab ich außgewacht
Und werde von dem Schlaff des Todes eingenommen.

4 Andante
Mir sind die Jahre nicht die mir die Zeit genommen/
Mein sind die Jahre nicht / die etwa möchten kommen
Der Augenblick ist mein / und nehm‘ ich den in acht
So ist der mein / der Jahr und Ewigkeit gemacht.

5 Lento, ma non troppo
Mir ist ich weiß nicht wie / ich seuffze für und für.
Ich weyne Tag und Nacht / ich sitz in tausend Schmertzen;
Und tausend fürcht ich noch / die Krafft in meinem Herzen
Verschwindt / der Geist verschmacht / die Hände sincken mir.

Die Wangen werden bleich / der muntern Augen Zir
Vergeht / gleich als der Schein der schon verbrannten Kertzen
Die Seele wird bestürmbt gleich wie die See im Mertzen
Was ist diß Leben doch / was sind wir / ich und ihr?
Was bilden wir uns ein! Was wünschen wir zu haben?
Itzt sind wir hoch und groß / und morgen schon vergraben:
Itzt Blumen morgen Kot / wir sind ein Wind / ein Schaum /
Ein Nebel / eine Bach / ein Reiff / ein Tau‘ im Schaten
Itzt was und morgen nichts / und was sinhd unser Thaten?
Als ein mit herber Angst durchaus vermischter Traum.

6 Andante
Mir sind die Jahre nicht die mir die Zeit genommen/
Mein sind die Jahre nicht / die etwa möchten kommen
Der Augenblick ist mein / und nehm‘ ich den in acht
So ist der mein / der Jahr und Ewigkeit gemacht.

7 Con moto, appassionato
Was? Was ist diß Leben doch / was sind wir / ich und ihr?
Was bilden wir uns ein! Was wünschen wir zu haben?
Itzt sind wir hoch und groß / und morgen schon vergraben:
Itzt Blumen morgen Kot / wir sind ein Wind / ein Schaum /
Ein Nebel / eine Bach / ein Reiff / ein Tau‘ im Schaten
Itzt was und morgen nichts / und was sind unser Thaten?
Als ein mit herber Angst durchaus vermischter Traum.

Die Worte dieser Komposition stammen aus den folgenden
Gedichten von Andreas Gryphius (1616 – 1664):
XLV. Thränen in schwerer Kranckheit
LXXVI. Betrachtung der Zeit
IX. Thränen in schwerer Kranckheit

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LIEDTEXTE

                                                   Die Sterne
Franz Schubert                                     Wie blitzen
                                                   Die Sterne
                                                   So hell durch die Nacht!
Der Winterabend                                    Bin oft schon
                                                   Darüber
Es ist so still, so heimlich um mich,              Vom Schlummer erwacht.
Die Sonn‘ ist unter, der Tag entwich.
Wie schnell nun heran der Abend graut! –           Doch schelt‘ ich
Mir ist es recht, sonst ist mir‘s zu laut.         Die lichten
Jetzt aber ist‘s ruhig, es hämmert kein Schmied,   Gebilde d‘rum nicht,
Kein Klempner, das Volk verlief, und ist müd;      Sie üben
Und selbst, dass nicht rassle der Wagen Lauf,      Im Stillen
Zog Decken der Schnee durch die Gassen auf.        Manch heilsame Pflicht.

Wie tut mir so wohl der selige Frieden!            Sie wallen
Da sitz‘ ich im Dunkel, ganz abgeschieden,         Hoch oben
So ganz für mich; – nur der Mondenschein           In Engelgestalt,
Kommt leise zu mir in‘s Gemach                     Sie leuchten
Er kennt mich schon, und lässt mich schweigen,     Dem Pilger
Nimmt nur seine Arbeit, die Spindel, das Gold,     Durch Heiden und Wald.
Und spinnet stille, webt und lächelt hold
Und hängt dann sein schimmerndes Schleiertuch      Sie schweben
Ringsum an Gerät und Wänden aus.                   Als Bothen
Ist gar ein stiller, ein lieber Besuch,            Der Liebe umher,
Macht mir gar keine Unruh‘ im Haus‘.               Und tragen
Will er bleiben, so hat er Ort,                    Oft Küsse
Freut‘s ihn nimmer, so geht er fort.               Weit über das Meer.

Ich sitze dann stumm im Fenster gern‘,             Sie blicken
Und schaue hinauf in Gewölk‘ und Stern.            Dem Dulder
Denke zurück, ach! weit, gar weit,                 Recht mild in‘s Gesicht,
In eine schöne, verschwund‘ne Zeit.                Und säumen
Denk‘ an Sie, an das Glück der Minne,              Die Thränen
Seufze still‘, und sinne und sinne. –              Mit silbernem Licht.

Text: Karl Gottfried Ritter von Leitner            Und weisen
(1800 – 1890)                                      Von Gräbern
                                                   Gar tröstlich und hold
                                                   Uns hinter
                                                   Das Blaue
                                                   Mit Fingern von Gold.

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LIEDTEXTE

So sey denn
Gesegnet
Du strahlige Schar!
Und leuchte
Mir lange
Noch freundlich und klar.

Und wenn ich                                                    Abschied
Einst liebe,
Seyd hold dem Verein,                                           Über die Berge
Und euer                                                        Zieht ihr fort;
Geflimmer                                                       Kommt an manchen
Laßt Segen uns seyn.                                            Grünen Ort,
                                                                Muss zurücke
Text: Karl Gottfried Ritter von Leitner                         Ganz allein;
(1800 – 1890)                                                   Lebet wohl!
                                                                Es muß so seyn.
                                                                Scheiden,
                                                                Meiden,
                                                                Was man liebt,
                                                                Ach wie wird
                                                                Das Herz betrübt!
                                                                O Seenspiegel,
                                                                Wald und Hügel
                                                                Schwinden all‘;
                                                                Hör‘ verschwimmen
                                                                Eurer Stimmen
                                                                Wiederhall.
                                                                Lebt wohl!
                                                                Klingt klagevoll.
                                                                Ach wie wird
                                                                Das Herz betrübt!
                                                                Scheiden,
                                                                Meiden,
                                                                Was man liebt.

                An die Musik                                    Text: Johann Baptist Mayrhofer
                                                                (1787 – 1836)
                Du holde Kunst, in wie viel grauen Stunden,
                Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt,
                Hast du mein Herz zu warmer Lieb‘ entzunden,
                Hast mich in eine bessre Welt entrückt!

                Oft hat ein Seufzer, deiner Harf‘ entflossen,
                Ein süßer, heiliger Akkord von dir
                Den Himmel bessrer Zeiten mir erschlossen,
                Du holde Kunst, ich danke dir dafür!

                Text: Franz von Schober (1796 – 1882)

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BIOGRAFIEN – KOMPONISTEN

                                                       Er erhielt vom Grafen Esterházy das verlockende
                                                       Angebot, seinen beiden Töchtern Musikunterricht
                                                       zu erteilen, und so verbrachte er die Sommerferien
                                                       auf dessen Sommer­residenz. Dieser Aufenthalt
                                                       muss Schubert neue Horizonte eröffnet haben. Er
                                                       kehrte nicht mehr an die Schule zurück, was den
                                                       zeitweisen Bruch mit seinem Vater nach sich
                                                       zog, und entschloss sich, als Musiker und Kom­
                                                       ponist in Wien zu leben. Aus finanziellen Gründen
                                                       teilte er mit dem befreundeten Dichter Johann
                         Franz                         Mayrhofer eine Wohnung. Damit hatte Schubert
                                                       die ihm gemäße Lebensform gefunden, und bis zu
                         Schubert                      seinem frühen Tod im November 1828 wohnte er

F
                                                       in verschiedenen Zweckgemeinschaften. Der
         ranz Schuberts Stellung im Musikleben         Austausch mit Freunden war für Schubert wichtig.
         seiner Zeit lässt sich nicht einfach be­      Regelmäßig traf er sich mit einem im Laufe der
         stimmen. Zu viele Mythen haben sich vor die   Jahre wechselnden Kreis von Gleichgesinnten, dem
historische Wirklichkeit geschoben, und zu wohl-       auch Musiker*innen angehörten, der aber von
feil ist das romantische Klischee vom bitter­armen     Literat*innen und Maler*innen dominiert wurde.
verkannten Genie. Tatsächlich war S      ­ chubert          Nach seiner Übersiedelung nach Wien suchte
keineswegs ein unbekannter Komponist, sondern          Schubert den Weg in die musikalische Öffentlich-
konnte stetige und wachsende Erfolge verzeichnen       keit und fand ihn auch rasch. Bereits im November
und durchaus von seinem Schaffen leben. Seine          1818 erhielt er den Auftrag, die Musik für ein
wahre Bedeutung ist indessen zu seinen Lebzeiten       Bühnenstück zu schreiben, und auch in den
nicht im Entferntesten erkannt worden. Dies            folgenden Jahren beschäftigte sich Schubert mit
geschah erst posthum, nachdem Robert Schumann          wechselndem Glück mit verschiedenen Opern-
und Felix Mendelssohn Bartholdy die Urauffüh-          und Bühnenprojekten. 1820 begann er dann, seine
rung der großen C-Dur-Symphonie D 944 ermög-           Lieder zu publizieren – mit durchschlagendem
licht hatten.                                          Erfolg. Obwohl er an den im Selbstverlag erschei-
      Schubert wurde am 31. Januar 1797 in einem       nenden Liederheften sehr gut verdiente, zog er es
kleinen Ort in der Nähe Wiens als Sohn des             bald vor, die Zusammenarbeit mit kommerziellen
örtlichen Schulleiters geboren. Seine musikalische     Verleger zu suchen, um von der Arbeit des Vetriebs
Begabung trat früh zutage und wurde gefördert.         entlastet zu sein. Um die Jahreswende 1822 / 23
Mit elf Jahren wurde ihm eine Stelle als Sänger­       infizierte sich Schubert offenbar mit Syphilis. Die
knabe an der Wiener Hofkapelle zuerkannt, die          Krankheit brach Mitte des Jahres aus und es ist
mit einem Stipendium für das Wiener Stadtkonvikt       davon auszugehen, dass sich Schubert fortan
und das Gymnasium verbunden war. Schubert              wiederholt Quecksilberkuren unterzog, die mit
erhielt hier neben dem Schulunterricht vor allem       heftigen Nebenwirkungen verbunden waren.
eine umfassende und gründliche musikalische                 Ende der 1820er Jahre begannen auch Verlage
Ausbildung, für die in erster Linie der Hofkapell-     außerhalb Wiens, sich für Schuberts Schaffen
meister Antonio Salieri verantwortlich war. Salieri    zu interessieren, vor allem auch für seine Instru­
legte den Unterricht Schuberts breit an, zielte        men­talwerke. Der Komponist war in ernsthafte
darin aber insgesamt auf die Oper ab, und so           Ver­handlungen eingetreten, als er Anfang Novem-
komponierte Schubert in seiner Jugend eine ganze       ber 1828 plötzlich schwer erkrankte. Offenbar
Reihe von Singspielen und dramatischen Szenen.         von den Quecksilberbehandlungen ohnehin
      Im Alter von siebzehn Jahren schlug Schubert     geschwächt, gelang es ihm nicht mehr, sich zu er­-
zunächst den vom Vater vorgezeichneten Weg             holen. Schubert verstarb am 19. November 1828.
ein und war ab 1814 an dessen Schule als Hilfs­­-
lehrer tätig, wobei er daneben noch für etwa zwei
Jahre seine musikalischen Studien fortsetzte. Das
Jahr 1817 brachte eine Wende in Schuberts Leben.

                                       20
BIOGRAFIEN – KOMPONISTEN

                         Wolfgang                      Tradition und der Entwicklungen der Musik der
                                                       Gegenwart heraus komponiert. Dabei reicht sein
                         Rihm                          geistiger Horizont weit über die Musik hinaus, was

D
                                                       auch die immense, von Heraklit bis Heiner Müller
       er 1952 in Karlsruhe geborene Komponist         reichende Liste der von ihm vertonten Dichter
       Wolfgang Rihm hat ein gewaltiges, über          zeigt.
       400 veröffentlichte Werke umfassendes                Wolfgang Rihms kompositorische Begabung
Œuvre geschaffen, das jeden Vergleich sprengt          wurde schon während der Schulzeit manifest.
und über das selbst Experten längst den Überblick      Prägenden Einfluss auf den jungen Komponisten
verloren haben. Ein Schlüsselbegriff seines            hatte der Unterricht bei Karlheinz Stockhausen,
Schaffens ist die künstlerische Freiheit. Wolfgang     der künstlerisch geradezu als Antipode Rihms
Rihm misstraut ästhetischen Dogmen, dem ganzen         gelten kann, dessen unbedingte Konzentration
Kanon dessen, was zu einem bestimmten Zeit-            und Hingabe an das eigene Schaffen Rihm aber
punkt in der Musik erlaubt oder verboten sein soll,    inspirierte. Nachdem Rihm in Avantgardekreisen
ebenso wie allen Kompositionsmethoden, bei             bereits 1976 mit dem Orchesterwerk Sub-Kontur
denen das Schaffen von Musik zum blinden               großen Eindruck hinterlassen hatte, wurde er
Ausführen selbst gesetzter Konstruktionspläne          1978 durch die Uraufführung seiner Kammeroper
wird. Seine Ausdruckskraft verbindet sich mit          Jakob Lenz an der Hamburgischen Staatsoper
einer außerordentlichen Fähigkeit zur plas­tischen     einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Seitdem ist
Gestaltung musikalischer Vorgänge. Die aufge-          Wolfgang Rihm einer der angesehensten Kom­po­
schlossenen Hörer*innen von Rihms Musik fühlen         nisten unserer Zeit, wobei sein Schaffen im
sich vom Komponisten gleichsam an die Hand             letzten Jahrzehnt einen Schwerpunkt auf Orches-
genommen und – so fremd ihnen die musikali-            ter­werken und Konzerten sowie auf Gedicht-
schen Mittel vielleicht sein mögen – sicher geleitet   vertonungen zeigte.
auf seiner Wanderung durch neuartige Klang­                 Neben seinem musikalischen Schaffen ist
welten. Schließlich ist Wolfgang Rihm auch ein         Wolfgang Rihm auch ein enzyklopädisch gebilde-
eminent reflektierter und theoriebewusster             ter, produktiver Autor. Mehrere Bände Schriften
Künstler, der aus einer profunden Kenntnis der         und Gespräche sind erschienen, die beredt,
                                                       anschaulich und erhellend von der Musik anderer
                                                       Komponist*innen und künstlerischen Fragen
                                                       handeln. Gegen das erklärende Sprechen und
                                                       Schreiben über die eigenen Kompositionen hat
                                                       Rihm dagegen einen Widerwillen, auch wenn er
                                                       sich immer wieder genötigt sieht, entsprechenden
                                                       Anfragen nachzukommen. Seine Musik soll für
                                                       sich selbst stehen. Nicht zuletzt hat Rihm auch als
                                                       Lehrer für Komposition an der Musikhochschule
                                                       Karlsruhe eine ungewöhnliche Wirksamkeit
                                                       entfaltet. Viele seiner Schüler*innen von einst sind
                                                       inzwischen selbst prominente Komponist*innen
                                                       wie Rebecca Saunders und Jörg Widmann.

                               21
BIOGRAFIEN – KOMPONISTEN

                                    Ludwig
                                    van
                                    Beethoven

Z
        ur Biographie Ludwig van Beethovens          Unterricht bei Joseph Haydn erhielt, bis dieser zu
        (1770 – 1827) gibt es keinen einfachen       seiner zweiten Londonreise aufbrach. Als Bonn
        Zugang. Dazu gibt es zu viele unser Bild     1794 französisch besetzt wurde, fielen die Zahlun-
trübende Klischeevorstellungen und Legenden­         gen des Kurfürsten aus. Von da an lebte Beethoven
bildungen, zu viele zum Teil aberwitzige Hypo­       als freier Musiker in Wien. In den musikliebenden
thesen und Vermutungen über seine Lebens­            Adelskreisen der Stadt wurde er herzlich empfan-
umstände und auch zu viele offene, unlösbar          gen und er hatte mit vielen Adeligen über alle
scheinende Fragen wie zum Beispiel die nach der      Standesgrenzen hinweg zeitlebens freundschaft-
Identität der „Unsterblichen Geliebten“. Gleich­-    lichen Umgang. Dabei machte sich Beethoven
zeitig ist die Fülle des biographischen Materials    zunächst vor allem einen Namen als Klavierspieler
erdrückend – allein die Befassung mit den Briefen    und als Improvisator, aber bald schon veröffent-
Beethovens ist ein Sonderzweig der Forschung         lichte er stetig neue Kompositionen. In einer 1803
von Achtung gebietender Komplexität –, sodass        einsetzenden, zentralen Schaffensperiode ent­
in der Musikwissenschaft die Klage über die          standen in unbegreiflich dichter Fülle die Meister­
Schwierigkeit, eine Beethoven-Biographie zu          werke, die wir in erster Linie mit seinem Namen
schreiben, allgemein ist.                            verbinden, wie die Symphonien von der Dritten,
     Dabei sind die äußeren Fakten seines Lebens     der Eroica, bis zur Achten. Beethoven galt nun als
im Grunde schmal. Beethoven wurde am 16. oder        unbestritten bedeutendster Komponist seiner Zeit.
17. Dezember 1770 in Bonn als Sohn eines ein­             In den späten 1790er Jahren hatte sich bei
fachen Musikers in Verhältnisse geboren, die wir     Beethoven erstmals ein Gehörleiden bemerkbar
heute mindestens als prekär beschreiben würden.      gemacht, das unaufhaltsam voranschritt und bis
Nach erstem Musikunterricht beim Vater, der          1820 zur völligen Taubheit führte. Von seiner
versuchte, aus seinem Sohn ein Wunderkind nach       Umwelt zunehmend isoliert entwickelte Beethoven
dem Vorbild Mozarts zu machen, übernahm 1780         Züge eines exzentrischen Sonderlings. Vergällt
der Bonner Kapellmeister Christian Gottlob Neefe     wurde dem Komponisten das Leben zudem durch
die musikalische Unterweisung Beethovens. Der        das ständige Feilschen mit seinen Verlegern und
Schüler entwickelte sich so schnell, dass er von     durch seinen chronisch schlechten Gesundheits-
1782 an in der Bonner Hofkapelle angestellt war.     zustand. Von 1815 an kam noch die Sorge um
1787 wurde der Heranwachsende nach Wien              seinen Neffen hinzu, für dessen Erziehung sich
geschickt, um von Mozart unterrichtet zu werden.     Beethoven nach dem Tod seines Bruders ver­
Der Unterricht musste aber bereits nach zwei         antwortlich fühlte. Trotzdem entstand im letzten
Wochen abgebrochen werden, weil Beethovens           Lebensjahrzehnt ein vergeistigtes Spätwerk, das
Mutter schwer erkrankt war. Sie starb wenige         zu den absoluten Höhepunkten der Musikge-
Wochen nach seiner Rückkehr. Sein Vater versank      schichte zählt. Beethoven starb am 26. März 1827.
nun vollends im Alkoholismus und Beethoven
übernahm die Verantwortung für die Familie.
     1792 reiste Beethoven, ausgestattet mit einem
Stipendium des Kurfürsten, ein zweites Mal nach
Wien, wo er unter anderem für ein gutes Jahr

                                      22
BIOGRAFIEN – INTERPRET*INNEN

                                                      In diesem spielen sie eine Reihe neuer Arrange-
                                                      ments romantischer Musik als Begleitmusik für
                                                      eine Auswahl von Stummfilmen aus den 1920er
                                                      Jahren wie Tartuffe und Faust von Murnau und
                         Olga                         La Glace à trois faces von Epstein.
                                                           Olga Pashchenko ist exklusiv bei Alpha
                         Pashchenko                   Classics unter Vertrag und hat mehrere von der

O
                                                      Kritik hochgelobte Aufnahmen veröffentlicht,
        lga Pashchenko ist eine der vielseitigsten    darunter Transitions – ein gemischtes Konzert­
        Pianistinnen der Gegenwart. Sie ist auf der   programm mit Werken von Johann Ladislaus
        Orgel, dem Cembalo, dem Hammerklavier         Dussek, Ludwig van Beethoven und Felix Mendels-
und dem zeitgenössischen Klavier gleichermaßen        sohn Bartholdy –, ein Album mit Beethoven-
zu Hause. Durch ihre farbenfrohen und hoch­           Sonaten und zuletzt ein Album mit Dussek-Kon­
sensiblen Aufführungen von Werken des Barock          zerten mit dem Finnish Baroque Orchestra unter
bis zur Gegenwart strahlt sie eine dynamische und     der Leitung von Alexei Lubimov. Eine Aufnahme
leidenschaftliche Virtuosität aus.                    von Debussys Arrangement von La Mer für
     Von Bach und Beethoven auf historischen          Klavier, vierhändig mit Alexander Melnikov, ist
Instrumenten bis hin zu Ligeti auf dem zeitgenös­     bei harmonia mundi erschienen.
sischen Klavier kann Olga Pashchenko auf eine              Olga Pashchenko wurde 1986 in Moskau
vielbeschäftigte und vielseitige Konzertkarriere      geboren und begann ihr Musikstudium im Alter
als Solistin, Rezitalistin und Kammermusikerin        von sechs Jahren am Gnessin-Institut Moskau
zurückblicken. Sie ist regelmäßiger Gast bei          bei Tatiana Zelikman. Mit neun Jahren gab sie
Festivals für frühe und zeitgenössische Musik,        ihren ersten Klavierabend in New York. Sie setzte
darunter das Utrecht Early Music Festival, bei dem    ihr Studium am Staatlichen Moskauer Peter I.
sie 2016 Artist in Residence war, und die Cité de     Tschaikowsky-Konservatorium fort und studierte
la musique in Paris, wo sie 2016 ihr Debüt hatte.     Hammerklavier sowie modernes Klavier bei
Musik des 18. Jahrhunderts hat sie mit Orchestern     Alexei Lubimov, Cembalo bei Olga Martynova und
wie MusicAeterna unter Teodor Currentzis, der         Orgel bei Alexei Schmitov. Vor ihrem Studien­
Meininger Hofkapelle, der Amsterdam Sinfonietta       abschluss studierte sie 2014 noch am Conserva­
mit Alexei Lubimov, dem Collegium 1704 unter          torium van Amsterdam bei Richard Egarr. 2017
Václav Luks beim Chopin Festival in Warschau          wurde sie als Professorin an die Sweelinck
und mit dem Finnish Baroque Orchestra beim            Academie des Conservatoriums van Amsterdam
Festival des Finnish Radio Symphony Orchestra         und an das Königliche Konservatorium in Gent
in Helsinki aufgeführt. Zu ihren Kammermusik­         berufen.
partnern zählen Alexander Melnikov, Evgeny
Sviridov, Dmitry Sinkovsky und Erik Bosgraaf. Seit
2012 ist sie Hausmusikerin im Bonner Beethoven-
Haus und gibt dort regelmäßig Konzerte in der
Reihe Bonngasse 20: Musik wie zu Beethovens Zeit.
     Zu den kommenden Höhepunkten zählen
ein Duokonzert in Antwerpen mit Alexander
Melnikov sowie ein Solokonzert bei den Moskauer
Philharmonikern. Darüber hinaus arbeitet sie
dauerhaft mit dem Musiker Jed Wentz zusammen,
mit dem sie ein spezielles Filmprojekt realisiert.

                              23
BIOGRAFIEN – INTERPRET*INNEN

                                                      Nagano sowie Kirill Petrenko und mit den Regis-
                                                      seur*innen Andrea Breth, Romeo Castellucci,
                                                      Frank Castorf, Hans Neuenfels, Johan Simons,
                                                      Dmitri Tcherniakov und Sasha Waltz zusammen.
                                                          Besondere Anerkennung verschaffte sich
                                                      Georg Nigl nicht nur als ausführender Solist
                                                      zahlreicher Uraufführungen, sondern auch als
                                                      Impulsgeber für Kompositionen und Publika­
                                                      tionen, unter anderem von Friedrich Cerha,
                                                      Pascal Dusapin, Georg Friedrich Haas, Wolfgang
                                                      Mitterer, Olga Neuwirth und Wolfgang Rihm.
                                                      Georg Nigls kammermusikalisches Repertoire
                         Georg                        weist ein weites Spektrum vom Barock über die
                                                      Wiener Klassik bis zu neuester Musik auf –
                         Nigl                         gemeinsam erarbeitet und aufgeführt mit

S
                                                      Alexander Melnikov, Gérard Wyss und Luca
       eine tiefgründige und umfassende Aus­          Pianca. Seine neueste Aufnahme Bach privat
       einandersetzung mit allen aufgeführten         mit Anna Lucia Richter wurde im November 2017
       Werken, seine enge Verbundenheit mit dem       mit dem Diapason d’Or ausgezeichnet.
Sprechtheater und die damit einhergehende
Gewichtung von Text und Rhetorik sowie seine
ausdrucksstarken darstellerischen Fähigkeiten
auf der Bühne machen Georg Nigl zu einem der
am meisten gefeierten Baritone weltweit.
    Bereits im Kindesalter trat er als Sopransolist
der Wiener Sängerknaben auf den bedeutenden
Bühnen in Erscheinung. Im Studium bei Kammer-
sängerin Hilde Zadek erhielt er weitere wichtige
Impulse für seine anschließende Karriere als
Bariton. Sein unverwechselbares Timbre, das
seinen Figuren spezielles Gesicht verleiht und
den besonderen Charakter gibt, führt ihn auf alle
wichtigen Opernbühnen. So trat er am Bolschoi-
Theater in Moskau, an der Staatsoper Berlin,
der Bayerischen Staatsoper in München, dem
Théâtre des Champs-Elysées, der Nederlandse
Opera in Amsterdam und dem Théâtre Royal de
la Monnaie in Brüssel sowie bei Festivals wie
den Salzburger Festspielen, dem Festival d‘Aix-
en-Provence, der Ruhrtriennale, den Wiener
Festwochen und dem Musikfest Berlin auf.
Dabei arbeitet er unter Leitung von renommier-
ten Dirigenten wie Daniel Barenboim, Teodor
Currentzis, Valery Gergiev, Daniel Harding,
Nikolaus Harnoncourt, René Jacobs, Kent

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Das Musikfest Berlin 2019
            im Radio und online
            Deutschlandfunk Kultur – Die Sendetermine
   3.9.    Di 20:03   Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam     Aufzeichnung vom 2.9.

   5.9.    Do 20:03   BBC Symphony Orchestra                      Live-Übertragung

   7.9.    Sa 19:05   Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin           Aufzeichnung vom 1.9.

   8.9.    So 20:03   Berliner Philharmoniker                     Live-Übertragung

  13.9.    Fr 20:03   Münchner Philharmoniker                     Aufzeichnung vom 10.9.

  15.9.    So 15:05   „Quartett der Kritiker“                     Aufzeichnung vom 31.8.

  15.9.    So 20:03   Junge Deutsche Philharmonie                 Aufzeichnung vom 15.9.

  17.9.    Di 20:03   Israel Philharmonic Orchestra               Aufzeichnung vom 16.9.
                                                                  wird als Studioproduktion
 21.9.     Sa 22:00   Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin La Roue   in Ausschnitten gesendet

 24.9.     Di 20:03   IPPNW–Benefizkonzert                        Aufzeichnung vom 22.9.

 26.9.     Do 20:03   Ensemble Musikfabrik                        Aufzeichnung vom 8.9.

Deutschlandfunk Kultur ist in Berlin über 89,6 MHz, Kabel 97,50, bundesweit über Satellit,
DAB+ und über Livestream auf deutschlandfunkkultur.de zu empfangen.

            rbbKultur – Die Sendetermine
   6.9.    Fr 20:04   Konzerthausorchester Berlin                 Live-Übertragung

  21.9.    Sa 20:04   Berliner Philharmoniker                     Aufzeichnung vom 12. /  13. /  14.9.

  6.10.    So 20:04   Les Siècles                                 Aufzeichnung vom 15.9.

rbbKultur ist in Berlin über 92,4 MHz, Kabel 95,35, digital und über Livestream auf
rbbkultur.de zu empfangen.

            Digital Concert Hall – Die Sendetermine
   8.9.    So 20:00   Berliner Philharmoniker                     Live-Übertragung

  14.9.    Sa 19:00   Berliner Philharmoniker                     Live-Übertragung

digitalconcerthall.com

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Programmübersicht

Fr   30.8.    Philharmonie
              21:00                Pierre-Laurent Aimard I

              Ausstellungsfoyer

Sa   31.8.    Kammermusiksaal
              17:00                „Quartett der Kritiker“

                                   Eröffnungskonzert
                                   Orchestre Révolutionnaire et Romantique
              Philharmonie         Monteverdi Choir
              19:00                Sir John Eliot Gardiner

So     1.9.   Kammermusiksaal
              11:00                Alexander Melnikov

                                   Kinderchor der Staatsoper Unter den Linden
                                   Rundfunkchor Berlin
              Philharmonie         Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
              18:00                Vladimir Jurowski

Mo    2.9.    Philharmonie
              20:00
                                   Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam
                                   Tugan Sokhiev

Di    3.9.    Philharmonie
              19:00
                                   Japanisches Nō-Theater
                                   Ensemble der Umewaka Kennōkai Foundation

Mi    4.9.    Philharmonie
              20:00
                                   Ensemble Modern
                                   Brad Lubman

Do    5.9.    Philharmonie
              20:00
                                   BBC Symphony Orchestra
                                   Sakari Oramo

Fr    6.9.    Kammermusiksaal
              20:00                Pierre-Laurent Aimard II

              Konzerthaus Berlin   Konzerthausorchester Berlin
              20:00                Juraj Valčuha

Sa    7.9.    Philharmonie
              19:00
                                   Berliner Philharmoniker
                                   Peter Eötvös

So    8.9.    Kammermusiksaal
              17:00
                                   Ensemble Musikfabrik
                                   Peter Eötvös

              (wie 7.9.)
              Philharmonie         Berliner Philharmoniker
              20:00                Peter Eötvös

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