Regionalstatistisches Datenangebot zur Fortschrittsmessung Zum OECD-Ansatz "How's life - Measuring Well-Being"* - Statistisches Bundesamt

Die Seite wird erstellt Stefan-Albert Grimm
 
WEITER LESEN
Regionalstatistisches Datenangebot zur Fortschrittsmessung Zum OECD-Ansatz "How's life - Measuring Well-Being"* - Statistisches Bundesamt
Dr. Susanne Schnorr-Bäcker, Hartmut Bömermann (Statistisches Landesamt Berlin-Brandenburg)

Regionalstatistisches Datenangebot zur Fortschrittsmessung
Zum OECD-Ansatz „How’s life – Measuring Well-Being“*
Die Messung des Fortschritts ist ein wichtiger und be-                                                 räumlich vorgestellt werden. Zum anderen soll möglichen
reichsübergreifender Themenschwerpunkt der OECD. Sie                                                   Nutzern auf der Grundlage des frei zugänglichen und
hat in den vergangenen Jahren sämtliche Grundlagen                                                     kostenlos nutzbaren Datenangebots aus der Bundessta-
– organisatorisch, technisch, methodisch und inhaltlich –                                              tistik ihr Analysepotenzial vorgestellt und Anregungen für
dafür geschaffen und wichtige Teilschritte auf so genann-                                              weiterführende Analysen gegeben werden.
ten Weltforen mit Politik, Wissenschaft und amtlicher
Statistik diskutiert. Nunmehr hat sie im Rahmen des Be-                                                Die OECD beschäftigt sich seit Längerem mit der Entwick-
richtes „How’s life“ ein indikatorengestütztes Konzept zur                                             lung von Indikatoren zur Beschreibung und Erfassung von
Fortschrittsmessung vorgelegt mit Angaben auf der Ebene                                                Fortschritt und Well-Being makro- und mikroökonomisch,
der Mitgliedstaaten. Die amtliche Statistik soll aufgrund                                              aufbauend auf bereits bestehenden Ansätzen1). Das Vor-
ihres gesellschaftlichen Auftrages als Informationsanbieter                                            haben resultiert aus der Einsicht, dass traditionelle und
und ihrer allgemein anerkannten Reputation Hauptdaten-                                                 allgemein akzeptierte Größen, besonders das Bruttoin-
lieferant sein. Bürgerinnen und Bürger, Politik, Wissen-                                               landsprodukt (BIP, engl. GDP) dazu keine umfassenden
schaft und Wirtschaft sollen befähigt werden, die zuneh-                                               Angaben liefern. Deshalb hat die OECD einen ganzheitli-
mende Komplexität gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und                                             chen Ansatz vorgestellt, der zugleich einen Rahmen für
ökologischer Prozesse und deren Auswirkungen auf die                                                   bereits bestehende Indikatorensysteme auf nationaler,
individuellen Lebensumstände wie auch die gesamtgesell-                                                supra- und internationaler Ebene bieten soll.
schaftlichen Wirkungen anhand von statistischen Daten
besser zu verstehen und nachzuvollziehen.                                                              Erste Vorschläge dazu enthält die Publikation der OECD
                                                                                                       „How’s life – Measuring Well-Being“ [2]. Ziel ist es, nicht
                                                                                                       nur die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer Nation
1. Vorbemerkungen                                                                                      oder Region näher zu beschreiben, sondern auch die
                                                                                                       Lebensumstände der dort lebenden und arbeitenden
Im Folgenden soll auf der Grundlage des in „How’s life“                                                Bevölkerung sowie die jeweilige Umweltsituation einzu-
vorgestellten Indikatorensets zur Fortschrittsmessung für                                              beziehen. Der Ansatz basiert auf einem Gutachten der
die materiellen Lebensbedingungen und deren Determi-                                                   Stiglitz-Sen-Fitoussi-Kommission [3], die im Auftrag des
nanten dargestellt werden, inwieweit eine teilräumliche                                                ehemaligen französischen Staatspräsidenten Nicolas Sar-
Betrachtung auf der Ebene der Kreise für Deutschland aus                                               kozy 2008 eingesetzt wurde und ihren Bericht zur Fort-
dem Programm der amtlichen Statistik möglich ist. Ausge-                                               schrittsmessung 2009 unter anderem auf dem Dritten
hend von den Indikatoren der OECD wird die Situation für                                               Weltforum der OECD in Busan/Korea vorgestellt hat. Mit
Deutschland – vor allem für ausgewählte Städte, große                                                  ihrem Ansatz „How’s life“ ist die OECD den Empfehlun-
und kleine – näher beschrieben. Da es bereits seit langer                                              gen dieser Kommission gefolgt. Basierend auf wissen-
Zeit allgemein akzeptierte, von einem statistischen Monito-                                            schaftlichen Ansätzen und einer Reihe von weltweit ent-
ring begleitete bereichsübergreifende politische Hand-                                                 wickelten konkreten Initiativen hat die Kommission fol-
lungsprogramme für Deutschland und Europa gibt – be-                                                   gende Kerndimensionen für die Definition von Well-Being
sonders zu nennen sind hier die Nachhaltigkeitsstrategie                                               [4] identifiziert:
für Deutschland sowie die Europäische Strategie „Europa
2020“ – soll der Ansatz der OECD, soweit notwendig, um                                                 ¾ materieller Lebensstandard
Indikatoren für ausgewählte Städte ergänzt werden. Dabei                                                 (Einkommen, Verbrauch und Vermögen),
werden anhand der jeweils vorliegenden Daten verschie-                                                 ¾ Gesundheit,
dene Auswertungsmöglichkeiten – tabellarisch, geogra-                                                  ¾ Bildung,
phisch und kartografisch – verwendet mit folgenden zwei                                                ¾ persönliche Aktivitäten, Erwerbstätigkeit,
Zielsetzungen: Einmal sollen die Möglichkeiten und Gren-                                               ¾ politische Partizipation und Rechte,
zen des Aussagegehaltes der von der OECD genannten                                                     ¾ soziale Beziehungen,
Fortschrittsindikatoren sowie von Näherungslösungen teil-                                              ¾ Umweltbedingungen,
                                                                                                       ¾ existenzielle und wirtschaftliche Unsicherheiten.
*)   Dieser Beitrag ist ursprünglich in Ausgabe 2/2013 der Zeitschrift für amtliche Statistik Berlin
     Brandenburg erschienen. Das LSN dankt den Autoren und dem Statistischen Landesamt
     Berlin-Brandenburg für die Nachdruckgenehmigung. Die Betrachtung erfolgt auf dem Ge-              Dieser Ansatz war unter dem Titel „Measuring Well-
     bietsstand 31.12.2011. Die Ergebnisse des Zensus 2011 sind hierbei noch nicht berücksich-
     tigt. Zu dem Beitrag gehört auch eine umfangreiche Quellenliste am Ende des Beitrages.
                                                                                                       Being for Development and Policy Making“ Gegenstand
     Verweise darauf sind - anders als sonst in den Statistischen Monatsheften Niedersachsen -
     in eckigen Klammern im Text angegeben.                                                            1) Eine Bestandsaufnahme erfolgte bereits für das 3. Weltforum der OECD in Busan [1].

112                                                                                                                                            Statistische Monatshefte Niedersachsen 3/2014
Regionalstatistisches Datenangebot zur Fortschrittsmessung Zum OECD-Ansatz "How's life - Measuring Well-Being"* - Statistisches Bundesamt
des 4. OECD „World Forum on Statistics, Knowledge and                                             und „Internationale Verantwortung“ in die Betrachtung
Policy“ vom 16. bis 19. Oktober 2012 in Neu Del-                                                  einbezogen und die Auswirkungen nicht nur für die der-
hi/Indien. Rund 1 000 Vertreter aus 80 Ländern aus Poli-                                          zeit lebenden Generationen, sondern auch für zukünftige
tik, Wissenschaft und Statistik haben verschiedene As-                                            Generationen untersucht. Für die o. g. Bereiche wurden
pekte auf der Grundlage von „Best Practices“, aktuellen                                           insgesamt 21 Themen und 38 Ziele und Indikatoren for-
wissenschaftlichen Erkenntnissen und praktischen Erfah-                                           muliert und quantifiziert. Die deutsche Nachhaltigkeits-
rungen in Industrienationen und Entwicklungsländern                                               strategie wird regelmäßig überprüft. Grundlage dafür
vertiefend diskutiert. Dazu gehörte nicht nur die Würdi-                                          sind die im zweijährlichen Abstand vom Statistischen
gung des OECD-Ansatzes bezüglich seiner Umsetzung für                                             Bundesamt herausgegebenen Indikatorenberichte „Nach-
verschiedene politische Systeme und Regionen der Welt,                                            haltige Entwicklung in Deutschland“ [7]. In längeren
sondern auch seine Eignung als Rahmen für bereits be-                                             Zeitabständen – nunmehr zum dritten Mal – hat die Bun-
stehende Indikatorensysteme zur umfassenden Fort-                                                 desregierung den aktuellen Fortschrittsbericht 2012 zur
schrittsmessung im weiteren Sinn und mehr noch deren                                              nachhaltigen Entwicklung beschlossen6) [8].
Weiterentwicklung, besonders auf supra- und inter-
nationaler Ebene. Besonders zu nennen sind – neben                                                Vergleicht man die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie vor
einer Reihe von Ansätzen zur Nachhaltigkeit mit eher                                              allem mit „Europa 2020“ der Europäischen Union und
ökologischer Ausrichtung2) – die Arbeiten der Europäi-                                            „How’s life“ der OECD hinsichtlich der für das Monito-
schen Union auf der Grundlage von „GDP and Beyond“ –                                              ring ausgewählten statistischen Indikatoren, so ergibt sich
einer Mitteilung der Europäischen Kommission3) – sowie                                            in inhaltlicher Hinsicht folgende Darstellung auf den je-
die europäische Wachstums- und Beschäftigungsstrate-                                              weils beiden obersten Ebenen (Übersicht 1):
gie „Europa 2020“4) einschließlich ihrer Erweiterung um
die Umweltdimension im Rahmen der europäischen                                                    Übersicht 1 Fortschrittsmessung „im weiteren Sinn“ für Deutsch-
Nachhaltigkeitsstrategie (Sustainable Development Indica-                                                     land, die Europäische Union und die OECD
tors (SDI)5). Auf internationaler Ebene zählen dazu die
                                                                                                         System              Thema                               Bereiche
„Millennium Development Goals“ (MDG) der Vereinten
Nationen (UN), die derzeit evaluiert und modifiziert wer-
                                                                                                                                           Ressourcenschonung, Klimaschutz,
den [5]. Diese Arbeiten konzentrieren sich auf eine Neu-                                                                                   Erneuerbare Energien,
ausrichtung der Ziele und die Ergänzung vor allem um                                                                     Generations-
                                                                                                                         gerechtigkeit
                                                                                                                                           Flächeninanspruchnahme, Artenvielfalt,
                                                                                                                                           Staatsverschuldung,
ökologische Aspekte im Hinblick auf eine nachhaltige                                                                                       Wirtschaftliche Zukunftsvorsorge,
                                                                                                                                           Innovation, Bildung
Entwicklung. Der neue integrierte Ansatz soll noch im                                               Nachhaltige
Jahr 2013 von der UN-Vollversammlung angenommen                                                     Entwicklung
                                                                                                    in Deutschland (D) Lebensqualität
                                                                                                                                           Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Mobilität,
                                                                                                                                           Landbewirtschaftung, Luftqualität,
und 2016 umgesetzt werden.                                                                                                                 Gesundheit und Ernährung, Kriminalität

                                                                                                                         Sozialer          Beschäftigung, Perspektiven für Familien,
                                                                                                                         Zusammenhalt      Gleichstellung, Integration
Auch wenn die verschiedenen Ansätze auf supra- und
                                                                                                                         Internationale
internationaler Ebene unterschiedliche Ziele und Schwer-                                                                 Verantwortung
                                                                                                                                        Entwicklungszusammenarbeit, Märkte öffnen

punkte haben, gibt es doch unter statistischen Ge-                                                                                         FuE-Investitionsvolumen • 3 % BIP,
                                                                                                                         Intelligentes
sichtspunkten zahlreiche Gemeinsamkeiten. So weist der                                                                   Wachstum
                                                                                                                                           Schulabbrecherquote ” 10 %,
                                                                                                                                           30- bis 34-Jährige mit Hochschulbildung • 40 %
Ansatz der OECD zur Fortschrittsmessung zahlreiche
                                                                                                                                           Anteil erneuerbarer Energien • 20 %,
Parallelen zur bereits seit über 10 Jahren in Deutschland                                           Europa 2020 (EU)
                                                                                                                         Nachhaltiges
                                                                                                                         Wachstum
                                                                                                                                           Steigerung der Energieeffizienz um 20 %
implementierten Strategie „Nachhaltige Entwicklung in                                                                                      Senkung der Treibhausgasemissionen um 20 %

Deutschland“ der Bundesregierung auf. Nachhaltige Ent-                                                                   Integratives
                                                                                                                                           Schulabbrecherquote ” 10 %,
                                                                                                                                           Beschäftigungsquote 20- bis 64-Jährige • 75 %,
wicklung ist seit April 2002 zentrales Prinzip der Politik in                                                            Wachstum          Verringerung der von Armut und sozialer Aus-
                                                                                                                                           grenzung betroffenen Personen um 20 Millionen
Deutschland [6, S. 12]. Es handelt sich dabei um einen
                                                                                                                         Material Living   Income and Wealth, Jobs and Earnings,
integrativen und intergenerativen Ansatz: Alle Bereiche –                                                                Conditions        Housing conditions
Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt – werden unter                                                  Progress                               Health status, Work-life balance,
verschiedenen Gesichtspunkten wie „Generationenge-                                                  measurement/
                                                                                                    How’s life (OECD)
                                                                                                                                           Education and skills, Social connections,
                                                                                                                         Quality of Life   Civic engagement and governance,
rechtigkeit“, „Lebensqualität“, „Sozialer Zusammenhalt“                                                                                    Environmental quality, Personal security,
                                                                                                                                           Subjective well-being

2) Einen Überblick und weiterführende Informationen gibt: ec.europa.eu/environment/eussd/
   Diese sollen im Folgenden nicht weiter betrachtet werden.
3) Siehe dazu auch den Internetauftritt der Europäischen Kommission www.beyond-gdp.eu/            Auch wenn es Unterschiede in den Definitionen und den
4) Europa 2020 ist die aktuelle europäische Wachstums- und Beschäftigungsstrategie als Fort-
   führung der von 2000 bis 2010 geltenden Lissabon-Strategie; siehe dazu auch ec.europa.eu/      Zuordnungen der Indikatoren gibt, sind Kernelemente
   europe2020/index_de.htm                                                                        über die verschiedenen Ebenen hinweg:
5) Auf Letztere soll im Folgenden wegen des speziellen, komplexen und umfassenden Ansatzes
   nicht weiter eingegangen werden. Zur Zielsetzung siehe auch die Mitteilung der Kommission
   an den Europäischen Rat: Partnerschaft für Integration; eine Strategie zur Einbeziehung der
   Umweltbelange in die EU-Politik, KOM (1998)333 final, Brüssel, 27.05.1998. Eine kritische      ¾     die materiellen Lebensbedingungen,
   Würdigung zur Strategie und den Indikatoren enthält z. B. der Bericht von Adelle, C.; Palle-
   maerts, M.: Sustainable Development Indicators – An Overview of relevant Framework Pro-
                                                                                                  ¾     Gesundheit,
   gramme funded research and identification of further needs in view of EU and international
   activities, hrsg. von der European Commission, European Research Area, o. O., 2010.            6) Siehe dazu auch [8] sowie die dort angegebenen weiterführenden Hinweise.

Statistische Monatshefte Niedersachsen 3/2014                                                                                                                                               113
Regionalstatistisches Datenangebot zur Fortschrittsmessung Zum OECD-Ansatz "How's life - Measuring Well-Being"* - Statistisches Bundesamt
¾      Bildungsstand,                                                                           individuelles Wohlergehen und nachhaltige Entwick-
¾      sozialer Zusammenhalt,                                                                   lung vor allem in Verbindung mit dem BIP als Wachs-
¾      die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, vor allem ihre                                   tumsindikator – in Deutschland, anderen Nationen sowie
       Innovationskraft,                                                                        inter- und supranational – auf seiner 77. Sitzung am
¾      Schutz von Klima und natürlichen Ressourcen.                                             1. Dezember 2010 die Einsetzung einer Enquete-Kom-
                                                                                                mission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege
Ein Vergleich der drei Ansätze unter konzeptionellen                                            zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem
Gesichtspunkten zeigt Übersicht 2.                                                              Fortschritt in der Sozialen Marktwirtschaft“ beschlossen
                                                                                                [12]. Ziel der Kommission ist es – losgelöst von der räum-
Während der Ansatz der OECD „How’s life“ offen ist, was                                         lichen Dimension – erstens den Stellenwert von Wachs-
die Zielerreichung anbetrifft, sind sowohl die Deutsche                                         tum in Wirtschaft und Gesellschaft zu untersuchen und
Nachhaltigkeitsstrategie als auch „Europa 2020“ mit poli-                                       zweitens einen ganzheitlichen Wohlstands- bzw. Fort-
tisch festgelegten Zielwerten verbunden. Hinzu kommt,                                           schrittsindikator zu entwickeln. Dieser soll „ … eine ge-
dass bei „Europa 2020“ die oben genannten Ziele von                                             eignete Grundlage zur Bewertung politischer Entschei-
sogenannten Leitinitiativen begleitet werden, die teilweise                                     dungen anhand ökonomischer, ökologischer und sozialer
mit weiteren umfangreichen Indikatorensets verbunden                                            Kriterien“ [12, S. 3] schaffen unter Berücksichtigung der
sind7) [9, 10]. Unterschiede bestehen auch bezüglich des                                        folgenden Aspekte:
Abstraktionsniveaus: Bei „Europa 2020“ erfolgt die Be-
trachtung vor allem aus gesamtwirtschaftlicher Hinsicht.                                        ¾   materieller Lebensstandard,
Die OECD hingegen strebt eine Analyse auf der Ebene von                                         ¾   Zugang zu und Qualität von Arbeit,
„Individual Well-Being“ an.                                                                     ¾   gesellschaftliche Verteilung von Wohlstand, sozialer
                                                                                                    Inklusion und Kohäsion,
Deutschland hat auf Bundesebene die Strategie der nach-                                         ¾   intakte Umwelt und Verfügbarkeit begrenzter natür-
haltigen Entwicklung als Leitbild des politischen Handelns                                          licher Ressourcen,
definiert. Aufgrund des föderalen Aufbaus haben sich in                                         ¾   Bildungschancen und Bildungsniveaus,
einigen Bundesländern wie auch in ausgewählten Kom-                                             ¾   Gesundheit und Lebenserwartung,
munen und Regionen entsprechende Ansätze ausgebil-                                              ¾   Qualität öffentlicher Daseinsvorsorge, soziale Siche-
det. In einem Workshop des Rates für nachhaltige Ent-                                               rung und politische Teilhabe,
wicklung am 7. November 2007 mit Experten aus den 16                                            ¾   subjektiv von den Menschen erfahrene Lebensquali-
Bundesländern bestand weitgehend Konsens über die                                                   tät und Zufriedenheit [12, S. 3].
zentralen Felder und Indikatoren zur Beschreibung vor
allem der ökologischen Entwicklungen. Es wird davon                                             Erste Überlegungen zur Konzeption eines zusammenfas-
ausgegangen, dass sich in absehbarer Zeit zumindest für                                         senden Ansatzes, einschließlich der Kernbestandteile und
einige Indikatoren der Nachhaltigkeitsstrategien überein-                                       die Möglichkeiten ihrer Aussagefähigkeit, liegen vor [13].
stimmende und konsistente Datengerüste herausbilden
werden8) [11].
                                                                                                2. How’s life – Zum Ansatz der OECD
Der Deutsche Bundestag hat aufgrund der grundle-
genden Diskussion über gesellschaftlichen Wohlstand,                                            Die OECD [14, S. 18 ff.] stellt in ihrem Ansatz zur Fort-
                                                                                                schrittsmessung das individuelle Wohlbefinden in den
7) Einen Überblick gibt [9], zu Einzelheiten siehe auch [10].
8) Siehe dazu auch die Ausführungen des Rates für Nachhaltige Entwicklung zur Nachhaltig-
                                                                                                Vordergrund. Das bedeutet für das Monitoring: Benötigt
    keitspolitik der Bundesländer [11].                                                         und verwendet werden vor allem statistische Daten

Übersicht 2 Nachhaltigkeits- und Fortschrittsindikatorensysteme für die OECD, Europa und Deutschland im Vergleich
                                     Indikatoren                                  Ausrichtung
      Indikatoren-                                              Ziel-                                            Bestand-                              Gesamt-
                                                subjek-                  mikro-          makro-
         system                objektive*                     vorgaben                                             teile                               indikator
                                                 tive**                           ökonomisch

How’s life                          x               x            –         x                –          2 Bereiche,                                  wird angestrebt
                                                                                                      22 Kernindikatoren und
                                                                                                      27 Sekundärindikatoren

Europa 2020                         x               –            x         –                x          3 Prioritäten, 5 Ziele,                             –
                                                                                                       8 Indikatoren

Nachhaltige                         x               –            x         –                x          4 Themen,                                           –
Entwicklung                                                                                           21 Indikatorenbereiche
in Deutschland                                                                                           mit insgesamt
                                                                                                      38 Einzelindikatoren

* Lassen sich zählen, messen, wiegen.
** Beruhen auf individuellen Einstellungen, Einschätzungen.

114                                                                                                                              Statistische Monatshefte Niedersachsen 3/2014
Regionalstatistisches Datenangebot zur Fortschrittsmessung Zum OECD-Ansatz "How's life - Measuring Well-Being"* - Statistisches Bundesamt
über Privathaushalte und Einzelpersonen. Die Ergebnisse                                  Dieses Indikatorenset zum gesellschaftlichen Wohlbefinden
beziehen sich besonders auf die „Outcomes“ bzw. die                                      der derzeit lebenden Generationen soll, wie der untere
Erfolgsfaktoren – und weniger auf Inputfaktoren – von                                    Kasten in Abbildung 1 zeigt, noch durch weitere Aspekte
Well-Being. Im Zentrum der Betrachtung steht die Ver-                                    in Hinblick auf eine Fortschrittsmessung im Zeitablauf er-
teilung der Komponenten von „Well-Being“ auf die                                         gänzt werden; genannt werden natürliches, wirtschaftli-
verschiedenen gesellschaftlichen Gruppierungen und                                       ches, menschliches und soziales Kapital.
Gruppen. Im Weiteren sollen neben objektiven auch
subjektive Aspekte des Wohlbefindens berücksichtigt                                      Das dem Bericht „How’s life“ zugrunde liegende Indikato-
werden. Objektive, d. h. physisch messbare Kriterien                                     rensystem soll fortentwickelt und um einen weiteren Teil
sind grundlegend für eine neutrale Beschreibung der                                      zu „Green Growth“ ergänzt werden. Im Weiteren be-
tatsächlichen Lebensbedingungen und Lebensqualität.                                      schäftigt sich die OECD mit der Verdichtung der genann-
Sie werden ergänzt um subjektive Kriterien, anhand                                       ten Indikatoren in Form einer oder weniger zusammenfas-
derer die Empfindungen, Meinungen und Einstellungen                                      sender Kennzahlen („composite indicators“). Entsprechen-
der Bürgerinnen und Bürger Berücksichtigung finden                                       de methodische Vorarbeiten liegen bereits seit Längerem
(Abbildung 1).                                                                           vor9).

        Abb. 1 Konzeption von „How’s life“ [14, S. 19]
                                                                                         Die OECD hat für ihren Ansatz eine pragmatische Vorge-
                                                                                         hensweise gewählt. In einem ersten Schritt baut sie auf
                         Individuelles Wohlbefinden                                      vorhandenen Indikatoren vor allem der amtlichen Statistik
                  im Durchschnitt für die Gesamtbevölkerung                              auf. Sie unterscheidet zwischen Kernindikatoren, soge-
          sowie für unterschiedliche gesellschaftlichen Gruppierungen
                                                                                         nannten „headline indicators“ und „secondary indica-
                                                        Materielle                       tors“. Bei ersteren handelt es sich vor allem um Indikato-
            Lebensqualität                         Lebensbedingungen1)                   ren, die in ausreichend guter Qualität vorliegen und die
              Gesundheit                         Einkommen und Vermögen
                                                                                         sich für ein Monitoring im Zeitablauf sowie für einen
     Gleichgewicht zwischen Arbeit                       Beschäftigung
              und Leben                                 und Entlohnung
                                                                                         Ländervergleich eignen [14, S. 21]. Sekundäre Indika-
    Schulische und berufliche Bildung                   Wohnsituation
                                                                                         toren dienen einmal als ergänzende länderspezifische
         Sozialer Zusammenhalt                                                           Informationen. Zum anderen können dabei auch qualita-
          Bürgerbeteiligung                               ergänzend                      tive Unterschiede bestehen, derart, dass diese Indikatoren
        und Regierungshandeln                         gesamtwirtschaftlich               weniger robust sind als die sogenannten Kernindikatoren.
            Umweltqualität                       Bruttoinlandsprodukt (BIO)              Insgesamt unterscheidet die OECD elf verschiedene Be-
         Persönliche Sicherheit
                                            1) Einschl. Transaktuinskosten und Aufwen-   reiche (einschließlich subjektivem Wohlbefinden) mit ins-
       Subjektives Wohlbefinden                dungen für Schadensabwendung.             gesamt 49 Indikatoren, davon 22 Kernindikatoren. Der
                        Nachhaltigkeit im Zeitablauf                                     Großteil der objektiven Indikatoren wird von der amtli-
                    erfordert verschiedene Arten von Kapital                             chen Statistik bereitgestellt. Die subjektiven Indikatoren
                                  Natürliches Kapital                                    beruhen überwiegend auf Informationen von anderen
                             Ökonomisches Kapital                                        Einrichtungen – wissenschaftlichen oder Instituten der
                                    Humankapital                                         Markt- und Meinungsforschung.
                                   Soziales Kapital
                                                                                         Im Vorspann zu jedem Bereich der Publikation „How’s life“
                                                                                         gibt die OECD tabellarisch eine Übersicht zum Aussagege-
                                                                                         halt der verwendeten Indikatoren und der Qualität der
Als Determinanten der materiellen Lebensbedingungen
                                                                                         zugrunde liegenden statistischen Daten.
werden genannt:
                                                                                         Zu den Kernindikatoren gehören:
¾    Einkommen und Vermögen,
¾    Beschäftigung und Entlohnung,                                                       (1) bezüglich der materiellen Lebensbedingungen
¾    Wohnsituation.                                                                      ¾ das verfügbare Haushaltsnettoeinkommen pro Person
                                                                                              (household net adjusted disposable income per per-
Komponenten der Lebensqualität sind:                                                          son/IW I)10),
                                                                                         ¾ das Haushaltsnettovermögen pro Person (household
¾    Gesundheit,                                                                              financial net wealth per person/IW II)
¾    Gleichgewicht zwischen Arbeiten und Leben,                                          ¾ die Erwerbstätigenquote (employment rate/JE I),
¾    Bildung und Ausbildung,                                                             ¾ die Langzeitarbeitslosigkeitsquote, (long-term unem-
¾    gesellschaftliche Teilhabe,                                                              ployment rate/JE II)
¾    sozialer Zusammenhalt,
                                                                                          9) Siehe dazu die Gemeinschaftsveröffentlichung von OECD und Joint Research Centre der
¾    Qualität der Umwelt,                                                                    Generaldirektion Forschung der Europäischen Kommission [15, S. 3].
¾    persönliche Sicherheit,                                                             10) Die Abkürzungen in der Klammer geben die Abkürzung des Indikators im Bericht wieder,
                                                                                             wobei die Buchstaben die Abkürzung für den jeweiligen Teilbereich sind, z. B. „IW I“ be-
¾    subjektives Wohlbefinden.                                                               deutet: erster Indikator im Bereich „Income and Wealth“.

Statistische Monatshefte Niedersachsen 3/2014                                                                                                                                 115
Regionalstatistisches Datenangebot zur Fortschrittsmessung Zum OECD-Ansatz "How's life - Measuring Well-Being"* - Statistisches Bundesamt
Übersicht 3 OECD-Indikatoren „How’s life“

                                                          Kernindikatoren und Sekundärindikatoren

                                                             IW I        Verfügbares Haushaltsnettoeinkommen
                                                             IW II       Haushaltsnettovermögen pro Person
                         Income and wealth
                                                             iw 1        Konsumausgaben der privaten Haushalte
                         Einkommen und Vermögen
                                                             iw 2        Gesamtausgaben der privaten Haushalte
                                                             iw 3        Subjektive Einschätzung der materiellen Situation
                                                             JE I        Erwerbstätigenquote
 Material living                                             JE II       Langzeitarbeitslosigkeitsquote
 conditions
 Materielle Lebensver-   jobs and earnings                   je 1        Unfreiwillige Teilzeitbeschäftigung
 hältnisse               Beschäftigung und Verdienste        JE III      Durchschnittliches Jahresgehalt je Beschäftigtem
                                                             je 2        Beschäftigte mit Zeitarbeitsverträgen
                                                             je 3        Arbeitsunfälle
                                                             HO I        Anzahl der Wohnräume je Person

                         housing conditions                  ho 1        Überdurchschnittliche Wohnkosten
                         Wohnverhältnisse                    HO II       Wohngebäude ohne Bad und WC
                                                             ho 2        Zufriedenheit mit der Wohnsituation
                                                             HS I        Lebenserwartung zum Zeitpunkt der Geburt
                                                             hs 1        Säuglingssterblichkeit

                         health                              HS II       Gesundheitszustand nach eigener Auskunft
                         Gesundheit                          hs 2        Langzeiterkrankung nach eigener Auskunft
                                                             hs 3        Einschränkungen bei täglichen Verrichtungen nach eigener Auskunft
                                                             hs 4        Übergewicht und Adipositas
                                                             WL I        Beschäftigte mit mehr als 50 Wochenstunden Arbeitszeit
                                                             WL II       Zeitaufwand für Freizeit und persönliche Pflege
                         work and life balance
                                                             wl 1        Zeitaufwand für Berufspendeln
                         Beruf und Familie
                                                             wl 2        Zufriedenheit mit der zeitlichen Aufteilung für Beruf und Privatleben
                                                             WL III      Beschäftigungsquote von Frauen mit schulpflichtigen Kindern
                                                             ES I        Bildungsstand
                                                             es 1        Erwartete Aus- und Fortbildungszeit von Jugendlichen
                         education and skills
                                                             es 2        Berufliche und private Fort- und Weiterbildung
                         Bildung und Qualifizierung
                                                             ES II       Kognitive Fähigkeiten von Schülern und Studenten
                                                             es 3        Kenntnisse über das gesellschaftliche Leben

 Quality of life                                             SC I        Soziales Engagement
 Lebensqualität                                              sc 1        Häufigkeit von sozialen Kontakten
                         social connections
                         Soziale Kontakte                    sc 2        Freiwillige/ehrenamtliche Arbeit
                                                             sc 3        Vertrauen in andere Personen bzw. soziale Gruppierungen
                                                             CEG I       Wahlbeteiligung
                         civic engagement and gover-
                         nance                               ceg 1       Politische Teilhabe
                         Bürgerschaftliches Engagement       CEG II      Mitwirkungsmöglichkeiten in politischen Entscheidungsprozessen
                         und Regierungsführung
                                                             ceg 2       Vertrauen in die nationale Regierung, das Rechtswesen und in die Medien
                                                             EN I        Luftqualität

                         environmental quality               en 1        Umweltbedingte Krankheiten
                         Umweltqualität                      en 2        Zufriedenheit mit der lokalen Umweltsituation
                                                             en 3        Zugang zu Grünanlagen
                                                             PS I        Vorsätzliche Tötungsdelikte

                         personal security                   PS II       Tätlicher Angriff auf Leib und Leben oder Eigentum nach eigener Auskunft
                         Persönliche Sicherheit              ps 1        Kindesmisshandlungen durch häusliche Gewalt
                                                             ps 2        Subjektives Sicherheitsgefühl

                         subjective well-being               SW I        Lebenszufriedenheit
                         Subjektive Lebenszufriedenheit      SW II       Ausgeglichenheit

116                                                                                                                Statistische Monatshefte Niedersachsen 3/2014
Regionalstatistisches Datenangebot zur Fortschrittsmessung Zum OECD-Ansatz "How's life - Measuring Well-Being"* - Statistisches Bundesamt
Abb. 2a Rasterdaten für Berlin und Brandenburg

                           Prignitz
                                        Ostprignitz-Ruppin

                                                                   Oberhavel              Barnim

                          Stendal
                                                                                                      Märkisch-Oderland
                                              Havelland

                                                                                 Berlin

                                        Brandenburg             Potsdam                                               Frankfurt
                                        an der Havel                                                                   (Oder)
                          Jerichower                                                                        Oder-Spree
                             Land
                                            Potsdam-Mittelmark
                                                                                        Dahme-
                                                                        Teltow-Fläming Spreewald

                         Quelle: European Forum for Geostatistics: http://www.efgs. info/data/eurogrid/Grid_ETRS89_LAEA_DE_1K.zip/view, eigene Darstellung

                           Abb. 2b Urbanisierungsgrad (DegUrb) in Berlin und Brandenburg 2011

                           Prignitz
                                        Ostprignitz-Ruppin
                                                                   Oberhavel              Barnim

                          Stendal
                                                                                                      Märkisch-Oderland                            Siedlungsdichte
                                               Havelland

                                                                                 Berlin                                                                      dicht
                                                                                                                                                             mittel
                                          Brandenburg          Potsdam                                                  Frankfurt
                                          an der Havel                                                                   (Oder)                              dünn
                          Jerichower                                                                        Oder-Spree
                             Land
                                            Potsdam-Mittelmark
                                                                                        Dahme-
                                                                        Teltow-Fläming Spreewald

                         Quelle: epp.eurostat.ec.europa.eu, eigene Darstellung

¾    das durchschnittliche Jahresgehalt je Beschäftigtem                                    ¾      Bildungsstand (educational attainment/ES I),
     (average annual earnings per employee/ JE III),                                        ¾      die kognitiven Fähigkeiten von Schülern und Studen-
¾    die Anzahl der (Wohn-)Räume je Person (number of                                              ten (students’ cognitive skills/ES II),
     rooms per person/HO I),                                                                ¾      soziales Engagement (social network support/SC I)
¾    Wohngebäude ohne Bad und WC (dwellings without                                         ¾      Wahlbeteiligung (voter turn-out/CEG I),
     basic facilities/HO II);                                                               ¾      Mitwirkungsmöglichkeiten (consultation on rule-ma-
                                                                                                   king/ CEG II),
(2) bezüglich der Lebensqualität:                                                           ¾      Luftqualität (air quality/EN I),
                                                                                            ¾      vorsätzliche Tötungsdelikte (intentional homicides/PS I),
¾    die Lebenserwartung zum Zeitpunkt der Geburt (life-                                    ¾      selbst angezeigte Erfahrung eines tätlichen Angriffs
     expectancy at birth/HS I),                                                                    auf Leib und Leben oder Eigentum (self-reported vic-
¾    der Gesundheitszustand nach eigener Auskunft (self-                                           timisation/PS II),
     reported health status/HS II),                                                         ¾      Lebenszufriedenheit (life-satisfaction/SW I),
¾    Beschäftigte mit sehr langer Arbeitszeit (employees                                    ¾      Ausgeglichenheit (affect balance/SW II).
     working very long hours/WL I),
¾    Zeitaufwand für Freizeit und persönliche Pflege (time                                  Vom Ansatz her besteht vor allem bezüglich der rele-
     devoted to leisure and personal care/WL II),                                           vanten Bereiche und Indikatoren – ungeachtet der damit
¾    Beschäftigungsquote von Frauen mit schulpflichtigen                                    verbundenen Zielsetzungen – in weiten Teilen Über-
     Kindern (employment rate of women with children                                        einstimmung zwischen dem Ansatz der OECD und
     of compulsory school age/WL III),                                                      der Nachhaltigkeitsstrategie „Nachhaltige Entwicklung in

Statistische Monatshefte Niedersachsen 3/2014                                                                                                                         117
Regionalstatistisches Datenangebot zur Fortschrittsmessung Zum OECD-Ansatz "How's life - Measuring Well-Being"* - Statistisches Bundesamt
Deutschland“. Ein Teil der objektiven Indikatoren wird in                                      Tab. 1 Landkreise und kreisfreie Städte am 31.12.2011
gleicher Definition auch zum Monitoring der nationalen                                                nach Stadt-/Landgliederung
Strategie „Nachhaltige Entwicklung in Deutschland“                                                                                                                     Siedlungs
                                                                                                   Stadt-/Land-               Fläche             Bevölkerung
herangezogen (z. B. die Erwerbstätigenquote, der Anteil                                                                                                                  dichte
                                                                                                   gliederung1)
von Personen mit einem tertiären Abschluss oder ausge-                                                                         km2                    Anzahl           Pers./km2
wählte Gesundheitsindikatoren wie Adipositas/Fettlei-
                                                                                                         1                  17 800                 28 932 890            1 625
bigkeit); bei anderen Indikatoren gibt es eine eher prinzi-                                              2                 100 754                 34 009 378              338
pielle Übereinstimmung, wobei allerdings unterschied-                                                    3                 238 575                 18 901 475               79
                                                                                                      1 bis 3              357 129                 81 843 743              229
liche Indikatoren zur Anwendung kommen wie zum Bei-
                                                                                                                                        Anteil in %
spiel bei der Einkommenssituation von Männern und                                                        1                        5,0                      35,4                 .
Frauen. Nicht verwendet werden in der Deutschen Nach-                                                    2                      28,2                       41,6                 .
haltigkeitsstrategie sämtliche Indikatoren mit Angaben                                                   3                      66,8                       23,1                 .
                                                                                                      1 bis 3                    100                        100                 .
zum Zeitaufwand11) (Übersicht 3).
                                                                                               1) Gliederung nach dem Siedlungsgrad: 1=dicht, 2 = mittel, 3=dünn.

3. How’s life – in Deutschland                                                                 atlas [18] vergleichsweise einfach und kostenfrei zugäng-
                                                                                               lich. Beide Produkte enthalten im Wesentlichen Angaben
3.1. Vorbemerkungen – Datengrundlagen und Re-                                                  zu administrativen Gebietseinheiten unterhalb der Län-
    gionaleinheiten                                                                            derebene. Dazu gehören besonders Angaben für Kreise,
                                                                                               d. h. für kreisfreie Städte und Landkreise. In der Regio-
Bundesweit vergleichbare regionalstatistische Informatio-                                      naldatenbank Deutschland sind einige Angaben flächen-
nen aus der amtlichen Statistik sind vor allem in Gemein-                                      deckend auf Gemeindeebene vorhanden; eine umfassen-
schaftsveröffentlichungen der Statistischen Ämter des                                          de und aktuelle Übersicht über ausgewählte Daten zu
Bundes und der Länder, besonders der Regionaldaten-                                            deutschen Gemeinden kann aus dem Gemeindeverzeich-
bank Deutschland [17] und dem interaktiven Regional-                                           nis/GVISys [19] abgerufen werden. Auf europäischer Ebe-
                                                                                               ne werden kleinräumige Daten für ausgewählte Groß-
11) Derartige Informationen liefern vor allem Zeitbudgeterhebungen. Das Statistische Bundes-   städte im Rahmen des sogenannten Urban Audit [20]
    amt hat in der Vergangenheit zwei Studien durchgeführt, siehe dazu auch [16]. Eine neue
    Erhebung zur Zeitverwendung wird derzeit durchgeführt.                                     für Europa angeboten. Die Angaben für Deutschland

Tab. 2 Ausgewählte Merkmale in den kreisfreien Städten nach Bevölkerungsgrößen
                                                                                                                                        Fläche
                                                    Kreisfreie                                                                                darunter              Wohnfläche
                                                                          Einwohner              ins-              Erholungs-
                Einwohner-                           Städte                                                                                                          in Wohn-
                                                                                               gesamt                fläche                 Grünanlagen
               größenklasse                                                                                                                                         gebäuden
                                                                      2011                                                              2010
                                                                     Anzahl                                                km2                                       1 000 m2

Kreisfreie Städte
mit … Einwohnern
    500 000 und mehr                                         13               12 868 277              4 664               398                      334               481 087
    250 000 bis unter 500 000                                13                4 076 914              2 386               145                      113               158 132
    100 000 bis unter 250 000                                42                6 712 916              5 330               284                      223               260 400
     50 000 bis unter 100 000                                24                1 693 322              2 402                86                       67                70 479
                unter 50 000                                 15                  624 861              1 011                21                       15                27 653
Zusammen                                                   107                25 976 290            15 793                934                      752               997 751
Deutschland insgesamt                                            .            81 843 743          357 127               3 985                   2 671               3 426 896
                                                                        Anteil an kreisfreien Städten in %
    500 000 und mehr                                       12,1                     49,5               29,5              42,6                     44,4                   48,2
    250 000 bis unter 500 000                              12,1                     15,7               15,1              15,5                     15,0                   15,8
    100 000 bis unter 250 000                              39,3                     25,8               33,8              30,4                     29,7                   26,1
     50 000 bis unter 100 000                              22,4                      6,5               15,2               9,2                      8,9                    7,1
                unter 50 000                               14,0                      2,4                6,4               2,2                      2,0                    2,8
Zusammen                                                   100                      100                 100               100                      100                    100
                                                          Anteil an allen Kreisen und kreisfreien Städten in %
    500 000 und mehr                                       65,0                     15,7                 1,3             10,0                     12,5                   14,0
    250 000 bis unter 500 000                              17,3                      5,0                 0,7              3,6                      4,2                    4,6
    100 000 bis unter 250 000                              19,4                      8,2                 1,5              7,1                      8,3                    7,6
     50 000 bis unter 100 000                              32,4                      2,1                 0,7              2,2                      2,5                    2,1
                unter 50 000                               93,8                      0,8                 0,3              0,5                      0,6                    0,8
Insgesamt                                                  26,6                     31,7                 4,4             23,4                     28,2                   29,1

118                                                                                                                                     Statistische Monatshefte Niedersachsen 3/2014
Regionalstatistisches Datenangebot zur Fortschrittsmessung Zum OECD-Ansatz "How's life - Measuring Well-Being"* - Statistisches Bundesamt
Noch: Tab. 2 Ausgewählte Merkmale in den kreisfreien Städten nach Bevölkerungsgrößen

                                                           Sozial-                                            Arbeitslose                                Schulabsolventen
                                    Verfügbares                             Erwerbstätige
                                                       versicherungs-                                                  darunter                      mit
                                    Einkommen                                 nach dem                                                                                 ohne
                                                          pflichtig                                                                             Allgemeiner
                                    der privaten                             Arbeitsort-     insgesamt      im Alter von       Langzeit-                            Hauptschul-
          Einwohner-                                  Beschäftigte am                                                                           Hochschul-
                                     Haushalte                                 konzept                      15 bis unter        arbeits-                             abschluss
         größenklasse                                     Wohnort                                                                                   reife
                                                                                                             25 Jahren            lose
                                       2009                 2010               2009                             2011                                            2010
                                      1 000 €              Anzahl              1 000                                                Anzahl

 Kreisfreie Städte
 mit … Einwohnern
 500 000 und mehr                  246 812 846              4 138 416             7 917          637 732          65 646        232 611               47 672               8 654
 250 000 bis unter 500 000          75 895 543              1 378 495             2 558          183 278          20 013         72 456               17 068               2 957
 100 000 bis unter 250 000         121 472 285              2 150 894             4 167          298 891          32 497        113 120               27 915               4 955
  50 000 bis unter 100 000          29 873 991                543 978             1 129           78 727           8 896         26 961                8 563               1 412
             unter 50 000           11 777 010                211 002               435           21 770           2 604          6 259                3 759                 723
 Zusammen                          485 831 675              8 422 785            16 207        1 220 398        129 656         451 407             104 977               18 701
 Deutschland insgesamt           1 554 260 000            27 599 714             40 271        2 975 823        278 886       1 051 603             267 850               53 058
                                                                         Anteil an kreisfreien Städten in %
 500 000 und mehr                           50,8                  49,1             48,8              52,3            50,6           51,5                 45,4                46,3
 250 000 bis unter 500 000                  15,6                  16,4             15,8              15,0            15,4           16,1                 16,3                15,8
 100 000 bis unter 250 000                  25,0                  25,5             25,7              24,5            25,1           25,1                 26,6                26,5
  50 000 bis unter 100 000                   6,1                   6,5              7,0               6,5             6,9            6,0                  8,2                 7,6
             unter 50 000                    2,4                   2,5              2,7               1,8             2,0            1,4                  3,6                 3,9
 Zusammen                                    100                   100              100               100            100             100                 100                 100
                                                             Anteil an allen Kreisen und kreisfreien Städten in %
 500 000 und mehr                           15,9                  15,0             19,7              21,4            23,5           22,1                 17,8                16,3
 250 000 bis unter 500 000                   4,9                   5,0              6,4               6,2             7,2            6,9                  6,4                 5,6
 100 000 bis unter 250 000                   7,8                   7,8             10,3              10,0            11,7           10,8                 10,4                 9,3
  50 000 bis unter 100 000                   1,9                   2,0              2,8               2,6             3,2            2,6                  3,2                 2,7
             unter 50 000                    0,8                   0,8              1,1               0,7             0,9            0,6                  1,4                 1,4
 Insgesamt                                  31,3                  30,5             40,2              41,0            46,5           42,9                 39,2                35,2

werden von der KOSIS-Gemeinschaft Urban Audit in Zu-                                        die OECD zusammen mit der Europäischen Kommis-
sammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt [21] be-                                       sion die bestehende Gebietsgliederung überarbeitet
reitgestellt.                                                                               und unter der Bezeichnung „DEGree of URBAnisation
                                                                                            (DEGURBA) im Sommer 2011 verabschiedet13) [23, 24].
Die Regionaldatenbank Deutschland ist – bis auf wenige                                      Grundlage sind sogenannte Gitterzellen (Rasterzellen)
Ausnahmen – Grundlage der nachfolgenden Analysen.                                           der Größe 1 km x 1 km. Anhand der Einwohnerzahl und
Hier können aus 78 Statistiken zahlreiche Merkmale und                                      der Bevölkerungsdichte wird für jede Zelle bestimmt, ob
Indikatoren für verschiedene Bereiche von Gesellschaft,                                     es sich dabei um eine (1) städtische, (2) mittlere oder (3)
Wirtschaft, Umwelt und öffentlichem Bereich abgerufen                                       ländliche Besiedlung handelt. Die Abgrenzung erfolgt
werden. Da der überwiegende Teil des bundesstatisti-                                        auf Gemeindeebene. Für die Zuordnung zu „dicht“ oder
schen Programms auf europäischen Rechtsgrundlagen                                           „dünn besiedelt“ ist entscheidend, dass mehr als die
beruht, sind die regionalstatistischen Angaben zu wei-                                      Hälfte der Bevölkerung in entsprechend „dicht“ oder
ten Teilen auch europaweit vergleichbar. Grundlage                                          „dünn“ besiedelten Gitterzellen wohnt. Als dicht besie-
dafür ist die europäische Gebietsgliederung NUTS [22,                                       delt werden Gitterzellen mit einer Siedlungsdichte von
S. 3], die für Deutschland administrative Gebietseinhei-                                    mindestens 500 Einwohnern pro km² und einer Min-
ten von den Gemeinden (LAU2) über Gemeindeverbän-                                           destbevölkerung von 50 000 Einwohnern bezeichnet.
de (LAU1), Kreise (NUTS3) und Regierungsbezir-                                              Für eine mittlere Besiedlung gelten eine Siedlungsdichte
ke/statistische Regionen (NUTS2) und Bundesländer                                           von mindestens 100 und eine Mindestbevölkerung von
(NUTS1) enthält12).                                                                         50 000 Einwohnern [25]. Als „dünn“ besiedelt werden
                                                                                            alle anderweitig nicht zuordenbaren Regionaleinheiten
Da sich administrative Gebietseinheiten wie zum Bei-                                        eingestuft.
spiel die Kreise aufgrund ihrer unterschiedlichen Größe
in den verschiedenen Bundesländern in Deutschland                                           Da in der amtlichen Statistik Deutschlands eine allgemei-
und mehr noch in den Mitgliedstaaten der Europäischen                                       ne Regelung zur Aufbereitung und Auswertung von sta-
Union für Vergleichszwecke nur bedingt eignen, hat                                          tistischen Angaben für Rasterzellen bislang rechtlich
                                                                                            nicht besteht – eine entsprechende Rechtsgrundlage
12) Die NUTS-Klassifikation wird regelmäßig in mehrjährigen Zeitabständen angepasst und
    bietet die Grundlage für europaweite Vergleiche – vor allem auf der Ebene NUTS2 – be-   13) Zur ausführlichen Beschreibung siehe [23]; eine Kurzbeschreibung kann unter [24] abgeru-
    sonders für die europäische Regional- und Sozialpolitik.                                    fen werden.

Statistische Monatshefte Niedersachsen 3/2014                                                                                                                                    119
Regionalstatistisches Datenangebot zur Fortschrittsmessung Zum OECD-Ansatz "How's life - Measuring Well-Being"* - Statistisches Bundesamt
Abbildung 3
          Abb. 3a Bevölkerung am 31. Dezember 2011                             Abb. 3c Bevölkerung am 31. Dezember 2011
              in den größten kreisfreien Städten                                  in den kleinsten kreisfreien Städten

             Berlin                                                      Frankenthal (Pfalz)
          Hamburg                                                                       Hof
          München                                                                 Straubing
                                                                        Landau in der Pfalz
              Köln
                                                                                    Amberg
  Frankfurt am Main                                                                Eisenach
          Stuttgart                                                 Weiden in der Oberpfalz
         Düsseldorf                                                             Kaufbeuren
         Dortmund                                                              Memmingen
             Essen                                                                   Coburg
                                                                                   Ansbach
            Bremen
                                                                                  Pirmasens
            Leipzig
                                                                                Schwabach
           Dresden                                                                     Suhl
          Nürnberg                                                             Zweibrücken
                      0    1 000     2 000      3 000     4 000                                0   5     10 15 20        25 30 35 40       45 50
                                                             Tsd.                                                                             Tsd.

                Abb. 3b Bevölkerungsdichte 2011                                       Abb. 3d Bevölkerungsdichte 2011
               in den größten kreisfreien Städten                                    in den kleinsten kreisfreien Städten

          München                                                        Frankenthal (Pfalz)
             Berlin                                                             Kaufbeuren
          Stuttgart                                                             Schwabach
  Frankfurt am Main                                                                 Amberg
                                                                                     Coburg
          Nürnberg
                                                                                        Hof
             Essen                                                                Straubing
         Düsseldorf                                                               Pirmasens
              Köln                                                  Weiden in der Oberpfalz
          Hamburg                                                              Memmingen
         Dortmund                                                       Landau in der Pfalz
                                                                               Zweibrücken
            Leipzig
                                                                                   Eisenach
           Bremen                                                                  Ansbach
           Dresden                                                                     Suhl
                      0   1 000    2 000     3 000   4 000 4 500                               0       200      400     600    800    1 000 1 200
                                                      Einw./km2                                                                         Einw./km2

soll im Rahmen des E-Governmentgesetzes geschaffen                      heiten an, wenn Auswertungen sowohl bezüglich der
werden [26] – ist die Zuordnung im Gemeindeverzeichnis                  Siedlungsdichte – dicht und mittel – als auch von ausge-
auf der Grundlage von administrativen Einheiten erfolgt.                wählten Kommunen – großen und kleinen – unternom-
Gitterzellen böten den Vorteil einer genaueren, flexiblen               men werden sollen. So gab es am 31.12.2011 insgesamt
und im Zeitablauf stabilen regionalen Einteilung.                       13 kreisfreie Großstädte mit mehr als 500 000 Einwoh-
                                                                        nern; sie sind nach den o. g. Kriterien ausnahmslos dicht
Für die nachfolgenden raumbezogenen Untersuchungen                      besiedelt. Selbstverständlich gibt es noch weitere Groß-
zu den Lebensbedingungen in Deutschland sollen ausge-                   städte wie Hannover oder Aachen mit einer Wohnbevölke-
wählte Angaben in Anlehnung an die von der OECD in                      rung von mehr als 200 000 Einwohnern. Allerdings wurde
„How’s life“ vorgeschlagenen Indikatoren vor allem auf                  hier aufgrund von Gebietsreformen in jüngerer Zeit das
der Kreisebene überwiegend aus der Regionaldatenbank                    Umland mit in die jeweilige NUTS 3 Ebene einbezogen, so
und aus dem Regionalatlas im Hinblick auf den Besied-                   dass eine isolierte Betrachtung der Stadt selbst nicht mehr
lungsgrad kurz dargestellt werden. Eine detailliertere Be-              einfach möglich ist, in der Datenbank aber nachgewiesen
trachtung erfolgt für die kreisfreien Städte in Deutschland             wird. Die kleinsten kreisfreien Städte Deutschlands mit
gemäß Gebietsstand 31.12.2011. Diese Abgrenzung bietet                  einer Einwohnerzahl von weniger als 50 000 wurden – mit
sich in Anbetracht der in der Bundesstatistik vorhandenen               Ausnahme von Frankenthal (Pfalz) – als „mittel“ besiedelt
administrativen Gebietseinheiten als kleinste Regionalein-              eingestuft.

120                                                                                                          Statistische Monatshefte Niedersachsen 3/2014
Regionalstatistisches Datenangebot zur Fortschrittsmessung Zum OECD-Ansatz "How's life - Measuring Well-Being"* - Statistisches Bundesamt
Auch wenn etwa ein Drittel der OECD-Indikatoren für                                         (2) Einkommen und Vermögen (verfügbares Einkom-
„How’s life“ auf Kreis- und teilweise auf Gemeinde-                                             men der privaten Haushalte IW I),
ebene vorliegt, sollen im Folgenden grundlegende As-
pekte, die eng mit den materiellen Lebensbedingungen                                        (3) Berufstätigkeit (Erwerbstätigenquote JE I, Langzeitar-
– aktuell und zukünftig – zusammenhängen wie allge-                                             beitslosigkeit JE II),
meine räumliche Lebenssituation, Einkommen, Erwerbs-
tätigkeit und Bildungsstand eingehender betrachtet                                          (4) Schulische und berufliche Bildung (allgemeine Hoch-
werden. Eine detaillierte Untersuchung der Lebensquali-                                         schulreife ES I).
tät in Analogie zu „How’s life“ soll wegen der Komple-
xität der Materie einer separaten Veröffentlichung vor-                                     Dabei wird versucht, diese Indikatoren definitorisch so-
behalten bleiben. Im Folgenden werden betrachtet:                                           weit wie möglich an diejenigen von „How’s life“ anzu-
                                                                                            lehnen und ggf. in Verbindung mit zumindest definito-
(1) Raum- bzw. Flächennutzungsmöglichkeiten (Zugang                                         risch ähnlichen statistischen Indikatoren – ungeachtet der
    zu Grünflächen en 314), Wohnfläche pro Person H0 I),                                    damit verbundenen Zielsetzungen – für die „Nachhaltig-
                                                                                            keitsstrategie für Deutschland“ und „Europa 2020“ zu
14) Diese Codes beziehen sich auf die Nummerierung in der Publikation „How’s life“ der
    OECD; siehe Übersicht 3.                                                                ergänzen und kurz zu diskutieren.

                                                                              Abbildung 4
                      Abb. 4a Anteil der Grünanlagen                                                       Abb. 4c Anteil der Grünanlagen
                      an der Gesamtbodenfläche 2010                                                        an der Gesamtbodenfläche 2010
                     in den größten kreisfreien Städten                                                  in den kleinsten kreisfreien Städten

                   Berlin                                                                              Pirmasens
                     Köln                                                                     Frankenthal (Pfalz)
                                                                                                          Coburg
    Frankfurt am Main
                                                                                                             Hof
               München
                                                                                                    Zweibrücken
               Hamburg                                                                       Landau in der Pfalz
                 Dresden                                                                                 Amberg
                Stuttgart                                                                           Memmingen
                    Essen                                                                               Ansbach
                 Bremen                                                                                Straubing
                                                                                                        Eisenach
                  Leipzig
                                                                                                     Kaufbeuren
               Nürnberg
                                                                                         Weiden in der Oberpfalz
              Dortmund                                                                               Schwabach
              Düsseldorf                                                                                    Suhl
                             0   1    2   3   4    5    6   7    8    9 10 11 %                                     0   1   2   3   4   5   6   7   8   9 10 11 %

               Abb. 4b Wohnfläche in Wohngebäuden                                                    Abb. 4d Wohnfläche in Wohngebäuden
                        pro Einwohner 2010                                                                     pro Einwohner 2010
                 in den größten kreisfreien Städten                                                    in den kleinsten kreisfreien Städten

                 Dresden                                                                             Kaufbeuren
                Stuttgart                                                                            Schwabach
    Frankfurt am Main                                                                                  Straubing
                                                                                                        Eisenach
              Düsseldorf
                                                                                              Frankenthal (Pfalz)
                    Essen                                                                                Amberg
               Nürnberg                                                                                      Hof
                   Berlin                                                                Weiden in der Oberpfalz
               München                                                                                    Coburg
                     Köln                                                                           Zweibrücken
                                                                                                       Pirmasens
                 Bremen
                                                                                                        Ansbach
                  Leipzig
                                                                                                    Memmingen
               Hamburg                                                                                      Suhl
              Dortmund                                                                       Landau in der Pfalz
                             0   5   10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 m2                                               0   5   10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 m2

Statistische Monatshefte Niedersachsen 3/2014                                                                                                                   121
3.2. Leben in Deutschland – Materielle Lebensbedin-                        sind mit einer Siedlungsdichte von ca. 1 800 bis 1 600
     gungen                                                                deutlich weniger dicht besiedelt.

3.2.1. Raum- bzw. Flächennutzungsmöglichkeiten                             Die kleinsten kreisfreien Städte haben bezüglich der Ein-
                                                                           wohnerzahl eine größere Homogenität. Die Einwohner-
Die Raum- und Flächennutzung gibt nicht nur Auf-                           zahl reicht von ca. 34 000 bis etwa 47 000 Einwohner
schluss über die Siedlungsstruktur, sie liefert auch An-                   (siehe Abbildung 3c). Diese kleinen kreis- freien Städte
haltspunkte über die materiellen Lebensbedingungen und                     sind – wie die Großstädte auch – über ganz Deutschland
die Lebensqualität. Im Bericht der OECD gibt es zwei                       verteilt. Von den Großstädten befinden sich vier in Nord-
unterschiedliche Bereiche, in denen Indikatoren zur                        Rhein-Westfalen und die übrigen liegen überwiegend in
Raumnutzung angesprochen werden. Dazu gehört ein-                          den Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg.
mal der Bereich „Wohnsituation“, und zum anderen wird
die Grünfläche als Indikator für die Umweltqualität he-                    Die Siedlungsdichte liegt für die kleinen kreisfreien Städte
rangezogen.                                                                zwischen ca. 400 und 1 000 Personen je km2. Sie wurden
                                                                           damit überwiegend als „mittel“ besiedelt im Gemeinde-
In diesem Abschnitt soll zunächst die Siedlungsstruktur in                 verzeichnis eingestuft (Abbildung 3d).
Deutschland – vor dem Hintergrund der methodischen
Ausführungen in Abschnitt 3.1 – dargestellt werden.                        Gerade in dicht besiedelten Räumen ist der Zugang zu
Kreisfreie Städte – die größten und die kleinsten – dienen                 Grünflächen ein wichtiger Indikator für Well-Being. So
quasi exemplarisch für Gebiete mit einer „dichten“ bzw.                    wird von der OECD und auch von anderen Einrichtungen
solche mit einer überwiegend „mittleren“ Siedlungsdich-                    wie beispielsweise der Weltbank postuliert, dass Flächen
te. Wegen der besonderen Bedeutung des Wohnumfel-                          für die Erholung des Einzelnen und damit für die Lebens-
des hier Grünflächen, für dicht besiedelte Gebiete, soll                   qualität insgesamt von großer Bedeutung sind [14, S.
nachfolgend die Situation in den betrachteten Städten                      215]. Dies gilt umso mehr, je enger die Menschen räum-
aufgezeigt werden. Und schließlich soll auf die Wohnsi-                    lich zusammenleben, d. h. je höher die Siedlungsdichte
tuation selbst eingegangen werden.                                         ist. Von der OECD wurde „Grünfläche“ als sekundärer
                                                                           Indikator eingestuft, weil bislang ein OECD-weiter Ver-
Deutschland hat eine Fläche von rund 357 000 km². Hier                     gleich nur auf der Basis von subjektiven Angaben aus
lebten am 31.12.2011 rund 82 Mio. Personen (siehe                          nicht amtlichen Quellen möglich ist. Für Deutschland
Tabelle 1): Die Siedlungsdichte reichte damit im Durch-                    hingegen liegen in der amtlichen Statistik objektive An-
schnitt von mehr als 1 600 Einwohnern je km² für dicht                     gaben aus der Flächenerhebung vor.
besiedelte Kreise bis hin zu 79 Einwohnern je km² für                      So liefert der Indikator Anteil der Grünanlagen an der
dünn besiedelte Kreise. Insgesamt ist Deutschland zu                       Gesamtbodenfläche erste Anhaltspunkte für diesen As-
zwei Dritteln dünn besiedelt. Auf lediglich 5 % der Fläche                 pekt der Lebensqualität. Während der Anteil der Grünflä-
Deutschlands leben mehr als ein Drittel seiner Einwoh-                     che an der Gesamtbodenfläche bei Städten über 500 000
ner (35,4 %). In den 107 kreisfreien Städten Deutsch-                      Einwohner durchschnittlich bei 7 % liegt, beträgt dieser
lands, d. h. in etwa 1 % der deutschen Gemeinden15)                        Anteil bei den kleinen kreisfreien Städten (
Abb. 5a Regionalatlas Deutschland                       abstellt, ist die Wohnfläche. Die Wohnsituation wird von
              Indikatoren des Themenbereichs                         der OECD als wichtigste Komponente für den Lebens-
                       „Bevölkerung“                                 standard einer Gesellschaft bezeichnet. Dadurch werden
                                                                     nicht nur elementare Bedürfnisse wie Schutz vor Wet-
                                                                     tereinflüssen Regen, Schnee oder Naturkatastrophen etc.
                                                                     abgedeckt, sondern die Wohnsituation liefert auch An-
                                  Schleswig-
                                  Holstein                           haltspunkte zur Beurteilung der individuellen Sicherheit
                                                  Mecklenburg-
                                                  Vorpommern         sowie der potenziellen Privatsphäre eines Einzelnen.
                          Bremen Hamburg

                            Niedersachsen                  Berlin    Die OECD empfiehlt zur Beurteilung der Wohnsituation
                                                      Brandenburg
                                                                     insgesamt vier verschiedene Indikatoren. Kernindikatoren
                                               Sachsen-              sind einmal die Anzahl der Räume je Person und Woh-
                   Nordrhein-                  Anhalt
                   Westfalen                                         nung und zum anderen die Ausstattung mit grundlegen-
                                                           Sachsen   den Hygieneeinrichtungen wie beispielsweise mit an das
                                          Thüringen
                               Hessen                                öffentliche Kanalnetz angeschlossenen Sanitäreinrichtun-
               Rheinland-
                                                                     gen16) [28]. Zu beidem gibt es Anhaltspunkte aus der
                 Pfalz                                               Regionalstatistik Deutschlands17). Der Einfachheit halber
               Saarland                                              soll im Folgenden als Indikator für die Wohnsituation die
                                                  Bayern
                                                                     Wohnfläche in m² je Person genügen.
                            Baden-
                          Württemberg
                                                                     Die Wohnfläche pro Person in m2 liegt – weitgehend un-
                                                                     abhängig von der Einwohnerzahl einer Stadt – in den
                                                                     Großstädten zwischen 36 m2 (Dortmund) und 40 m2
                             Bevölkerungsdichte 2010                 (Dresden) pro Person (Abbildung 4b). Bei den kleinen
                            Kreise und kreisfreie Städte             kreisfreien Städten ist die statistisch jedem Einwohner zur
                                 Einwohner je km²
                                                                     Verfügung stehende Wohnfläche überwiegend noch grö-
                               37,1   bis unter     900,7 (331)
                              900,7   bis unter   1 764,4 (53)       ßer und liegt zwischen 38 m2 (Landau i. d. Pfalz und Suhl)
                            1 764,4   bis unter   2 628,0 (18)       und 51 m2 (Kaufbeuren) (Abbildung 4d). Tendenziell ist
                            2 628,0   bis unter   3 491,7 (8)
                            3 491,7   bis unter   4 355,3 (2)        damit die Wohnsituation unter dem Gesichtspunkt der
                                                                     Wohnfläche in den kleinen kreisfreien Städten besser als
        Abb. 5b Indikatoren des Themenbereichs                       in den Großstädten. Da sich das Stadt-/Landgefälle aber
                  „Gebiet und Fläche“                                nicht nur in der Größe der Wohnungen, sondern auch
                                                                     ihren Preisen und der Haushaltsstruktur widerspiegelt,
                                                                     müssen für eine differenziertere Untersuchung der Le-
                                  Schleswig-
                                                                     bensqualität ggf. personengruppen- bzw. haushaltsgrup-
                                  Holstein
                                                  Mecklenburg-
                                                                     penspezifisch weitere Indikatoren wie beispielsweise die
                                                  Vorpommern         Miet- bzw. Wohnpreise herangezogen werden.
                          Bremen Hamburg

                                                           Berlin
                            Niedersachsen                            Betrachtet man die verschiedenen Flächenindikatoren zur
                                                      Brandenburg    Siedlungs-, Erholungs- und Wohnsituation unter Berück-
                                               Sachsen-
                   Nordrhein-                  Anhalt
                                                                     sichtigung ihrer Lage im Raum, so bieten sich aus dem
                   Westfalen
                                                                     Standardveröffentlichungsprogramm der amtlichen Sta-
                                                           Sachsen
                                          Thüringen                  tistik, besonders dem Regionalatlas, Karten dazu an.
                               Hessen

               Rheinland-                                            Die Karte zur Bevölkerungsdichte (Abbildung 5a) zeigt,
                 Pfalz
                                                                     dass sich dicht besiedelte Gebiete über ganz Deutschland,
               Saarland
                                                  Bayern
                                                                     allerdings häufig auf einzelne Kreise konzentriert, verteilen.
                                                                     Größere zusammenhängende dicht besiedelte Gebiete
                            Baden-
                          Württemberg                                befinden sich vor allem in Nordrhein-Westfalen – rund um
                                                                     Düsseldorf – und im Rhein-Main-Gebiet zwischen Frank-

                                                                     16) Für beide Indikatoren gibt es Angaben auf Kreisebene aus der Bundesstatistik; siehe [28],
           Anteil der Erholungsfläche an der Gesamtfläche 2010           hier S. 72 bezüglich des Wohnungsbestandes und S. 79 bezüglich der öffentlichen Abwas-
                                                                         serbehandlung.
                   Kreise und kreisfreie Städte in Prozent           17) Die Räume je Person lassen sich aus der Regionaldatenbank Deutschland aus der Anzahl
                                 0,2 bis unter 3,1 (327)                 der Wohngebäude und der darin enthaltenen Wohnungen und Räume berechnen. Auf-
                                 3,1 bis unter 6,0 (49)                  grund der unterschiedlichen Größe der Räume wird dem Indikator „Wohnfläche pro Person
                                 6,0 bis unter 8,9 (23)                  in m2“ der Vorzug gegeben. Zur Ausstattung der Wohnungen ist anzumerken, dass alle in
                                 8,9 bis unter 11,8 (11)                 der Statistik nachgewiesenen Wohnungen über entsprechende Hygieneeinrichtungen ver-
                                                                         fügen, der Indikator damit für Deutschland für eine Beurteilung in der OECD-Abgrenzung
                                11,8 bis unter 14,7  (2)
                                                                         nicht hinreichend geeignet erscheint.

Statistische Monatshefte Niedersachsen 3/2014                                                                                                              123
Abb. 6 Verfügbares Einkommen je Einwohner 2009 …
             a … in den größten kreisfreien Städten                               b … in den kleinsten kreisfreien Städten

          Hamburg                                                              Memmingen
          München                                                                    Coburg
                                                                                Schwabach
         Düsseldorf
                                                                                  Straubing
          Stuttgart
                                                                                Kaufbeuren
           Bremen                                                                   Amberg
              Köln                                                      Landau in der Pfalz
  Frankfurt am Main                                                 Weiden in der Oberpfalz
             Essen                                                                 Ansbach
          Nürnberg                                                                     Suhl
                                                                                  Pirmasens
         Dortmund
                                                                                        Hof
           Dresden
                                                                               Zweibrücken
             Berlin                                                      Frankenthal (Pfalz)
            Leipzig                                                                Eisenach
                      0   5 000   10 000 15 000   20 000 25 000 €                              0   5 000   10 000 15 000    20 000 25 000 €

furt und Mainz. Auch in der Region Nürnberg und im Be-                  Die OECD empfiehlt als „… best measure of people’s
reich Mannheim-Heidelberg grenzen mehrere dichter und                   economic ressources …“ [14, S. 39] das verfügbare
dicht besiedelte Kreise mit einer Siedlungsdichte von min-              Haushaltsnettoeinkommen (household net adjusted
destens 900 Einwohnern pro km2 aneinander.                              disposable income), berechnet aus den Angaben der
                                                                        Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen [14, S. 39].
Die Erholungsfläche umfasst neben der Fläche für Grün-                  Diese Angaben sind auch für Deutschland auf Kreisebene
anlagen Parks, Schrebergärten, Sportflächen und Cam-                    aus der Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der
pingplätze, Flächen, die überwiegend dem Sport und                      Länder verfügbar. Hier ergibt sich für 2009 folgende
der Erholung oder dazu dienen, Tiere oder Pflanzen zu                   Situation: Der Großteil des verfügbaren Haushaltsein-
zeigen. Die Erholungsflächen in Deutschland folgen zu                   kommens konzentriert sich auf die kreisfreien Großstäd-
weiten Teilen der Siedlungsstruktur. Besonders große                    te. So verfügte die Bevölkerung in kreisfreien Städten mit
Flächenanteile finden sich vor allem in den dicht und                   31,3 % über nahezu ein Drittel des verfügbaren Gesamt-
dichter besiedelten Kreisen. Größere zusammenhän-                       einkommens. Im Durchschnitt liegt es bei 19 200 EUR je
gende Erholungsflächen mit einem Flächenanteil von                      Einwohner und Jahr in den Großstädten. Am niedrigsten
mehr als 3 % der Gesamtfläche gibt es vor allem im                      war das frei verfügbare Jahreseinkommen mit 17 600
Ruhrgebiet sowie dem Dreieck von Magdeburg, dem                         EUR in Städten mit 50 000 bis 100 000 Einwohnern (Ta-
Burgenlandkreis südlich von Halle und Leipzig. Diese                    belle 2). Betrachtet man die größten und die kleinsten
Ergebnisse stimmen tendenziell mit den Ergebnissen für                  kreisfreien Städte (Abbildung 6a und 6b), so ergeben sich
die oben näher betrachteten kreisfreien Städte, die                     deutliche Unterschiede. In sechs Großstädten (Hamburg,
kleinsten und die größten, überein, derart, dass die                    München, Düsseldorf, Stuttgart, Bremen und Köln) lag
Grünflächen- bzw. die Erholungsflächenanteile an der                    das durchschnittliche verfügbare Einkommen pro Ein-
Gesamtfläche umso größer sind, je mehr Einwohner                        wohner über 20 000 EUR. Mit rd. 24 000 EUR war es am
eine Stadt hat.                                                         höchsten für Hamburg und mit ca. 15 000 EUR für Leip-
                                                                        zig am niedrigsten. Für die kleinsten kreisfreien Städte
                                                                        war die Spanne von 16 000 EUR (Eisenach) bis 22 000
3.2.2 Einkommen und Vermögen                                            EUR (Memmingen) deutlich geringer. Diese Werte bieten
                                                                        Anhaltspunkte zur Beurteilung der materiellen Situation;
Einkommen und Vermögen sind bei „How’s life“ die                        für eine möglichst realitätsnahe Betrachtung müssen al-
grundlegenden Komponenten von materiellem Wohl-                         lerdings weitere Faktoren, besonders die Bevölkerungs-
stand. Während Einkommen es dem Einzelnen ermög-                        und Haushaltsstruktur in demografischer und soziodemo-
licht, sich seine Bedarfe und Wünsche zu erfüllen, dient                grafischer Hinsicht oder die Erwerbsmöglichkeiten in be-
Vermögen dazu, einen einmal gewonnenen Lebensstan-                      ruflicher und räumlicher Hinsicht, hinzugezogen werden.
dard zu erhalten [14, S. 37 f.]. Auch in der europäischen
Strategie „Europa 2020“ wird Bezug genommen auf die                     Die materielle Situation lässt sich nicht nur positiv anhand
Einkommenssituation, allerdings mit der Zielsetzung: Ver-               des verfügbaren Einkommens messen. Weitere Einblicke
ringerung der Armutsgefährdung in Europa [29].                          liefert eine Negativ-Betrachtung, wie sie zumindest teil-

124                                                                                                   Statistische Monatshefte Niedersachsen 3/2014
Sie können auch lesen