NLuu Heft 1, 2 2012 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG - Land Brandenburg
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HEFT 1, 2 2012 BRANDENBURG – 20 JAHRE FFH-RICHTLINIE IN LANDSCHAFTSPFLEGE NL und Heft 1, 2 2012 UND Einzelverkaufspreis: 10,00 Euro NATURSCHUTZ NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG BEITRÄGE ZU ÖKOLOGIE, NATUR- UND GEWÄSSERSCHUTZ
2 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (1, 2) 2012 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (1, 2) 2012 91 Termine und Zahlen zu Natura 2000 in Brandenburg 2. April 1979 Inkrafttreten der EU-Vogelschutzrichtlinie 21. Mai 1992 Inkrafttreten der Fauna-Flora-Habitat-(FFH)-Richtlinie 7. Juli 1998 Meldung der 1. Tranche von 90 FFH-Vorschlagsgebieten durch Brandenburg 21. März 2000 Meldung von weiteren 387 Vorschlagsgebieten 9. September 2003 Meldung weiterer 130 Vorschlagsgebiete Anfang 2004 Nachmeldung des FFH-Gebietes Lakomaer Teiche 13. Juli 2004 Korrekturmeldung von 13 Vorschlagsgebieten 29. Juli 2009 Neufassung des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) mit Regelungen zur Umsetzung der FFH-Richtlinie 18. November 2011 Verabschiedung der aktuell gültigen Liste von Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung in der Kontinentalen biogeografischen Region durch die EU Natura 2000-Gebiete in Brandenburg 27 EU-Vogelschutzgebiete (rund 22 % der Landesfläche) 620 FFH-Gebiete (SCI – rund 11 % der Landesfläche) Flächenanteil aller Natura 2000-Gebiete an der Landesfläche Brandenburgs: rund 26 % Anzahl der in Brandenburg vorkommenden Lebensraumtypen des Anhangs I der FFH-Richtlinie: 39 Anzahl der in Brandenburg vorkommenden Arten des Anhangs II der FFH-Richtlinie: 49 Biografische Regionen Europas Anzahl der in Brandenburg vorkommenden Arten des Anhangs IV der FFH-Richtlinie: 60 (Quelle: EEA 2008) Ähriger Blauweiderich (Veronica spicata), Schafbeweidung an den Oderhängen, Quellbach bei Seelow, Trockenrasen im NSG Pimpinellen- Kalkreiches Niedermoor (LRT 7230), Binnendüne (LRT 2330), Weichholzaue an der Havel (LRT 91E0), Sumpfsitter (Epipactis palustris), Oder berg, Blasenbinse (Scheuchzeria palustris) Fotos: F. Zimmermann bei Frankfurt/Oder (LRT 3270), Zwischenmoor (LRT 7140) im Ragower Moor, Riebener See (LRT 3150) Fotos: F. Zimmermann
NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (1, 2) 2012 3 Impressum Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg Herausgeber: Landesamt für Umwelt, Gesundheit Beiträge zu Ökologie, Natur- und Gewässerschutz und Verbraucherschutz Brandenburg (LUGV) Schriftleitung: LUGV, Referat Ö2 21. Jahrgang Heft 1, 2 2012 Natura 2000/Arten- und Biotopschutz Dr. Matthias Hille Dr. Frank Zimmermann Inhaltsverzeichis Beirat: Thomas Avermann Dr. Martin Flade Dr. Lothar Kalbe Dr. Bärbel Litzbarski Vorwort 4 Dr. Annemarie Schaepe Dr. Thomas Schoknecht FRANK ZIMMERMANN, THOMAS SCHOKNECHT & KERSTIN PIETZOFSKI Anschrift: LUGV, Schriftleitung NundLBbg Von den ersten Gebietsmeldungen bis zum Schutzgebietssystem Seeburger Chaussee 2 Natura 2000 in Brandenburg 6 14476 Potsdam, OT Groß Glienicke Tel. 033 201/442 223 E-Mail: matthias.hille@ THOMAS SCHOKNECHT, ANTJE KOCH-LEHKER, VERENA SOMMERHÄUSER & FRANK ZIMMERMANN lugv.brandenburg.de Grundlagen und Vorgehen beim Monitoring von Arten und Lebensraumtypen sowie ISSN: 0942-9328 bei der Umsetzung der Berichtspflichten für Natura 2000 in Brandenburg 16 Es werden nur Originalbeiträge veröffentlicht. Autoren MARTINA DÜVEL, MARTIN FLADE, ARNE KORTHALS, ANNE KRUSE & INKA SCHWAND werden gebeten, die Manuskriptrichtlinien, die bei der Schriftleitung zu erhalten sind, zu berücksichtigen. Managementplanung für FFH-Gebiete im Land Brandenburg 26 Zwei Jahre nach Erscheinen der gedruckten Beiträge werden sie ins Internet gestellt. HOLGER RÖßLING, JANINE RUFFER & MICHAEL ZAUFT Alle Artikel und Abbildungen der Zeitschrift unterlie- gen dem Urheberrecht. Moorschutz mit europäischer Hilfe – Das LIFE-Projekt „Kalkmoore Brandenburgs“ 36 Die Vervielfältigung der Karten erfolgt mit Genehmi- gung des Landesvermessungsamtes Brandenburg NORBERT SCHNNEEWEIß (GB-G 1/99). Namentlich gezeichnete Beiträge geben nicht unbe- Die Rotbauchunke (Bombina bombina) im Zeitalter von Natura 2000 – dingt die Meinung der Redaktion wieder. eine kritische Bewertung der aktuellen Situation in Brandenburg 46 Redaktionsschluss: 4.5.2012 UTE STEINKE Layout/Druck/Versand: Die Bedeutung der Kyritz-Wittstocker Heide für das Schutzgebietsystem Natura 2000 56 Brandenburgische Universitäts- druckerei und Verlagsgesellschaft Potsdam mbH CHRISTINA BLOCHWITZ & DOROTHEE BADER Karl-Liebknecht-Str. 24/25 Kohärenzsicherungsmaßnahmen für den Verlust des FFH-Gebietes Lakomaer Teiche 64 14476 Potsdam (OT Golm) Tel. 0331/56 89-0 Fax 0331/56 89-16 ULRICH SCHRÖDER FFH-Managementplanung am Beispiel der Staakower Heide 76 Bezugsbedingungen: Bezugspreis im Abonnement: 4 Hefte – 12,00 Euro pro Jahrgang, Einzelheft 5,00 Euro. ANNE KRUSE Die Einzelpreise der Hefte mit Roten Listen sowie der Daten und Fakten zur Umsetzung der Fauna Flora-Habitat-Richtlinie in Brandenburg 82 thematischen Hefte werden gesondert festgelegt. Bestellungen: frank.zimmermann@lugv.brandenburg.de Titelbild: Lebensraumtyp 9160 – Sternmieren-Eichen- Hainbuchenwald im FFH-Gebiet Leitsak- graben (20.4.2011) Rücktitel: Rötliche Schuppenwurz (Lathraea squa- maria) – eine typische Art der Bodenflora des LRT 9160 (FFH-Gebiet Leitsakgraben, 20.4.2011) Fotos: F. Zimmermann
4 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (1, 2) 2012 20 Jahre FFH-Richtlinie: Mut zur Vielfalt braucht das Land! Die Fauna-Flora-Habitat- oder kurz gesagt die FFH-Richtlinie der Europä- (Foto: Trialon/Klink) ischen Union hat uns vor 20 Jahren eine gewaltige Aufgabe übertragen – dem Verlust von Arten und Lebensräumen entgegen zu treten. Erstmalig ist dabei die Natur nicht nur innerhalb der Grenzen eines Bundeslandes oder eines Staates, sondern in einem europäischen Netz und auf der Basis geogra- fischer Regionen in ihren natürlichen Zusammenhängen zu schützen. Grund genug innezuhalten und Bilanz zu ziehen, welchen Beitrag wir in Brandenburg dazu leisten konnten, aber auch nach vorn zu schauen, welche Aufgaben noch vor uns liegen. Grundpfeiler der FFH-Richtlinie ist die Schaffung des europäischen Netzes besonderer Schutzgebiete also der „Natura 2000-Gebiete“. Ein solches Netz haben wir in Brandenburg aufgebaut und mit Leben erfüllt. In 620 FFH- und 27 Vogelschutzgebieten – insgesamt auf rund 26 Prozent der Landesfläche – spiegelt sich heute die Vielfalt und die Einzigartigkeit der Tiere, Pflanzen und ihrer Lebensräume von der Prignitz bis in die Lausitz wider. Doch die Errichtung des Natura-2000-Netzes und eines strengen Schutzsys- tems für bestimmte Arten ist nur der erste Schritt: Für diese Schutzgebiete gilt es, Managementmaßnahmen zu entwickeln, um Arten und Lebensräume zu erhalten sowie regelmäßig über Fortschritte und Probleme zu berichten. Europaweit weisen nur 17 Prozent der für die EU bedeutenden Lebensraumtypen und Arten einen günstigen Erhaltungs- zustand auf. Das gilt auch für Brandenburg. Wenn wir den Verlust von Arten- und Lebensräumen stoppen wollen, müs- sen wir den eingeschlagenen Weg weiter verfolgen und ausbauen. Unter Federführung des Umweltministeriums arbeitet die Landesregierung gegenwärtig an einem Maßnahmeprogramm zur biologischen Vielfalt. Darin sollen Wege aufgezeigt werden, wie die biologische Vielfalt im Land bewahrt und nach- haltig genutzt werden kann. Grundlage sind die Bundesstrategie zur biologischen Vielfalt und der entsprechende Land- tagsbeschluss vom vergangenen Jahr. Mit diesem Maßnahmeplan werden wir unseren Beitrag zum Erhalt von Arten und Lebensräumen leisten. Das Jahr 2012 ist für das Natura-2000-Netzwerk und für die biologische Vielfalt in Europa auch bedeutsam, weil in die- sem Jahr wichtige Entscheidungen hinsichtlich der nächsten Programmperiode der EU von 2014 – 2020 und der zukünf- tigen Finanzierung von Natura 2000 anstehen. Jetzt stellt die EU die Weichen dafür, wie die Rahmenbedingungen für die Erhaltung der biologischen Vielfalt in Brandenburg zukünftig aussehen werden. Mit dem vorliegenden Heft wollen wir über den Stand der Dinge und den weiteren Weg zur Umsetzung von Natura 2000 informieren. Angesichts des anspruchsvollen Zieles der Wahrung der biologischen Vielfalt und der großen Verant- wortung, die Brandenburg im Herzen Deutschlands und Europas dabei zukommt, wünsche ich uns allen für die anste- henden Herausforderungen Mut zur Vielfalt. Anita Tack Ministerin für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg
NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (1, 2) 2012 5 LRT 9130 – Waldmeister-Buchenwald (Asperulo-Fagetum) Foto: T. Schoknecht (2.5.2008)
6 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (1, 2) 2012; 6-14 „MIT DER EINFÜHRUNG DER ‚FAUNA-FLORA-HABITAT-RICHTLINIE’ IM JAHR 1992 IST DIE VERWIRKLICHUNG DES WUNSCHTRAUMS VON EINER EINHEITLICHEN EUROPÄISCHEN NATURSCHUTZPOLITIK EIN STÜCK NÄHER GERÜCKT. … DAS WEITGESTECKTE ZIEL IST DER AUFBAU EINES ,KOHÄRENTEN ÖKOLOGISCHEN SCHUTZGEBIETSSYSTEMS’ MIT DEM NAMEN NATURA 2000, WELCHES IN REPRÄSENTATIVER WEISE DIE AUS GEMEINSCHAFTLICHER SICHT BESONDERS SCHUTZWÜRDIGEN LEBENSRÄUME ERHALTEN UND GGF. ENTWICKELN SOLL“1 FRANK ZIMMERMANN, THOMAS SCHOKNECHT & KERSTIN PIETZOFSKI Von den ersten Gebietsvorschlägen bis zum Schutzgebietssystem Natura 2000 in Brandenburg Schlagwörter: Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, FFH, Grundlagen, Meldephasen, Lebensraumtypen, Arten, Brandenburg Zusammenfassung wie vergleichbare Behörden in den anderen denen auch Brandenburg in großem Umfang neuen Bundesländern – gerade gegründet betroffen war (vgl. HIELSCHER & ZIMMERMANN Die am 21. Mai 1992 von der Europäischen worden und auch in den dafür zuständigen 2005). Union erlassene Fauna-Flora-Habitat-(FFH)- Fachbehörden in den alten Ländern ging Die ersten Grundlagen für die FFH-Richtlinie Richtlinie ist zusammen mit der Europäischen diese Entwicklung wohl zunächst im „Tages- waren ebenfalls bereits 1979 mit der Berner Vogelschutzrichtlinie Grundlage für das geschäft“ unter. Kaum jemand konnte sich Konvention (Übereinkommen über die Erhal- umfassende europäische Schutzgebietssys- damals vorstellen, dass die FFH-Richtlinie tung der europäischen wildlebenden Pflanzen tem Natura 2000. Bis 1995 hätten von den alle bis dahin etablierten „Schutzgebietssys- und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume) Mitgliedsstaaten Vorschlagslisten für Gebie- teme“ europaweit revolutionieren und sich als völkerrechtlicher Vertrag des Europarates te von Gemeinschaftlicher Bedeutung (pro- deren Umsetzung zu einer nahezu alle Fach- über den Schutz europäischer wildlebender posed Sites of Community Interest – pSCI) bereiche des Naturschutzes umfassenden Tiere und Pflanzen geschaffen worden. vorgelegt werden müssen. In Deutschland Daueraufgabe entwickeln würde. Recht bald Die FFH-Richtlinie kann als „das erste um- erfolgten die ersten Gebietsmeldungen ab wurden aber die Chancen erkannt, die die fassende europäische Rahmengesetz zum 1998. Nach Einreichung einer Klage beim verschiedenen Instrumente der FFH-Richt- Lebensraum- und Artenschutz“ angesehen Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Jahr linie für eine neue Etappe im internationalen werden (SSYMANK 1994). Das europäische 1999 bekam die weitere Meldung von FFH- wie nationalen Naturschutz eröffneten. Kurz Schutzgebietssystem Natura 2000 setzt sich Gebieten einen deutlichen Vorschub. Den- nachdem mit der politischen Wende in aus den „Besonderen Schutzgebieten“ (Spe- noch dauerte es noch bis 2004, bis eine erste Deutschland in den neuen Bundesländern cial Protection Areas – SPA) nach EU-Vogel- abschließende Gemeinschaftsliste für die eine große Anzahl von Naturparken, Bio- schutzrichtlinie und den „Gebieten von Kontinentale Biogeographische Region, zu sphärenreservaten und Nationalparks in kür- Gemeinschaftlicher Bedeutung“ (Special Areas der Brandenburg vollständig gehört, vorlag. zester Zeit entstanden waren, galt es nun of Conservation - SAC) nach FFH-Richtlinie Brandenburg hat in vier Meldetranchen zwi- erneut, das System der Schutzgebiete – nun zusammen. schen 1998 und 2004 insgesamt 620 FFH- jedoch nach europäisch einheitlich vorgege- Gebiete mit einem Flächenanteil von etwa benen fachlichen Kriterien – teilweise deut- 11,3 % des Landes gemeldet. Zusammen mit lich zu erweitern. 2 Natura 2000 – Ein umfas- den 27 EU-Vogelschutzgebieten, die sich teil- Solche europaweiten Schutzbestrebungen sendes Schutzgebiets- weise mit FFH-Gebieten überlagern, wurden waren zu diesem Zeitpunkt bei weitem nicht system zur Bewahrung somit 26 % der Landesfläche in das Schutz- neu. Bereits mit der EU-Vogelschutzrichtlinie der biologischen Vielfalt gebietssystem Natura 2000 integriert. war 1979 die Errichtung eines Systems Euro- in Europa In Brandenburg kommen insgesamt 39 FFH- päischer Schutzgebiete für die Erhaltung der Lebensraumtypen (LRT) des Anhangs I sowie Vielfalt der Vogelarten zum Ziel gesetzt wor- Ziel der FFH-Richtlinie ist der europaweite, 49 Arten des Anhangs II vor, für die ein güns- den. Anders als bei der FFH-Richtlinie waren umfassende Schutz der Arten- und Lebens- tiger Erhaltungszustand zu sichern bzw. dazu keine einheitlichen fachlichen Aus- raumvielfalt. Dies soll in erster Linie durch wiederherzustellen ist. Von den 60 in Bran- wahlkriterien vorgegeben worden und auch die Errichtung eines „kohärenten ökologi- denburg vorkommenden Arten des Anhangs die Umsetzungsinstrumente waren bei wei- schen Netzes besonderer Schutzgebiete“ mit IV, die einem strengen gesetzlichen Schutz tem nicht so umfassend. Wegen der aus- der Bezeichnung „Natura 2000“ erreicht unterliegen, sind 29 gleichzeitig im Anhang schließlichen Landeszuständigkeit bei der werden, in welches auch die in Umsetzung II aufgelistet. Meldung der Gebiete und auch der man- der EU-Vogelschutzrichtlinie benannten gelnden Kontrolle durch die EU erfolgte die Gebiete (SPA) integriert sind. Wesentlich ist Umsetzung der EU-Vogelschutzrichtlinie in dabei die Bewahrung oder Wiederherstel- 1 Einleitung Deutschland zunächst sehr zögerlich und lung eines günstigen Erhaltungszustandes unzureichend. Erst mit Inkrafttreten der der Lebensraumtypen und der Habitate der Als am 21. Mai 1992 die Fauna-Flora-Habi- FFH-Richtlinie, die die Integration der nach Arten. tat-(FFH)-Richtlinie (DER RAT DER EUROPÄISCHEN Vogelschutzrichtlinie auszuweisenden Ge- In den seit Erlass der FFH-Richtlinie im Jahr GEMEINSCHAFTEN 1992) erlassen wurde, wurde biete in das Schutzgebietssystem Natura 1992 unter Berücksichtigung der Erforder- ihre Bedeutung sowohl in den Naturschutz- 2000 festschreibt, wurde deren Bedeutung nisse aus der EU-Osterweiterung mehrfach behörden als auch den Naturschutzverbän- mehr Nachdruck verliehen (vgl. SSYMANK et erweiterten Anhängen I und II (vgl. DER RAT den zunächst noch nicht voll erkannt. Das al. 1998). Dies führte später zu deutlichen Brandenburger Landesumweltamt als Fach- Nachforderungen an Deutschland zur Aus- 1 Prof. Dr. Martin Uppenbrink, Vorwort zu SSYMANK behörde für Natur- und Umweltschutz war – weisung von EU-Vogelschutzgebieten, von et al. 1998
FRANK ZIMMERMANN et al.: VON DEN ERSTEN GEBIETSVORSCHLÄGEN BIS ZUM SCHUTZGEBIETSSYSTEM NATURA 2000 IN BRANDENBURG 7 DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFT 1997, 2007) burg relevant (s. 4.). Mit dem Beitritt von allen Habitatklassen und Naturräumen, von werden die natürlichen Lebensraumtypen Rumänien und Bulgarien im Jahr 2007 wur- marinen bis hin zu zahlreichen terrestrischen und die Arten benannt, für deren dauerhafte den nochmals kleinere Ergänzungen in den Ökosystemen. Somit sind die unterschied- Sicherung entsprechende besondere Schutz- Anhängen vorgenommen. lichsten Lebensräume der Meere und Küs- gebiete zu benennen waren. Der Rahmen Die Liste der natürlichen Lebensraumtypen ten, die verschiedenen Typen von Fließ- und für das fachliche Auswahlverfahren ist im des Anhangs I der FFH-Richtlinie umfasst Stillgewässern sowie Mooren, nahezu alle Anhang III der FFH-Richtlinie festgelegt. In nunmehr für den Geltungsbereich der insge- potenziell natürlichen Waldgesellschaften weiteren, ebenfalls mehrfach novellierten samt 27 Mitgliedsstaaten europaweit fast Europas sowie fast alle Lebensräume der Anhängen werden außerdem Arten aufgelis- 300 Lebensräume, die in einem umfangrei- Hochgebirge Bestandteil des Schutzkonzep- tet, für die der europäische Schutz über ein chen Dokument, dem sogenannten „Inter- tes der FFH-Richtlinie. Doch neben diesen strenges rechtliches Schutzregime (Anhang IV, pretation Manual“ (vgl. EUROPEAN COMMISSION im engeren Sinne „natürlichen Lebensraum- streng geschützte Arten nach BNatSchG) DG ENVIRONMENT 2007) ausführlich beschrie- typen“, die auch oder gerade ohne Zutun bzw. Sammel- und Handelsbeschränkungen ben sind. Davon kommen in Deutschland des Menschen in optimaler Ausbildung exis- (Anhang V) gewährleistet werden soll. Diese knapp 100 LRT vor (vgl. SSYMANK et al. 1998, tieren würden, umfasst der Anhang I auch waren nicht Gegenstand der Gebietsauswahl. BALZER et al. 2004, KEHREIN & ROST 2004), in zahlreiche Sekundärlebensräume. Dabei han- Als die Richtlinie 1992 erlassen wurde, Brandenburg sind es nach den Novellierun- delt es sich zu einem großen Teil um viele, umfasste ihr Wirkungsbereich die damals gen 39 LRT (vgl. ZIMMERMANN et al. 2000 von einer speziell angepassten Nutzung 12 EU-Mitgliedsstaaten. 1995 erfolgte der sowie DÜVEL et al. 2006). abhängige Lebensräume wie z. B. verschiede- Beitritt von Österreich, Schweden und Finn- Um bei der Umsetzung der FFH-Richtlinie ne Wiesentypen des Tieflandes wie auch der land. Etwa 250 Lebensraumtypen (LRT) die natürlichen Besonderheiten der unter- Hügel- und Bergländer der unterschiedlichen waren zu dieser Zeit im Anhang I aufgelistet, schiedlichen Regionen Europas berücksichti- Regionen Europas. Doch auch Lebensräume, für die ebenso wie für die etwa 600 Arten gen zu können, wurde das Gebiet der Euro- die in unterschiedlicher Weise nach der seit des Anhangs II Gebiete von gemeinschaft- päischen Gemeinschaft in 9 Biogeografische der Antike anhaltenden Vernichtung der licher Bedeutung zu benennen waren. Regionen aufgeteilt (s. Abb. auf der 3. Um- natürlichen Waldbedeckung Europas ent- Die erste Osterweiterung der EU nach Inkraft- schlagseite). Brandenburg gehört dabei voll- standen sind und heute wiederum selbst als treten der FFH-Richtlinie blieb zunächst ohne ständig zur Kontinentalen Biogeografischen Lebensräume gefährdet sind, gehören zu Konsequenzen für eine Überarbeitung der Region, der mit fast 30 % Anteil an der den LRT des Anhangs I. Das sind beispiels- Anhänge der Richtlinie. In Vorbereitung des europäischen Landfläche größten Region, an weise Lebensräume der Macchien und 2004 vollzogenen Beitritts weiterer 10 Mit- der insgesamt 13 europäische Mitgliedsstaa- Phryganas als sekundäre Gebüschvegetation gliedsstaaten wurde jedoch aufgrund zahl- ten Anteil haben. Zwar gelten die Anhänge des Mittelmeerraumes ebenso wie die Wa- reicher bislang nicht erfasster, besonders der FFH-Richtlinie gleichermaßen für alle cholderheiden Mitteleuropas (LRT 3150), schutzbedürftiger Lebensräume und Arten biogeografischen Regionen, die fachlichen die als Degradationsstadien artenreichen von gemeinschaftlicher Bedeutung durch die Auswahlverfahren für die Gebiete gemein- Weidegrünlandes zwar eigentlich ebenso EU eine umfangreiche Erweiterung der An- schaftlicher Bedeutung erfolgten jedoch für „Kunstprodukte“ der menschlichen Einfluss- hänge mit den Mitgliedsstaaten abgestimmt. jede Region getrennt. nahme auf die natürliche Vegetation sind, Diese Erweiterungen waren in geringem Die Lebensraumtypen des Anhangs I umfas- aber dennoch zu den „natürlichen Lebens- Umfang auch für Deutschland und Branden- sen europaweit schutzwürdige Biotope aus raumtypen“ gezählt werden. Abb. 1 Kontinentale Region: Lebensraumtyp 1230 (Atlantik-Felsküsten und Ostsee-Fels- und Steilküsten mit Vegetation) an den Wissower Klinken im Nationalpark „Jasmund“/Mecklenburg-Vorpommern (16.7.2007, Foto: F. Zimmermann)
8 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (1, 2) 2012 Nicht wenige dieser Sekundärlebensräume und insbesondere die sogenannten Halbkul- turbiotope wie die Lebensraumtypen der Wiesen und Trockenrasen gehören zu den artenreichsten Lebensräumen Europas über- haupt. Da es sich bei diesen Lebensräumen oft um Biotope der „historischen Kulturland- schaft“ handelt, die einer teilweise sogar höheren Gefährdung durch unterschiedlich- ste Faktoren als die „natürlichen“ Lebens- raumtypen im engeren Sinne unterliegen, gebührt ihnen der gleiche strenge Schutz der Europäischen Staatengemeinschaft. Das europäische Schutzgebietssytem Natura 2000 umfasst nach aktuellem Stand (Juni 2011) insgesamt 22.594 Gebiete (SCI nach FFH-Richtlinie und SPA nach Vogelschutz- richtlinie), die somit 17,5 % der Fläche der EU einnehmen (vgl. Natura-Barometer 2011). Deutschland hat insgesamt 5.266 Gebiete mit einem Flächenanteil von 15,4 % gemel- det. Die höchsten Flächenanteile an Natura 2000-Gebieten unter den europäischen Mit- gliedsstaaten weisen demnach Slowenien (35,5 %) und Bulgarien (33,9 %) auf, die geringsten Natura 2000-Anteile haben Groß- britannien (7,2 %) und Dänemark (8,9 %). 3 Die Anfänge der Umsetzung der FFH-Richt- linie in Deutschland Abb. 2 Es war Anfang 1994, als das Bundesamt für Alpine Region: Lebensraumtyp 6170 (Kalkreiche alpine und subalpine Wiesen) am Velky Roz- Naturschutz (BfN) einen Bund-Länder-Arbeits- sutec/Nationalpark Mala Fatra“, Slowakische Republik (12.7.2011, Foto: F. Zimmermann) kreis zum Thema „Fachliche Auswahl von Abb. 3 Makaronesische Region: Lebensraumtyp 4050 (*Endemische macaronesische Heiden). Endemische Baumheide-Lorbeer-Buschwälder (Fayal- Brezal) des Verbandes Fayo-Ericion arboreae an der Ladera de Güymar/Teneriffa (9.7.2005, Foto: F. Zimmermann)
FRANK ZIMMERMANN et al.: VON DEN ERSTEN GEBIETSVORSCHLÄGEN BIS ZUM SCHUTZGEBIETSSYSTEM NATURA 2000 IN BRANDENBURG 9 FFH-Vorschlagsgebieten“ ins Leben rief, zung des Art. 10 mit integriert waren und Ländern ergeben, längst zu den zentralen dem der Erstautor von Anfang an angehör- die etwa 15 % der Landesfläche umfasste. Aufgaben der zuständigen Behörden gewor- te. In dieser Arbeitsgruppe wurden u. a. die Beim Blick in europäische Nachbarländer den. Das Schutzgebietssystem Natura 2000 Zuordnungen der Biotoptypen der Bundes- wurde bald deutlich, dass diese teilweise in stellt einen „Meilenstein“ des europäischen und Länderlisten sowie taxonomische Zuord- ihrer fachlichen Gebietsauswahl bereits wei- Naturschutzes dar. Für viele Arten und nungsprobleme bei Arten und Kriterien für ter und durchaus flächengreifender waren Lebensräume hat sich dieses europäische die Etablierung eines vernetzten FFH-Ge- und dass auch die EU recht klare Vorstellun- Schutzgebietssystem bereits als nützlich bietssystems diskutiert und formuliert (vgl. gen entwickelt hatte, wie ein solches euro- erwiesen, auch wenn mit der Einrichtung des SSYMANK 1994). Erst Jahre später wurde mit päisches Schutzgebietssystem aussehen müss- Schutzgebietssystems die Arbeit eigentlich dem umfangreichen Handbuch zur Umset- te. Auch die Naturschutzverbände hatten erst richtig begonnen hat. zung der FFH-Richtlinie von SSYMANK et al. eigene Vorstellungen von Gebietskulissen – (1998) die deutsche Interpretation der An- sogenannte „Schattenlisten“ – in den Bun- hänge der FFH-Richtlinie einschließlich aus- desländern entwickelt, was zusätzlich positi- 4 Fachliche Grundlagen führlicher Beschreibungen aller Lebensraum- ve fachliche Impulse setzte. der FFH-Richtlinie und typen des Anhangs I und revidierter Listen So kam in Deutschland 1997 ein Auswahl- deren Spezifizierung in der in Deutschland vorkommenden Arten und Meldeprozess in Gang, der nach dem Brandenburg der Anhänge II, IV und V erstmals veröffent- Text der FFH-Richtlinie bereits 1995 mit von licht, wobei u.a. auch die Ergebnisse der den Mitgliedsstaaten vorgelegten Vorschlags- In Brandenburg kommen insgesamt 39 Le- Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingeflossen listen für Gebiete von Gemeinschaftlicher bensraumtypen des Anhangs I vor (ohne sind. Bedeutung (proposed Sites of Community Untertypen, vgl. ZIMMERMANN et al. 2000 Zwischenzeitlich waren ab 1994 in verschie- Interest – pSCI) hätte abgeschlossen sein sowie DÜVEL et al. 2006). Mit den Novellie- denen Arbeitsständen in den meisten Bun- sollen. Aufgrund der zu diesem Zeitpunkt rungen im Rahmen der EU-Osterweiterun- desländern sogenannte „Suchraumkarten“ noch unzureichenden Erfüllung der Melde- gen ergab sich für Brandenburg ein Zuwachs mit groben Abgrenzungen möglicher, zu verpflichtungen durch Deutschland hatte an 3 LRT. Die auf der Basis der von den meldender FFH-Gebiete und verbindender der Europäische Gerichtshof (EuGH) 1999 genannten Autoren des BfN erarbeiteten Landschaftsräume (Landschaftselemente nach Klage gegen Deutschland erhoben. Da bis umfangreichen Beschreibungen der LRT für Art. 10 FFH-RL) zur Vervollständigung eines 2003 aus Sicht der EU immer noch kein ent- Brandenburg (vgl. BEUTLER & BEUTLER 2002, künftigen Natura 2000-Netzwerkes erarbei- scheidender Fortschritt zu verzeichnen war, DÜVEL et al. 2006) wurden für Brandenburg tet worden. Die Darstellungen flossen bereits wurde der Abschluss einer ausreichenden entsprechend der regionalen Besonderheiten 1994 auch in eine erste bundesweite karto- Meldung nochmals nachdrücklich ange- und in Auswertung der Ergebnisse des grafische Darstellung (Maßstab 1.400.000) mahnt. Erst mit der Bestätigung der endgül- Bund-Länder-Arbeitskreises „Monitoring und ein, die die erste fachliche Auswahl für po- tigen Gebietsliste für Deutschland im Jahr Berichtspflichten“ teilweise mehrfach fach- tenzielle FFH-Gebiete aus den meisten 2004 fand dieser Prozess dann seinen lich modifiziert und vor allem auch hinsicht- Bundesländern zusammenfasste. Für Branden- Abschluss. lich der charakteristischen Vegetationseinhei- burg umfasste diese erste fachliche Kulisse Heute sind die zahlreichen Aufgaben, die ten, Pflanzen- und Tierarten und der Bewer- knapp 200 Gebiete und „Suchräume“, in die sich in fortlaufender Umsetzung von FFH- tungskriterien verändert und ergänzt (vgl. teilweise bereits Verbindungsflächen zur Umset- und EU-Vogelschutzrichtlinie in Bund und DÜVEL 2004, unveröff.; ZIMMERMANN 2011). Abb. 4 Lebensraumtyp 91E0 (*Auen-Wälder mit Alnus glutinosa und Fraxinus excelsior (Alno-Padion, Alnion incanae, Salicion albae). Bachbeglei- tender Erlenwald im NSG Schlaubetal (Juni 2007, Foto: F. Zimmermann)
10 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (1, 2) 2012 Sowohl die Ergebnisse des genannten Bund- Länder-Arbeitskreises als auch die wenigen länderspezifischen Kartierungshandbücher mit aktualisierten Beschreibungen der LRT und regional modifizierten Bewertungssche- mata liegen bisher nicht in gedruckter Form vor und sind nur in Entwurfsfassungen im Internet verfügbar (vgl. BFN 2009, LANDES- AMT FÜR UMWELT UND GEOLOGIE 2007 für Sachsen, LANG & WALENTOWSKI 2010 für Bay- ern, SCHUBOTH & FRANK 2010 für Sachsen- Anhalt). Für die meisten LRT liegen auch für Brandenburg mittlerweile völlig überarbeite- te Beschreibungen und mit der Brandenbur- ger Kartieranleitung abgeglichene Beschrei- bungen und Listen der charakteristischen Arten und Vegetationseinheiten im Ent- wurfsstadium vor (ZIMMERMANN 2011). In Anlehnung an die einschlägigen, unveröf- fentlichten Handbücher aus verschiedenen Bundesländern werden dabei nunmehr auch spezifische, LRT-kennzeichnende Pflanzen- arten besonders hervorgehoben, die auch bei der Bewertung besonders zu berücksich- tigen sind. Die landesweite Erfassung der FFH-LRT wurde in Brandenburg – abweichend von der Vor- gehensweise in einigen anderen Bundeslän- dern Deutschlands - von Anfang an mit der Biotopkartierung (Erfassung der nach § 32 BbgNatSchG gesetzlich geschützten Biotope) synchronisiert und fachlich unter Zuordnung zu den einzelnen Brandenburger Biotopty- Abb. 5 pen vereinheitlicht (vgl. ZIMMERMANN et al. Lebensraumtyp 6410 (Pfeifengraswiesen auf kalkreichem Boden, torfigen und tonig-schluffi- 2007; SCHOKNECHT et al. in diesem Heft). Für gen Böden [Molinion caeruleae]) mit dem kennzeichnenden Teufelsabbiss (Succisa praten- die Vorbereitung der beiden ersten Melde- sis) im FFH-Gebiet Leitsakgraben bei Nauen (2007, Foto: F. Zimmermann) tranchen für FFH-Gebiete in den Jahren Abb. 6 Lebensraumtyp 9160 (Sternmieren-Eichen-Hainbuchenwald – Stellario-Carpinetum) im FFH-Gebiet Leitsakgraben bei Nauen (20.4.2011, Foto: F. Zimmermann)
FRANK ZIMMERMANN et al.: VON DEN ERSTEN GEBIETSVORSCHLÄGEN BIS ZUM SCHUTZGEBIETSSYSTEM NATURA 2000 IN BRANDENBURG 11 1998 und 2000 (siehe 5.) lagen jedoch noch meisten FFH-Gebiete aller Meldetranchen Kartierung wird sich dann der landesweite keine Kartierungen mit exakten LRT-Zuord- abgeleitet. Gesamtbestand der FFH-LRT deutlich quali- nungen vor. Dabei konnte lediglich auf den Im Jahr 2007 wurde in Brandenburg mit dem fizieren lassen. Die parallel zur landesweiten ersten Durchgang der Biotopkartierung 2. landesweiten Durchgang der selektiven LRT-Kartierung laufende Neuerfassung der zurückgegriffen werden, die in den Jahren Biotopkartierung begonnen. Hauptinhalt ist § 32-Biotope machte sich einerseits aus 1991 bis 1998 die selektive Erfassung der dabei die landesweite Erfassung aller FFH- Gründen der mangelnden Aktualität der teil- nach § 32 BbgNatSchG gesetzlich geschütz- LRT der nach § 32 BbgNatSchG geschützten weise bereits über 15 Jahre alten Daten der ten Biotope und weiterer naturschutzfach- Biotope außerhalb von Schutzgebieten. Nach Ersterfassung, andererseits aber auch aus lich besonders wertvoller Flächen (v. a. wei- dem für 2013/14 geplanten Abschluss dieser den teilweisen Neudefinitionen der nach tere gefährdete Biotoptypen) zum Inhalt hatte (vgl. ZIMMERMANN 1992, 1994). Auch bei den (teilweise flächendeckenden) Kartie- rungen in den Brandenburger Großschutz- gebieten ab 1994 sowie bei den flächende- ckenden Kartierungen in Naturschutzgebie- ten in den 1990er Jahren wurden FFH-LRT nicht angesprochen (vgl. SCHOKNECHT et al. in diesem Heft). Aufgrund der im Brandenburger Biotopty- penschlüssel hinsichtlich spezieller Ausprä- gungen sehr starken Differenzierung der einzelnen Biotoptypen war und ist es unter teilweisem Abgleich mit den erhobenen Pflanzenartenlisten und verbalen Beschrei- bungen zumeist recht gut möglich, die Zuordnung zu FFH-LRT abzuleiten. Dabei konnte sowohl als Kartierungs- und Abgren- zungsgrundlage auf die flächendeckend für Brandenburg verfügbaren Color-Infrarot- (CIR)-Luftbilder aus den Jahren 1991-1993 als auch die daraus abgeleitete, flächen- deckende Biotop- und Nutzungstypenkartie- rung (BTLN) zurückgegriffen werden (ab 1998 auch flächendeckend digital verfügbar). Abb. 7 Aus diesen Daten wurden auch die flächen- Bodenflora im Sternmieren-Eichen-Hainbuchenwald - LRT 9160 mit dem Gelben Windrös- deckenden Informationen für die Habitat- chen (Anemone ranunculoides) klassen im Standarddatenbogen für die (FFH-Gebiet Leitsakgraben 20.4.2011, Foto: F. Zimmermann) Abb. 8 Hochwasser an der Oder bei Lebus. LRT 3260 (Flüsse der planaren bis montanen Stufe mit Vegetation des Ranunculion fluitantis und des Callitricho-Batrachion) (Foto: F. Zimmermann, 9.6.2010)
12 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (1, 2) 2012 §32 BbgNatSchG geschützten Biotope in der Brandenburgischen Biotopschutzverordnung (MLUR 2006) erforderlich. Bei den Arten des Anhangs II der FFH-Richt- linie fielen die Verlängerungen der Liste im Zuge der EU-Osterweiterung wesentlich deutlicher aus als bei den Lebensräumen. So umfasst der Anhang II mittlerweile knapp über 800 Arten (ursprünglich waren es nur etwas über 600), von denen etwa 120 in Deutschland vorkommen. Mit dem Zuwachs von 2 Arten durch die EU-Osterweiterung umfasst die Liste der Anhang II-Arten für Brandenburg nunmehr 49 Arten (vgl. BEUT- LER & BEUTLER 2002, DÜVEL et al. 2006). Der Anhang IV der FFH-Richtlinie mit Arten, für die ein strenges Schutzregime gilt, um- fasst aktuell 60 für Brandenburg relevante Arten, von denen 29 Arten gleichzeitig auch im Anhang II gelistet sind. Die aus den Festlegungen des Anhangs III der FFH-Richtlinie und den entsprechenden für Deutschland spezifizierten Ausführungen in SSYMANK et al. (1998) zu den fachlichen Auswahlkriterien für FFH-Vorschlagsgebiete (pSCI) und die die damit teilweise vorhande- nen fachlichen Probleme wurden im Vorfeld der Gebietsmeldungen umfassend diskutiert und dargelegt (ZIMMERMANN 2000, ZIMMER- MANN et al. 2000). 5 Überblick zu den verschie- denen Phasen der Gebiets- meldungen für das Schutz- gebietssystem Natura 2000 in Brandenburg Abb. 9 Auch wenn EU-Vogelschutzrichtlinie und FFH- Richtlinie hinsichtlich der fachlichen Inhalte, Der Frauenschuh (Cypripedium calceolus) als Art der Anhänge II und IV der FFH-Richtlinie hat in Brandenburg nur ein aktuelles Vorkommen (24.5.2007, NSG Schlaubetal. Auswahlkriterien und rechtlichen Regelun- gen deutliche Unterschiede aufweisen, sind die Foto: F. Zimmermann) nach beiden Richtlinien gemeldeten europäi- schen Schutzgebiete Bestandteile des europä- ischen Schutzgebietssystems Natura 2000. So liefen auch Auswahl, Bennennung und abschließende Meldung über lange Zeit parallel. Bereits vor der ersten FFH-Gebiets- meldung erfolgte 1997 zunächst die Mel- dung von 12 Europäischen Vogelschutzge- bieten (SPA) an die EU, die damals ca. 8 % der Landesfläche Brandenburgs ausmachten (vgl. ZIMMERMANN & RYSLAVY 1998). Ähnlich wie bei der Umsetzung der FFH-Richtlinie hatten hierbei die Naturschutzverbände unter- schiedliche Vorstellungen von einer aus- reichenden Gebietskulisse, so dass sie der EU-Kommission eigene Listen vorlegten. So wurden auf Drängen der EU nach Erarbei- tung eines entsprechenden Fachkonzeptes (HIELSCHER & RYSLAVY 2005) im Jahr 2004 weitere 19 EU-Vogelschutzgebiete in Bran- denburg gemeldet, die dann mit den bereits vorher gemeldeten Gebieten unter teilweiser Zusammenfassung insgesamt 27 SPA mit einem Flächenanteil von etwa 22 % des Landes umfassten (vgl. HIELSCHER & RYSLAVY 2005, HIELSCHER & ZIMMERMANN 2005). Abb. 10 Der Prozess der FFH-Gebietsmeldungen Die Salzaster (Aster tripolium) ist kennzeichnende Art des Lebensraumtypes 1340 (Salzwie- gestaltete sich im Vergleich zur Meldung der sen im Binnenland). FFH-Gebiet Rietzer See (2006, Foto: F. Zimmermann) SPA in Brandenburg, aber auch insgesamt in
FRANK ZIMMERMANN et al.: VON DEN ERSTEN GEBIETSVORSCHLÄGEN BIS ZUM SCHUTZGEBIETSSYSTEM NATURA 2000 IN BRANDENBURG 13 Deutschland schwieriger und langwieriger. Im Ergebnis der zwischen Bund und Ländern vereinbarten Meldekriterien für Deutschland war zunächst nur die Meldung von bereits nach nationalem Recht unter geeigneten Schutz als Naturschutzgebiete (NSG) gesi- cherten Gebieten vorgesehen. So erfolgte durch Brandenburg mit Kabinettbeschluss vom 7. Juli 1998 zunächst die Benennung einer ersten Tranche von 90 Gebieten (pSCI). Fast alle dieser Gebiete waren größer als die von Bund und Ländern festgelegte Mindest- größe von 75 ha und machten insgesamt lediglich 1,3 % der Landesfläche aus. Dieses Vorgehen wurde von der EU als nicht ausreichend erachtet. In zahlreichen Informa- tionsveranstaltungen wurden dann die zur Meldung vorgesehenen, etwa 400 Gebiete nach außen kommuniziert. Mit Kabinetts- beschluss vom 21. März 2000 wurde durch Brandenburg eine 2. Tranche von weiteren 387 Vorschlagsgebieten auf knapp 9 % der Landesfläche gemeldet. Zusammen mit den damaligen 12 EU-Vogelschutzgebieten mach- te die Natura 2000-Gesamtfläche damals bereits ca. 15 % der Landesfläche Branden- burgs aus (vgl. ZIMMERMANN et al. 2000). Nach internen Prüfungen in der Europäischen Kommission, DG Environment unter Einbe- ziehung des European Topic Center (ETC) als nachgeordnete „Fachbehörde“ für den Aus- wahlprozess der Natura 2000-Gebiete sowie unter Auswertung von „Schattenlisten“ der Naturschutzverbände wurden während und im Nachgang des 2. Seminars der Kontinen- talen biogeografischen Region zum Aus- wahlprozess der FFH-Gebiete im November 2002 in Potsdam weitere Nachforderungen durch die EU-Kommission an Deutschland gestellt, von denen auch Brandenburg noch- mals deutlich betroffen war. Diesem Nachmeldeerfordernis wurde man in Brandenburg durch die Benennung von wei- teren 130 Gebieten (Kabinettbeschluss vom 9. September 2003) gerecht, die sowohl aus völlig neu ausgewählten Gebieten als auch Ergänzungen bereits gemeldeter Gebiete be- standen. Sie umfassten vor allem zahlreiche Fließgewässer, von denen vorher bereits mehr oder weniger große, besonders schut- zwürdige Bereiche gemeldet worden waren. Hintergrund hierfür waren die Anforderun- gen der EU an die Meldung möglichst voll- ständiger Fließgewässersysteme, um in ers- ter Linie einen wirksamen Schutz von Fisch- arten zu gewährleisten, aber auch um die Kohärenz des Natura 2000-Gebietsnetzes deutlich zu verbessern. Somit wuchs die Anzahl der FFH-Gebiete in Brandenburg auf 605 an. Anfang 2004 erfolgte dann die Nachmeldung des FFH-Gebietes „Lakomaer Teiche“ (s. dazu BLOCHWITZ & BADER in die- sem Heft). Selbst unter Berücksichtigung höchster fach- licher Ansprüche an ein europäisches Schutz- gebietssystem gestaltete sich der anschlie- ßende Prozess von Nachforderungen der EU Abb. 11 zunehmend schwierig. Deutschland und auch Brandenburg wurden weitere Korrek- Das Sumpf-Glanzkraut (Liparis loeselii) besiedelt als Art der Anhänge II und IV der FFH- turmeldungen auferlegt. Dazu gehörten für Richtlinie kalk-/basenreiche Moore (FFH-Gebiet Lieberoser Endmoräne, Brandenburg weitere Nachforderungen für 16.6.2011. Foto: F. Zimmermann)
14 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (1, 2) 2012 in Deutschland. NATUR U. LANDSCHAFT 79 (8): 341-349 LANDESAMT FÜR GEOLOGIE UND UMWELT SACHSEN 2007: Allgemeine Erläuterungen zu den Kartier- und Bewer- tungsschlüsseln für Lebensraumtypen des Anhangs I der Richtlinie 92/43/EWG (FFH-Richtlinie). Hrsg.: Lan- desamt für Umwelt und Geologie Abt. Natur, Land- schaft, Boden in Zusammenarbeit mit Staatsbetrieb Sachsenforst-Geschäftsleitung, Referat Naturschutz im Wald. Unveröff. Mskr., Stand März 2007. 260 S. LANG, A. & WALENTOWSKI, H. 2010: Handbuch der Lebensraumtypen nach Anhang I der Fauna-Flora- Habitat-Richtlinie in Bayern. Hrsg.: Bayerisches Lan- desamt für Umwelt (LfU), Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF). Entwurf März 2010. 167 S. + Anhänge MLUR 2006: Verordnung zu den gesetzlich geschütz- ten Biotopen (Biotopschutzverordnung). Gesetz- und Verordnungsblatt Brdbg. Teil II Nr. 25 vom 26.10.2006 Natura 2000-Barometer (Stand Juni 2011): Internet: http://ec.europa.eu/environment/nature/natura2000/ barometer/docs/sci.pdf SCHOKNECHT, T.; KOCH-LEHKER, A.; SOMMERHÄUSER, V. & ZIMMERMANN, F. (in diesem Heft): Grundlagen und Vorgehen beim Monitoring von Arten und Lebens- raumtypen sowie bei der Umsetzung der Berichts- pflichten für Natura 2000 in Brandenburg SCHUBOTH, J. & FRANK, D. 2010: Kartieranleitung Lebens- raumtypen Sachsen-Anhalt, Teil Offenland. Hrsg.: Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt. Halle/ Saale. Unveröff. Mskr. Stand: 11.5.2010. 147 S. + Anhänge SSYMANK, A. 1994: Neue Anforderungen im europäi- schen Naturschutz. Das Schutzgebietssystem Natura Abb. 12 2000 und die FFH-Richtlinie der EU. Natur u. Land- schaft 69 (9): 395-406 Lebensraumtyp 6440 Brenndolden-Auenwiesen (Cnidion dubii) im FFH-Gebiet Odervorland SSYMANK, A.; HAUKE, U.; RÜCKRIEM, C. & SCHRÖDER, E. Kienitz mit Brenndolde (Cnidium dubium) und Kantenlauch (Allium angulosum) (5.8.2011, 1998: Das europäische Schutzgebietssystem Natura 2000 – BfN-Handbuch zur Umsetzung der Fauna-Flo- Foto: Armin Herrmann) ra-Habitat-Richtlinie (92/43/EWG) und der Vogel- schutzrichtlinie (79/409/EWG). Hrsg.: Bundesamt für bestimmte Gewässertypen (LRT 3150 in vember 2011 (BESCHLUSS DER KOMMISSION VOM Naturschutz. Bonn Bad-Godesberg. Schriftenr. Land- besonderen Ausprägungen von Kleinseen 18. NOVEMBER 2011). schaftspflege Naturschutz 53. 560 S. ZIMMERMANN, F. 1992: Ziele, Methodik und Stand der und Kleingewässern), für Eichenwälder Biotopkartierung in Brandenburg. Natursch. Land- (LRT 9190) sowie für die hier nur fragmen- schaftspfl. Brbg. 1 (1): 9-12 Literatur tarisch ausgebildeten Vorkommen des FFH- ZIMMERMANN, F. 1994: Biotopkartierung Brandenburg – LRT 5130 (Formationen von Juniperus com- BALZER, S.; SCHRÖDER, E. & SSYMANK, A. 2004: Ergänzung Erfassungsstand und Umsetzung. Natursch. Land- der Anhänge zur FFH-Richtlinie auf Grund der EU-Ost- schaftspfl. Brbg. 3 (2): 4-8 munis auf Kalkheiden und -rasen, vgl. DÜVEL erweiterung. Natur u. Landschaft 79 (4): 145-151 ZIMMERMANN, F. 2000: Probleme bei der fachlichen et al. 2006). BESCHLUSS DER KOMMISSION VOM 10. JANUAR 2011 gemäß Auswahl und Abgrenzung von Gebieten für Arten des Mit einer weiteren Korrektur der Nachmel- der Richtlinie 92/43/EWG des Rates zur Verabschie- Anhangs II der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie in Bran- dung einer vierten aktualisierten Liste von Gebieten denburg. In: PETERSEN, B.; HAUKE, U. & SSYMANK, A.: dung (Kabinettbeschluss vom 13. Juli 2004) von gemeinschaftlicher Bedeutung in der kontinenta- Der Schutz von Tier- und Pflanzenarten bei der Um- mit weiteren 14 Vorschlagsgebieten war len biogeografischen Region. Amtsblatt der Europäi- setzung der FFH-Richtlinie. Bundesamt für Natur- dann im Jahr 2004 der langwierige Melde- schen Union L33. 54. Jg. schutz. Bonn-Bad Godesberg. Schriftenr. Landschafts- BEUTLER, H. & BEUTLER, D. 2002: Katalog der natürlichen pflege Naturschutz 68: 101-111 prozess von FFH-Gebieten in Brandenburg Lebensräume und Arten der Anhänge I und II der ZIMMERMANN, F. 2011: Beschreibung und Bewertung beendet, während weitere Nachforderungen FFH-Richtlinie in Brandenburg. Natursch. Land- der FFH-Lebensraumtypen in Brandenburg. Internet: der EU-Kommission andere deutsche Bun- schaftspfl. Brbg. 11 (1, 2). 180 S. http://www.mugv.brandenburg.de/cms/detail.php/l BUNDESAMT FÜR NATURSCHUTZ (BFN) 2009: Bewertung bm1.c.234908.de desländer weiter beschäftigten. Mit insge- des Erhaltungszustandes der Lebensraumtypen nach ZIMMERMANN, F. & RYSLAVY, T. 1998: Europäische Vogel- samt 620 FFH-Gebieten umfasst das FFH- Anhang I der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie in Deutsch- schutzgebiete in Brandenburg – Einführung. Natursch. Gebietssystem in Brandenburg somit 11,3 % land. Überarbeitete Bewertungsbögen der Bund-Län- Landschaftspfl. Brbg. 7 (3): 167-168 der-Arbeitkreise als Grundlage für ein bundesweites ZIMMERMANN, F.; SCHOKNECHT, T. & HERRMANN, ARMIN der Landesfläche. FFH-Monitoring im Auftrag des Bundesamtes für Na- 2000: Fachliche Kriterien für die Auswahl und Bewer- Das mit 10.056 ha größte FFH-Gebiet Bran- turschutz – FKZ 805 82 013. 85 S. tung von FFH-Vorschlagsgebieten für das Fachkon- denburgs ist das „Untere Odertal“, das DER RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFT 1997: Richtli- zept Natura 2000 in Brandenburg. Natursch. Land- kleinste mit 0,02 ha die „Fledermauswochen- nie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über schaftspfl. Brbg. 9 (2): 44-51 die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten. Amtsbl. EG. ZIMMERMANN, F.; DÜVEL, M. & HERRMANN, ARMIN 2007: stube in Eberswalde“. Insgesamt 71 FFH- Nr. L 103 Biotopkartierung Brandenburg, Bd. 2: Beschreibung Gebiete Brandenburgs sind größer als 1.000 ha DER RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFT 2007: Richtlinie der Biotoptypen unter besonderer Berücksichtigung und weitere 14 Gebiete sogar größer als 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhal- der nach § 32 BbgNatSchG geschützten Biotope und tung der natürlichen Lebensräume sowie der wildleben- der Lebensraumtypen des Anhangs 1 der FFH-Richtli- 5.000 ha. Hinsichtlich der Landnutzung sind den Tiere und Pflanzen. Amtsbl. EG Nr. L 206: 7-50 nie. Hrsg.: LUA Brandenburg. 512 S. 35 % der FFH-Gebietsfläche Brandenburgs DÜVEL, M.; BEUTLER, H.; PETRICK, S. & ZIMMERMANN, F. landwirtschaftliche Nutzfläche, 46 % Wald, 2006: Neue Lebensräume und Arten der Anhänge 1 und 2 der Fauna-Flora-Habitat-(FFH)-Richtlinie in Bran- Anschrift der Verfasser: 3,4 % Torfmoore und Sümpfe und 4,2 % denburg. Natursch. Landschaftspfl. Brbg. 15 (3): 76-84 Dr. Frank Zimmermann Heiden uns sonstige wertvolle Offenflächen EUROPEAN COMMISSION DG ENVIRONMENT 2007: Inter- pretation Manual of European Habitats – EUR 27. July Dr. Thomas Schoknecht (s. auch KRUSE in diesem Heft). Kerstin Pietzofski 2007. 142 S. Die erste gemeinschaftliche Gebietsliste für HIELSCHER, K. & RYSLAVY, T. 2005: Fachkonzept für die Landesamt für Umwelt, Gesundheit und die Kontinentale Region Europas wurde nach Auswahl der geeignetsten Gebiete gemäß Art. 4 (1, 2) Verbraucherschutz Brandenburg allen abgeschlossenen bilateralen Gesprächen der Vogelschutzrichtlinie für eine SPA-Nachmeldung des Landes Brandenburg. Natursch. Landschaftspfl. Referat Ö2 mit der Entscheidung 2004/798/EG verab- Brbg. 14 (3, 4): 71-73 Seeburger Chaussee 2 schiedet, die damit für Brandenburg abschlie- HIELSCHER, K. & ZIMMERMANN, F. 2005: Europäische 14467 Potsdam ßend war. Im Zuge der EU-Osterweiterungen Vogelschutzgebiete (SPA) in Brandenburg. Natursch. e-mail: wurden später noch drei weitere Gemein- Landschaftspfl. Brbg. 14 (3, 4): 68-70 KEHREIN, A. & ROST, S. 2004: Ergänzung der Anhänge Frank.Zimmermann@lugv.brandenburg.de schaftslisten verabschiedet, die derzeit gülti- zur FFH-Richtlinie aufgrund der EU-Osterweiterung. Thomas.Schoknecht@lugv.brandenburg.de ge ist die 5. Gemeinschaftsliste vom 18. No- Beschreibung der Lebensraumtypen mit Vorkommen Kerstin.Pietzofski@lugv.brandenburg.de
NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (1, 2) 2012 15 LRT 9160 – Sternmieren-Eichen-Hainbuchenwald im Gellmersdorfer Forst, Nationalpark Unteres Odertal Foto: F. Zimmermann (23.4.2008)
16 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 21 (1, 2) 2012; 16-24 VON DEN IN BRANDENBURG VORKOMMENDEN ARTEN DER ANHÄNGE II UND IV WERDEN 22 ARTEN IM TOTALZENSUS UND 49 IM STICHPROBENMONITORING UNTERSUCHT. BEI DEN LEBENSRAUMTYPEN WERDEN 5 IM TOTALZENSUS UND 34 IM STICHPROBENMONITORING UNTERSUCHT THOMAS SCHOKNECHT, ANTJE KOCH-LEHKER, VERENA SOMMERHÄUSER & FRANK ZIMMERMANN Grundlagen und Vorgehen beim Monitoring von Arten und Lebensraumtypen sowie bei der Umsetzung der Berichtspflichten für Na- tura 2000 in Brandenburg Schlagwörter: Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, FFH, Lebensraumtypen, Arten, Erfassungsmethoden, Monito- ring, Stichproben, Brandenburg Zusammenfassung 1 Einleitung – Aufgabe von keine zukünftigen Beeinträchtigungen abseh- Monitoring und Bericht- bar sein. Die am 21. Mai 1992 von der Europäischen erstattung Monitoring und Berichtswesen sind Werk- Union erlassene Fauna-Flora-Habitat-(FFH)- zeuge zur Dokumentation der Wirksamkeit Richtlinie ist zusammen mit der Europäi- Die Fauna-Flora-Habitat-(FFH)-Richtlinie soll der zur Umsetzung der FFH-Richtlinie getrof- schen Vogelschutzrichtlinie Grundlage für gemäß Artikel 2 zum Erhalt der Vielfalt der fenen Maßnahmen. Sie ermöglichen die das umfassende europäische Schutzgebiets- Arten und natürlichen Lebensräume in ihrem EU-weite Überprüfung bzw. die Korrektur system Natura 2000. Für die in Branden- Geltungsbereich unter Berücksichtigung der der Schwerpunktsetzung im Naturschutz burg vorkommenden 39 FFH-Lebensraum- örtlichen Besonderheiten und gesellschaft- nach vergleichbaren Gesichtspunkten sowohl typen (LRT) des Anhangs I, die 49 Arten des lichen ökonomischen und kulturellen Inter- hinsichtlich des praktischen Managements Anhangs II sowie die insgesamt 60 Arten des essen beitragen. Prüfstein dafür ist ein „güns- als auch der Eingriffsregelung. Die Ergebnisse Anhangs IV (davon sind 29 Arten gleichzei- tiger Erhaltungszustand“ der in den Anhän- des Monitorings sollen außerdem der Fort- tig im Anhang II aufgelistet) ist ein günstiger gen der FFH-Richtlinie aufgeführten Arten schreibung der Richtlinie und ihrer Anhänge Erhaltungszustand zu sichern bzw. wieder- und LRT. Als günstig wird der Erhaltungs- dienen, um auf aktuelle Entwicklungen in herzustellen. Dies bedarf umfangreicher zustand eingeschätzt, wenn Verbreitungs- Natur und Landschaft adäquat reagieren zu Monitoringprogramme, welches aus einem gebiet, Ausdehnung, Populationsgröße und können. bundesweit abgestimmten Stichprobenmo- Habitatstrukturen ein langfristiges Überle- Die im Rahmen der Berichtspflichten und des nitoring und weiteren, in bestimmten Zeitin- ben sichern. Diese müssen außerdem günsti- Monitorings gewonnenen Erkenntnisse sind tervallen erforderlichen Erfassungen zur gen Referenzwerten entsprechen. Es dürfen wichtige Datenquellen für das Erkennen von Überwachung des Erhaltungszustandes der keine negativen Trends in der Entwicklung Trends der Biodiversität in Europa (EUROPEAN LRT und Arten besteht. dieser Parameter zu verzeichnen und auch COMMISSION 2005). Abb. 1 Wollgras-Torfmoos-Schwingdecken (LRT 3140) in einem Zwischenmoor am Replinchener See (Foto: T. Schoknecht, 12.8.2011)
THOMAS SCHOKNECHT et al.: GRUNDLAGEN UND VORGEHEN BEIM MONITORING VON ARTEN UND LEBENSRAUMTYPEN … 17 2 Rechtliche Grundlagen Erhaltungszustand der Arten und LRT in den Die für die drei Hauptparameter zu verge- biogeographischen Regionen berichtet. benden Bewertungskategorien werden zu Rechtliche Grundlage für das Monitoring ist Für die aktuelle Berichtsperiode 2007-2012 einem Gesamtwert zusammengefasst. Hier- Artikel 11 der FFH-RL. Dort heißt es: gibt es Modifikationen der Berichtsinhalte bei werden die Algorithmen der Tab. 3 an- durch ein neues Dokument (Doc.Hab.- gewandt. „Die Mitgliedstaaten überwachen den Erhal- 11-05/03, EUROPEAN COMMISSION 2011). Die in den Tabellen 1 und 2 dargestellten tungszustand der in Artikel 2 genannten Demzufolge wird in dem vor uns stehenden Parameter und Bewertungsstufen werden in Arten und Lebensräume, wobei sie die prio- Bericht nach diesem Dokument verfahren. dieser Form bei der Kartierung von Lebens- ritären natürlichen Lebensraumtypen und raumtypen und Arten für die Beurteilung die prioritären Arten besonders berücksich- von einzelnen Vorkommen und auch der tigen.” 3 Fachliche Grundlagen für Stichprobenflächen im Monitoring (s. u.) ver- Monitoring und Berichts- wendet. Das Monitoring bezieht sich also auf die pflichten in Brandenburg In einem Bund-Länder-Arbeitskreis „Moni- Lebensraumtypen und Arten aller Anhänge toring und Berichtspflichten“ in Kooperation der Richtlinie, nicht nur in den Natura 2000- Schon im Jahr 2001 hat die Länderarbeits- mit einem externen Auftragnehmer des Gebieten, sondern auch im jeweiligen gemeinschaft Naturschutz (LANA) in Pinne- Bundesamtes für Naturschutz (BfN) wurden Gesamtverbreitungsgebiet. berg „Mindestanforderungen für die Erfas- die o. g. „Mindestanforderungen“ der LANA Die Erfordernisse der Berichtspflicht ergeben sung und Bewertung von Lebensräumen zu im Grundsatz bundesweit abgestimmten sich aus Art. 17 der FFH-Richtlinie. Dort und Arten“ beschlossen (s. Tab 1 und 2). Bewertungsschemata für alle Arten und LRT heißt es: „Alle sechs Jahre ... erstellen die Mitgliedsstaaten einen Bericht über die Durch- führung der im Rahmen dieser Richtlinie durchgeführten Maßnahmen. Dieser Bericht enthält insbesondere Informationen über die in Artikel 6 Absatz 1 genannten Erhaltungs- maßnahmen sowie die Bewertung der Aus- wirkungen dieser Maßnahmen auf den Erhal- tungszustand der Lebensraumtypen des Anhangs I und der Arten des Anhangs II sowie die wichtigsten Ergebnisse der in Arti- kel 11 genannten Überwachung.“ Diese Formulierungen unterstreichen durch einen Querverweis die Bedeutung des Monitorings nach Art. 11. Die Schwerpunkte der Berichterstattung ha- ben sich seit in Kraft treten der Richtlinie verschoben. Für die Periode 1994 bis 2000 wurde vorrangig über die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht und die Fort- schritte bei der Errichtung des Schutz- gebietsnetzes Natura 2000 berichtet. In dem Dokument Doc.Hab-04-03/03 rev.3 (EUROPEAN COMMISSION 2005) hat die Euro- päische Kommission Grundlagen für die Bewertung, das Monitoring und das Berichtsformat in der Berichtsperiode 2001- 2007 detailliert beschrieben. Auf Grundlage der Daten der Ersterfassung in FFH-Gebie- ten, versehen mit der Abschätzung von Trends und im Vergleich mit günstigen Refe- Abb. 2 renzwerten wurde gemäß den Festlegungen Der Hirschkäfer (Lucanus cervus) benötigt totholzreiche Altholzbestände wie hier am Wer- des DocHab-04-03/03 rev.3 auch zum bellinsee im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin (Foto: T. Schoknecht, 13.5.2007) Tab. 1: Allgemeines Bewertungsschema zum Erhaltungszustand der LRT A B C1 C2 Vollständigkeit der lebensraum- hervorragende Ausprägung gute Ausprägung mäßige bis durchschnittliche irreversibel gestört; nicht typischen Habitatstrukturen Ausprägung regenerierbar Vollständigkeit des lebensraum- lebensraumtypisches Arten- lebensraumtypisches Arten lebensraumtypisches Arten irreversibel gestört; nicht typischen Arteninventars inventar vorhanden inventar weitgehend vorhanden inventar nur in Teilen vorhanden regenerierbar Beeinträchtigung gering mittel stark irreversibel gestört; nicht regenerierbar Tab. 2: Allgemeines Bewertungsschema zum Erhaltungszustand der Arten A B C1 C2 Habitatqualität (artspezifische hervorragende Ausprägung gute Ausprägung mäßige bis durchschnittliche irreversibel gestört; nicht Strukturen) Ausprägung regenerierbar Zustand der Population gut mittel schlecht irreversibel gestört; nicht (Populationsdynamik und regenerierbar -struktur) Beeinträchtigung gering mittel stark irreversibel gestört; nicht regenerierbar
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