Nachhaltige Stadtentwicklung durch nachhaltige Verwaltungs entwicklung
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
-SCHRIFTENREIHE 32 JÜRGEN KEGELMANN, CHRISTINE SCHWEIZER, ALBERT GEIGER, MARTIN KURT, NIKI LANG Nachhaltige Stadtentwicklung durch nachhaltige Verwaltungs entwicklung DIE (KOMMUNAL-)VERWALTUNG DER ZUKUNFT
IMPRESSUM Auftraggeber vhw – Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e. V. Fritschestr. 27-28 10585 Berlin www.vhw.de Auftragnehmer Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl, Fakultät für Wirtschafts-, Informations- und Sozialwissenschaften Autoren Prof. Dr. Jürgen Kegelmann, Christine Schweizer, Albert Geiger, Martin Kurt, Niki Lang Titelbild: workflow © Pixabay Gerd Altmann Wissenschaftliche Begleitung Dr. Thomas Kuder, vhw e. V. tkuder@vhw.de Gestaltung/Druck Druckerei Franz Paffenholz GmbH, Bornheim ISBN 978-3-87941-824-4 Auflage 1. Auflage, November 2021 2 |
INHALT 1. HINTERGRUND UND AUSGANGSLAGE 8 2. ZIELSETZUNG DES PROJEKTS 11 3. METHODISCHES VORGEHEN IM PROJEKT UND UNTERSUCHUNGSDESIGN 13 3.1 Genereller Untersuchungsrahmen und Projektdesign 13 3.2 Mixed Methods Design 14 3.2.1 Konzipierung der Onlinebefragung 15 3.2.2 Durchführung der Onlinebefragung 16 3.2.3 Konzipierung der qualitativen Interviews 16 3.2.4 Quantitative Datenzusammensetzung und –analyse der Onlinebefragung 17 3.2.5 Ausblick für eine zukünftige Auswertung der Onlinebefragung 17 3.2.6 Datenanalyse der qualitativen Interviews 18 4. PROJEKTARCHITEKTUR 19 5. WISSENSCHAFTLICHER UNTERSUCHUNGSRAHMEN – ENTWICKLUNG EINES STEUERUNGSRAHMENS 20 5.1 Wichtige Steuerungsdimensionen 20 5.2 Steuerungsthesen 23 5.2.1 Grund- und Subdimensionen 23 5.2.2 Steuerungsthesen 24 6. ENTWICKLUNG DER ERHEBUNGSINSTRUMENTE UND AUSWAHL DER BETEILIGTEN STÄDTE 25 6.1 Entwicklung der Erhebungsinstrumente 25 6.2 Auswahl der beteiligten Städte 26 7. EMPIRISCHE ERGEBNISSE UND ERKENNTNISSE 27 7.1 Ergebnisse aus Vor-Ort-Besuchen und Interviews 27 7.1.1 Die inhaltliche Dimension – normative-strategische-operative Orientierung 27 7.1.2 Die strukturelle Dimension – Structure follows strategy? 28 7.1.3 Die prozessuale Dimension 30 7.1.4 Die Akteursdimension – Menschen und Beziehungen 31 7.1.5 Resonanzfähigkeit zur Umwelt 33 7.1.6 Tools und Instrumente 34 7.1.7 Organisationskultur 34 7.2 Ergebnisse aus dem gemeinsamen Workshop – Die Quintessenz der Erkenntnisse 36 4 |
8. THEORETISCHE FUNDIERUNGEN 41 8.1 Was ist Innovation? 41 8.2 Ein Innovationssystem – theoretische Fundierungen 43 8.3 Innovations- und Entwicklungsmilieus – Erkenntnisse aus der Wissenschaft und Theorie 47 8.3.1 Innovationsziele und -mission 47 8.3.2 Innovationsstrukturen 49 8.3.3 Innovationsprozesse 51 8.3.4 Akteure der Innovation 52 8.3.5 Resonanz zur Umwelt – Innovationsmilieus 56 8.3.6 Innovationskulturen 56 9. HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN 66 9.1. Selbstcheck 67 9.2. Reflexionsfragen 68 10. AUSBLICK 70 ABBILDUNGSVERZEICHNIS 71 LITERATURVERZEICHNIS 72 vhw-Schriftenreihe Nr. 32 | 5
VORWORT DES VHW integrierten Stadtentwicklung. Dazu Vor diesem Hintergrund hat der vhw gelte es auch, so die Zielsetzung der im Jahr 2019 den Professor für Orga- Charta, neue Beteiligungsformen zur nisation, Personal und Management Koproduktion von Stadt und gemein- Prof. Dr. Jürgen Kegelmann von der same Gestaltungsprozesse aller Ak- Hochschule Kehl beauftragt, sich mit teure zu erproben und zu etablieren seinem Team von ausgewiesenen (Leipzig-Charta 2020). kommunalen Verwaltungsexpertin- nen und -experten in einer empi- Solche Kooperationen, die ein inte- risch umfangreichen Studie mit den griertes Handeln ermöglichen sol- organisatorischen und methodischen Dr. Thomas Kuder len, gelten bereits seit Jahrzehnten Grundlagen einer an Nachhaltigkeit vhw e. V. als erstrebenswerte normative Ziel- orientierten Stadtentwicklungsver- vorstellung, erweisen sich aber in waltung zu beschäftigen. einer strukturell verfestigten kom- munalen Verwaltungs- und Stadt- Die nunmehr vorgelegte Studie ba- entwicklungspraxis angesichts der siert neben der erforderlichen kon- stetig wachsenden Komplexität von zeptionellen Fundierung auf den Aufgaben regelmäßig als große Her- einschlägigen Erfahrungen mit einer ausforderung und nur schwer zu be- transformativen Stadtentwicklungs- wältigendes Hemmnis. praxis in den drei ausgewählten In der Neuen Leipzig-Charta 2020 Städten Burgwedel, Filderstadt und zur transformativen Kraft der eu- Diese auf vielfältige Erfahrungen zu- Mannheim. Sie präsentiert im dar- ropäischen Städte betonen die für rückgehende Erkenntnis hat den vhw gelegten Kontext Handlungsemp- Stadtentwicklung zuständigen Mi- – Bundesverband für Wohnen und fehlungen für eine reaktionsschnelle, nisterinnen und Minister der euro- Stadtentwicklung dazu bewogen, in den verschiedenen Akteuren einer päischen Staaten die bedeutende Forschungsaktivitäten zur Stärkung koproduktiven Stadtentwicklung Rolle, die einer integrierten Stadtent- der lokalen Demokratie nicht mehr zugewandten Praxis kommunaler wicklungspolitik auf dem Weg zu ei- allein auf die partizipative und deli- Stadtentwicklungsplanung. ner nachhaltigen Transformation der berative Beteiligung der Bürgerinnen europäischen Städte zukommen wird. und Bürger zu fokussieren. Nach und nach sollten auch die Perspektiven Zentraler Baustein einer räumlich, von Zivilgesellschaft, Politik und Ver- sektoral und zeitlich integrierten waltung als Ausgangspunkte neuer Stadtentwicklungspolitik sowie einer Forschungsvorhaben in den Blick ge- starken lokalen Demokratie sei, wie nommen werden. Diese langfristige, bereits in der vorangegangenen Leip- transformative Perspektive sollte das zig-Charta 2007, die Einbeziehung al- gemeinsame und gemeinwohlorien- ler Akteure, insbesondere der brei- tierte Zusammenwirken aller gesell- ten Öffentlichkeit, in die Prozesse der schaftlichen Kräfte ins Auge fassen. Dr. Thomas Kuder 6 |
VORWORT DER AUTOREN Stabilität, Sicherheit, Einfachheit und dem Routine- und „Produktionsbe- Eindeutigkeit im Handeln der Organi- reich“ effizient, bürgernah und qua- sationen, d. h. die Komplementärbe- litativ hochwertig erledigen. Zu- griffe zu „VUCA“, verlieren dabei nach gleich sind Kommunen aber immer und nach an Selbstverständlichkeit. mehr mit Steuerungsparametern konfrontiert, die mit dem Akronym In der klassischen Organisations- „VUCA“ beschrieben werden können. und Public Management-Forschung Dies bedeutet auch das Erfordernis wird mitunter die interne Organisa- zur Anpassung der internen und in- tion und deren Weiterentwicklung ter-organisationalen Organisations- Prof. Dr. Jürgen Kegelmann als abhängig von den Umweltbedin- muster, als eine zentrale Heraus- Hochschule für öffentliche gungen bezeichnet (vgl. Lawrence/ forderung sozialer Innovation und Verwaltung Kehl Lorsch 1967). Die Umwelt bzw. der organisationaler Lernfähigkeit. gesellschaftliche Kontext beeinflusst die Organisation. Dem entsprechend Anhand eines gemeinsamen Unter- gilt: Will eine Organisation nach „au- suchungsrahmens wurden in vorlie- ßen“ erfolgreich arbeiten, muss sie gendem Gutachten die aktuellen or- über geeignete interne Strukturen ganisationalen Herausforderungen und Prozesse verfügen. der Kommunalverwaltungen im Be- Städte und Kommunen stehen heute reich der nachhaltigen Stadtentwick- vor tiefgreifenden Umbrüchen und Dies gilt besonders für die Trans- lung diskutiert und die notwendigen weitreichenden Transformations- formationsprozesse auf dem Weg zu Entwicklungslinien aufgrund theore- prozessen. Einhergehend verän- einer ökonomisch, ökologisch und tischer und empirischer Befunde he- dern sich die Rahmenbedingungen sozial „nachhaltigen“ Stadt (vgl. Ke- rausgearbeitet. Die daraus abgeleite- bzw. der gesellschaftliche Kontext, gelmann / Martens 2013), wozu auch ten Thesen zu einer zukunftsfähigen in dem sich die Kommunen, d. h. die die Fähigkeit zur Innovation, Selbst- Verwaltung im Bereich der nachhal- Stadt und ihre Verwaltung, in ihrer entwicklung und –erneuerung zählt. tigen Stadtentwicklung wurden ab- Arbeit und in ihrem Handeln bewe- schließend in drei ausgewählten Bei- gen. Dieser veränderte gesellschaft- Diese Überlegung war die Ausgangs- spielstädten, Burgwedel, Filderstadt liche Kontext wird derzeit oft mit dem lage des Forschungsprojektes. Kern- und Mannheim, einem ausführlichen Akronym „VUCA“ beschrieben (vgl. frage war und ist: Wie müssen Kom- Empirie- und Praxistest unterzogen. Mack/Krämer/Burgartz 2016). Die munalverwaltungen aufgestellt sein, (Um)Welt bzw. der Kontext von Or- um den derzeitigen gesellschaftli- ganisationen, wird demnach chen Anforderungen erfolgreich zu begegnen und sie zu gestalten? V = volatiler (Volatility) U = unsicherer (Uncertainty) Grundlegende These des For- C = komplexer und (Complexity) schungsprojektes ist, dass Kommu- A = mehrdeutiger (Ambiguity). nen einen Großteil der Aufgaben aus Prof. Dr. Jürgen Kegelmann vhw-Schriftenreihe Nr. 32 | 7
1. Hintergrund und Ausgangslage Die Welt ist im Umbruch. Alles wird schneller, alles wird chen Interesses, geraten. Die Kernfrage lautet: Wie kön- komplexer, Information ist inflationär – auch im Rathaus. nen Kommunen zur „nachhaltigen Stadt“ im Sinne einer Die letzten Jahrzehnte und auch die aktuellen Entwick- • ökonomischen lungen im digitalen Bereich haben unser Leben immer • ökologischen und schneller und komplexer werden lassen. So sind beispiels- • sozialen weise Nachrichten und Informationen jederzeit verfügbar, jedoch gleichzeitig inflationär, da sie laufend aktualisiert Nachhaltigkeit beitragen (vgl. Kegelmann/Martens 2013)? werden. Digitalisierung ist das Gebot der Stunde. Mit allen Chancen, aber auch Risiken. Kommunen, Länder, Bund Hierbei kommt dem „politisch-administrativen“ System und EU realisieren zunehmend diese Entwicklungen und der Kommune eine besondere Rolle zu. Kommunalpolitik reagieren: Anhand integrierter, nachhaltiger Entwick- und Kommunalverwaltung sind wichtige Netzwerkakteure lungsprozesse erarbeiten sie Konzepte, um diese Heraus- vor Ort, die die wirtschaftlichen und die zivilgesellschaft- forderungen der Zukunft zu meistern. Voraussetzung ist lichen Kräfte und Institutionen vernetzen, gemeinsame lo- dabei auch eine zukunftsgerichtete Organisationsstruktur. kale Strategien entwickeln und Umsetzungen in den ver- Gerade Städte und Gemeinden mit ihrer Bürgernähe müs- schiedensten kommunalen Handlungsfeldern vornehmen. sen gemeinsam in partizipativen Prozessen die Weichen Ob Transformationspotentiale wahrgenommen und umge- richtig stellen (vgl. Leipzig-Charta). Auch hier ist die Not- setzt werden, ist abhängig von der Innovations-, Verände- wendigkeit, Organisationsstrukturen in den Rathäusern rungs- und Transformationskraft einer Verwaltung. Genau fortzuschreiben und schlagkräftiger zu machen, die logi- an dieser Stelle setzt das Forschungsprojekt an. sche Konsequenz. Grundlegende These des Forschungsprojektes ist, dass Alte Organisations- und Steuerungsgewissheiten werden Kommunen einen Großteil der Aufgaben, welche in den in Frage gestellt und auf allen politischen Ebenen (EU, na- Routine- und Produktionsbereich fallen, effizient, bürger- tional, kommunal) wird die Frage nach der Gestaltungs- nah und qualitativ hochwertig erledigen. Gleichzeitig sind kraft politisch-administrativer Akteure gestellt. Die Welt Kommunen jedoch immer mehr mit Steuerungsparame- wird insbesondere in den Sektoren „Wirtschaft“ (Globali- tern konfrontiert, die mit dem Akronym „VUCA“ beschrie- sierung) und „Politik“ (Multi-Level-Governance) zuneh- ben werden können (vgl. Mack et al. 2016): mend komplexer, gleichzeitig nimmt der Problemdruck (Stichwort: Ökologie/Klimaschutz; Verteilungsgerechtig- keit etc.) zu. Auf der kommunalen Ebene manifestieren V = Volatility/Volatilität sich die skizzierten Entwicklungslinien und werden kon- kret erlebbar. Auch ist die kommunale Ebene zunehmend Volatilität oder Unbeständigkeit ist aus dem Bereich der der Ort, an dem sich „Transformationskräfte von unten“ Aktienmärkte bekannt und bezeichnet die Schwankungs- bilden, um so die Probleme „vor Ort“ anzugehen. Insofern breite der Aktienkurse. Eine starke Volatilität bedeutet ist es nicht verwunderlich, dass die „Städte und Kommu- hierbei, dass die Schwankungsbreiten und Ausschläge der nen“ zunehmend in den Fokus, auch des wissenschaftli- Aktienkurse sehr hoch sind. Dies macht die Zukunftspla- 8 |
nung unsicherer und mühevoller, da die Berechenbarkeit sich vielfältig gegenseitig beeinflussenden Wirkkräften, abnimmt und das Risiko steigt. die nicht mehr im klassischen Sinne einfach „gesteuert“, „geplant“ etc. werden können. Genau die Komplexität ist es also, die zur Unsicherheit führt. Damit wird auch das U = Uncertainty/Unsicherheit sehr relevante Input-Output-Outcome-Steuerungsmodell, das von einer klaren Wirkungskette ausgeht, fragwürdig. Uncertainty steht für Unsicherheit und Unberechenbar- keit. Wenn die Wahrscheinlichkeit für das Eintreffen einer Prognose sehr hoch ist, kann gewährleistet werden, dass A = Ambiguity/Mehrdeutigkeit adäquates Reagieren/eine adäquate Reaktion auf Grund- lage der Prognose möglich ist. Steigt die Unsicherheit, so Auch der letzte Punkt, die Mehrdeutigkeit ist wichtig. Je- sind vorausschauende Einschätzungen immer schwerer des Ereignis und jeder Sachverhalt kann unter verschie- zu treffen. Man „fährt auf Sicht“, um auf plötzliche Verän- denen Perspektiven gesehen werden. Es ist die klassische derungen adäquat reagieren zu können. Geschichte vom Elefanten (vgl. Seliger 2014: 31): „Es war einmal ein König. In seinem Königreich war ein C = Complexity/Komplexität großer Streit zugange. Einige Männer stritten darüber, wer Recht hatte. Der König war ein sehr weiser Mann und be- Komplexität bedeutet, dass „alles mit allem verbunden“ ist. schloss, den Herren eine Lektion zu erteilen. Er versam- Bereits Max Weber (1921, Neuauflage 1980) hat erkannt, melte die streitenden Männer und bestellte einen Elefan- dass sich die moderne Welt durch zunehmende Differen- ten und sechs blinde Männer in seinen Palast. Die blinden zierung und Arbeitsteilung auszeichnet. Die positive Kon- Männer wurden zum Elefanten geführt. Nun forderte der sequenz ist die hohe Effizienz und Effektivität arbeitsteili- weise König die blinden Männer auf, ihm das Aussehen des ger Systeme. Die Kehrseite: Die Anzahl der Teilelemente Elefanten zu beschreiben. Der erste blinde Mann sagte: des Systems wächst und die jeweiligen Teilelemente wer- ‚Ein Elefant sieht aus wie eine Säule.‘ Er hatte das Bein den zunehmend voneinander abhängig und beeinflussen des Elefanten angefasst. „Der zweite blinde Mann meinte: sich gegenseitig. Komplexität, welche die Welt und auch ‚Ein Elefant sieht aus wie ein Seil.‘ Dieser Mann hatte den die Organisationen zunehmend kennzeichnen, führt zu Schwanz des Elefanten untersucht. Der dritte blinde Mann It´s a Snake! It‘s a ! It´s a Wall rope! It´s a Tree! It´s a It´s a Spear! Fan! Abbildung 1: Bild vom Elefanten nach dem Gleichnis „Die blinden Männer und der Elefant“ (Darstellung nach https://www.thur.de/philo/hegel/elefant.htm) vhw-Schriftenreihe Nr. 32 | 9
rief aus: ‚Nein, ein Elefant sieht aus wie ein Ast!‘ Er hatte Jeder nimmt die Dinge aus der eigenen Sicht und dem ei- den Rüssel des Tieres angefasst. Der vierte blinde Mann genen Kontext wahr. Es geht also um „Wahrnehmung“ und sagte: ‚Ein Elefant ist wie ein Handfächer.‘ Er hatte das Ohr um die jeweiligen Welt-Bilder (vgl. Pörksen 2011; Watz- des Elefanten in Händen. Der fünfte blinde Mann meinte lawick 1976, Neuauflage 2007). Die Wirklichkeit ist mehr- aufgeregt: ‚Ein Elefant ist wie eine Wand.‘ Dieser Mann deutig und von der jeweiligen Brille abhängig. Es gibt eine hatte den Rumpf des Tieres berührt. Der sechste blinde Vielzahl von, auch interessengeleiteten, Perspektiven. Mann äußerte sich: ‚Ein Elefant sieht aus wie ein hartes Rohr.‘ Er hatte einen Stoßzahn des Tieres angefasst. Der Auch in der öffentlichen Verwaltung ist die VUCA-World weise König erklärte ihnen: ‚Jeder von euch hat Recht. Ihr angekommen. Allerdings ist die Frage offen, wie Verwal- habt alle die Wahrheit gesagt. Ihr habt unterschiedliche tungen fit für diese Entwicklung gemacht werden können, Teile des Tieres angefasst, deswegen habt ihr unterschied- um den Herausforderungen der Zukunft begegnen zu kön- liche Erklärungen gegeben.‘“ nen. Und das Thema der Zukunft ist die Nachhaltigkeit im Sinne einer lebenswerten Stadt, die wirtschaftlich stark, Die Quintessenz der Geschichte: Es gibt immer verschie- sozial solidarisch und ökologisch verantwortlich handelt. dene Perspektiven. Die objektive Wahrheit gibt es nicht. 10 |
2. Zielsetzung des Projekts Dabei ist die These des Projekts, dass eine nachhaltige Anforderungen etc. zugeführt werden, die dann in einem Stadtentwicklung „nach außen“ im Sinne eines Outputs System (Throughput) mit seinen Systemelementen „ver- und Outcomes eine nachhaltige Verwaltungsentwicklung arbeitet“ werden. Im Ergebnis entsteht ein Produkt, ein „nach innen“ voraussetzt. Insofern geht das klassische In- Output, das seinerseits eine Wirkung (Outcome) erzielt. put – Throughput – Output – Outcome - Modell davon aus, Man könnte das Steuerungssystem auch als Kreislauf dass eine Organisation ein „Energiekreislauf“ ist, dem darstellen, bei dem sich der Ausgangspunkt mit dem An- Input in Form von Ressourcen, aber auch Erwartungen, fangspunkt rückkoppelt (vgl. Heinz 2000). Rat OB / Führung Fachbereich Fachbereich Fachbereich Querschnitt (z. B. Kultur) (z. B. Ordnung) (z. B. Bauen) O O I Finanzen U U N T T P Personal C P U O U T Organisation M T E ... THROUGHPUT Abbildung 2: Input – Throughput – Output – Outcome (eigene Darstellung) vhw-Schriftenreihe Nr. 32 | 11
Es war deshalb die Zielsetzung des Forschungsprojektes: Deshalb sind die dargestellten Untersuchungsmethoden partizipative Methoden, wie beispielsweise die aktivie- 1. einen Steuerungsrahmen zu entwickeln und einer em- rende Befragung oder Gruppendiskussionen (vgl. Becker pirischen wie theoretischen Praxisprüfung zu unterzie- et al. 2019). hen, der die Dimensionen einer nachhaltigen Verwal- tungsentwicklung aufzeigt; Ziel des Forschungsprojektes ist es, die zentralen Er folgskriterien für eine nachhaltige Stadt im Rahmen eines 2. Thesen zu formulieren, durch welche Merkmale sich „nachhaltigen Rathauses und einer nachhaltigen Verwal ein in die Zukunft gerichtetes Rathaus im Rahmen der tung“ zu entwickeln. Die Verwaltung der Zukunft soll in der Steuerungsdimensionen auszeichnet; Lage sein, den Herausforderungen der Zukunft erfolgreich zu begegnen und die dabei gewonnenen Erkenntnisse zur 3. die Thesen auf der Grundlage von exemplarischen Weiterentwicklung zu nutzen und damit Zukunft zu ge- Kommunen empirisch zu überprüfen; stalten. 4. und sie auch einer theoretischen Fundierung zu unter- Nicht im Fokus des Forschungsprojektes stehen folgende ziehen. Dies bedeutet, dass die theoretische Literatur Themen und Fragestellungen: und Forschung zum Thema „organisationaler Wandel und Innovation“ dahingehend zu analysieren ist, inwie- Was bedeutet „kommunale Nachhaltigkeit“ und wie kann weit sich die Thesen nicht nur empirisch sondern auch diese wahrgenommen, definiert und gemessen werden. theoretisch untermauern lassen; Auch die Frage, welche Rolle die Kommunen im Kontext von Nachhaltigkeit, insbesondere im föderalen Verbund 5. die Handlungsmuster dieser Kommunen systematisch spielen, ist nicht das Thema. Bewusst ausgeblendet wer- zu vergleichen und die sich daraus ableitenden Steue- den auch die Wirkungszusammenhänge zwischen Throug- rungsarchitekturen und -verständnisse herauszuarbei- hput und Output/Outcome. Denn diese Zusammenhänge ten; sind schwierig zu ergründen, multikausal und oft nicht direkt nachweisbar. Zuletzt liegt der Fokus auch nicht auf 6. Handlungsempfehlungen zu entwickeln, die auch an- dem „politisch-administrativen System“, also der Zusam- dere Kommunen in die Lage versetzen sollen, eine menarbeit und Interaktion zwischen Rat und Verwaltung, nachhaltige Stadtentwicklung mit einer nachhaltigen also politischen Entscheidungsträgern und der Administ- Verwaltungsentwicklung zu verknüpfen. ration. In diesem Projekt stand die Verwaltung, einschließ- lich des Oberbürgermeisters, im Vordergrund der Unter- Das Vorgehen zur Beantwortung der Fragen ist parti- suchung. Damit explizit verbunden ist die normativ und zipationsorientiert. Von Anfang an, auch schon bei der empirisch umstrittene These, inwieweit die Verwaltung die Entwicklung und methodischen Umsetzung des Unter- Politik „führen“ soll oder umgekehrt inwieweit die Politik suchungs- und Forschungsrahmens, wurden weitere die Verwaltung steuert.1 Forschungspartner mit einbezogen. Damit orientiert sich der Forschungsansatz an der Aktionsforschung, deren we- sentliche Kennzeichen sind: • Aufhebung der Subjekt-Objekt-Beziehung zu Gunsten einer Gleichberechtigung von Forschenden und Be- forschten • Verbindung zwischen Forschung/Analyse und Aktion/ Intervention (Forschung als Lern- und Veränderungs- prozess. 1 ier werden normativ wie empirisch die drei Politikmodelle „exekutive Führerschaft“, „legislatorische Programmsteuerung“ und „Vorentscheidermodelle“ dis- H kutiert (vgl. Grauhan 1969). 12 |
3. Methodisches Vorgehen im Projekt und Untersuchungsdesign 3.1 Genereller Untersuchungsrahmen und samen Erhebungsmethoden entwickelt. Auch wurden früh Projektdesign die Kriterien für die Auswahl der teilnehmenden Kom- munen definiert, um die beteiligten Städte zeitnah ein- Ausgehend von der Zielsetzung wurde folgendes Vorgehen zubinden. Als Untersuchungsmethoden wurden folgende und Projektdesign gewählt: Methoden (vgl. folgendes Unterkapitel „Mixed Methods Design“) gewählt: Auf der Grundlage erster Projektideen wurde im Rahmen der Forschungsgruppe ein gemeinsames Steuerungsde- • Dokumentenanalyse sign entwickelt, das die wesentlichen Dimensionen einer • Standardisiertes, aktivierendes Leitfadeninterview nachhaltigen Steuerung beinhalten soll. Auf der Grund- (qualitativ) lage dieser Grunddimensionen wurden erste Thesen einer • Onlinebefragung (quantitativ) nachhaltigen Verwaltungssteuerung entwickelt. Die The- • Entwicklungs- und Ergebnis-Workshops mit „Theorie“ sen wurden gemeinsam mit den beteiligten Städten dis- und „Praxis“ kutiert und reflektiert. Im Anschluss wurden die gemein- Vorgehen im Projekt Analyse Entwicklung eines wissen Thesenentwicklung politisch-admin. schaftlichen Rahmens und methodische Konfiguration Umsetzung in der Praxis Ergebnis: Untersuchungsdesign Ergebnis: Ergebnis: und -rahmen Methodenentwicklung Ist-Stand/ Empirie Theoretischer Wissenstransfer Vergleichende Abgleich und in Fortbildung, Diskussion Diskussion Beratung und der Ergebnisse Forschung Ergebnis: Ergebnis: Theoretische Ergebnis: Steuerungsmuster Reflexion Transfer Abbildung 3: Vorgehen im Projekt (eigene Darstellung) vhw-Schriftenreihe Nr. 32 | 13
Als zentrale Kriterien zur Auswahl der Kommunen wur- entwickeln und zu lernen. Insofern sind die Kernthemen den formuliert: dieser Studie „Innovation und organisationales Lernen“ in nerhalb von Kommunalverwaltungen. Deutlich wurde hier- • Welche Kommunen werden nach innen und nach au- bei, dass das umfangreiche Datenmaterial im Bereich der ßen als „nachhaltig innovativ“ wahrgenommen (Fremd- „wirtschaftlichen“ und „technischen Innovationsfähigkeit“ in wahrnehmung und Selbstwahrnehmung)? der Zwischenzeit um die Diskussion der „sozialen Innovati- • Welche Kommunen haben Elemente einer innova- onen“ ergänzt wurde. Jedoch befindet sich der Diskussions- tiv-nachhaltigen Steuerung implementiert? stand im Bereich der „public innovations“ sowohl im natio- • Welche Kommunen wollen sich im Rahmen eines sol- nalen als auch im internationalen Kontext noch am Anfang. chen Projektes mit einbringen? Insofern wurde die aktuelle Innovationsliteratur ausge- Dabei war es, wie oben bereits dargestellt, nicht das pri- wertet und dahingehend befragt, was diese zu Förderung märe Ziel, die konkreten Wirkungszusammenhänge zwi- und Hemmnissen von Innovation und Entwicklung sagt. schen Steuerung der Organisation und ihren Wirkungen Dabei wurden die im Grundsatz entwickelten Grunddimen- nach „außen“ zu untersuchen. Vielmehr war es das Ziel, sionen beibehalten und konkretisiert. Die Kernfrage lautet: die internen „Steuerungsdimensionen“ in ihren systemi- Unterstützten auch Literatur und Forschung die empirisch schen Zusammenhängen zu untersuchen. Dabei stand die fundierten Erkenntnisse? Bewusst wurde im Projekt in- „Verwaltung“ als zentraler Transmissionsriemen zwischen duktiv, also von „unten“ von der Praxis nach „oben zur Bürgerschaft, Politik und Verwaltung im Vordergrund. Theorie, vorgegangen. Ebenso beabsichtigt war das For- schungsteam mit Teilnehmenden aus Wissenschaft und In der Erhebungsphase wurden die entsprechenden Doku- Praxis besetzt, die ihrerseits langjährige Erfahrung in der mente der Kommunen gesichtet und bei Vor-Ort-Terminen Steuerung von Verwaltungsorganisationen mitbringen. mit ausgewählten Vertreterinnen und Vertretern auf der Insofern stand die Reflexion der eigenen Erfahrung im Grundlage des Interviewleitfadens Gespräche geführt. Die Vordergrund, mit dem Ziel, aus der erweiterten Empirie Gespräche wurden aufgezeichnet, teilweise transkribiert heraus „Muster“ zu erkennen. Aufgrund des induktiven und dokumentiert. In allen Städten waren Tandems aus der Ansatzes wurde davon abgesehen, die Theorie im Vorfeld Forschungsgruppe vor Ort, um auch innerhalb der Städte intensiv zu sichten, um Vorfestlegungen zu vermeiden. verschiedene persönliche und disziplinäre Perspektiven zu verzahnen. Während bereits im Projekt „Impulse für die Praxis“ für die einzelnen Städte diskutiert und entwickelt wurden, In einer Auswertungsphase wurden die Ergebnisse der war es auch das Ziel, die grundlegenden Erkenntnisse in Vor-Ort-Besuche systematisch auf der Grundlage der ent- Form eines „Handlungsleitfadens“ einer weiteren Praxis wickelten Leitdimensionen sowie der entwickelten Fra- zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Grund wurden ein gestellungen miteinander verglichen. Hierbei wurden die „Selbstcheck“ und „Reflexionsfragen“ entwickelt, die die „Steuerungsmuster“ der Städte im Einzelnen, wie auch im Kommunen unterstützen sollen, die eigene Innovations- Vergleich erfasst. Daraus wurden gemeinsam „Schlüssel fähigkeit einer nach innen „nachhaltigen Verwaltung“ zu erkenntnisse“ abgeleitet, die in einem ganztägigen Work- analysieren (Self-assessment), um darauf aufbauend im shop mit den Kommunen vertieft, diskutiert und konkreti- Sinne einer Organisationsentwicklung die eigene Verwal- siert wurden. Auch wurden Handlungsempfehlungen für tung weiterzuentwickeln. Der Forschungsbericht bündelt die einzelnen Städte abgeleitet. und dokumentiert die Ergebnisse und skizziert mögliche Weiterentwicklungen. Parallel hierzu wurde die Literatur, insbesondere zum Thema „Innovationsfähigkeit“ im privaten wie im öffentli- chen Sektor analysiert. Denn die skizzierte Grundthese lau- 3.2 Mixed Methods Design tet, dass sich nach außen „nachhaltige Verwaltungen“ auch durch eine „nachhaltige“ verwaltungsinterne Steuerung In diesem Kapitel wird das Mixed-Methods-Design vor- auszeichnen. Während der Begriff der „äußeren“ Nach- gestellt. Hierbei wird Bezug auf die quantitative Onlinebe- haltigkeit vielfach diskutiert und dokumentiert ist und in fragung sowie das qualitative Interview genommen. Auch dieser Arbeit nicht im Vordergrund steht, wurde als „nach- in der Auswertung unterscheiden sich die Methoden. Die haltige Verwaltung“ eine solche definiert, die in der Lage Auswertung der quantitativen Fragen erfolgte ausschließ- ist, sich angesichts ändernder Kontextfaktoren erfolgreich lich deduktiv und die qualitativen Fragen des Interviews anzupassen, zu innovieren und sich nach innen weiterzu- wurden induktiv ausgewertet. 14 |
3.2.1 Konzipierung der Online-Befragung willigkeit der Teilnehmenden, aber auch um Unabhän- gigkeit der Befragten. Diese können selbst wählen, wann Ein Fragebogen soll die Realität oder Ausschnitte derer und wo sie den Fragebogen ausfüllen. Somit ist eine Fra- möglichst genau erfassen und beschreiben ((vgl. Bortz/ gebogenuntersuchung im Internet durch „Alokalität und Döring 1995)). Für die Evaluation der Innovationskultur in Asynchronität“ (Batinic 1997: 239) geprägt. Befragungen Kommunalverwaltungen wurde ein Fragebogen erstellt, oder Interviews vor Ort wären außerdem viel kosten- und der Umfang und Qualität innovativer Merkmale der (Zu- zeitintensiver gewesen (vgl. Kuckartz et al. 2009; Batinic sammen-) Arbeit der Verwaltungsmitarbeitenden erfasst. 1997). Durch den Onlinefragebogen verringerten sich die Außerdem soll die Evaluation Meinungsbilder von Mitar- Kosten und der Aufwand im Allgemeinen. Auch in der Aus- beitenden der unterschiedlichen Kommunen zeigen und so wertung zeigen sich Vorteile der Automatisierbarkeit der die Möglichkeit geben, Rahmenbedingungen und Voraus- Befragung durch eine hohe Datenqualität (vgl. Welker et setzungen für innovative Arbeit zu optimieren. Der Frage- al. Werner et al. 2005). Gruppeneffekte oder Beeinflussung bogen wurde nach Richtlinien der Deutschen Gesellschaft durch den Evaluator bzw. die Evaluatorin können so ver- für Online-Forschung und Evaluation erstellt, worauf im mieden werden. Somit wird die „Forschung von der for- folgenden Abschnitt noch eingegangen wird. Da die Be- schungsfremden Tätigkeit“ (Fraas et al. 2013: 1) getrennt fragung viele evaluierende Elemente enthält, wurden die und die Objektivität kann erhöht werden. Sich an wissen- Richtlinien einer Evaluation immer wieder beachtet und schaftliche Vorgehensweisen zu halten, ist auch bei einer dienten als Orientierung. Hierbei wurden verstärkt die Onlinebefragung wichtig. Hier steht vor allem die Stich- Richtlinien nach der Deutschen Gesellschaft für Evaluation probenziehung im Fokus. Ziel ist es, möglichst viele Mit- (DeGEval) berücksichtigt. Vier grundlegende Eigenschaf- arbeitenden der Pilotkommunen zu erreichen. Ein weite- ten sind nach der DeGEval demnach „Nützlichkeit, Durch- res Ziel war es, einen Rücklauf von 20 bis 30 Prozent der führbarkeit, Fairness und Genauigkeit“ (DeGEval 2011: 22). Mitarbeitenden der Kommunen zu erhalten. Die Nützlichkeit des Fragebogens kann unterschiedlich be- gründet werden. Zur Qualitätsentwicklung und -sicherung Zu beachten ist, dass der ganze Prozess dokumentiert können durch regelmäßige Reflexionen mit allen Betei- wurde und keine Ergebnisse verzerrt oder unbeachtet blie- ligten in Kommunalverwaltungen Innovationsstrukturen ben (Rat der deutschen Markt- und Sozialforschung und verbessert werden. Es gab die Möglichkeit, mit dem For- Deutsche Gesellschaft für Online-Forschung e. V. 2013). schungsteam persönlichen Kontakt aufzunehmen, um of- fene Fragen oder persönliche Anliegen zu klären. In einem Ein weiteres Merkmal für die Durchführbarkeit nach der standortangepassten Anschreiben wurde auf die Zielset- Deutschen Gesellschaft für Evaluation ist auch die Effizi- zung eingegangen, um den Evaluationszweck zu verdeut- enz. Das heißt, der Aufwand für die Befragung und dessen lichen. Glaubwürdigkeit, Akzeptanz und Vertrauen konnten Auswertung sollten im Verhältnis zum Nutzen stehen. Wie nicht zuletzt durch die Streuung von Verantwortungstra- schon erwähnt, sind Vertrauen, Respekt und Freiwilligkeit genden (beispielsweise Hauptamtsleitungen oder Bürger- Grundlage für eine evaluative Studie. Dabei sollten auch meisterinnen und Bürgermeister) aus dem unmittelbaren formale Richtlinien sowie individuelle Rechte der Proban- kommunalen Umfeld erreicht werden. Außerdem hatten den berücksichtigt werden. Im Fragebogen wurden im Vo- die Befragten zu jedem Zeitpunkt die Möglichkeit, das For- raus Anonymität und Schutz der Befragten gewährleistet. schungsteam bei Fragen und Anliegen zu kontaktieren. So wurde beispielsweise darauf hingewiesen, dass die Da- ten in zusammengefasster Form dargestellt werden, so- Der Anspruch auf „Vollständigkeit und Transparenz“ im- dass Rückschlüsse auf einzelne Personen ausgeschlossen pliziert auch, dass allen Beteiligten Zugang zu den Ergeb- sind. Weiterhin gehört zu einem fairen Umgang, möglichst nissen gewährt wird, was durch die freiwillige Angabe der objektiv mit den Daten umzugehen. Das heißt, die Daten Mailadresse gewährleistet wurde. Um die Anonymität zu werden sachlich, wertfrei und unvoreingenommen unter- wahren, wurde diese selbstverständlich nicht mit den er- sucht. Ziel ist es, Stärken auszubauen und Schwächen, Be- hobenen Daten verknüpft. schwerden oder Probleme zu beheben. Bewertungen und Kritik sind hierbei nicht auszuschließen, sondern mög- Gewisse Standards zur Durchführbarkeit sind durch die lichst unparteiisch und ohne persönlichen Einfluss zu for- Form der Online-Befragung gegeben. Neben ökonomi- mulieren. Wie schon erwähnt, sollten die Ergebnisse allen schen Gesichtspunkten, wie große Datenerhebungen in Beteiligten zur Verfügung stehen. einem kurzen Zeitraum, ist auch eine hohe Akzeptanz durch die Verbreitung durch das Internet zu finden. Hier Der letzte Punkt ist die Genauigkeit. Hierbei geht es um geht es um Faktoren wie eine hohe Anonymität und Frei- deutliche und verständliche Formulierung während der vhw-Schriftenreihe Nr. 32 | 15
Studie und in der Auswertung. Bei dem Vorgehen sind 3.2.3 Konzipierung der qualitativen jegliche Quellenangaben zu dokumentieren. Die Gültig- Interviews keit und Unverfälschtheit der Daten ist eine Grundvoraus- setzung für die Forschung. Bei allen quantitativen oder Neben der Erhebung der überwiegend quantitativen Daten qualitativen Fragen des Fragebogens wurden die Güte- der Onlinebefragung wurden mit Hilfe von 19 Expertin- kriterien für Sozialforschung eingehalten. Entscheidend nen- bzw. Experteninterviews qualitative Daten erhoben. für eine erfolgreiche Untersuchung sind das Überprüfen Um den Ansprüchen der qualitativen Forschung nach Le- von möglichen Fehlerquellen und ein bewusster Umgang, vitt et al. (2018) gerecht zu werden, wird im Folgenden falls solche auftreten. Im Rahmen dieser Arbeit ist keine der Forschungsprozess beleuchtet und somit transpa- Meta-Studie möglich, da diese den Rahmen überschreiten rent gemacht. Als Interviewtyp wurde aufgrund des For- würde. Jedoch ist der Fragebogen so dokumentiert und schungsinteresses das strukturierte Interview ausgewählt gesichert, dass er jederzeit wiederholbar und überprüfbar (vgl. Helfferich 2011). Der Einsatz eines Interviewleitfa- ist (vgl. DeGEval 2011). dens ließ kaum Spielraum für Nachfragen, jedoch bot er Möglichkeiten, unklare oder missverstandene Fragen zu umschreiben oder nachzuhaken (vgl. Helfferich 2011; Mey/ 3.2.2 Durchführung der Onlinebefragung Mruck 2010). Bis auf das Verzichten auf weitläufige Nach- fragen ist der Ablauf an dem problemzentrierten Inter- Nachdem der Fragebogen beschrieben und die Entwick- view nach Witzel (2000) orientiert. Der Fokus liegt auf der lung erklärt wurde, wird nun das Vorgehen bei der Be- Konzentration auf ein Problem oder Thema. Das Vorwis- fragung kurz erläutert. Zunächst haben 17 Fachpersonen sen dazu aus literarischer Recherche sowie Erfahrungs- aus Verwaltung und Forschung sowie einige fachfremde werten des Forschungsteams diente als Rahmen für die Personen die Befragung in einem Pretest durchgeführt Entwicklung des Leifadens. Bei der Befragung ist neben und beurteilt. Auf Grundlage dessen wurde die Befra- der Gegenstandsorientierung (Gesprächstechnik und -at- gung optimiert. Das Anschreiben des Onlinefragebogens mosphäre), die Prozessorientierung (subjektive Problem- wurde dann für eine erste Phase der Datenerhebung an sicht) zentral (vgl. Witzel 2000). Der Leitfaden beinhaltet eine Kommune versandt. Bei Fragen oder Anmerkungen sechs thematische Schwerpunkte mit je einer bis fünf zum Fragebogen hatten die Befragten jederzeit die Mög- Fragen: Inhalte, Strukturen, Prozesse, Menschen, Um- lichkeit per Mail oder Telefon das Forschungsteam zu kon- welt und Rahmenbedingungen sowie die Instrumente der taktieren. Beim Aufbau des Anschreibens stand im Fo- beteiligten Kommunen. kus, dass die Relevanz der Befragung, die Wichtigkeit der Teilnahme jedes Einzelnen und jeder Einzelnen und der Um den natürlichen Gesprächsverlauf nicht zu sehr zu be- vertrauliche Umgang deutlich wurden (vgl. Schnell 1999; einflussen, wich die Reihenfolge der Fragen bei den ein- Thielsch/Weltzin 2009). Außerdem enthielt die Mail den zelnen Interviews ab. Zu Beginn wurde der Ablauf erläutert Link zur Internetseite, auf welcher der Fragebogen jeder und eine Einverständniserklärung unterschrieben. Zum Zeit abrufbar war. Nach Ende des Befragungszeitraums Abschluss konnten die befragten Personen auf Wunsch wurde der Datensatz für die Auswertung von der Inter- offene Fragen, Anliegen und Bemerkungen hinzufügen. netseite SoSciSurvey heruntergeladen. Die Auswertung Um für die befragten Personen den Aufwand zu minimie- der quantitativen Fragen des Fragebogens wurde mit dem ren, fanden alle Interviews an deren Arbeitsplatz in einem Statistikprogramm R (Version 8.5) durchgeführt. Ziel des ruhigen Raum statt. Um eine einheitliche Umsetzung zu ersten Durchlaufs war es, die Befragung zu optimieren, gewährleisten, wurden die Interviews von jeweils zwei Mit- um sie für zukünftige Forschungsprojekte oder Evalua- arbeitenden des Forschungsteams durchgeführt. Die In- tionen in den Kommunen einsetzen zu können. terviewdauer lag zwischen 45 und 120 Minuten mit einer durchschnittlichen Dauer von 68 Minuten. Die Interviews wurden mit einem Aufnahmegerät aufgenommen und in einem einheitlichen Verfahren analysiert. Aufgrund der Kürze des Forschungsprojekts wurde auf das Transkri- bieren der Interviews verzichtet. Im Folgenden werden die Auswertungsmethoden der Eva- luation vorgestellt. Zuerst wird auf die quantitative Analyse, anschließend auf die Inhaltsanalyse der Expertinnen- bzw. Experteninterviews eingegangen. 16 |
3.2.4 Quantitative Datenzusammensetzung lage von unterschiedlichen Konzepten konstruiert wur- und -analyse der Onlinebefragung den, wäre das Ziel durch eine explorative Faktorenana- lyse Faktoren aus dem Datenmaterial zu generieren. Beim Aufbau des Fragebogens war relevant, dass die ein- • Die Eignung der Daten für eine explorative Faktoren- zelnen Itemgruppen gleich skaliert sind. Beispielsweise analyse sollte anhand des Kaiser-Meyer-Olkin-Tests sind alle Items der Qualitätskriterien intervallskaliert. Der (KMO-Wert) sowie des Bartlett-Tests überprüft wer- Fragebogen setzt sich wie folgt zusammen: den. Der KMO-Wert gibt Auskunft über die Eignung der Daten für eine Faktorenanalyse. Ein signifikanter • Ein Item zu soziodemografischen Daten, bei dem die Bartlett-Test gibt Auskunft über die Varianzhomogeni- Kommune des Probanden erfasst wurde tät und ist daher empfindlich auf die Normalverteilung • 13 Items zur Strategie der Kommunen der Variablen in der Grundgesamtheit (vgl. Dormann • 67 Items zu Qualitätskriterien, welchen wiederum sie- 2013). Die Eignung der einzelnen Variablen hinsicht- ben Faktoren zugeordnet sind: lich der Stichprobe wird mit dem Measure of Sampling – 6 Items zum Thema Beteiligung innerhalb der Kom- Adequacy überprüft (MSA-Wert). Der MSA-Wert ist nach munalverwaltung Eckey, Kosfeld und Rengers (2002) zwischen 0,6 und 0,8 – 22 Items zur Kommunikation, (Team-) Zusammen- mittelmäßig, zwischen 0,8 und 0,9 lobenswert und grö- arbeit und der Motivation des/der Proband:in ßer als 0,9 fabelhaft. – 6 Items zur Bürgerorientierung • Die Faktorenanalyse ist ein Verfahren der multivaria- – 6 Items, welche sich mit der Veränderungs- und ten Statistik zur Datenreduktion. Aus einem Datensatz Optimierungsbereitschaft beschäftigen mit vielen manifesten Variablen, wie den vorliegenden – 14 Items fragen nach innovativem, kreativem und Items des Fragebogens, können latente Strukturen agilem Arbeiten (Faktoren) gebildet werden. Die Analyse gibt Auskunft – 8 Items zum Thema Informationsmanagement über die Zusammenhänge der Items hinsichtlich des – 5 Items beinhalten Führungsfragen Gesamtkonstrukts (vgl. Moosbrugger/Kelava 2012). • Es ist empfehlenswert, eine Hauptachsen-2 sowie eine Bei der Auswertung mit R wurde der Pilotstandort de- Hauptkomponentenanalyse3 zu berechnen (vgl. Leon- skriptiv ausgewertet, um besondere Auffälligkeiten in Mo- hart 2017). Die Anzahl der zu extrahierenden Faktoren dal- sowie Zentralwerten und Varianzen herauszustellen. kann durch eine Parallelanalyse analysiert werden und ist in der Abbildung des Screeplots ersichtlich. • Durch ein obliques Rotationsverfahren (Promax) kön- 3.2.5 Ausblick für eine zukünftige Auswer nen die Faktoren den Daten angepasst werden, sodass tung der Onlinebefragung möglichst wenige Faktoren mit hoher Ladung (-3) entstehen (vgl. ebd.). In zukünftiger Forschung und der Datenerhebung in meh- • Optional kann in einem weiteren Schritt eine Faktoren- reren Kommunen könnte folgendes Auswertungsvorge- analyse zweiter Ordnung durchgeführt werden. Die zu- hen Aufschluss über Gemeinsamkeiten, Unterschiede und vor extrahierten Faktorenwerte werden dafür nach dem übergeordnete Erkenntnisse geben: Vorgehen von Ten Berge berechnet. Im Weiteren wird dann eine Parallelanalyse hinzugezogen, um die Anzahl • Nachdem Auffälligkeiten in Modal- sowie Zentralwerten der Faktoren zu bestimmen. und Varianzen analysiert wurden, können Korrelations- • Ziel der explorativen Faktorenanalyse ist es nicht, die koeffizienten berechnen werden, um die Zusammen- gesamte Varianz der Daten zu erklären, sondern viel- hänge der einzelnen Variablen zu charakterisieren (vgl. mehr einen Einblick in das Zusammenwirken von Va- Lederer 2010; Russell 2006). So können die bestehen- riablen und deren Einfluss auf das Gesamtkonstrukt zu den Faktoren, welche deduktiv erstellt wurden, anhand erhalten. Außerdem ist eine vollständige Varianzauf- des Datenmaterials überprüft werden. klärung bei solch einem komplexen, nicht ausreichend • Um die interne Konsistenz der Kategorien zu berechnen, erforschten Thema und den Bedingungen der Evalua- diente das Cronbachs Alpha. Da die Items auf Grund- tion nicht möglich. 2 Maximierung der aufgeklärten Varianz, unter Umständen gibt es Faktoren mit nur einer Variablen, da zu Beginn die Annahme besteht: h2=1 3 Bevorzugung von Faktoren, auf die viele Variablen laden, gemeinsame Varianz der Variablen, h2 wird für jede Variable geschätzt vhw-Schriftenreihe Nr. 32 | 17
3.2.6 Datenanalyse der qualitativen 3. Intercoderreliabilität: Intercoderreliabilität meint die Interviews unabhängige Übereinstimmung der Kodierung mehre- rer Personen (vgl. Mayring 2015). Hierfür wurde jedes Bei großen Datenmengen, wie den vorliegenden 19 Inter- Interview zweifach codiert von zwei Personen des For- views, ist es wichtig, sich an Regeln und Abläufen zu orien- schungsteams. Da die Codebildung am ursprünglichen tieren. Trotzdem braucht die Analyse eine gewisse Flexibi- Datenmaterial orientiert war und daher so einfach wie lität, um der Forschungsfrage gerecht zu werden und sich möglich gehalten wurde, konnte auf einen ausführli- den Daten anzupassen. Ziel ist es, zu jedem Zeitpunkt die chen Kodierleitfaden verzichtet werden. Die Berech- Bedeutung der Daten klar zu identifizieren und in Themen nung der Intercoderreliabilität war nicht möglich, da darzustellen (vgl. Braun/Clarke 2006). die Auswertung anhand von Audiomaterial stattfand. 4. Negotiated Agreement: Die Differenzen zwischen Erst- Die Interviews wurden nach Braun und Clarke (2006) sowie und Zweitcodierer wurden im Forschungsteam disku- einzelnen Aspekten von Mayring (2015) ausgewertet. Die tiert und nach Lösungen gesucht. Aufgrund der Tatsa- qualitative Inhaltsanalyse beschreibt eine systematische che, dass der Kodierleitfaden kaum Einschränkungen Vorgehensweise bei der Auswertung. Nach Mayring gibt aufwies, waren die meisten Unterschiede auf die unter- es drei verschiedene Möglichkeiten quantitative Inhalte schiedlichen Perspektiven der Forschungsteilnehmen- auszuwerten: „Die Zusammenfassung, die Explikation den zurückzuführen. und die Strukturierung“ (Mayring 2015: 64). Die Auswer- 5. Definition der Kategorien durch Strukturierung: Im fol- tung erfolgt durch die Analysetechnik der Strukturierung, genden Schritt wurde nach Mayrings (2015) inhaltlicher dadurch ist es möglich, „das Material aufgrund bestimm- Strukturierung vorgegangen, bei der das Grundmate- ter Kriterien einzuschätzen“ (ebd.: 58). Mit dem Ziel mög- rial nach Themen, Inhalten oder Aspekten eingeordnet lichst genau die Meinung der befragten Probandinnen und wird. Durch zuvor festgelegte Kriterien wurden die be- Probanden widerzuspiegeln, wurde das Abstraktionsni- stehenden Codierungen eingeschätzt und strukturiert. veau hoch angesetzt, um damit so viele Sichtweisen wie Dafür wurde genau definiert, welche Bestandteile unter möglich mit einzubeziehen. Das allgemeine Selektions- welche Kategorie fallen. kriterium ist hierbei die übergeordnete Frage der Studie: 6. Zusammenfassung und Negotiated Agreement der „Verfügen die kommunalen Verwaltungen angesichts einer Kategorien aller Standorte: Im nächsten Schritt wur- zunehmend dynamischen Umwelt über die geeigneten or- den die Kategorien der drei Standorte zu übergeordne- ganisationsinternen und inter-organisatorischen Voraus- ten Kategorien zusammengefasst. Hierbei haben alle setzungen (dargestellt an den verschiedenen Dimensio- sechs Forscherinnen bzw. Forscher zunächst ein über- nen), um der Zukunft erfolgreich zu begegnen und damit geordnetes Kategoriesystem entwickelt. Im Anschluss ein kommunaler Inkubator und Transformationsunterstüt- wurden die Differenzen diskutiert und nach einer ein- zer zu sein?“ und „Sind die kommunalen institutionellen heitlichen Lösung gesucht. So entstanden einheitliche Konfigurationen „nachhaltig“, um dann auch „nachhaltige“ Kategorien für alle drei Standorte. Ergebnisse im Sinne einer „nachhaltigen Stadtentwick- 7. Bestimmung von Ankerbeispielen: Die jeweiligen Ka- lung“ zu erzielen?“. tegorien wurden präzise definiert und anhand eines Ankerbeispiels erläutert (vgl. Kuckartz 2012; Mayring Im Folgenden wird auf den Ablauf der Auswertung ein- 2015). gegangen, welcher sich an den einzelnen Schritten von 8. Zusammenfassung und Definition der Themen: In der Braun und Clarke sowie an der Form der Strukturierung achten Phase wurden die Codes sowie Kategorien er- nach Mayring orientiert: neut gelesen, zusammengefasst und daraus Themen präzisiert. Die Zusammenfassung und Konkretisierung 1. Bekanntmachen mit den Daten: Zuerst wurde das Au- erfolgte theoriegeleitet und anhand der Zuordnung zu dio mehrmals aktiv angehört und Bemerkungen dabei den Kriterien und den Zielen der Forschung (vgl. Braun/ notiert. Im Folgenden wurden Schritt zwei bis fünf für Clarke 2006). jeden der drei Interviewstandorte (Burgwedel, Filder- 9. Ergebnisdarstellung: Zuletzt wurden die Themen ana- stadt und Mannheim) durchgeführt. lysiert und für die Ergebnisdarstellung vorbereitet. Je- 2. Generieren von Codes: Ziel dieser Phase war die Zu- des Thema wurde zusammengefasst und schriftlich do- ordnung von Hauptaussagen oder Schlagwörtern zu in- kumentiert. duktiv gebildeten Codes (vgl. Braun/Clarke 2006). So konnten ein oder mehrere Codes möglichst vielen Pas- sagen zugeordnet werden. 18 |
4. Projektarchitektur Bei dem dargestellten Forschungsprojekt handelt es sich Design diskutiert und reflektiert. Die Kommunen waren um eine komplexe Fragestellung, die im Rahmen einer ebenfalls als Projektbeteiligte eingebunden und wurden stringenten Projektstruktur und eines agilen Projektma- auch in der Phase der Thesenerstellung sowie bei der Er- nagements gesteuert wurde. Ein Kernteam, bestehend hebung des Forschungsdesigns im Rahmen eines Work- aus den Verfasserinnen bzw. Verfassern des Forschungs- shops eingebunden. Auf diese Weise wurde frühzeitig in berichtes steuerte den dargestellten Ablauf und entwi- einem partizipativen Prozess gewährleistet, dass das For- ckelte gemeinsam die Fragestellungen, Inhalte, methodi- schungsprojekt ein gemeinsamer interaktiver Lern-, Ent schen Instrumente, führte die Erhebungen vor Ort durch wicklungs- und Diskussionsprozess wird. Insofern folgt und erarbeitete gemeinsam die Ergebnisse. Im Rahmen der Forschungsansatz der Idee der Aktionsforschung und einer erweiterten Forschungsgruppe wurden der kon- des Reallabors. zeptionelle Forschungsrahmen sowie das methodische Organisationsstruktur Kernteam Kegelmann, Geiger, Lang, Beraterinnen und Berater Kurt, Schweizer Wissenschaftliche Expertinnen und Experten Forschungsgruppe Projektbeteiligte Kommunen, KIAF-Kehler Institut für angewandte Forschung Abbildung 4: Projektarchitektur (eigene Darstellung) vhw-Schriftenreihe Nr. 32 | 19
5. Wissenschaftlicher Untersuchungsrahmen – Entwicklung eines Steuerungsrahmens 5.1 Wichtige Steuerungsdimensionen „Verwaltung“ oder auch „Kommunalverwaltung“ sind weit besteht. Dieser Steuerungsansatz folgt auch der politik- gefasste Begriffe. Es gilt zu klären, was darunter konzep- wissenschaftlichen Forschung, der die Begriffe „politics“, tionell verstanden wird. Im Rahmen dieses Forschungs- „policy“ und „polity“ unterscheidet. Dabei bezieht sich „po- projektes wird die Verwaltung als ein System beschrieben, licy“ auf die inhaltliche Dimension von Steuerung, „politics“ das aus den Dimensionen auf die prozessuale Dimension und „polity“ auf die struk- turell-institutionelle Dimension. Dabei folgt eine Vielzahl • Menschen & Akteure von steuerungstheoretischen Ansätzen einem „akteurst- • Inhalte heoretischen Ansatz“, wenn sie handelnde Personen und • Strukturen Menschen als relevante Steuerungseinheit sehen. Sys- • Prozesse temtheoretisch wird in diesem Kontext als das „System“ • Instrumente (die Verwaltung, die Organisation) verstanden, welches ih- • Kontext/Umwelt rerseits von einer „Umwelt“ umgeben ist. Wissenschaftlicher Hintergrund – Organisation als mehrdimensionales System (I) Umwelt Inhalte & Strategien Strukturen & Instrumente & = Kultur Prozesse Tools Menschen & Akteure Abbildung 5: Organisation als mehrdimensionales System (eigene Darstellung) 20 |
Insofern stellen die aufgezählten Steuerungsdimensionen • normative, einen vielfach genutzten Ansatz dar (s. ausführlich Kegel- • strategische und mann 2007), der sinnvolle Perspektiven auf das Gesamt- • operative system zulässt. Steuerung unterscheiden (vgl. Heinz 2000; Rüegg-Sturm Bei den Inhalten handelt es sich um die Aufgabendimen 2002). sion der Verwaltung. Sie hat Ziele zu erreichen, Aufgaben zu erfüllen und dies im Rahmen rechtlicher und finan- Auf der Grundlage der dargestellten Steuerungsdimensio- zieller Rahmenvorgaben. Hierzu bedarf es geeigneter in- nen wurden nun gemeinsam aus der eigenen Erfahrung terner Strukturen und Prozesse, die von Menschen (z. B. heraus Thesen entwickelt, formuliert und diskutiert. Führungskräfte, Mitarbeitende etc.) gestaltet und gefüllt werden. Oft werden hierzu Instrumente verwendet, die Thesenhaft kann formuliert werden: z. B. orientiert am klassischen Steuerungskreislauf (vgl. Zukunftsfähig und nachhaltig ist die Verwaltung dann, Görlitz 1995; Lange/Braun 2000): wenn sie erfolgreich die „Umwelt“ auf der Grundlage ge- eigneter Selektionskriterien wahrnimmt und sich einer- • die Planung (Planungsinstrumente) seits erfolgreich anpasst, sie aber andererseits auch mit • die Entscheidung (Entscheidungsinstrumente) gestaltet sowie bei Bedarf verändert (vgl. die klassische • den Vollzug (Implementierungsinstrumente) organisationstheoretische Kontingenzforschung nach • die Kontrolle (Evaluationsinstrumente) Burns/Stalker 1961, Lawrence/Lorsch 1967). unterstützen. Die „Umwelt“ stellt das „Außen“ dar, also Dabei sind die verschiedenen Dimensionen in einem en- die Anforderungen vielfältiger Art (gesellschaftlich, wirt- gen Zusammenhang zu sehen. Unterschiedliche Aufga- schaftlich, rechtlich etc.), die es zu bewältigen gilt. benanforderungen erfordern hierfür geeignete Strukturen und Prozesse, funktionale Instrumente und entsprechend Ein weiterer „Frame“ ist die Orientierung an klassischen kompetente, motivierte und verantwortungsbewusste Mit- Managementmodellen, die die arbeitende und Führungskräfte. Idealerweise liegt dem Umgang miteinander ein gemeinsam entwickelter Orien Wissenschaftlicher Hintergrund – Organisation als mehrdimensionales System (II) Umwelt Inhalte/ Strategien Strukturen & Instrumente & Normative... = Kultur Prozesse Tools Strategische... Operative Menschen Ebene & Akteure Abbildung 6: Normative – strategische – operative Steuerung (eigene Darstellung) vhw-Schriftenreihe Nr. 32 | 21
Sie können auch lesen