Nachhaltiges Fliessgewässer-management im Einzugsgebiet der Birs und des Birsigs

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Nachhaltiges Fliessgewässer-management im Einzugsgebiet der Birs und des Birsigs
Aurelia Kuster, Lukas Guyer, Daniel Andersen,
        Samira Amos, Fabian Bättig (Hrsg.)

        Nachhaltiges Fliessgewässer-
        management im Einzugsgebiet
        der Birs und des Birsigs
        Falldossier zur Lehrveranstaltung Umweltproblemlösen 2018/2019

USYSTdLab
Department of Environmental Systems Science
Transdisciplinarity Lab · Science-Society Interface
Nachhaltiges Fliessgewässer-management im Einzugsgebiet der Birs und des Birsigs
Abkürzungen

ARA      Abwasserreinigungsanalgage
ARP      Amt für Raumplanung, Kanton Basel-Landschaft
AUE      Amt für Umwelt und Energie, Kanton Basel-Landschaft
BAFU     Bundesamt für Umwelt
BFF      Biodiversitätsförderfläche
BGF      Bundesgesetz über die Fischerei
BL       Basel-Landschaft
BLW      Bundesamt für Landwirtschaft
BV       Bundesverfassung
BVBB     Bauernverband beider Basel
EnG      Energiegesetz
EZG      Einzugsgebiet
GSchG    Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer
GSchV    Gewässerschutzverordnung
HEV      Hauseigentümerverband
KEV      Kostendeckende Einspeisevergütung
KFVBB    Kantonaler Fischereiverband beider Basel
kGSchG   kantonales Gewässerschutzgesetz
KWKW     Kleinwasserkraftwerke
MRWM     Mindestrestwassermenge
NGH      Natur- und Heimatschutzgesetz
NGO      Non-governmental Organization
NHV      Nachhaltigkeitsverordnung
Wika     Wirtschaftskammer Baselland
WKW      Wasserkraftwerke
USG      Umweltschutzgesetz
Nachhaltiges Fliessgewässer-management im Einzugsgebiet der Birs und des Birsigs
Nachhaltiges Fliessgewässermanagement im Einzugsgebiet der Birs und des Birsigs                            1

Inhalt

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis ......................................................................................... 2

Vorwort ......................................................................................................................................... 3

1 Einleitung .................................................................................................................................. 4

2 Abflussregime ........................................................................................................................... 5

3 Wasserver- und -entsorgung .................................................................................................. 17

4 Wasserqualität ........................................................................................................................ 26

5 Gewässerraum ........................................................................................................................ 39

6 Tiere und Pflanzen .................................................................................................................. 48

7 Wasserkraft ............................................................................................................................. 58

8 Rechtliche Grundlagen ........................................................................................................... 66

9 Stakeholder ............................................................................................................................. 68

10 Referenzen ............................................................................................................................ 71

Anhang ....................................................................................................................................... 88
Nachhaltiges Fliessgewässer-management im Einzugsgebiet der Birs und des Birsigs
2                                                  Falldossier zur Lehrveranstaltung Umweltproblemlösen 2018/2019

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildungen

Abbildung 1    Karte des EZG der Birs (hell) und des Birsigs (dunkel) ................................................................................... 6
Abbildung 2    Geologische Platten der EZG ............................................................................................................................ 7
Abbildung 3    Die vier Wasserhaushaltsgrössen Niederschlag (N), Abfluss (Q), Verdunstung (V) und
               Speicheränderung (S) ....................................................................................................................................... 9
Abbildung 4    Unterschiedliche jährliche Niederschlagsmengen im Zeitraum 1984–2013 für die beiden EZG
               Birsig und Birs ................................................................................................................................................ 10
Abbildung 5    Niederschlagsmenge in den beiden EZG Birsig (links) und Birs (rechts) im Zeitraum von 1984–2013 ....... 10
Abbildung 6    Grundwasserpegelschwankungen im EZG Birs-Münchenstein .................................................................... 11
Abbildung 7    Jahresabflusssummen zwischen 1984–2013 ................................................................................................. 11
Abbildung 8    Die Abflussregimes der verschiedenen Messstationen ................................................................................ 12
Abbildung 9    Darstellung des neuen Regimetyps pluvial de transition .............................................................................. 13
Abbildung 10   Der Wasserkreislauf ....................................................................................................................................... 18
Abbildung 11   Grundwasserfassung ...................................................................................................................................... 19
Abbildung 12   Quellfassung ................................................................................................................................................... 19
Abbildung 13   Aufbau einer ARA ........................................................................................................................................... 21
Abbildung 14   Das Einzugsgebiet der Birs und des Birsigs in der Region Basel, eingefärbt nach
               Landnutzung inklusive Standorte der ARA ................................................................................................... 27
Abbildung 15   Entwicklung der DOC-Belastung der Birs ..................................................................................................... 28
Abbildung 16   Entwicklung der Ammonium-Belastung der Birs ......................................................................................... 29
Abbildung 17   Entwicklung der Nitrit-Belastung der Birs .................................................................................................... 29
Abbildung 18   Entwicklung der Nitrat-Belastung der Birs ................................................................................................... 29
Abbildung 19   Entwicklung der Phosphor-Belastung der Birs ............................................................................................. 30
Abbildung 20   Karte eines Ausschnitts des Einzugsgebiets von Birs und Birsig mit Fokus auf den Kanton BL ................. 32
Abbildung 21   Grafische Darstellung der Eintragspfade aus den in den Abbildungen 15 bis 19 abgebildeten
               Quellen von Verunreinigungen ....................................................................................................................... 33
Abbildung 22   Wirkungsgefüge zu den prognostizierten Auswirkungen des Klimawandels ............................................... 36
Abbildung 23   Bildliche Darstellung des Gewässerraums ................................................................................................... 40
Abbildung 24   Prozess der Gewässerraumausscheidung .................................................................................................... 42
Abbildung 25   Positiver Effekt der Aue im Hochwasserfall .................................................................................................. 43
Abbildung 26   Fischpopulation ober- und unterhalb von Zwingen ....................................................................................... 50
Abbildung 27   Die gemittelten Temperaturen der Birs in Münchenstein während der wärmsten Monate von
               1997 bis 2018 .................................................................................................................................................. 53
Abbildung 28   Ausleitkraftwerk ............................................................................................................................................. 59
Abbildung 29   Durchlaufkraftwerk ........................................................................................................................................ 59

Tabellen

Tabelle 1      Gesetzliche Mindestrestwassermengen (MRWM) gemäss GSchG .................................................................. 8
Tabelle 2      Wasserbilanz der beiden EZG der Birs und des Birsigs im Vergleich (1984–2013) ........................................ 9
Tabelle 3      Daten des Niedrigwasserregimes von Birs und Birsig .................................................................................. 12
Tabelle 4      Chemischer Zustand der Birsig anhand der vom AUE und NAWA gemessenen Messwerte ....................... 30
Tabelle 5      Übersichtstabelle der Schadstoffe ................................................................................................................. 31
Tabelle 6      Gewässerraumbreite nach GSchV .................................................................................................................. 40
Tabelle 7      Klimagefährdete Pflanzen in Birsig und Birs ............................................................................................... 54
Tabelle 8      Übersicht über die relevanten Stakeholder .................................................................................................. 68
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Vorwort

  «Umweltproblemlösen» ist eine Vor-                 Das vorliegende Falldossier ist eine Zu-
lesung im ersten Jahr Bachelor Umwelt-            sammenfassung dieser Teilanalysen. Es
naturwissenschaften an der ETH Zürich             soll vor allem als Grundlage für die Prü-
unter Leitung von Christian Pohl und Mit-         fung der Vorlesung dienen. Das Falldos-
arbeit von Marlene Mader, Lisette Senn,           sier wurde von den Tutorierenden Aurelia
BinBin Pearce und Urs Brändle. Das Ziel           Kuster, Daniel Andersen, Fabian Bättig,
der Vorlesung ist es ein Thema ganzheit-          Lukas Guyer und Samira Amos auf Grund-
lich zu analysieren (1. Semester) und die         lage der Berichte aller Teilanalysegruppen
identifizierten   (Umwelt-)Probleme       mit     zusammengestellt. Die Autoren/innen der
geeigneten Massnahmen anschliessend               Teilanalysen sind im Anhang aufgelistet.
zu lösen (2. Semester). Das Thema der
diesjährigen Fallstudie ist «Nachhaltiges            Da sich die rechtlichen Aspekte der
Fliessgewässermanagement im Einzugs-              verschiedenen Teilanalysen häufig über-
gebiet der Birs (inklusive Birsig)». Die          schneiden, haben wir uns entschieden,
Erstsemestrigen führten im Herbstse-              diese im Kapitel «Rechtliche Grundlagen»
mester 2018 sechs Teilanalysen zu diesem          zusammenzufassen. Die wichtigsten Be-
Thema durch. Das sind namentlich Ab-              ziehungen zwischen Stakeholdern werden
flussregime, Wasserver- und -entsorgung,          pro Teilanalyse erläutert, im Kapitel «Sta-
Wasserqualität, Gewässerraum, Tiere und           keholder» werden zudem alle relevanten
Pflanzen und Wasserkraft.                         Stakeholder in einer Tabelle beschrieben.

                                                     Die Tutorierenden wünschen euch eine
                                                  hoffentlich spannende Lektüre.
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4                              Falldossier zur Lehrveranstaltung Umweltproblemlösen 2018/2019

1 Einleitung

    Die beiden Flüsse Birs und Birsig sind    re und Pflanzen brauchen einen möglichst
zwei wichtige Gewässeradern in der Jur-       naturnahen Lebensraum um gedeihen zu
aregion der Schweiz. Sie bieten die Le-       können. Die verschiedenen Ansprüche an
bensgrundlage für eine Vielzahl von Tier-     die Nutzung bringen ein erhebliches Kon-
und Pflanzenarten, die dort vorkommen.        fliktpotenzial mit sich, denn sie sind zum
Die vorhandenen Ökosysteme sind in den        Teil nur schwierig miteinander vereinbar.
letzten Jahrzehnten durch den erhöhten
Siedlungsdruck und die intensive Land-           Mit dem Klimawandel wird sich das
wirtschaft aber zunehmend unter Druck         Abflussregime der Flüsse verändern. Es
geraten. Die Flüsse wurden grösstenteils      werden trockenere Sommer und extreme-
begradigt, um mehr Platz für Äcker und        re Niederschlagsereignisse erwartet. Das
Siedlungen zu schaffen. Pestizid- und         Gut Wasser könnte also knapper werden,
Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft      die Gefahr von Hochwasser zunehmen.
und Verunreinigungen aus dem Sied-            Um den verschiedenen Bedürfnissen der
lungsabwasser haben der Gewässerqua-          Stakeholder unter diesen neuen Rah-
lität zugesetzt.                              menbedingungen auch in Zukunft gerecht
                                              zu werden, braucht es ein nachhaltiges
    Heute hat die Gesellschaft den Wert       Fliessgewässermanagement. Um ein sol-
von intakten Fliessgewässern erkannt.         ches zu entwickeln, ist es zuerst notwendig
Verschiedene Stakeholdergruppen haben         ein breites Verständnis darüber zu haben,
unterschiedliche Ansprüche an die Nut-        wie das Gesamtsystem «Fliessgewässer»
zung, so sind die Flüsse für Wasserkraft-     funktioniert und welche Rolle verschie-
betreiber hauptsächlich eine Ressource,       dene Stakeholder darin einnehmen. Die
um Energie zu gewinnen, für Anwohner/         durchgeführten Teilanalysen sollen dieses
innen steht die Erholung im Zentrum, Tie-     Systemwissen bereitstellen.
Nachhaltiges Fliessgewässer-management im Einzugsgebiet der Birs und des Birsigs
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2 Abflussregime

   Die Birs und der Birsig führen über das        • Wie sieht das Abflussregime im Ein-          2.1
Jahr unterschiedlich viel Wasser. Das ist            zugsgebiet der Birs und des Birsig im
                                                                                                 Einleitung
vor allem durch das wechselnde Klima be-             Jahresverlauf aus? Wie vergleichen
gründet, das die Wasserbilanzen je nach              sich die Wasserbilanzen der beiden
Jahreszeit unterschiedlich beeinflusst. Im           Einzugsgebiete (Mittelwasser, Q347)?
Sommer verdunstet mehr Wasser, wäh-                  Wie wird der Wasserhaushalt im
rend den Wintermonaten fällt mehr Nie-               Einzugsgebiet des Birsig resp. der Birs
derschlag. Eine ganz wesentliche Rolle im            konkret durch den Mensch beeinflusst?
Fallgebiet spielt darüber hinaus die vor-         • Wie wird sich das Abflussregi-
herrschende Geologie. Der Abfluss, den               me und die Wasserbilanz durch
wir als Wasser im Flussbett betrachten               den Klimawandel verändern?
können, wird durch all diese Faktoren be-         • Welche Stakeholder beein-
stimmt. Er lässt sich anhand von definier-           flussen das Abflussregime?
ten Kenngrössen örtlich und über die Zeit         • Wo entstehen Kosten und Ge-
vergleichen, woraus interessante Schluss-            winne und wie hoch sind die?
folgerungen gezogen werden können, z.B.
wie der Klimawandel die Wasserverfüg-
barkeit in der Region verändern wird. In
diesem Kapitel leiten folgende Fragen:

        Recherchemethoden                         sen wurden den Webseiten der Stakeholder       2.2
   Die Gruppen wurden mit einem Vortrag           entnommen, anschliessend wurden die Sta-
                                                                                                 Vorgehensweise
von Dr. Simon Scherrer in das Thema «Ab-          keholder «nach eigenem Ermessen» in eine
flussregime» eingeführt. Allen Gruppen            Macht-Interesse-Matrix eingeteilt.
wurden Ausgangsquellen mit Fachliteratur
bereitgestellt, z.B. Golder (1995). Viele wich-               Methodenkritik
tige Daten und Berichte konnten zudem der            Die Gruppen erhoben keine Primärdaten
Website des BAFU entnommen werden. Am             und mussten sich bei ihrer Recherche dem-
17.11.2018 fand eine Exkursion ins Birstal        entsprechend auf die vorhandenen Quel-
statt, um das Gebiet zu erkunden, sich mit        len verlassen. Die Datenlage war teilweise
Experten/innen auszutauschen und Fragen           ungenügend. So wurde beispielsweise die
zu klären.                                        Evapotranspiration für die Birs und dem Bir-
                                                  sig nicht berechnet, weshalb Gruppe 1 exem-
   Es wurde eine Stakeholderanalyse durch-        plarisch die Daten des Einzugsgebiets (EZG)
geführt. Die Informationen über ihre Interes-     der Ergolz verwendeten.
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2.3                   2.3.1 Einzugsgebiet                                km2 nur etwa ein Zehntel so gross. Es er-

Resultate       Die Abbildung 1 zeigt die beiden Ein-                    streckt sich über Frankreich, Baselland und
            zugsgebiete (EZG) der untersuchten Flüsse.                   Deutschland (Scherrer, 2018). Der Birsig hat
            Das EZG der Birs (hellgrün) liegt zu einem                   zwei Quellbäche. Einer entspringt im franzö-
            kleinen Teil in Frankreich, in der Schweiz                   sischen Elsass, oberhalb von Wolschwiller
            erstreckt es sich über die Kantone Bern,                     auf etwa 470 m.ü.M. und der andere befindet
            Basel-Landschaft (BL), Basel-Stadt, Solo-                    sich in der Schweiz in der Gemeinde Burg auf
            thurn und Jura. Insgesamt ist die Birs 73 km                 650 m.ü.M.
            lang und die Grösse des EZG beträgt ca. 887
            km2 (Scherrer, 2018). Sie entspringt in einer                               2.3.2 Geologie
            Quelle bei Tavannes auf etwa 760 m.ü.M. und                    Die Abbildung 2 zeigt, dass sich die beiden
            sinkt bis zur Mündung in den Rhein auf 240                   EZG hauptsächlich über zwei verschiedene
            m.ü.M. ab.                                                   tektonische Ebenen ausdehnen. Das EZG
                                                                         des Birsigs ist geprägt durch das tertiäre
                Im Vergleich dazu ist der Birsig (dunkel-                Becken des Oberrheingrabens. Dies ist eine
            grün) knapp 21 km lang und sein EZG mit 75                   Sedimentwanne, die durch Kalksandsteine

                                                                                                       Basel                Rhein

                                                                                                  Oberwil

                                                                                             Birsig
                                                                                                        Reinach

                                                                                          Laufen            Birs

                                                 La Lucelle                    Lützel

                                                         Delémont
                                                                                                                   Lüssel
                                                                                    La Scheulte
                                              La Sorne

                                                                            Moutiers

                                                              La Birse
                                           Tavannes

            Abbildung 1
            Karte des EZG der Birs (hell) und des Birsigs (dunkel) (basierend auf Scherrer, 2018, S. 15).
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Abbildung 2
Geologische Platten der EZG (Pfiffner et al., 2010, S. 1).

und Lehm aufgefüllt wurde und somit eine            Sicherung der Restwassermengen
eher undurchlässige Bodenschicht bildet              Für die Wasserentnahme aus einem
(Röhr, 2018). Im Vergleich dazu erstreckt         Fliessgewässer mit ständiger Wasserfüh-
sich das EZG der Birs mehrheitlich über den       rung wird eine Bewilligung benötigt (Art. 29
Faltenjura. Der Faltenjura kam durch die Ab-      lit. b GSchG). Grundsätzlich gilt, dass dem
tragung des darüber liegenden tertiären Be-       Fliessgewässer insgesamt höchstens 20%
ckens zum Vorschein. Der Faltenjura besteht       des Niedrigwasserabflusses (Q347) und
aus verkarstfähigem Kalkstein und hat somit       nicht mehr als 1 000 l/s entnommen werden
eine hohe Versickerungsrate im EZG der Birs       dürfen, auch müssen die Mindestrestwas-
zur Folge (AUE BL, 2018).                         sermengen (MRWM)1 eingehalten werden
                                                  (Art. 30 lit. a und b GSchG). Die MRWM in
  2.3.3 Gesetzliche Grundlagen                    der Tabelle 1 werden anhand der lokalen Ab-
   Die für das Abflussregime massgebenden         flussmenge Q347 festgelegt.
gesetzlichen Grundlagen sind vorwiegend im
Bundesgesetz über den Schutz der Gewäs-
ser (GSchG) festgelegt. Die Umsetzung die-
ser Gesetze regelt die Gewässerschutzver-         1 «Die Mindestrestwassermenge […] ist die
                                                    Menge des Restwassers, die im Bereich ei-
ordnung (GSchV). Auf Kantonsebene werden            ner Ausleitung, Stauanlage oder Entnahme
Details dieser Umsetzung sowie die Zusam-           mindestens im Gewässer verbleiben muss.»
menarbeit mit den Gemeinden geregelt.               (Wikipedia, 2018)
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8                               Falldossier zur Lehrveranstaltung Umweltproblemlösen 2018/2019

Tabelle 1
Mindestrestwassermengen (MRWM) gemäss GSchG.

bis 60 l/s Abflussmenge Q347                                          50 l/s
      und für je weitere 10 l/s Abflussmenge Q347                      8 l/s
für 160 l/s Abflussmenge Q347                                       130 l/s
      und für je weitere 10 l/s Abflussmenge Q347                    4.4 l/s mehr,
für 500 l/s Abflussmenge Q347                                       280 l/s
      und für je weitere 100 l/s Abflussmenge Q347                    31 l/s mehr,
für 2 500 l/s Abflussmenge Q347                                     900 l/s
      und für je weitere 100 l/s Abflussmenge Q347                  21.3 l/s mehr,
für 10 00 l/s Abflussmenge Q347                                    2 500 l/s
      und für je weitere 1 000 l/s Abflussmenge Q347                150 l/s mehr,
ab 60 000 l/s Abflussmenge Q347                                  10 000 l/s

    Um einem Gewässer Wasser zu ent-           men. Die Dotierwassermenge kann dabei
nehmen, muss ein Bericht über die mög-         zeitlich variieren, darf die MRWM jedoch
lichen Auswirkungen bei verschieden            nicht unterschreiten. Wasserentnehmer
grosser Wasserentnahmen bei den Behör-         müssen die Einhaltung der Dotierwasser-
den eingereicht werden (Art. 33 GSchG).        menge durch Messungen oder bei nicht
Die MRWM müssen erhöht werden, wenn            zumutbarem Aufwand durch Berechnung
gewisse Anforderungen nicht durch ande-        der Wasserbilanz nachweisen (Art. 36 Abs.
re Massnahmen erfüllt werden können. Zu        1 GSchG).
diesen Anforderungen gehören vor allem
ökologische Anliegen wie die Einhaltung                Vollzug und Koordination
der    vorgeschriebenen    Wasserqualität,        Der Art. 45 des GSchG besagt, dass der
die Erhaltung seltener Lebensräume und         Vollzug dieses Gesetzes den Kantonen ob-
die für die Fischwanderung erforderliche       liegt. Auf unsere Teilanalyse bezogen ist
Wassertiefe. Zudem muss sichergestellt         der Kanton BL dafür zuständig, dass die
werden, dass das Grundwasservorkom-            gesetzlich gegebenen Restwassermengen
men weiterhin für die Trinkwasserversor-       an der Birs und dem Birsig eingehalten
gung genutzt werden kann (Art. 31 lit. a-d     werden. Der Vollzug wird vom Bund be-
GSchG).                                        aufsichtigt. Zudem regelt dieser die Ko-
                                               ordination unter den Bundesstellen, der
    Für den Schutz der Gewässer unter-         Gewässerschutzmassnahmen der Kanto-
halb der Wasserentnahme bestimmt die           ne und zwischen den Bundesstellen und
Behörde im Einzelfall die Dotierwasser-        Kantonen (Art. 46 GSchG) .
menge und andere notwendige Massnah-
        2

2 «Die Dotierwassermenge bezeichnet die
  Wassermenge, die zur Sicherstellung einer
  bestimmten Restwassermenge bei der Was-
  serentnahme im Gewässer belassen wird.»
  (Bau-/Verkehrs- und Energiedirektion des
  Kantons Bern, 2019)
Nachhaltiges Fliessgewässermanagement im Einzugsgebiet der Birs und des Birsigs               9

          2.3.4 Wasserbilanz                         Zur Berechnung der Wasserbilanz be-
  Die Wasserbilanz stellt einen Zusam-             nützt man folgende Formel:
menhang zwischen dem Niederschlag
(N), der Evapotranspiration (V), der Spei-           N = Q + V ± ΔS (BAFU, 2018c)
cheränderung (∆S) und dem Abfluss (Q)
dar. Die vier Grössen sind in der Abbildung          Die Wasserbilanz der Birs und der Bir-
3 grafisch dargestellt.                            sig ist in Tabelle 2 dargestellt. Die einzel-
                                                   nen Wasserhaushaltsgrössen werden im
                                                   Folgenden genauer beschrieben.

Abbildung 3
Die vier Wasserhaushaltsgrössen Niederschlag (N), Abfluss (Q), Verdunstung (V) und Spei-
cheränderung (S) (BAFU, 2018c).

Tabelle 2
Wasserbilanz der beiden EZG der Birs und des Birsigs im Vergleich (1984–2013).

                            N                  Q             V (Min–Max)             DS
 Birs                     1 191*           549 mm            476–608 mm               0
 Birsig                   1 084*           361 mm            476–608 mm               0
10                                           Falldossier zur Lehrveranstaltung Umweltproblemlösen 2018/2019

                                                                        Niederschlag                                 1 700

                                                       Die Abbildung 4 zeigt wichtige Gemein-                        1 600
                                                samkeiten der beiden EZG. So weisen bei-
                                                                                                                     1 500
                                                de EZG starke Schwankungen in der Nie-
                                                                                                                     1 400
                                                derschlagsmenge über die Jahre auf. Die
                                                Spannbreite zwischen extrem trockenen                                1 300

                                                                                                            N [mm]
                                                und extrem nassen Jahren ist hoch (siehe                             1 200
                                                schwarze Punkte).
                                                                                                                     1 100

                                                       In der Abbildung 5 wird der Unterschied                       1 000

                                                der beiden EZG dargestellt. Sie unter-                                900
                                                scheiden sich in der mittleren Nieder-
                                                                                                                      800
                                                schlagsmenge pro Jahr (arithmetisches
                                                                                                                      700
                                                Mittel und Median). Die Niederschläge,
                                                                                                                               Birs      Birs    Birsig   Birsig
                                                welche im EZG der Birs fallen, sind im Mit-                                  Soyhières München- Oberwil Binningen
                                                                                                                                         stein
                                                tel deutlich höher als jene im EZG des Bir-
                                                sig. Es wird ersichtlich, dass die Schwan-                   Abbildung 4
                                                kungen in den Niederschlagsmengen in                         Unterschiedliche jährliche Niederschlags-
                                                                                                             mengen im Zeitraum 1984–2013 für die
                                                den EZG parallel verlaufen. Der Grund da-                    beiden EZG Birsig und Birs. Die Box ent-
                                                für könnte sein, dass die EZG geografisch                    spricht dem Bereich, in dem die mittleren
                                                                                                             50% der Daten liegen, sie wird also durch
                                                nahe beieinander liegen. Scherrer (2016)
                                                                                                             das obere Quartil (=0.75-Quantil) und das
                                                betont, dass die zeitliche Variabilität bei                  untere Quartil (=0.25-Quantil) begrenzt.
                                                dem Vergleich der EZG wichtiger wäre als                     Die Antennen («Whiskers») begrenzen den
                                                                                                             Bereich zwischen dem 0.9-Quantil und dem
                                                die räumliche Variabilität.                                  0.1-Quantil, die Punkte zeigen das 0.95-
                                                                                                             bzw. das 0.05-Quantil. Der Median ist als
                                                                                                             schwarze Linie, das arithmetische Mittel als
                                                                 Evapotranspiration                          rot-gestrichelte Linie dargestellt. 1 mm = 1
                                                       Scherrer und Kienzler (2016) haben                    l/m2 (Scherrer & Kienzler, 2016, S. 11)
                                                mithilfe einem Wasserhaushaltsmodell
                                                die Evapotranspiration für das EZG der
                                                Ergolz-Liestal berechnet. Die erhobenen

                           Birsig - Oberwil               Marchbach - Oberwil                            Birs - Soyhières                Lützel - Kleinlützel
         1 600             Birsig - Binningen             Dorfbach - Allschwil                           Birs - Münchenstein             Lüssel - Breitenbach        1 600

         1 400                                                                                                                                                       1 400
N [mm]

                                                                                                                                                                             N [mm]

         1 200                                                                                                                                                       1 200

         1 000                                                                                                                                                       1 000

          800                                                                                                                                                        800

             1980   1985     1990        1995          2000      2005        2010   2015   1980   1985    1990          1995          2000      2005       2010   2015
                                                Jahr                                                                           Jahr

 Abbildung 5
 Niederschlagsmenge in den beiden EZG Birsig (links) und Birs (rechts) im Zeitraum von 1984–2013 (Anhang 1a Scherrer &
 Kienzler, 2016b).
Nachhaltiges Fliessgewässermanagement im Einzugsgebiet der Birs und des Birsigs                                           11

Werte liegen im Bereich von 478 mm/a                                             Die mittlere Abflussjahressumme der
und 607 mm/a (Millimeter pro Jahr). Sie                Birs beträgt zwischen 585 und 549 und die
übernehmen diese Werte für das EZG des                 des Birsigs zwischen 361 und 387 mm pro
Birsigs und der Birs.                                  Jahr und pro m2 des EZG (je nach Mess-
                                                       standort). Die Daten beziehen sich auf den
   Der Kanton BL liegt in einem Gebiet mit             Zeitraum von 1984 (bzw. 86/87) bis 2013
relativ hoher Verdunstung. Die schweize-               (Scherrer & Kienzler, 2016). In Abbildung 7
rischen Mittelwerte von 484 mm sind im                 sind die mittleren Jahresabflusssummen
Vergleich einiges tiefer (Scherrer & Kienz-            der einzelnen Jahre von 1984 (bzw. 1986)
ler, 2016).                                            bis 2013 dargestellt.

   Speicher und Speicheränderung
   Der Speicher tritt einerseits als Grund-
wasser und andererseits als Schnee im
Winter auf (Naturforschende Gesellschaft
Basel, 1948–1949). Im Jahresverlauf wird
Wasser je nach Bilanz in den Grundwas-
serspeicher eingetragen bzw. daraus ent-
nommen.

   Die Eintragsperiode beginnt im Sep-
tember mit der Vegetationsruhe und wird
durch den Schneefall zusätzlich verstärkt.
Im Frühjahr nehmen die Speicher auf-
grund der einsetzenden Vegetationsperio-
de wieder ab. Im Sommer kommt es trotz                 Abbildung 6
starker Niederschläge durch die hohe                   Grundwasserpegelschwankungen im EZG Birs-Münchenstein (Anhang 8a
                                                       Scherrer & Kienzler, 2016b).
Verdunstung zu einem Speicherrückgang
(Naturforschende      Gesellschaft     Basel,
1948–1949).
                                                                                 1 000      Birsig - Oberwil     Birs - Soyhières        Marchbach - Oberwil
   Trockenjahre wie 2003 und 2011 führen                                                    Birsig - Binningen   Birs - Münchenstein

zu einer signifikanten Grundwasserspie-
                                                 Jahressumme der Abflüsse [mm]

                                                                                  800
gelsenkung (siehe Abbildung 6). Im Ver-
gleich zur vorhandenen Aquifermächtig-
                                                                                  600
keit ist die Abnahme aber eher gering.

                                                                                  400
      Mittlerer Abfluss und Q347
   Der Abfluss ist Teil der Wasserbilanz.
                                                                                  200
Er sollte gleich dem Niederschlag abzüg-
lich der Evapotranspiration und der Versi-
ckerung sein. Die Zuleitung und Entnahme                                            0
                                                                                     1980    1985        1990    1995          2000    2005      2010          2015
von Oberflächenwasser und Grundwasser
                                                                                                                        Jahr
durch den Menschen kann diese Bilanz
aber verändern.                                        Abbildung 7
                                                       Jahresabflusssummen zwischen 1984–2013 (basierend auf Scherrer &
                                                       Kienzler, 2016a).
12                                                                              Falldossier zur Lehrveranstaltung Umweltproblemlösen 2018/2019

                                                               Der Q347 ist der Abfluss, der an durch-                                                        Abflussregimetyp und Klimawandel
                                                          schnittlich 95% der Tage im Jahr über-                                                               Das Abflussregime zeigt die jahreszeit-
                                                          schritten wird (Scherrer & Kienzler, 2016).                                                        lichen Veränderungen eins Gewässers auf.
                                                          Er ist eine wichtige Kenngrösse des Nied-                                                          Die Veränderung der Abflussmenge über
                                                          rigwasserregimes, weil er bestimmt, wie                                                            ein Jahr anhand des Tagesmittels ergeben
                                                          viel Wasser einem Fluss entnommen wer-                                                             die Kurven in Abbildung 8.
                                                          den darf. In der Tabelle 3 sind der Q347
                                                          für die betrachteten Fliessgewässer sowie                                                            In der Schweiz werden 16 verschiedene
                                                          weitere wichtige Grössen des Niedrigwas-                                                           Abflussregimetypen nach der Klassifizie-
                                                          serregimes aufgeführt.                                                                             rung von Pardé (1933) unterschieden. Die

   Tabelle 3
   Daten des Niedrigwasserregimes von Birs und Birsig (basierend auf Scherrer & Kienzler, 2016a).

                                                                          Birs -             Birs -                                                     Birsig -              Marbach -                 Birsig -
                                                                        Soyhières         Münchenstein                                                  Oberwil                Oberwil                 Binningen
           Q347
                                                        l/s               2 596                                       4 373                                   84                     119                     209
           (Per. 1984–2013
           Restwasser
                                                        l/s                   920                                     1 300                                   70                     100                     150
           (nach GSchG)
           Dotierwassermenge
                                                        l/s                                                                                                   90                      90                     160
           (kantonal)
           Mittlere Jahressumme
                                                        Mio m3            344.8                                       499.3                                  14.5                    10.4                    26.8
           der Abflüsse
           Abflusssumme nach
                                                        Mio m3            315.8                                       458.4                                  11.6                     7.6                    21.8
           Abzug Restwasser

                    2.0                                                                                                                   2.0
                                                                    Birs - Münchenstein   30                                                                                                    Birsig - Binningen   30

                                                                                          25                                                                                                                         25
                    1.5                                                                                                                   1.5
                                                                                               Tagesmittel Q [m3/s]

                                                                                                                                                                                                                          Tagesmittel Q [m3/s]
Pardé-Koeffizient

                                                                                                                      Pardé-Koeffizient

                                                                                          20                                                                                                                         20

                    1.0                                                                                                                   1.0
                                                                                          15                                                                                                                         15

                                                                                          10                                                                                                                         10
                    0.5                                                                                                                   0.5
                              Tagesmittel                                                 5                                                         Tagesmittel                                                      5
                              Pardé-Koeffizient                                                                                                     Pardé-Koeffizient

                    0.0                                                                   0                                               0.0                                                                        0
                          J   F   M      A        M   J    J    A   S     O     N    D                                                          J   F    M     A        M   J    J     A    S      O     N      D
                                                      Datum                                                                                                                 Datum

   Abbildung 8
   Die Abflussregimes der verschiedenen Messstationen. Auf der linken Achse wird der Pardé-Koeffizient dargestellt, welcher
   das Verhältnis zwischen dem monatlichen und dem jährlichen Abfluss wiedergibt (Scherrer, 2016). Auf der rechten Achse ist
   das Tagesmittel aufgetragen. (Scherrer, 2016, Anhang 3).
Nachhaltiges Fliessgewässermanagement im Einzugsgebiet der Birs und des Birsigs                       13

Regimes der Birs und des Birsig weisen                                 1.8
ein Maximum zwischen Dezember und                                      1.6
April und ein Minimum zwischen August
                                                                       1.4
und September auf. Solche Typen werden
als «pluvial jurassien» oder eingeschränkt

                                                 Pardé-Koeffizienten
                                                                       1.2
«nivo-pluvial       jurassien»    bezeichnet
                                                                       1.0
(Scherrer, 2016).
                                                                       0.8

  Durch den Klimawandel ist zu erwar-                                  0.6
ten, dass sich für die Region des EZG
                                                                       0.4
Birs und Birsig der Abflussregimetyp von
                                                                       0.2
einem pluvial jurassien und nivo-pluvial
jurassien zu einem pluvial de transition                               0.0
                                                                             J   F   M    A    M    J    J   A   S   O   N   D
verschieben wird. Pluvial de transition ist
                                                                                                    Datum
ein neuer Abflussregimetyp, der heute
in der Schweiz noch nicht vorhanden ist.             Abbildung 9
Dieser Regimetyp hat zwei Maxima im                  Darstellung des neuen Regimetyps pluvial de transition (BAFU, 2012, S. 50).

Dezember und März und ein Minimum im
August (Abbildung 9). Dies wird zur Folge
haben, dass das mittlere Hochwasser im
Winter zunimmt und im Spätsommer we-                             Wasserkraftwerke und Wasserbau
niger Wasser abfliesst.                                                Während die Birsig über keine Was-
                                                     serkraftwerke verfügt, liegen an der Birs
   2.3.5 Einfluss des Menschen                       elf Laufwasser-kraftwerke, acht davon im
  Der Mensch kann den Wasserhaushalt                 Kanton BL (Bundesamt für Energie, 2018).
grundsätzlich auf zwei Arten beeinflussen.           Wasserkraftwerke haben einen direkten
Er kann durch Zuleitung oder Entnahmen               Einfluss auf das Abflussregime. Schwan-
von Wasser den Abfluss direkt verändern.             kungen in der Wasserkraftnutzung führen
Oder aber er verändert den Abfluss indi-             zu Pegelschwankungen, Änderungen der
rekt, in dem er den Gewässerraum um-                 Fliessgeschwindigkeit und der Flussbrei-
gestaltet, z.B. durch Wasserkraftwerke               te. Durch Stauungen ist die Restwasser-
(WKW) und Wasserbau.                                 menge unterhalb des Kraftwerks oft ge-
                                                     ringer (vgl. SWV, 2018).
        Zuleitung und Entnahme
  Abwasserreinigungsanlagen            (ARAs)                          Hochwasserschutz kann durch ver-
lassen kontinuierlich Wasser in die Flüs-            schiedene wasserbauliche Massnahmen
se und vergrössern somit den natürlichen             sichergestellt werden: Kanalisierung, Ein-
Abfluss. Was die Entnahme von Wasser                 dolung, Staudämme, Umleitung, Begradi-
angeht, so wird Trinkwasser in der Region            gung wie auch Verbreiterung. Die Birs (vgl
hauptsächlich durch Grundwasserpum-                  Golder, 2004) wie auch der Birsig (altbasel.
pen entnommen, was zu einem Rückgang                 ch, 2018; Wehrli & Friedl, 2018) wurden in
der Grundwasserspeicher führt.                       verschiedenen Abschnitten kanalisiert.
14                             Falldossier zur Lehrveranstaltung Umweltproblemlösen 2018/2019

     Einerseits können die Sohle herabge-     jährlich 40 Mio. CHF für Revitalisierun-
setzt und die seitlichen Schutzdämme          gen aus, was dem KFVBL zu Gute kommt
erhöht werden. Andererseits kann das          (Fierz et al., 2011). Ausserdem übernimmt
Flussbett verbreitert werden. Dies ge-        das BAFU die Sanierungskosten der WKW
schieht häufig im Rahmen einer Revitali-      der ALPIQ um «ökologische Beeinträchti-
sierung (Wehrli & Friedl, 2018). Die zwei     gungen zu beseitigen» (BAFU, 2018b).
angesprochenen Arten des heute ange-
wendeten     Hochwasserschutzes     haben        Das AUE erteilt Konzessionen für die
unterschiedliche Auswirkungen auf den         Wasserkraftnutzung und beaufsichtigt die
Wasserhaushalt. Bei einer Vertiefung der      Wasserkraftwerke und die wasserentneh-
Sohle und Beibehaltung der seitlichen         menden Unternehmen, wie z.B. die Ricola
Schutzdämme bleibt das Flussbett ve-          AG (BL, 2018). Pro Natura Basel besitzt
rengt. Durch die geringere Fläche kann        das Verbandsbeschwerderecht und kann
weniger Flusswasser ins Grundwasser           damit gegen bestimmte Projekte Einspra-
infiltrieren. Die Renaturierung erhöht die    che erheben. Der KFVBL fordert von der
Infiltration und verkleinert die Fliessge-    ALPIQ, dass die Tätigkeiten ihrer WKW die
schwindigkeit wie auch den Pegelstand.        Fische nicht beeinträchtigen (Nittnaus,
Durch eine höhere Infiltration verkleinert    2014).
sich wiederum der Oberflächenabfluss.
                                                   2.3.7 Kosten und Gewinne
     Falls Verbauung oder Hochwasser-            Nachfolgend werden die wichtigsten
schutzmassnahmen       erfolgen,   müssen     Kosten und Gewinne der relevanten Sta-
diese seit 2011 nach dem neuen GschG          keholder erläutert. Für den Menschen
Art. 37 im Sinne der Revitalisierung durch-   entstehen Kosten vor allem bei extremen
geführt werden. Dies bedeutet, dass der       Abflussmengen, also bei Hoch- und Nied-
Verlauf des Gewässers so weit wie möglich     rigwasser.
nicht verändert wird oder sogar der natür-
liche Zustand wiederhergestellt werden                        Hochwasser
soll. Zusätzlich darf die natürliche Versi-      In dicht besiedelten Gebieten, wie bei-
ckerung des Wassers nicht beeinträchtigt      spielsweise Laufen, führen hauptsäch-
werden.                                       lich Überflutungen zu hohen Kosten. Das
                                              Jahrhunderthochwasser im August 2007
       2.3.6 Stakeholderanalyse               in Laufen verursachte eine Schadensum-
     Die hydrologische Abteilung des BAFU     me von 60 Mio. CHF und zusätzlichen Be-
sorgt mit rund 300 Messstationen in der       hebungskosten von weiteren 57 Mio. CHF.
ganzen Schweiz (an der Birs befinden sich     Die berechneten Gesamtkosten für die da-
deren drei, am Birsig keine) für die hydro-   nach ausgearbeiteten Hochwasserschutz-
logische Datenbeschaffung (BAFU, 2018a).      massnahmen belaufen sich auf 36.9 Mio.
Mittels dieser Datenreihen erarbeitet das     CHF (vgl. Tiefbauamt Basel-Landschaft,
BAFU Richtlinien und Empfehlungen zur         2017).
Bestimmung des Q347. Das BAFU gibt
Nachhaltiges Fliessgewässermanagement im Einzugsgebiet der Birs und des Birsigs          15

                Wasserkraft                       Sommermonaten entgehen Kraftwerken
  An der Birs gibt es acht private Klein-         schweizweit etwa 20–30 Prozent ihres
wasserkraftwerke, welche beim minima-             langjährigen Durchschnittumsatzes (Hei-
len bzw. maximalen Strompreis von 2018            niger, 2016).
einen Gesamtgewinn von mindestens 5.13
Mio. CHF pro Jahr und höchstens 10.26                             Landschaft
Mio. CHF pro Jahr erzielen. Bei Niedrig-             Die landschaftliche Attraktivität des
wasser können sie weniger Elektrizität            Flussraumes wird von den Einwohner/in-
produzieren oder müssen den Betrieb vor-          nen der Gemeinden an der Birs und dem
übergehend ganz einstellen müssen (Kan-           Birsig aktiv genutzt. Der Fluss wertet den
ton Basel-Landschaft, 2012). In trockenen         Wohnraum somit deutlich auf.

  Der Mensch beeinflusst das natürliche           Regenwasser aufzunehmen als das beim         2.4
Abflussregime in vielerlei Weise. Gleich-         EZG des Birsig der Fall ist. Auch wenn
                                                                                               Diskussion
zeitig nutzt er die Birs zur Stromproduk-         die Birs momentan als robust angesehen
tion und ist für die Trinkwasserversorgung        wird, kann davon ausgegangen werden,
auf die Versickerung von Flusswasser an-          dass der Grundwasserkörper des Birstals
gewiesen. Mit dem Klimawandel wird sich           aufgrund der Karst-Grundwasserleiter in
der Regimetyp verändern, der Mensch               Zukunft sehr empfindlich auf Trockenzei-
muss die Nutzung den neuen Gegebenhei-            ten und erhöhte Niederschlagsmengen
ten anpassen.                                     reagieren wird.

           2.4.1 Zusätzlicher                       2.4.3 Klimawandel und Folgen
         anthropogener Abfluss                            für die Wasserkraft
  Die Gemeinden aus dem Birsig-Gebiet                Mit dem Klimawandel wird sich der
im Kanton BL beziehen ihr Trinkwasser             Regimetyp verändern. Im Winter stärker
aus dem EZG der Birs. Das Abwasser wird           auftretende Hochwasserperioden werden
jedoch der Birsig zugeführt. Dieser zu-           entsprechende Hochwasserschutzmass-
sätzliche Abfluss ist vor allem während           nahmen erfordern. Das veränderte Regi-
Trockenperioden wichtig. Im Vergleich zu          me führt dazu, dass die WKW in Zukunft
den Durchschnittswerten des Abflusses             weniger Wasser zur Verfügung haben.
ist der Einfluss aber vernachlässigbar            Wenn der Q347 sinkt, müssten auch die
klein.                                            gesetzlich festgelegten Entnahmemengen
                                                  angepasst werden. Folglich werden einige
          2.4.2 Robustheit des                    WKW daher in sehr trockenen Monaten
         Grundwasserspeichers                     keinen Strom mehr produzieren können
  Die Geologie des EZGs der Birs erlaubt          und dadurch Verluste erleiden.
es dem Grundwasserspeicher schneller
16                              Falldossier zur Lehrveranstaltung Umweltproblemlösen 2018/2019

2.5                     Das Abflussregime betrifft viele rele-       Um künftig ein nachhaltiges Fliessge-

Schlussfolgerung   vante Stakeholder des Fliessgewässer-          wässermanagement zu erhalten, müssen
                   managements. Die Kraftwerke sind bei-          die Bedürfnisse der Wirtschaft, der Natur
                   spielsweise abhängig davon, dass immer         und der Anwohner/innen in Einklang ge-
                   ausreichend Wasser vorhanden ist, um           bracht werden. Die Revitalisierung bietet
                   einen möglichst grossen Gewinn zu ge-          hier eine sehr umfassende Art dies anzu-
                   nerieren. Im Kontext der Energiestrategie      gehen. Denn sie verbindet Hochwasser-
                   2050 wird die Wasserkraft in Zukunft einen     schutz und die Förderung der Biodiversi-
                   grossen Teil der Stromnachfrage in der         tät.
                   Schweiz abdecken müssen. Für die Lebe-
                   wesen des Fliessgewässers muss genü-              Aufgrund der sich zukünftig ändernden
                   gend Wasser sowie ein funktionierender         Abflussmengen und des neuen Abflussre-
                   Geschiebetransport vorhanden sein. Für         gimetyps werden auch gesetzliche Anpas-
                   die Anwohner/innen ist es in erster Linie      sungen von Nöten sein. Ein nachhaltiges
                   wichtig vor den Naturgefahren geschützt        Fliessgewässermanagement braucht ein
                   zu sein. Es muss darum vermehrt in den         funktionierendes legales System von Kon-
                   Hochwasserschutz investiert werden, um         zessionen und Gesetzen, um die mensch-
                   die anfallenden Schäden gering zu halten.      lichen Eingriffe zu regeln.
Nachhaltiges Fliessgewässermanagement im Einzugsgebiet der Birs und des Birsigs            17

3 Wasserver- und -entsorgung

  Für ein nachhaltiges Fliessgewässerm-           kommen auf die Wasserver- und -entsor-        3.1
anagement sind die Wasserver- und -ent-           gung grosse Herausforderungen zu. Diese
                                                                                                Einleitung
sorgung zentrale Bestandteile. Nur mit            Teilanalyse konzentriert sich besonders
einer effizienten und gut vernetzten Was-         auf die Organisationsstruktur und die
serversorgung ist es möglich, ausreichend         Vor- und Nachteile des Systems, die ent-
Trinkwasser auch in trockenen Zeiten der          stehenden Kosten und Gewinne sowie die
Bevölkerung zur Verfügung zu stellen und          Auswirkungen des Klimawandels auf die
die Grundwasservorkommen langfristig              Wasserver- und -entsorgung.
zu schonen. Da das Grundwasser und das
Fliessgewässer miteinander in Austausch              In diesem Kapitel leiten folgende Fra-
stehen, hat die Qualität der Grundwasser-         gen:
vorkommen einen unmittelbaren Einfluss            • Wie ist die Wasserver- und -entsorgung
auf das Fliessgewässer. Weiter hat auch              an der Birs und am Birsig organisiert?
die Wasserentsorgung grosse Auswirkun-            • Was sind die Vor- und Nachtei-
gen auf das Fliessgewässer, da nur eine              le des heutigen Systems?
funktionierende Wasserentsorgung mit              • Welches sind die Auswirkungen auf
ausreichend Kapazitäten verhindern kann,             den natürlichen Wasserhaushalt
dass Verunreinigungen aus urbanen Ge-                und wie wird sich die Situation mit
bieten in die Flüsse gelangen.                       dem Klimawandel verändern?
                                                  • Welche Stakeholder beeinflussen
  Durch zukünftige Veränderungen wie                 die Wasserver- und -entsorgung?
dem Klimawandel und einer stärkeren               • Wo entstehen Kosten und Gewinne und
Belastung durch Mikroverunreinigungen                wie hoch sind die (inkl. Gebühren)?

  Um in die Fallthematik einzusteigen,            holder gefunden wurde, da das Fallthema       3.2
wurde eine Stakeholderanalyse durchge-            sehr spezifisch und lokal ist. Als Ergän-
                                                                                                Vorgehensweise
führt. Aus dieser gingen die wichtigsten          zung zu der Internetrecherche wurden
Stakeholder, ihr Interesse an der Thematik        zum Teil Experten/innen-Interviews mit
und die Art und Möglichkeit der gegensei-         den Direktbetroffenen durchgeführt. Bei
tigen Beeinflussung hervor. Die Stakehol-         Informationen, welche direkt von den Sta-
deranalyse sowie die Beantwortung der             keholdern kommen, ist die Objektivität und
Fragestellung basierten auf Recherchear-          Wissenschaftlichkeit jedoch nicht immer
beiten. Für diese wurden wissenschaftli-          zwingend gegeben, weshalb die Herkunft
che Suchportale wie Google Scholar oder           der Aussage mit der Position oder dem
die ETH Bibliothek verwendet,wobei je-            Beruf des Stakeholders klar angegeben
doch der grösste Teil der Informationen           wird.
auf den Webseiten der involvierten Stake-
18                              Falldossier zur Lehrveranstaltung Umweltproblemlösen 2018/2019

3.3              3.3.1 Wasserver- und
Resultate   -entsorgung im Wasserkreislauf                 Haushalt gelangt das Wasser über das
                 Die Wasserver- und -entsorgung basie-     Mischwasserbecken in die Abwasserreini-
            ren auf dem natürlichen Wasserkreislauf        gungsanlage (ARA), in welcher das Wasser
            (Abbildung. 10). Niederschlag fällt auf Ge-    aufbereitet und dann in das Gewässer ein-
            wässer oder Boden und infiltriert von dort     geleitet wird. Aus dem Gewässer verduns-
            ins Grundwasser. Aus dem Grundwasser           tet das Wasser, kondensiert in der Atmo-
            wird Wasser gewonnen und in die Siedlung       sphäre und wird zu Niederschlag. Dadurch
            verteilt. Jeder Haushalt benötigt im Schnitt   ist der Kreislauf wieder geschlossen (vgl.
            in der Schweiz 162 Liter täglich. Aus dem      Maurer, 2012).

            Abbildung 10
            Der Wasserkreislauf (Auckenthaler, 2018).

             3.3.2 Wasserversorgung an der                 wird in ein höher gelegenes Reservoir ge-
                    Birs inkl. Birsig                      pumpt, wodurch der nötige Druck in den
                 Das Trinkwasser im untersuchten Ge-       Wasserleitungen zustande kommt. Au-
            biet wird aus dem Grundwasser gewonnen.        sserdem werden dadurch die Pumpwerke
            Dabei gibt es zwei verschiedene Gewin-         von den täglichen Bedarfsschwankungen
            nungsmöglichkeiten. Bei der Grundwas-          entkoppelt (Haag & Pfändler, 2013; SVGW,
            sergewinnung wird mit einem Grundwas-          2015a). Im Gegensatz dazu benötigen die
            serpumpwerk das Grundwasser aus der            Quellfassungen keine Energie für das
            Tiefe hochgepumpt (siehe Abbildung 11).        Hochpumpen, weil Quellwasser, das auf
            Dies erfordert durch das Hochpumpen des        natürliche Weise aus dem Boden austritt,
            Grundwassers Energie und führt, zumin-         gesammelt wird (siehe Abbildung 12). Die
            dest lokal, zu einer Absenkung des Grund-      Fassung erfolgt durch eine Sickerröhre,
            wasserspiegels. Das gewonnene Wasser           anschliessend müssen die noch im Grund-
Nachhaltiges Fliessgewässermanagement im Einzugsgebiet der Birs und des Birsigs   19

Abbildung 11
Grundwasserfassung (SVGW, 2015a).

Abbildung 12
Quellfassung (SVGW, 2015b).
20                             Falldossier zur Lehrveranstaltung Umweltproblemlösen 2018/2019

wasser mitgeführten Sandpartikel und          der Birs, ist diese Vernetzung nicht ausrei-
andere Feinstoffe herausgesiebt werden.       chend und müsste durch den Bau mehre-
Schlussendlich gelangt das Wasser auch        rer neuer Versorgungsleitungen zwischen
hier in ein Reservoir (SVGW, 2015b).          den Gemeinden verbessert werden (Sutter
                                              Ingenieur- und Planungsbüro, 2011).
     Im unteren Flussverlauf der Birs und
des Birsigs sind fast ausschliesslich            Neben der Quantität des Grundwas-
Grundwasserpumpwerke installiert, am          sers ist auch die Qualität des Grund-
oberen Flussverlauf der Birs machen           wassers für die Trinkwasserversorgung
Quellfassungen doch ein Drittel der ge-       wichtig. Um eine möglichst gute Qualität
samten Wassergewinnung aus (Statisti-         des Grundwassers zu haben, scheidet der
sches Amt Basel-Landschaft, 2018a; Sta-       Kanton verschiedene Schutzzonen um die
tistisches Amt Basel-Landschaft, 2018b).      Grundwasser- und Quellfassungen aus,
                                              in welchen grundwassergefährdende Ak-
     Damit das Grundwasser immer in aus-      tivitäten, wie beispielsweise das Ausbrin-
reichender Menge vorhanden ist, werden        gen von Pestiziden, verboten oder stark
im Einzugsgebiet der Birs und des Birsigs     eingeschränkt sind (BUWAL, 2004). Die
verschiedene Massnahmen umgesetzt.            Qualität des gewonnenen Grundwassers
Eine Massnahme ist die Revitalisierung        ist trotz dieser Schutzzonen örtlich und
des Flussbetts. Dadurch kann das Fluss-       zeitlich variierend, da sie von verschiede-
wasser durch die nun wieder naturnahen        nen Faktoren wie z.B. der Flussinfiltration,
Gewässersohlen und Ufer schneller in das      der Geologie und der Niederschlagsmen-
Grundwasser infiltrieren und somit bildet     ge beeinflusst wird. Beispielsweise kann
sich mehr Grundwasser aus dem Fluss-          durch die Revitalisierung von Flüssen und
wasser (Auckenthaler & von Gunten, 2016;      der folglich schnelleren Infiltration ins
Holinger AG, 2013). Eine weitere Möglich-     Grundwasser, besonders bei Hochwas-
keit ist die künstliche Grundwasseran-        ser, noch verschmutztes Grundwasser
reicherung. Bei dieser wird aufbereite-       zur Gewinnungsstation gelangen (Au-
tes Flusswasser über Sickergräben oder        ckenthaler & von Gunten, 2016; Holinger
-brunnen in den Boden gespeist und er-        AG, 2013). Aus diesem Grund haben die
höht dort die Menge an Grundwasser (Au-       Anlagen unterschiedliche Ausstattungen:
ckenthaler & von Gunten, 2016). Zusätz-       ohne Aufbereitung, einfache Aufberei-
lich vergibt der Kanton Konzessionen, in      tung (UV-Strahlung, Chlor oder Ozon) oder
welchen die Menge des Grundwassers zur        mehrstufige Aufbereitung (mehrstufige
Entnahme festgelegt ist, um die Grund-        Filtration, biologische Aktivkohlefilter und
wasservorkommen langfristig zu sichern        UV-Desinfektion) (Hammes, 2016).
(AUE, 2018). Falls mit diesen Massnah-
men dennoch lokal nicht genügend Grund-        3.3.3 Wasserentsorgung an der
wasser für die Deckung des Wasserver-                 Birs inkl. Birsig
brauchs vorhanden sein sollte, kann dies         Bei der Wasserentsorgung, auch Sied-
theoretisch durch eine gute Vernetzung        lungsentwässerung        genannt,     werden
zwischen den einzelnen Gemeinden aus-         drei Arten von Abwasser unterschie-
geglichen werden. Im untersuchten Ge-         den: Schmutzwasser, Regenwasser und
biet, besonders im oberen Flussabschnitt      Fremdwasser.       Unter     Schmutzwasser
Nachhaltiges Fliessgewässermanagement im Einzugsgebiet der Birs und des Birsigs                                                                21

versteht man Abwasser, das stark ver-                                    le Regenwasser die Mischwasserbecken
schmutzt ist und nicht ohne Behandlung                                   nicht alles Wasser zurückhalten können,
sicher in Oberflächengewässer geleitet                                   dann wird das Mischwasser ungereinigt
werden kann. Regenwasser ist Nieder-                                     in ein Oberflächengewässer gelassen.
schlagswasser, das in der Kanalisation                                   Andererseits existiert das Trennsystem,
abfliesst. Es kann verschmutz sein, wenn                                 bei welchem das Fremd- und das Regen-
es beispielsweise von einer Strasse in die                               wasser vom Schmutzwasser getrennt ge-
Kanalisation gelangt ist. Unter Fremdwas-                                sammelt und ohne Reinigung in Gewässer
ser versteht man Wasser, das ungewollt                                   eingeleitet wird. Da in der ARA nur das
in das Entwässerungssystem gelangt und                                   unverdünnte            Schmutzwasser                    gereinigt
deshalb nicht bis kaum verschmutz ist.                                   werden muss, ist die Reinigungsleistung
Fremdwasser kann beispielsweise Kühl-                                    nicht durch Niederschläge beeinträch-
wasser oder Brunnenwasser sein (vgl.                                     tigt. Jedoch kann es sein, dass bei diesem
Benthaus, 2018).                                                         Trennsystem verschmutztes Regenwasser
                                                                         unbehandelt in ein Gewässer gelangt (vgl.
    Aufgrund dieser verschiedenen Abwas-                                 Benthaus, 2018; Maurer, 2012). Im Ge-
serarten entwickelten sich zwei verschie-                                biet der Fallstudie ist, gemäss Benthaus
dene Entwässerungssysteme. Einerseits                                    (2018), das Mischsystem das gebräuchli-
gibt es das Mischsystem, bei welchem                                     chere Entwässerungssystem.
Schmutz- und Regenwasser gemeinsam
abgeführt, in den Mischwasserbecken ge-                                    Je         nach          Abwassersystem                           wird
sammelt und dann in der ARA gereinigt                                    Schmutz- und Regenwasser oder nur das
werden. Das Fremdwasser wird nicht in                                    Schmutzwasser in der ARA gereinigt. Die
die Mischwasserbecken geführt, sondern                                   Reinigung geschieht in drei verschiedenen
direkt in die Gewässer. Bei Starknieder-                                 Stufen (siehe Abbildung 13). In der ersten,
schlägen kann es sein, dass durch das vie-                               der physischen Stufe, werden Grobstoffe,

     Abwasserreinigungsverfahren
     ARA Birsig, Therwil

                 Mechanische Stufe                                            Biologische und chemische Stufe           Filtration
                      Pumpwerk            Rechen            Sandfang              Belebungsbecken      Nachklärbecken        Filter

Kanalisation   Abwasser                                                                                                                                                    gereinigtes       Marchbach
                                                                                                                                                                            Abwasser

                                                             Rechengut              Sand                                       Klärschlamm                             Wärme
                                                                                                                                                             Wärmepumpe

                                 Mischwasserbecken                   Kehrrichtverbrennung   Deponieanlage                                    Klärschlammentwässerung      Klärschlammverbrennung

                                     Mischwasserbehandlung
                                                         ) (bei Regen                                                                          Schlammbehandlung

Abbildung 13
Aufbau einer ARA (AIB, 2018, S. 3).
22                              Falldossier zur Lehrveranstaltung Umweltproblemlösen 2018/2019

Öl, Sand, Schlamm und andere Feststoffe           3.3.4 Organisationsform der
rausgefiltert. Die Filterung geschieht ent-       Wasserver- und -entsorgung
weder durch einen Rechen oder durch die           Bei der Wasserversorgung sind die
Sedimentation der Feststoffe. Die zweite,      Kompetenzen wie folgt geregelt: Der Kan-
biologische Stufe baut weitere, verunreini-    ton ist für die langfristige Sicherung der
gende Stoffe wie Stickstoff ab, indem für      Grundwasserreserven und für die Bereit-
diese Prozesse erforderliche Mikroorga-        stellung von genügend sauberem Trink-
nismen durch gezielte Bedingungen wie          wasser im Rahmen der technischen und
zum Beispiel das Belüften der Becken ge-       wirtschaftlichen Möglichkeiten zuständig.
fördert werden, wodurch der sogenannte         Er kann die Aufgabe der Wasserversor-
Belebtschlamm entsteht. Gleichzeitig mit       gung an die Gemeinden, Zweckverbände,
der biologischen Stufe erfolgt die chemi-      öffentlich-rechtliche     Genossenschaften
sche Stufe, bei der Eisen- oder Alumini-       oder    Aktiengesellschaften      delegieren.
umsalze dem Abwasser beigefügt werden,         Im Einzugsgebiet der Birs inklusiv Birsig
was zur Phosphatfällung führt. Die ge-         kommen alle vier Organisationsformen
formten Metall-Phosphat-Flocken werden         vor. Die grösste Akzeptanz von allen in-
gemeinsam mit dem Belebtschlamm im             volvierten Stakeholdern hat der Zweck-
Nachklärbecken durch Sedimentation aus         verband, jedoch ist die häufigste Form im
dem Abwasser entfernt (vgl. AWEL, 2004).       zu untersuchenden Gebiet der sogenannte
                                               Regiebetrieb, bei der jede einzelne Ge-
     In Planung steht noch eine vierte Rei-    meinde die Wasserversorgung selbständig
nigungsstufe, bei welcher Mikroverun-          sicherstellt (Auckenthaler & von Gunten,
reinigungen aus dem Wasser entfernt            2016). Nach Auckenthaler und von Gunten
werden. Möglich ist das einerseits durch       (2016) bringt der Regiebetrieb als heutige
Ozonierung, wobei Ozon diese Schadstoffe       Organisationsform die Nachteile mit sich,
oxidiert und sie dadurch zu sogenannten        dass die Gemeinden aufgrund fehlender
Metaboliten verändert. Die Auswirkungen        Vernetzung kaum voneinander profitie-
auf die Umwelt durch Metaboliten sind je-      ren können und dass durch das grosse
doch noch weitgehend unbekannt (AWEL,          Mitspracherecht der Stimmberechtigten
2014). Andererseits können mit Aktivkohle      besonders beim Wasserpreis die Professi-
die Schadstoffe absorbiert werden, wo-         onalität fehlt.
bei die Aktivkohle dann noch zusätzlich           Bei der Siedlungsentwässerung sind
herausgefiltert werden muss und, wegen         die Gemeinden für die Kanalisation in ih-
der     Schadstoffkontamination,   speziell    rem Gebiet zuständig und müssen das
entsorgt werden muss. Beim Einsatz der         verschmutze Wasser bis zur ARA trans-
Aktivkohle ist eine gute Absorption von        portieren. Zudem müssen sie dafür sor-
Mikroplastik zu erwarten (Bertling, 2018;      gen, dass unverschmutztes Wasser ver-
Kappeler et al., 2014). Die Bau- und Um-       sickern oder speziell abgeleitet werden
weltschutzdirektion des Kantons Basel-         kann. Betrieben werden die ARAs in un-
land (2018) sagt, dass bis im Jahr 2035        serem Fallgebiet entweder von einem aus
zwei der drei ARAs im untersuchten Gebiet      verschiedenen Gemeinden bestehenden
mit dieser vierten Reinigungsstufe ausge-      Zweckverband oder, was am häufigsten
rüstet sein sollen.                            ist, vom Amt für Industrielle Betriebe des
Nachhaltiges Fliessgewässermanagement im Einzugsgebiet der Birs und des Birsigs           23

Kantons. Vorteil dieser Betriebsform ist,         (IWB, 2018). Jedoch ist der Wasserpreis
dass der Kanton als Betreiber mit den             kommunal geregelt und deshalb von Ge-
Gemeinden zusammenarbeitet und sich               meinde zu Gemeinde sehr verschieden
so alle Beteiligten gut einbringen können.        (Kanton Basel-Landschaft, 2018).
Ausserdem können Synergien gut genutzt
und dadurch Kosten tief gehalten werden              Die Gebühren für die Wasserentsorgung
(vgl. kGSchG; Maurer, 2012).                      setzen sich aus einer jährlichen Grundge-
                                                  bühr, der mengenabhängigen Schmutz-
  3.3.5 Ökonomische Aspekte                       wassergebühr und der mengenabhängi-
  Wasserver- und -entsorgung                      gen Regenwassergebühr zusammen. Die
  Für das Verständnis des ökonomischen            Schmutzwassergebühr macht dabei etwa
Aspekts der Wasserver- und -entsorgung            60 % bis 80 % und die Regenwassergebühr
sind einige Grundsätze zu verstehen. Ge-          10 % bis 30 % der gesamten Gebühr aus.
nerell ist diese nicht gewinnorientiert zu        Die Schmutzwassergebühr berechnet sich
betreiben, die Einnahmen sollen also nur          aus der bezogenen Menge an Frischwas-
die Ausgaben decken. Zusätzlich ist im            ser und ist etwa 2.15 CHF pro m3 (FKD,
kantonalen Gewässerschutzgesetz (kG-              2018). Die Regenwassergebühr wird aus
SchG) vorgeschrieben, dass die Kosten             der Grösse der versiegelten Fläche ermit-
nach dem Verursacherprinzip verrechnet            telt. Einige Gemeinden verzichten auch
werden sollen, also wer mehr Wasser be-           auf die Grund- oder die Regenwasserge-
zieht oder verschmutzt, muss mehr zah-            bühr (vgl. kGSchG). Gemäss Auckenthaler
len. Gleichzeitig gilt auch das Solidaritäts-     (2018) könnte dieser Preis in den nächsten
prinzip, durch welches jede/r Einwohner/          Jahren auf bis zu CHF 8.— ansteigen, weil
in die gleiche Grundgebühr zahlen muss,           die Kanalisation im Fallgebiet sanierungs-
unabhängig davon, wie weit die Kanalisa-          bedürftig ist, was grosse Investitionen er-
tion von ihrem/seinem Haushalt bis in die         fordert.
ARA geht. Charakteristisch für die Was-
server- und -entsorgung ist auch, dass               Zusätzlich zur Kanalisationssanierung
etwa 70 bis 80 % der Kosten für den Wer-          fällt in den nächsten Jahren die Aufrüs-
terhalt der Infrastruktur anfallen (Ben-          tung der ARAs mit einer vierten Reini-
thaus, 2018).                                     gungsstufe an. Die Kosten dafür werden
                                                  mit Gebühren separat finanziert. Die
  Der Preis für die Wasserversorgung              ARAs müssen jedes Jahr eine Abgabe von
setzt sich aus einer jährlichen Grundge-          CHF 9.— pro angeschlossenem/r Anwoh-
bühr und dem Wasserzins pro bezogenem             ner/in an den Bund in einen Fond zahlen,
m3 Wasser zusammen. Die Grundgebühr               welcher die Kosten der Sanierung zu 75 %
wiederum ist unterteilt in die Gebäude-           übernimmt. Eine ARA bekommt das Geld
gebühr, welche 0.15 % der Gebäudever-             aus dem Fond nur, wenn sie bis spätestens
sicherungssumme entspricht, und der               2035 mit der Sanierung beginnt. Hat eine
Leistungsgebühr, welche von der Durch-            ARA eine vierte Stufe fertig eingebaut,
flussrate abhängt (FKD, 2018). Im Mittel          muss sie die jährliche Abgabe nicht mehr
kostet ein m Wasser so etwa fünf Rappen
             3
                                                  bezahlen (vgl. kGSchG).
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