Naturhybriden am Hurricane Creek im Norden Georgias (USA)

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Naturhybriden am Hurricane Creek im Norden Georgias (USA)
Vorwort      Naturhybriden am Hurricane Creek
                                                                                     Vorwort
                                                                                       im Norden Georgias (USA)

                                                   Ralf Bauer, Offenburg

                                                   Etwa 80 km nördlich von Georgias Metropole     Jahrelang rackerten sie sich, unerfahren wie
                                                   Atlanta, im Lumpkin County direkt am Fuße      sie waren, mit den Tannen ab und die Kinder
                                                   der Blue Ridge Mountains und nur 12 km         waren schon längst aus der Schule, bevor
                                                   Luftlinie vom Startpunkt des berühmten         das Geschäft überhaupt Gewinn abwerfen
                                                   Appalachian Trail auf dem Springer Moun-       konnte. Man könnte glauben, dass man
                                                   tain entfernt, fließt ein unscheinbarer Bach   den Bäumen nur beim Wachsen zuschauen
                                                   durch die sehr hügelige und dicht mit Laub-    müsse, doch keiner der Akteure war sich
                                                   und Mischwäldern bestandene Vorgebirgs-        zunächst bewusst, wie viel Zeit das Pflanzen,
                                                   landschaft, der Hurricane Creek. Das klare,    Düngen, Pflegen, Schlagen und Verkaufen in
                                                   lebhaft vor sich hin plätschernde Gewässer     Anspruch nehmen würde, von der damit ver-
                                                   wird von zahlreichen Quellen gespeist, die     bundenen Buchführung ganz zu schweigen.
                                                   überall in kleinen Seitentälern entspringen.   So wurde das Geschäft nach 20 Jahren auf-
                                                   Das zwischen 450 und 550 m Höhe liegende       gegeben und der Hurricane Creek nur noch
                                                   Gelände ist recht unerschlossen. Straßen       für die Jagd genutzt (Andrews pers. Mitt.).
                                                   führen gar keine hindurch, lediglich auf ein
                                                   paar unbefestigten Waldwegen, die zum Teil     Dass das Gelände so voller Azaleen sein
                                                   sehr stark von Erosion geschädigt sind oder    würde, war Charlie beim Kauf nicht klar
                                                   an kleinen Furten im Schlamm versinken         gewesen. Die angenehme Überraschung
                                                   und ein Weiterfahren unmöglich machen,         zeigte sich im ersten Frühjahr, als Ende
                                                   kommt man ein Stück weit hinein. Erkunden      April Rh. canescens vielerorts seine weißen
                                                   kann man die wilde Gegend dann nur zu Fuß,     bis rosa Blüten öffnete und Rh. calendula-
                                                   zum Teil auf schlechten Wegen oder einfach     ceum mit nur etwa ein bis zwei Wochen Ab-
                                                   querfeldein. Zu Hause sind hier Weißwe-        stand in verschiedenen Gelb-, Orange- und
                                                   del-Hirsche, Schwarzbären, Füchse, Truthäh-    Rottönen nachzog (Abb. 41, 42), wobei sich
                                                   ne, viele andere Vögel und in den Bächen       die Blütezeiten beider Arten deutlich über-
                                                   tummeln sich die Forellen. Neben zahllosen     lappten. Die absolute Sensation war aber,
                                                   blühenden Kleinoden des Waldes sind das        dass es offensichtlich zahllose Naturhy-
                                                   wirklich Besondere aber Tausende von ein-      briden gab, deren geringerer Teil eher dem
                                                   heimischen Azaleen, die hier gedeihen.         Rh. canescens mit seinen relativ kleinen,
                                                                                                  mehr oder weniger weiß bis rosa Blüten
                                                   Einer meiner amerikanischen Aza-               ähnelte, deren weitaus größerer Teil aber
                                                   leen-Freunde, Charlie Andrews, der in ei-      Blüten in den Dimensionen von Rh. calen-
                                                   ner Vorstadt im Norden von Atlanta lebt,       dulaceum aufwies, nur dass diese zusätz-
                                                   hatte 1982 gemeinsam mit seiner Schwes-        lich zu den gewohnten Farbschattierungen
                                                   ter und seinem Schwager fast 300 ha die-       noch weiße, hell- oder dunkelrosa Nuan-
 Abb. 41: Schwalbenschwanz (Papilio glaucus)       ses Paradieses in erster Linie zum Jagen       cen aufwiesen. Manche Farbkompositionen
 bestäubt Rh. calendulaceum am Hurricane           und Fischen erworben. Außerdem wollten         konnten nur als bunt und ungewöhnlich
 Creek. 					                                      sie Weihnachtsbäume züchten, um die Col-       bezeichnet werden (Abb. 43). Angesichts
 			                             © Ralf Bauer      lege-Besuche ihrer Kinder zu finanzieren.      dieser Farb- und Formenvielfalt auf dem

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Naturhybriden am Hurricane Creek im Norden Georgias (USA)
Naturhybriden am Hurricane Creek im Norden Georgias

                                                      Vorwort
                                                          gesamten Gelände bemerkte Charlie einen           Anzahl der Chromosomensätze im Zellkern)       Vorwort
                                                            Monat später kaum noch, dass direkt entlang     gelistet.
                                                            seines Baches, und nur dort, zahlreiche süß
                                                            duftende Rh. arborescens mit ihren weißen       Ich freute mich natürlich sehr, als Char-
                                                            Blüten und rot kontrastierenden Staubfäden      lie mich einlud, Ende April 2018 seinen
                                                            erblüht waren (Andrews 2014). Die wunder-       Hurricane Creek zu besuchen. Da ich zu
                                                            baren Azaleen wurden von vielen anderen         dieser Zeit ohnehin mit ihm, Ron Miller
                                                            schönen, ebenso gartenwürdigen Gehölzen         und John Perkins in Alabama und Georgia
                                                            begleitet. So gab es hier natürlich die fast    unterwegs war, bot es sich an, das kleine
                                                            ubiquitäre Kalmia latifolia (Kalmie) genauso    Paradies im Wochenabstand gleich zwei-
                                                            wie Chionanthus virginicus (Schneeflocken-      mal aufzusuchen, um sowohl früher als
                                                            strauch) und Calycanthus florida (Gewürz-       auch später blühende Pflanzen auf ihrem
                                                            strauch), Itea virginica (Rosmarinweide),       Höhepunkt zu erleben. Das Wetter war mit
                                                            Ilex verticillata und opaca (eine laubwer-      blauem Himmel und strahlendem Sonnen-
                                                            fende und eine immergrüne Stechpalme),          schein perfekt. Wir hatten die Zeit gut ge-
                                                            Halesia tetraptera (Schneeglöckchenbaum),       troffen, blühten doch beim ersten Besuch
Abb. 42: Charlie Andrews mit Rh. calendulaceum              Cornus florida (Blumenhartriegel), Diospy-      neben zahllosen frühen Hybriden bereits
(HC 163). 					                                             ros virginiana (Amerikanische Kaki) sowie       viele Rh. canescens (Abb. 45a, b). Bei der
			                                © Ralf Bauer
                                                            Decumaria barbara (Kletterhortensie) und        zweiten Tour ließen sich zudem neben den
                                                                                                                                                          Abb. 44: Cypripedium acaule, eine Frauen-
                                                            Hydrangea arborescens (die Wildform der         etwas späteren Hybriden auch schon viele
                                                                                                                                                          schuh-Orchidee am Hurricane Creek.
                                                            Schneeball-Hortensien). Unter den Bäumen        typische Rh. calendulaceum bewundern, von
                                                                                                                                                          			                                  © Ralf Bauer
                                                            und Sträuchern fanden sich weitere wah-
                                                            re botanische Edelsteine wie Cypripedium
                                                            acaule (Abb. 44) oder Trillium catesbaei,
                                                            Iris verna (eine zauberhafte nur 10–15 cm
                                                            hohe Iris mit schönen violettblauen Blüten),
                                                            Tiarella cordifolia (Schaumblüte) sowie die
                                                            Farne Osmunda cinnamomea (Zimtfarn), O.
                                                            regalis (Königsfarn) und Lygodium palmatum
                                                            (Kletterfarn).

                                                            Um einen besseren Überblick über seine
                                                            Schätze zu bekommen, hat Charlie bislang
                                                            etwas mehr als 250 besonders interessante
                                                            oder schöne Azaleen mit nummerierten Alu-
                                                            etiketten versehen. Ja, das gibt es tatsäch-
                                                            lich! Endlich haben Wildpflanzen am Stand-
                                                            ort mal Etiketten! Darauf ist jeweils nur die
                                                            sogenannte 'HC'-Nummer vermerkt. In einem
                                                            Ordner, den er stets bei sich trägt, wenn er
                                                            am Hurricane Creek unterwegs ist, sind zu je-
Abb. 43: Eine der schönsten Hybriden am Hurri-              der Nummer die geografischen Koordinaten,       Abb. 45 a, b: Rh. canescens in zwei Farbvarianten am Hurricane Creek.
cane Creek: HC 55 TRIP. 			                                 Bemerkungen zum Aussehen der Blüte und,         									                                                                          ©   Ralf Bauer
		                                 © Ralf Bauer
                                                            sofern untersucht, der Ploidiegrad (d. h. die

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Naturhybriden am Hurricane Creek im Norden Georgias (USA)
Naturhybriden am Hurricane Creek im Norden Georgias (USA)

                                                     Vorwort                                                                           Vorwort

HC 216                                     HC 252 TET          HC 163 TET               HC 159 TRIP                    HC 194 TRIP                   HC 251 TRIP

Abb. 46–48: Rh. calendulaceum am Hurricane Creek.				                 		              Abb. 50–52: Hybriden am Hurricane Creek, die eher Rh. canescens nahestehen.
									                                                              © Ralf Bauer   									                                                                    © Ralf Bauer

                                                                                      denen viele Blüten von über 6 cm im Durch-     Rh. calendulaceum, an Farbkombinationen
                                                                                      messer hatten, was für die Art schon recht     war hier jedoch alles aus dem rosa, gelben,
                                                                                      groß ist (Abb. 46–48). So marschierten wir     orangen und roten Bereich denkbar. Der
                                                                                      auf und ab durch die Hügel, mal auf aus-       gelbe Fleck dieser Blüten nahm oft das
                                                                                      gewaschenen, erodierten Pisten aus rotem       ganze obere Blütenblatt ein, sehr häufig
                                                                                      Ton, dann wieder mitten durch sumpfiges        waren frisch aufgeblühte Blüten blasser
                                                                                      Gelände und natürlich auch am Bach ent-        und gelber, um dann nach ein paar Ta-
                                                                                      lang (Abb. 49). Neben zahlreichen jüngeren     gen dunkler rosa oder dunkler orange zu
                                                                                      Pflanzen sahen wir auch einige besonders       werden (Abb. 53–58). Diese Farbspiele
                                                                                      alte Exemplare. So gab es ein Rh. arbores-     ergaben tolle Effekte und wir kamen aus
                                                                                      cens mit 15 cm Stammdurchmesser, und bei       dem Staunen und Fotografieren nicht mehr
                                                                                      einem gut 5 oder 6 m hohen Rh. calendula-      hinaus. Manche Blüten hatten zusätzlich
                                                                                      ceum betrug dieser immerhin gut 10 cm.         zu ihren Farben auch noch hübsch ge-
                                                                                                                                     kräuselte Petalenränder, was eine beson-
                                                                                      Ob der abwechslungsreichen Blütenfülle         dere Zierde war (Abb. 59) und auch bei
                                                                                      wollten die Ahs und Ohs nicht abreißen.        reinen Rh. calendulaceum selbst immer
                                                                                      Manche der oft mehrere Meter hoch wer-         wieder vorkommt.
                                                                                      denden Sträucher hatten eher kleinere
                                                                                      Blüten als die meisten Hybriden und erin-      Schnell wurde trotz meiner mehr als einge-
                                                                                      nerten uns mehr an Rh. canescens, sie wa-      schränkten Platzverhältnisse zu Hause der
                                                                                      ren aber leicht durch die Breite der Petalen   Wunsch in mir wach, doch die eine oder an-
                                                                                      oder ihren großen, kräftig gelben Fleck        dere Pflanze zu besitzen. Charlie versicherte
                                                                                      oder ungewöhnliche Farbverläufe klar als       uns, dass er zusammen mit Baumschulen
Abb. 49: Rh. calendulaceum HC 205 am Hurricane Creek.							                          Hybriden zu identifizieren (Abb. 50–52).       daran arbeite, die schönsten Klone zu ver-
								                                                 © Ralf Bauer                 Der weitaus größere Teil der Hybriden glich    mehren. Es dauere aber noch ein wenig, da
                                                                                      in seiner Blütengröße und -form eher dem       es Probleme mit der Gewebekultur gebe.

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Naturhybriden am Hurricane Creek im Norden Georgias (USA)
Naturhybriden am Hurricane Creek im Norden Georgias (USA)

                                                     Vorwort                                             Es handelte sich da-                                  Vorwort
                                                                                                         bei um Papilio glau-
                                                                                                         cus, eine amerika-
                                                                                                         nische Schwalben-
                                                                                                         schwanzart, die mir
                                                                                                         schon an vielen Stand-
                                                                                                         orten von Azaleen
                                                                                                         begegnet ist (Bauer
                                                                                                         2018a und b). Sogar
                                                                                                         an Rh. catawbiense
                                                                                                         habe ich sie schon
                                                                                                         beobachtet. Die Tiere
   HC 176 TRIP                               HC 187 TRIP                        HC 59 TRIP               flattern immer wieder
                                                                                                         heftig mit ihren Flü-
                                                                                                         geln, während sie auf
                                                                                                         einer Blüte sitzen und
                                                                                                         vom Nektar naschen.
                                                                                                         Dabei berühren sie die
                                                                                                         weit aus der Blüte he-
                                                                                                         rausragenden Staub-
                                                                                                         fäden, deren Pollen an
                                                                                                         den Flügelunterseiten       Abb. 59: Rh.-calendulaceum-Hybride am Hurricane Creek mit gekräuseltem
                                                                                                                                     Rand, HC 255.
                                                                                                         kleben bleiben. Beim
                                                                                                                                     						                                                       © Ralf Bauer
                                                                                                         Besuch einer anderen
                                                                                                         Blüte werden dann ei-
                                                                                                         nige Pollen beim Flattern zufällig an der kleb- Rh. canescens fand in der Züchtung der Kul-
   HC 122 TRIP                               HC 223 TRIP                        HC 155                   rigen Narbe abgestreift. Hier am Hurricane tursorten nie Verwendung, während stattdes-
                                                                                                         Creek ist es mir glücklicherweise zum er- sen Rh. occidentale, molle und auch luteum
Abb. 53–58: Hybriden am Hurricane Creek, die eher Rh. calendulaceum nahe stehen.			                      sten Mal überhaupt gelungen, einen solchen benutzt wurden. Vor allem die moderneren
         								                                                                 © Ralf Bauer           Schwalbenschwanz in Aktion mit stark von Kultursorten sind nach meinen Beobach-
                                                                                                         Pollen eingepuderten Flügelunterseiten zu tungen im Pflanzenaufbau und der sich da-
                                                                                                         fotografieren (Abb. 61). Das sauberer ausseh- raus ergebenden Blütenpräsentation etwas
Auch hatte er sich noch nicht endgültig                     einmalig. Die wie abgebildet dunkelrosa      ende Exemplar in Abb. 41 flatterte als eines steifer, aufrechter und hängen nicht so ele-
entschieden, welche 10 oder 12 Pflanzen er                  mit fast weißem Fleck aufgehenden Blüten     der ganz wenigen, die ich je gesehen habe, gant über. Ihre Blüten sind oft etwas, aber
denn nun vermehren und auch benennen                        färben sich nach einiger Zeit in ein kräf-   fast gar nicht. Beide Tiere sitzen auf ganz nicht wesentlich größer als die der Naturhy-
wollte. So wurden auch wir nach unseren                     tiges Kirschrot mit hellgelbem Fleck um.     normalen Rh. calendulaceum.                         briden, ihre Anzahl pro Stutz ist etwas höher
Favoriten befragt, was sich als äußerst                     Das sieht dann aus, als hätte man einen                                                          und die Farbpalette ist eine etwas andere.
schwierige Aufgabe erwies. Ich könnte                       Klecks Vanillecreme auf Kirschgrütze ge-     Die Rh. calendulaceum näherstehenden Während bei den Züchtungen in den letzten
ohne Probleme spontan 15 bis 20 Klone                       tan!                                         Hybriden mit ihren relativ großen Blüten Jahrzehnten eine Menge leuchtend gelbe,
nennen, die ich hervorragend finde. Am                                                                   (Abb. 60) erinnerten mich unweigerlich an orange, rote und weiße Farbtöne auf den
besten gefielen mir wohl die Blüten der                     Wir sahen natürlich nicht nur die un-        Knap-Hill-Azaleen und ähnliche in Kultur ge- Markt kamen, zeigen viele Blüten der Pflan-
in Abb. 43 gezeigten Pflanze. Ihre Größe                    terschiedlichen Azaleen, sondern auch        züchtete Hybridschwärme. Der Unterschied zen vom Hurricane Creek mehr Farbverläufe
war zwar nur etwa mittig zwischen beiden                    die Bestäuber, welche letztendlich für       zwischen diesen und den Pflanzen vom Hur- und pastellartige Töne mit rosa, orangen oder
Elternarten, ihre Farbkombination jedoch                    die ganzen Hybriden verantwortlich sind.     ricane Creek sind jedoch die Ausgangsarten. gelben Schattierungen. Insgesamt wirken

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Naturhybriden am Hurricane Creek im Norden Georgias (USA)
Naturhybriden am Hurricane Creek im Norden Georgias (USA)

                                                     Vorwort                                               aber so viel später als die                          Vorwort
                                                                                                           andere beiden, sodass es
                                                                                                           praktisch nie zu Überlap-
                                                                                                           pungen kommt. Wir können
                                                                                                           deshalb davon ausgehen,
                                                                                                           dass sie bei unseren Hybri-
                                                                                                           den so gut wie keine Rolle
                                                                                                           spielt (Andrews 2014). Nor-
                                                                                                           malerweise hybridisieren
                                                                                                           diploide und tetraploide
                                                                                                           Azaleen nicht miteinander.
                                                                                                           Ein gutes Beispiel dafür
                                                                                                           sind Rh. arborescens und
                                                                                                           Rh. calendulaceum auf dem
                                                                                                           Wine Spring Bald (Macon
                                                                                                           Co., North Carolina), die
                                                                                                           dort alle gleichzeitig blühen
                                                                                                           und keine Hybriden bilden
                                                                                                           (Bauer 2016). John Perkins
                                                                                                           (pers. Mitt.) weiß aber von
                                                                                                           ganz wenigen Hybriden zwi-
                                                                                                           schen beiden Arten auf dem
                                                                                                           benachbarten Wayah Bald.
                                                                                                           Offensichtlich gibt es also
                                                                                                           Ausnahmen, was sich am
                                                                                                           Hurricane Creek besonders
Abb. 60: HC 256, Hybride am Hurricane Creek, die eher Rh. calendulaceum nahe steht.			                     schön zeigt. So hat sich
									                                                                            © Ralf Bauer          Charlie in der Vergangen-
                                                                                                                                            Abb. 61: Ein über und über mit Pollen bedeckter Papilio glaucus auf
                                                                                                           heit darum bemüht, mehr
                                                                                                                                            Rh. calendulaceum am Hurricane Creek.
                                                                                                           über die Ploidie seiner of-
                                                                                                                                            				                                                     © Ralf Bauer
die Hurricane-Creek-Hybriden natürlicher als                sich näher mit solchen Pflanzen zu beschäf-    fensichtlichen Hybriden
unsere klassischen Azaleen-Züchtungen. Sie                  tigen.                                         herauszubekommen. Unter
lassen sich damit auch optisch besser in na-                                                               anderem hat er sich deshalb mit John Rh. calendulaceum tetraploid waren. Von
turnahe Pflanzungen und Gärten integrieren.                 Manche Leser werden sich vermutlich            und Sally Perkins, zwei Azaleen-Freunden den aufgrund ihrer Blüten als Hybriden zwi-
Des Weiteren dürften sie schon wegen des                    schon die ganze Zeit fragen, ob und wie        und Züchter vieler Sorten aus Salem, New schen beiden Arten identifizierten Pflan-
Klimas an ihrem Fundort und wegen ihrer                     solche Hybriden überhaupt möglich sind,        Hampshire, zusammengetan. Diese ließen zen erwiesen sich viele als triploid, was
Ausgangsarten (Rh. canescens und aus tie-                   handelt es sich doch bei beiden angenom-       (meist in Portugal) im Laufe der Jahre nicht auch erwartet worden war, haben doch die
fen Lagen stammende Rh. calendulaceum)                      menen Elternarten um Spezies unterschied-      nur zahllose ihrer eigenen Kreuzungsver- Ei- oder Samenzellen von diploiden Arten
deutlich wärmeverträglicher sein als die                    licher Ploidie. Rh. canescens ist diploid,     suche auf den Ploidiegrad hin untersuchen nach erfolgreicher Meiose nur noch einen
Kultur-Azaleen. Außerdem sind sie mehl-                     hat also einen zweifachen, und Rh. calen-      (Perkins et al. 2013), sondern schickten Chromosomensatz zu bieten, während die
tauresistent, ein enormer Vorteil gegenüber                 dulaceum ist tetraploid, hat also einen        ebenso viele Hurricane-Creek-Pflanzen mit der tetraploiden zwei beisteuern. Eins plus
den Knap-Hill-Azaleen. Vor allem die letzten                vierfachen Chromosomensatz. Die dritte         ein. Zunächst einmal wenig erstaunlich war zwei ergibt einen triploiden (dreifachen)
beiden genannten Eigenschaften sollten                      am Hurricane Creek vorkommende Azalee,         das Resultat, dass am Hurricane Creek die Chromosomensatz. Diese triploiden Indivi-
Anreiz genug für Züchter und Gärtner sein,                  Rh. arborescens ist ebenfalls diploid, blüht   Rh. canescens wie erwartet diploid und die duen sind, sofern überlebensfähig, meist

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Naturhybriden am Hurricane Creek im Norden Georgias (USA)
Naturhybriden am Hurricane Creek im Norden Georgias (USA)

                                                     Vorwort                                                Creek neue Eigenschaften in den Genpool              Vorwort
                                                                                                                                                               Diese Regeln erklären sehr gut, welche Kreu-
                                                                                                            von Rh. calendulaceum!                             zungen normalerweise klappen und welche
                                                                                                                                                               nicht, sie geben so dem Züchter wertvolle
                                                                                                            Der Fall, dass nur ein Chromosomensatz             Hinweise bei der Planung seiner Arbeit. Da
                                                                                                            in der Ei- oder Samenzelle der triploiden          sie so wichtig sind, gebe ich sie hier frei
                                                                                                            Ausgangspflanze landet, scheint übrigens           übersetzt und etwas angepasst und verkürzt
                                                                                                            seltener zu sein. Eine solche Eizelle könnte       wieder:
                                                                                                            dann mit Rh. canescens, dessen Samenzel-           Regel 0:
                                                                                                            len ja nur einen einfachen Chromosomensatz         Diese für die amerikanischen Pentanthe-
                                                                                                            haben, befruchtet werden. Das Ergebnis wä-         ra-Azaleen und Rh. luteum geltenden Regeln
                                                                                                            re eine diploide Pflanze, die aber auch Eigen-     sind sehr verallgemeinernd. Es gibt auch
                                                                                                            schaften von Rh. calendulaceum aufweist,           immer wieder Ausnahmen.
                                                                                                            wie bei dem oben erwähnten diploiden Klon
   HC 204 TET                               HC 2 TET                              HC 18 TET                 mit auffälligem goldgelbem Fleck. John Per-
                                                                                                            kins verwendete dafür in unseren Diskussi-
Abb. 62–64: Hybriden am Hurricane Creek, die eher Rh. calendulaceum nahestehen und tetraploid sind.         onen den Begriff der 'triploid bridge'. Die tri-
         								                                                                          © Ralf Bauer     ploiden Individuen dienen als Brücke für den
                                                                                                            Genaustausch zwischen diploiden und te-
                                                                                                            traploiden Arten innerhalb der Untergattung
steril, da sie technische Probleme bei ihrer                wurde bislang auch eine einzige Pflanze         Pentanthera. Wir sind uns sicher, dass dies
eigenen Meiose haben. Drei durch zwei                       als diploid getestet, deren Blüten jedoch       im Laufe der Evolution immer wieder passiert
ergibt halt 1,5 und derart gesplittete Chro-                einen deutlichen goldgelben Fleck (wie bei      ist. Der Stammbaum der amerikanischen
mosomensätze funktionieren irgendwie                        Rh. calendulaceum) aufweisen. An allen          Azaleen hat sich also nicht streng linear nach
nicht richtig. Sofern die in diesem Beitrag                 bislang als triploid getesteten Pflanzen wur-   oben verzweigt, sondern seine einzelnen
abgebildeten Pflanzen getestet wurden, ist                  den von ihm nie Früchte gefunden (Charlie       Entwicklungszweige haben sich immer mal
die Ploidie als Kürzel TRIP für triploid oder TET           Andrews pers. Mitt.). Triploide Rhododen-       wieder gekreuzt oder berührt. Dass dies für
für tetraploid bei der jeweiligen Abbildung                 dron können sich aber trotzdem vermehren,       alle Diploiden untereinander gilt, war uns
vermerkt.                                                   was John & Sally Perkins (2010) sowie           klar. Der ganze Osten der USA ist voll von
                                                            Perkins et al. (2013) durch ihre eigenen        Beispielen, wo diploide Arten gemeinsam
Die eigentliche Sensation lag darin, dass                   Kreuzungsversuche und die anderer gezeigt       wachsen und auch hybridisieren. Chappell
eben nur viele und nicht alle wie Hybriden                  haben. Manchmal gelingt es den Triploiden       et al. (2008) konnten ebenfalls zeigen, dass
aussehende Pflanzen sich als triploid er-                   offenbar bei der Meiose, die Chromosomen        es im Laufe der Evolution immer mal wieder
wiesen. Ein Teil war tetraploid wie ein ganz                ungleich aufzuteilen und so zwei komplette      den einen oder anderen Genaustausch unter
normales Rh. calendulaceum. Ein Blick auf                   Chromosomensätze in die Ei- oder Samen-         den amerikanischen Azaleen gegeben haben
die Blüten zeigte aber sofort, dass da Rh.                  zelle zu retten. Wird zum Beispiel eine         muss (siehe dazu auch meine Ausführungen
canescens irgendwie mitgemischt haben                       solche diploide Eizelle mit diploiden Pollen    zu Rh. prunifolium in Bauer 2018a). Dass
musste (Abb. 62–64). In diese Kategorie                     von Rh. calendulaceum bestäubt, entsteht        aber Diploide und Tetraploide auch im Gen-
gehört wunderbarerweise auch HC 56, das                     wieder eine tetraploide Pflanze, die nun        austausch untereinander stehen, war für uns
sich uns als typisches Rh. calendulaceum                    aber auch Genmaterial enthalten kann, das       zunächst nicht selbstverständlich.
mit roten Blüten präsentierte (Abb. 65).                    vorher Rh. canescens gehört hat. Durch
Charlie wusste aber zu berichten, dass                      diese Introgression (Einführung von Ge-         Aus ihren Erfahrungen mit dem Kreuzen von
die tetraploide Pflanze in anderen Jahren                   nen einer Population in den Genbestand          Azaleen unterschiedlicher Ploidie haben             Abb. 65: Das tetraploide Rh. calendulaceum HC 56.
nicht so rot, sondern mehr pink blühe! Of-                  einer anderen durch wiederholte Kreuzung        John & Sally Perkins (2010) dann ihre »Rul-         		                                    © Ralf Bauer

fenbar war das wetterabhängig. Übrigens                     und Rückkreuzung) gelangen am Hurricane         es of Engagement« abgeleitet und formuliert.

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Naturhybriden am Hurricane Creek im Norden Georgias (USA)
Naturhybriden am Hurricane Creek im Norden Georgias (USA)

                                                     Vorwort
                                                         ähneln oft eher ihrem tetraploiden Elter.          Literatur:                                    Vorwort
                                                                                                                                                        Chappell,   M., Robacker, C. & Jenkins, T.
                                                            Regel 4:                                        Andrews, C. (2014): Rhododendron            M. (2008): Genetic Diversity of Seven Deci-
                                                            Tetraploide Arten akzeptieren normalerweise     arborescens on Hurricane Creek. The Aza-    duous Azalea Species Native to the Eastern
                                                            keine Pollen von diploiden.                     lean 36 (1): 4–7.                           United States. J. Amer. Soc. Hort. Sci. 133
                                                            Regel 5:                                        Bauer, R. (2016): Rhododendron in den       (3): 374–382.
                                                            Diploide Arten akzeptieren Pollen von Rh.       Appalachen: Teil 2: Wine Spring Bald und    Perkins J. & Perkins, S. (2010): Rules of
                                                            molle. Ihre Nachkommen sind oft lebensfä-       Hooper Bald. Rhododendron und Immergrü-     Engagement: Have Pollen - Will Travel. The
                                                            hige, aber normalerweise sterile Diploide.      ne Band 22: 50–63.                          Azalean 32 (2): 28–33.
                                                            Umgekehrt akzeptiert Rh. molle sowohl           Bauer, R. (2018a): Rhododendron prunifo-    Perkins J., Perkins S., Castro M., Cerca De
                                                            Pollen von diploiden als auch tetraploiden      lium in Alabama und Georgia, USA. Rhodo-    Oliveira J., Castro S. & Loureiro, J. (2013):
                                                            Arten (John Perkins pers. Mitt.)                dendron und Immergrüne Band 25: 8–27.       Untersuchung des Ploidiegrades elepidoter
                                                            Regel 6:                                        Bauer, R. (2018b): Rhododendron serrula-    Rhododendron-Hybriden. Rhododendron
                                                            Triploide, die aus der Vereinigung von di-      tum zwischen Wasser und Land in West-Flo-   und Immergrüne Band 15: 21–42.
                                                            ploiden und tetraploiden Arten hervorge-        rida. Rhododendron und Immergrüne Band
                                                            gangen sind akzeptieren mit höherer Wahr-       26: 8–29.
                                                            scheinlichkeit eher Pollen von Tetraploiden
                                                            als von Diploiden.
                                                            Regel 7:
                                                            Es gibt keine Beispiele dafür, dass sich Rh.
                                                            vaseyi in irgendeiner Weise mit Diploiden
                                                            oder Tetraploiden kreuzen lässt.
                                                            Regel 8:
                                                            Um maximalen Erfolg bei der Samenproduk-
                                                            tion zu haben, sollte man immer eine Azalee
                                                            niedrigerer oder gleicher Ploidie als Mutter-
Abb. 66: Rh. calendulaceum am Hurricane Creek.
                                                            pflanze benutzen.
		                                 © Ralf Bauer

                                                            Zurück zum Hurricane Creek: Mittlerweile hat
Regel 1:                                                    Charlie übrigens seinen Besitz schweren
Weder diploide noch tetraploide Individuen                  Herzens aus verschiedenen Gründen ver-
setzen durch Selbstbestäubung Samen an.                     kauft, glücklicherweise allerdings an einen
Falls doch, so sind die Sämlinge selten über-               Freund, sodass seine Besuche und Forschun-
lebensfähig.                                                gen dort weiter gehen können. So habe ich
Regel 2:                                                    es mir auch im Frühjahr 2019 nicht nehmen
Alle diploiden Arten lassen sich untereinan-                lassen, mit ihm dieses zauberhafte Stück-
der in beide Richtungen kreuzen und ebenso                  chen Erde (Abb. 66, 67) ein drittes Mal zu
alle tetraploiden Arten untereinander. Ihre                 besuchen.
Nachkommen sind lebensfähig und frucht-
bar, ihr Aussehen jeweils intermediär zwi-
schen beiden Eltern.
Regel 3:                                                    Dr. Ralf Bauer
Diploide Arten akzeptieren Pollen von tetra-                                                                 Abb. 67: Rh. canescens am Hurricane Creek.
ploiden Spezies. Ihre triploiden Nachkom-                                                                    								                                       © Ralf Bauer

men sind oft lebensfähig, aber steril. Sie

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