Naturhybriden am Hurricane Creek im Norden Georgias (USA)
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Vorwort Naturhybriden am Hurricane Creek Vorwort im Norden Georgias (USA) Ralf Bauer, Offenburg Etwa 80 km nördlich von Georgias Metropole Jahrelang rackerten sie sich, unerfahren wie Atlanta, im Lumpkin County direkt am Fuße sie waren, mit den Tannen ab und die Kinder der Blue Ridge Mountains und nur 12 km waren schon längst aus der Schule, bevor Luftlinie vom Startpunkt des berühmten das Geschäft überhaupt Gewinn abwerfen Appalachian Trail auf dem Springer Moun- konnte. Man könnte glauben, dass man tain entfernt, fließt ein unscheinbarer Bach den Bäumen nur beim Wachsen zuschauen durch die sehr hügelige und dicht mit Laub- müsse, doch keiner der Akteure war sich und Mischwäldern bestandene Vorgebirgs- zunächst bewusst, wie viel Zeit das Pflanzen, landschaft, der Hurricane Creek. Das klare, Düngen, Pflegen, Schlagen und Verkaufen in lebhaft vor sich hin plätschernde Gewässer Anspruch nehmen würde, von der damit ver- wird von zahlreichen Quellen gespeist, die bundenen Buchführung ganz zu schweigen. überall in kleinen Seitentälern entspringen. So wurde das Geschäft nach 20 Jahren auf- Das zwischen 450 und 550 m Höhe liegende gegeben und der Hurricane Creek nur noch Gelände ist recht unerschlossen. Straßen für die Jagd genutzt (Andrews pers. Mitt.). führen gar keine hindurch, lediglich auf ein paar unbefestigten Waldwegen, die zum Teil Dass das Gelände so voller Azaleen sein sehr stark von Erosion geschädigt sind oder würde, war Charlie beim Kauf nicht klar an kleinen Furten im Schlamm versinken gewesen. Die angenehme Überraschung und ein Weiterfahren unmöglich machen, zeigte sich im ersten Frühjahr, als Ende kommt man ein Stück weit hinein. Erkunden April Rh. canescens vielerorts seine weißen kann man die wilde Gegend dann nur zu Fuß, bis rosa Blüten öffnete und Rh. calendula- zum Teil auf schlechten Wegen oder einfach ceum mit nur etwa ein bis zwei Wochen Ab- querfeldein. Zu Hause sind hier Weißwe- stand in verschiedenen Gelb-, Orange- und del-Hirsche, Schwarzbären, Füchse, Truthäh- Rottönen nachzog (Abb. 41, 42), wobei sich ne, viele andere Vögel und in den Bächen die Blütezeiten beider Arten deutlich über- tummeln sich die Forellen. Neben zahllosen lappten. Die absolute Sensation war aber, blühenden Kleinoden des Waldes sind das dass es offensichtlich zahllose Naturhy- wirklich Besondere aber Tausende von ein- briden gab, deren geringerer Teil eher dem heimischen Azaleen, die hier gedeihen. Rh. canescens mit seinen relativ kleinen, mehr oder weniger weiß bis rosa Blüten Einer meiner amerikanischen Aza- ähnelte, deren weitaus größerer Teil aber leen-Freunde, Charlie Andrews, der in ei- Blüten in den Dimensionen von Rh. calen- ner Vorstadt im Norden von Atlanta lebt, dulaceum aufwies, nur dass diese zusätz- hatte 1982 gemeinsam mit seiner Schwes- lich zu den gewohnten Farbschattierungen ter und seinem Schwager fast 300 ha die- noch weiße, hell- oder dunkelrosa Nuan- Abb. 41: Schwalbenschwanz (Papilio glaucus) ses Paradieses in erster Linie zum Jagen cen aufwiesen. Manche Farbkompositionen bestäubt Rh. calendulaceum am Hurricane und Fischen erworben. Außerdem wollten konnten nur als bunt und ungewöhnlich Creek. sie Weihnachtsbäume züchten, um die Col- bezeichnet werden (Abb. 43). Angesichts © Ralf Bauer lege-Besuche ihrer Kinder zu finanzieren. dieser Farb- und Formenvielfalt auf dem | 48 Rhododendron und Immergrüne Band 28 49 |
Naturhybriden am Hurricane Creek im Norden Georgias Vorwort gesamten Gelände bemerkte Charlie einen Anzahl der Chromosomensätze im Zellkern) Vorwort Monat später kaum noch, dass direkt entlang gelistet. seines Baches, und nur dort, zahlreiche süß duftende Rh. arborescens mit ihren weißen Ich freute mich natürlich sehr, als Char- Blüten und rot kontrastierenden Staubfäden lie mich einlud, Ende April 2018 seinen erblüht waren (Andrews 2014). Die wunder- Hurricane Creek zu besuchen. Da ich zu baren Azaleen wurden von vielen anderen dieser Zeit ohnehin mit ihm, Ron Miller schönen, ebenso gartenwürdigen Gehölzen und John Perkins in Alabama und Georgia begleitet. So gab es hier natürlich die fast unterwegs war, bot es sich an, das kleine ubiquitäre Kalmia latifolia (Kalmie) genauso Paradies im Wochenabstand gleich zwei- wie Chionanthus virginicus (Schneeflocken- mal aufzusuchen, um sowohl früher als strauch) und Calycanthus florida (Gewürz- auch später blühende Pflanzen auf ihrem strauch), Itea virginica (Rosmarinweide), Höhepunkt zu erleben. Das Wetter war mit Ilex verticillata und opaca (eine laubwer- blauem Himmel und strahlendem Sonnen- fende und eine immergrüne Stechpalme), schein perfekt. Wir hatten die Zeit gut ge- Halesia tetraptera (Schneeglöckchenbaum), troffen, blühten doch beim ersten Besuch Abb. 42: Charlie Andrews mit Rh. calendulaceum Cornus florida (Blumenhartriegel), Diospy- neben zahllosen frühen Hybriden bereits (HC 163). ros virginiana (Amerikanische Kaki) sowie viele Rh. canescens (Abb. 45a, b). Bei der © Ralf Bauer Decumaria barbara (Kletterhortensie) und zweiten Tour ließen sich zudem neben den Abb. 44: Cypripedium acaule, eine Frauen- Hydrangea arborescens (die Wildform der etwas späteren Hybriden auch schon viele schuh-Orchidee am Hurricane Creek. Schneeball-Hortensien). Unter den Bäumen typische Rh. calendulaceum bewundern, von © Ralf Bauer und Sträuchern fanden sich weitere wah- re botanische Edelsteine wie Cypripedium acaule (Abb. 44) oder Trillium catesbaei, Iris verna (eine zauberhafte nur 10–15 cm hohe Iris mit schönen violettblauen Blüten), Tiarella cordifolia (Schaumblüte) sowie die Farne Osmunda cinnamomea (Zimtfarn), O. regalis (Königsfarn) und Lygodium palmatum (Kletterfarn). Um einen besseren Überblick über seine Schätze zu bekommen, hat Charlie bislang etwas mehr als 250 besonders interessante oder schöne Azaleen mit nummerierten Alu- etiketten versehen. Ja, das gibt es tatsäch- lich! Endlich haben Wildpflanzen am Stand- ort mal Etiketten! Darauf ist jeweils nur die sogenannte 'HC'-Nummer vermerkt. In einem Ordner, den er stets bei sich trägt, wenn er am Hurricane Creek unterwegs ist, sind zu je- Abb. 43: Eine der schönsten Hybriden am Hurri- der Nummer die geografischen Koordinaten, Abb. 45 a, b: Rh. canescens in zwei Farbvarianten am Hurricane Creek. cane Creek: HC 55 TRIP. Bemerkungen zum Aussehen der Blüte und, © Ralf Bauer © Ralf Bauer sofern untersucht, der Ploidiegrad (d. h. die | 50 Rhododendron und Immergrüne Band 28 51 |
Naturhybriden am Hurricane Creek im Norden Georgias (USA) Vorwort Vorwort HC 216 HC 252 TET HC 163 TET HC 159 TRIP HC 194 TRIP HC 251 TRIP Abb. 46–48: Rh. calendulaceum am Hurricane Creek. Abb. 50–52: Hybriden am Hurricane Creek, die eher Rh. canescens nahestehen. © Ralf Bauer © Ralf Bauer denen viele Blüten von über 6 cm im Durch- Rh. calendulaceum, an Farbkombinationen messer hatten, was für die Art schon recht war hier jedoch alles aus dem rosa, gelben, groß ist (Abb. 46–48). So marschierten wir orangen und roten Bereich denkbar. Der auf und ab durch die Hügel, mal auf aus- gelbe Fleck dieser Blüten nahm oft das gewaschenen, erodierten Pisten aus rotem ganze obere Blütenblatt ein, sehr häufig Ton, dann wieder mitten durch sumpfiges waren frisch aufgeblühte Blüten blasser Gelände und natürlich auch am Bach ent- und gelber, um dann nach ein paar Ta- lang (Abb. 49). Neben zahlreichen jüngeren gen dunkler rosa oder dunkler orange zu Pflanzen sahen wir auch einige besonders werden (Abb. 53–58). Diese Farbspiele alte Exemplare. So gab es ein Rh. arbores- ergaben tolle Effekte und wir kamen aus cens mit 15 cm Stammdurchmesser, und bei dem Staunen und Fotografieren nicht mehr einem gut 5 oder 6 m hohen Rh. calendula- hinaus. Manche Blüten hatten zusätzlich ceum betrug dieser immerhin gut 10 cm. zu ihren Farben auch noch hübsch ge- kräuselte Petalenränder, was eine beson- Ob der abwechslungsreichen Blütenfülle dere Zierde war (Abb. 59) und auch bei wollten die Ahs und Ohs nicht abreißen. reinen Rh. calendulaceum selbst immer Manche der oft mehrere Meter hoch wer- wieder vorkommt. denden Sträucher hatten eher kleinere Blüten als die meisten Hybriden und erin- Schnell wurde trotz meiner mehr als einge- nerten uns mehr an Rh. canescens, sie wa- schränkten Platzverhältnisse zu Hause der ren aber leicht durch die Breite der Petalen Wunsch in mir wach, doch die eine oder an- oder ihren großen, kräftig gelben Fleck dere Pflanze zu besitzen. Charlie versicherte oder ungewöhnliche Farbverläufe klar als uns, dass er zusammen mit Baumschulen Abb. 49: Rh. calendulaceum HC 205 am Hurricane Creek. Hybriden zu identifizieren (Abb. 50–52). daran arbeite, die schönsten Klone zu ver- © Ralf Bauer Der weitaus größere Teil der Hybriden glich mehren. Es dauere aber noch ein wenig, da in seiner Blütengröße und -form eher dem es Probleme mit der Gewebekultur gebe. | 52 Rhododendron und Immergrüne Band 28 53 |
Naturhybriden am Hurricane Creek im Norden Georgias (USA) Vorwort Es handelte sich da- Vorwort bei um Papilio glau- cus, eine amerika- nische Schwalben- schwanzart, die mir schon an vielen Stand- orten von Azaleen begegnet ist (Bauer 2018a und b). Sogar an Rh. catawbiense habe ich sie schon beobachtet. Die Tiere HC 176 TRIP HC 187 TRIP HC 59 TRIP flattern immer wieder heftig mit ihren Flü- geln, während sie auf einer Blüte sitzen und vom Nektar naschen. Dabei berühren sie die weit aus der Blüte he- rausragenden Staub- fäden, deren Pollen an den Flügelunterseiten Abb. 59: Rh.-calendulaceum-Hybride am Hurricane Creek mit gekräuseltem Rand, HC 255. kleben bleiben. Beim © Ralf Bauer Besuch einer anderen Blüte werden dann ei- nige Pollen beim Flattern zufällig an der kleb- Rh. canescens fand in der Züchtung der Kul- HC 122 TRIP HC 223 TRIP HC 155 rigen Narbe abgestreift. Hier am Hurricane tursorten nie Verwendung, während stattdes- Creek ist es mir glücklicherweise zum er- sen Rh. occidentale, molle und auch luteum Abb. 53–58: Hybriden am Hurricane Creek, die eher Rh. calendulaceum nahe stehen. sten Mal überhaupt gelungen, einen solchen benutzt wurden. Vor allem die moderneren © Ralf Bauer Schwalbenschwanz in Aktion mit stark von Kultursorten sind nach meinen Beobach- Pollen eingepuderten Flügelunterseiten zu tungen im Pflanzenaufbau und der sich da- fotografieren (Abb. 61). Das sauberer ausseh- raus ergebenden Blütenpräsentation etwas Auch hatte er sich noch nicht endgültig einmalig. Die wie abgebildet dunkelrosa ende Exemplar in Abb. 41 flatterte als eines steifer, aufrechter und hängen nicht so ele- entschieden, welche 10 oder 12 Pflanzen er mit fast weißem Fleck aufgehenden Blüten der ganz wenigen, die ich je gesehen habe, gant über. Ihre Blüten sind oft etwas, aber denn nun vermehren und auch benennen färben sich nach einiger Zeit in ein kräf- fast gar nicht. Beide Tiere sitzen auf ganz nicht wesentlich größer als die der Naturhy- wollte. So wurden auch wir nach unseren tiges Kirschrot mit hellgelbem Fleck um. normalen Rh. calendulaceum. briden, ihre Anzahl pro Stutz ist etwas höher Favoriten befragt, was sich als äußerst Das sieht dann aus, als hätte man einen und die Farbpalette ist eine etwas andere. schwierige Aufgabe erwies. Ich könnte Klecks Vanillecreme auf Kirschgrütze ge- Die Rh. calendulaceum näherstehenden Während bei den Züchtungen in den letzten ohne Probleme spontan 15 bis 20 Klone tan! Hybriden mit ihren relativ großen Blüten Jahrzehnten eine Menge leuchtend gelbe, nennen, die ich hervorragend finde. Am (Abb. 60) erinnerten mich unweigerlich an orange, rote und weiße Farbtöne auf den besten gefielen mir wohl die Blüten der Wir sahen natürlich nicht nur die un- Knap-Hill-Azaleen und ähnliche in Kultur ge- Markt kamen, zeigen viele Blüten der Pflan- in Abb. 43 gezeigten Pflanze. Ihre Größe terschiedlichen Azaleen, sondern auch züchtete Hybridschwärme. Der Unterschied zen vom Hurricane Creek mehr Farbverläufe war zwar nur etwa mittig zwischen beiden die Bestäuber, welche letztendlich für zwischen diesen und den Pflanzen vom Hur- und pastellartige Töne mit rosa, orangen oder Elternarten, ihre Farbkombination jedoch die ganzen Hybriden verantwortlich sind. ricane Creek sind jedoch die Ausgangsarten. gelben Schattierungen. Insgesamt wirken | 54 Rhododendron und Immergrüne Band 28 55 |
Naturhybriden am Hurricane Creek im Norden Georgias (USA) Vorwort aber so viel später als die Vorwort andere beiden, sodass es praktisch nie zu Überlap- pungen kommt. Wir können deshalb davon ausgehen, dass sie bei unseren Hybri- den so gut wie keine Rolle spielt (Andrews 2014). Nor- malerweise hybridisieren diploide und tetraploide Azaleen nicht miteinander. Ein gutes Beispiel dafür sind Rh. arborescens und Rh. calendulaceum auf dem Wine Spring Bald (Macon Co., North Carolina), die dort alle gleichzeitig blühen und keine Hybriden bilden (Bauer 2016). John Perkins (pers. Mitt.) weiß aber von ganz wenigen Hybriden zwi- schen beiden Arten auf dem benachbarten Wayah Bald. Offensichtlich gibt es also Ausnahmen, was sich am Hurricane Creek besonders Abb. 60: HC 256, Hybride am Hurricane Creek, die eher Rh. calendulaceum nahe steht. schön zeigt. So hat sich © Ralf Bauer Charlie in der Vergangen- Abb. 61: Ein über und über mit Pollen bedeckter Papilio glaucus auf heit darum bemüht, mehr Rh. calendulaceum am Hurricane Creek. über die Ploidie seiner of- © Ralf Bauer die Hurricane-Creek-Hybriden natürlicher als sich näher mit solchen Pflanzen zu beschäf- fensichtlichen Hybriden unsere klassischen Azaleen-Züchtungen. Sie tigen. herauszubekommen. Unter lassen sich damit auch optisch besser in na- anderem hat er sich deshalb mit John Rh. calendulaceum tetraploid waren. Von turnahe Pflanzungen und Gärten integrieren. Manche Leser werden sich vermutlich und Sally Perkins, zwei Azaleen-Freunden den aufgrund ihrer Blüten als Hybriden zwi- Des Weiteren dürften sie schon wegen des schon die ganze Zeit fragen, ob und wie und Züchter vieler Sorten aus Salem, New schen beiden Arten identifizierten Pflan- Klimas an ihrem Fundort und wegen ihrer solche Hybriden überhaupt möglich sind, Hampshire, zusammengetan. Diese ließen zen erwiesen sich viele als triploid, was Ausgangsarten (Rh. canescens und aus tie- handelt es sich doch bei beiden angenom- (meist in Portugal) im Laufe der Jahre nicht auch erwartet worden war, haben doch die fen Lagen stammende Rh. calendulaceum) menen Elternarten um Spezies unterschied- nur zahllose ihrer eigenen Kreuzungsver- Ei- oder Samenzellen von diploiden Arten deutlich wärmeverträglicher sein als die licher Ploidie. Rh. canescens ist diploid, suche auf den Ploidiegrad hin untersuchen nach erfolgreicher Meiose nur noch einen Kultur-Azaleen. Außerdem sind sie mehl- hat also einen zweifachen, und Rh. calen- (Perkins et al. 2013), sondern schickten Chromosomensatz zu bieten, während die tauresistent, ein enormer Vorteil gegenüber dulaceum ist tetraploid, hat also einen ebenso viele Hurricane-Creek-Pflanzen mit der tetraploiden zwei beisteuern. Eins plus den Knap-Hill-Azaleen. Vor allem die letzten vierfachen Chromosomensatz. Die dritte ein. Zunächst einmal wenig erstaunlich war zwei ergibt einen triploiden (dreifachen) beiden genannten Eigenschaften sollten am Hurricane Creek vorkommende Azalee, das Resultat, dass am Hurricane Creek die Chromosomensatz. Diese triploiden Indivi- Anreiz genug für Züchter und Gärtner sein, Rh. arborescens ist ebenfalls diploid, blüht Rh. canescens wie erwartet diploid und die duen sind, sofern überlebensfähig, meist | 56 Rhododendron und Immergrüne Band 28 57 |
Naturhybriden am Hurricane Creek im Norden Georgias (USA) Vorwort Creek neue Eigenschaften in den Genpool Vorwort Diese Regeln erklären sehr gut, welche Kreu- von Rh. calendulaceum! zungen normalerweise klappen und welche nicht, sie geben so dem Züchter wertvolle Der Fall, dass nur ein Chromosomensatz Hinweise bei der Planung seiner Arbeit. Da in der Ei- oder Samenzelle der triploiden sie so wichtig sind, gebe ich sie hier frei Ausgangspflanze landet, scheint übrigens übersetzt und etwas angepasst und verkürzt seltener zu sein. Eine solche Eizelle könnte wieder: dann mit Rh. canescens, dessen Samenzel- Regel 0: len ja nur einen einfachen Chromosomensatz Diese für die amerikanischen Pentanthe- haben, befruchtet werden. Das Ergebnis wä- ra-Azaleen und Rh. luteum geltenden Regeln re eine diploide Pflanze, die aber auch Eigen- sind sehr verallgemeinernd. Es gibt auch schaften von Rh. calendulaceum aufweist, immer wieder Ausnahmen. wie bei dem oben erwähnten diploiden Klon HC 204 TET HC 2 TET HC 18 TET mit auffälligem goldgelbem Fleck. John Per- kins verwendete dafür in unseren Diskussi- Abb. 62–64: Hybriden am Hurricane Creek, die eher Rh. calendulaceum nahestehen und tetraploid sind. onen den Begriff der 'triploid bridge'. Die tri- © Ralf Bauer ploiden Individuen dienen als Brücke für den Genaustausch zwischen diploiden und te- traploiden Arten innerhalb der Untergattung steril, da sie technische Probleme bei ihrer wurde bislang auch eine einzige Pflanze Pentanthera. Wir sind uns sicher, dass dies eigenen Meiose haben. Drei durch zwei als diploid getestet, deren Blüten jedoch im Laufe der Evolution immer wieder passiert ergibt halt 1,5 und derart gesplittete Chro- einen deutlichen goldgelben Fleck (wie bei ist. Der Stammbaum der amerikanischen mosomensätze funktionieren irgendwie Rh. calendulaceum) aufweisen. An allen Azaleen hat sich also nicht streng linear nach nicht richtig. Sofern die in diesem Beitrag bislang als triploid getesteten Pflanzen wur- oben verzweigt, sondern seine einzelnen abgebildeten Pflanzen getestet wurden, ist den von ihm nie Früchte gefunden (Charlie Entwicklungszweige haben sich immer mal die Ploidie als Kürzel TRIP für triploid oder TET Andrews pers. Mitt.). Triploide Rhododen- wieder gekreuzt oder berührt. Dass dies für für tetraploid bei der jeweiligen Abbildung dron können sich aber trotzdem vermehren, alle Diploiden untereinander gilt, war uns vermerkt. was John & Sally Perkins (2010) sowie klar. Der ganze Osten der USA ist voll von Perkins et al. (2013) durch ihre eigenen Beispielen, wo diploide Arten gemeinsam Die eigentliche Sensation lag darin, dass Kreuzungsversuche und die anderer gezeigt wachsen und auch hybridisieren. Chappell eben nur viele und nicht alle wie Hybriden haben. Manchmal gelingt es den Triploiden et al. (2008) konnten ebenfalls zeigen, dass aussehende Pflanzen sich als triploid er- offenbar bei der Meiose, die Chromosomen es im Laufe der Evolution immer mal wieder wiesen. Ein Teil war tetraploid wie ein ganz ungleich aufzuteilen und so zwei komplette den einen oder anderen Genaustausch unter normales Rh. calendulaceum. Ein Blick auf Chromosomensätze in die Ei- oder Samen- den amerikanischen Azaleen gegeben haben die Blüten zeigte aber sofort, dass da Rh. zelle zu retten. Wird zum Beispiel eine muss (siehe dazu auch meine Ausführungen canescens irgendwie mitgemischt haben solche diploide Eizelle mit diploiden Pollen zu Rh. prunifolium in Bauer 2018a). Dass musste (Abb. 62–64). In diese Kategorie von Rh. calendulaceum bestäubt, entsteht aber Diploide und Tetraploide auch im Gen- gehört wunderbarerweise auch HC 56, das wieder eine tetraploide Pflanze, die nun austausch untereinander stehen, war für uns sich uns als typisches Rh. calendulaceum aber auch Genmaterial enthalten kann, das zunächst nicht selbstverständlich. mit roten Blüten präsentierte (Abb. 65). vorher Rh. canescens gehört hat. Durch Charlie wusste aber zu berichten, dass diese Introgression (Einführung von Ge- Aus ihren Erfahrungen mit dem Kreuzen von die tetraploide Pflanze in anderen Jahren nen einer Population in den Genbestand Azaleen unterschiedlicher Ploidie haben Abb. 65: Das tetraploide Rh. calendulaceum HC 56. nicht so rot, sondern mehr pink blühe! Of- einer anderen durch wiederholte Kreuzung John & Sally Perkins (2010) dann ihre »Rul- © Ralf Bauer fenbar war das wetterabhängig. Übrigens und Rückkreuzung) gelangen am Hurricane es of Engagement« abgeleitet und formuliert. | 58 Rhododendron und Immergrüne Band 28 59 |
Naturhybriden am Hurricane Creek im Norden Georgias (USA) Vorwort ähneln oft eher ihrem tetraploiden Elter. Literatur: Vorwort Chappell, M., Robacker, C. & Jenkins, T. Regel 4: Andrews, C. (2014): Rhododendron M. (2008): Genetic Diversity of Seven Deci- Tetraploide Arten akzeptieren normalerweise arborescens on Hurricane Creek. The Aza- duous Azalea Species Native to the Eastern keine Pollen von diploiden. lean 36 (1): 4–7. United States. J. Amer. Soc. Hort. Sci. 133 Regel 5: Bauer, R. (2016): Rhododendron in den (3): 374–382. Diploide Arten akzeptieren Pollen von Rh. Appalachen: Teil 2: Wine Spring Bald und Perkins J. & Perkins, S. (2010): Rules of molle. Ihre Nachkommen sind oft lebensfä- Hooper Bald. Rhododendron und Immergrü- Engagement: Have Pollen - Will Travel. The hige, aber normalerweise sterile Diploide. ne Band 22: 50–63. Azalean 32 (2): 28–33. Umgekehrt akzeptiert Rh. molle sowohl Bauer, R. (2018a): Rhododendron prunifo- Perkins J., Perkins S., Castro M., Cerca De Pollen von diploiden als auch tetraploiden lium in Alabama und Georgia, USA. Rhodo- Oliveira J., Castro S. & Loureiro, J. (2013): Arten (John Perkins pers. Mitt.) dendron und Immergrüne Band 25: 8–27. Untersuchung des Ploidiegrades elepidoter Regel 6: Bauer, R. (2018b): Rhododendron serrula- Rhododendron-Hybriden. Rhododendron Triploide, die aus der Vereinigung von di- tum zwischen Wasser und Land in West-Flo- und Immergrüne Band 15: 21–42. ploiden und tetraploiden Arten hervorge- rida. Rhododendron und Immergrüne Band gangen sind akzeptieren mit höherer Wahr- 26: 8–29. scheinlichkeit eher Pollen von Tetraploiden als von Diploiden. Regel 7: Es gibt keine Beispiele dafür, dass sich Rh. vaseyi in irgendeiner Weise mit Diploiden oder Tetraploiden kreuzen lässt. Regel 8: Um maximalen Erfolg bei der Samenproduk- tion zu haben, sollte man immer eine Azalee niedrigerer oder gleicher Ploidie als Mutter- Abb. 66: Rh. calendulaceum am Hurricane Creek. pflanze benutzen. © Ralf Bauer Zurück zum Hurricane Creek: Mittlerweile hat Regel 1: Charlie übrigens seinen Besitz schweren Weder diploide noch tetraploide Individuen Herzens aus verschiedenen Gründen ver- setzen durch Selbstbestäubung Samen an. kauft, glücklicherweise allerdings an einen Falls doch, so sind die Sämlinge selten über- Freund, sodass seine Besuche und Forschun- lebensfähig. gen dort weiter gehen können. So habe ich Regel 2: es mir auch im Frühjahr 2019 nicht nehmen Alle diploiden Arten lassen sich untereinan- lassen, mit ihm dieses zauberhafte Stück- der in beide Richtungen kreuzen und ebenso chen Erde (Abb. 66, 67) ein drittes Mal zu alle tetraploiden Arten untereinander. Ihre besuchen. Nachkommen sind lebensfähig und frucht- bar, ihr Aussehen jeweils intermediär zwi- schen beiden Eltern. Regel 3: Dr. Ralf Bauer Diploide Arten akzeptieren Pollen von tetra- Abb. 67: Rh. canescens am Hurricane Creek. ploiden Spezies. Ihre triploiden Nachkom- © Ralf Bauer men sind oft lebensfähig, aber steril. Sie | 60 Rhododendron und Immergrüne Band 28 61 |
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