NATURSCHUTZPROJEKTE AUF DER KOREANISCHEN HALBINSEL

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NATURSCHUTZPROJEKTE AUF DER KOREANISCHEN HALBINSEL
IM FOKUS

/// Neuer „Sonnenschein“?

NATURSCHUTZPROJEKTE AUF
DER KOREANISCHEN HALBINSEL
BERNHARD SELIGER /// Naturschutzprojekte der Hanns-Seidel-Stiftung in Korea?
Wer an Südkorea denkt, denkt wohl hauptsächlich an moderne Handys und Autos.
Und bei Nordkorea? An Armut und Atombomben. Kaum einer würde bei Korea zuerst
an Naturschutz denken. Und dennoch haben sich hier Möglichkeiten ergeben, die
auch helfen können, das geteilte Land einmal wieder auszusöhnen.

              Die koreanische Halbinsel:              Dreieck von politischem Regime der
              politischer, wirtschaftlicher und       Kim-Dynastie, nuklearer Bewaffnung
              ökologischer Hotspot                    und Armut. Solche Stereotypen sind
          Woran denkt man zuerst, wenn man an         nicht falsch. Es hat ja einen Grund, wa-
          Korea denkt? Bei Südkorea wohl an mo-       rum sie existieren. Und die Gegenüber-
          derne Technologie, Autos, Halbleiter,       stellung von modernem Technologie­
          Handys, aber auch zunehmend an Mu-          standort und aus der Zeit gefallener so-
          sik wie „K-Pop“ und Gangnam Style           zialistischer Herrschaft ist für uns Deut-
          oder Filme, z. B. „Parasite“. Bei Nordko-   sche natürlich auch deshalb so beein-
          rea hingegen denkt man an das traurige      druckend, weil wir uns selbst noch gut
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NATURSCHUTZPROJEKTE AUF DER KOREANISCHEN HALBINSEL
Quelle: Bernhard Seliger
Mandschurenkraniche an der innerkoreanischen Grenze zu Nordkorea bei Cheolwon. Die Vögel
gelten in Ostasien seit alters her als Symbol für Glück und ein langes Leben.

an die Zeit der Teilung des eigenen Lan-
des erinnern. Aber in Korea ist alles viel
schlimmer, als es im geteilten Deutsch-            Die koreanische Halbinsel wurde
land war. Seit 76 Jahren sind alle Post-           vor 76 Jahren in einen Nord- und
und Telefonverbindungen mit ganz we-               Südteil GETRENNT.
nigen Ausnahmen gekappt, auch private
Reisen nach Nordkorea sind unmöglich.
Nur noch die ältesten Südkoreaner ha-
ben Verwandte im Norden und die aller-
meisten von diesen werden wohl ster-
ben, ohne sie je wieder gesehen zu ha-          Nord- und Südkorea angrenzen, wird
ben.                                            jährlich von Millionen Zugvögeln ge-
    Und doch gibt es Vieles auf der kore-       nutzt, die entweder vom Norden (Alas-
anischen Halbinsel zu entdecken. Zum            ka, russischer Ferner Osten und Nord-
Beispiel ist sie ein Hotspot der Biodiver-      china) nach Süden reisen – die weitesten
sität, der für die ganze asiatisch-pazifi-      bis nach Australien und Neuseeland –
sche Region eine wichtige Rolle spielt.         oder aber umgekehrt. Zweimal im Jahr
Das Gelbe Meer, an dem China sowie              kommt es so zu einem gewaltigen Zug,
                                                                      499/2021 // POLITISCHE STUDIEN   17
IM FOKUS

          der durch den Flaschenhals des Gelben       nicht zuletzt aufgrund der Isolierung,
          Meeres muss. Viele Vögel fliegen auch       die durch Nordkoreas Atomprogramm
          nur einen Teil der Strecke, etwa Schwal-    entstanden ist.
          ben, die aus dem Süden im Sommer
          nach Korea fliegen, oder Enten, Gänse           Die Arbeit der Hanns-Seidel-
          und Adler, die in Korea überwintern.            Stiftung in Südkorea und an der
              Südkorea und der chinesische Osten          innerkoreanischen Grenze
          haben sich in den vergangenen Jahr-         Die Hanns-Seidel-Stiftung ist seit 1987
          zehnten wirtschaftlich rapide entwi-        in Südkorea tätig. Zunächst stand dort
          ckelt. Dabei wurde leider die Umwelt        die ländliche Entwicklung auf dem Weg
          stark in Mitleidenschaft gezogen. In        Südkoreas zu einem modernen Indus­
          Südkorea etwa sind mehr als 75 % der        triestaat im Vordergrund, später, nach
          Wattflächen, die für Zugvögel wichtige      Wiedereinführung der kommunalen
          Rastplätze sind, durch Eindeichungen        Selbstverwaltung 1993, auch Ausbil-
          verschwunden – der Landhunger in den        dungsprojekte dafür. In dieser Zeit hatte
          dicht besiedelten Regionen am Gelben        sich Südkorea allerdings durch rasches
          Meer war enorm. Erst in den letzten Jah-    Wirtschaftswachstum schon in die Rei-
          ren haben Südkorea und China diese Art      he der wohlhabenden Industriestaaten
          der Neugewinnung von Land komplett          der OECD vorgearbeitet, trotz Rück-
          eingestellt. Vor wenigen Wochen erst        schlägen wie der Asienkrise 1997-1998.
          wurden die ersten Wattflächen aus Chi-          Gleichzeitig hatte die friedliche
          na und Südkorea von der UNESCO in           deutsche Wiedervereinigung dazu ge-
          die World Heritage List aufgenommen.        führt, dass das Interesse an Deutsch-
               Nordkorea ist zwar noch dabei, für     land sprunghaft angestiegen war, umso
          seine ineffizient betriebene kollektive     mehr, da Nordkorea in einer schweren
          Landwirtschaft Land zu gewinnen, we-        Wirtschaftskrise war und gleichzeitig
          gen des Fehlens von Maschinen ging das      begann, Atomwaffen zu entwickeln. In
          aber viel langsamer vonstatten als im Sü-   dieser Situation fokussierte sich die Ar-
          den des Landes, und so hat Nordkorea        beit der Hanns-Seidel-Stiftung, die ja
          jetzt im Gelben Meer für viele Arten        aus Mitteln des Bundesministeriums für
          noch überlebenswichtige Wattflächen.        wirtschaftliche Zusammenarbeit finan-
              Gleichzeitig kämpft Nordkorea noch      ziert wird, auf die Frage der friedlichen
          mit anderen Problemen. Während in           Entwicklung auf der koreanischen
          Anlehnung an die Sowjetunion schon          Halbinsel. In Südkorea geschah dies
          früh eine eigene Verwaltung aufgebaut       durch vielfältige Beratungs- und Ausbil-
          wurde, die u. a. auch eine Naturschutz-     dungsprojekte zur Wiedervereinigung.
          verwaltung aufwies, führte die schwere
          Wirtschaftskrise seit Anfang der
          1990er-Jahre dazu, dass alles dem Über-
          leben des Regimes untergeordnet wur-
          de. In dieser Zeit verlor Nordkorea, das      Die Hanns-Seidel-Stiftung ist seit
          zu 80 % bewaldet war, fast die Hälfte         1987 in Südkorea tätig.
          seiner Wälder. Besonders seit 2012 wird
          versucht, das Land wieder aufzuforsten.
          Es gibt aber immer wieder Rückschläge,
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Ein spezieller Fokus richtete sich da-      In Zusammenarbeit mit dem Land-
bei auf die innerkoreanische Grenzregi-      kreis Goseong sowie mit der Gangwon-
on. Erstens hatte sich in und entlang        Provinz führt die HSS seit 2005 Projekte
der Demilitarisierten Zone (DMZ) ein         zur nachhaltigen Entwicklung der
einzigartiger Lebensraum entwickelt,         Grenzregion durch. Die deutschen Er-
da menschliche Eingriffe durch die mi-       fahrungen beim Natur- und Umwelt-
litärische Lage weitgehend unmöglich         schutz, bei der Raumplanung, der Tou-
sind. Es war ein Rückzugsraum für be-        rismusentwicklung im ehemaligen
drohte Tiere und Pflanzen entstanden,        Grenzgebiet und bei der Wirtschafts-
z. B. für die mandschurischen Krani-
che, die Symbolvögel Koreas. Zweitens
stellte die wirtschaftliche Entwicklung
der Region ein großes Problem dar, da
dort kaum Arbeitsplätze vorhanden wa-          Deutschland UNTERSTÜTZT Korea mit
ren. Drittens waren die Transportver-          Wissen und seinen Erfahrungen.
bindungen von Süden nach Norden eine
wichtige Frage, die im Auf und Ab der
innerkoreanischen Beziehungen bis
heute ungelöst ist. U. a. gab es in der
Zeit der „Sonnenscheinpolitik“ (1998-
2007) eine gemeinsame Wirtschaftszo-         entwicklung waren Thema von Exper-
ne in Gaesong in Nordkorea und ein           tenbesuchen, Workshops und Studien-
Sondertourismusgebiet im Geumgangs-          reisen. Diese führten auch dazu, dass
an-Gebirge. Viertens richtete sich das       eine Reihe bilateraler Städte- und Kom-
Augenmerk auf die Situation nach einer       munalpartnerschaften begründet wur-
Öffnung Nordkoreas, die einerseits eine      den, so z. B. zwischen dem Landkreis
rasche Entwicklung mit Zerstörung der        Bayreuth und dem Landkreis Goseong,
Lebensräume der DMZ mit sich brin-           dem Regierungsbezirk Oberfranken
gen könnte, andererseits aber durch die      und der Gangwon-Provinz, zwischen
dann einsetzende Konkurrenz aus dem          dem Landkreis Hof und dem Landkreis
Norden auch Abwanderung und Ar-              Yeoncheon sowie zwischen dem Land-
beitslosigkeit.                              kreis Bad Hersfeld-Rotenburg und dem
    Die Parallelen zur Situation in          Landkreis Cheolwon.
Deutschland sind unübersehbar. Die               Ab 2009 begann eine Kooperation
Erfahrungen Deutschlands vor der             mit Birds Korea, einer NGO aus Busan,
deutschen Einheit mit den Zonenrand-         die sich speziell auf Zugvögel und ihre
förderungsprogrammen und nach der            Habitate in Korea konzentriert. Dar-
deutschen Einheit mit Umweltschutz-          aus sind zunächst in Südkorea und
verträgen wie dem „Grünen Band“ an           später auch in Nordkorea zahlreiche
der bayerisch-thüringischen und baye-        Projekte entstanden, die von Surveys
risch-sächsischen Grenze sowie mit den       bis hin zu konkreten Naturschutzpro-
Förderprogrammen für die Wirtschaft          jekten reichten. Besonderer Fokus die-
sind zahlreich. Der Wissenstransfer aus      ser Projekte war die weit vorgelagerte
Deutschland hat sich hier als besonders      Insel Baegnyeongdo im Gelben Meer,
fruchtbar erwiesen.                          die einer der wichtigsten regelmäßigen
                                                                499/2021 // POLITISCHE STUDIEN   19
IM FOKUS

          Rastplätze vor allem für kleinere Zug-     waren informell entstandene Märkte
          vögel ist.                                 immer wichtiger geworden und Nord-
             2015 führte die HSS mit UN-­E SCAP      korea versuchte es mit zaghaften ersten
          einen Survey des Grenzgebiets durch        Wirtschaftsreformen.
          und seit 2018 organisiert die Hanns-           Von 2006 bis 2009 führte die
          Seidel-Stiftung zusammen mit der Stadt     Hanns-Seidel-Stiftung ein von der EU
          Gimpo am Gelben Meer regelmäßig            unterstütztes Projekt zur Handelsre-
          Untersuchungen im innerkoreanischen        form in Nordkorea durch. Die Refor-
          Grenzgebiet. Vorerst war diese Arbeit      men waren allerdings nicht konsistent,
          aber auf Südkorea beschränkt, denn ge-     und gleichzeitig hatte der immer ag-
          rade im Grenzgebiet ist Nordkorea vom      gressivere Ausbau der Raketen- und
          Süden aus undurchdringbar.                 Atombewaffnung zur Folge, dass eine
                                                     wirtschaftliche Kooperation nicht mehr
              Von nachhaltiger Forstwirtschaft       möglich war.
              zum Naturschutz – die Arbeit der           Ab 2008 begann die Hanns-Seidel-
              Hanns-Seidel-Stiftung in Nordkorea     Stiftung deshalb eine Zusammenarbeit
          Nach der Aufnahme diplomatischer Be-       im Bereich der nachhaltigen Forstwirt-
          ziehungen 2001 konnten die ersten Kon-     schaft und erneuerbaren Energien. Bei
          takte, die es zwischen Nordkorea und       Letzterem ging es um Projekte zum
          der Hanns-Seidel-Stiftung bereits in den   „Clean Development Mechanism“ des
          1990er-Jahren gab, ab 2003 ausgebaut       United Nations Framework Convention
          werden, als das damalige formale Staats-   on Climate Change (UNFCCC). Im Be-
          oberhaupt, Kim Yong-Nam, Leiter des        reich der nachhaltigen Forstwirtschaft
          Präsidiums der Obersten Volksver-          wurden mit Hilfe deutscher und inter-
                                                     nationaler Experten Förster ausgebildet,
                                                     die später die stark zerstörten Wälder
                                                     Nordkoreas wieder aufforsten sollten.
                                                         Im Zuge der Hungersnot und der
       Ab 2003 konnten die Kontakte                  Wirtschaftskrise der 1990er-Jahre hatte
       der HSS zu Nordkorea zu                       Nordkorea die Abholzung weiter Teile
       KOOPERATIONEN ausgebaut werden.               seiner Wälder zugelassen. Das Holz
                                                     wurde verbrannt und die Flächen oft für
                                                     illegale, aber geduldete Berghangwirt-
                                                     schaft genutzt, und das bis heute. Dies
                                                     hatte katastrophale Folgen wie zum Bei-
                                                     spiel immer wieder auftretende Über-
          sammlung, die Hanns-Seidel-Stiftung        schwemmungen mit vielen Toten, so
          einlud, im Land zu kooperieren. Zu-        auch im August 2021.
          nächst ging es dabei um Wissenstrans-          Von 2014 bis 2017 errichtete die
          fer für mögliche marktwirtschaftliche      Hanns-Seidel-Stiftung daher in einem
          Reformen. Nach der tiefen Krise in Fol-    EU-finanzierten Projekt eine Modellauf-
          ge des Zusammenbruchs des sozialisti-      forstung und Modellbaumschule in
          schen Wirtschaftssystems, das in Nord-     Sangsori nördlich von Pjöngjang. Wich-
          korea auch zu einer Hungersnot führte,     tiger aber war noch die Kooperation mit
          der Hundertausende zum Opfer fielen,       der zentralen Baumschule, wo eine
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Quelle: Bernhard Seliger
Die kleine Insel Yudo im Delta des Han-Flusses liegt im Niemandsland von Nord- und Südkorea, das
nördliche Ufer gehört zu Nordkorea. Die HSS führt hier seit einigen Jahren ein Umweltschutzprojekt
mit der Stadt Gimpo im Süden durch.

Webseite für das nordkoreanische Intra-            heiten setzte, und aufgrund der wirt-
net gestartet wurde, auf der bereits mil-          schaftlichen Lage Nordkoreas, wonach
lionenfach Informationen aufgerufen                nach der Ernte alle Felder akribisch auf
wurden, die sonst für Förster, die nicht           noch nicht eingesammelte Erntereste
in Pjöngjang leben, praktisch unerreich-           untersucht wurden, verschwunden war.
bar wären.                                         Für die großen Kraniche sind solche
    Neben diesen Projekten war es stets            Rastplätze auf dem Weg von Norden
auch das Interesse der HSS, die Aktivi-            nach Süden und umgekehrt aber not-
täten des Naturschutzes, die auf der               wendig, um Energie für die weiten Flüge
Südseite der Halbinsel bereits bestan-             zu sammeln.
den, mit denen des Nordens zu verbin-                  Die Hanns-Seidel-Stiftung unter-
den. Dies gelang zuerst in einem Projekt           stützte das Projekt durch ein Training
mit Birdlife Asia und der Internationa-            im Bereich der organischen Landwirt-
len Kranichstiftung in Anbyon bei Won-             schaft und im integrierten Landwirt-
san an der Ostküste Koreas. Dort hatte             schaftsmanagement. Dabei kam dem
es einen alten Kranichrastplatz gegeben,           HSS-Projekt in Pingdu in der Provinz
der aber durch die Landwirtschaftspoli-            Shandong in China, wo eine große
tik Nordkoreas, die auf größere Feldein-           Landwirtschaftsschule eine duale Be-
                                                                          499/2021 // POLITISCHE STUDIEN   21
IM FOKUS

          rufsausbildung in landwirtschaftlichen       ein anderer wichtiger Lebens- und Rast­
          Berufen nach deutschem Vorbild ver-          raum für tausende von Zugvögeln.
          mittelt, eine wichtige Rolle zu. Hier fand       2014 konnte auf unsere Initiative hin
          ein Großteil der Ausbildung von nord-        erstmals gemeinsam mit UN-ESCAP ein
          koreanischen Experten aus der Pisan-         Survey in dieser Gegend durchgeführt
          Ri-Farm in Anbyon sowie von der Aka-         werden, dem weitere sieben Surveys mit
          demie für Wissenschaften, die das Pro-       Birds Korea folgten. Die Surveys waren
          jekt auf nordkoreanischer Seite wissen-      auch mit intensiver Ausbildungsarbeit
          schaftlich begleitete, statt. Tatsächlich    für lokale Behörden verbunden. Diesen
          benutzten nach den Renaturierungs-           wurde dabei vorgeschlagen, mittels sanf-
          maßnahmen ab 2010 die seltenen man-          tem Tourismus den schwierigen Spagat
          dschurischen Kraniche (Grus japonica)        von Erhaltung der Lebensräume und
          und Weißnackenkraniche (Grus vipio)          wirtschaftlicher Entwicklung zu schaf-
          wieder regelmäßig die Reisfelder bei An-     fen. Auch wurden zahlreiche Arten wie-
          byon auf ihrem Zugweg.                       der oder neu bestätigt, oftmals fast hun-
              Leider wurde das Projekt 2015 end-       dert Jahre nach den letzten international
          gültig gestoppt. Eine kontinuierliche Ar-    bekannten Surveys, die um die Jahrhun-
          beit ist in Nordkorea nicht einfach.         dertwende im damaligen Korea und spä-
          Nordkorea hat ein großes Interesse an        ter der japanische Kolonie Korea durch-
          eng umgrenzten Projekten, die zeitlich       geführt wurden. 2018 wurde aufgrund
          befristet sind und möglichst einen gro-      dieser Forschungsarbeiten diese einzig-
          ßen Materialanteil haben. Für die Nach-      artige Region von Nordkorea als eines
          haltigkeit von Projekten ist das jedoch      der ersten beiden Ramsar-Schutzgebiete
          hinderlich. Deswegen suchte die Hanns-       („Wetlands of international impor-
          Seidel-Stiftung nach anderen Wegen, um       tance“) ausgewiesen.
          diese Nachhaltigkeit besser zu erreichen.
                                                          Internationale und inter-koreani-
                                                          sche Kooperation beim Naturschutz
                                                          auf der koreanischen Halbinsel
                                                       Projekte wie die Musteraufforstung in
       Nordkorea bevorzugt BEFRISTETE                  Sangsori, das Kranichschutzprojekt in
       Kooperationsprojekte.                           Anbyon und die Arbeit in Rason waren
                                                       wichtig, um das Verständnis für nach-
                                                       haltige Umweltentwicklung und Natur-
                                                       schutz in Nordkorea zu schärfen. Doch
                                                       es blieb das Ziel, dies auf nationaler
                                                       Ebene zu verankern. Dies konnte ab
              Bereits seit 2009 war die Stiftung mit   2015 in einem Projekt entstehen, das
          Projekten, u. a. zur Wirtschaftsentwick-     von der Hanns-Seidel-Stiftung feder-
          lung und organischen Landwirtschaft in       führend geleitet wurde, an dem aber
          der Sonderwirtschaftszone Rason tätig,       auch die East Asian Australasian Flyway
          die an der Grenze von Russland, China        Partnership (EAAFP), die Ramsar Con-
          und Korea liegt. Dort befindet sich am       vention on Wetlands, die International
          Delta des Tumen-Flusses und in den an-       Union for the Conservation of Nature
          liegenden Lagunenseen an der Ostküste        (IUCN), der World Wildlife Fund
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(WWF) und weitere Partner beteiligt        der Region. Die Hanns-Seidel-Stiftung
waren. Ziel des Projekts war es, Nord-     Korea ist selber seit 2017 Mitglied, ein
korea stärker in internationale Struktu-   Ausdruck für die inzwischen vielfälti-
ren im Umwelt- und Naturschutz einzu-      gen Beziehungen im Naturschutzbe-
binden.                                    reich in der Region. Der Ramsar Con-
    Besonders interessant ist der Fall     vention on Wetlands ist sie als 170. Mit-
der EAAFP. In der 2006 gegründeten         glied beigetreten. Die Mitgliedschaft in
Organisation, die sich dem Schutz der      den beiden Organisationen ist nicht nur
Zugvögel von Alaska und Russland bis       für den Naturschutz in Nordkorea be-
hin zu Australien und Neuseeland ver-      deutend, sondern auch ein Weg, Nord-
schrieben hat, sind derzeit 18 Staaten     korea mit der internationalen Gemein-
(darunter die USA, Russland, China,        schaft und sogar Südkorea zusammen-
Südkorea und Japan), 6 zwischenstaat-      zubringen. Die – teils selbstgewählte,
liche Organisationen, 1 internationale     teils durch aggressive Politik selbst ver-
Organisation, 13 internationale Nicht-     ursachte – Isolation stellt heute eines der
regierungsorganisationen und 1 Unter-      gravierendsten Probleme Nordkoreas
nehmen vereint. Nordkorea war kein         dar. Internationale Kooperation aber
Partner bei der Gründung. Ähnlich ver-     kann dabei helfen, diese Isolation zu
hielt es sich bei der Ramsar Convention    überwinden und friedlichen Austausch
on Wetlands, einer internationalen         „einzuüben“.
Konvention mit derzeit 171 staatlichen
Partnern.
    Um die Aufnahme in diese Organi-
sationen zu erreichen, musste Nord­
korea bestimmte Voraussetzungen er-          Naturschutz kennt keine Grenzen
füllen wie die Ausweisung von Ramsar-        und bietet sich als ein WEG aus der
Schutzgebieten. Besonders wichtig war        Isolation an.
eine Auflistung aller wichtigen Feucht-
biotope. Es gab ein älteres Wetland-In-
ventory, das aber dringend erneuert
werden musste. Dazu wurden Trai-
ningsmaßnahmen durchgeführt und an
zwei Surveys an der Ostküste Koreas            Für die meisten der jüngeren Diplo-
war die HSS zusammen mit Birds Ko-         maten und Funktionäre Nordkoreas aus
rea maßgeblich beteiligt.                  dem Umweltministerium sind internati-
    Am Ende konnte 2018 ein neues          onale Ausbildungsmaßnahmen, Studi-
Wetland Inventory publiziert werden, in    enreisen und Treffen (wie die alljährli-
dem die 54 wichtigsten Biotope mit Kar-    chen Mitgliederversammlungen, „Con-
ten und umfassendem Material be-           vention of the parties“) eine erste Mög-
schrieben werden, darunter auch Gebie-     lichkeit, überhaupt mit Südkoreanern
te direkt an der Demilitarisierten Zone,   und anderen Teilnehmern aus der Regi-
die bis dahin für die Forschung selbst     on zusammenzukommen und zusam-
bei Nordkoreanern ein Tabu waren.          menzuarbeiten. Das mag nicht sehr be-
    2018 konnte Nordkorea dann Mit-        deutsam klingen, aber in einer Situati-
glied der EAAFP werden, als 18. Staat in   on, in der alle anderen Kanäle nicht
                                                               499/2021 // POLITISCHE STUDIEN   23
IM FOKUS

          mehr funktionieren, sind die Projekte      Partnern in Pjöngjang durchgeführt
          der Hanns-Seidel-Stiftung oft das einzi-   werden, bei dem 30 nordkoreanische
          ge Verbindungsglied beider Seiten. Bei-    Forstexperten Vorträge zum Thema bio-
          spielsweise konnte, nachdem Südkorea       logische Schädlingsbekämpfung von
          monatelang vergeblich Nordkorea um         Professor Michael Müller von der Tech-
          Kooperation bei der Bekämpfung der         nischen Universität Dresden hörten.
          Afrikanischen Schweinepest gebeten         Dies gibt Anlass zur Hoffnung, dass
          hatte, das erste gemeinsame Seminar        auch in Zukunft, online oder bald auch
          zum Thema überhaupt zusammen mit           wieder offline, die friedliche Kooperati-
          deutschen und chinesischen Experten        on weitergeht und so ein kleiner, aber
          im Dezember 2019 in Tsingtao von           wichtiger und wirksamer Beitrag dazu
          der Hanns-Seidel-Stiftung durchgeführt     geleistet wird, die Menschen Nord- und
          werden.                                    Südkoreas, abseits von der großen Poli-
                                                     tik, zusammenzuführen. ///
              Ausblick
          Die Zusammenarbeit mit Nordkorea ist
          eine Gratwanderung, was sich nicht zu-
          letzt darin zeigt, dass sie immer wieder
          von Nordkorea unterbrochen wurde
          und die Hanns-Seidel-Stiftung mehr-
          fach das Land verlassen musste. Doch
          die Geduld für eine friedliche Zusam-
          menarbeit zahlte sich aus. 2018 bekam
          die Hanns-Seidel-Stiftung für ihre Ver-    /// D
                                                          R. BERNHARD SELIGER
          dienste um die Kooperation in Nordost-     ist Länderrepräsentant der Hanns-Seidel-
          asien den „TEMM20 Special Contribu-        Stiftung in Südkorea.
          tion Award“ der trilateralen Umweltmi-
          nistertreffen von China, Japan und Süd-
          korea im chinesischen Suzhou verliehen.
          Als dann Anfang 2020 zu Beginn der
          Corona-Pandemie Nordkorea komplett
          die Grenzen schloss, gab es die Befürch-
          tung, dass eine neue Auszeit in der Ko-
          operation einsetzen könnte. Doch das
          nordkoreanische Umweltministerium
          arbeitete sehr aktiv an den Programmen
          im Land weiter, darunter dem Asian
          Waterbird Census, einer sehr wichtigen
          asienweiten Vogelzählung, zu dem
          Nordkorea erstmals Daten beisteuerte
          und so eine wichtige Wissenslücke
          schloss.
              Im August 2021 konnte zum ersten
          Mal mit einer deutschen Institution
          überhaupt ein Online-Seminar mit den
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