Wann ist eine Strahlentherapie bei gutartigen Erkrankungen sinnvoll?
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BERICHT Wann ist eine Strahlentherapie bei gutartigen Erkrankungen sinnvoll? Zum Einsatz von Strahlen bei Fersensporn & Co. Strahlen werden nicht nur bei bösartigen Erkrankungen erfolgreich einge- Ansprechen auf Strahlen zu rechnen», setzt. Auch im Fall von Fersensporn, Tennisellenbogen oder Morbus Dupuyt- erklärt Seegenschmiedt. Als Indikationen für eine Strahlenthera- ren kann eine Strahlentherapie hilfreich sein, aber hier ist sie im therapeuti- pie bei schmerzhaften Prozessen gelten: schen Angebot sehr viel weniger präsent. Einen Überblick über die damit ver- ❖ Gelenkschmerzen (mit behinderter bundenen Möglichkeiten und Grenzen bot eine Fortbildung der Klinik für Normalfunktion), die sich als refrak- tär gegen konventionelle Behandlun- Radio-Onkologie des Universitätsspitals Zürich, ergänzt durch ein Update zur gen erwiesen haben; Arthrosetherapie. ❖ eine funktionelle Inoperabilität oder Ablehnung einer Operation; ❖ lange Wartezeit bis zur geplanten Christine Mücke Operation; ❖ Kontraindikationen gegen andere Schon seit Jahrzehnten wird die Strah- Unter den entzündlichen Veränderun- Behandlungen. lentherapie auch bei gutartigen Erkran- gen haben die aktivierten Arthrosen kungen eingesetzt, ohne dass dazu ent- mit fast 40 Prozent den grössten Anteil, Antientzündlich oder inflamma- sprechende Evidenz vorlag. «Aber in danach folgen Fersensporn (25%) und torisch – die Dosis macht’s den letzten Jahren sind gute randomi- Periarthropathien der Schulter (21%). Die immunmodulierenden Eigenschaf- sierte Studien gemacht worden», sagte Bei Patienten mit schmerzhaften Ge- ten der Strahlen unterscheiden sich je Prof. Dr. Guckenberger, Universitäts- lenkbeschwerden gibt die Anamnese nach Dosis: Im Niedrigdosisbereich spital Zürich. Wesentlichen Anteil wesentliche Hinweise auf Art und Aus- (Einzeldosis < 1 Gy, Gesamtdosis < 12 Gy, daran hatte Prof. Dr. M. Heinrich See- prägung der Schmerzen. Etwa das nur perkutan) wirken sie antientzünd- genschmiedt aus dem Strahlenzentrum Schmerzprofil, die Funktion, auch be- lich. Im Hochdosisbereich (Einzeldosis Hamburg, der sich seit 1995 in der rufliche Anforderungen oder (sportli- 1,8–2 Gy; Gesamtdosis > 30 Gy; per- Arbeitsgruppe «Gutartige Erkrankun- che) Hobbys gehören dazu. Aber auch kutan und interstitiell) der Therapie gen» der Deutschen Gesellschaft für die Ursache ist zu hinterfragen: Ist die maligner Tumoren hingegen haben sie Radioonkologie (DEGRO) dem Ein- Entzündung sekundär? Liegt eine Frak- inflammatorische Effekte. satz der Strahlen bei gutartigen und tur oder ein Trauma zugrunde? Wie Die lindernde Wirkung einer Niedrig- entzündlichen Erkrankungen widmet. sieht es mit Differenzialdiagnosen aus? dosisbestrahlung bei schmerzhafter 1995 entstanden in Deutschland die Wichtig: Eine Strahlentherapie kommt Arthrose erklärt Seegenschmiedt mit ersten nationalen Konsensusleitlinien, nicht in einer primären Schmerzsitua- zellulären und molekularen Effekten, die regelmässig überarbeitet zurzeit als tion infrage – nicht nur wegen der die via Endothel auf Makrophagen und «S2e Leitlinie Strahlentherapie gut- Möglichkeit einer Spontanremission, Leukozyten gerichtet sind. So erfolge artiger Erkrankungen» zur Verfügung sondern es sollten zunächst auch an- etwa im Niedrigdosisbereich eine stehen (siehe Kasten 1). Mit zuneh- dere Interventionen (Ruhigstellung, Dämpfung der Zellaktvität (Down- mendem Wissen hat der Einsatz der Kühlung, Injektionen, ggf. Stosswellen- Regulation), wodurch – ähnlich wie bei Strahlentherapie bei entzündlichen, de- therapie etc.) versucht werden. Medikamenten – apoptopische Reak- generativen, hyperproliferativen so- tionen angestossen werden, die die Ent- wie funktionellen Erkrankungen einen Zeitfenster beachten zündung gezielt reduzieren: «Im Ver- deutlichen Zuwachs zu verzeichnen. «Tritt nach 3 bis 6 Monaten keine Bes- gleich zu oralen Medikamenten, von Dieser betrug von 1999 bis 2004 in serung ein, sollte eine Strahlentherapie denen wir gar nicht genau wissen, wie Deutschland insgesamt 86 Prozent. in Erwägung gezogen werden, denn in sie das Zielgebiet erreichen, sind Strah- Eine Auswertung am Strahlenzentrum vielen Studien wird deutlich, dass das len weitaus gezielter und haben weni- Hamburg von 2009 bis 2013 zeigt, Zeitfenster zwischen 6 und 12 Mona- ger Nebenwirkungen.» Lokoregionaler dass die grösste Zunahme bei degene- ten für eine Strahlentherapie optimal Zugang, schneller Abbau der Ent- rativen Gelenkbeschwerden und hyper- ist. Bei Schmerzen, die länger als 1 Jahr zündung und die nachhaltige Wirkung proliferativen Erkrankungen stattfand. bestehen, ist mit einem schlechteren der Niedrigdosisradiotherapie seien die 368 ARS MEDICI 8 ■ 2016
BERICHT Vorteile einer Strahlentherapie, fasst der Kasten 1: Experte zusammen. Und falls erforder- Aktualisierte Leitlinien 2015 lich, ist auch eine Wiederholung möglich. Die im Springer-Verlag erschienene Leitlinie befasst sich mit Indikationsstellung, Dosis Auswirkungen auf DNA und Erbgut? und Bestrahlungstherapie ausgewählter gutartiger Erkrankungen, unter anderem von Vor dem Entscheid für eine Strahlen- Morbus Dupuytren, Morbus Ledderhose, Keloiden und Induratio penis plastica (1). Für therapie müssen allfällige Risiken und die meisten davon gibt es in der Literatur umfangreiche Evidenz, dass die Strahlenthe- Nebenwirkungen sorgfältig in Betracht rapie eine schonende und effektive Behandlungsoption darstellt (siehe auch Tabelle 1). gezogen werden. Denn trotz der extrem Die Evidenzlevel variieren von 2c bis 4, die Empfehlungsgrade von A bis C. Somit kann kurzen Einwirkung der Strahlen wer- eine Strahlentherapie im Rahmen interdisziplinärer Behandlungskonzepte für die mei- den in den Geweben nicht nur relativ sten der genannten Erkrankungen empfohlen werden, sei es als primärer Ansatz, als kurzfristig einsetzende Reparaturme- wirkungsvolle Alternative oder Ergänzung zu anderen Therapieoptionen. chanismen, sondern vor allem auch langfristige biologische Effekte ange- Erkrankung Evidenzgrad Empfehlung stossen (Abbildung 1). Sowohl Neben- agressive Fibromatose II B wirkungen als auch eine Tumorinduk- tion könnten sich mit grosser Latenz Keloide und hypertrophe Narben II B bemerkbar machen und je nach Alter schmerzhafte degenerative Gelenkerkrankungen = II–III B–C des Patienten auch Jahrzehnte später aktivierte Arthrose noch relevant sein, betonte Dr. Nico- schmerzhafte Insertionstendinopathie II–III B–C laus Andratschke, Universitätsspital Zürich. Morbus Dupuytren (Handfläche) II–III B–C Morbus Ledderhose (Fusssohle) III C Genetisches Risiko vor allem bei Älteren zu vernachlässigen Insgesamt ist das Krebsrisiko abhängig Evidenz- und Empfehlungsgrade lehnen sich an das Schema des Oxford Centre of Evi- von der Strahlendosis, vom exponier- dence-Based Medicine für die Therapie von Erkrankungen an. Studien der Klasse Ia ten Organ, vom Volumen des bestrahl- haben die höchste Evidenz, Studien der Klasse IV die geringste. Je besser der Evidenz- grad, desto besser ist die wissenschaftliche Begründbarkeit für eine daraus abgeleitete ten Gewebes sowie vom Alter der Be- Therapieempfehlung, die Empfehlungen Grad A, B, C und D bedeuten soll/sollte/kann troffenen. Diese Überlegungen sind vor durchgeführt werden beziehungsweise die Entscheidung ist offen. Mü allem für Patienten mit Kinderwunsch relevant. Für die mehrheitlich bereits Radiotherapy for Non-Malignant Disorders, Editors: Michael Heinrich Seegenschmiedt MD, Hans-Bruno Makoski MD, Klaus-Rüdiger Trott MD, Luther W. Brady MD, ISBN: 978-3-540-62550-6 (Print) 978-3-540-68943-0 (Online) über 50 Jahre alten Patienten, die zur Bestrahlung gutartiger Veränderungen kommen, seien sie jedoch zu vernach- lässigen, so Andratschke. Grundsätz- Biologische Effekte von Bestrahlung lich sei die Strahlenempfindlichkeit bei Jüngeren grösser, zudem das Lebens- zeitrisiko aufgrund der noch längeren DNA-Schaden Lebenszeit höher. Wenn es um die Bestrahlung wegen gut- Zelltod Zellüberleben artiger Erkrankungen geht, werden Grenzwerte, ab denen sicher mit einer Tumorinduktion zu rechnen ist (deter- Mukositis, Hautschäden somatische Zelle Karzinogenese ministischer Effekt), nicht erreicht. Al- Infertilität Keimzelle Mutationen lerdings hat prinzipiell jede Strahlenbe- lastung tumorinduzierendes Potenzial, das jedoch nicht zwingend auch zu einem Tumor führt (stochastischer Ef- fekt) – hierfür gibt es keinen Grenzwert. Deterministische Effekte Stochastische Effekte «Zur Abschätzung des Gesamtrisikos nt eleva einer Tumorinduktion versuchen wir, r n icht r ❖ Schweregrad ❖ Wahrscheinlichkeit die Wirkung einer applizierten Strah- ie Hdosisabhängig dosisabhängig lendosis über die effektive Dosis zu ❖ Schwellenwert ❖ kein Schwellenwert beurteilen», erklärte der Experte. Die effektive Dosis setzt sich zusammen aus Äquivalenzdosis und – aufgrund unter- Abbildung 1: Auch eine kurze gezielte Bestrahlung kann mit langfristigen Auswirkungen schiedlicher Strahlensensitivität – organ- einhergehen. Jede Strahlenbelastung hat tumorinduzierendes Potenzial, das jedoch nicht spezifischem Wichtungsfaktor. Am Bei- zwingend auch zu einem Tumor führt. spiel der Bestrahlung eines Fersensporns ARS MEDICI 8 ■ 2016 369
BERICHT wird die Indikation bei uns sehr vor- sichtig und erst nach Ausschöpfung der So sehe ich das Alternativen gestellt.» Dr. med. Adrian Forster, Kantonsspital Winterthur Die eher konservative Indikationsstel- lung zur Strahlentherapie am USZ be- stätigte Guckenberger in der anschlies- senden Frage- und Antwortrunde: «Auch wenn die Zahlen eine andere Meiner Erfahrung nach sind die besten Indikationen für einen Strahlentherapie bei gut- Einschätzung erlauben und das Risiko artigen Erkrankungen einerseits entzündliche Erkrankungen im engeren Sinne, näm- absolut und relativ vertretbar ist, be- lich Enthesitiden im Rahmen von Spondyloarthritiden, typischerweise Ferse, welche auf handeln wir junge Patienten nicht. Wir die medikamentöse Therapie wie TNF-Hemmer nicht ansprechen, andererseits diffuse konzentrieren uns auf ein Patienten- proliferative Erkrankungen, insbesondere die plantare Fibromatose – Morbus Ledder- kollektiv, bei dem wir keine relevanten hose –, wenn diese zu ausgedehnt ist, um sie mittels Steroidinfiltration anzugehen. An Risiken sehen.» zweiter Stelle stehen für mich polyartikulär stark aktive Fingerpolyarthrosen. ❖ Strahleneinsatz bei Fibromatosen: vom Morbus Dupuytren ... Wann bei Fibromatosen eine Indika- tion zur Stahlentherapie vorliegt, fasste Die optimale Patientenselektion Guckenberger im nächsten Vortrag zu- sammen. Er begann mit dem Morbus Die richtige Indikation Dupuytren, einer proliferativen Er- krankung der Fibroblasten mit hoher Prävalenz. Ihr Altersgipfel liegt bei 50 bis 60 Jahren, sie ist deutlich häufiger Alter < 30 Jahre Alter 30 bis 50 Jahre Alter > 50 Jahre bei Männern. Bekannt sind als Risiko- faktoren unter anderem genetische und Umweltfaktoren, Alter, Tabak- und keine RT nach Ausschöpfen frühzeitige RT Alkoholkonsum sowie assoziierte Er- der Alternativen sinnvoll krankungen wie Diabetes oder Krebs – RT: Radiotherapie dennoch bleibt der genauere Zusam- menhang noch weitgehend unklar. Vorliegen und Ausmass einer allfälligen Abbildung 2: Bei grundsätzlich richtiger Indikation orientiert sich die Entscheidung für oder Kontraktur sind wichtige Kriterien für gegen eine Strahlentherapie am Alter. das therapeutische Vorgehen. Im kli- nisch fortgeschrittenen Stadium mit re- mit 6 × 0,5 Gy zeigte Andratschke, dass und das Risiko mit 0,1 beziehungs- levanten, schmerzhaften Kontrakturen die effektive Dosis auch ohne Strahlen- weise 0,05 Prozent bereits etwas höher. und beeinträchtigter Lebensqualität wird schutzmassnahmen mit 0,0015 Sievert Vor dem Hintergrund eines allgemei- chirurgisch interventiert. Im interme- niedrig und das additive genetische nen Lebenszeitrisikos für eine Krebs- diären Stadium kann als einzige nicht Risiko in diesem Fall verschwindend erkrankung von 20 bis 25 Prozent ist chirurgische Option Kollagenase inji- gering ist. Zum Vergleich: Die Strah- diese Risikoerhöhung jedoch praktisch ziert werden – eine effektive Mass- lenbelastung eines Abdomen-CT liegt nicht nachweisbar. nahme, trotzdem bleiben bei einem bei 0,02 Sievert. Drittel der Patienten residuelle Kon- Eine gute Patientenselektion trakturen und Bewegungseinschrän- «Das genetische Risiko ist bei den ist entscheidend kungen. Eine Strahlentherapie ist im Im Vergleich zu den gastrointestinalen frühen proliferativen Stadium der Er- meisten Strahlenbehandlungen gut- und kardiovaskulären Risiken, die etwa krankung ohne relevante Kontraktu- artiger Erkrankungen nicht relevant.» mit einer Vorbehandlung durch NSAR ren indiziert, mit dem Ziel, die Progres- einhergehen, ist die Strahlenbehand- sion zu stoppen. Die beste Studie dazu Das Risiko einer Tumorinduktion als lung eine sichere Methode – für den stammt aus Erlangen; sie umfasst 135 Spätfolge wird ähnlich abgeschätzt. Al- richtigen Patienten mit der richtigen Patienten im Frühstadium mit progre- tersabhängig liegt das Lebenszeitrisiko Indikation (siehe Abbildung 2), so das dienter Erkrankung über mindestens wiederum im Fall einer Fersenspornbe- Fazit von Andratschke: «Unter 30 Jah- 6 Monate. Diese wurden mit 10 x 3 Gy strahlung zwischen 0,009 (Risiko bei ren ist die Risikoabschätzung schwie- in zwei Serien bestrahlt. Je früher ein Bestrahlung mit 50 Jahren) und 0,005 rig, da sehen wir im Moment von einer Krankheitsstopp erzielt werden konnte, Prozent (Risiko bei Bestrahlung im Strahlentherapie ab. Bei Patienten über desto höher die Möglichkeit einer lang- Alter von 70 Jahren) sehr niedrig. Bei 50 Jahre ist ein früher Einsatz der fristigen Stabilisierung, so Guckenber- einer Palmarfibromatose (10 × 2 Gy) Strahlentherapie sinnvoll und das Risi- ger weiter – in der Studie gelang das nach liegt die effektive Dosis bei 0,25 Sievert koprofil zu rechtfertigen. Dazwischen 13 Jahren in 70 bis 87 Prozent der Fälle. 370 ARS MEDICI 8 ■ 2016
BERICHT Und die Beschwerden? Zwei Drittel der 10 Sitzungen. Damit können Progres- Fazit: Bei den drei genannten hyperpro- Patienten erfuhren eine Linderung, bei sion und Schmerzen bei über 80 Prozent liferativen Fibromatosen sollte die An- 14 Prozent blieben die Beschwerden der Patienten kontrolliert werden. wendung von Strahlen früh erwogen unverändert, und bei 20 Prozent kam Eine weitere Option für den Einsatz werden – jedoch nur bei progredienten es zur Progression. Die Späteffekte der von Strahlen kann der seltenere Mor- Erkrankungen, da grundsätzlich die Strahlentherapie waren relativ mild und bus Peyronie sein. Er stellt für die Be- Möglichkeit einer Spontanremission wahrscheinlich der normalen Hautalte- troffenen eine sehr grosse Belastung dar besteht. Solange keine oder allenfalls rung vergleichbar, berichtete der Experte. und hat seinen Häufigkeitsgipfel im geringe funktionelle Einbussen vorlie- Überdies konnte trotz Bestrahlung im Alter zwischen 50 und 70 Jahren. In den gen, kann bei einer relevanten Zahl von weiteren Verlauf erfolgreich operiert aktuellen AUA-Leitlinien werde die Strah- Patienten mit einer Strahlentherapie die werden (erforderlich in 42 Fällen). lentherapie zwar nicht empfohlen, aber Erkrankung zum Stillstand gebracht es gebe eine ganze Reihe von Unter- und ein chirurgisches Verfahren ver- ... bis Morbus Ledderhose und suchungen – viel mehr als bei einigen hindert werden, fasste Guckenberger Morbus Peyronie anderen Indikationen, berichtete Gu- zusammen. ❖ Bei einer Fibromatose der Plantar-Apo- ckenberger. So zeigen aktuelle Studien neurose (Morbus Ledderhose) sind bei 29 bis 75 Prozent der Behandelten Christine Mücke Kontrakturen seltener, im Vordergrund eine Verbesserung – sei es eine Reduk- stehen Schmerzen und Einschränkun- tion der Schmerzen (56–100%) oder Quelle: Symposium Strahlentherapie: Unerwartete Hilfe bei Fersensporn, Tennisellenbogen und Morbus Dupuytren. gen der Gehfähigkeit durch die knoti- der Deviation (11–78%). Wichtig ist Donnerstag, 14. Januar 2016, Universitätsspital Zürich. gen Veränderungen. Analog zum Mor- auch hier eine frühe Indikationsstellung: bus Dupuytren wird vorzugsweise in Liegt erstmal eine grössere Deviation frühen Stadien bestrahlt, lokalisiert in vor, bildet sie sich nicht mehr zurück. Update Arthrose: Klinische Kompetenz gefragt Bevor eine Arthrose ein Fall für den Radiologen wird, vergeht meist einige genannte Effekt-Size; jeweils im Ver- Zeit. Bis dahin spielen die richtige Diagnose und Therapie eine wichtige Rolle gleich zu Plazebo bzw. Kontrolle). Die Zusammenfassung von Studien ver- – und dabei vor allem die klinische Kompetenz des betreuenden Arztes. schiedener Interventionen zeigt bei- spielsweise, dass Paracetamol (Wirk- Christine Mücke grösse 0,15) wesentlich weniger wirk- sam ist als eine Gewichtsreduktion (0,20) und etwas wirksamer als Infor- Der erste Reflex bei Patienten mit Die symptomatische Arthrose ist mationen über das Krankheitsbild (0,1). Arthrose ist häufig ein Röntgenbild. charakterisiert durch intraartikuläre Paracetamol wird häufig aus Angst vor Dieses bringt aber in der Regel weder Schmerzen, Anlauf-, Bewegungs- und den gastrointestinalen Nebenwirkun- diagnostisch noch für das weitere Pro- Belastungsschmerzen, sobald Druck gen unter NSAR gegeben – dabei geht zedere wichtige Erkenntnisse, bedau- auf das Gelenk ausgeübt wird (z.B. es selbst mit einem solchen Risiko erte Dr. Pius Brühlmann, Universitäts- treppab auf das Knie oder treppauf auf einher. Einen diesbezüglichen Schutz spital Zürich, zum Auftakt seines Up- die Hüfte). Die dekompensierte Ar- ermöglicht entweder die zusätzliche dates über die Arthrose. Denn eine throse ist wahrscheinlich therapeutisch Gabe von Protonenpumeninhibitoren latente Arthrose ist nicht behandlungs- am komplexesten, dabei liegen Irrita- (PPI) oder der Einsatz von Coxiben an- bedürftig. Bei symptomatischer Arthrose tionen im Bereich der Sehnen, Bänder stelle von nicht steroidalen Antirheu- ist es für das weitere Vorgehen ent- und Muskeln vor; hier kann man nicht matika (NSAR). scheidend, woher der Schmerz kommt. nur medikamentös eingreifen, sondern Topische Präparate sind mit einer Ist er intraartikulär, periartikulär, ent- muss auch funktionell auftrainieren. Wirkgrösse von 0,45 recht effektiv, so zündlich oder mechanisch verursacht? der Experte. Die absolute Wirkung «Und dafür benötigen Sie nur ihre Interventionen setzt sich wahrscheinlich zusammen klinische Kompetenz, weder Röntgen und ihre Wirksamkeit aus der transkutanen Resorption sowie noch MRI», betonte der Rheumato- Die Wirksamkeit verschiedener Inter- dem physikalischen Effekt der Einrei- loge. «Das Röntgenbild zeigt allenfalls, ventionen hinsichtlich des Schmerzes bung (ausser beim Pflaster Tissugel dass der Knorpel etwas verringert ist.» lässt sich als Wirkgrösse angeben (so- [Flector®]). ARS MEDICI 8 ■ 2016 371
BERICHT zeigen konnte. Steroide schnitten im nicht endgültig geklärt; ebenso wenig be- Injektion Glukokortikoide: Vergleich zu NaCl hinsichtlich Gelenk- legen Studien, inwieweit Prothesen ver- spalt und Nebenwirkungen vergleich- hindert oder verzögert werden können. Empfehlungen für die Praxis bar ab, in Bezug auf Schmerz und ❖ Intervall: mind. 4 Wochen warten Funktion jedoch signifikant besser. Gewichtsabnahme korreliert ❖ Anzahl: max. 4 mal pro Jahr Alles in allem können sie bei guter Indi- mit Knorpelabbau ❖ Dosis (Kenacort®*): kation relativ grosszügig eingesetzt Eine weitere hervorragende – und nicht – grosse Gelenke 40 mg werden (siehe auch Kasten links), so nur symptomatische, sondern auch – mittlere Gelenke 20 mg das Fazit des Experten. chondroprotektive – nicht pharmako- – kleine Gelenke 5-10 mg logische Massnahme bei Gonarthrose Ist ein Knorpelschutz möglich? ist die Gewichtsabnahme. Schon mit * Die Kristallform von Kenacort® bleibt länger Können wir den Knorpel erhalten oder einer durchschnittlichen Reduktion im Gelenk als die anderer Steroide, damit ist sogar wieder verbessern? Dafür sind von 10 Prozent in einem Jahr konnte es bei entzündlicher Arthrose die beste Wahl die Glykosaminoglykane Chondroitin- die Abnahme des medialen Knorpels für langanhaltende Wirkung. sulfat und Glukosaminsulfat geeignet. reduziert werden, so Ergebnisse einer Sie stimulieren die Proteoglykan- und Untersuchung, die am letzten Jahres- Hyaluronsäuresynthese und hemmen treffen der Radiological Society of Die intraartikulär zu applizierende degradierende Enzyme. Ihre knorpel- North America (RSNA) präsentiert Hyaluronsäure kann in alle Gelenke schützende Wirksamkeit wurde in eini- wurden. Je grösser der Gewichtsverlust gespritzt werden; am häufigsten wird gen Studien zur Gonarthrose belegt; war, desto weniger wurde der Knorpel dies im Knie-, Hüft-, Daumensattel- radiologisch betrachtet konnte die Ab- abgebaut, wie im MRI gezeigt werden und Zehengrundgelenk gemacht. Sie nahme des Gelenkspaltes im Vergleich konnte. wirke zum einen durch das hochmole- zu Plazebo signifikant reduziert wer- kulare Netz stossdämpfend, zum ande- den. Auch MRI-Studien haben mittler- Eigenbluttherapie als neue ren werde die Gleitwirkung verbessert, weile gezeigt, dass die Substanzen Therapieoption? erläuterte Brühlmann. «Es gibt jedoch das Knorpelvolumen stabilisieren und Brühlmann sprach noch eine neuere relativ wenig Studien. Wir injizieren gegenüber Plazebo die Progression Massnahme an, die am Universitätsspi- mittlerweile einmal und schauen, wie verhindern können. Bei Fingerpoly- tal Zürich näher untersucht werden lange die Wirkung anhielt, das variiert arthrose zeigten weitere Daten die soll. Es geht um die Auswirkungen durchaus. Die hochmolekularen Sub- Wirksamkeit von Chondroitinsulfat einer intraartikulären Eigenblutthera- stanzen sind teurer, aber in der Wir- (Condrosulf®): Unter radiologischer pie im Vergleich zur Steroidinjektion. kung den tiefmolekularen nicht über- Beobachtung über drei Jahre kam es bei Die Applikation der angereicherten legen», ergänzte der Referent. Ob ein Patienten unter dem Verum in 8,8 Pro- Plättchen, eine Mischung aus 300 bis chondroprotektiver Effekt vorliegt, ist zent zu einer Progression versus 30 Pro- 400 Substanzen, stimuliert die Knor- nicht untersucht; Hyaluronsäure ist zent unter Plazebo. «Wir können zur pelmatrixsynthese und wirkt antient- nach wie vor nicht als KVG-Leistung Dauer der Einnahme momentan wenig zündlich. Interessant könnte das vor abrechenbar. sagen. Die Substanz wurde über drei allem in bradythrophen Geweben Steroide haben, intraartikulär injiziert, Jahre untersucht, und es gibt keine (Sehnen/Enthesen) und abgeschlosse- eine gute Wirkgrösse (0,6). Sie kommen Hinweise dafür, dass die Wirkung da- nen Räumen (Gelenken) sein. ❖ insbesondere bei aktivierten Arthrosen nach nachlässt.» Es wirke zudem sogar zum Einsatz; bei symptomatischen Ar- in signifikantem Ausmass auf Schmerz Christine Mücke throsen ohne Entzündung ist Hyalu- und Funktion, «auch wenn wir es dafür ronsäure besser. Die Angst vor Nekro- eigentlich nicht geben», so Brühlmann sen oder Knorpelabbau unter Steroiden weiter. Aber es gibt auch noch etliche Quelle: Symposium Strahlentherapie: Unerwartete Hilfe ist unbegründet, wie eine schon etwas offene Fragen zur Chondroprotektion: bei Fersensporn, Tennisellenbogen und Morbus Dupuytren. ältere Untersuchung bei Gonarthrose Beginn und Dauer einer Therapie sind Donnerstag, 14. Januar 2016, Universitätsspital Zürich. 372 ARS MEDICI 8 ■ 2016
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