Neu in der Urologie - Bayerisches Ärzteblatt

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Neu in der Urologie - Bayerisches Ärzteblatt
Neu in der Urologie
In chirurgischen Fächern ist der Trend zur    Case Report 1                                       pensierten benignen Prostatasyndroms (BPS)
Miniaturisierung sowie zur Weiterentwick-                                                         werden bei weiterführenden diagnostischen
lung und Implementierung von techni-          En-bloc Holmium-Laserenukleation der Pros­­         Schritten folgende Befunde erhoben (Normwerte
schen Neuerungen in den klinischen Alltag     tata (HoLEP) bei großem Prostataadenom              in Klammern): Restharnbildung im Restharnpro-
ungebrochen. Insbesondere die Urologie                                                            tokoll > 200 ml (Norm bis 50 ml), Prostatagröße
                                              Ein 62-jähriger Patient wird mit akuter Nieren-     im transrektalen Ultraschall ca. 150 cm3 (Norm
fungiert hier häufig als Innovationsmo-
                                              schädigung (Oligurie seit 36 Stunden mit zu-        15 bis 20 cm3), Blasenwanddicke 1,3 cm (Norm
tor und Taktgeber: Beispielsweise tritt die   nehmender Somnolenz, Kreatinin i. S. 8,8 mg/dl,     bis 0,7 cm) und ein PSA-Wert im Serum von
roboterassistierte Laparoskopie ausge-
­                                             Kalium 7,1 mmol/l, Harnstoff 249 mg/l, korri-       1,4 ng/ml (Norm bis 4 ng/ml.).
hend vom Nischeneinsatz bei der radikalen     gierter Basenüberschuss -8,9 mmol/l) über die
Prostatektomie ihren Siegeszug mittler-       nephrologische Abteilung vorgestellt. Die bett-     Nach Konsolidierung der akuten Krankheitsphase
weile auch in weiteren operativen Gebie-      seitige Sonografie zeigt eine bilaterale, ausge-    werden die möglichen operativen therapeuti-
ten an.                                       prägte Harntransportstörung beider Nieren sowie     schen Optionen mit dem Patienten ausführlich
                                              einen Harnverhalt mit prall gefüllter Harnblase     besprochen und eine En-bloc Holmium-Lase-
Aber auch in der Endourologie, die tra-       als Ausdruck einer subvesikalen Obstruktion.        renukleation (HoLEP) angeboten. Der Eingriff
ditionell einen großen Teil der klinischen    Als Notfallmaßnahmen wird der Harnverhalt           wird im Folgenden in Spinalanästhesie mit einer
Tätigkeit des Urologen einnimmt, sind in      durch einen suprapubischen Katheter entlastet       Operationszeit von 57 Minuten durchgeführt.
                                              (2,3 Liter) und eine Notfalldialyse durchgeführt.   Das Adenom wird in einer En-bloc-Technik „am
der letzten Dekade bemerkenswerte Fort-
                                              Sonografisch sind im weiteren Verlauf die aus-      Stück“ mit einem Hochleistungs-Holmiumlaser
schritte gemacht worden.                      geprägte Harntransportstörung der Nieren so-        von der chirurgischen Kapsel abgelöst, in die
                                              wie die Retentionsparameter auf ein Kreatinin       Harnblase abgeworfen und mittels Morcella-
                                              von 2,1 mg/dl regredient. Der Patient berichtet,    tion (minimalinvasive Zerkleinerung) entfernt
                                              dass er bereits seit langem eine prostataspezi-     (Abbildung 2, Seite 274). Bei unauffälligem
                                              fische Medikation mit Tamsulosin 0,4 mg und         postoperativen Verlauf wird der einliegende
                                              Finasterid 0,5 mg 1 x tgl. einnehme, seine obs-     Spüldauerkatheter am Folgetag entfernt. Der
                                              truktive Miktionssymptomatik darunter in der        Patient kann daraufhin die Blase restharnfrei bei
                                              letzten Zeit jedoch deutlich schlechter gewor-      zufriedenstellendem Harnstrahl (Uroflowmetrie
                                              den sei. Unter der Arbeitsdiagnose eines dekom-     mit einer maximalen Flussrate von 26 ml/sec bei

272     Bayerisches Ärzteblatt 6/2022
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Titelthema

                                                                                                               Privatdozent Dr. Charis Kalogirou
                                                                                                               Professor Dr. Georgios Gakis
                                                                                                               Universitätsprofessor Dr. Hubert Kübler

einem Miktionsvolumen von 440 ml; Normwert          Hyperhydratation), welche bei verzögerter Dia-      Syndroms besteht in der intensivmedizinischen
mind. 20 ml/sec.) entleeren und wird nach einer     gnosestellung zu potenziell lebensbedrohlichen      Überwachung, Diuretikagabe und vorsichtigem
24-stündigen Observations-phase entlassen. Der      Lungen- und Hirnödemen und einer Hämolyse           (CAVE: extrapontine Myelinolyse) Ausgleich des
suprapubische Katheter wird vor Entlassung ent-     führen kann. Die primäre Therapie des TUR-          Serum-Natriums.
fernt. Das 130 g schwere, zur histopathologischen
Aufarbeitung eingesendete Prostataresektat,
zeigt eine chronisch-floride Entzündung ohne
Anhalt für ein Prostatakarzinom.

Diskussion
Der vorliegende Case Report zeigt den tech-
nisch-operativen Fortschritt bei der Behand-
lung des BPS auf. Die Indikation zum operati-
ven Vorgehen ergibt sich aus dem Versagen von
konservativen Therapiemaßnahmen oder der
akuten Dekompensation der Erkrankung wie im
beschriebenen Fall. Noch vor 10 bis 15 Jahren
hätte die überwiegende Anzahl der urologischen
Kliniken in Deutschland ab einer Prostatagrö-
ße von ca. 80 cm3 aufwärts unserem Patienten
eine suprapubische Adenomenukleation (SAE)
angeboten, da bei der klassischen endoskopi-
schen monopolaren transurethralen Resektion
der Prostata (TUR-P) das Risiko einer potenziell
lebensbedrohlichen Einschwemmung von hy-
potoner Spülflüssigkeit (TUR-Syndrom) erhöht
wäre. Bei diesem Syndrom kommt es hierdurch
zu einer Verdünnungs-­Hyponatriämie (hypotone       Abbildung 1: Arbeitsumgebung in einem modernen endourologischen Operationssaal.

                                                                                                               Bayerisches Ärzteblatt 6/2022             273
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Titelthema

                                                                                                                  ist zwar von ca. 2.000 Fällen/Jahr in 2012 auf ca.
                                                                                                                  8.000 Fälle pro Jahr in 2019 angestiegen, fristet
                                                                                                                  aber immer noch ein Schattendasein neben der
                                                                                                                 TUR-P, die konstant ca. 60.000 mal im Jahr 2019
                                                                                                                  durchgeführt wurde [4]. Zunehmend angebotene
                                                                                                                strukturierte klinische Ausbildungsprogramme
                                                                                                                  und die mittlerweile breite Verfügbarkeit von
                                                                                                                  Hochleistungs-Holmiumlasern werden die Ver-
                                                                                                                  breitung dieser Operationstechnik in Zukunft
                                                                                                                  vorantreiben. Es ist daher davon auszugehen,
                                                                                                                 dass die HoLEP aufgrund der oben beschriebe-
                                                                                                                  nen Vorteile in Zukunft die klassische SAE und
                                                                                                                  TUR-P zunehmend ersetzen wird.

 a                                                         b
                                                                                                                  Case Report 2

                                                                                                                   Kombinierte endoskopische Steinsanierung
                                                                                                                   bei ausgeprägter Steinbildung aufgrund
                                                                                                                 ­einer Nierenbeckenabgangsenge

                                                                                                                  Eine 29-jährige Patientin wird einen Monat post
                                                                                                                  partum über den niedergelassenen Urologen zur
                                                                                                                  Steinsanierung vorstellig. Dieser hatte bei per-
                                                                                                                  sistierenden linksseitigen Flankenschmerzen ein
                                                                                                                  Low-Dose Nativ-CT mit urografischer Phase
                                                                                                                  mit dem Nachweis einer ausgeprägten Nieren-
                                                                                                                  steinbildung auf der Grundlage einer angebore-
                                                                                                                  nen Nierenbeckenabgangsstenose durchgeführt,
                                                                                                                  welches in der nativen Phase eine ausgeprägte
 c                                                         d                                                      Steinlast in mehreren Kelchgruppen bei einer
Abbildung 2: En-bloc Holmium-Laserenukleation der Prostata (HoLEP). Auf den intraoperativen Abbildungen           für eine Nierenbeckenabgangsenge suggesti-
sind die wichtigsten Schritte einer HoLEP illustriert.
(a) P räoperativer endoskopischer Blick vom Samenhügel (colliculus seminalis) in Richtung Harnblase mit
                                                                                                                  ven Morphologie in der Ausscheidungsphase
     Darstellung von deutlich überhängenden und obstruktiven Prostataseitenlappen ()                             zeigt. Die nachfolgend durchgeführte MAG-III-
(b) B egonnene Laserenukleation des rechten Seitenlappens (schwarzer Pfeil), der mit dem Endoskop von der        Nierenfunktionssztintigrafie zeigte einen verzö-
     chirurgischen Pseudokapsel (schwarzer Stern) abgelöst wurde. Die Laserenergie (grüne Faser im Vor-           gerten Abfluss der linken Niere mit einem noch
     dergrund) unterstützt die Enukleation durch Eröffnung der richtigen Enukleationsschicht und gleichzeitiger
                                                                                                                  ausreichenden wash-out des Radiopharmakons
     Blutstillung.
(c) Abgeschlossene Enukleation. Blick aus der Prostataloge zum Blasenhals (gestrichelte Linie) während der       nach Lasixgabe (urodynamisch nicht-relevante
     abschließenden Blutstillung. Das Prostataadenom () ist nach abgeschlossener Enukleation „am Stück“ in       Obstruktion).
     die Harnblase abgeworfen worden.
(d) E ntfernung des enukleierten Prostataadenoms mit einem Rotationsmorcellator (im Vordergrund) zur             Mit der Patientin werden die verschiedenen en-
     histologischen Aufarbeitung des entfernten Gewebes.
                                                                                                                  doskopischen Möglichkeiten der Steinsanierung
                                                                                                                  besprochen. Es wird aufgrund der komplexen
                                                                                                                  Steinsituation eine Kombination aus flexibler
Im Gegensatz zur TUR-P schält der Operateur               zur histopathologischen Aufarbeitung zur Ver-           Ureterorenoskopie (URS) und miniaturisierter
bei der SAE über eine Unterbauchlaparotomie               fügung – anders als bei ablativen Verfahren wie         perkutaner Nephrolitholapaxie (Mini-PNL) –
mit dem Zeigefinger das Prostataadenom aus                etwa der Greenlight-Laser-Vaporisation.                 eine sogenannte ECIRS (endoscopic combined
seiner Kapsel aus. Obwohl deutlich invasiv, zeigt                                                                 intrarenal surgery) vorgeschlagen. Eine extra-
die SAE exzellente Langzeitergebnisse in Hinblick         Große randomisierte Studien [1, 2] konnten              korporale Stoßwellenlithotrypsie wird von der
auf die Symptom­verbesserung.                             zeigen, dass die HoLEP der SAE bei gleichem             Patientin bei ausgeprägter Steinlast in mehreren
                                                          exzellenten Langzeiterfolg in Sachen Kathe-             Endkelchen mit der absehbaren Notwendigkeit
Die HoLEP imitiert als endoskopischer Eingriff            terliegedauer, Hospitalisierungszeit und Blut-          mehrerer Sitzungen und nachfolgend unwahr-
minimalinvasiv die Prinzipien der SAE, indem              transfusionsrate überlegen war. Dies hat sich auch      scheinlichem Abgang der Fragmente bei Nieren-
sie das Adenom mit der Laserenergie direkt von            in den Empfehlungen der relevanten europäischen         beckenabgangsenge abgelehnt.
der Kapsel ablöst und gleichzeitig gründliche             und internationalen Leitlinien niedergeschlagen,
Blutstillung betreibt. Die Laserenergie ersetzt           in denen die HoLEP als Therapiestandard bei             Der Eingriff wird in modifizierter Steinschnitt-
also den „enukleierenden Finger“ des Operateurs.          Prostataadenomen > 30 cm3 empfohlen wird                lagerung (Abbildung 3) von zwei Operateuren in
Ein TUR-Syndrom ist bei der HoLEP ausgeschlos-            [3]. Für den heutzutage immer noch nicht flä-           Allgemeinnarkose durchgeführt (Abbildung 4).
sen, da die Laserenergie in isotoner Spüllösung           chendeckenden Einsatz der HoLEP in Deutsch-             Zunächst wird transurethral ein Ureteroreno-
­appliziert werden kann. Da das Adenom am Ende            land wird die im Vergleich zu anderen endosko-          skop über den Harnleiter in das Nierenbecken
 der Operation mit einem Morcellator zerkleinert          pischen Operationstechniken steile Lernkurve            vorgeschoben. Nachfolgend wird das Nierenbe-
 und abgesaugt wird, steht das entfernte Gewebe           angeführt. Der Anteil der HoLEP in Deutschland          cken mit einer Hohlnadel punktiert, der Punkti-

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Abbildung 3: Modifizierte Steinschnittlagerung mit angehobener Flanke vor             Abbildung 5: Zwei unterschiedliche Amplatzschäfte (Zugangstrokare für die
linksseitiger ECIRS.                                                                  perkutane Steintherapie, links) sowie ein modernes flexibles Ureterorenoskop mit
                                                                                      Steinfangkörbchen (rechts).

  a                                                        b                                                        c

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                            

Abbildung 4: ECIRS („endoscopic combined intrarenal surgery“) zur Steinsanierung. Auf den intraoperativen Röntgenbildern ist die Durchführung einer kombinierten
Steinsanierung mittels URS und Mini-PNL (ECIRS) gezeigt.

(a) Im Halbseiten-Röntgenleerbild Darstellung der ausgeprägten Steinlast in verschiedenen Endkelchen des Nierenbeckens (schwarze Pfeile) zu Beginn des Eingriffs.
(b) E
     ingeführtes Ureterorenoskop durch den Harnleiter (°) und Mini-PNL-Gerät über einen transkutan etablierten Zugang mittels Amplatzschaft in der unteren Kelchgrup-
    pe (*). Zusätzlich liegt ein Sicherheitsdraht zur Sicherung des Zugangswegs ein. Die Kontrastmittelfüllung des Nierenbeckens zeigt eine Morphologie, die für eine
    Nierenbeckenabgangsenge typisch ist (hohe Einmündung des Ureters in das ballonierte Nierenbecken) – aufgrund der Urinstase ist hier auch der kausale Grund der
    Steinbildung zu suchen.
(c) Endergebnis mit dem Nachweis einer radiologischen kompletten Steinfreiheit und einliegenden Urindrainagen (Harnleiterschiene und perkutane Nephrostomie).

onskanal bis 15 Charrière (entspricht ca. 5 mm)          grieren und über den Amplatzschaft entfernen.            Sicht“ gearbeitet wird, kann zudem die Durch-
bougiert und ein Amplatzschaft (Abbildung 5)             Die Kombination gleicht hierbei die bekannten            leuchtungszeit effektiv minimiert werden. Im
eingebracht, über den ein Nephroskop in das              Nachteile der einzelnen Verfahren aus: bei der           vorliegenden Fall kann endoskopisch und ra-
Nierenbecken eingeführt werden kann. Nun-                URS ist dies die zu große Steinmasse, die in             diologisch eine komplette Steinfreiheit erzielt
mehr können sich beide Operateure effektiv               einer Sitzung mit dem miniaturisierten Gerät             werden. Die zur postoperativen Sicherstellung
zuarbeiten: während ein Operateur mit dem                entfernt werden könnte; bei der Mini-PNL die             des Harntransports eingelegte Harnleiterschiene
flexiblen URS Steinmaterial aus schlecht er-             schlechte bis unmögliche Erreichbarkeit von              und die perkutane Nephrostomie können in-
reichbaren Endkelchen zugänglich macht, kann             Steinen in verwinkelten Endkelchen aufgrund              nerhalb der ersten beiden postoperativen Tage
der andere Operateur dieses dann mit einer               der eingeschränkten Geräte­beweglichkeit und             entfernt und die Patientin am dritten postope-
­hydraulischen- oder Laserenergiequelle desinte-         Hebelwirkung des Amplatzschaftes. Da „unter              rativen Tag beschwerdefrei entlassen werden.

                                                                                                                          Bayerisches Ärzteblatt 6/2022           275
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  a                                                                                       b

                                                                            

Abbildung 6: Klassische transurethrale Resektion der Harnblase (TUR-B) vs. En-bloc-Resektion bei nicht-invasivem Urothelkarzinomen. Auf den intraoperativen
Abbildungen werden die beiden Operationsverfahren gegeneinander verglichen
(a) K
     onventionelle TUR-B eines solitären nicht-invasiven Urothelkarzinoms periostial rechts mit fraktionierter Abtragung des Tumors mit einer elektrischen Schlinge.
    Das rechte Ureterostium ist protektiv mit einem Ureterenkatheter (schwarzer Stern) geschient.
(b) E
     n-bloc-Resektion eines solitären, nicht-invasiven Urothelkarzinoms periostial links mit einem elektischen Häkchen als Energiequelle. Der Tumor wird als unfraktio-
    niertes Präparat an seiner Basis zirkumferentiell bis zur Detrusormuskulatur (gestrichelte Linie) mit einem Sicherheitsabstand reseziert und zur histopathologischen
    Untersuchung eingesandt.

Da die Nierenbeckenabgangsenge mit Urinstase             Gegensatz hierzu ist die URS im Vergleich zur             führung der Operation in modifizierter Stein-
im vorliegenden Fall als ursächlich für die Stein-       ESWL kostengünstiger durchzuführen – bei ver-             schnittlage auf dem Rücken. Nicht nur hat sich die
bildung angesehen wird, war nach ergänzenden             gleichbarer Effektivität [5, 6, 7].                       Befürchtung von vermehrten Komplikationen wie
Untersuchungen (unter anderem mittels erneut                                                                       zum Beispiel Colonperforationen in dieser Position
durchgeführter Nierenfunktionsszintigrafie mit           Dieser Trend hin zu den endoskopischen Verfahren          nicht bewahrheitet, sondern auch den Weg für
mittlerweile nachgewiesener urodynamisch rele-           wird sowohl durch arztbezogene als auch durch             innovative Therapiekombinationen wie die ECIRS
vanter Obstruk­tion) bei der Patientin eine robote-      patientenspezifische Faktoren getrieben, insbe-           im beschriebenen Case Report möglich gemacht.
rassistierte laparoskopische Nierenbeckenplastik         sondere durch den Wunsch nach einer schnellen             Der Patient profitiert von diesen Innovationen
im Intervall indiziert und durchgeführt worden.          und vollständigen Steinentfernung in einer Sit-           mit höheren Steinfreiheitsraten im Vergleich zu
Nachsorgeuntersuchungen (mit Kontroll-Nie-               zung bei gleichzeitig kurzem Krankenhausaufent-           den einzeln durchgeführten Verfahren, weniger
renfunktionsszintigrafien) zeigen einen freien           halt, der auch dem größer werdenden sozioöko-             postoperativen Schmerzen und einem kürzeren
Harntransport ohne neuerliche Steinbildung 23            nomischen Druck im Gesundheitssystem gerecht              Krankenhausaufenthalt [8]. Durch die zusätzlich
Monate nach dem letzten Eingriff.                        wird. Einen Einfluss hat sicherlich die Tatsache,         stete Fortentwicklung und Miniaturisierung von
                                                         dass der ständige technische Fortschritt insbeson-        Lasern und ballistischen Lithotriptoren, die wäh-
Diskussion                                               dere bei der URS dieses Verfahren sehr attraktiv          rend solcher Eingriffe eingesetzt werden, ist auf
Der zweite Case Report fasst die Neuerungen in           macht, während die ESWL in den vergangenen                dem Feld der endos-kopischen Steinsanierung
der Harnsteintherapie der letzten Dekade zu-             Jahren mehr oder weniger technisch unverändert            auch in Zukunft Innovation garantiert.
sammen. Hier ist zunächst die Verdrängung der            geblieben ist. Dieser Umstand ist mittlerweile auch
noch vor 10 bis 15 Jahren exzessiv geprobten             in der europäischen Leitlinie „Urolithiasis“ abge-
extrakorporalen Stoßwellenlithotrypsie (ESWL)            bildet, in der für jede Steingröße und -lokalisation
                                                                                                                   Case Report 3
durch die endoskopischen Verfahren auffällig:            mittlerweile die endourologischen Verfahren mit
während im Jahr 2005 noch ca. 24.000 ESWL in             einem hohen Evidenzgrad empfohlen werden [3].             En-bloc-Resektion eines nicht-muskel-
Deutschland durchgeführt wurden, waren es im                                                                       invasiven Urothelkarzinoms der Harnblase
Jahr 2016 gerade einmal noch 10.000 ESWL. Im             Neben der URS ist auch die zunehmende Ver-
gleichen Zeitraum wuchs die Rate an URS um               breitung der PNL auf technische Fortschritte              Ein 56-jähriger Patient wird vom Hausarzt mit
600 Prozent von 2.600 auf 18.500 Fälle. Hierbei          zurückzuführen: wurde diese noch vor wenigen              dem sonografisch geäußerten Verdacht auf ei-
ist bei den Kosten zu beachten, dass die ESWL            Jahren nahezu ausschließlich in Bauchlage mit             ne Raumforderung der Harnblase vorgestellt. In
zwar günstiger als die PNL durchgeführt wird,            großlumigen Amplatzschäften bis 30 Charrière              der erweiterten Anamnese gibt der frühberente-
bei Ihr jedoch häufig mehrere Sitzungen bis zur          durchgeführt, profitieren Patienten mittlerweile          te Lokführer auf Nachfrage an, vor drei Wochen
kompletten Steinfreiheit benötigt werden. Im             von miniaturisierten Instrumenten und der Durch-          eine einmalige Makrohämaturieepisode bemerkt

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zu haben. Weiterhin berichtet der Patient, dass
er seit 30 Jahren eine Schachtel Zigarillos am Tag
                                                        Das Wichtigste in Kürze
rauche. Die weiterführende Diagnostik mittels
flexibler Urethrocystoskopie zeigt einen etwa 2,5
cm großen, papillär wachsenden Tumor der linken         » Endourologische und minimalinvasive Verfahren ersetzen in der Urologie zunehmend
Seitenwand ohne weitere Tumorherde in der Bla-              ­offen-operative Eingriffe.
se. Die Abklärung des oberen Harntraktes mittels
CT-Ausscheidungsurografie ergibt keinen Hinweis         » Die Holmium-Laserenukleation der Prostata (HoLEP) ersetzt als minimalinvasives, größen­
auf eine Beteiligung der Harnleiter oder der Nie-           unabhängiges Verfahren bei gleichen exzellenten Langzeitergebnissen zunehmend die klas-
renbecken.                                                  sische transurethrale Resektion der Prostata (TUR-P) sowie die offene suprapubische Ade-
                                                            nomenukleation (SAE).
Bei hochgradigem Verdacht auf ein Urothel­karzinom
der Harnblase werden mit dem Patienten die mög-         » Bei der Behandlung des Steinleidens ist in der letzten Dekade ein Rückgang der extrakorpo-
lichen Therapieoptionen besprochen und eine En-             ralen Stoßwellenlithotrypsie zu Gunsten der endoskopischen Eingriffe (Ureterorenoskopie
bloc-Resektion des Tumors mittels Wasserstrahldis-          [URS] und perkutane Nephrolitholapaxie [PNL]) zu beobachten.
sektion (Hydrojet) angeboten. Intraoperativ kann
der Tumor an seiner Basis komplett reseziert und        » Die innovative Kombination der beiden Verfahren URS und PNL zur sogenannten endosco-
als unfraktioniertes Stückpräparat zur histopatho-          pic combined intrarenal surgery (ECIRS) verbessert die Steinfreiheitsraten, den Patienten-
logischen Begutachtung eingesendet werden. Diese            komfort und gleicht die Nachteile der einzelnen Verfahren aus.
zeigt ein im Gesunden reseziertes, nicht-muskel-
invasives pTa G2 low ­grade Urothelkarzinom der         » Bei der Behandlung des oberflächlichen Urothelkarzinoms hat die En-bloc-Resektion an
Harnblase mit reichlich im Präparat vorhandener             Wert gewonnen, da Sie sowohl die Qualität durch die unfraktionierte Abtragung als auch
tumorfreier Detrusor­muskulatur. Im postoperativen          die Rezidivraten durch verminderte Tumorzellaussaat zu verringern scheint.
Verlauf wird dem Patienten am gleichen Abend der
Operation 40 mg Mitomycin zur Tumornidations-
prophylaxe in die Harnblase instilliert. Nach Ent-
fernung des Katheters am zweiten postoperativen
Tag kann der Patient in die e­ ngmaschige Nachsorge
beim niedergelassenen Urologen entlassen werden.       der Resektion von Blasentumoren an Wert ge-           Technik bei multifokalen Tumoren und Rezidiv­
                                                       wonnen (Abbildung 6). Sie wird insbesondere bei       eingriffen noch nicht abschließend geklärt. Ebenso
Diskussion                                             unifokalen Tumoren, so wie im hier beschriebenen      wird in vergleichenden Studien aktuell evaluiert,
Eines der grundlegenden Prinzipien bei jeder on-       Case Report angewendet und stützt sich auf die        welche Form der Energiequelle die e­ ffektivste für
kologischen Operation fordert die Entfernung ei-       zirkumferenzielle Entfernung des Tumors an seiner     diesen Eingriff darstellt.
ner bösartigen Geschwulst unter Mitnahme eines         Basis mit einem Sichterheitsabstand. Hierfür ste-
Sicherheitssaumes von gesundem Gewebe. Die             hen verschiedene Energiequellen (mono-/bipolar,       Das Literaturverzeichnis kann im Internet
für die Behandlung von nicht-invasiven Blasen-         Wasserstrahldissektion und Laser) zur Resektion       unter www.bayerisches-aerzteblatt.de
tumoren weltweit als Standard akzeptierte und          zur Verfügung. Im Gegensatz zur konventionellen       (Aktuelles Heft) abgerufen werden.
zum heutigen Tage immer noch am häufigsten             TUR-B befähigt das so gewonnene unfraktionierte
praktizierte transurethrale ­Resektion der Harn-       Gesamtpräparat des Tumors den Pathologen dazu,        Die Autoren erklären, dass sie keine finanzi-
blase (TUR-B) erfüllt diese Kriterien aufgrund der     die Tumorausbreitung und den Resektionsstatus         ellen oder persönlichen Beziehungen zu Drit-
fraktionierten Abtragung des Tumorgewebes mit          genau zu bestimmen. Größere Kohortenstudien           ten haben, deren Interessen vom Manuskript
einer elektrischen Schlinge jedoch nicht. Zudem        weisen zudem darauf hin, dass die Rezidivwahr-        positiv oder negativ betroffen sein könnten.
ergibt sich – trotz technischer Fortschritte wie       scheinlichkeit bei dieser Technik geringer zu sein
etwa der intraoperativen photodynamischen Diag-        scheint als bei der konventionellen TUR-B, was
nostik (PDD) zur fluoreszenzbasierten Unterschei-      auf ein verringertes intraoperatives „Tumorzell-
dung von stoffwechsel­aktivem Tumorgewebe vs.          Spilling“ zurückgeführt wird. Eine Metaanalyse von
normaler Schleimhaut – bei der konventionellen         sieben größeren klinischen Studien zeigte zudem
TUR-B weiterhin ein potenziell signifikantes Kom-      auf, dass die ­En-bloc-­Technik bei vergleichbarer
plikationsprofil: zum einen kann die Benutzung         Operationszeit eine geringe Hospitalisierungs- und     Autoren
von elektrischem Strom bei der Resektion von           Katheterisierungszeit bei gleichzeitig signifikant
Seitwandtumoren den in diesem Bereich verlau-          verringerter Inzidenz von Blasenperforationen und      Privatdozent Dr. Charis Kalogirou
fenden N. ­obturatorius reizen und durch die so        Reizungen des N. obturatorius (insbesondere bei        Professor Dr. Georgios Gakis
ausgelöste abrupte Adduktorenkontraktion eine          der Wasserstrahl- und Laserdissektion) im Vergleich    Universitätsprofessor Dr. Hubert Kübler
Blasenperforation bedingen. Auf der anderen Sei-       mit der konventionellen TUR-B aufwies – daher hat
te kann eine zu zögerliche Resektion dazu führen,      auch dieser Eingriff den Weg in die europäischen       Korrespondenzadresse:
dass keine tiefe Harnblasen-Detrusormuskulatur         Leitlinien gefunden und wird als Therapiestandard      Privatdozent Dr. Charis Kalogirou,
im Präparat zu finden ist – diese ist jedoch für die   bei der Diagnostik des nicht-muskelinvasiven Uro-      Klinik und Poliklinik für Urologie und
qualitative Beurteilung der Ausdehnungstiefe des       thelkarzinoms empfohlen [3, 9].                        Kinderurologie, Julius-Maximilians-
Präparats (und somit der weiteren Behandlungsstra-                                                            Universität Würzburg,
tegie) von entscheidender Bedeutung. Um diesen         Allen Vorteilen zum Trotz – auch die En-bloc-          Oberdürrbacher Str. 6, 97080 Würzburg,
Nachteilen zu begegnen, hat in den vergangenen         Resektion ist weiterhin Gegenstand der klinischen      E-Mail: kalogirou_c@ukw.de
zehn Jahren die sogenannte En-bloc-Technik bei         Forschung: zum Beispiel ist der Stellenwert der

                                                                                                                    Bayerisches Ärzteblatt 6/2022         277
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