Zum Geburtstag ein Cervelatsalat -Das Hochschullager der polnischen Internierten in Winterthur und das Geheimnis der Waldreliefs im Tösstal.

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Zum Geburtstag ein Cervelatsalat -Das Hochschullager der polnischen Internierten in Winterthur und das Geheimnis der Waldreliefs im Tösstal.
Zum Geburtstag ein Cervelatsalat –Das Hochschullager der
polnischen Internierten in Winterthur und das Geheimnis der
Waldreliefs im Tösstal.

Von Dominik Landwehr

Abbildung 1 – Polnische Internierte beim Schachspiel in einer Soldatenstube in Winterthur.
Foto Winterthurer Bibliotheken, Sammlung Winterthur, Leszek Bialy

                                                                                             Winterthur, 15. Februar 2021
Zum Geburtstag ein Cervelatsalat -Das Hochschullager der polnischen Internierten in Winterthur und das Geheimnis der Waldreliefs im Tösstal.
Im Hochschullager Winterthur konnten internierte polnische Soldaten im Zweiten Weltkrieg ihre Ausbildung fort-
setzen. Spuren davon finden sich heute noch in der Stadt – und vielleicht haben sogar die zwei geheimnisvollen
Sandstein-Reliefs im Tösstal etwas mit dem Lager zu tun.

Drei Denkmäler und Gedenktafeln in Winterthur er-                sich in seinem 1985 publizierten Buch „Freiheit ist
innern an diese Zeit: Auf dem Friedhof Rosenberg ist             eine grosse Sache“ an die Ankunft im Jahr 1940:
eine Gedenkstätte für die acht polnischen Internier-
                                                                 Der Zug, der an einem Oktobermorgen aus der West-
ten, die damals in Winterthur verstorben sind, in der
                                                                 schweiz Richtung St.Gallen rollte, brachte u.a. einige
Herz Jesu-Kirche am unteren Deutweg und am Ge-
                                                                 Hundert Internierte, die gegen Abend in Winterthur
werbemuseum sind Gedenktafeln angebracht. Auf
                                                                 ausstiegen. Im Schulhaus Neuwiesen – Tellstrasse
der dunklen und schwer lesbaren Bronzetafel beim
                                                                 fand die Verteilung derselben zu den einzelnen Woh-
Gewerbemuseum heisst es: „Der gastfreundlichen
                                                                 nadressen statt. Dank einer ausgezeichneten Organi-
Stadt Winterthur. Die internierten polnischen Stu-
                                                                 sation gelangten alle Internierten noch am gleichen
denten. Miastu Winterthur. Studenci Polaci.„
                                                                 Abend, von Pfadfindern bzw. Kadetten geführt, zu
                                                                 den zugeteilten Privatzimmern. Die Logisgeber waren
                                                                 meistens ältere, wenig bemittelte Frauen, Witwen,
                                                                 denen das Zimmervermieten eine zusätzliche und
                                                                 willkommene Geldeinnahme bedeutete. Mein junger
                                                                 Schutzengel führte mich zuerst durch eine lange und
                                                                 breite Strasse, bis wir im Stadtquartier Töss in einem
                                                                 Hinterhof die gesuchte Wohnung der Vermieterin
                                                                 fanden. Meine Logisfrau war ein kleines, älteres aber
                                                                 noch lebhaftes Mütterchen. Durch die Küche trat ich
                                                                 in das mir zugewiesene Zimmer ein, das einfach möb-
Abbildung 2 - Gedenktafel am Gewerbemuseum Winterthur.
Foto Dominik Landwehr.                                           liert, aber sauber war. Da ich einige Monate in
                                                                 Melchnau in einer riesigen Fabrikhalle verbracht
Gleich nebenan in der Sammlung Winterthur finden                 hatte, kam mir das neue Logis sehr klein und eng vor.
wir die Gedenkschrift des Winterthurer Stadtrats aus             Ich schaute auf die Uhr und bemerkt, dass ich eine
dem Jahr 1946. Demnach sind auf der Gedenktafel                  halbe Stunde von der Sammelstelle bis hier unter-
Wappen der polnischen Provinzen und Embleme der                  wegs gewesen war. Eine schöne Strecke vom Zent-
Wissenschaften, welche die Internierten hier studiert            rum, dachte ich.
haben, abgebildet. Die Tafel wurde von den Studie-
renden selber gestaltet und am 20. Juni 1946 feier-
lich der Stadt übergeben. Der Zweite Weltkrieg war
schon am 8. Mai 1945 zu Ende gegangen, die Studie-
renden durften bis Mitte Sommer 1946 bleiben, um
ihre Studien zu Ende zu führen.

Seit Sommer 1940 befanden sich über 12 000 polni-
sche Internierte in der Schweiz. Bald tauchte die Idee
auf, den jüngeren unter ihnen die Fortsetzung ihrer
unterbrochenen Ausbildung anzubieten. So entstan-
den drei Hochschullager in Freiburg, Herisau und
Winterthur. Am 31.Oktober ging es in Winterthur mit
240 Studenten los.
Einer von ihnen war Wiktor Stefaniak – er erinnerte

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Das Hochschullager Winterthur und die Sandreliefs im Tösstal. Dominik Landwehr Februar 2021                            2/8
Zum Geburtstag ein Cervelatsalat -Das Hochschullager der polnischen Internierten in Winterthur und das Geheimnis der Waldreliefs im Tösstal.
Tochter, Madeleine Schadegg-Rück hat ihn nie ge-
                                                                     troffen und 2014 über ihren unbekannten Vater un-
                                                                     ter dem Titel „Spuren. Von einer Vatersuche und Mil-
                                                                     lionen nahtloser Strümpfe“ ein Buch geschrieben.
                                                                     Bernhard Giberstein gehört zu den 50 Juden in der
                                                                     Gruppe. Sie wurden, so schreibt die Autorin, von ih-
                                                                     ren katholischen Kollegen gehänselt, schikaniert und
                                                                     blossgestellt, hatten mindere Arbeit zu erledigen und
                                                                     ganz allgemein weniger Rechte. Ihre Beschwerden
                                                                     wurden von den Offizieren nicht gehört. 44 der 50 jü-
                                                                     dischen Polen sind deshalb bis zum Kriegsende aus
Abbildung 3 - Studierende in Winterthur. Foto Winterthurer
                                                                     dem Winterthurer Lager geflohen. Bernhard Giber-
Bibliotheken, Sammlung Winterthur, Leszek Bialy.
                                                                     stein floh am 15.Mai 1942. Am 12. Dezember des
Die Zahlen fluktuierten während des Krieges: Aus                     gleichen Jahres wurde sein Kind, Madeleine, gebo-
Wetzikon, wo sich ein Gymnasiallager befand, sties-                  ren. Es kam zunächst in ein Heim und nach neun Mo-
sen neue dazu, andere brachen ihr Studium ab. Nicht                  naten zu seinen Grosseltern, später erst wieder zur
wenige machten sich aber auch aus dem Staub, um                      Mutter. Ihr Vater lebt nach dem Krieg und leitete
sich wieder den kämpfenden Soldaten anzuschlies-                     eine grosse Strumpffabrik. Er gilt als der Erfinder
sen. Insgesamt wurden in Winterthur während des                      nahtloser Strümpfe und Gründer der Strumpfmarke
Krieges rund 500 Studenten betreut.                                  DIM.

                                                                     Er hat sich nie mehr gemeldet. Wusste er von seiner
                                                                     Vaterschaft? Als die Autorin seine Spuren endlich fin-
                                                                     det, war er bereits tot.

                                                                     Die kleine Stadt Winterthur überraschte die Polen in
                                                                     vielerlei Hinsicht – zunächst mal positiv. Noch einmal
                                                                     Stefaniak:

                                                                     In Melchnau wurde uns gesagt, dass wir in eine In-
                                                                     dustriestadt kämen. Unsere Vorstellung von Win-
                                                                     terthur war von den Bildern der üblichen Industrie-
                                                                     städte Europas geprägt, wo die Luft von vielem
                                                                     Rauch und Russ dick und unsauber ist. Hier aber war
                                                                     die Sicht auf die zahlreichen in niedlichen Gärten ver-
                                                                     borgenen Wohnhäuser klar und frisch. Es ist keine
                                                                     lärmige Grosstadt auch auch keine verlorene Klein-
                                                                     stadt, sondern eine solche die auf unsere Mass zuge-
                                                                     schnitten sei, lautet unser Urteil. Am meisten Gefal-
                                                                     len hatten wir an den Anlagen des Stadtparks. Das
                                                                     ganze Gebiet um das Museum, Stadthaus und Techni-
                                                                     kum, welches sich wie die Anlagen eines amerikani-
                                                                     schen Colleges präsentierte, war wie geschaffen für
Abbildung 4 - Studierende in Winterthur. Foto Winterthurer Biblio-   uns Studenten. Hier konnte man in kleinen Gruppen
theken, Sammlung Winterthur, Leszek Bialy..
                                                                     flanierend, ungestört diskutieren.
Über einen Studenten, der sich aus dem Staub ge-
macht hat und zwar gleich im doppelten Sinn, wissen
mehr: Bernhard Giberstein (1916 – 1976). Seine

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Das Hochschullager Winterthur und die Sandreliefs im Tösstal. Dominik Landwehr Februar 2021                             3/8
Zum Geburtstag ein Cervelatsalat -Das Hochschullager der polnischen Internierten in Winterthur und das Geheimnis der Waldreliefs im Tösstal.
Später wird er dann doch etwas kritischer:                       geforscht und 2020 ein Buch darüber herausgege-
                                                                 ben. Sie hat dabei unter anderem Edward Królak be-
Die Bilanz der Begegnungen in Winterthur, einer In-              fragen können, der damals in Winterthur studiert
dustriestadt, wo die berufsmässig gut ausgebildete               hat. Er starb erst 2020 im Alter von 100 Jahren:
und politisch bewusste Arbeiterschaft überwog, war
für uns internierte Polen nicht sehr ermutigend.                 „Es hiess zwar Lager, aber im Gegensatz zu unseren
Menschlich gesehen jedoch hatten die Winterthurer                Kameraden in den Barackenlagern wurde jeder von
für das durch Krieg und Naziterror heimgesuchte Po-              uns in einem Privatzimmer bei einer Schweizer Fami-
len sehr viel Verständnis und Herz, was vielleicht               lie untergebracht. In Winterthur gab es eher weniger
mehr zählte als das „Wissen“ über unser Land.“                   zu essen, deshalb ging ich ab und zu zum örtlichen
                                                                 Frauenverein. Da bekam ich für fünfzig Rappen eine
                                                                 feine Rösti. Anfangs hatte ich ein Zimmer in der Win-
Der Unterricht fand zunächst in verschiedenen Räu-               terthurer Altstadt. Die Dame des Hauses war eine
men in Winterthur statt, unter anderem im alten                  Berner Köchin, die es wirklich sehr gut mit uns
Chemiegebäude des Technikum, im Kantonsspital, im                meinte. Manchmal, wenn ich nach dem Mittagessen
Rathaus und in der Stadtbibliothek. Das Rektorat war             ins Zimmer kam, stand auf meinem Tisch ein Teller
im Gewerbemuseum untergebracht, dort befand sich                 Suppe. Und zum Geburtstag bekam ich einen Cerve-
auch ein Zeichensaal. Später durften die Studenten               latsalat mit Brot. Das war einfach himmlisch. Über-
nach Zürich reisen und dort Kurse an der ETH und der             haupt waren uns die meisten Schweizer wohlgesinnt.
Universität besuchen. Sie belegten Kurse in Architek-            Ein Coiffeur verlangte von uns Polen nur fünfzig Rap-
tur, Bauingenieurwesen, Maschineningenieurwesen,                 pen für einen Haarschnitt, auch ein Kinobesuch kos-
Elektrotechnik, Chemie, Land- und Forstwirtschaft,               tete nur 50 Rappen…“
Pädagogik, Jura, Human- und Veterinärmedizin, Pä-
dagogik und weiteren Fächer.
                                                                 Die Winterthurer Stadtbibliothek bewahrt in ihrer
                                                                 Sammlung einen besonderen Bilderschatz aus dieser
                                                                 Zeit. Sie zeigen viele Aspekte des täglichen Lebens im
                                                                 Hochschullager und sind deshalb von grossem histo-
                                                                 rischem Wert. Hier finden wir Fotos von verschiede-
                                                                 nen Unterrichtsräumen, einem Hörsaal, dem elektro-
                                                                 technischen Labor aber auch von zwei Zeichensälen.
                                                                 Einer der beiden wird von Mitarbeitern des Win-
                                                                 terthurer Gewerbemuseums eindeutig dem Gewer-
                                                                 bemuseum zugeordnet. Das Parkett, so erfahren wir
                                                                 von dort, sei heute noch dasselbe.

                                                                 Die Beschreibungen der Bilder sind kurz – genannt
                                                                 wird aber immer der Fotograf Leszek Bialy und die
Abbildung 5 - Der Zeichensaal im Gewerbemuseum Winterthur.       Sammlung einer gewissen Clary Schoellhorn. Was hat
Foto Winterthurer Bibliotheken, Sammlung Winterthur,             es damit auf sich? Leszek Bialy war einer der inter-
Leszek Bialy.
                                                                 nierten Studenten. Wir finden auch seine Lebensge-
Die Zeugen von damals sind alle tot. 2012 hat die                schichte im 2020 im Chronos Verlag erschienen Buch
Winterthurer Gymnasiastin Meta-Lina Spohn eine                   „Interniert. Polnisch-schweizerische Familienge-
umfangreiche Matura-Arbeit darüber geschrieben,                  schichten.“ Demnach stammte Leszek Bialy aus dem
die auch ausgezeichnet wurde. Sie konnte damals                  Süden von Polen und wurde in eine Familie des polni-
noch mit Zeitzeugen reden. Die Autorin Anne-Marie                schen Kleinadels hineingeboren. Lech – die Kurzform
Bill hat im Auftrag der Interessengemeinschaft der               von Leszek – studiert zunächst in Gdansk und ver-
Nachfahren polnischer Internierten in der Schweiz                bringt die meiste Zeit in Tanzlokalen, wo er mit Geige
                                                                 und Klavier auftritt, offenbar war er ein begabter
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Das Hochschullager Winterthur und die Sandreliefs im Tösstal. Dominik Landwehr Februar 2021                         4/8
Zum Geburtstag ein Cervelatsalat -Das Hochschullager der polnischen Internierten in Winterthur und das Geheimnis der Waldreliefs im Tösstal.
Musiker. Der Vater entzieht ihm die Mittel und holt              Wöchentlich bekam unsere Soldatenstube Besuch
ihn nach Lwów, ins heutige Lemberg. Dort studiert er             von Herrn und Frau Sch. Das genannten Ehepaar ge-
Chemie und arbeitet er in seiner Freizeit im Fotola-             hörte zu den eher wenigen Winterthurern, die für das
bor eines Professors. In Winterthur wird er – mittler-           geistige Leben und für die kulturelle Tätigkeit der In-
weile 36jährig – ein Studium der Elektrotechnik ab-              ternierten im Soldatenfoyer Interesse zeigten. Ich
solvieren; der Fotografie ist er offenbar treugeblie-            mag mich noch an jenen Tag erinnert, es war Oster-
ben, so wird er zum Fotograf der Division und unter-             sonntag, einige Wochen nach der Eröffnung der Sol-
richtet Mathematik am Gymnasiallager in Wetzikon.                datenstube, als Frau Sch eine originelle Überraschung
In Winterthur trifft Leszek auch seine zukünftige                für uns vorbereitet hatte. Jeder, der ins Foyer eintrat,
Frau, Bertha Baumeler. Sie wird ihn nach dem Krieg               konnte den in der Mitte stehenden Billardtisch mit ei-
zurück nach Polen begleiten. Das Fotoalbum stammt                ner grossen Eierpyramide nicht übersehen. Eine sol-
aus dem Nachlass von Clary Schöllhorn. Sie lebte von             che Menge von hartgesottenen Eiern hatte kaum je-
1896 – 1974 war die Gattin des Vizepräsidenten und               mand bis jetzt in seinem Leben gesehen. Wir dachten
Betriebsleiters der Haldengut Brauerei, Dr.Kurt                  zuerst an einen originellen Einfall der lieben, etwas
Schöllhorn-Dreyer.                                               zur Exzentrik neigenden Frau Sch, der das Symbol der
Ein grosses Thema war die Freizeitgestaltung: Musik,             Osterzeit so eindrücklich darstellen sollte. Erst als uns
Literatur und Kunst waren beliebt, eine Lagerzeitung             die freigiebige Spenderin zum „Eiertütschen“ ani-
wurde gedruckt. Ein zeitgenössisches Foto zeigt pol-             mierte stellten wir zu unserer Überraschung fest, dass
nische Internierte beim Schachspiel in einer Solda-              die hohe Pyramide nicht nur ein Symbol der Osterzeit
tenstube, die sich im Haus zum Silbernen Winkel an               war, (immerhin lebte damals das Schweizer Volk in
der Ecke Marktgasse/Oberer Graben befand. Der                    einer strengen Rationierungszeit!), sondern dass sie
Gottesdienstbesuch am Sonntag in der katholischen                aus wirklich essbaren Hühnereiern bestand. Und das
Herz-Jesu Kirche war obligatorisch. Auch militärische            woran niemand vor einigen Stunden geglaubt hatte,
Studien wurden unternommen, auch wenn das offizi-                war Wirklichkeit geworden: Der Eierhaufen, der si-
ell nicht erlaubt war.                                           cherlich die Tagesproduktion der eierlegenden Hüh-
                                                                 ner des halben Kantons Zürich darstellte, wurde an
                                                                 einem Nachmittag abgebaut.

Abbildung 6 – Freizeitgestaltung in der Soldatenstube.
Möglicherweise im Haus zum Silbernen Winkel Ecke Markt-
gasse/Oberer Graben. Foto Winterthurer Bibliotheken, Sammlung
Winterthur, Leszek Bialy.
                                                                 Abbildung 7 – Schachspiel in der Soldatenstube. Foto Winterthu-
Die Bevölkerung war den Internierten im Allgemei-                rer Bibliotheken, Sammlung Winterthur, Leszek Bialy.
nen wohlgesonnen. Stefaniak erwähnt in seinen Erin-
                                                                 Und natürlich ergaben sich auch etliche Liebschaften:
nerungen ein Ehepaar, auch wenn er nur die An-
                                                                 Schon 1941 meldete die Stadtpolizei Winterthur
fangsbuchstaben „Sch“ nennt ist klar, wen er ge-
                                                                 zehn Verlobungen und vier Schwangerschaften. Am
meint hat: das bereits oben erwähnte Ehepaar Kurt
                                                                 1. November 1941 wurde der berüchtigte ‚Orange
und Clary Schöllhorn-Dreyer:

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Zum Geburtstag ein Cervelatsalat -Das Hochschullager der polnischen Internierten in Winterthur und das Geheimnis der Waldreliefs im Tösstal.
Befehl‘ erlassen – gedruckt auf orangem Papier, da-              Geheimnisvolle Sandreliefs im Tösstal
her der Name – der solche Beziehungen ausdrücklich               Zeugnisse aus der Zeit der Internierung gibt es auch
verbot. Mit wenig Erfolg, wie man heute weiss.                   im Tösstal: Zwei Gedenktafeln an der Kirche von
Edward Królak hat hier seine spätere Frau kennenge-              Bauma erinnern an die französischen und englischen
lernt, sie war seine Nachbarin an der Wasserfu-                  Internierten. Französische Internierte haben 1940
ristrasse.                                                       beim Schulhaus Hirsgarten in Rikon gearbeitet und
                                                                 bei der Pflästerung ihre Spuren hinterlassen, die bei
Das Leben in Winterthur war für die internierten Po-             der Renovation des Schulhauses 2017 sogar rekon-
len nicht spannungsfrei. Neben Solidarität gab es                struiert wurden.
auch Neid und Missgunst von Seiten der lokalen Be-
                                                                 Eine Überraschung wartet im Wald bei Sennhof und
völkerung. Dass die Polen bei den hiesigen Frauen so
                                                                 Rikon: Zwei grosse Reliefs, die in den weichen Sand-
beliebt waren, sahen nicht alle gerne, heisst es in
                                                                 stein gehauen sind. Das erste befindet sich oberhalb
zeitgenössischen Polizeiberichten.
                                                                 des Radweges nach der Brücke von Sennhof. Es liegt
                                                                 auf dem Gemeindegebiet von Kyburg-Effretikon. Das
                                                                 Relief ist etwa 1.5 Meter gross und stellt einen Arbei-
                                                                 ter von hinten dar.

                                                                 Abbildung 9 – Relief im Sandsteinfelsen bei Sennhof.
                                                                 Foto Dominik Landwehr.

                                                                 Hedy Jucker, ehemals Wirtin im Frohsinn in Koll-
                                                                 brunn, sagt uns, die Figur sei mit Sicherheit von pol-
                                                                 nischen Internierten gestaltet worden. Und sie kennt
                                                                 auch die zweite Skulptur: Sie liegt am Fussweg zwi-
                                                                 schen dem Schiesstand von Rikon und dem Weiler
                                                                 Dettenried und gehört zur Gemeinde Weisslingen.
                                                                 Das Relief zeigt den Kopf eines Mannes mit Mütze
                                                                 sowie verschiedene fremdartig anmutende Häuser.

Abbildung 8 - Schulhaus Hirsgarten Rikon. Das Schul-
haus wurde 2017 renoviert, dabei musste auch die
Pflästerung erneuert werden, die originalen Muster
wurden aber erhalten. Foto Dominik Landwehr.

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Das Hochschullager Winterthur und die Sandreliefs im Tösstal. Dominik Landwehr Februar 2021                             6/8
Zum Geburtstag ein Cervelatsalat -Das Hochschullager der polnischen Internierten in Winterthur und das Geheimnis der Waldreliefs im Tösstal.
wissen, “ teilt uns Jan Capol, Ressortleiter Inventari-
                                                                  sation bei der Denkmalpflege mit.

                                                                  Wer hat die Figuren gemacht? Könnte es sein, dass
                                                                  die oben erwähnten Studenten von Winterthur in ih-
                                                                  rer Freizeit neben freien bildhauerischen Arbeiten
                                                                  auch diese Reliefs geschaffen haben? Wir wissen es
                                                                  nicht. Aber es wäre naheliegend.

                                                                  KASTEN
                                                                  Die Schweiz – ein sicherer Hafen

                                                                  Im Zweiten Weltkrieg sind über 100 000 Soldaten aus
Abbildung 10 – Relief im Sandsteinfelsen auf dem Fussweg zwi-     fremden Armeen in der Schweiz untergekommen,
schen Dettenried und Rikon. Foto Dominik Landwehr.                wenn auch nicht alle zur gleichen Zeit. Die grösste
                                                                  Gruppe waren 30 000 Franzosen, die mit 12 500 Po-
Wir zeigen ein Bild davon dem polnisch-schweizeri-
                                                                  len im Juni 1940 die Grenze im Jura überschritten. Sie
schen Bildhauer Romuald Polachowski, er ist selber
                                                                  wurden nach den Regeln der Haager Konvention be-
Kind eines polnischen Internierten. Für ihn ist sofort
                                                                  handelt, das heisst entwaffnet und in Lagern unter-
klar: Der Mann muss aus Zakopane im polnischen
                                                                  gebracht. Später kamen Engländer, Italiener und so-
Tatra Gebirge sein und auch die Häuser seien mit Si-
                                                                  gar Russen und Deutsche. Es waren in der Regel ge-
cherheit von dort.
                                                                  flüchtete Kriegsgefangene. Für die Betreuung der In-
                                                                  ternierten war das 1940 gegründete Kommissariat
                                                                  für Internierung und Hospitalisierung EKIH zuständig;
                                                                  sein 750 Seiten starker Schlussbericht ist beim Bun-
                                                                  desarchiv online zugänglich. Die meisten Internierten
                                                                  blieben nur vorübergehend hier, die polnischen In-
                                                                  ternierten aber während des ganzen Krieges.

                                                                  https://www.bar.admin.ch/dam/bar/de/doku-
                                                                  mente/verwaltungsgeschichte/E5791_1000-
                                                                  949_2561.pdf.download.pdf/E5791_1000-
                                                                  949_2561.pdf

Abbildung 11 – Der polnisch-schweizerische Bildhauer Samuel Po-
lachowski. Foto Dominik Landwehr.

Trotz intensiven Nachforschungen finden wir nir-
gends etwas Schriftliches zu diesen stummen Zeu-
gen. Auch bei der kantonalen Denkmalpflege weiss
man nichts. Die Antwort von dort lässt uns aber auf-
horchen: „Wir stufen die Zeugen zu den polnischen
Internierten aus dem Zweiten Weltkrieg als wichtig
ein. Sie sind wohl eine der wenigen materiellen Hin-
terlassenschaften, die an den Umgang der Schweiz
mit den Internierten erinnern. Es ist uns im Moment
nicht klar, wie wir mit dieser Art von historischen
Spuren umgehen können, zumal wir wenig darüber

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Zum Geburtstag ein Cervelatsalat -Das Hochschullager der polnischen Internierten in Winterthur und das Geheimnis der Waldreliefs im Tösstal.
Weitere Literatur                                                Zum Autor
Marie-Isabelle Bill:
                                                                 Dominik Landwehr ist Kultur- und Medienwissen-
Interniert. Polnisch-schweizerische Familiengeschich-
                                                                 schafter und lebt in Winterthur.
ten. Zürich. 2020. Chronos Verlag. Darin sind die Le-
bensgeschichten von Leszek Bialy (1903-1977), Wik-
                                                                 Weierstrasse 76
tor Stefaniak und Pawel Polachowski (1917 – 1991)
                                                                 8405 Winterthur
zu lesen.
                                                                 dlandwehr@bluewin.ch
Madeleine Schadegg-Rück: Spuren:
                                                                 P +41 52 383 30 63           M+41 79 411 59 17
Von einer Vatersuche und Millionen nachtloser
Strümpfe. Eine Lebensgeschichte. Wetzikon 2014.
                                                                 www.peshawar.ch
Selbstverlag.
                                                                 www.sternenjaeger.ch
J. Leuthold:                                                     www.peshawar.ch/feldpost
Das polnische Internierten Hochschullager. 1940-
1946. Winterthur 1946.

Wiktor Stefaniak
Freiheit ist eine grosse Sache ; Erinnerungen e. inter-
nierten Polen. Simon Verlag 1985.

Die Titel von Leuthold, Stefaniak und Schadegg-Rück
sind in der Stadtbibliothek Winterthur.

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Das Hochschullager Winterthur und die Sandreliefs im Tösstal. Dominik Landwehr Februar 2021                       8/8
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