Neuer Förderaufruf Projekte einreichen bis 01.06.2021 - Bund.de
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Neuer Förderaufruf Projekte einreichen bis 01.06.2021 Forschungseinblicke, Einfach Bauen, extensive Gründächer, Experteninterviews robotergestützte Fabrikation, und Informationen zur Holz-Beton-Verbund-Decke, Forschungsförderung wiederverwendbare Schalungen
Inhalt 12 Zukunftsperspektiven für das Planen und Bauen in Deutschland 04 Die Zukunft Bau Forschungsförderung 06 Bauliche Infektionsprävention Gespräch mit Dr. Wolfgang Sunder, Technische Universität Braunschweig 09 Informationen aus der Forschung für die Praxis 10 Soziale Mischung und gute Nachbarschaft in Neubauquartieren Weeber+Partner © Arup (Nicole Perez, Emil Brechenmacher) 12 Das Bauen von morgen Arup Deutschland GmbH/Z_punkt GmbH 14 Von der Zukunft in die Gegenwart © Tom Bauer/IKE Gespräch mit Dr. Jan Wurm, Arup, und Helga Kühnhenrich, BBSR 18 Klimaschutz ist planbar Christine Neuhoff, BMI 19 Einfach Bauen Technische Universität München 22 Wiederverwendbare Schalungen Universität Kassel 06 Neue Materialien und Techniken Bauqualität, Ressourceneffizienz, Kreislaufwirtschaft, nachhaltiges Bauen © Sebastian Schels 19 2 ZUKUNFT BAU
24 Neue Materialien und Techniken © TU Braunschweig © Brüninghoff GmbH 24 Robotergestützte Fabrikation Technische Universität Braunschweig 26 Holz-Beton-Verbund-Decke Technische Universität Berlin, Arup Deutschland, berlinovo Immobilien, Brüninghoff 28 Grün für Gebäude Gespräch mit Dr. Gunter Mann 30 Extensive Gründächer Hochschule Weihenstephan- Triesdorf, ZinCo 32 Fluid Morphology Im Gespräch mit 3F Studio 34 Mensch-Computer-Interaktion Gespräch mit Prof. Dr. Reinhard König, Bauhaus-Universität Weimar 26 36 Zukunft Bau – Veröffentlichungen 38 Impressum 39 Termine Energieeffiziente und klimagerechte Konzepte im Gebäude- und Quartiersbereich 3
Zu kunf t B au - For s c h u n g sförd e r u n g Zukunft Bau Förderaufruf Neue Impulse für Planung und Baupraxis Die Zukunft Bau Forschungsförderung Was wird gefördert? Sie interessieren sich für Innovationen im Gegenstand der Förderung sind wissen- Hochbau oder aktuelle Forschungsergebnis- schaftlich fundierte Forschungs- und se im Bereich des Bauens? Sie forschen in Entwicklungsleistungen in der angewandten Architektur, Ingenieurwesen oder anderen Gebäudeforschung. An Forschungsschwer- Bereichen des Planens und Bauens von punkten und -themen, die entscheidende Gebäuden? Wir geben Ihnen gerne einen Beiträge für Innovationen in den Bereichen Überblick über die Fördermöglichkeiten und Bauwesen, Architektur sowie Bau- und Woh- Informationswege im Rahmen der Zukunft nungswirtschaft erwarten lassen, besteht ein Bau Forschungsförderung! erhebliches Bundesinteresse. Im Förderauf- ruf werden hierzu wichtige Themenschwer- Was ist Zukunft Bau? punkte genannt. Darüber hinaus ist die Zukunft Bau Forschungsförderung offen für Zukunft Bau fördert als wichtige Institution alle Themen, die einen Beitrag zur nachhalti- der deutschen Architektur- und Baufor- gen Entwicklung des Bauwesens erwarten schungslandschaft Erfolg versprechende lassen und ein öffentliches Interesse Forschungsprojekte, vernetzt Forschende bedienen. Gefördert werden Projekte der untereinander und stärkt den Innovations- angewandten Forschung, im Grundlagenbe- und Wissenstransfer in die Bauwelt. reich sowie im industriellen Forschungsbe- Durchgeführt wird das Innovationspro- reich. Dabei werden wissenschaftliche gramm Zukunft Bau im Auftrag des BMI vom Leistungen unterstützt. Eine Förderung von Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raum- (Bau-)Investitionen ist nicht möglich. forschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwe- sen und Raumordnung (BBR). BMI und Wie / Wo kann ich mich über die BBSR unterstützen hiermit aktiv den Forschungsergebnisse bzw. laufende Klimaschutz, die Energie- und Ressourcen- Forschungsprojekte informieren? effizienz, das bezahlbare Bauen, die Gestaltungsqualitäten im (städte-)baulichen Die Zukunft Bau Forschungsförderung bietet Kontext sowie die Bewältigung des demo- eine Plattform, um innovative Ansätze zu grafischen Wandels. Übergeordnetes Ziel ist, konzipieren, zu erproben und zu vermitteln, eine nachhaltige Entwicklung des Gebäude- neue Rahmenbedingungen auszuloten bereichs zu befördern. sowie die Zukunft des Bauens mit der 4 ZUKUNFT BAU
Fachöffentlichkeit zu diskutieren. Auf der Ab wann kann ich einen Antrag einreichen? Webseite www.zukunftbau.de informieren wir Sie über aktuelle die Forschung und Fördermöglich- Die neue Förderrunde startet ab 15.02.2021. Auf keiten. Hier finden Sie auch alle Hinweise zur der Website www.zukunftbau.de stehen ab Antragstellung und Bearbeitung von bewilligten diesem Zeitpunkt alle nötigen Informationen und Projekten. Dokumente zur Verfügung. Unter dem Stichwort Publikationen stehen für Sie die Zukunft Bau-Veröffentlichungen des BMI und des BBSR zum Download oder zur Bestellung in A N W E N KA NN I C H MI C H Papierform bereit. Über den Newsletter bleiben BE I F RAG E N W E ND E N ? Sie stets zu aktuellen Veranstaltungen und Bei allgemeinen Fragen rund um die Kongressen informiert. Abonnieren Sie den News- Antragstellung können Sie sich an das letter einfach über www.zukunftbau.de. Beratungstelefon wenden: Tel.: +49 228 99401-1616 An wen richtet sich die Förderung? Wer kann gefördert werden? Für die Förderung eines Forschungsprojekts können sich Einrichtungen für Forschung und Forschungsergebnisse nutzen Wissensverbreitung (z. B. Universitäten und Hochschulen) sowie Unternehmen (kleine, Ein zentrales Anliegen von Zukunft Bau ist es, den mittlere, sonstige Unternehmen, Büros etc.) Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis bewerben. Möglich sind auch Forschungsverbün- zu befördern und damit die Innovationskraft des de bzw. Kooperationen mehrerer Forschungs- Bauwesens zu stärken. Verbindlicher Bestandteil partner. Zum Zeitpunkt der Auszahlung einer jedes geförderten Projekts ist die Erstellung eines gewährten Zuwendung muss der Antragsteller wissenschaftlichen Forschungsberichts, der nach über eine Betriebsstätte oder Niederlassung in Projektabschluss der Öffentlichkeit zur Verfügung der Bundesrepublik Deutschland verfügen. gestellt wird. Je nach Forschungskategorie bietet Zukunft Bau darüber hinaus zahlreiche weitere Wie ist der Weg zur Förderung? Formate zur Verbreitung der Forschungsergeb- Wie läuft das Antragsverfahren ab? nisse an. Das Verfahren ist zweistufig aufgebaut. Stufe 1 (Projektskizze): Nach Veröffentlichung Informieren Sie sich über die des Förderaufrufs haben Antragsteller bis zum Möglichkeiten und abonnieren Sie unseren Newsletter auf 01.06.2021 Zeit, über das eingerichtete Onlinever- www.zukunftbau.de fahren (www.zukunftbau.de) eine Projektskizze für das geplante Forschungsprojekt einzureichen. Stufe 2 (Zuwendungsantrag): Wird das Projekt für eine Förderung ausgewählt, erhalten die Antragsteller die Aufforderung, den Zuwen- dungsantrag einzureichen. Nach erfolgter Überarbeitung kann der förmliche Antrag online eingereicht werden. ZUKUNFT BAU 5
Zu kunf t B au - D i s ku r s Bauliche Welche Rolle spielten bauliche Maßnahmen für Infektions- die Infektionsprävention bislang und welche Rolle werden sie zukünftig spielen? In Deutschland kommt es jedes Jahr zu 400 000 bis prävention 600 000 Krankenhausinfektionen. Die Zahl der durch nosokomiale Infektionen verursachten To- desfälle liegt bei 6 000 bis 15 000 pro Jahr. Darunter sind jene Infektionen zu verstehen, die erst nach Aufnahme des Patienten im Krankenhaus auftre- Bettina Sigmund im Gespräch ten. Zusätzlich ist der Anteil der Patienten, bei de- mit Dr. Wolfgang Sunder nen die Infektionen durch multiresistente Erreger hervorgerufen werden, gestiegen. Multiresistenz bedeutet, dass viele Antibiotika nicht mehr wirk- sam sind. Je nach Krankenhaus und Stationsart beträgt der Anteil von multiresistenten Erregern © Tom Bauer/ IKE unter Krankenhausinfektionen ca. 5–20 Prozent. Bauliche Maßnahmen für die Infektionsprä- vention spielen deshalb in diesem Zusammenhang aktuell und auch in Zukunft eine relevante Rolle. Das Institut für Konstruktives Entwerfen, Indust- rie- und Gesundheitsbau (IKE) der TU Braun- schweig konnte in einer Reihe von Studien belegen, dass bauliche Maßnahmen die Prävention der Kontaktübertragung von Erregern effektiv opti- mieren und wie groß die Evidenz solcher baulicher Interventionsmaßnahmen ist. War der Covid-19-Pandemiefall der Auslöser für das Forschungsvorhaben „SAVE – Effektive Strategien zur Kontrolle und zum Umgang mit Ausbreitungswegen von Erregern zum Schutz kritischer Infrastrukturen“? Nein, in den letzten 25 Jahren gab es eine Reihe von Pandemien. Denken Sie beispielsweise an das Influenza-A-Virus H5N1 (seit 1997), SARS-CoV (seit 2002) oder MERS (2012). Bis zur genauen Charakterisierung und Eindämmung der Viren kam es immer wieder zu erheblichen Erkran- kungszahlen, Todesfällen und ökonomischen Präventionskonzept Patientenzimmer: Infektionssichere Planung eines Zweibett- Schäden. Wichtig für die Beherrschung eines neu- zimmers inklusive Nasszelle en Infektionserregers mit pandemischem Poten- zial ist, schnell, effektiv und zielgerichtet wissen- schaftliche Erkenntnisse zu den möglichen Über- tragungswegen zu gewinnen. Dazu gehören auch jene baulichen Maßnahmen, die Übertragungs- 6 ZUKUNFT BAU
wege mit räumlichem und gebäudetechni- schem Aufwand reduzieren. Die Vorberei- tung auf zukünftige Infektionsgeschehen mit unbekannten Erregerformen steht in unserer Arbeit bereits seit Jahren im Fokus. Vor kurzem haben wir das Verbundfor- schungsprojekt HYFLY (gefördert im Rah- men des BMBF-Konsortiums InfectCon- trol) abgeschlossen, in dem bauliche und prozessuale Empfehlungen für die Planung von Flughäfen im Pandemiefall erarbeitet wurden. Welche kritischen Infrastrukturen stehen bei der baulichen Infektionsprävention © Tom Bauer/ IKE Reinigung Nachttisch im Fokus? Kritische Infrastrukturen haben eine zentrale Be- deutung für das Gemeinwesen. Dabei gilt es, den Von dem neu auftretenden Corona-Virus und sei- Blick über das Gesundheits- und Pflegewesen hi- ner schnellen globalen Verbreitung geht eine rasant naus auf Infrastruktursysteme zu erweitern , die für wachsende Gefahr aus, die alle Lebensbereiche des die Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen Ge- Menschen betrifft. Die Entwicklung von Lösungen sellschaft ebenso unerlässlich sind. Dazu gehören zur verbesserten Kontrolle und Bekämpfung der u. a. Bildungseinrichtungen, Verkehrsbauten, Ver- Corona-Pandemie erfordert die Beteiligung von waltungsgebäude, Supermärkte und Produktions- Experten aus völlig unterschiedlichen Disziplinen stätten. In der ersten Phase und Fachgebieten. Dies werden wir eine bauwissen- schließt insbesondere auch die schaftliche Analyse und Be- Infrastruktur und deren Ge- wertung von infektionsrele- bäude, die Materialität und die vanten Bereichen in kritischen Haustechnik – hier im Speziel- Infrastrukturen durchführen, len die Lüftungstechnik – mit die in einer Priorisierung für ein. Unter der Federführung weitere Untersuchungen mün- des IKE werden deshalb im det. Dabei spielt natürlich auch Z U R PERSO N Projekt SAVE erstmals Archi- die Frage der Übertragbarkeit Dr.-Ing. Architekt Wolfgang tekten, Epidemiologen, Hygi- von Erkenntnissen aus abge- Sunder ist Forschungsleiter am eniker, Materialwissenschaft- schlossenen Projekten, u. a. Institut für Konstruktives ler und Haustechniker inter- dem Projekt HYBAU+ Bauli- Entwerfen, Industrie- und disziplinär zusammenarbeiten. che Hygiene im Krankenhaus Gesundheitsbau (IKE) der TU Braunschweig. Nach dem und dem Projekt KARMIN, Welche baulichen Maßnah- Architekturstudium an der ETH eine große Rolle. men unterstützen konkret Zürich promovierte er zum Thema Gesundheitsbau an der die Infektionsprävention? Weshalb ist es wichtig, TU Berlin. Forschungsschwer- Und wie groß ist letztendlich dieses Forschungsthema im punkte sind u. a. die strategische deren Effekt? interdisziplinären Team zu Planung von Krankenhausbau- Durch bauliche Rahmenbe- betrachten? ten sowie bauliche und dingungen, die einen unkom- prozessuale Maßnahmen der Infektionsprävention. 7
Zu kunf t B au - D i s ku r s Reinigung Patientenzimmer © Tom Bauer/ IKE plizierten Arbeitsablauf ermöglichen, und baulich es zusätzlich eines Kosten-Nutzen-Vergleichs, der erzeugte positive Anreize („nudging“), z. B. in die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen der Bezug auf die Händedesinfektion, kann das Risiko baulichen Maßnahmen untersucht. von Infektionen reduziert werden. Im Gesund- heitswesen kann eine Umgebung, in der der Patient Wann werden Ergebnisse aus dem Projekt SAVE sich wohlfühlt und wenigen zusätzlichen Stress- erwartet und wie werden diese Planer, Bauher- faktoren ausgesetzt ist, protektiv wirken. Die Un- ren und Betreiber konkret unterstützen? terbringung in Einzelzimmern mit und ohne Das „Weißbuch zur baulichen Infektionsprävention Schleuse senkt die Infektionsgefahr – insbesonde- kritischer Infrastrukturen“ wird am Ende der Lauf- re auf der Intensivstation – im Hinblick auf die zeit 2022 über Open Access kostenfrei zur Verfü- Kontaktübertragung. Das separate Zimmer kann gung stehen. Ausgewählte Modelllösungen für ein zusätzlicher Faktor zur Erinnerung an die kon- konkrete Problemstellungen, die mit großer Wahr- sequente Durchführung der Händedesinfektion scheinlichkeit einen signifikanten Einfluss auf die sein. Dies sind nur einige Beispiele. Unterbrechung von Infektionsübertragungswegen Die Erarbeitung effektiver Konzepte zur Infek- haben, sollen bereits in der ersten Hälfte der Pro- tionskontrolle kann nur durch die Zusammenar- jektlaufzeit erarbeitet und vorgestellt werden. beit über fachliche Grenzen hinweg passieren, ganz Die Ergebnisse sollen die erwähnten Nutzer- im Sinne des One-Health-Ansatzes. Die bauliche gruppen u. a. bei der Wahl von sinnvollen Materia- Infektionsprävention ist hier ein relevanter Faktor. lien oder Lüftungsanlagen, aber auch hinsichtlich Der Effekt dieser Prävention konnte zwar in einer der Gebäudestruktur und deren Funktionalität Reihe von Studien belegt werden, allerdings bedarf nachhaltig unterstützen. 8 ZUKUNFT BAU
Zukunf t B a u - f ür die P ra xis Informationen aus der Forschung Forschung für die Praxis | Band 13 Bauliche Hygiene im Klinikbau Planungsempfehlungen für die bauliche Infektionsprävention Architekten, Planer, Hygienebeauftragte und Klinikbetreiber erhalten mit der Broschüre praktisches Wissen zu Strategien und Planungsempfeh- lungen für die Bereiche der Operation, der Notfall- und Intensivmedizin. Aufgezeigt wird, wie baulich-funktionelle Abläufe im Krankenhaus hygienesicher optimiert, sinnvolle Materialien eingesetzt und dadurch neue Gebäudestrukturen effizient und nachhaltig gestaltet werden können. Darüber hinaus werden Ergebnisse einer Umfrage zur baulichen Krankenhausstruktur in Deutschland grafisch prägnant dargestellt. Die Broschüre ging aus einem interdisziplinären Forschungsprojekt unter der Leitung von Dr. Wolfgang Sunder (Institut für Konstruktives Entwerfen, Industrie- und Gesundheitsbau der TU Braunschweig) sowie Professorin Petra Gastmeier (Charité Berlin) hervor. Beteiligt waren zahlreiche Klinikbetreiber, Planer, Materialhersteller und Ausstatter. Forschung für die Praxis | Band 23 Soziale Mischung und gute Nachbarschaft in Neubauquartieren Planung, Bau und Bewirtschaftung von inklusiven Wohnanlagen Soziale Mischung in Wohnquartieren ist eine wichtige Aufgabe für Stadtentwicklung und Wohnungspolitik. Auf das schwieriger werdende Zusammenleben in einer zunehmend heterogenen Gesellschaft muss die Entwicklung von Wohnanlagen reagieren. Wie funktioniert soziale Mischung, in der auch preisgünstige Wohnungen, unterschiedliche Wohnformen sowie Haushalte mit erschwertem Zugang zum Woh- nungsmarkt erwünscht sind? Die Antwort liegt sowohl in der hohen Wohnzufriedenheit als auch in der guten Nachbarschaft – es sind die Erfolgskriterien sozial gemischter Neubauquartiere. Als planerisch sehr relevant erweisen sich dabei die Gebäudetypologie, die Dichte, das Woh- nungsgemenge, die Wohnungsgrundrisse und das Wohnumfeld. Die Broschüre thematisiert die Erfolgskriterien sozial gemischter Neubauquartiere. Sie vermittelt dazu planerisches und architektonisches Wissen auf der Basis von 16 Fallstudien, zahlreichen Experteninterviews und wissenschaftlichen Ergebnissen. 9
Zu kunf t B au - P roj e kt Soziale Mischung und gute Nachbarschaft in Neubauquartieren Planung, Bau und Bewirtschaftung von inklusiven Wohnanlagen Der Wohnungsbau als gesellschaft- liche Aufgabe umfasst mehr als nur die Errichtung von guten und bezahlbaren Wohnungen. Er bildet Beispiel Bruno-/Michelstraße, Würzburg (Stadtbau Würzburg zugleich die räumliche Vorausset- GmbH): 42 Eigentumswohnungen, 66 frei finanzierte und 40 zung des sozialen Miteinanders geförderte Mietwohnungen in separaten Gebäuden und gibt über die Zusammenset- zung der Bewohner auch Auskunft Mischung in solchen Quartieren in den spiel für das Mehrgenerationenwohnen, über gesellschaftliche Wirklichkeit. Blick nimmt, in denen auch ein beträcht- das Wohnen mit Assistenz von Menschen licher Anteil von preisgünstigen Wohnun- mit Behinderungen oder Wohnraum für gen, unterschiedlichen Wohnformen sowie Migranten und Flüchtlinge. D och das von einer breiten Mehr- Haushalten mit erschwertem Zugang zum Die vom Stuttgarter Stadtforschungs- heit gewünschte Ideal einer viel- Wohnungsmarkt erwünscht ist. institut Weeber+Partner durchgeführte fältigen, kulturell und sozial Hohe Wohnzufriedenheit und gute Untersuchung ging deshalb der Frage nach, durchmischten Bevölkerungszusammen- Nachbarschaft sind die eigentlichen Er- wie soziale Mischung gelingen kann und setzung in Städten und Gemeinden stellt folgskriterien sozial gemischter Neubau- unter welchen Bedingungen und mit wel- sich nicht von selbst her; ganz im Gegenteil: quartiere. Doch der Wohnungsnachfrage chen Instrumenten sich inklusive Wohn- Die Fliehkräfte einer ökonomisch und eth- im unteren und mittleren Preissegment anlagen realisieren lassen, sodass gute nisch zunehmend heterogenen Gesell- stehen nicht hinreichend große Kapazitä- Nachbarschaft entsteht. Dafür wurden alle schaft spiegeln sich vielerorts auch in wach- ten gegenüber. Gerade Menschen in Phasen sozial gemischter Neubauquartiere sender Segregation wider, also der räum- schwierigen Lebenssituationen, Transfer- analysiert – von der Projektentwicklung bis lichen Trennung sozialer Gruppen und leistungsempfänger sowie alternative zu Betrieb und Unterhalt. Drei Themen- Milieus auf Kosten des gesamtgesellschaft- Haushaltsformen und bereiche wurden be- lichen Zusammenhalts. Lebensstile haben sonders intensiv be- Wer sich also mit Fragen von Integra- Schwierigkeiten, un- FO RSC H U N G SI NSTI TU TI O N trachtet: das Konzept tion, Solidarität und sozialer Ausgewogen- ter gegenwärtigen Be- Weeber+Partner Institut für der Mischung und die heit beschäftigt, kommt um den Woh- dingungen eine geeig- Stadtplanung und Sozial- Zielgruppen, die bau- nungsbau nicht herum. Dieser Frage- nete Wohnung zu forschung W+P GmbH lich-räumliche Ge- stellung widmet sich auch ein Forschungs- finden. Dabei ist der staltung sowie die Be- projekt, das die funktionierende soziale Bedarf groß, zum Bei- P ROJ E KTLE I TU N G wirtschaftung. Simone Bosch-Lewandowski 10 ZUKUNFT BAU
Ein vielfältiges, differenziertes Wohnungsgemenge ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor sozial gemischter Neubauprojekte. © Weeber+Partner Als günstiges Mischungsverhältnis gilt in der Wohnungswirtschaft die sogenannte Drit- telung: je etwa ein Drittel geförderte Mietwoh- nungen, frei finanzierte Mietwohnungen und (selbst genutzte) Eigentumswohnungen – dies bestätigte sich in etwa auch in der Bewohner- befragung. Bei der Konzeption konkreter Pro- jekte werden die Anteile je nach Ausgangssitu- ation quartiersspezifisch festgelegt. Für die soziale Mischung sind auch Gebäu- detypologie, Dichte, Wohnungsgemenge, Wohnungsgrundrisse und Wohnumfeld sehr relevant. Mit der Verständigung auf ein Bau- programm werden die Wohnqualitäten für die © Weeber+Partner sozial gemischte Nachbarschaft festgelegt. Auch wenn man einem Quartier die soziale Mischung nicht ansieht, da die Wohnanlagen meist weitgehend einheitlich gestaltet sind, Eigentum Miete gefördert Miete frei finanziert Grün, Freiraum leistet ein möglichst vielfältiger Wohnungsmix der erwünschten sozialen Vielfalt einen ge- Beispiel Teichmatten, Lör- rach (Städtische Wohnbau- wissen Vorschub. Anders formuliert: Ein viel- gesellschaft Lörrach mbH): fältiges, differenziertes Wohnungsgemenge ist 29 frei finanzierte und 20 Am Forschungsprojekt waren 14 Woh- ein wesentlicher Erfolgsfaktor sozial gemisch- geförderte Mietwohnun- nungsunternehmen unterschiedlichen Typs ter Neubauprojekte. Insbesondere Wohnungs- gen wurden innerhalb der Häuser gemischt beteiligt – überwiegend kommunale Unter- größen sowie Wohnungs- und Gebäudetypen nehmen, aber auch genossenschaftliche und spielen bei der Bereitstellung des nachgefragten privatwirtschaftliche – mit insgesamt 16 Bei- Wohnraums eine große Rolle. Es wird zudem spielen. Es galt, übertragbare und praktisch immer selbstverständlicher, gemeinschaftliche anwendbare Erkenntnisse für Wohnungsunter- Wohnangebote – insbesondere für Menschen nehmen und Planende bei ähnlichen Projekten mit Assistenz- und Pflegebedarf – dezentral in zu gewinnen. die Wohnanlagen einzubinden. Schließlich Beim Neubau von Wohnanlagen stellen sich trägt auch die Qualität des Wohnumfelds zum folgende Fragen: Wie kleinteilig wird gemischt? sozialen Zusammenhalt vor Ort bei. Die Er- In welchem Umfang wird gemischt? Welche hebung zeigt, dass gut bewertete Außenanlagen Bewohnergruppen werden gemischt? Nachbarschaftskontakte befördern. 11
Zu kunf t B au - P roj e kt I n Zeiten wachsender Komplexität wird Das die Bauwelt von verschiedenen tiefgrei- fenden und langfristigen Transformati- onsprozessen beeinflusst, während auf der Bauen anderen Seite innovative Möglichkeiten und neue Chancen entstehen. Doch wird es auch so kommen? Dass die Entwicklungen nicht © Arup (Nicole Perez, Emil Brechenmacher) von vorhersehbar sind, zeigt nicht zuletzt die Co- vid-19-Pandemie, die lang anhaltende Ent- wicklungsprozesse beschleunigt und in kurzer morgen Zeit unsere Lebens- und Arbeitswelt verän- Illustration des Anwendungsszenarios dert hat. Auf Basis der heutigen Perspektive, Klimaneutralität des Wissens aus verschiedenen Expertenkrei- sen und den gewonnenen Erkenntnissen wur- überlegten Umgang mit Bestand und Baukul- den vier plausible Bezugsrahmen für die ge- tur sowie systemische und vor allem kreislauf- Wie werden wir im Jahr 2050 baute Umwelt im Jahr 2050 entwickelt (Kon- wirtschaftliche Ansätze impliziert. Einen dras- bauen und wie werden der textszenario) und sieben konkrete zentrale tischeren Weg zeigt das Kontextszenario „Platt- gesellschaftliche, wirtschaftliche Zukunftsthemen des Bauens von morgen formen in der Bauwelt“ auf. Globale, digitale und politische Kontext sowie der ausformuliert (Anwendungsszenario). Dass Plattformunternehmen haben smarte, weitest- Klimawandel und die zunehmen- diese einander bedingen und in komplexen gehend proprietäre Infrastruktursysteme er- de Ressourcenverknappung das Abhängigkeiten zueinander stehen, ist auf den richtet und ihren Einfluss auf Wirtschaft, Poli- Bauen von morgen prägen? Dies ersten Blick sichtbar. tik und Gesellschaft deutlich ausgeweitet. Be- Betrachtet man zum Beispiel das Kontext- stehende Marktteilnehmer aus der Baubranche sind nur einige der Fragen, die szenario „Die Bauwelt im Gleichgewicht“, das werden durch innovative Geschäftsmodelle sich Arup und Z_punkt stellen, das Wohl von Mensch und Natur konsequent und massive Datennutzung verdrängt. Ent- um im Projekt „das Bauen von ins Zentrum wirtschaftlichen und technolo- sprechend sind es die Technologiekonzerne, morgen“ Zukunftsperspektiven, gischen Fortschritts stellt, rücken die Zu- die Städte im Jahr 2050 federführend planen konkrete Handlungsempfehlun- kunftsthemen Baukultur, Klimaneutralität und bauen.Was müssen wir heute schon tun, gen und Leitplanken für die und Zirkularität in den Fokus. Im Idealfall um die Zukunft 2030/2050 zu gestalten? Ex- zukünftigen architektonischen, gelingt bis 2050 eine sozial und ökologisch emplarisch für die kurz-, mittel- und langfris- baulichen und räumlichen nachhaltige Transformation der Lebenswelt. tigen Handlungsempfehlungen an die For- Entwicklungen für den Zeitraum Deutsche Städte und Regionen werden nach schung und die Politik greifen wir drei The- dem Ansatz der Livable bzw. der Green City/ menfelder heraus, die die Chancen, aber auch bis 2030/2050 zu entwickeln. Region geplant und gebaut, was auch einen die Herausforderungen des Handelns abbilden. Zukunftsthemen Baukultur Partizipation Resilienz Kontextszenarien Gesetzliche Rahmenbedingungen Strukturen der Zusammenarbeit Szenario 1 Die Bauwelt im Gleichgewicht 1 Neue Baukultur für den kollektiven Lebensraum Szenario 2 Neue Profis in der Bauwelt 2 Partizipation am Bau in einem sich neu formierenden Wirtschaftsumfeld 3 Der Schutz vor Klimakatastrophen Szenario 3 benötigt widerstandsfähige Eine ökoeffektive und effiziente Bauwelt Infrastrukturen und Gebäude Szenario 4 Plattformen in der Bauwelt 12 ZUKUNFT BAU
FORSCHUNGSINSTITUTION Arup Deutschland GmbH Zukunf t st hem a Par tizipatio n torenkopplung sowie die Innovationskraft Z_punkt GmbH eine Stimulation der deutschen Wirtschaft The Foresight Company Die Möglichkeit der Beteiligung und der erwartet werden. Eng verbunden mit dem Teilhabe einer breiteren Öffentlichkeit an Thema der Klimaneutralität ist der Wandel P ROJ E KTLE I TU NG Entscheidungsprozessen in der gebauten zur Kreislaufwirtschaft im Bauwesen. Im Dr. Jan Wurm, Holger Glock- Umwelt – auch unter Zuhilfenahme digi- Zukunftsthema Zirkularität liegt der Fokus ner, Martin Pauli taler Werkzeuge – verlangt vor allem nach jedoch mehr auf Ressourcen, Stoffkreis- prozessbegleitender Forschung und trans- läufen und unterstützenden neuen Ge- P ROJ E KTTE AM parenten, demokratischen Rahmenbedin- schäftsmodellen. Bis tatsächlich im großen Franziska Turber, Max Irmer, gungen. Dazu bedarf es aus politischer Maßstab in geschlossenen Materialkreis- Lisa Sturm, Nicole Perez, Emil Sicht einer neuen Wissens- und Informa- läufen gebaut werden kann, müssen noch Brechenmacher tionspolitik, um Ineffizienz und Blockaden technische, wirtschaftliche und regulatori- in der Entscheidungsfindung, aber auch die sche Hürden abgebaut werden. Vertretung einiger weniger Partikularinte- Geschäftsinteressen, was zu einem Verlust ressen zu vermeiden. Die große Chance für Zu ku nftsthem a Ko nnekti v i tät staatlicher und zivilgesellschaftlicher Ge- das Allgemeinwohl ist die disziplinenüber- staltungsmöglichkeiten führen kann. greifende Zusammenarbeit, die dazu bei- Die Digitalisierung zieht sich als Quer- Die individuellen Handlungsempfeh- trägt, einen breiteren Konsens in der Be- schnittsthema durch alle Bereiche. Ein lungen können nicht immer trennscharf völkerung zu verankern. wichtiger Punkt für die Gestaltung der Zu- voneinander abgegrenzt werden und es kunft ist hierbei die Entwicklung von Stra- liegt in der Natur einer komplexer werden- Zu kunf t st hem a Klima n e u tra lität tegien zur Nutzung großer Datenmengen den Welt, dass die Wechselwirkungen zwi- aus den verschiedenen Maßstabsebenen schen den einzelnen Sphären zunehmen. Zu diesem Bereich existieren bereits zahl- der gebauten Umwelt. Während in der Pla- Dennoch ist eine universelle Ebene erkenn- reiche politische Zielvorgaben, jedoch ist nung bereits viel vernetzt abläuft, gibt es in bar. Forschung und Politik müssen für den der strategische Weg zum klimaneutralen der operativen Praxis noch viel For- Bausektor die Transformation in vielen Bauen noch nicht klar definiert. Insbeson- schungspotenzial und, auf staatlicher Seite, zentralen Bereichen beschleunigen, um dere die Vorbildfunktion der öffentlichen zahlreiche Regulations- und Infrastruktur- sowohl ökologischen als auch ökonomi- Bauherren muss dabei gestärkt werden. Die aufgaben. Sektorübergreifende Informati- schen und sozialen Mehrwert für Deutsch- Kompensation des Wegfalls von Arbeits- onsverknüpfung durch Open Access und lands größten Industriesektor zu ermögli- plätzen aus den Schlüsselindustrien wird Open Data stimuliert Innovation, be- chen. Alle an der Wertschöpfung Bau be- auch für die kommenden Generationen schleunigt Prozesse und schafft hochquali- teiligten Akteure können die dargelegten zur Herausforderung. Allerdings kann fizierte Arbeitsplätze in neuen Geschäfts- Szenarien zum Anlass nehmen, zu reflek- durch regional angepasste Lösungen und feldern. Die Gefahr liegt in einer einseiti- tieren, welche Zukunft wünschenswert ist, die Nutzung der Synergien durch die Sek- gen Hoheit über die Daten partikularer um diese aktiv mitzugestalten. Klimaneutralität Zirkularität Konnektivität Automatisierung 4 5 Bauen als Teil des umfassenden Öko- Transparenz schafft Effizienz: Glokale systems Erde: Deutschland baut und Lieferketten vollziehen den Wandel hin betreibt emissionsfrei nach dem Bio- zur Circular Economy auf dem Bau diversität-Plus-Standard 6 Effizienz-gesteuerte und normierte Smart City bei gleichzeitiger Vernachläs- sigung des ländlichen Raums 7 Alles, was automatisiert werden kann, wird automatisiert – die KI übernimmt wichtige (planerische) Entscheidungen 13
Zu kunf t B au - D i s ku r s Von der Zukunft in die Gegenwart Eva Herrmann im Gespräch mit Dr. Jan Wurm, Arup, und Helga Kühnhenrich, BBSR Das Bauen prägt den Lebensraum von Menschen und damit auch die Welt von morgen. Warum beschäftigt sich das Innovationsprogramm Zukunft Bau mit Zukunftsentwicklungen? Wie nähert man sich verschiedenen Perspektiven zur Zukunft? Helga Kühnhenrich: Wer Gebäude plant, finanziert und baut, denkt zwangsläufig in die Zukunft und gestaltet mit einem meist hohen Einsatz von Ressourcen die Räume der Menschen von morgen mit. Neben die- ser gesellschaftlich hohen Bedeutung und Verantwortung ist das Bauwesen aber auch volkswirtschaftlich höchst relevant. Mit rund 370 Mrd. Euro im Jahr (Stand 2019) © Arup machen Bauinvestitionen die Hälfte aller jährlichen Investitionen in Deutschland aus. Daher bedarf es gerade in Zeiten tech- nischer und gesellschaftlicher Veränderun- Bauwesens besser zu verstehen, zu hinter- unseres heutigen Wissens, das auf vergan- gen einer zukunftsfähigen Ausrichtung des fragen oder gar neu zu denken. Es geht bei genen Erfahrungen basiert. Unsere Vor- Bauens, um Orientierung geben und neue diesem Projekt nicht darum, ein konkretes gehensweise ist sehr systematisch: Wir Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen zu Zukunftsbild aufzuzeigen, sondern eher analysieren Schlüsselfaktoren, darunter können. Deshalb initiiert und fördert das mithilfe von möglichen Zukunftsszenarien sogenannte Zukunftstreiber, und kombi- BMI gemeinsam mit dem BBSR For- mehr über das in der Gegenwart angelegte nieren sie zu Szenarien für plausible Zu- schungsprojekte, die Impulse für das Bau- Transformationspotenzial des Bauwesens künfte. Die Frage, wie das Bauen im Jahr geschehen setzen, die Grundlagen für neue zu lernen. Wir wollen mit dem Format eine 2050 aussieht, kann nicht losgelöst vom Rahmenbedingungen schaffen sowie ins- Art Denkraum schaffen, in dem wir grund- gesellschaftlichen, ökonomischen, ökolo- gesamt zu einem Wissenszuwachs in der legende Fragen zur Ausrichtung des Bau- gischen und politischen Umfeld gesehen Branche beitragen. Flankierend dazu ha- ens mit der Fachöffentlichkeit, Forschung werden Aus diesen Szenarien leiten wir ben wir im BBSR das Format „das Bauen und Baupraxis diskutieren. Einsichten für Kernbereiche des Bauens ab, von morgen“ ins Leben gerufen, um über Jan Wurm: Wir können die Zukunft nicht wie zukünftige Kollaborationsmodelle, ge- den Blick in die Zukunft die gegenwärtigen vorhersagen. Unsere Projektionen in die setzliche Rahmenbedingungen oder Entwicklungstendenzen und –grenzen des Zukunft sind folglich immer ein Ausdruck Schlüsselakteure und -technologien. Aus 14 ZUKUNFT BAU
Umbruch herbeizuführen. Vielmehr er- nahtlose Integration bei Planung, Bau und fordert ein Wandel einen in der Gesell- Betrieb, für die bedarfsgerechte Steuerung schaft verankerten Veränderungswillen, von Infrastrukturen und für neue Ge- ein ganzheitliches Verständnis sowie inte- schäftsmodelle. Von der Erfassung, Aus- grierte Herangehensweisen von Planen, wertung und Sicherung von Daten hängt Bauen, Nutzen, Forschen. Das ist alles an- ab, inwieweit unsere physische Welt mit der dere als einfach. Einen Schlüssel dazu kann digitalen verschmelzen wird und welcher aber die Digitalisierung liefern. In vielen Grad an Konnektivität und Automatisie- Bereichen sind wir in der Forschung schon rung möglich sein wird. Daher ist es wich- sehr weit. Deutschland nimmt z. B. im Be- tig, die erhobenen Daten allen Akteuren reich des 3D-Drucks oder der Robotik eine anonymisiert zugänglich zu machen, so- Spitzenposition in der Forschung ein. So dass alle davon profitieren können. Und da werden neue Fertigungsprozesse und ein stehen wir, glaube ich, auch vor interessan- ressourcenschonender Umgang mit Mate- ten politischen Fragestellungen: Wie rialien in Testumgebungen oder an Proto- deutsch, wie europäisch, wie global wollen typen entwickelt, die das bisherige System, wir sein? also die schrittweise Reihenfolge der Pla- nungs- und Bauphasen, komplett umkrem- Digitalisierung und Ökonomie sind nur peln und das gleichzeitige Zusammenwir- zwei Aspekte, die immer in Wechsel- ken vieler Fachleute erfordern – mit dem wirkung mit den gesellschaftlichen, öko- Ziel, klimaangepasster zu bauen. Daraus logischen und politischen Ausprägungen lässt sich folgern, dass diese neuen Ansätze stehen. Was wird in Zukunft noch für nicht ohne Weiteres auf unser heutiges Veränderungen sorgen? Bausystem übertragbar sind, aber uns neue JW: Neben der Dekarbonisierung des Bau- Modelle, eine neue Ausrichtung geben bereichs und der Transformation hin zu können. Das ist eine große Chance, die wir einer Circular Economy sind auch Partizi- Workshop zum Forschungsprojekt nutzen können, um uns von Traditionen pation und neue Kollaborationsmodelle „das Bauen von und Regularien zu verabschieden und ei- zentrale Zukunftsthemen in unserem Pro- morgen“ nen neuen Rahmen zu entwickeln. jekt. Nicht nur als Lippenbekenntnis für Denn Wandel ist machbar und die aktuel- Großprojekte, sondern professionell ge- le Corona-Pandemie zeigt uns, dass sich in steuerte offene Prozesse, um alle Interes- kurzer Zeit radikal etwas ändern kann. sengruppen einzubinden und jeder eine Sicherlich wirkt sich bisher die Pandemie Plattform zu geben. Es bedarf eines Pers- diesen Anwendungsszenarien lassen sich im Bauwesen nur insofern aus, dass vor pektivwechsels, der alle Akteure einbindet, Erkenntnisse gewinnen, was zukünftig im allem der Austausch untereinander abrupt nicht nur die Architekten und Ingenieure, Baubereich relevant wird und wie wir uns digitaler geworden ist. Aber es sind auch sondern auch die Bürger, um aus den par- darauf bestmöglich vorbereiten können. tiefgreifende und langfristige Auswirkun- tizipatorischen Verfahren systemische Ver- Eine besonders wichtige Voraussetzung für gen denkbar und die aktuelle Situation änderung zu erzielen. Hier besteht Bedarf, qualifizierte Szenarien ist der Input von lehrt uns, wie wichtig es ist, anpassungs- die langfristigen Auswirkungen dieser einem weiten ExpertInnenkreis. Wir haben fähig zu sein. Rückkopplungen im komplexen System daher im Laufe des Projektes an die 50 Ex- JW: Eine zentrale Frage, die wir uns gestellt Stadt zu erforschen. Noch eine Frage, die pertengespräche geführt und ausgewertet. haben, ist der Umgang mit dem Thema wir lösen müssen, ist, wie jeder von den Daten. Die gebaute Umwelt produziert eine Veränderungen durch ein Projekt profi- In welchen Bereichen sind die größten Menge Daten – von Nutzerprofilen zu Le- tiert, das betrifft nicht nur für die wirt- Umbrüche zu erwarten? bens- und Arbeitsgewohnheiten über Mo- schaftlichen und politischen Interessen, HK: Beim Bauen reicht es oft nicht aus, et- bilitätsdaten bis hin zu Materialsteckbrie- sondern auch die Interessen der BürgerIn- was aus nur einer Disziplin heraus oder in fen. Es gibt eine Vielzahl von Akteuren, die nen. Hier geht es auch um das Darstellen einem Teilbereich zu ändern, um einen diese Daten besser nutzen wollen: für eine von gesellschaftlichem Wert. 15
Zu kunf t B au - D i s ku r s Die Frage nach dem Wert wird oft nur auf mit der Neuinterpreta- unten auf einer partizi- einen ökonomischen Faktor reduziert. tion und der Mitge- patorischen, zivilge- Das kann es aber nicht allein sein, oder? staltung des Raums – sellschaftlichen Ebene HK: Alles ist eine Frage von „Wert“. Jedes vom öffentlichen bis in neue Kollaboration zu- Z U R PERSO N Gebäude hat einen ökonomischen Wert, den privaten Raum – stande kommt, indem aber auch einen gesellschaftlichen, ideellen zusammen. Im bau- Die Architektin Helga wir gemeinsam bauen, Wert – durch die Einbindung der Nutzer technischen Bereich ist Kühnhenrich leitet das aber jenseits von gro- Referat Forschung im bzw. des städtischen Kontexts, die Art der es eher die Frage nach ßen proprietären Syste- Bauwesen im Bundesinstitut Gestaltung der Lebensräume, die verwen- dem Fußabdruck der für Bau-, Stadt- und men. Im Kontextszena- deten Materialien und Handwerkstraditio- Materialien, also weg- Raumforschung (BBSR), rio drei „Eine ökoef- nen usw. Und ja, so wie die Wertvorstellung gehend vom Thema das für die Umsetzung der fektive und -effiziente des gesamten Wirtschaftssystems, das der Energieeffizienz Zukunft-Bau-Forschungs- Bauwelt“ geht es dar- Ideal des Homo oeconomicus, momentan hin zur Ressourcenef- förderung verantwortlich ist. um, dass der Staat an- auf den Prüfstand gestellt wird, müssen wir fizienz.Wo kommen gesichts der sich weiter auch die Wertschöpfung beim Bauen hin- die Materialien her, verschärfenden Klima- terfragen, unter Berücksichtigung der wie lange sind sie im Einsatz, wo gehen sie krise sehr stark eingreifen muss und Ko- Grenzen unseres Planeten neu definieren hin und welche Auswirkungen haben sie operation verordnet, um Effizienz und und das Bauen als kulturelle Praxis stärker auf unsere Ökosysteme? Kommt das Holz Resilienz zu optimieren. In dem vierten etablieren. aus lokalen Ressourcen, wie viele neue Modell „Plattformen in der Bauwelt“ sind JW: Das sehe ich ähnlich. Ein gesellschaft- Wälder brauchen wir für den Umbau der es globale Technologieunternehmen, die liches Thema, bei dem ich mir mehr Dis- Substanz und welchen Wert haben diese aus privatwirtschaftlichem Eigeninteresse kurs erhoffe, ist die Frage, wie wir das Bau- Wälder darüber hinaus auch für die Bio- geschlossene Plattformen betreiben, die die en nicht nur als pragmatisches Mittel zum diversität und Freizeitgestaltung? Strukturen der Zusammenarbeit bestim- Zweck betrachten, sondern als kulturstif- Letztendlich geht es auch um Qualität. Wie men. Auch mit der Kollaboration zwischen tendes, wertbringendes Element. Das hängt können wir mit weniger Ressourcen besser, Mensch und Maschine bzw. Maschine und attraktiver bauen? Der heutige Baustellen- Maschine und den daraus entstehenden betrieb ist wenig attraktiv. Produktions- Fragen von der Gewährleistung bis zur so- gewinne sind nicht nur auf der wirtschaft- zialen Qualität von solchen Planungspro- lichen Seite durch automatisierte Prozesse zessen müssen wir uns beschäftigen. notwendig, auch die Attraktivität der Be- HK: Die Erkenntnis aus diesem Forschungs- rufsbilder muss sich verändern. projekt ist, dass die zukünftigen Szenarien von der Kollaboration, aber noch mehr der Welche Rolle spielen neue Formen der Interdisziplinarität leben. Es reicht für die © Arup Zusammenarbeit in Ihren Szenarien als Forschung nicht mehr aus, nur in klassi- ZU R PERSO N Treiber für Veränderung? schen ingenieurwissenschaftlichen Diszi- JW: Das Thema der Kollaboration und Ko- plinen zu denken. Vielmehr müssen Pro- Dr.-Ing. Jan Wurm ist Direktor für operation stellt sich in den vier erarbeiteten jekte breiter aufgestellt sein, um der Kom- Research & Innovation Arup Europe Anwendungsszenarien unterschiedlich dar. plexität, die wir einfach heute haben, mit Sitz in Berlin. Nach dem Architek- turstudium an der RWTH Aachen In dem ersten Kontextszenario „Bauwelt gerechter zu werden. Vor allem die Digita- und einem Forschungsstipendium an im Gleichgewicht“ geht es um die Koope- lisierung lässt ganz neue Bereiche mitein- der TU Delft promovierte er zum ration mit der Natur, um zu verstehen, was ander verschmelzen. Schon heute bestehen Thema „Gläserne Spannweiten – Anforderungen und Bedürfnisse sind, da- Forschungsgruppen, die sich z. B. mit digi- Strukturformen aus Flachglas“ am mit wir unsere eigenen Bedürfnisse teil- taler Fertigung beschäftigen, aus einer Viel- Lehrstuhl für Tragkonstruktionen an weise damit auch austarieren. Das zweite zahl von Fachleuten – Ingenieuren, Archi- der RWTH Aachen. Forschungs- Szenario „Neue Profis in der Bauwelt“ han- tektinnen, Maschinenbauern, Informa- schwerpunkte sind die Innovations- potenziale von Fassaden und delt von einem Wiederaufbau nach einer tikerinnen, Materialwissenschaftlern, Che- Materialien sowie Zukunftsszenarien. wirtschaftlichen Krise, wo große Struktu- mikern usw. Das wird in Zukunft die Regel ren geschwächt sind und tatsächlich von werden. 16 ZUKUNFT BAU
näher zusammenrücken. Die Diskus- sion über die Zukunft des Bauens kommt dabei einem Dreh- und An- gelpunkt gleich. Das sehe ich als eine Gemeinschaftsaufgabe aller Beteilig- ten an. Dies käme mehr oder weniger einer kulturellen Revolution gleich, denn die im Bauwesen vorherr- schende, extrem ausgeprägten Tren- nung der Sphären von Forschung an Hochschulen oder außeruniversitä- ren Forschungseinrichtungen und Baupraxis sollte angegangen werden. Das fängt mit der Ausbildung an, dem Verständnis von Forschung bzw. Lern- prozessen beim Bauen, und reicht bis zu Crowd-basierten Wissensplattformen über Büro- und Institutsgrenzen hinweg. r) mac he Das soll nicht bedeuten, dass jeder aus der en il B rec h Baupraxis nun forschen muss, doch sollte m z, E vielmehr das Interesse und der Zugang zu ere le P (N ico neuen Entwicklungen über konkrete Bau- up Ar projekte hinaus vorhanden sein bzw. besser Illustration des Anwendungsszenarios © Automatisierung aufgebaut werden. Dazu bedarf es natürlich auch des Austauschs zwischen den ver- schiedenen Politikebenen und Ministerien Das Projekt „das Bauen von morgen“ kunftsthemen ein Pilotprojekt aufzusetzen, zur stetigen Neujustierung der Rahmen- soll Impulse für die Forschungsförderung um in einem Monitoring die getroffenen bedingungen für zukunftsfähiges Bauen. geben. Was sind die nächsten Schritte? Annahmen zu überprüfen und die Stell- Nicht zuletzt sollte es Standard werden, die HK: Das Projekt „das Bauen von morgen“ schrauben nachjustieren zu können. Und jüngeren Generationen in den Diskurs zen- bildet mit den verschiedenen Szenarien, ganz wichtig: die Skalierbarkeit in den Fo- tral miteinzubinden. Denn sie sind unsere Zukunftsthemen und Handlungsempfeh- kus zu stellen. Es gibt unheimlich viele gute Zukunft. lungen einen guten Status quo, der die Projekte zu Einzelaspekten, nun brauchen JW: Der Politik kommt die Aufgabe zu, sich Denkstruktur und die Leitplanken für die wir Projekte, die diese Erkenntnisse verei- zum Gemeinsinn, dem Gemeinsam-an- zukünftige Entwicklung vorgeben kann. Es nen, um das Bauen durch die Skalierbarkeit einem-Strang-Ziehen, zu bekennen und wird ein fortlaufender Diskussions- und und dadurch den größeren Hebel nach- die Plattformen und Räume für Experi- Frageprozess sein, der immer neu mit der haltig zu verändern. mente und Förderungen zu schaffen. Ein Fachöffentlichkeit verhandelt werden Hebel wäre auch, Veränderungen, wo not- muss: Wo gibt es noch blinde Flecken, wo Welche Leitplanken muss die Politik hier wendig, zu verordnen, so zum Beispiel überholen die Entwicklungen die Vorher- setzen? beim Thema CO2-Besteuerung. Insgesamt sagen? Denn dreht man an einer Stell- HK: Die einzelnen Handlungsfelder, die im braucht es eine stärkere Visibilität für das schraube, hat das sofort Auswirkungen auf Forschungsprojekt eröffnet wurden, müs- Bauen. Ein Bauministerium, wie auch im- eine andere... sen nun mit den verschiedenen Akteuren mer man das nennen möchte, würde die JW: Um Impulse zu setzen, muss das For- verhandelt werden. Dazu brauchen wir den Sichtbarkeit stärken. Aber auch der Ausbau schungsprojekt mehr in die Öffentlichkeit öffentlichen Diskurs, vor allem jedoch soll- von Kooperationsmöglichkeiten mit ande- gerückt und der Dialog zwischen den ver- te die Anschlussfähigkeit von neuen An- ren Ministerien im Sinne von übergreifen- schiedenen Akteuren gesucht werden. Ich sätzen mit der Praxis diskutiert werden. der Forschungsförderung wäre ein großer würde mir wünschen, für jedes dieser Zu- Ganz generell sollten Forschung und Praxis Hebel für das Bauen von morgen. 17
Zu kunf t B au - D i s ku r s Klimaschutz ist planbar D Die Ermittlung, ie Architekten und Ingenieure üben zuweisender Kennwerte in Kilogramm-CO2- Bewertung und mit ihrer Planung einen großen Ein- Äquivalenten je Quadratmeter und Jahr bleibt Beeinflussung von fluss auf die Qualität der gebauten die Entscheidungsfreiheit der Planungsbetei- Umwelt aus und tragen damit zur Schaffung ligten und Bauherren grundsätzlich erhalten. Treibhausgasemis- der materiellen Voraussetzungen für das Arbei- Insbesondere die Baustoffindustrie ist aufgeru- sionen im Lebens- ten und Leben bei. Ein aktiver Beitrag zum fen, einerseits geeignete Produkte und Pro- zyklus von Gebäu- Klimaschutz und zum Erreichen der Nach- duktinformationen anzubieten und anderer- den ist eine haltigkeitsziele erfordert jedoch weitere An- seits ihre Prozesse weiter zu dekarbonisieren. Planungsaufgabe. strengungen. Bei einer sektorübergreifenden Der Bund stellt über das Innovationspro- Betrachtung lassen sich nahezu 40 Prozent gramm Zukunft Bau den Planerinnen und aller Treibhausgasemissionen dem Handlungs- Planern die erforderlichen Grundlagen und feld der Errichtung und Nutzung von Hoch- Informationen zur Optimierung der Treib- bauten zuordnen. Allein die Treibhausgasemis- hausgasemissionen im Lebenszyklus von Ge- sionen aus der Herstellung, Errichtung und bäuden bereit. Die Datenbank ÖKOBAUDAT Modernisierung von Gebäuden einschließlich (www.oekobaudat.de) bietet die benötigten der vorgelagerten Lieferketten belaufen sich auf Daten und mit dem Instrument eLCA (www. etwa zehn Prozent aller Treibhausgasemissio- bauteileditor.de) steht ein frei verfügbares Be- nen Deutschlands. rechnungswerkzeug zur Verfügung. Dies ver- Möglichkeiten zum Klimaschutz bieten sich setzt die am Bau Beteiligten in die Lage, eine daher nicht nur im Bereich eines nahezu klima- Ökobilanz zur Ermittlung der Treibhausgas- neutralen Betriebs der Gebäude. Die Planungs- emissionen im Lebenszyklus eines Gebäudes beteiligten müssen vielmehr die Treibhausgas- selbst zu erstellen. Denn die Durchführung emissionen im Lebenszyklus von Gebäuden im einer Ökobilanzierung gehört sicherlich künf- Blick haben und hierzu mit der gezielten Aus- tig zur planungsbegleitenden Beurteilung und wahl von Bauweisen und Bauprodukten auch Weiterentwicklung von Entwurfsvarianten. die grauen Emissionen beeinflussen. Es ist zu erwarten, dass die Treibhausgas- emissionen im Lebenszyklus von Gebäuden zunehmend zu einer wichtigen Ziel-, Planungs- und Nachweisgröße im Bauwesen werden. So wird das BMI im Jahr 2021 das neue Qualitäts- siegel „Nachhaltiges Gebäude“ vorstellen, das Anforderungen an die Treibhausgasemissionen im Lebenszyklus von Gebäuden formuliert und als Grundlage für die Bewilligung von Förder- Z U R PERSO N mitteln Verwendung finden wird. Anforde- Die Architektin Christine Neuhoff lenkt als rungswerte an die Treibhausgasemissionen im Leiterin des Referats Bauingenieurwesen, Lebenszyklus von Gebäuden sind jeder Vor- Nachhaltiges Bauen, Bauforschung im Bundesmi- festlegung auf bestimmte Materialien und Pro- nisterium des Innern, für Bau und Heimat das dukte vorzuziehen. Mit der materialneutralen Innovationsprogramm Zukunft Bau. und technologieoffenen Formulierung nach- 18 ZUKUNFT BAU
Zukunf t B a u - P ro jekt Prototypen-Musterhäuser im Maßstab 1 : 1 Einfach bauen Das Thema „Einfach Bauen“ hat sich an der TU München als Forschungs- schwerpunkt etabliert. Die erforschten Prinzipien des einfachen Bauens aus „Einfach Bauen 1“ werden in dem Anschlussprojekt „Einfach Bauen 2“ auf drei Forschungshäuser in den Bauweisen Massivholz, Mauerwerk und Leichtbeton angewandt und die Ergebnisse evaluiert. © Sebastian Schels D er Einsatz von einschichtigen ohne einen außen liegenden Sonnenschutz. praktischen Anwendung vom einfachen Bauteilen aus natürlichen und Ein Feuchtemonitoring und Wärmefluss- Bauen finden unter Rückkopplung mit den nachwachsenden Rohstoffen messungen der Bauteile sollen Aufschluss Ergebnissen der Forschung aus „Einfach schont die Umwelt über den gesamten Le- über die tatsächlichen Materialeigenschaf- Bauen 1“ Eingang in einen Leitfaden. benszyklus des Gebäudes hinweg. Das Er- ten geben. Erste Probemessungen einzelner Durch die Aufbereitung des Themas und gebnis sind Wohngebäude, die einfach zu Räume bilden die Grundlage für ein um- das Aufzeigen von Lösungsansätzen bis ins bauen und einfach zu betreiben sind. Um fangreiches Messkonzept für die nächste Detail sollen Planer in die Lage versetzt Stürze und damit Materialwechsel und auf- Forschungsphase. Die Erkenntnisse aus der werden, die Prinzipien des einfachen Bau- wendige Details zu vermeiden, leiten sich ens frühzeitig in die Gebäudeplanung ein- die Fensterformen von den Eigenschaften fließen zu lassen. Private und öffentliche des Außenwandmaterials ab. Die Grund- FOR SC H U N G SI NSTI TU TI O N Auftraggeber und Bauherren bekommen risse sind möglichst nutzungsneutral ent- Technische Universität München damit eine gut verständliche Entschei- wickelt, um spätere Veränderungen flexibel Fakultät Architektur: dungshilfe an die Hand. Den Abschluss der zu ermöglichen. Lehrstuhl für Entwerfen Reihe bildet die dritte Forschungsphase, und Konstruieren Durch die Optimierung von Raumgeo- Lehrstuhl für Gebäudetechnologie deren Durchführung in den Jahren 2021- metrie, Fensterfläche und Speichermasse und klimagerechtes Bauen 2022 geplant ist. Nach dem Bezug der Häu- konnte das Haustechniksystem sehr ein- Ingenieurfakultät Bau Geo Umwelt: ser werden vergleichende Langzeitmessun- fach gehalten werden: Die Wärmeerzeu- Lehrstuhl für Holzbau gen den Verbrauch und das Raumklima und Baukonstruktion gung erfolgt über ein vor Ort vorhandenes Lehrstuhl für Werkstoffe und erfassen. Die Bewohner der Forschungs- Biogas-Blockheizkraftwerk mit einer Wär- Werkstoffprüfung im Bauwesen häuser werden zu ihren Gewohnheiten und meübergabe an den Raum über Heizkör- ihrer Wohnzufriedenheit befragt. Die Er- per. Fensterfalzlüfter sorgen in Kombina- PR OJE KTLE I TU N G gebnisse lassen Rückschlüsse zu, inwieweit tion mit Ablüftern in den Badbereichen für Prof. Florian Nagler die Annahmen aus der Simulation in der eine kontrollierte Grundlüftung zum Realität zutreffen und ob eine Anpassung Feuchteschutz. Die Häuser funktionieren W E B S I TE des Konzepts „Einfach Bauen“ nötig ist. https://www.einfach-bauen.net 19
Zu kunf t B au - P roj e kt Fassadenmodelle im Maßstab 1 : 1 Treppenraum: Aussparung für Gebäude Holz massiv: Gebäude Leichtbeton: Betonfertigteil als Zwischenpodest 1. Obergeschoss Rohbauarbeiten im Erdgeschoss 20 ZUKUNFT BAU
© Sebastian Schels (1-7) Gebäude Leichtbeton: Ansicht von Osten mit Loggia Gebäude Holz massiv: Innenraum Gebäude Leichtbeton: Innenraum 21
Zu kunf t B au - P roj e kt rethinking:waste – vom Abfall zur Form Die Möglichkeiten in der Entwicklung der digitalen Formfindung steigen, doch fehlt es in der Praxis noch immer an einer nachhaltigen Umsetzung und Realisierung komplexer architektonischer Geometrien. Diese können nach dem jetzigen Stand der Technik nur eines hohen Material- und Ressourceneinsatzes hergestellt werden und/oder aus Mangel an Umsetzungsvermögen und Kostengründen nur partiell realisiert werden. 1 S o bedient sich der konventionelle Holzspan kann dann in den Materialkreis- 3 Betonbau zur Realisierung kom- lauf rückgeführt werden. Für das For- © Maus GmbH Modell- und Formenbau (1-3) plexer Geometrien des Fräsens schungsprojekt wurden zwei Abfallstoffe von Kunststoffen, die eine negative Öko- für Schalungen untersucht: Sand und Span. bilanz aufweisen und eine Menge an grau- er Energie beinhalten. Erschwerend kommt rethi nki ng : sand – hinzu, dass diese Schalungen nur eine vo m Ko rn z ur Fo rm Form abbilden können, bevor sie als Son- 2 dermüll entsorgt werden. Das Ziel der For- Innerhalb der Forschungsarbeit wird Alt- Herstellung des großmaßstäblichen Demonstrators schungsarbeit ist es, ein nachhaltiges, kreis- sand als Betonschalung für ultradünne und der Sandschalung: 1 Formherstellung, 2 Fräsen lauffähiges Schalungsverfahren auf Basis komplexe Geometrien erforscht und pra- der Schalung und 3 Schalungsdetail von Abfallprodukten für komplexe Geo- xisorientiert in einem großmaßstäblichen metrien zu entwickeln, das einen schnellen Demonstrator umgesetzt. Zur Herstellung und wirtschaftlichen Einsatz ermöglicht. von Sandschalungen wird dem Form- Die hier beschriebene Sandschalung er- Altholz und Altsand fallen in der Industrie grundstoff ein Binder auf Basis von nach- möglicht extrem stabile und ultrafeine in großen Mengen an. Gleichzeitig sinkt die wachsenden Rohstoffen zugesetzt und im Sandoberflächen. Außerdem kann eine Anzahl der Deponien und der Druck im Mischer hochtourig vermengt. Bereits nach Form mehrfach abgeformt werden (durch Umgang mit und zur notwendigen Ver- ca. 40 bis 60 Minuten kann das Formstoff- eine spezielle Beschichtung, die sich nach wertung von Abfällen steigt. Neben der gemisch als Sandformteil entformt und in der Verwendung von der Schalung abtren- Verfügbarkeit und den geringen Kosten ist Form gefräst werden. Viel Arbeit ist in die nen und recyceln lässt), oder es kann die ein weiterer Vorteil, dass durch den Ver- Ermittlung eines nachhaltigen Oberflä- Schalung in einem langlebigen Kreislauf zicht auf schädliche Additive im Verfahren chenversiegelungsproduktes geflossen, das rückgeführt und neu geformt werden. Die ein sortenreiner Kreislauf und eine doppel- als Kontaktfläche zwischen Beton und Rückführung kann durch einen „Brecher“ te Aufwertung des Grundstoffes durch Schalhaut diese schützen und glätten soll, stattfinden, in dem die Sandformen ge- problemlose Rückbaumöglichkeiten von ohne jedoch durch schädliche Additive rüttelt werden, bis sie auseinanderfallen. Schalungen entstehen. Auch bei den Fräs- eine sortenreine Rückführung der Schalun- Zur Betonage der Schalungen wird eng prozessen aufkommender Sand- bzw. gen zu gefährden. mit Betonfertigteilwerken zusammenge- 22 ZUKUNFT BAU
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