Nichtraucher-Info - Nichtraucher-Initiative Deutschland eV

 
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Nichtraucher-Info                                                   Nr. 46 - II/02

        Tabak-Deal der Drogenbeauftragten:

     11,8 Millionen Euro
   von der Tabakindustrie
 für Aufklärungskampagne
Nach monatelangen Verhandlungen              Anti-Raucher-Kampagne       verwendet
zwischen der Drogenbeauftragten der          werden und die Maßnahmen dürfen
Bundesregierung, Marion Caspers-             „nicht die Zigarettenindustrie, deren
Merk, hat Bundesgesundheitsministerin        Produkte oder den Zigarettenhandel
Ulla Schmidt am 20. März 2002 eine           diskriminieren oder erwachsene Rau-
Vereinbarung unterschrieben, wonach          cher verunglimpfen“.
die Tabakindustrie 11,8 Millionen Euro,
verteilt über fünf Jahre, für eine Aufklä-   Zugleich legt die Vereinbarung fest,
rungskampagne bereit stellt, mit der         dass „die Zuwendung ohne Gegen-
Kinder und Jugendliche vom Rauchen           leistung“ erfolgt. Damit will die Ge-
abgehalten bzw. abgebracht werden            sundheitsministerin möglichen Speku-
sollen. Vertragspartner sind neben dem       lationen vorbeugen, die Regierung
Verband der Cigarettenindustrie die          hätte sich mit dem Deal weitere Maß-
größten Tabakunternehmen auf dem             nahmen gegen die Tabakbranche ab-
deutschen Markt: Philip Morris, British      kaufen lassen, d.h. sich verpflichtet, auf
American Tobacco, Reemtsma, Japan            gesetzliche Regelungen zur Beschrän-
Tobacco International, Austria Tabak         kung des Tabakkonsums und des
und Heintz van Landewyck.                    Nichtraucherschutzes zu verzichten.

Dass eine solche Vereinbarung dem            Nach Ansicht von Caspers-Merk soll
Gesundheitsministerium bzw. der Bun-         mit dem Abkommen erreicht werden,
deszentrale für gesundheitliche Aufklä-      dass die Tabakkonzerne „Verantwor-
rung jedoch keine freie Hand gibt, geht      tung für ihr Produkt übernehmen“. Die
auch aus dem Vertrag hervor. Danach          Tabakindustrie habe laut Vertrags-
darf das Geld nicht für eine allgemeine                    Fortsetzung nächste Seite
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Seite 2                                                                   POLITIK
text keinerlei Mitwirkungs- und auch        desregierung soll ein Schlichter klären.
keine inhaltlichen Mitspracherechte.        Die Drogenbeauftragte sieht die Ver-
Ein Sachverständiger soll sich lediglich    einbarung eines „Tabak-Präventions-
über die Kampagne informieren und die       fonds“ als Vorbild für Spirituosenpro-
Erkenntnisse an die Unternehmen wei-        duzenten und die Hersteller gefähr-
terleiten. Mögliche Streitigkeiten zwi-     licher Sportgeräte.
schen der Tabakindustrie und der Bun-

          Was ist von der Vereinbarung zu halten?
Wer mit der Tabakindustrie einen Pakt       Auch wenn in der Vereinbarung fest-
schließt, wird in der Regel reingelegt.     gelegt ist, dass „die Zuwendung ohne
Für jährlich rund 2,5 Millionen Euro soll   Gegenleistung“ gezahlt wird, bleibt ein
die Bundeszentrale für gesundheitliche      äußerst ungutes Gefühl. Nahezu unvor-
Aufklärung (BZgA) eine Kampagne ge-         stellbar ist, dass die Tabakindustrie die
gen das Rauchen von Kindern und             jährlichen Raten weiter zahlt, wenn ihr
Jugendlichen entwickeln, die nur auf        durch gesetzliche Maßnahmen Um-
eine kleine Zielgruppe gerichtet ist und    satzeinbußen drohen. Dies wäre zum
nicht das Rauchen von Erwachsenen           Beispiel bei einem Verkaufsverbot für
„verunglimpfen“ darf. Darum kann sie        Tabakwaren an Minderjährige der Fall.
der Tabakindustrie nicht schaden.           Durch Passivität und bewusste Verzö-
Denn wer Kinder zum Rauchen bringen         gerung von Initiativen kann sehr leicht
will, braucht ihnen nur zu sagen, dass      „unter der Hand“ im Sinne der Tabak-
Rauchen etwas für Ältere, also Erwach-      industrie gehandelt werden. Wie die
sene, ist. Wirksame Kampagnen müs-          Spendenskandale in letzter Zeit zeigen,
sen so gestaltet sein, dass sie alle Be-    ist nichts unmöglich.
völkerungsgruppen umfassen. Das wis-
sen die Glimmstängel-Hersteller und so      Damit wird nicht den Verantwortlichen
konnten sie getrost zustimmen – erst        im Gesundheitsministerium unterstellt,
recht angesichts des lächerlichen Be-       dass sie sich von der Tabakindustrie
trages. Denn jedes Jahr geben sie           kaufen lassen. Aber angesichts von
mehr als hundert Mal so viel Geld für       Klagen der früheren und der derzei-
die Werbung für absolut gesundheits-        tigen Bundesregierung gegen EU-Be-
schädliche Produkte aus.                    schlüsse, die zur Minderung des Ta-
                                            bakkonsums beitragen sollen, und an-
Die Gesundheitsministerin kann nun,         gesichts von Spendenskandalen in
ohne den Bundeshaushalt zu belasten,        Deutschland ist es sicher verständlich,
Aktivität demonstrieren und die Tabak-      wenn Zweifel daran laut werden, dass
industrie kann sich als „verantwor-         der „Tabak-Deal“ den Zweck erfüllt: Ju-
tungsvoll“ handelnder Wirtschaftszweig      gendliche vom Rauchen abzuhalten.
darstellen. Den Betrag für diese ex-
zellente    Public-Relations-Maßnahme       Warum wird nicht die Tabaksteuer
zahlen die Drogenproduzenten aus der        um 0,023 % erhöht? Das entspricht
Portokasse.                                 genau den 2,5 Millionen Euro!
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NID-AKTIVITÄTEN                                                           Seite 3

      Änderung der Arbeitsstättenverordnung
                   angemahnt
Bundesarbeitsminister Walter Riester       der Basis des künftigen Nichtraucher-
hatte der interfraktionellen Nichtrau-     schutz-Paragrafen konkrete Informatio-
cherschutz-Initiative im Deutschen         nen zur Umsetzung gegeben werden.
Bundestag Ende letzten Jahres mitge-       Die Broschüre nichtraucherschutz.de
teilt, dass die um den Nichtraucher-       ist ab Mai 2002 bei der NID kostenlos
schutzparagrafen ergänzte Arbeits-         erhältlich.
stättenverordnung (ArbStVO) voraus-
sichtlich im Mai 2002 in Kraft treten                 Zur Erinnerung:
werde. Dies sollte zusammen mit der
Betriebssicherheitsverordnung      (Betr    NID-Mitgliederversammlung
SichVO) in einem sogenannten „Si-                am 13. April 2002
cherheitspaket“ geschehen. Da es bei               in Gerabronn
der Betriebssicherheitsverordnung strit-
                                                      Bahnreisende,
tige Punkte gab, war Anfang dieses
                                                die abgeholt werden wollen,
Jahres abzusehen, dass sich dies auch
                                                       müssen dies
auf die Arbeitsstättenverordnung aus-
                                               bis spätestens 11. April 2002
wirken würde. Deshalb hat die NID die
                                             der NID mitteilen:  089/3171212
Mitglieder der Nichtraucherschutz-Initi-
ative gebeten, bei Minister Riester vor-
stellig zu werden.                            www.stimmt-leider.de
In seinem Schreiben vom 1. März 2002                         Eine neue informa-
führte Werner Lensing für die vierköp-                       tive Web-Seite hat
fige Gruppe u.a. an, dass ein weiteres                       Dietmar Elsner, Mit-
Festhalten an der Absicht, beide Ver-                        glied der Nichtrau-
ordnungen aneinander gekoppelt zu                            cher-Initiative Wies-
behandeln, die Umsetzung des Bun-                            baden, erstellt. Als
destagsbeschlusses vom 31. Mai in          Motivation nennt er „ mehrere Todes-
unzumutbarer Weise verzögern würde.        fälle von Rauchern durch Lungenkrebs
Der Bundesarbeitsminister wurde da-        und Herzinfarkt in meinem persönli-
her dringend gebeten, „die veränderte      chen Umfeld. Wer eine weinende ver-
Arbeitsstättenverordnung unabhängig        zweifelte Witwe neben dem gerade
von der strittigen Betriebssicherheits-    verstorbenen Mann gesehen hat, ver-
verordnung in Kraft zu setzen, damit       steht unter „Verantwortung gegenüber
der vor einem Jahr beschlossene            Rauchern“ etwas anderes als die Ta-
Nichtraucherschutz zum 31. Mai 2002        bakkonzerne. Ich war Führungskraft in
wirksam werden kann.“ Bis Redakti-         einem globalen Konzern, bin nun im
onsschluss lag noch keine Antwort vor.     Ruhestand und setze mich für die un-
                                           abhängige Information der Bürger im
Unabhängig davon ist die NID dabei,        Sinne von Dr. Gro Harlem Brundtland,
eine Broschüre zu erstellen, in der auf    Generaldirektorin der WHO ein. ...“
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Seite 4                                                                AKTIONEN

     Welt-Nichtrauchertag am 31. Mai 2002
   Motto: Ja zum Sport heißt Nein zum Tabak!
Eine große Mehrheit der befragten        Das Thema des Welt-Nichtraucherta-
Organisationen und Verbände ent-         ges 2002 kann man auch poetisch
schied sich dafür, den von der Weltge-   anpacken:
sundheitsorganisation    ausgerufenen
Welt-Nichtrauchertag in Deutschland
unter das Motto „Ja zum Sport heißt
                                             Sagst ja du zum Sport,
Nein zum Tabak!“ zu stellen. Da auch          sag zum Tabak nein!
die großen Sportverbände ihre Zu-
stimmung gaben, ist zu hoffen, dass      Rauchen und Sport sind wie Feuer und Wasser,
eine große Koalition auch eine große     sie schließen einander völlig aus.
                                         Das Rauchen macht dich blass und blasser,
Wirkung erzielen kann. Spätestens
                                         nimmt dir die Luft, macht dir den Garaus;
Anfang Mai wird auch ein Plakat zu       dein Körper wird es dir nicht verzeih’n.
haben sein, das bis auf wenige kleine    Sagst ja du zum Sport, sag zum Tabak nein!
Änderungen so aussehen wird:
                                         Der Tabak gehört zu den schlimmsten Drogen,
                                         er hat ein enormes Suchtpotential.
                                         Und wer dem Tabak bleibt gewogen,
                                         traf todsicher eine falsche Wahl,
                                         wird abhängig werden, gefangen sein.
                                         Sagst ja du zum Sport, sag zum Tabak nein!

                                         Darum ihr alle, die im Sport
                                         etwas zu sagen haben:
                                         es zählt hier nicht nur euer Wort;
                                         zu euren guten Gaben
                                         gehört auch das Vorbild im Verein.
                                         Sagst ja du zum Sport, sag zum Tabak nein!

                                         Zu werben für Sport mit Tabakreklame,
                                         ist dumm und ist verantwortungslos.
                                         Erbringt es auch gute Geldeinnahme,
                                         sagt euch von der Verführung los
                                         und von dem trügerischen Schein!
                                         Sagst ja du zum Sport, sag zum Tabak nein!

                                         Der Sport soll der Sportler Kräfte entfalten
                                         und sie bewahren vor falschem Genuss.
                                         Der Sport soll sie gesund erhalten,
                                         das ist sein Ziel, das ist sein Plus.
                                         Drum muss es seine Losung sein:
Das Poster kann bei der Deutschen        Sagst ja du zum Sport, sag zum Tabak nein!
Krebshilfe,   Thomas-Mann-Str. 40,
53111 Bonn,  0228/729900, ange-                    Gerhard Sensenschmidt
fordert werden.
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               Auch AOK Memmingen aktiv
Den Artikel mit Bild über Informations-   terwegs, mittlerweile werde ich auch
veranstaltungen der Kaufmännischen        von Wirtschafts- und Realschulen
Krankenkasse in Wesel im Nichtrau-        sowie Gymnasien angefordert. Heuer
cher-Info Nr. 44 nahm Werner Glatz        war ich bereits in zwei Schulen und
vom Schulservice der AOK Direktion        konnte, da ich in der 5. Klasse beginne,
Memmingen zum Anlass, die NID über        nahezu 40 Klassen mit über 800
eigene Aktionen zu informieren: „Ich      Schülern über die Gefahren des Rau-
bin seit Jahren mit einer eigens konzi-   chens informieren. Natürlich verwende
pierten Ausstellung, dem Raucher-Max,     ich dabei auch Ihr Material (Lungen-
Dias u.v.m. in allen Hauptschulen un-     poster, Broschüren, Aufkleber).

                Werner Glatz in der Hauptschule Babenhausen

      Vielen Dank für die übersandten Broschüren, Aufkleber und Poster!
                            Mit freundlichen Grüßen
                                Brigitte Hormuth
      Berufsfachschule für Krankenpflege der Schwesternschaft Nürnberg
                      vom Bayerischen Roten Kreuz e.V.
                Internet: www.kubiss.de/brk-schwesternschaft
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  Kampagne gestartet:                     Bannmeile um Schulen für Tabakwer-
                                          bung auf 120 Meter und für neue Ziga-
Leben ohne Qualm in NRW                   rettenautomaten auf 200 Meter ausge-
Nordrhein-Westfalens Gesundheitsmi-       dehnt. Nur die Stadt Leverkusen lehnte
nisterin Birgit Fischer hat am 6. März    den Antrag einstimmig ab, da aufgrund
2002 die Kampagne „Leben ohne Qual        der vertraglichen Vereinbarung ein Ver-
in NRW“ gestartet. Jugendliche sollen     bot der Werbung für Tabakerzeugnisse
sich pfiffige Sprüche zum Thema „Pro      nicht durchgesetzt werden könne.
Nichtrauchen“ einfallen lassen und sich
bei einer Jury melden ( 0208/300 69       Berlin-Steglitz-Zehlendorf:
31). Die besten Sprüche sollen dann       Keine Tabakwerbung mehr
für Anti-Tabak-Kampagnen genutzt
werden. Angesichts der immer größer       auf Werbetafeln des Bezirks
werdenden Zahl Jugendlicher, die zur      Auf den 50 Werbegroßtafeln, die auf
Zigarette greifen, sind solche Maßnah-    bezirkseigenen Grundstücken stehen,
men dringend erforderlich.                darf nicht mehr für Zigaretten und an-
               www.netdoctor.de, 7.3.02   dere Tabakprodukte geworben werden.
                                          Dies hat die Gesundheitsstadträtin
   NRW-Auswertung der                     Anke Otto (Bündnis 90/Die Grünen)
                                          entschieden. Das Verbot erfolgte im
  Bürgeranregungen zum                    Rahmen der Gesundheitskampagne
Verzicht auf Tabakwerbung                 „Leben ohne Rauch“.
Die von NID-Präsident Prof. Dr. Ekke-                    Berliner Zeitung, 8.3.02
hard Schulz angeregten Bürgerbegeh-
ren zum Verzicht auf Tabakwerbung                Unerfreulich:
auf gemeindlichen Werbeflächen führ-          Baden-Württemberg
ten in Nordrhein-Westfalen zum folgen-    verhindert höhere Steuer für
den – vorläufigen – Ergebnis:
                                                Tabakprodukte
Die Städte Bergisch Gladbach, Dorma-      In seiner Pressemitteilung vom 20.
gen, Erftstadt, Kaarst und Meerbusch      Februar 2002 brüstet sich das baden-
haben beschlossen, bei Neu- oder          württembergische Wirtschaftsministe-
Folgeverträgen mit Werbefirmen auf        rium damit, dass es Bundesfinanzmi-
Tabakwerbung zu verzichten. Die           nister Eichel davon überzeugen konnte,
Städte Alfter, Bonne, Düsseldorf, Erk-    dass die Marke „West Single Packs“
rath, Köln, Neuss, Solingen, Sankt        von Roth-Händle tabaksteuerlich als
Augustin und Wuppertal sehen leider       Feinschnitt behandelt werden müsse.
aufgrund der gegenwärtigen Geset-         Wäre das Feinschnitt-Tabakprodukt als
zeslage keine Möglichkeit, ihre meist     Zigarette besteuert worden, hätte sich
langfristigen Verträge zu ändern und      der Preis mehr als verdoppelt. Dies
wünschen sich ein gesetzliches Ta-        hätte wahrscheinlich das Aus für die
bakwerbeverbot durch den Gesetzge-        Firma Roth-Händle und den Verlust
ber, das heißt den Deutschen Bun-         von 550 Arbeitsplätzen bedeutet. Wer’s
destag. Die Stadt Wuppertal hat die       glaubt, wird selig!
POLITIK                                                                     Seite 7

                          Die Realpolitiker
           Eine Betrachtung vier Jahr nach dem Scheitern
                 des Nichtraucherschutz-Gesetzes
Der Kanzlerkandidat der Union, der           fleischten Pfeifenraucher Seehofer
Nichtraucher Edmund Stoiber, hat zwar        (CSU), den uns Herr Stoiber womöglich
unter dem, was er als Kanzler alles          wieder präsentieren würde ... Noch hö-
besser machen will, auch – als Letztes       her war die Quote der Neinsager bei
– die Gesundheitspolitik genannt. Aber       der nun einmal so liberalen FDP (trotz
von ihm zu erwarten, dass er mehr für        des erfreulichen Ja von Hans-Dietrich
den Nichtraucherschutz und für die           Gentscher).
Prävention des Rauchens tun werde
                                             Beide Realpolitiker, die sich im Herbst
als der Havanna-Kanzler Gerhard
                                             2002 um das Kanzleramt bewerben,
Schröder, wäre wohl naiv.
                                             wissen ganz bestimmt auch die noblen
Beide sind – und das betonen sie             Parteispenden aus Kreisen der Tabak-
selbst – Realpolitiker und wollen zu-        industrie zu schätzen. Als die deutsche
nächst einmal eine möglichst hohe            Bundesregierung mit der bereits vom
Tabaksteuer-Einnahme für die Bun-            Kabinett Kohl erhobenen Klage gegen
deskasse verbuchen. (Die Tabaksteuer         das Tabakwerbeverbot vor dem Euro-
ist für den Bund die viertwichtigste         päischen Gerichtshof erfolgreich war,
Steuer nach Mehrwert-, Einkommen-            reagierte Luk Joossens, Sprecher der
und Mineralölsteuer.) Dass zum Bei-          Internationalen Union gegen den
spiel im Jahr 2000 den 22,4 Milliarden       Krebs, am 5. Oktober 2000 in Brüssel
DM Tabaksteuer-Einnahmen rund 34             ganz spontan mit den markanten Wor-
Milliarden DM Ausgaben für tabakbe-          ten: „In Deutschland finanziert die Ta-
dingte Krankenbehandlungen, Produk-          bakindustrie beide großen Parteien.
tionsverluste sowie Arbeits- und Er-         Deutschland ist eine Katastrophe!“
werbsunfähigkeit gegenüberstanden,           Hinzuzufügen wäre noch, dass natür-
interessiert die große Politik nicht: erst   lich auch die FDP kassiert hat. Ja,
einmal die Steuergelder im Staatssä-         selbst unsere grüne Umweltpartei ließ
ckel haben! –                                sich mindestens einen Parteitag von
                                             einer nicht ganz unbekannten Zigaret-
Werfen wir einen Blick zurück auf das
                                             tenfirma sponsern und antwortete auf
Scheitern des Nichtraucherschutz-Ge-
                                             Anfrage ganz keck: „Ja, warum denn
setzes im Februar 1998: Hier hatten wir
                                             nicht?“
immerhin eine – wenn auch sehr
knappe – Mehrheit der SPD-Fraktion           Aber die weisesten Worte sprach
neben ganz deutlichen Mehrheiten der         zweifellos damals vor der Abstimmung
Grünen und der PDS. Gescheitert ist          am 5. Februar 1998 der „Sachverstän-
das so wichtige, weil umfassende             dige“ Heckler, Sprecher des Bundes-
Schutzgesetz an der sehr klaren Ab-          verbandes der deutschen Tabakpflan-
lehnung durch unsere beiden christli-        zer: „Alle unsere Vorfahren sind ge-
chen Parteien, angeführt vom damali-         storben, ob sie Raucher oder Nichtrau-
gen Gesundheitsminister, dem einge-          cher waren“ ... Gerhard Sensenschmidt
Seite 8                                        PRESSE-TABAKINDUSTRIE
 Dialog-Veranstaltung für                                   „Ich danke für Ihren
                                                            Brief vom 12. No-
     BAT ein Reinfall                                       vember. Ich erlaube
Sie sollte in Deutschland der Einstieg                      mir allerdings den
zum „Social Reporting“ werden: die                          Hinweis darauf, dass
Dialog-Veranstaltung der British Ameri-                     ich mich überhaupt
can Tobacco (BAT) Germany GmbH                              nicht darüber wunde-
am 23. Januar 2002 in Berlin. Weltweit                      re, dass es inzwi-
sei BAT dabei, durch „ein standardi-      schen auch eine Nichtraucher-Initiative
siertes Verfahren ihr Vorgehen im Be-     in unserem Land gibt, in dem bekannt-
reich ‚Soziale Verantwortung’ messbar     lich der Zeigefinger besonders lang zu
und nachvollziehbar“ zu machen. Die       wachsen pflegt. Glauben Sie mir, Ihre
beauftragte Agentur Kohtes & Klewes       Sorgen möchte ich haben.“
hatte sogar Theo Sommer, den lang-
                                          Über diese Äußerungen informierte
jährigen Chefredakteur und Mitheraus-
                                          Gerhard Sensenschmidt die Nichtrau-
geber der Wochenzeitung Die Zeit,
                                          cher-Initiative Wiesbaden, deren Vorsit-
eingeschaltet, um den Präsidenten der
                                          zender Horst Keiser den Zeit-Heraus-
NID als Teilnehmer zu gewinnen. Doch
                                          geber Naumann am 24. Januar über
die Veranstaltung in der Vertretung der
                                          die schädlichen Folgen des Rauchens
Freien und Hansestadt Hamburg in
                                          informierte und ihm ein Verantwor-
Berlin musste ohne Prof. Dr. Ekkehard
                                          tungsbewusstsein insbesondere Kin-
Schulz stattfinden, zumal BAT nicht
                                          dern und Jugendlichen gegenüber ab-
bereit war, die Namen der 15 bis 20
                                          sprach. Gleichzeitig kündigte Keiser an,
potentiellen Teilnehmer zu nennen.
                                          die „absurde und beschämende“ Äu-
Über das Ergebnis des Dialoges mit
                                          ßerung Naumanns zu veröffentlichen.
den erschienenen Personen war BAT
nicht bereit Auskunft zu geben. Außer     Was dann folgte, ist kaum zu fassen:
Spesen nichts gewesen.                    Der Ex-Staatsminister und aktive Pres-
                                          semann schrieb am 4. Februar an
      Michael Naumann                     Horst Keiser: „Ich darf Sie darauf auf-
                                          merksam machen, dass ich in einem
         im Abseits                       persönlichen Brief eine Meinung geäu-
Am 4. November 2001 tagte der ARD-        ßert haben, die zu verbreiten ich Ihnen
Presseclub. Mit dabei Dr. Michael         untersage: dabei berufe ich mich auf
Naumann, ehemals Kultur-Staatsmi-         das Persönlichkeitsrecht, aber auch auf
nister im Kabinett Schröder und derzeit   Anstand und Sitte und, sie werden es
Chefredakteur und Mitherausgeber der      erraten, auf das Briefgeheimnis.“
Wochenzeitung Die Zeit. Von Gerhard
Sensenschmidt in seiner Funktion als      Kommentar: Rauchen will Naumann
Referent für den Sachbereich Schu-        öffentlich, Kritik an seinem Verhalten
len/Hochschulen schriftlich auf sein      und seinen Äußerungen dazu sollen
verantwortungsloses Rauchen im Pres-      dagegen geheim bleiben. Eine solche
seclub angesprochen, reagierte Nau-       Einstellung ist eines Zeitungsmannes
mann mit drei Sätzen:                     völlig unwürdig.                 EGK
JUGEND/SCHULE                                                                Seite 9
      Tabakwerbung im                      Rauchverbot an den Ständen zu über-
                                           wachen. Ob es zu Zwischenfällen kam,
        Vorspann von                       konnte ich nicht feststellen, da ich wie
         Harry Potter                      alle anderen Lehrerinnen in den Klas-
                                           senzimmern beim Basteln war.
Der Film Harry Potter bricht alle Zu-
schauerrekorde. Freigegeben ist er ab      Die Meinung der Vorsitzenden des
sechs Jahren. Davor jedoch laufen          Elternbeirates, und ich schließe mich
Werbespots mit Alkohol- und Tabak-         ihr an, ist, dass der größte Teil der
werbung. Alle Versuche, im Jugend-         Eltern unsere Feste nicht mehr be-
schutzgesetz die Werbung für legale        sucht, falls wir ein solches Verbot aus-
Drogen vor Kinderfilmen zu verbieten,      sprechen. Die Einnahmen des Eltern-
scheiterten bisher am Widerstand aus       beirates und somit das Sponsoring für
Politik und Wirtschaft. Die einzige Be-    viele unserer Unternehmungen werden
schränkung, die sich die Tabakindustrie    von den Eltern finanziert, die unsere
selbst auferlegt hat: Glimmstängel-        Feste besuchen. Unsere Schülerinnen
Werbung darf erst nach 18 Uhr in den       und Schüler müssten dann auf vieles
Kinos laufen. Am einfachsten wäre es,      verzichten.
Werbung für Produkte, die bei bestim-
mungsgemäßem Verbrauch gesund-             Sollten die Eltern unsere Aktivitäten
heitsschädlich sind, generell zu verbie-   nicht mehr wahrnehmen, fallen sie
ten.                                       auch automatisch weg. Ob das im
                                           Sinne der Schulgemeinschaft ist, be-
  Schulleiterin gestattete                 zweifle ich. Dass meine Argumente für
                                           Sie nicht zu akzeptieren sind, nehme
   Rauchen wegen der                       ich an. Bei der nächsten Elternbeirats-
        Sponsoren                          sitzung werde ich das Thema anspre-
So geschehen in München an einer           chen.“
Grundschule: Die Eltern einer 8-jähri-     Die auf Empfehlung der NID von den
gen Schülerin beschwerten sich bei der     Eltern über diese unglaubliche Einstel-
Schulleiterin darüber, dass bei Schul-     lung informierte Schulrätin rief sofort
festen regelmäßig innerhalb des Schul-     die Schulleiterin an mit dem Ergebnis,
gebäudes geraucht wurde, sogar an          dass diese den Eltern mitteilte:
den Ständen, an denen Essen verkauft
wurde. Deren Antwort ist kaum zu fas-      „Ab sofort wird in allen Räumen und
sen:                                       Gängen, in denen sich berechtigter-
                                           weise Schüler und Schülerinnen auf-
„Das Thema Rauchverbot bei Schul-          halten, bei Schulfesten ein Rauchver-
festen, das Sie in Ihrem Schreiben         bot erteilt. Zukünftig werde ich in Einla-
fordern, ist ein heikles Thema. Am         dungen die Eltern auffordern, das Rau-
Freitag, den 14.12. nahm ich Ihren         chen ... zu unterlassen.“
Brief zum Anlass und informierte die
Vorsitzende des Elternbeirates. Sie        Damit vermied sie, dass die Presse
erklärte sich umgehend bereit, das         über den Fall informiert wurde.
Seite 10                                                    JUGEND/SCHULE
    Kein Rauchverbot an                         Was halten Schüler
         Schulen in                             vom Rauchverbot
     Schleswig-Holstein                          für Jugendliche?
Die Oppositionsfraktion stellt den An-     Max Roth und Anja Berner äußerten
trag auf ein Rauchverbot an Schulen,       sich für den Leistungskurs Soziologie
die Regierungsfraktion lehnt den An-       der 11. Klasse des Bremer Gymnasi-
trag ab oder überweist ihn zur weiteren    ums Obervieland in einem Leserbrief
Beratung an einen Ausschuss. So ge-        im Weser-Kurier vom 25.6.01:
schehen in Schleswig-Holstein, so ge-
schehen in München und in anderen          „Wir unterstützen einmütig die Drogen-
Städten und Gemeinden. Die Begrün-         beauftragte, Frau Marion Caspers-
dung ist immer dieselbe: Ein allgemei-     Merk, in ihrem Anliegen, Jugendlichen
nes Rauchverbot würde es erst recht        unter 16 Jahren das Rauchen generell
attraktiv machen zu rauchen. Außer-        zu verbieten. Nachdem wir das Thema
dem könne jede Schule selbst be-           „Jugend und Gesundheit“ diskutiert
schließen, ob geraucht werden dürfe        haben, meinen wir aber, dass ein sol-
oder nicht. Schüler, denen es nach         ches Verbot allein nicht ausreicht. Die
dem Jugendschutzgesetz gestattet ist,      allgemeine Werbung für Zigaretten wie
in der Öffentlichkeit zu rauchen, wür-     auch die Aufstellung von Zigaretten-
den dann einfach das Gebäude zum           automaten vor Schulen müssten gene-
Rauchen verlassen. Viele von ihnen         rell verboten werden, um dem Nicht-
sind darüber hinaus nikotinabhängig.       rauchen endlich die notwendige gesell-
An Berufsschulen sei es erst recht nicht   schaftliche Anerkennung zu verschaf-
möglich, ein totales Rauchverbot           fen. Für Kinder muss der einfache Zu-
durchzusetzen. Besser wäre es, auf         gang zu Zigaretten deutlich erschwert
Schulhöfen Raucherzonen mit geringe-       werden. Allein vor unserer Schule ste-
rer Attraktivität zu schaffen. Diese       hen zwei Automaten.
müssten abgelegen und zugleich gut
kontrollierbar sein.                       Doch nicht nur durch Verbote, sondern
                                           auch durch Belohnungen sollte ver-
Als engagierter Gymnasiallehrer muss       sucht werden, das Alter der Neuein-
ich gestehen, auch keine besseren          steiger wieder zu erhöhen. Wie wäre es
Rezepte zu haben. Um das heimliche         mit Prämien, wenn man nachweislich
Rauchen zum Beispiel auf den Toilet-       bis zum 18. Lebensjahr rauchfrei ge-
ten zu unterbinden, ist es bei Süchtigen   blieben ist? ... Anstelle von Werbung
– und das sind nicht wenige - erforder-    für Zigaretten sollten viel mehr Anti-
lich, ihnen einen anderen Ort zuzuwei-     Rauch-Kampagnen gegen die „größten
sen. Das darf kein Raucherzimmer           Drogen-Händler der Welt“ durchgeführt
sein. Im Gebäude muss Rauchen zu-          werden. Am Ende wirken vielleicht nur
mindest für Schüler (meines Erachtens      drastische Preiserhöhungen, um Kinder
auch für Lehrer) tabu sein. Abgelegene     und Jugendliche vor den bekannten
Raucherecken bleiben die einzige Al-       gesundheitlichen Gefährdungen zu be-
ternative.             Helmut Mannhart     wahren.“
JUGEND/BERUF                                                          Seite 11

Auszubildende bei Develey verdienen mehr,
         wenn sie nicht rauchen
„Wir wollen Jugendlichen ein schlag-     Geschmacksnerven der Auszubilden-
kräftiges Argument geben, nicht zu       den neutral sein, wenn sie an den Pro-
rauchen“, begründet Michael Durach,      duktionsvorgängen teilnehmen. Denn
der Geschäftsführer des Senf- und So-    das Produkt wird geschmacklich ge-
ßenherstellers in Unterhaching, einem    testet.“
20.000 Einwohner zählenden Ort süd-
lich von München. Seit mehr als zwan-
zig Jahren übernimmt Develey die So-
zialabgaben der Auszubildenden, die
vertraglich zustimmen, während der
dreijährigen Lehre die Finger konse-
quent von der Zigarette zu lassen. Wer
nicht durchhält, muss die bis dahin
gesparten Sozialabgaben zurückzah-
len. In den zwei Jahrzehnten kam es
kein einziges Mal vor, dass ein Auszu-
bildender das Geld zurückgeben
musste. Durach: „Gerade als Lebens-
mittelbetrieb wollen wir ein gesundes
Bild vermitteln. Außerdem sollen die
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                          Mut zum Risiko
„Messer, Gabel, Schere, Licht sind für     weniger bedarf es der Obhut durch
kleine Kinder nicht!“ bemühen sich         andere.
besorgte Eltern ihren Jüngsten beizu-
                                           Messer, Gabel, Schere, Licht lernt das
bringen.
                                           Kind zu gebrauchen, ohne Gefahr für
„Wie ist’s mit der Zigarette? Ich wär’     sich selbst und für seine Umwelt. Dem
schon groß, wenn ich sie hätte!“ er-       Erwachsensein ist es damit um einige
gänzt manch kindliches Gemüt in Ge-        Schritte näher gekommen. Der Mut
danken.                                    zum Risiko hat sich gelohnt.
Was haben beide Sprüche gemein-            Wie geht es nun weiter auf dem Weg
sam? Hier wie dort geht es um Risiken,     nach oben? Die Zigarette - auch ein
bei denen das Kind im Spannungsfeld        Risiko, dem ich mich stellen muss, um
zwischen Neugier und Tabu steht. El-       nun endlich erwachsen zu werden?
tern handeln verantwortungsvoll, wenn
                                           Es gibt Risiken, denen sich viele Leute
sie Tabus setzen. Schließlich ist das
                                           nur mit sehr viel Überwindung stellen,
Kind allein noch nicht handlungsfähig.
                                           weil sie es nicht in der Hand haben,
Es bedarf noch der Fürsorge und des
                                           den Ablauf des Geschehens zu beein-
Schutzes seiner Eltern. Körperlich ab-
                                           flussen. Dazu gehören Flugreisen oder
genabelt hängt es noch lange an einer
                                           auch Bungee-Jumping. In beiden Fäl-
sozialen „Nabelschnur“. Das bedeutet
                                           len ist das Risiko dank streng kontrol-
auch: Eltern haben für das Tun ihrer
                                           lierter Sicherheitsmaßnahmen eher ge-
Kinder einzustehen. Entwicklungsauf-
                                           ring. Für die Sicherheit stehen die Be-
gabe des Kindes ist es, sich Schritt für
                                           treiber und die kontrollierenden Behör-
Schritt von seinen Eltern abzunabeln,
                                           den ein. Wer das Risiko eingeht, ist ein
das heißt Verantwortung für sein Tun
                                           anderer als der, welcher dafür gerade
selbst zu tragen. Dazu muss es sich
                                           steht.
auch mit Risiken auseinandersetzen,
um zu lernen, damit umzugehen und          Genau so ist es beim Rauchen. Nur mit
sie zu meistern. Wenn das Kind laufen      einem Unterschied: Das Risiko ist ex-
lernt, läuft es Gefahr, hinzufallen und    trem hoch. Dennoch ist die Überwin-
sich eine Schramme zu holen. Nur           dung, sich in Gefahr zu begeben, bei
wenn es bereit ist, sich diesem Risiko     weitem geringer als beim Bungee-
zu stellen, wird das Kind lernen, seine    Jumping. Die Gewissheit, dass hier
Motorik zu koordinieren und die Gefahr     jemand einsteht, wenn etwas passieren
zu bannen. Jede noch ungewohnte            sollte, scheint unerschütterlich zu sein.
Handlung trägt das Risiko, zu versa-       Ebenso wie sich das kleine Kind im
gen. Doch je deutlicher ich die Um-        Vertrauen auf die Obhutspflicht der
stände erkenne, die mein Tun bestim-       Eltern bei jeder gefährlichen Manipula-
men, und die Folgen abschätzen kann,       tion in Sicherheit wiegt, baut offensicht-
die durch mein Handeln ausgelöst wer-      lich der Raucher auf die Obhutspflicht
den können, um so geringer wird die        der Gesellschaft. Für die Folgekosten
Gefahr, der ich mich aussetze, um so                     Fortsetzung nächste Seite
JUGEND                                                                     Seite 13
stehen schließlich die Beitragszahler      vom Mut zum Risiko lassen das Rau-
der Krankenkassen in der Pflicht, allen    chen als ein Verhalten erscheinen, das
voran diejenigen, die durch vernünftige    Emanzipation und Erwachsensein för-
Lebensweise Kosten einsparen, um           dert. In Wirklichkeit ist es aber eher
Gelder für die Behandlung von Rau-         eine Fluchtreaktion auf die echten Her-
cherkrankheiten frei zu machen.            ausforderungen des Lebens. Die Kon-
                                           frontation mit diesem Risiko taugt nicht
Für das Verhalten eines Kindes haften
                                           dazu, Körper, Geist und Persönlichkeit
dessen Eltern, weil das Kind die Folgen
                                           herauszubilden.
seines Tuns noch nicht in vollem Um-
fang abschätzen kann. Der Raucher          Sehr oft wird die Zigarette gebraucht,
könnte dies, aber für die Folgekosten      um Probleme und Konflikte beiseite zu
wird nicht zuerst er, auch nicht der       schieben, die im Zuge des Erwach-
Produzent des Übels, sondern eine          senwerdens eigentlich gelöst und be-
„Solidargemeinschaft“ zur Kasse ge-        wältigt werden sollten. Der Einsatz
beten, die überwiegend aus Nichtrau-       eines solchen „Stresskillers“ hindert
chern besteht. Dieses „Solidarprin-        Heranwachsende daran, den Um-
zip“ erlaubt es dem Raucher, sich          gang mit Problemen und Konflikten
aus der Verantwortung für sein Tun         zu lernen.
zu stehlen und sich wie ein Kind an
                                           Das Bestreben, mit der Zigarette oder
eine soziale „Nabelschnur“ zu hängen.
                                           mit anderen ungeeigneten Mitteln den
Mit der Zigarette hängt symbolisch
                                           leichten Ausweg zu suchen, steht in
noch ein Stück Nabelschnur aus sei-
                                           engem Zusammenhang mit einer eher
nem Mund heraus, gleichsam als Er-
                                           etwas laxen Lebenshaltung. Den Nähr-
kennungsmerkmal einer noch nicht
                                           boden dafür liefert die Spaßgesell-
vollständig gelungenen Emanzipation.
                                           schaft, bei der es darum geht, durch
Emanzipation - die Befreiung aus der       Äußerlichkeiten aufzufallen und sich
Abhängigkeit - ist dort erreicht, wo der   auf Kosten anderer zu amüsieren. Wer
Mensch die Verantwortung für sich und      sich viel leistet, gilt mehr, als wer viel
für sein Tun selbst trägt. Die Bereit-     leistet. Konsumenten werden umwor-
schaft zum Risiko fördert die Emanzi-      ben. Wer Geld bietet, dem stehen alle
pation, wenn damit gelernt wird, Mög-      Türen offen. Wer aber Kenntnisse und
lichkeiten auszuschöpfen und Gefahren      Fähigkeiten anbietet, hat auf dem Ar-
abzuwenden.                                beitsmarkt oft keine Chance. Was in
                                           der Gesellschaft gut läuft, setzt sich
Wer es vermeidet, sich den Herausfor-
                                           auch in der Schule durch. Spaß- oder
derungen der Realität zu stellen, etwas
                                           Leistungsgesellschaft?
zu riskieren und dafür Verantwortung
zu tragen, behindert sich selbst in sei-
                                           Hierzulande genießen erfolgreiche
ner Emanzipation und verzögert so das
                                           Schüler bei vielen ihrer Mitschüler als
Erwachsenwerden.
                                           „Streber“ wenig Ansehen. Als cool gilt
Wer Verantwortung scheut, sucht ge-        eher, in der Clique ein Angeber und
wöhnlich nach anderen Mitteln, um sich     dafür in der Schule ein Versager zu
zu beweisen. Abwegige Vorstellungen                     Fortsetzung nächste Seite
Seite 14                                                   JUGEND/MEDIEN
sein. Die Ergebnisse dieser Mentalität   noch vorhandene persönliche Schwä-
wurden durch die PISA-Studie über-       chen offenbar werden. Am Ende steht
zeugend dokumentiert.                    schließlich die Freude über den selbst
                                         errungenen Erfolg. Mit den wachsen-
Wir brauchen ein Klima, in dem indivi-
                                         den Fähigkeiten wachsen auch die
duelle Leistung und persönliche Aus-
                                         Möglichkeiten, frei zu entscheiden und
strahlung mehr gelten als Pomp, Gla-
                                         selbstständig zu handeln.
mour und der Duft der großen weiten
Welt. Dazu müssen wir die heranwach-     Schön, wer von sich sagen kann: „Ich
sende Generation dafür begeistern,       werd’ allein erwachsen - ich brauch’
sich echten Herausforderungen zu         dazu kein Räucherstäbchen!“
stellen, auch auf die Gefahr hin, dass                   Dr. Wolfgang Schwarz

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los (mit Ausnahme der Rauchverbotsaufkleber) beziehen können!

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MEDIEN   Seite 15
Seite 16                                                                                  MEDIEN

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    Bitte stellen Sie mir folgende Medien kostenlos zur Verfügung:
     (A = Aufkleber | B = Broschüre | K = Postkarte | P = Poster | T = Tischaufsteller)

A Nichtraucher - Na klar! (rund, Papier + PVC)
  ___ St. 4 cm Papier             ___ St. 9 cm PVC                ___ St. 20 cm PVC
A Nichtraucherschutz - Na klar (rund, Papier + PVC)
  ___ St. 4 cm Papier             ___ St. 9 cm PVC                ___ St. 20 cm PVC
A Marlboro: Gestank von Abhängigkeit und Langeweile (Papier)
  ___ St. 4 x 5 cm                ___ St. 5 x 7 cm         ___ St. 7 x 10 cm
A Marlboro, weil ich ein Rindvieh bin (Papier)
  ___ St. 5 x 7 cm                ___ St. 7 x 10 cm
A ___ Raucher stinken - vor sich hin und in sich hinein! (Papier, 5 x 3 cm)
A Raucher stinken - Auch die Raucher empfinden ... (Papier)
  ___ St. 7 x 5 cm                 ___ St. 10 x 7 cm
A ___ St. Nicht mal ein Esel geht meilenweit für eine Zigarette (Papier, 9 x 9 cm)
A ___ St. Rauchen macht impotent (Papier, 7 x 10 cm)
A ___ St. Gestank-Genießer (Papier, 7 x 10 cm)
A Rauchverbotsaufkleber (rund oder rechteckig, PVC, 1 Stück kostenlos!)
  ___ St. Durchmesser 4 cm       ___ St. Durchmesser 9 cm     ___ St. Durchmesser 20 cm
  ___ St. 4 x 3 cm               ___ St. 8 x 6 cm           ___ St. 12 x 9 cm
A Rauchverbotsaufkleber mit Text "Bitte haben Sie Verständnis..." (PVC, 1 Stück kostenlos!)
  ___ St. 9 x 10,5 cm            ___ St. 20 x 23 cm
A Rauchfrei aufwachsen! (Papier, 4 x 9 cm)
  ___ St. gelb                    ___ St. blau
T Reserviert für Nichtraucher (Karton)
  ___ St. 10 x 5 cm               ___ St. 17 x 7 cm
K+P Passivrauchen macht krank
  K ___ St. (A6)              P ___ St. (A3)
K+P Raucher-Nichtraucher-Lunge "Würden Sie auch dann noch rauchen, ..."
  K ___ St. (A6)                 P ___ St. (A3)              P ___ St. (A2)
P ___ St. Raucher-Nichtraucher-Lunge bei Operation (A4, max. 1 Stück)
B ___ St. Rauchfrei aufwachsen! (A6, 32 Seiten)
B ___ St. Nichtraucherschutz.de (A5, 16 Seiten, ab Mai 2002)
B ___ St. Nichtraucher-Info - aktuelle Ausgabe

Zustellung an:     Name:     ______________________________________________
                   Straße: ______________________________________________
         Postleitzahl, Ort: ______________________________________________
         Nichtraucher-Initiative Deutschland e.V. - Carl-von-Linde-Str. 11 - 85716 Unterschleißheim
GASTRONOMIE                                                 Seite 17

 Sonderangebot für Mitglieder von Nichtraucher-Initiativen:

     Wanderwoche in der Schweiz
           Walliser Höhenwege 2002
          vom 8. Juli bis 13. Juli 2002
                         mit Unterkunft im

               Nichtraucher - Hotel

               CH-3925   GRÄCHEN   Wallis/Schweiz

        (für Infos siehe auch www.graechen.ch/stutz)

     Preis pro Person und Woche im Doppel- oder Einzelzimmer:

                            EUR 340,-
 Leistungen:             Hotelunterkunft mit Halbpension
                         3 geführte Höhenweg-Wanderungen
                         Ausflug nach Saas Fee oder Zermatt
                         Bergbahnen/Lunch

 Anmeldung:              Nichtraucher-Hotel Stutz
                         Schmidji 463 - CH-3925 Grächen
                         Tel ++41 / 27 / 956 36 57
                         Fax ++41 / 27 / 956 36 58
                         E-Mail hotel.stutz@smile.ch
                         Anmeldung bis 31. Mai 2002
                         Teilnehmerzahl beschränkt
Seite 18                                                       ARBEITSPLATZ

            Rauchfreie Firma in Hamburg
Seit zwölf Jahren ist die Firma des        Jörß noch starker Raucher mit bis zu
Hamburger Pharma-Händlers Michael          100 Zigaretten pro Tag. 1984 scho-
Jörß (60) rauchfrei. Rund 4.000 Stoffe,    ckierte ihn seine Sekretärin mit dem
von Acetylsalicylicadid bis Vitamin K3     Satz: „Essen Sie die Zigaretten doch
USP hat die B.M.P. Trading AG in ih-       gleich, das geht schneller.“ Ab sofort
rem Programm. Darunter befinden sich       steckte er keinen Glimmstängel mehr
auch einige Drogen. Auf dem Betriebs-      an. Unter seinen Mitarbeitern gab es
gelände ist eine Droge jedoch streng       sieben Jahre lang einige, die ihre Ziga-
verpönt: Nikotin. Alle 30 Mitarbeiterin-   rettenpause auf dem Hof verbrachten.
nen sind bekennende Nichtraucher           Seit 1991 raucht niemand mehr. Die
oder rauchen zumindest nicht während       Firma entwickelte sich prächtig. Vor
der Arbeitszeit. Wie man das schafft?      zwei Jahren brachte Jörß sie an die
Jörß: „Es hat sich so ergeben.“            Börse und in diesem Jahr gab es 16
                                           Prozent Dividende.
Als er 1979 seine Firma gründete, war              Hamburger Abendblatt, 20.3.02
ARBEITSPLATZ/REISEN                                                      Seite 19

  Nichtraucherschutz im Rathaus von Malchin
Im Herbst 2001 wollte der Personalrat      chens mit dem Schutz der nichtrau-
Bürgermeister Jörg Lange noch vor das      chenden Beschäftigten begründen
Verwaltungsgericht bringen. Inzwi-         müsse. Für die Ratschläge bedankte
schen hat er sich mit ihm geeinigt. Seit   sich Bürgermeister Jörg Lange bei der
1. Februar 2002 ist das Rauchen im         NID in einem persönlichen Telefonge-
Malchiner Rathaus grundsätzlich ver-       spräch.
boten, die Ausnahmen sind in der
Dienstvereinbarung sowohl örtlich als
auch zeitlich festgehalten. Damit hat
sich der Bürgermeister in dem mona-
telangen Streit um das Rauchen in den
Verwaltungsräumen des zentral in
Mecklenburg-Vorpommern gelegenen
Städtchens durchgesetzt.

Einen gewissen Anteil an der gefunde-
nen Regelung hatte auch die NID, die
den Bürgermeister darüber informierte,     Das Rathaus von Malchin: seit Februar
dass er die Einschränkung des Rau-         2002 weitgehend rauchfrei.

                                                 Ab Juli wird es ernst:
                                              Rauchfreie Bahnhöfe
                                           Deutsche Bahn AG will ab Juli 2002 auf
                                           63 großen Bahnhöfen eine ähnliche
                                           Regelung wie im Rathaus Malchin: ein
                                           grundsätzliches Rauchverbot mit Aus-
                                           nahmen in Form von ausgewiesenen
                                           Raucherzonen. Das Bild links stammt
                                           vom Hauptbahnhof Bonn. Dort testete
                                           die Bahn, ob ein hinreichend großer
                                           Teil der Fahrgäste die Regelung akzep-
                                           tieren würde.

                                           Doch was nützen rauchfreie Bahnhöfe,
                                           wenn der Tabakgestank in den Zügen
                                           manche Fahrt zu einer Qual werden
                                           lässt? Weder im IC noch im ICE kön-
                                           nen die installierten Belüftungsanlagen
                                           den Mief wirkungsvoll von Nichtrau-
                                           chern fernhalten. Hier gibt es für die
                                           Bahn noch viel zu tun!
Seite 20                                                                 RECHT
    Rauchverbot im Luxushotel ist kein Reisemangel
Ein rauchendes Ehepaar hatte einen        Hätte der Kläger darauf Wert gelegt,
Urlaub in einem 5-Sterne-Hotel ge-        nur in einem Hotel untergebracht zu
bucht. Wie von früher her gewohnt         sein, in dem die Möglichkeit bestand,
wollte es auch beim Essen nicht von       auch während des Essens zu rauchen,
den Glimmstängeln lassen. Doch wohin      hätte es an ihm gelegen, vor der Bu-
beide blickten: im gesamten Restau-       chung seinen entsprechenden Wunsch
rantbereich des Hauses leuchtete ih-      vorzutragen, um sich ein entsprechen-
nen ein Rauchverbotsschild entgegen.      des Hotel empfehlen zu lassen.
Auf ihre Beschwerde hin bot man ihnen
                                          (Urteil des Amtsgerichts Frankfurt/Main
an, Frühstück und Abendessen an
                                          vom 15.11.2001, Aktenzeichen 30 C
einem separaten Tisch im Clubraum
                                          1726/01-25)
mit eigener Bedienung und Meerblick
zu servieren. Damit waren sie jedoch
                                          Was das rauchende Ehepaar jetzt ge-
nicht einverstanden und nahmen ihre
                                          gen sich gelten lassen muss: den
Mahlzeiten außer Haus ein. Nach der
                                          Trend weg vom uneingeschränkten
Rückkehr verlangten sie eine Minde-
                                          Rauchen, erlebte König Jakob von
rung des Reisepreises sowie Schaden-
                                          England zu Beginn des 17. Jahrhun-
ersatz für entgangene Urlaubsfreuden.
                                          derts in genau anderer Richtung:
Doch das Amtsgericht Frankfurt/Main
                                          „Ist es nicht sowohl große Selbstgefäl-
wies ihre Klage ab. Das Rauchverbot,
                                          ligkeit wie auch Unsauberkeit, dass
so der Richter, stelle keinen Mangel
                                          man sich bei Tisch, einem Ort der
dar. Es mindere den Wert oder die
                                          Rücksicht, der Reinlichkeit und der
Tauglichkeit der erbrachten Reiseleis-
                                          Bescheidenheit, nicht schämt, sich auf
tung nicht, da weder in der Prospekt-
                                          Tabakpfeifen zu stürzen, dass einer
beschreibung noch sonst wie zum
                                          dem andern den Rauch ins Gesicht
Ausdruck gebracht worden ist, dass im
                                          bläst, den schmutzigen Rauch und
Hotelrestaurant beim Essen geraucht
                                          Gestank über die Schüsseln hin aus-
werden könne. Der Kläger könne nicht
                                          haucht und die Luft verpestet? ... Der
davon ausgehen, dass das Rauchen
                                          allgemeine Gebrauch hierin, zu allen
beim Essen zum gewöhnlichen Nutzen
                                          Zeiten und an allen Orten, hat sich nun
gehöre. In den letzten zehn Jahren
                                          schon so durchgesetzt, dass verschie-
habe sich ein starker Bewusstseins-
                                          dene Männer ... schließlich gezwungen
wandel in weiten Bereichen des gesell-
                                          wurden, ihm auch zu frönen, ohne
schaftlichen Lebens gegenüber dem
                                          Verlangen darnach ..., weil sie sich
Rauchen vollzogen. Ein Reiseveran-
                                          schämten, eigentümlich zu erschei-
stalter sei außerdem angesichts der
                                          nen.“
Gesundheitsschädlichkeit des Passiv-
rauchens eher verpflichtet, die gesund-   Counterblast to Tobacco (zitiert bei Will
heitlichen Belange seiner Kunden zu       Durant: Kulturgeschichte der Mensch-
wahren als das Genussinteresse eines      heit; Bd. 20: Englands Goldenes Zeit-
bestimmten Teils seiner Kundschaft.       alter, Seite 114 f.)
RECHT                                                                   Seite 21

                    Rauchende Nachbarn
Es ist schon ein Graus, rauchende          strömt. Die Belüftung der Wohnung
Nachbarn zu haben – vor allem dann,        kann derzeit mit Erfolg nur auf der
wenn sie qualmen wie ein Schlot und        Basis von Fensteröffnungszeiten bei
für die Empfindungen ihrer Mitmen-         Gericht durchgesetzt werden. Alles in
schen auch nicht das geringste Ver-        allem eine deutliche Minderung der
ständnis aufbringen. Glücklich können      Wohn- und Lebensqualität.
sich diejenigen schätzen, die ihr Häus-
chen im Grünen haben, fernab von           Wer als Vermieter nur an Nichtrau-
jeglichem Tabakgestank. Viele Men-         cher vermieten will, sollte folgende
schen, besonders die mit geringerem        Klausel in den Mietvertrag aufneh-
Einkommen, wohnen jedoch in Häu-           men und gesondert unterschreiben
sern mit einer Vielzahl von Nachbarn.      lassen:
Dabei kommt es vorwiegend auf das
Rauch-/Nichtrauchverhalten der unter-
                                           Tabakrauchen kann für Nichtraucher
halb bzw. rechts und links wohnenden
Nachbarn an. Manchmal dringt der
                                           zu einer Belästigung, Gefährdung oder
Tabakmief über mehrere Stockwerke,         Schädigung der Gesundheit führen.
Flure und Treppenhäuser hoch.              Der Tabakrauch dringt über nicht völ-
                                           lig abzudichtende Türen, Kabel- und
Von einer Rechtsprechung, wie sie am       Rohrleitungen, Abluftkamine sowie
Arbeitsplatz gilt, sind wir beim Schutz    über geöffnete Fenster in andere Woh-
gegen rauchende Nachbarn noch weit         nungen und in den Hausflur ein. Ta-
entfernt. Auch wenn es einzelne Urteile    bakrauchen auf dem Balkon führt
gibt, die ein wenig Hoffnung lassen: ein   dazu, dass der Aufenthalt auf den
Urteil, das einen Mieter oder Eigen-
                                           darüber liegenden Balkonen für Nicht-
tümer zum Rauchen aus dem Haus
verbannt, steht noch aus. Mietminde-
                                           raucher nicht ohne unzumutbare Be-
rungen von 5 oder 10 Prozent sind kein     lästigung möglich ist.
Ausgleich für verlorene Lebensqualität.    Um all dies zu vermeiden und den
Hoffnung verspricht bisher allein die      Hausfrieden zu wahren, ist der Mieter
Abdichtung aller möglichen rauch-
                                           mit einem Verbot des Rauchens von
durchlässigen Stellen, zunächst der Tü-
ren, Fenster und Steckdosen. Zu über-      Tabakprodukten in der Wohnung und
prüfen ist dann, ob es kleine und          auf dem Balkon einverstanden. Dieses
kleinste Risse im Boden oder an den        Rauchverbot gilt für alle sich in der
Stellen gibt, wo die Gas- Wasser- und      Wohnung aufhaltenden Personen. Der
Heizungsrohre in die Wohnung hinein-       Mieter ist für die Einhaltung des
und hinausführen. Bei Abluftkaminen        Rauchverbots verantwortlich. Verstö-
ist dafür zu sorgen, dass die Luft durch   ße gegen das Rauchverbot berechtigen
Erzeugung von Überdruck wirklich nur       den Vermieter zur Kündigung des
nach außen entweichen kann und nicht       Mietvertrages.
an einer anderen Stelle in die Wohnung
Seite 22                                                     TABAKINDUSTRIE
  Imperial Tobacco kauft                     berühmte Bild vom Schwanz auf, der mit
                                             dem Hund wedelt. Und aus heutiger
 Tabakkonzern Reemtsma                       Sicht muss man sich sogar fragen, ob
Mit dem Verkauf von Reemtsma an die          das Protestgebrüll von Reemtsma wirk-
britische Imperial Tobacco ist der letzte    lich nur den 600 Arbeitsplätzen galt oder
große deutsche Zigarettenhersteller in       vielmehr dem zu erwartenden Verkaufs-
ausländische Hände übergegangen.             preis. Denn ein Werk, das vor der
75,1 Prozent der Anteile hielt bisher die    Schließung steht, dürfte wohl kaum noch
Hamburger Tchibo Holding AG. Zu-             an den Mann zu bringen sein. Ist das der
nächst übernimmt Imperial Tobacco            Karren, vor den sich Regierung und
90,01 Prozent der Anteile und bezahlt        Gewerkschaften so bereitwillig spannen
dafür 5,221 Milliarden Euro. Zusätzlich      ließen?                        Paul Lenz
sollen die Gesellschafter von Reemtsma
eine Dividende von 810 Millionen Euro         Tabak-Boss rät seinen
sowie weitere Zahlungen von rund 230         Kindern, nicht zu rauchen
Millionen Euro erhalten. Für die restli-
chen Anteile hat Imperial Tobacco eine       Martin Broughton, Chef des weltweit
Kaufoption bis 2004/05. Der Erwerb           zweitgrößten Tabakkonzerns British
muss noch von den Aktionären des briti-      American Tobacco (BAT), raucht selbst
schen Konzerns sowie von der EU-             nicht und rät auch seinen Kindern, Ziga-
Kommission gebilligt werden. Mit Hilfe       retten nicht anzurühren. Rauchen sei
von Reemtsma will Imperial Tobacco           gesundheitsschädlich. Das sagt ausge-
jetzt auch in Osteuropa Fuß fassen.          rechnet der Mann, dessen Unternehmen
                  Berliner Zeitung, 8.3.02   viel Geld dafür ausgibt, um die Kinder
                                             anderer Leute zum Rauchen zu verfüh-
Kommentar:         Der    Verkauf    von     ren. Laut BAT-Finanzbericht sind junge
Reemtsma nach England lässt ein Er-          Erwachsene unter 30 Jahren die Ziel-
eignis des vorigen Jahres plötzlich in       gruppe des Konzerns. Es ist zu hoffen,
neuem Licht erscheinen: Als die EU eine      dass diese Aussagen Rauchern in den
neue Tabakrichtlinie plante, in der die      USA bei ihren Prozessen gegen die
zulässigen Grenzwerte für Nikotin und        Zigarettenhersteller helfen.
Teer herabgesetzt werden sollten, sah
das Werk in Langenhagen bei Hannover                TED-Umfrage:
seine 600 Arbeitsplätze bedroht, denn
dort werden überwiegend starke Ziga-
                                              78 Prozent für Abschaffung
retten hergestellt, deren Werte über den       der Zigarettenautomaten
geplanten Grenzwerten liegen. Nicht nur
                                             An einer TED-Umfrage des Westdeut-
die Gewerkschaften kritisierten die Be-
                                             schen Rundfunks für die Fernsehsen-
drohung der Arbeitsplätze, auch die
                                             dung WESTPOL am 18. Januar 2002
Regierungen in Niedersachsen und
                                             beteiligten sich 8.500 Zuschauer. 77,8
Berlin protestierten und reichten sogar
                                             Prozent forderten eine völlige Abschaf-
Klage gegen die EU-Richtlinie ein.
                                             fung der Zigarettenautomaten, 22,2 Pro-
Doch schon damals drängte sich das           zent waren dagegen.
TABAKINDUSTRIE/STATISIK                                                        Seite 23
      Organisierte Kriminalität: Zigarettenschmuggel
157 Millionen unversteuerte Zigaretten       nutzt. Scheinfirmen werden gegründet
beschlagnahmten die Fahnder 2001 in          und renommierte Wirtschaftsunterneh-
den Bundesländern Berlin und Branden-        men zur Tarnung krimineller Machen-
burg. Mehr als 7.600 Strafverfahren          schaften missbraucht. Meldungen aus
wurden eingeleitet. Von 470 illegalen        anderen Bundesländern (Hamburg: 9,4
Handelsplätzen allein in der Hauptstadt      Millionen Zigaretten mit einem Steuer-
Berlin gehen die Ermittler aus. Alles        schaden von 854.000 Euro; Münster:
Daten, die auf eine organisierte Krimina-    22,5 Millionen Zigaretten mit einem
lität schließen lassen. Dabei gehen die      Steuerschaden von 5,3 Millionen Euro)
Täter nicht nur raffiniert, sondern immer    unterstreichen, dass der Zigaretten-
gewaltbereiter vor. Der Schmuggel voll-      schmuggel kein Problem ist, das sich auf
zieht sich zunehmend in wirtschaftlichen     eine Region beschränkt.
Strukturen. So wird der gewerbliche                    Hamburger Abendblatt, 20.3.02
Güterverkehr auf den Landstraßen und                         Berliner Zeitung, 21.1.02
auf dem Wasser zum Schmuggeln ge-                   Westfälische Nachrichten, 22.9.01

              2001: Tabakkonsum nahm zu
                      Versteuerte       Veränderung     Versteuerte         Veränderung
Tabakerzeugnisse
                     Verkaufswerte      zum Vorjahr       Mengen            zum Vorjahr
Zigaretten            19,9 Mrd. Euro         + 3,6 %   142,5 Mrd. Stück          + 2,1 %
Zigarren und
                       499 Mill. Euro        – 1,5 %    2.511 Mill. Stück        – 1,8 %
Zigarillos
Feinschnitt            810 Mill. Euro        + 9,4 %     13.803 Tonnen           + 8,2 %
Pfeifentabak            94 Mill. Euro        + 2,5 %        924 Tonnen           + 1,7 %
Feinschnittrollen      330 Mill. Euro       + 32,6 %      2.469 Tonnen          + 33,3 %
Insgesamt             21,6 Mrd. Euro         + 4,0 %                 X                 X

Auch wenn die Erhöhung der Tabak-            Wie sich das 12. Euro-Einführungsge-
steuer zum 1. Januar 2002 den Umatz          setz auf den Tabakkonsum und die Ta-
zum Jahresende noch einmal ange-             baksteuer-Einnahmen auswirken wird,
kurbelt hat: Festzustellen ist, dass das     kann noch niemand abschätzen. Seit
Jahr 2001 eine Steigerung des Tabak-         August 2001 können sich nämlich Rau-
konsums gebracht hat. Die Zunahme            cher für den privaten Bedarf per Post bis
des Rauchens bei Jugendlichen findet in      zu 800 Zigaretten tabaksteuerfrei aus
den vorliegenden Daten ihre Bestäti-         dem EU-Ausland schicken lassen. Wäh-
gung. Der Rückgang bei den Zigarren          rend in Deutschland eine Schachtel
und Zigarillos, beides Produkte, die fast    Zigaretten durchschnittlich 3,30 Euro
ausschließlich von Erwachsenen ge-           kostet, muss der Käufer in Portugal ca.
raucht werden, weist ebenfalls darauf        1,80 Euro zahlen. Da die Regelung nur
hin, wo angesetzt werden muss, wenn          für Privatpersonen gilt, hält sich der
man den Raucheranteil in der Bevölke-        Steuerausfall wohl in Grenzen.
rung ernsthaft senken will.                           Süddeutsche Zeitung, 25.9.01
Seite 24                                                    EU/INTERNATIONAL
       EU-Kommissare                          Tod der Frau zu. Zwar habe die Verstor-
                                              bene selbst die Entscheidung getroffen
        scheitern beim                        zu rauchen, doch habe der Marlboro-
      Subventionsabbau                        Produzent seinerzeit fälschlicherweise
                                              leichte Zigaretten als sichere im Ver-
EU-Agrarkommissar Franz Fischler und          gleich zu normalen Zigaretten darge-
Verbraucherkommissar David Byrne              stellt. Das Gericht teilte die Strafsumme
scheiterten mit ihrem Vorschlag, die          auf in 25 Millionen Dollar wegen Fahr-
Tabaksubventionen abzubauen, an der           lässigkeit, 10 Millionen Dollar für Haftung
Mehrheit der Landwirtschaftsminister der      und 115 Millionen Dollar wegen Täu-
EU-Mitgliedsstaaten. Diesmal waren            schung. Süddeutsche Zeitung, 25.3.02
nicht die Deutschen die Bremser. Agrar-
und Verbraucherschutzministerin Renate
Künast unterstützte zusammen mit ihren                Österreich:
Kollegen aus Großbritannien und den               74 Prozent für ein
Niederlanden eine formelle Erklärung          Rauchverbot in Kinofoyers
der Kommission, die an ihrem Konzept
festhalten will, den Tabakbauern mittel-      Interaktiv per Internet ließen die „Holly-
fristig andere Einkommensquellen zu           wood Megaplex“-Kinos über die Frage
erschließen.                                  abstimmen, ob in den Kinofoyers ge-
                                              raucht werden darf. Das Ergebnis war
Für die Kommission ist das Auslaufen          eindeutig: 75 Prozent befürworteten das
der Tabaksubventionen von derzeit rund        Rauchverbot, 15 Prozent lehnten es ab
einer Milliarde Euro im Jahr eine Frage       und 10 Prozent setzten ihr Kreuzchen
der Glaubwürdigkeit. Doch die Agrarmi-        bei „egal“.
nister setzten durch, dass die Beihilfen in
den nächsten drei Jahren unverändert                     Italien:
bleiben. Ihr einziges Zugeständnis: Der
Fond, aus dem Initiativen zur Umstellung           Autofahrer musste
der Tabakerzeugung auf andere Pro-                weggeworfene Kippe
dukte, etwa Erdbeeren, gefördert und
Informationskampagnen gegen das
                                                        suchen
Rauchen finanziert werden sollen, wird        Italienische Verkehrspolizisten haben ei-
aufgestockt.                                  nem Autofahrer in Südtirol eine beson-
                                              dere Strafe auferlegt: Sie ließen ihn eine
             USA:                             zuvor aus dem Autofenster weggewor-
                                              fene Zigarettenkippe auf der Brenner-
     150 Millionen Dollar                     Staatsstraße bei Trient suchen. Er sollte
         für Raucher                          nicht nur ein Bußgeld zahlen, sondern
Ein Gericht in Portland im US-Bundes-         den Ort des Vergehens – so wie es das
staat Oregon sprach den Erben der an          Gesetz vorschreibt – „wieder in seinen
Lungenkrebs gestorbenen Raucherin             ursprünglichen Zustand“ versetzen. Hof-
Michelle Schwarz 150 Millionen US-            fentlich ziehen auch noch andere Auto-
Dollar zu. Es wies dem Tabakkonzern           fahrer die Lehre aus dem Vorfall.
Philip Morris 51 Prozent Schuld an dem                    Süddeutsche Zeitung, 26.3.02
INTERNATIONAL                                                           Seite 25

              Erfahrungen in Kanada:
    Grässliche Bilder reduzieren Tabakkonsum
                                          Lungentumor, ein geschädigtes Herz,
                                          ein Gehirn nach einem Schlaganfall,
                                          ein verunstalteter Mund samt Zähnen
                                          oder eine schlaffe Zigarette, die sym-
                                          bolisieren soll, dass Rauchen auch zu
                                          sexuellen Störungen führen kann, zu
                                          sehen ist. Ferner müssen Einlageblät-
                                          ter auf weitere Gefahren hinweisen
                                          sowie Tipps zur Raucherentwöhnung
                                          geben.

                                          90 % der Raucher haben diese War-
                                          nungen zur Kenntnis genommen und
                                          die Hälfte sei nun stärker betroffen,
                                          was die gesundheitlichen Auswirkun-
                                          gen anbelangt, und etwas mehr moti-
                                          viert, mit dem Rauchen aufzuhören –
                                          so die Canadian Cancer Society (Ka-
                                          nadische Krebsgesellschaft).

                                          Einer Studie zufolge haben 20 % der
                                          Raucher wegen dieser Bilder ihren
                                          Zigarettenkonsum reduziert. Ken
                                          Kyle, Direktor der Canadian Cancer
                                          Society sagte: „Für mich ist klar, dass
                                          diese Warnungen funktionieren und
                                          dass das Ergebnis eine verbesserte
                                          Gesundheit für viele Kanadier bedeu-
                                          ten wird“.

                                          Ein Langzeitraucher bestätigte, dass
                                          ihn die Vorstellung von verrotteten und
                                          vergilbten Zähnen schockierte, da es
                                          sichtbare Auswirkungen des Rauchens
                                          sind. Allerdings veranlasse es wohl den
                                          chronischen Raucher dennoch kaum
                                          zum Aufhören. Eine starke Preiserhö-
                                          hung würde wohl für ihn eine stärkere
Seit letztem Jahr müssen in Kanada        Motivation zur Reduzierung oder zum
Zigarettenpackungen außen zur Hälfte      Aufhören bedeuten als diese Bilder auf
mit Bildern bedeckt sein, auf denen ein                 Fortsetzung nächste Seite
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