Non Performing Loans (NPL) - Problemkredite-Transaktionen, Recht und Steuern - Marco Wiedenhofer (Hrsg.)
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Marco Wiedenhofer (Hrsg.) Non Performing Loans (NPL) Problemkredite–Transaktionen, Recht und Steuern
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III Marco Wiedenhofer (Hrsg.) Non Performing Loans (NPL) Problemkredite – Transaktionen, Recht und Steuern 2006 Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart
IV Herausgeber: Dr. Marco Wiedenhofer, MBA, Deloitte & Touche GmbH, Düsseldorf Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar e-book ISBN: 978-3-7992-6164-7 Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © 2010 Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH www.schaeffer-poeschel.de info@schaeffer-poeschel.de Einbandgestaltung: Willy Löffelhardt Satz: Johanna Boy, Brennberg Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart Ein Tochterunternehmen der Verlagsgruppe Handelsblatt
V Geleitwort »Land of Opportunity«: Mit dieser prägnanten Beschreibung charakterisieren Investoren den seit kurzem boomenden deutschen Markt für Non Performing Loans (NPL). Derzeit stehen überwiegend angelsächsische Investoren in inten- sivem Wettbewerb um den Ankauf von Problemkrediten der deutschen Finanz- wirtschaft. Ganz offensichtlich schätzen diese Investoren die wirtschaftlichen Perspektiven des Standortes Deutschland günstiger ein, als dies viele deutsche Marktteilnehmer tun. In den vergangenen zwei Jahren war der NPL-Markt vor allem durch Transak- tionen sehr großer Kreditportfolios geprägt. In Deutschland waren 2005 auf der Verkäuferseite vorwiegend große Banken aktiv, zudem hat auch eine erste Versi- cherung ein umfangreiches NPL-Portfolio veräußert. Hier ist für die Zukunft mit einer deutlichen Abflachung zu rechnen. Zu erwarten ist, dass verstärkt kleinere und mittlere Kreditinstitute sowie einzelne Versicherungen diesen Markt nutzen wollen, um Altlasten aus dem Kreditgeschäft zu bereinigen. Vermehrt dürften des- halb auch kleinere und mittlere Portfolios transferiert werden. Gleichzeitig werden neue Investoren versuchen, Renditechancen an diesem Markt zu nutzen. Um die Chancen eines NPL-Marktes wirksam werden zu lassen, ist es wich- tig, mögliche negative Nebenwirkungen einzuschränken. Unter dem Blickwinkel der Solvenzaufsicht, der Stabilität des Finanzsystems und Integrität des Finanz- marktes sind dabei insbesondere folgende Fragestellungen wichtig: • Effektivität des Risikotransfers: Im Regelfall beinhaltet das Vertragswerk einer NPL-Transaktion verschiedene Garantien des Verkäufers. Zu prüfen ist, ob hierdurch die vollständige Übertragung der Kreditrisiken eingeschränkt wird. • Bankgeheimnis/Datenschutz: Festzustellen ist, dass gerade das Geschäftsmo- dell von NPL-Investoren auf guten Informationen zu den erworbenen Krediten basiert. Auf der anderen Seite besteht ein berechtigtes Interesse von Kredit- nehmern an einer vertraulichen Handhabung ihrer Daten. Daher ist sehr sorg- fältig zu analysieren, ob die im Rahmen einer NPL-Transaktion angedachten Lösungen im Zusammenhang mit dem Komplex Bankgeheimnis/Datenschutz wirklich tragfähig sind. • Erlaubnispflicht des Kreditgeschäfts: Die Ausübung des Kreditgeschäfts ist in Deutschland (und den meisten anderen Ländern) erlaubnispflichtig. Zu prüfen ist daher, ob der Investor im Rahmen einer NPL-Transaktion lediglich ausste- hende Forderungen erwirbt oder ob damit die Ausübung erlaubnispflichtigen Kreditgeschäfts verbunden ist. Für den Fall, dass der Investor über die Erlaub- nis zum Betreiben des Bankgeschäfts verfügt, ist zu beachten, dass Kreditent- scheidungen in der Verantwortung des jeweiligen Geschäftsleiters liegen und nicht durch außenstehende Entscheidungsträger unterlaufen werden.
VI Geleitwort • Auswirkungen auf die Finanzstabilität: Der Erwerb von NPL-Portfolios wird regelmäßig durch einen sehr hohen Fremdkapitalanteil finanziert. Kreditfi- nanzierungen zu mehr als 80% sind durchaus üblich. Entsprechend gering ist der Puffer an Risikokapital, wenn die erwarteten Zahlungsströme aus den erworbenen Darlehen nicht erwirtschaftet werden können. Kreditgeber der NPL-Investoren sind teilweise auch deutsche Kreditinstitute. Aus Sicht der Fi- nanzaufsicht ist es daher wichtig zu analysieren, ob durch NPL-Transaktionen neue Konzentrationsrisiken im Finanzsystem entstehen können. Aus Aufsichtsperspektive bietet dieser neu entstandene Markt Banken und Ver- sicherungen eine zusätzliche Möglichkeit, Probleme aus notleidenden Krediten aktiv zu beseitigen. Ein aufnahmebereiter NPL-Markt kann einen Beitrag zu einer Stabilisierung des Finanzsektors liefern. Kreditinstitute können unerwünschte Ausfallrisiken rasch reduzieren und Kapazitätsengpässe in ihren internen Ab- wicklungsabteilungen auflösen. Der Mittelzufluss aus dem NPL-Verkauf und die Entlastung im Bereich der Eigenkapitalhinterlegung erleichtern zudem eine stra- tegische Neupositionierung im Kreditgeschäft. Hinzu kommt, dass nun für Problemkredite Marktpreise, also objektive Be- wertungen, anstelle von eher subjektiven Einschätzungen zur Verfügung stehen. Diese Preise können von Finanzunternehmen und der Aufsicht als zusätzliche Informationsquelle auch bei der Beurteilung der Wertberichtigungspolitik der Institute genutzt werden. Festzuhalten ist an dieser Stelle aber auch, dass der Verkauf an Finanzinvestoren nur eine Möglichkeit des Umgangs mit NPL ist. Die interne Abwicklung oder etwa die Gründung einer unternehmenseigenen »Bad Bank« sind weitere Alternativen, die genauso effizient sein können. Das Entstehen des NPL-Marktes in Deutschland entspricht dem seit langem zu beobachtenden Trend einer Aufsplitterung der Wertschöpfungskette. Damit verbunden ist eine grundlegende Änderung der klassischen Geschäftsmodelle im Kreditbereich: Kreditrisiken werden handelbar. Abzuwarten bleibt, ob die zuneh- mende Spezialisierung von Anbietern im Kreditgeschäft auf einzelne Stufen der Wertschöpfungskette nun auch zu einer steigenden Markteffizienz führt. Zu erwarten ist, dass die Goldgräberstimmung im NPL-Markt der vergangenen Jahre einem pragmatischen Rationalismus weichen wird. Der NPL-Markt steht vor einem Reifeprozess. Ein Beleg für diese Entwicklung ist die Veröffentlichung des vorliegenden Handbuches. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung und die Diskussion von Theorie und Praxis können einen Beitrag zur weiteren Pro- fessionalisierung und Standardisierung des NPL-Marktes und damit zur Stärkung des gesamten Finanzplatzes leisten. Frankfurt a.M., Januar 2006 Raimund Röseler, Stephan Weilhammer* * Raimund Röseler ist Referatsleiter bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs- aufsicht (BaFin), Stephan Weilhammer ist Referent bei der BaFin. Die Ausführungen dieses Beitrags entsprechen ausschließlich den persönlichen Ansichten der Autoren und nicht einer Position der BaFin.
VII Vorwort Seit dem Verkauf eines ersten größeren Portfolios an Problemkrediten durch den Insolvenzverwalter der Gontard & MetallBank AG in 2003 ist in Deutschland ein Markt an Problemkrediten entstanden, dem global tätige Investmentbanken und Opportunity Funds hohe Priorität einräumen. Seit diesem Zeitpunkt setzen sich zunehmend mehr Banken mit einem Verkauf ihrer Problemkredite als Option einer Leistungsverbesserung oder einer Restrukturierung des eigenen Kreditge- schäfts auseinander. Ausgelöst und begünstigt wird diese Entwicklung von einer Reihe von Faktoren. Während internationale Distressed Debt Investoren eine Diversifikation ihres Portfolios um deutsche Risiken suchen, sehen sich deut- sche Banken mit einem anstehenden Strukturwechsel konfrontiert. Dabei sind die Anforderungen durch Basel II, der Wegfall der Gewährsträgerhaftung und der lang anhaltende Abschwung des ostdeutschen Immobilienmarktes nur die offensichtlichsten Elemente. Insgesamt sprechen unterschiedliche Schätzungen von Volumina von 160 bis 300 Milliarden Euro (einschließlich bisher bekannt gewordener Transaktionen). Obwohl vergleichbare Transaktionen in den USA bereits am Ende der achtziger Jahre durchgeführt wurden, wird auf die international gesammelten Erfahrungen bisher in Deutschland nicht vollumfänglich zurückgegriffen. Einzelne für den deutschen Rechtskontext relevante Fragestellungen wurden gleichwohl in einer Reihe von Aufsätzen behandelt. Demgegenüber steht eine zusammenfassende Darstellung einer vollständigen Transaktion hinsichtlich seiner betriebswirtschaft- lichen und rechtlichen Fragestellungen bisher noch aus. Ziel des vorliegenden Buches ist es, einen umfassenderen Überblick über das Themengebiet zu geben. Obgleich eine eindeutige Abgrenzung der Thematik von angrenzenden Feldern nur bedingt möglich ist, besteht der Anspruch darin, alle wesentlichen Phasen der Wertschöpfungskette von NPL Transaktionen zu disku- tieren. Diese Zielsetzung spiegelt sich in der Gliederung des vorliegenden Werkes wieder, die von der Beschreibung des internationalen NPL Marktes, über den operativen Transaktionsprozess, die Bewertung und Refinanzierung, rechtliche Fragestellungen, das Asset Management & Workout bis zu zukünftig erwarteten Trends aufgespannt wird. Das Erkenntnisziel des vorliegenden Bandes liegt nicht in einer neuen öko- nomischen Theorie von NPL Transaktionen. Vielmehr sollen aus der nationalen und internationalen Erfahrung erwachsene Teilvorgehensmodelle und Methoden in ihrer Anwendung vorgestellt und diskutiert werden. Zu diesem Zweck kommen erfahrene Praktiker aus dem Distressed Debt und NPL Portfolio-Bereich zu Wort. Im Vordergrund ihrer Darstellung steht, die für den Transaktionserfolg wesent- lichen Elemente darzustellen und die Auswirkung bestimmter Handlungsweisen
VIII Vorwort auf den Transaktionsprozess aufzuzeigen. Nicht zuletzt sollen deren Einflüsse auf das Risiko/Rendite-Profil der Parteien beschrieben werden. Die folgenden Beiträge decken die wesentlichen Phasen im Lebenszyklus ei- ner NPL Transaktion ab und ergänzen sich insofern. Gleichzeitig werden be- stimmte Kernthemen wie Informationstransparenz, Werttreiber zur Bewertung und Prozessinhalte in mehr als einem einzigen Beitrag diskutiert. Durch die un- terschiedlichen Perspektiven, welche die Autoren besitzen sowie durch verschie- dene Schwerpunktsetzung, Akzente und Schlussfolgerungen erkennt der Leser sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten in der Einschätzung führender NPL Investoren. Die aus der Sicht der jeweiligen Investoren dargestellten Themenbereiche wer- den ergänzt durch Beiträge von für viele Investoren und Verkäufer tätigen Bera- tern der Bereiche Recht, Finanzen, Bewertung und Prozessmanagement. Sie stel- len verstärkt die generellen Kontexte dar, in welchen die Transaktionen ablaufen. Abschließend geben Beiträge von Servicing Gesellschaften Einblick in Aspekte, die der Transaktion im engeren Sinne nachgelagert sind, deren Effektivitätsgrad jedoch gleichzeitig die Fähigkeit der Investoren bestimmt, der Verkäuferin einen attraktiven Portfoliopreis zu bieten: der Bewirtschaftung der erlangten Forde- rungen/Kredite, sowie deren beigeordneten Sicherheiten. Durch den vorliegenden Band hoffen wir, potentiellen neuen Marktteilnehmern den Einstieg in mögliche Transaktionen zu erleichtern sowie interessierten Markt- beobachtern einen erweiterten Einblick in die Themen zu geben, welche die in der Praxis tätigen Distressed Debt/NPL Teams beschäftigen. In jedem Fall aber möchten wir einen Diskussionsbeitrag für eine ergebnisorientierte Weiterentwick- lung von Marktstandards und Best Practices in diesem Bereich leisten. Düsseldorf, Januar 2006 Marco Wiedenhofer
IX Inhaltsverzeichnis Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Teil I: Der Markt für NPL Jochen Wentzler Motivation, Ziele und Treiber für NPL-Transaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Robert Young Jr. The Development of International NPL Markets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Teil II: Der Transaktionsprozess Marco Wiedenhofer Phasen und Module einer effizienten NPL-Transaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Ulrich Kastner/Chris Estaphan/Pierre Lussato Information Requirements for the Sale of Non Performing Loans . . . . . . . . . 53 Christoph Schulz Informationsmanagement im Rahmen der Transaktion aus Investorensicht . . 71 Barbara Kleinjohann Datenraum Due Diligence aus der Perspektive des Investors . . . . . . . . . . . . . 83 Martin Haupt NPL-Due Diligence in der Datenraumphase aus Sicht des Wirtschaftsprüfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Teil III: Rechtliche und Steuerrechtliche Aspekte Oliver Klerx/Dietmar Penzlin NPL – Legal Due Diligence in der Datenraumphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
X Inhaltsverzeichnis Martin Temme Steuerliche Implikationen für die Strukturierung von NPL-Portfolios . . . . . . 131 Jörg Wulfken/Simon Grieser Die vertragsrechtliche Gestaltung von Kreditportfolio-Verkäufen . . . . . . . . . 149 Alexander Glos Die Rolle des Bankgeheimnisses und des Datenschutzes für NPL . . . . . . . . 161 Wilhelm Wolfgarten Aufsichtsrechtliche Rahmenbedingungen von Non Performing Loans . . . . . 175 Teil IV: Bewertung und Verbriefung von NPL Stephan Ohlmeyer Die Bewertung von NPL-Portfolien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Michael Schober Die Analyse von Corporate Loans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 Ulrich Lotz/Gaby Wörner Betriebswirtschaftliche Perspektiven und Problemstellungen in der Verbriefung von NPL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Peter Maser Rechtliche Aspekte bei der Verbriefung von Non Performing Loans (NPL) 235 Teil V: Asset Management von NPL Ulf Bachmann Die Bedeutung des Servicings im Lebenszyklus von Non und Sub Performing Loans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Stefan Aumann/Ludwig Vogel Immobilien als vorrangige Asset Klasse in NPL-Portfolios . . . . . . . . . . . . . . 267 Hauke Hansen Wertsteigerung und Exit-Steuerung im Corporate Asset Management . . . . . 287 Boris Schilmar Exit-Szenarien – Rechtliche Implikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305
Inhaltsverzeichnis XI Teil VI: Ausblick Marco Wiedenhofer Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335
XII
Motivation, Ziele und Treiber für NPL-Transaktionen 1 Teil I: Der Markt für NPL
2 Jochen Wentzler
Motivation, Ziele und Treiber für NPL-Transaktionen 3 Jochen Wentzler* Motivation, Ziele und Treiber für NPL-Transaktionen 1 Einleitung 2 Motivationen 2.1 Motivationen aus Verkäufersicht 2.2 Motivationen aus Käufersicht 3 Zusätzliche Treiber auf dem deutschen NPL-Markt 3.1 Verändertes rechtliches Umfeld 3.2 Optimierung der Key Performance Indikatoren (KPI) 3.3 Spezielles Marktumfeld 4 Ziele von NPL-Transaktionen 5 Fazit * WP StB Jochen Wentzler, Partner im Corporate Finance, Leiter des Bereichs Reorgani- sation Services, Deloitte & Touche GmbH, Düsseldorf.
4 Jochen Wentzler
Motivation, Ziele und Treiber für NPL-Transaktionen 5 1 Einleitung Die Strategie, sich mittels Portfolio-Transaktionen schnell und effizient von not- leidenden Krediten zu trennen, ist für international tätige Banken grundsätzlich nicht neu. So werden derartige Transaktionen schon seit langem zum Beispiel in Nordamerika und Asien durchgeführt. Aber auch in Europa, z. B. Spanien, Italien und der Türkei, haben Käufer und Verkäufer bereits Erfahrungen mit so genann- ten Non Performing Loans-Transaktionen gewinnen können.1 In Deutschland waren bis 2003 nur Einzelverkäufe oder Verkäufe kleinerer Portfolien im Zusammenhang mit klassischen Inkasso-Fällen bzw. so genannten Kellerakten üblich. Dabei standen die dem externen Dienstleister zur Verfügung gestellte Inkasso-Plattform sowie die überwiegend erfolgsabhängige Inkasso-Ge- bühr im Vordergrund. Kaufpreise sind dabei selten gezahlt worden. Seit Mitte der 90er Jahre muss sich nahezu jedes Kreditinstitut in Deutschland mit den schmerzhaften Spätfolgen der Fehleinschätzungen über die wirtschaft- lichen Auswirkungen der Wiedervereinigung sowie der allgemeinen konjunktu- rellen Entwicklung der Wirtschaft beschäftigen. Dies hatte zur Folge, dass die vorfinanzierten Wertsteigerungspotenziale bei Immobilien-Investitionen nicht er- zielt werden konnten, viele Arbeitnehmer aufgrund der Vielzahl von Insolvenzen ihre Arbeitsplätze und das Potenzial verloren, Kredite zurückzuzahlen und dass zahlreiche von den Banken initiierte und finanzierte operative Sanierungen und finanzielle Restrukturierungen oftmals ihr Ziel verfehlten. Damit reduzierten sich insgesamt auch die Instrumente klassischer Workout- Abteilungen2. Die Folge war, dass sich die Banken einerseits nicht erfolgreich und schnell von bestehenden Sanierungs- und Abwicklungskrediten trennen konnten. Andererseits kamen eine zunehmende Anzahl neuer Fälle hinzu. Als Maßnahme zur Reduzierung der hohen Aufmerksamkeit und Überwa- chungsintensität der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und des Einlagensicherungsfonds des Bundesverbands deutscher Banken wurden sei- tens einzelner deutscher Banken verschiedene Konzepte zur professionellen Ab- wicklung der notleidenden Kreditportfolien diskutiert: • Abspaltung des NPL-Portfolios von der so genannten »Good Bank« und Ein- bringung in eine so genannte »Bad Bank«; • Konzerninterne Absicherung der Ausfallrisiken des NPL-Portfolios durch Kre- ditderivate wie den Credit Default Swap,3 einer im Konzern bonitätsmäßig einwandfreien Schwester- oder Mutterbank. 1 Für eine detailliertere Diskussion der internationalen NPL Märkte siehe den Beitrag von Young in diesem Band. 2 Der Begriff Workout umfasst in diesem Kontext sowohl die Restrukturierung von not- leidenden Krediten sowie deren rechtliche Abwicklung über Zwangsvollstreckungsab- teilungen, wobei derartige Bereiche innerhalb der deutschen Banken unterschiedliche Namen aufweisen und teilweise gleichfalls für die Sanierung der Kreditnehmer zu- ständig sind. 3 Mit Credit Default Swaps können unter den Voraussetzungen des Rundschreibens
6 Jochen Wentzler Ziel dieser Konzepte war es, die die Performance der Bank negativ beeinflus- senden Geschäftseinheiten in einer separaten Einheit zu bündeln, mit einer ad- äquaten Risikoabschirmung zu versehen und professionell auf Basis von spezi- fischen Business Plänen je Teil-Portfolio oder sogar Einzelkredit abzuwickeln. Da aber nicht sämtliche Banken eine entsprechende konzerninterne Rücken- deckung oder ein ausreichendes Eigenkapital zur Abfederung des außerordent- lichen Abschreibungsbedarfs zur Verfügung standen, war eine Rettung kaum noch möglich. Dies führte zum einen zur Insolvenz der Gontard & MetallBank AG, Frankfurt am Main. Zum anderen konnte die Insolvenz der SchmidtBank AG, Hof, und dem Bankhaus Delbrück & Co, Köln, letztlich nur durch die Nutzung einer Auffanglösung des Bundesverbands deutscher Banken, der Delmora Bank, Hof, vermieden werden. Von der Öffentlichkeit weitestgehend unbemerkt, hat die Bankaktiengesell- schaft (BAG) Hamm innerhalb des deutschen Genossenschaftssektors seit Jahren die Funktion der Bad Bank übernommen. Ihr werden seitdem unter bestimmten Voraussetzungen notleidende Kreditportfolien anderer Genossenschaftsbanken zur weiteren Abwicklung übertragen. Einen institutionalisierten Markt für den Verkauf größerer notleidender Kredit- portfolien gab es bis 2003 jedoch nicht. 2 Motivationen Seit 2003 ist der Verkauf notleidender Kreditportfolien gesellschaftsfähig gewor- den. Nahezu jede große Privatbank, insbesondere Hypothekenbanken, aber auch Landesbanken sowie große Sparkassen und Volksbanken beschäftigen sich derzeit mit den Rahmenbedingungen von NPL-Transaktionen oder haben diese bereits durchgeführt: Datum Verkäufer Käufer Volumen Kommentar in Mio. Euro 2003 Deka Bank Deutsche Bank 110 2003 L-Bank Goldman Sachs/ 100 Fortress 2003–2004 Dresdner Bank diverse 350 15 Nicht-Kerngeschäft & IRU NPL 10/1999 des BAKred (heute BaFin) die Kreditausfallrisiken von einem auf den anderen Geschäftspartner gegen Zahlung einer Prämie übertragen werden.
Motivation, Ziele und Treiber für NPL-Transaktionen 7 Datum Verkäufer Käufer Volumen Kommentar in Mio. Euro 2003–2004 Dresdner Bank diverse 861 IRU 2003 ING-BHF Bank Lone Star 300 2003/05 Dresdner Bank Deutsche Bank 511 US- und europäische Kredite IRU 2003/08 Gontard & Lone Star 225 390 primär Metallbank Unternehmenskredite 2003/09 Dresdner Bank Diverse 125 Asiatische Kredite IRU 2003/11 Hypo Real Lone Star, J.P. 490 Auktion von 1.350 Krediten; Estate I Morgan 960 Objekte 2003/11 BW Bank Goldman Sachs n.a. 2003/11 Dresdner Bank Diverse Käufer 1900 Nordamerikakredite IRU 2004 ING-BHF Bank Goldman Sachs 175 2004/05 Dresdner Bank n/a 350 britische Kredite IRU 2004/06 Dresdner Bank n/a 142 21 kontinentaleuropäische IRU Kredite 2004/06 ING-BHF Bank J.P. Morgan 270 NPL und SPL 2004/06 Niederschlesische Lone Star & JP 95 431 Engagements Sparkasse Görlitz Morgan 2004/07 Niedersächsische ABIT, GFKL 10–20 Sparkasse 2004/08 Deka Bank Lone Star, J.P. ca. 70 Etwa 60 Kredite mit Morgan 40 Objekten 2004/09 Hypo Real Estate Lone Star 3600 4.200 Kredite mit 1.700 Schuldnern 2004/10 Hypo Real Estate Citigroup, 394 800 Kredite von 380 Morgan Stanley Schuldnern/ca. 50 % Unternehmenskredite und 45 % Immobilienfinanzierung 2004/10 Dresdner Bank Lone Star 1200 Primär deutsche NPL; IRU 1.650 Engagements – Unternehmen und Immobilienfinanzierung
8 Jochen Wentzler Datum Verkäufer Käufer Volumen Kommentar in Mio. Euro 2004/11 Eurohypo JV OPUS 1with 2400 14.000 Private Citigroup, GMAC Immobilienfinanzierungen 2005/02 Commerzbank Goldman Sachs 350 2005/02 BDB/Resba/ Goldman Sachs, 2200 Verkauf einer vollständigen Delmora Cerberus Bank 2005/04 Münchner Lehman Brothers 151 Immobilienbesicherte Kredite Hypothekenbank 2005/05 NordLB/WestLB Shinsei Bank/JC 400 Aufbau eines Joint Ventures Flowers 2005/06 Bayrische LB Cerberus 400 Diverse Branchen 2005/06 Project Alpha Lone Star n.a. Immobilienbesicherte Kredite 2005/06 Aareal Bank Lone Star 690 Immobilienbesicherte Kredite 2005/06 DZ Bank JP Morgan 580 Immobilienbesicherte Kredite 2005/06 Dresdner Bank Lone Star/Merrill 1400 n.a. Lynch 2005/07 Wüstenrot Citigroup/Gmac 120 85 gekündigte Realkredite an 45 Schuldner 2005/09 n.n. GFKL n.a. Konsumentenkredite 2005/10 AHBR Merrill Lynch 129 2005/11 Projekt Saturn CSFB 270 Kleine Realkredite an 2.100 Kreditnehmereinheiten 2005/11 HVB Group Goldman Sachs 1800 3.000 Realkredite 2005/12 DG Hyp CSFB 300 2005/12 Aachener und Lehman 1000 34 Kreditnehmereinheiten Münchner Brothers, mit primär immobilien- Versicherungen Goldman Sachs besicherten SPL and NPL 2005/2006 Eurohypo Joint Venture ca. 1400 n.a. Opus 1 mit Citigroup GMAC 2006/01 Aareal Bank Shinsei Bank/JC 385 Kleinteilige Realkredite Flowers Abb. 1: Auflistung bekannter NPL/SPL Transaktionen in Deutschland4 4 Deloitte Research.
Motivation, Ziele und Treiber für NPL-Transaktionen 9 Wenngleich die Mehrzahl der Fälle notleidende Hypothekenkredite oder durch Grundschulden abgesicherte Privat- und Firmenkundenkredite betreffen, so sind zunehmend auch andere Asset-Klassen sowie Sub Performing und Performing Loans Gegenstand dieser Transaktionen. Diese Entwicklung wurde dabei durch teilweise sehr unterschiedliche Moti- vationen unterstützt: 2.1 Motivationen aus Verkäufersicht Insgesamt lassen sich die Motivationen aus Verkäufersicht wie folgt zusammen- fassen: 5 Externe Motivationsfaktoren Interne Motivationsfaktoren • Historischer Margendruck aufgrund • Interner Margendruck durch starke von Staatsgarantien für Sparkassen und Filialisierung in Deutschland (50.000 Filialen) Landesbanken • Steigende Servicekosten durch MaK • Konjunktureller Abschwung/z. B. in Ostdeutschland • Zunehmender Druck auf interne Teams für Problemkreditbetreuung • Zunehmender Leistungsdruck durch internationalen Wettbewerb • Starkes Abweichen vom Kerngeschäft • Wegfall der Staatsgarantien für Sparkassen • Reduktion der bankinternen Haltekosten der und Landesbanken NPL erforderlich • Steigende Kapitalkosten für Problemkredite aufgrund von Basel II • Fortlaufende Anfragen ausländischer Fonds bei potentiellen Verkäufern Abb. 2: Motivationen aus Verkäufersicht Vor dem Hintergrund dieser Reihe von den Verkauf von Problemkrediten an- geraten erscheinenden Faktoren lassen sich die Meilensteine und die positiven Implikationen der stattfindenden Transaktionen deutlich erkennen: 5 Vgl. Aktuelle Fragen des Bank- und Kapitalmarktrechts I:, Nr. 54, Hochschule für Bankwirtschaft, Juni 2004, S. 10ff.
10 Jochen Wentzler 2.1.1 Effizienter Asset Deal im Rahmen eines Insolvenzverfahrens Den Startschuss für NPL-Transaktionen hat zweifelsohne die Insolvenz der Gon- tard & MetallBank verursacht. Da es dem Insolvenzverwalter der Bank zunächst nicht gelang, die Gläubiger durch den Einzelverkauf der Forderungen in ange- messener Zeit zu befriedigen, entschied er sich in Anlehnung an Erfahrungen in anderen Jurisdiktionen für die Durchführung eines strukturierten Portfolio- verkaufs und lockte damit die ersten, auf derartige Transaktionen spezialisierte Investoren auf den deutschen Markt. Wenngleich die Durchführung einer NPL-Transaktion im Rahmen eines Insol- venzverfahrens vergleichsweise einfach zu sein erscheint6, so war doch die Idee selbst, die relativ einfach strukturierte Umsetzung und der Start der rechtlichen Diskussion zwischen den Fachleuten7 für den deutschen Markt bahnbrechend. 2.1.2 Konzentration auf das Kerngeschäft In engem zeitlichem Zusammenhang zur Insolvenz der Gontard & MetallBank AG stand auch die öffentliche Bekanntgabe der Dresdner Bank AG, Frankfurt am Main, sich aufgrund erheblicher Ertragseinbußen einem Ergebnisverbesse- rungsprogramm zu unterziehen. Bestandteil dieses Programms war u. a. auch die Gründung einer speziellen Geschäftseinheit, der Institutional Restructuring Unit (IRU), mit einem Geschäftsvolumen von rd. EUR 35 Mrd., die sich ausschließlich mit dem Verkauf der notleidenden Kredite und der nicht zum neu definierten Kerngeschäft der Bank zählenden Aktivitäten im In- und Ausland beschäftigen sollte. 2.1.3 Rettung des Finanzplatzes Deutschland Wie auch in anderen Ländern (USA, Japan, Südkorea und Taiwan) führte auch die vom Bundesverband deutscher Banken institutionalisierte Betreuung von an- geschlagenen Kreditinstituten mittels der Delmora Bank zu einer Belebung des NPL-Marktes in Deutschland, wobei zu beachten ist, dass diese Auffanglösung nicht wie in anderen Fällen staatlich initiiert oder reglementiert wurde. In diesem Fall wurde die Auffanglösung selbst, die Delmora Bank, Gegenstand einer NPL-Transaktion. Diese Transaktion stellte mit rd. 14.300 Krediten nicht nur eine zahlenmäßig sehr große Transaktion dar. Sie war gleichzeitig der erste 6 Die Gläubigerversammlung ist als Entscheidungsträger vergleichsweise leicht zu über- zeugen, da die Öffentlichkeitswirkung und die Auswirkungen auf die Ergebnisrech- nung bzw. das Eigenkapital im Vergleich zu Going-Concern-Strukturen von geringerer Bedeutung sind. 7 Die Diskussion in der Literatur, aber auch vor Gericht, umfasste insbesondere die Aus- wirkungen derartiger Transaktionen auf das Bankgeheimnis und den Datenschutz.
Motivation, Ziele und Treiber für NPL-Transaktionen 11 Verkauf einer so genannten Bad Bank mit bedingter Banklizenz und einem sehr heterogenen Kreditportfolio. 2.1.4 Optimale Allokation von Workout Kapazitäten Die zunehmende Anzahl von Verbraucher- und Unternehmensinsolvenzen sowie die ebenfalls stark gestiegene Anzahl komplexer Sanierungsfälle hat bei vielen Banken die bestehenden und teilweise bereits hohen Sanierungs- und Workout- Kapazitäten übertroffen und überfordert. So konnten Erfolg versprechende Re- strukturierungen nicht mehr mit der gebotenen Intensität betreut und zeitkritische Vollstreckungs- und Inkasso-Maßnahmen nicht optimal vollzogen werden. Daneben ließen interne Szenario-Rechnungen auf Basis von Opportunitätskos- ten teilweise erkennen, dass ein Verkauf von Kreditportfolien mit Buchwertab- schlägen nicht unattraktiver sein muss als zeitintensive Inhouse-Abwicklungen, für die Investitionen in standardisierte, IT-unterstützte, Call Center-basierte und mit Prämien-Anreizen versehene Inkasso-Prozesse unerlässlich sind. 2.2 Motivationen aus Käufersicht Aus dem Blickwinkel eines Käufers sind die erzielbare Rendite – nach Berück- sichtigung von Markteintrittskosten – und das zugrunde liegende Marktvolumen ein wesentliches Entscheidungskriterium, um sich in einen neuen Markt zu be- geben. Ausgehend von dem Grundsatz, dass der Zinssatz bzw. die Rendite ein geeig- netes Mittel zur Allokation des knappen Gutes Kapital ist, scheint der deutsche NPL-Markt derzeit oder für die nähere Zukunft eine ausreichende Attraktivität für das internationale Kapital aufzuweisen. Als große Volkswirtschaft, die sich seit Jahren in einem rezessiven Marktum- feld bewegt, werden Deutschland seitens der Analysten attraktive, zukünftige Turnaround Chancen zugesprochen. Diese Trends und Erwartungen resultieren in den entsprechenden Opportunitäten, die wiederum entsprechende Investoren anziehen. Wenngleich weder eine einheitliche Definition der »Non Performing Loans« noch ein objektivierter Wert des Volumens von NPL vorliegt, so weisen die Schät- zungen über das Marktvolumen in Deutschland von mindestens EUR 150 Mrd. auf eine entsprechende Attraktivität hin. Aber was ist ein potenzieller Markt ohne Marktteilnehmer, die auf den Markteintritt ausreichend vorbereitet sind? In Deutschland kann man die er- folgreich durchgeführten Transaktionen der Gontard & MetallBank und der IRU als wesentliche Entry Transaktionen der internationalen Investoren bezeichnen, sich nach den USA, Japan, Südkorea und Taiwan seit 2003 auch dem deutschen Markt zuzuwenden.
12 Jochen Wentzler 3 Zusätzliche Treiber auf dem deutschen NPL-Markt Die oben beschriebenen Motivatoren wurden darüber hinaus noch durch wesent- liche zusätzliche Antriebsfaktoren verstärkt. Dies führte dazu, dass sich neben dem Primärmarkt bereits auch ein Sekundärmarkt etabliert hat. Hierbei werden die von den Primärinvestoren direkt erworbenen Portfolien aufgeteilt und an andere Investoren weiterverkauft. Eine entsprechende Sondierung möglicher Se- kundärinvestoren erfolgt größtenteils bereits im Verlaufe der Transaktion seitens der durch den Verkäufer eingeladenen Investoren. 3.1 Verändertes rechtliches Umfeld Ein wesentlicher Beschleunigungseffekt für den NPL-Markt in Deutschland er- gibt sich aus den zahlreichen zukünftigen rechtlichen Änderungen, die teilweise einen negativen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Banken besitzen können, wenn diese sich nicht rechtzeitig auf die veränderten Rahmen- bedingungen einstellen und vorbereiten. Hierzu zählt u. a. auch die Optimierung der Struktur der Kreditportfolien, die durch die folgenden externen Parameter beeinflusst werden: 3.1.1 Wegfall der Gewährträgerhaftung Der Wegfall der Gewährträgerhaftung entkoppelt das Rating der Landesbanken und Sparkassen von dem Top-Rating der öffentlichen Körperschaften und kon- frontiert die Landesbanken und Sparkassen mit höheren Refinanzierungskosten und geringeren Margen bzw. einem höheren risikoadjustierten Zinssatz, der teil- weise im Widerspruch zu kommunal- oder landespolitisch begründeten Strategien stehen kann. Vor diesem Hintergrund sind auch die Transaktion der Niederschlesischen Sparkasse in Görlitz in 2004 sowie das in 2005 zwischen der WestLB, der NordLB und der Shinsei Bank etablierte Joint Venture8 zu sehen. Letzteres soll gemäß der Planung der beteiligten Parteien eine Abwicklungsplattform für NPL-Trans- aktionen bereitstellen, deren Adressaten insbesondere für Konzerngesellschaften und Sparkassen sein sollen. 8 Weitere mit Joint Ventures verfolgte Ziele werden in dem Beitrag von Wulfken im gleichen Band diskutiert.
Motivation, Ziele und Treiber für NPL-Transaktionen 13 3.1.2 Einführung des Basel II Akkords Mit Einführung der Vorschriften des zweiten Baseler Akkords (Basel II) in 2007 wird die Unterlegung des Ausfallrisikos im Kreditgeschäft durch regulatorisches Eigenkapital nicht mehr pauschal, sondern in Abhängigkeit der spezifischen Ausfallrisiken der einzelnen Risikoaktiva erfolgen. Danach sind die mit einem niedrigeren Rating versehenen Kredite wie Sub und Non Performing Loans mit einem höheren regulatorischen Eigenkapital zu unterlegen.9 Damit haben die Banken insgesamt einen signifikanten Anreiz, sich schnell von diesen Krediten zu trennen, um bei gleich bleibendem regulatorischen Eigenkapital das Neuge- schäft nicht zu blockieren. 3.1.3 Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft (MaK) Die Einführung der MaK hat sich nach Einschätzung vieler Marktteilnehmer ebenfalls verstärkend auf die Bereitschaft, neue Workout-Strategien wie Outsour- cing und Portfolio-Verkäufe zu nutzen, ausgewirkt. Demnach werden die forma- len Rahmenbedingungen für Sanierungs- und Abwicklungstätigkeiten signifikant strenger gehandhabt. Gleichzeitig wurde die Aufbereitung und die Auswertung historischer Daten – ein wesentlicher Bestandteil von NPL-Transaktionen – be- schleunigt, so dass das Argument, derartige Transaktionen erforderten einen zu hohen Datenerhebungsaufwand, an Bedeutung verliert. 3.1.4 International Financial Reporting Standards (IFRS) Vergleicht man die Bewertungsgrundsätze des deutschen HGB mit den Rege- lungen der IAS, so werden wesentliche Unterschiede insbesondere beim so ge- nannten »Fair Value« offensichtlich. So haben deutsche Banken in der Vergangenheit häufig die zukünftigen Chan- cen bei der Stichtagsbewertung herangezogen, um damit spezielle Einzelwertbe- richtigungs-Strategien, so genannte Hockey-Stick-Strategien, zu begründen10. Mit der Einführung der IFRS für Banken in 2006/2007 werden die strengeren Fair Value-Regeln anzuwenden sein, so dass die Durchführung von NPL-Trans- aktionen derzeit zwar zu außerordentlichen Bewertungsabschlägen und Buch- verlusten führen können, diese aber auch bei erstmaliger Anwendung der IFRS wahrscheinlich nicht zu vermeiden sind. 9 Für eine detailliertere Darstellung vgl. insbesondere den Beitrag von Wolfgarten in diesem Band. 10 Diese Strategien basieren auf der Annahme, dass aktuell der Tiefpunkt der Wertent- wicklung erreicht worden ist und dass in nächster Zukunft mit einer Belebung auf dem Markt zu rechnen ist, so dass die Wertenwicklung der jeweiligen Bewertungsobjekte der Form eines Hockey-Schlägers entspricht.
14 Jochen Wentzler 3.2 Optimierung der Key Performance Indikatoren (KPI) Die Bewertung einer Bank hängt neben der Bilanzsumme bzw. dem Geschäftsvo- lumen11 insbesondere von deren Profitabilität und Marktkapitalisierung ab. Letz- tere ist wiederum abhängig von den Zukunftsaussichten und der prognostizierten Profitabilität der Geschäftstätigkeit. Die Profitabilität einer Bank wird dabei neben dem Betriebsergebnis im Wesentlichen von der Risikovorsorge bestimmt. Die Risikovorsorge stellt einen signifikanten Hebel bezogen auf das Betriebs- ergebnis dar. So kann z. B. ein Risikoaufwand von EUR 10.000 bei einer Brutto- Zinsmarge von rd. 25 Basispunkten nur durch ein risikoloses Neugeschäftsvolu- men von rd. EUR 4,0 Mio. kompensiert werden. Umgekehrt kann die Auflösung einer Risikovorsorge von EUR 10.000 ein Neugeschäft von rd. EUR 4,0 Mio. kompensieren. Insgesamt wird die Bereinigung des NPL-Portfolios zwar zu einem einmaligen negativen Restrukturierungseffekt führen, die zukünftigen KPI können jedoch signifikant positiv beeinflusst werden. Ein Beispiel für diesen Effekt lässt sich in Deutschland z. B. am Börsenkurs der Hypo Real Estate AG, München (HRE), ablesen. Okt Mär Mai Apr Aug Nov Dez Feb Jul Jun Sep Jan 45,5 42,5 40,5 37,5 35,5 32,5 30,5 Abb. 3: Entwicklung des Börsenkurses der Hypo Real Estate (Quelle: Comdirect) 11 Das Geschäftsvolumen einer Bank definiert sich als Bilanzsumme zuzüglich außerbi- lanzielle Geschäfte wie Derivate.
Motivation, Ziele und Treiber für NPL-Transaktionen 15 Wird auf Erfahrungen in anderen Jurisdiktionen zurückgegriffen, lassen sich klare Relationen zwischen dem Ergebnis je Aktie und dem Anteil des NPL- Portfolios am Gesamtkreditportfolio ableiten. Dieses sei im Folgenden an einer Marktbeobachtung für den NPL Markt in Taiwan aufgezeigt: 2 Chinatrust Com. Bank Taipei Bank Tai Shin Int’l Bank SinoPac Bank MB Bank - Taipei 0 C.D.I.B. Cathay United Bank CSMB Fubon Bank Ergebnis pro Aktie The Chinese Bank Bank of Kaohsiung Taiwan Business Bank -2 Union Bank BOOC E. Sun C Bank -4 Hsin Chu Bank MB Bank - Taichuang Far Eastern Int’l Bank MB Bank - Tainan -6 -8 First Commercial Bank -10 Hua Nan Bank Changhwa Bank 0 2 4 6 8 10 12 14 NPL Portfolioanteil Farmers Bank Abb. 4: Entwicklung des Ergebnisses je Aktie am Beispiel Taiwan12 3.3 Spezielles Marktumfeld Sicherlich hatte auch das spezielle deutsche Marktumfeld einen positiven Einfluss auf die schnelle Etablierung von NPL-Transaktionen in Deutschland. Dennoch ist zu beobachten, dass mit fortschreitender Marktreife Usancen etabliert und ursprünglich existierende First Mover Advantages verschwinden. 3.3.1 Verkäufermarkt Die hohe Anzahl überwiegend internationaler Investoren führte bislang zu einer hohen Wettbewerbsintensität zwischen den Käufern und demzufolge zu teil- weise hohen Markteintrittspreisen. Mit einer zunehmenden Anzahl erfolgreich abgeschlossener Transaktionen konnte sich jedoch teilweise ein Sättigungseffekt einstellen, mit der Folge, dass erfahrene und erfolgreiche Investoren primär an strukturierten Auktionsverfahren mit attraktiven Portfolien und professionell ge- stalteten Transaktionsprozessen partizipieren. 12 Deloitte Research.
16 Jochen Wentzler 3.3.2 Etablierte Strukturen Es entwickeln sich zunehmend standardisierte Strukturen in Bezug auf Datenauf- bereitung, Prozessablauf und Vertragsdokumentation, wobei die Aufbereitung der Daten in den so genannten »Data Tapes«, in denen die wesentlichen Daten13 der zu verkaufenden Kredite enthalten sind, teilweise nach wie vor hohe Defizite in ihrer Struktur und ihrem Inhalt aufweisen. Die Folge der resultierenden Transpa- renzeinbußen sind häufig unnötige Kaufpreisabschläge durch die teilnehmenden Investoren. 3.3.3 Unterstützung durch öffentliche Stellen Bislang hat sich das BaFin mit regulatorischen Richtlinien bezüglich NPL-Trans- aktionen zurückgehalten. Das kann womöglich auch darauf zurückzuführen sein, dass derartige Transaktionen auch eine Reaktion auf konsequent durchgeführte Sonderprüfungen des BaFin gemäß § 44 KWG ist und die Aufsichtsbehörde die teilweise von ihr indirekt initiierte Strategie wohlwollend begleitet. Erfahrungen mit anderen innovativen Instrumenten wie den Kredit-Derivaten zeigen aber, dass diese zurückhaltende Regulierung davon abhängt, dass bei der Durchführung von NPL-Transaktionen Strukturen gewählt werden, die zu einem unmittelbaren und uneingeschränkten Risiko-Transfer (True Sale) führen. Allerdings erfordert das Fehlen von steuerlichen und handelsrechtlichen An- reizen sowie von regulatorischen Vorgaben eine wesentlich höhere Penetration der potenziellen Marktteilnehmer durch die Investoren, um den weitestgehend freiwilligen Eintritt der deutschen Kreditinstitute in den NPL-Markt zu unterstüt- zen und ein nunmehr erreichtes Momentum erreicht zu haben. Insofern ist die im Vergleich zu anderen Märkten fehlende staatliche Intervention teilweise auch ein Hemmschuh für den deutschen NPL-Markt. 3.3.4 Intensive Vermarktung Die in der Vergangenheit in Deutschland zahlreich durchgeführten Konferenzen und Tagungen zum Thema »NPL in Deutschland« haben nicht nur Käufer und Verkäufer näher zusammenrücken lassen. Sie haben das Thema auch mit posi- tiven Assoziationen in den deutschen Markt getragen, Anlass zu konstruktiven Diskussionen gegeben und den Verkauf von NPL-Portfolien nicht als letzte Chan- ce einer krisenbehafteten Struktur, sondern als professionelle Workout-Strategie etabliert. 13 Zu den Bestandteilen des Data Tapes vgl. insbesondere den Beitrag von Estaphan/ Kastner/Lussato sowie zu technischen Aspekten den Beitrag von Schulz in diesem Band.
Motivation, Ziele und Treiber für NPL-Transaktionen 17 4 Ziele von NPL-Transaktionen Neben den bestehenden Motivationen und Antriebsfaktoren sollten mittels der NPL-Transaktionen auch quantitative und qualitative Ziele mit einer relativ hohen Wahrscheinlichkeit erreicht werden können. Grundsätzlich kann die Wahrscheinlichkeit, dass bestimmte Ziele erreicht wer- den können, nur in Abhängigkeit von spezifischen Rahmenbedingungen wie Ho- mogenität und Granularität des Portfolios, Wertberichtigungsquote, vorhandenen Entwicklungspotenzialen u.v.m. beurteilt werden. Die potenziellen Ziele, die mit NPL-Transaktionen erreicht werden können, seien nachfolgend kurz beleuchtet. Eine Vollständigkeit kann dabei gleichwohl nicht beansprucht werden. In einer quantitativen Perspektive werden dabei insbesondere direkt positive Effekte auf die mittelfristige Performance des verkaufenden Instituts verfolgt. So stellt die strukturelle Bereinigung von Kreditportfolios quasi den Oberbegriff über die beabsichtigte verbesserte Allokation von regulatorischem Eigenkapital und der damit einhergehende Verbesserung zukünftiger Ergebnisstrukturen da. Neben der resultierenden Generierung von Liquidität aus dem Abverkauf der Vermögenspositionen des Portfolios stellt die Optimierung der Kostenstrukturen der jeweiligen Workout-Bereiche eine häufig verfolgte Zielsetzung dar. Eine »Mit- übertragung« der mit der Abarbeitung der Kredite beschäftigten Mitarbeiter kann dabei ein mögliches Szenario darstellen. In qualitativer Hinsicht und sicherlich nicht vollständig überschneidungsfrei hinsichtlich der Verfolgung unmittelbar quantitativ wirksamer Ziele lassen sich weitere Ziele von NPL-Transaktionen anführen. Dieses betrifft insbesondere die Erweiterung möglicher Optionen des Workout-Bereichs des Kreditinstituts. Durch die Auseinandersetzung mit der marktorientierten Bewertung resultiert dabei ne- ben einer Objektivierung der Bewertung von NPL nicht selten die Implementie- rung einer Profit Center-Strategie im Workout-Bereich, oder doch zumindest die Öffnung der internen Kultur in dieser Hinsicht. Last but not least führen einige Veräußerer einen positiven Nebeneffekt durch die Erhöhung des Druckpotenzials auf leistungsgestörte Kreditengagements an. Bezogen auf die deutsche Bankenlandschaft sind NPL-Transaktionen grund- sätzlich dazu geeignet, die Marktkapitalisierung der Banken zu erhöhen, die At- traktivität für Übernahmen zu reduzieren und die Einführung Risiko adjustierter Zinssätze zu forcieren.
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