OELE 4 STEINHAUSEN - AMREINHERZIG ARCHITEKTEN GMBH

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Oele 4
Steinhausen

              Architektur+Technik 1-2/21
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                                                              Dossier
                                                              Wohnungsbau

Drei exemplarische
Holzbauten
überzeugen
durch vermittelnde
Freiräume und
unterschiedliche
Raumschichten,
die differenzierte
Aus- und Durch­
blicke ermöglichen.

                                          Dreifach kompakt
                        Von Lukas Bonauer (Text) und Reinhard Zimmermann (Bilder)   ein gewisses Scharnier innerhalb einer dispers vor-
                        Die im Kanton Zug verortete Gemeinde Steinhausen            handenen, das Planungsgebiet umgebenden Sied-
                        war – wie viele andere Schweizer Ortschaften – zu Be-       lungskörnung. Inspirierend und deshalb entwurfs-
                          ginn ihrer Entstehung eine Bauernsiedlung. In den         prägend war insbesondere der parkähnliche,
Die relativ tiefen
Gebäudekörper
                         letzten 40 Jahren ersetzten weitgehend gesichtslose        baumbestückte Aussenraum des Bauernhofs, ob-
verlangen nach aus­     Neubauten jene um die zentrale Ortskreuzung histo-          schon es für mehrgeschossige Holzbauten – insbe-
reichend Glasanteil,    risch gewachsenen Substanzen. Zu den wenigen be-            sondere auch hinsichtlich architektonischen Aus-
um die Fernsicht          stehenden Relikten, die noch von dieser Vergangen-        drucks – noch wenige gebaute Referenzen gibt. Der
auf die Berge einzu­     heit erzählen, gehört das herrschaftliche Gehöft der       planerische Wille war dementsprechend gross. Für
fangen und die          Familie Zürcher. Auf ihrem Grossgrundstück lässt            Architekt Thomas Baggenstos eine Selbstverständ-
Räume zu belichten.       die Familie in mehreren Etappen neue Wohnbauten           lichkeit: «Jedes Projekt erfordert kontinuierliche
                          entstehen. Erforderlich war eine städtebauliche           und harte Arbeit, damit die spezifische Lösung auf al-
Die drei Holzbauten
bilden ein gewisses
                         Gesamtkonzeption, die sowohl die altbäuerliche
                         ­                                                          len Ebenen – städtebaulich sowie architektonisch
Scharnier innerhalb      Substanz berücksichtigt als auch klug mit den              und konstruktiv – überzeugt.»
einer dispers vorhan­   Aussen­räumen umzugehen weiss. Der Umstand, dass
denen, das Planungs­      die Bauherrschaft selbst die benachbarte Parzelle         Erleb- und erfahrbar
gebiet umgebenden        ­bewohnt, hat Typologie, Orientierung und Aussen-          Die dreibündigen, siebengeschossigen Holzbauten
Siedlungskörnung.        raumnutzung der ersten Etappe – der Bebauung               stützen sich dabei auf ein konzeptionell einfaches,
                        «Oele 4» – geprägt, die sich auf drei punktförmige          robustes Hybridgerüst und entwickeln daraus ihre
Die Umgebung ist
                        ­Gebäude konzentriert. Dafür hat die Architekten­           Grundrisse. Diese folgen stark den konstruktions­
ein Mix aus Verdich­
tung und Freiräumen,
                          gemeinschaft Röck Baggenstos Architekten AG / Am-         typischen Anforderungen des Holzbaus. Die Holz­
die mit den drei         reinHerzig Architekten GmbH die drei möglichen             betonverbunddecken verhindern eine horizontale
Siedlungskörpern         Gebäudekörper als reine, kompakte Holzbauten ent-          Leitungsführung. Kerne, um die sich Nebenräume
subtil korreliert.      worfen. Rurale Erscheinung und intelligente Setzung         und Erschliessungsflächen gruppieren, kompensie-
                          der Volumina vermitteln mit der gebauten Umge-            ren das und gliedern den Grundriss. Herunterge-
                         bung sowohl optisch als auch über maximal entste-          hängte Decken definieren diese Bereiche zusätzlich,
                         hende Freiräume mit den unterschiedlichen angren-          während sich Wohn- und Schlafzimmer mit sichtba-
                          zenden Arealen. Damit bilden die drei Holzbauten          ren Brettstapeldecken räumlich anders entfalten.

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                                                              Wohnungsbau

Durchgehende Bänder     Aufgrund ihrer leichten Überhöhe machen sie somit        räumen. Die aussen sichtbaren Fronten sind relativ
verstärken die konse­   den konstruktiven Holzbau erleb- und erfahrbar.          schmal, und die Baukörper wirken trotz ihrer Dimen-
quent vertikale Glie­   Dem Wunsch der Bauherrschaft, die Bäder aussen           sion elegant und schlank. Durchgehende Bänder ver-
derung der Fassade.
                        liegend anzuordnen, wirken die Kniffe mit dem Bad        stärken die konsequent vertikale Gliederung der Fas-
                        en Suite (ein Bad, das direkt an ein Schlafzimmer an-    sade und betonen die präzise Setzung der Baukörper.
Die aussen sicht­
baren Fronten sind      grenzt) und zwei in einer Schicht zusammengefass-        Diese sind auf der einen Seite aus Glas und Alumi-
relativ schmal, und     ten Nasszellen entgegen. An den Gebäudeecken ver-        nium, offen und nicht tragend, auf der anderen Seite
die Baukörper wirken    orten sich jeweils die Loggien der Wohnungen, um         durchgehend mit Holz verkleidet, geschlossen und
trotz ihrer Dimension   die sich die Wohn- und Essräume anordnen.                tragend. Diese Holzbänder, die rund ums Gebäude
elegant und schlank.        Die insgesamt 57 Wohnungen und die beiden Stu-       gleich dimensioniert sind, bilden die Tragstruktur ab.
                        dios verfügen über familienfreundliche Raumland-         Das Spiel mit den unterschiedlichen Brettbreiten
                        schaften und insbesondere altersgerechte Layouts,        führt von Nahem zu einer weiteren Wahrnehmungs-
                        die sich bei allfälligen Bewegungseinschränkungen        ebene, auf der Bezüge zur Rindenstruktur der umlie-
                        strukturell anpassen lassen. Die relativ tiefen Gebäu-   genden Bäume erkennbar werden.
                        dekörper verlangen nach ausreichend Glasanteil, um          Die Gebäude, deren Grundstücksposition von der
                        die Fernsicht auf die Berge einzufangen und die          Bauherrschaft vorgegeben war, sind so gesetzt, dass
                        Räume zu belichten. Das Verschieben der einzelnen        sie den Strassenraum deutlich definieren und zu-
                        Grundrisse zueinander führt zu einem gut proportio-      gleich – frontal betrachtet – grosse Freiräume offen
                        nierten Baukörper wie auch zu mehr Fassadenfläche –      lassen. Diese wirken als offene Zwischenräume und
                        und das wiederum zu mehr direkt belichteten Innen-       Blickkorridore und erzeugen weniger Druck auf das

Der Basler Künstler
Andreas Schneider
hat mit Bildern
den Steinhauser
Wald im weiteren
Kontext verortet.

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Altersgerechte
                             Layouts lassen
                             sich bei allfälligen
                             Bewegungsein­
                             schränkungen struk­
                             turell anpassen.

                             Die insgesamt
                             57 Wohnungen und
                             die beiden Stu­
                             dios verfügen über
                             familienfreundliche
                             Raumlandschaften.

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                                                                   Wohnungsbau

Bautafel
Objekt Wohnüberbauung Oele                          AmreinHerzig Architekten GmbH
Standort Steinhausen                                Bauingenieur CES Bauingenieur AG Wey + Kälin

Fertigstellung 2020                                 Holzbauingenieur Holzbaubüro Reusser GmbH

Geschossfläche SIA 416 11 094 m2                    Elektroplanung Scherler AG

Gebäude-Volumen SIA 416 35 245 m3                   HLKS-Planung Olos AG

Grundeigentümerin Margrit Zürcher                   QS Brandschutz Holzbaubüro Reusser GmbH

Bauherrschaft, Realisation, Vermietung Konsortium   Fassadenplanung Metallplan Küssnacht AG
Familie Zürcher c/o Oele Immobilien AG,             Bauphysik Martinelli + Menti AG
Steinhausen                                         Landschaftsarchitektur Balliana Schubert,

Architektur Arge Röck Baggenstos Architekten AG I   Landschaftsarchitekten AG

                                                                Ortschaft Steinhausen

                                                                Steinhausen gehörte früher zur           mussten aber bereits drei Jahre später
                                                                Gemeinde Baar. Erst mit der Pest         mit der Planung eines neuen Primar­
                                                                Anfang des 17. Jahrhunderts und dem      schulhauses beginnen, das wiederum
                                                                Wunsch, die Toten nicht mehr nach Baar   zwei Jahre später bezugsbereit war.
                                                                zu bringen, bekam die Bauernsiedlung     Heute gilt Steinhausen als typische
                                                                das Bestattungsrecht, ein Beinhaus       Agglomerationsgemeinde zu der Stadt
                                                                und damit eine Eigen­ständigkeit.        Zug. Kaum Industrie, minimale eigene
                                                                Aus der Pfarrei wurde die Gemeinde       Arbeitsplätze. Die Nachfrage nach
                                                                Steinhausen.                             Wohnungen ist ungebrochen. Der Ort
                                                                Raumplanerisch wurde Steinhausen als     der Überbauung, «Oele 4», mitten im
                                                                die Gemeinde in der Schweiz bekannt,     Dorf, direkt neben dem Ortszentrum, mit
                                                                die zwischen 1960 und 1980 prozen­       Läden und ÖV in Gehdistanz ist ideal.
                                                    105
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                                                                tual am stärksten wuchs. Zum Beispiel    Nicht ohne Grund haben diverse alte
                                                                konnten die Steinhauser 1964 ein         Steinhauser ihr Eigenheim aufgegeben
                                                                neues Doppelschulhaus einweihen,         und mieten nun eine der Wohnungen.

                                                                   Architektur+Technik 1-2/21
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                                                             Wohnungsbau

                         bestehende nachbarschaftliche Gehöft. Die nicht or-       und Geländerbefestigungen in der Fassadenscha-
                         thogonalen Grundformen der Umgebungsgestaltung            lung versenkt. Zusammen mit der unterschiedlichen
                         vermitteln zwischen den landschaftlich geprägten,         Brettteilung der Schalung eine recht knifflige Ange-
                         um das Gehöft liegenden und den eher geometrisch          legenheit – auch in Bezug auf die Wartung und die
                         städtischen Freiflächen der neuen Überbauung. Die         spätere Möglichkeit zur Demontage der Geländer.
                         gebildeten Freiflächen dienen ebenso explizit älteren         Der Holzbau war eine Vorgabe der Bauherrschaft
                         Menschen, die einen Grossteil der Bewohnerschaft          als Waldbesitzer. Dass sich der konstruktive Holz-
                         ausmachen. Mithin gestaltet sich ein Pflanzbereich        bau auch nach aussen manifestieren sollte, war für
                         als Kräutergarten aus, als Flanierweg, als sinnliches     die Architekten von Anfang an klar. Der Unterhalt
                         Erleben der Jahreszeiten. Die Umgebung ist ein Mix        der Fassade sollte dabei möglichst pflegeleicht sein.
                         aus Verdichtung und Freiräumen, die mit den drei          Dadurch ist auch die Idee zur vertikalen Gliederung
                         Siedlungskörpern subtil korreliert. Eine Umgebung,        und zur strikten Trennung der beiden Schichten ent-
An den Gebäude­          die sich in den spannenden Schichten von Aus- und         standen: 1. Holzfassade geschlossen und 2. Brüstung
ecken verorten sich      Durchblicken in jeder Wohnung entfaltet.                  und Fenster. Aus brandschutztechnischen Gründen
jeweils die Loggien                                                                wurde die Hinterlüftung pro Geschoss abgeschottet;
der Wohnungen, um        Konstruktion und Gebäudetechnik                           es besteht also eine sogenannte belüftete und nicht
die sich die Wohn- und   Der Holzhybridbau in dieser Dimension erforderte          hinterlüftete Fassade. Dadurch wird die Holzscha-
Essräume anordnen.
                         eine grosse logistische Organisation, damit die Ma-       lung auf der Aussenseite und auf der Innenseite
Blick in eines der
                         teriallieferungen dem sehr schnellen Bautempo ent-        feuchtetechnisch unterschiedlich beansprucht, was
Treppenhäuser, deren     sprechend folgen konnten. Dabei wurde weniger ein         wiederum zum Holzschutz mit der druckimprä­
Wände in Sichtbeton      einzelnes Material eingesetzt, vielmehr spielen die       gnierten und geölten Holzveredelung geführt hat.
gehalten wurden.         gewählten Werkstoffe gezielt zusammen: Beton im           Die bauphysikalischen Vorgaben sahen den Miner-
                         UG als Aussteifung und Masse, Holz als schlankes          gie-Standard vor. Da auf dem Gelände keine Erdson-
                         und leichtes Produkt bei den Zugbelastungen und im        denbohrungen gemacht werden durften, wurde als
                         durchgehenden vertikalen Lastabtrag. Der nicht be-        Energieträger Gas gewählt, ergänzt jeweils zur Hälfte
                         sonders tragfähige Baugrund erforderte eine Pfäh-         mit Photovoltaik und mit Solar (Warmwasser) auf
                         lung. Da jedoch der Holzbau leichter ist als eine kon-    den Attikadächern. Dazu wurde die Gebäudehülle
Gebäudeschnitt
                         ventionelle Bauweise, mussten deutlich weniger            leicht (um 10 Prozent) besser gedämmt, um den fos-
und dazugehörige         Pfähle gebohrt werden. Das sparte Zeit und Geld.          silen Brennstoff zu kompensieren. Bewusst wurde in
Grundrisse der              Um die vertikale Fassadengliederung möglichst          die Gebäudehülle investiert, da diese im Vergleich
Regelgeschosse           nicht zu beeinträchtigen, wurden Storenschienen           zur Technik eine längere Standzeit aufweist. ●

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