OELE 4 STEINHAUSEN - AMREINHERZIG ARCHITEKTEN GMBH
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29 Dossier Wohnungsbau Drei exemplarische Holzbauten überzeugen durch vermittelnde Freiräume und unterschiedliche Raumschichten, die differenzierte Aus- und Durch blicke ermöglichen. Dreifach kompakt Von Lukas Bonauer (Text) und Reinhard Zimmermann (Bilder) ein gewisses Scharnier innerhalb einer dispers vor- Die im Kanton Zug verortete Gemeinde Steinhausen handenen, das Planungsgebiet umgebenden Sied- war – wie viele andere Schweizer Ortschaften – zu Be- lungskörnung. Inspirierend und deshalb entwurfs- ginn ihrer Entstehung eine Bauernsiedlung. In den prägend war insbesondere der parkähnliche, Die relativ tiefen Gebäudekörper letzten 40 Jahren ersetzten weitgehend gesichtslose baumbestückte Aussenraum des Bauernhofs, ob- verlangen nach aus Neubauten jene um die zentrale Ortskreuzung histo- schon es für mehrgeschossige Holzbauten – insbe- reichend Glasanteil, risch gewachsenen Substanzen. Zu den wenigen be- sondere auch hinsichtlich architektonischen Aus- um die Fernsicht stehenden Relikten, die noch von dieser Vergangen- drucks – noch wenige gebaute Referenzen gibt. Der auf die Berge einzu heit erzählen, gehört das herrschaftliche Gehöft der planerische Wille war dementsprechend gross. Für fangen und die Familie Zürcher. Auf ihrem Grossgrundstück lässt Architekt Thomas Baggenstos eine Selbstverständ- Räume zu belichten. die Familie in mehreren Etappen neue Wohnbauten lichkeit: «Jedes Projekt erfordert kontinuierliche entstehen. Erforderlich war eine städtebauliche und harte Arbeit, damit die spezifische Lösung auf al- Die drei Holzbauten bilden ein gewisses Gesamtkonzeption, die sowohl die altbäuerliche len Ebenen – städtebaulich sowie architektonisch Scharnier innerhalb Substanz berücksichtigt als auch klug mit den und konstruktiv – überzeugt.» einer dispers vorhan Aussenräumen umzugehen weiss. Der Umstand, dass denen, das Planungs die Bauherrschaft selbst die benachbarte Parzelle Erleb- und erfahrbar gebiet umgebenden bewohnt, hat Typologie, Orientierung und Aussen- Die dreibündigen, siebengeschossigen Holzbauten Siedlungskörnung. raumnutzung der ersten Etappe – der Bebauung stützen sich dabei auf ein konzeptionell einfaches, «Oele 4» – geprägt, die sich auf drei punktförmige robustes Hybridgerüst und entwickeln daraus ihre Die Umgebung ist Gebäude konzentriert. Dafür hat die Architekten Grundrisse. Diese folgen stark den konstruktions ein Mix aus Verdich tung und Freiräumen, gemeinschaft Röck Baggenstos Architekten AG / Am- typischen Anforderungen des Holzbaus. Die Holz die mit den drei reinHerzig Architekten GmbH die drei möglichen betonverbunddecken verhindern eine horizontale Siedlungskörpern Gebäudekörper als reine, kompakte Holzbauten ent- Leitungsführung. Kerne, um die sich Nebenräume subtil korreliert. worfen. Rurale Erscheinung und intelligente Setzung und Erschliessungsflächen gruppieren, kompensie- der Volumina vermitteln mit der gebauten Umge- ren das und gliedern den Grundriss. Herunterge- bung sowohl optisch als auch über maximal entste- hängte Decken definieren diese Bereiche zusätzlich, hende Freiräume mit den unterschiedlichen angren- während sich Wohn- und Schlafzimmer mit sichtba- zenden Arealen. Damit bilden die drei Holzbauten ren Brettstapeldecken räumlich anders entfalten. Architektur+Technik 1-2/21
30 Dossier Wohnungsbau Durchgehende Bänder Aufgrund ihrer leichten Überhöhe machen sie somit räumen. Die aussen sichtbaren Fronten sind relativ verstärken die konse den konstruktiven Holzbau erleb- und erfahrbar. schmal, und die Baukörper wirken trotz ihrer Dimen- quent vertikale Glie Dem Wunsch der Bauherrschaft, die Bäder aussen sion elegant und schlank. Durchgehende Bänder ver- derung der Fassade. liegend anzuordnen, wirken die Kniffe mit dem Bad stärken die konsequent vertikale Gliederung der Fas- en Suite (ein Bad, das direkt an ein Schlafzimmer an- sade und betonen die präzise Setzung der Baukörper. Die aussen sicht baren Fronten sind grenzt) und zwei in einer Schicht zusammengefass- Diese sind auf der einen Seite aus Glas und Alumi- relativ schmal, und ten Nasszellen entgegen. An den Gebäudeecken ver- nium, offen und nicht tragend, auf der anderen Seite die Baukörper wirken orten sich jeweils die Loggien der Wohnungen, um durchgehend mit Holz verkleidet, geschlossen und trotz ihrer Dimension die sich die Wohn- und Essräume anordnen. tragend. Diese Holzbänder, die rund ums Gebäude elegant und schlank. Die insgesamt 57 Wohnungen und die beiden Stu- gleich dimensioniert sind, bilden die Tragstruktur ab. dios verfügen über familienfreundliche Raumland- Das Spiel mit den unterschiedlichen Brettbreiten schaften und insbesondere altersgerechte Layouts, führt von Nahem zu einer weiteren Wahrnehmungs- die sich bei allfälligen Bewegungseinschränkungen ebene, auf der Bezüge zur Rindenstruktur der umlie- strukturell anpassen lassen. Die relativ tiefen Gebäu- genden Bäume erkennbar werden. dekörper verlangen nach ausreichend Glasanteil, um Die Gebäude, deren Grundstücksposition von der die Fernsicht auf die Berge einzufangen und die Bauherrschaft vorgegeben war, sind so gesetzt, dass Räume zu belichten. Das Verschieben der einzelnen sie den Strassenraum deutlich definieren und zu- Grundrisse zueinander führt zu einem gut proportio- gleich – frontal betrachtet – grosse Freiräume offen nierten Baukörper wie auch zu mehr Fassadenfläche – lassen. Diese wirken als offene Zwischenräume und und das wiederum zu mehr direkt belichteten Innen- Blickkorridore und erzeugen weniger Druck auf das Der Basler Künstler Andreas Schneider hat mit Bildern den Steinhauser Wald im weiteren Kontext verortet. Architektur+Technik 1-2/21
Altersgerechte Layouts lassen sich bei allfälligen Bewegungsein schränkungen struk turell anpassen. Die insgesamt 57 Wohnungen und die beiden Stu dios verfügen über familienfreundliche Raumlandschaften. Architektur+Technik 1-2/21
32 Dossier Wohnungsbau Bautafel Objekt Wohnüberbauung Oele AmreinHerzig Architekten GmbH Standort Steinhausen Bauingenieur CES Bauingenieur AG Wey + Kälin Fertigstellung 2020 Holzbauingenieur Holzbaubüro Reusser GmbH Geschossfläche SIA 416 11 094 m2 Elektroplanung Scherler AG Gebäude-Volumen SIA 416 35 245 m3 HLKS-Planung Olos AG Grundeigentümerin Margrit Zürcher QS Brandschutz Holzbaubüro Reusser GmbH Bauherrschaft, Realisation, Vermietung Konsortium Fassadenplanung Metallplan Küssnacht AG Familie Zürcher c/o Oele Immobilien AG, Bauphysik Martinelli + Menti AG Steinhausen Landschaftsarchitektur Balliana Schubert, Architektur Arge Röck Baggenstos Architekten AG I Landschaftsarchitekten AG Ortschaft Steinhausen Steinhausen gehörte früher zur mussten aber bereits drei Jahre später Gemeinde Baar. Erst mit der Pest mit der Planung eines neuen Primar Anfang des 17. Jahrhunderts und dem schulhauses beginnen, das wiederum Wunsch, die Toten nicht mehr nach Baar zwei Jahre später bezugsbereit war. zu bringen, bekam die Bauernsiedlung Heute gilt Steinhausen als typische das Bestattungsrecht, ein Beinhaus Agglomerationsgemeinde zu der Stadt und damit eine Eigenständigkeit. Zug. Kaum Industrie, minimale eigene Aus der Pfarrei wurde die Gemeinde Arbeitsplätze. Die Nachfrage nach Steinhausen. Wohnungen ist ungebrochen. Der Ort Raumplanerisch wurde Steinhausen als der Überbauung, «Oele 4», mitten im die Gemeinde in der Schweiz bekannt, Dorf, direkt neben dem Ortszentrum, mit die zwischen 1960 und 1980 prozen Läden und ÖV in Gehdistanz ist ideal. 105 8a tual am stärksten wuchs. Zum Beispiel Nicht ohne Grund haben diverse alte konnten die Steinhauser 1964 ein Steinhauser ihr Eigenheim aufgegeben neues Doppelschulhaus einweihen, und mieten nun eine der Wohnungen. Architektur+Technik 1-2/21
33 Dossier Wohnungsbau bestehende nachbarschaftliche Gehöft. Die nicht or- und Geländerbefestigungen in der Fassadenscha- thogonalen Grundformen der Umgebungsgestaltung lung versenkt. Zusammen mit der unterschiedlichen vermitteln zwischen den landschaftlich geprägten, Brettteilung der Schalung eine recht knifflige Ange- um das Gehöft liegenden und den eher geometrisch legenheit – auch in Bezug auf die Wartung und die städtischen Freiflächen der neuen Überbauung. Die spätere Möglichkeit zur Demontage der Geländer. gebildeten Freiflächen dienen ebenso explizit älteren Der Holzbau war eine Vorgabe der Bauherrschaft Menschen, die einen Grossteil der Bewohnerschaft als Waldbesitzer. Dass sich der konstruktive Holz- ausmachen. Mithin gestaltet sich ein Pflanzbereich bau auch nach aussen manifestieren sollte, war für als Kräutergarten aus, als Flanierweg, als sinnliches die Architekten von Anfang an klar. Der Unterhalt Erleben der Jahreszeiten. Die Umgebung ist ein Mix der Fassade sollte dabei möglichst pflegeleicht sein. aus Verdichtung und Freiräumen, die mit den drei Dadurch ist auch die Idee zur vertikalen Gliederung Siedlungskörpern subtil korreliert. Eine Umgebung, und zur strikten Trennung der beiden Schichten ent- An den Gebäude die sich in den spannenden Schichten von Aus- und standen: 1. Holzfassade geschlossen und 2. Brüstung ecken verorten sich Durchblicken in jeder Wohnung entfaltet. und Fenster. Aus brandschutztechnischen Gründen jeweils die Loggien wurde die Hinterlüftung pro Geschoss abgeschottet; der Wohnungen, um Konstruktion und Gebäudetechnik es besteht also eine sogenannte belüftete und nicht die sich die Wohn- und Der Holzhybridbau in dieser Dimension erforderte hinterlüftete Fassade. Dadurch wird die Holzscha- Essräume anordnen. eine grosse logistische Organisation, damit die Ma- lung auf der Aussenseite und auf der Innenseite Blick in eines der teriallieferungen dem sehr schnellen Bautempo ent- feuchtetechnisch unterschiedlich beansprucht, was Treppenhäuser, deren sprechend folgen konnten. Dabei wurde weniger ein wiederum zum Holzschutz mit der druckimprä Wände in Sichtbeton einzelnes Material eingesetzt, vielmehr spielen die gnierten und geölten Holzveredelung geführt hat. gehalten wurden. gewählten Werkstoffe gezielt zusammen: Beton im Die bauphysikalischen Vorgaben sahen den Miner- UG als Aussteifung und Masse, Holz als schlankes gie-Standard vor. Da auf dem Gelände keine Erdson- und leichtes Produkt bei den Zugbelastungen und im denbohrungen gemacht werden durften, wurde als durchgehenden vertikalen Lastabtrag. Der nicht be- Energieträger Gas gewählt, ergänzt jeweils zur Hälfte sonders tragfähige Baugrund erforderte eine Pfäh- mit Photovoltaik und mit Solar (Warmwasser) auf lung. Da jedoch der Holzbau leichter ist als eine kon- den Attikadächern. Dazu wurde die Gebäudehülle Gebäudeschnitt ventionelle Bauweise, mussten deutlich weniger leicht (um 10 Prozent) besser gedämmt, um den fos- und dazugehörige Pfähle gebohrt werden. Das sparte Zeit und Geld. silen Brennstoff zu kompensieren. Bewusst wurde in Grundrisse der Um die vertikale Fassadengliederung möglichst die Gebäudehülle investiert, da diese im Vergleich Regelgeschosse nicht zu beeinträchtigen, wurden Storenschienen zur Technik eine längere Standzeit aufweist. ● Architektur+Technik 1-2/21
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