Omer Meir Wellber Augustin Hadelich - NDR

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Omer Meir
  Wellber
    &
 Augustin
 Hadelich
     Donnerstag, 16.12.21 — 20 Uhr
       Sonntag, 19.12.21 — 11 Uhr
  Elbphilharmonie Hamburg, Großer Saal
      Freitag, 17.12.21 — 19.30 Uhr
     Musik- und Kongresshalle Lübeck
OMER MEIR WELLBER
                                          Dirigent
                                AUGUSTIN HADELICH
                                           Violine
                                       ELI DANKER
                                        Schauspieler

                              NDR ELBPHILHARMONIE
                                      ORCHESTER

                           Einführungsveranstaltungen mit Julius Heile
am 16.12. und 19.12. jeweils eine Stunde vor Konzertbeginn im Großen Saal der Elbphilharmonie;
       am 17.12. um 18.30 Uhr auf der „Galerie Wasserseite“ der Musik- und Kongresshalle

                   Das Konzert am 19.12.21 ist live zu hören auf NDR Kultur.
B E N J A M I N B R I T T E N (191 3 – 1976)
Konzert für Violine und Orchester op. 15
Entstehung: 1938–39; rev. 1950; 1954; 1965 | Uraufführung: New York, 28. März 1940 | Dauer: ca. 32 Min.
       I. Moderato con moto – Agitato – Tempo primo –
       II. Vivace – Animando – Largamente – Cadenza –
       III. Passacaglia: Andante lento

       Pause

E L L A M I L C H - S H E R I F F (*195 4)
Der ewige Fremde
Monodram für einen Schauspieler und Orchester
nach einem Text von Joshua Sobol
Entstehung: 2019 | Uraufführung: Leipzig, 20. Februar 2020 | Dauer: ca. 17 Min.

       Text des Schauspielers auf S. 16–17

L U D W I G VA N B E E T H O V E N (17 70 – 1 8 2 7)
Sinfonie Nr. 4 B-Dur op. 60
Entstehung: 1806 | Uraufführung: Wien, März 1807 | Dauer: ca. 35 Min.
       I.     Adagio – Allegro vivace
       II.    Adagio
       III.   Allegro molto e vivace – Trio. Un poco meno allegro – Tempo I
       IV.    Allegro ma non troppo

Dauer des Konzerts einschließlich Pause: ca. 2 ¼ Stunden

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ZUM PROGR AM M DES HEUTIGEN KONZERTS

              Heimat und
               Fremde
Denn hier ist keine        Wie fühlt es sich an, in der Fremde zu sein – unter
                           Menschen, deren Kultur und Sprache man nicht ver-
Heimat – Jeder
                           steht? Sind Heimat und Fremde rein geografische
treibt sich an dem         Begriffe? Oder kann man sich auch in der Heimat
                           fremd, in der Fremde heimisch fühlen? Die drei
andern rasch und
                           Werke des heutigen Abends beschäftigen sich mit
fremd vorüber, und         diesen Fragen – und finden darauf jeweils ganz unter-
                           schiedliche Antworten.
fraget nicht nach
seinem Schmerz.            S C H W E B E Z U S TA N D :
                           B E N JA M I N B R I T T E NS V I O L I N KO NZ E R T
Friedrich Schiller

                           In der Fremde, genau genommen in Kanada, befand
                           sich Benjamin Britten, als er im September 1939 sein
                           einziges Violinkonzert vollendete. Begonnen hatte er
                           mit der Arbeit daran noch in seiner englischen Hei-
                           mat, im Jahr 1938. Dann jedoch spürte er, dass sich
                           Krieg über Europa zusammenbraute. Die politische
                           Lage wurde angespannter und Britten befürchtete zu
                           Recht Diskriminierungen, sowohl wegen seiner pazi-
                           fistischen Haltung als auch wegen seiner sexuellen
                           Orientierung. Dass seine Werke zu dieser Zeit in Eng-
                           land nur äußerst lauwarm aufgenommen wurden,
                           dürfte seinen Beschluss noch bestärkt haben: Von der
                           Reise in das freiheitliche – und von den politischen
                           Zuständen in Europa zumindest räumlich weit ent-
                           fernte – Amerika erhoffte er sich die Chance auf einen
                           neuen Anfang.

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BENJAMIN BRITTEN
                                 Violinkonzert op. 15

Bereits auf der langen Schiffsreise von Southampton
nach Québec setzte Britten seine Arbeit an dem Vio-
linkonzert fort. Die Inspiration dazu hatte er von dem
spanischen Violinisten Antonio Brosa erhalten. Mit
ihm hatte Britten 1936 bei den Weltmusiktagen in
Barcelona seine Suite für Violine und Klavier op. 6
vorgestellt. Der Komponist schrieb Brosa den Solo-
part des Konzerts auf den Leib – und dieser sollte es
auch im März 1940 in der New Yorker Carnegie Hall        Benjamin Britten
zur Uraufführung bringen. Dass der Geiger bei der
Einreise zunächst als „gefährlicher Ausländer“ inter-    „ E I N G O T T D E R F I E D E L“

niert wurde, zeigt deutlich, dass der in Europa
tobende Konflikt schon lange vor dem Kriegseintritt      Sein öffentliches Debüt gab
                                                         der damals zehnjährige
der USA seine Schatten dorthin vorauswarf.
                                                         Katalane Antonio Brosa 1904
                                                         mit dem Violinkonzert von
„Es ist ziemlich ernst, fürchte ich – aber es gibt       Brahms. Im weiteren Verlauf
                                                         seiner Karriere konzentrierte
durchaus einige Melodien“, äußerte sich Britten mit
                                                         er sich insbesondere auf das
typisch britischem Understatement über das Konzert.      zeitgenössische Repertoire
Dennoch hielt er das Werk zur Zeit der Vollendung        und spielte zahlreiche Urauf-
                                                         führungen, darunter auch die
für sein bislang bestes. Reflektionen von Brittens
                                                         von Benjamin Brittens Violin-
damaliger Lebenssituation scheinen sich dabei an         konzert 1940 in New York. Der
vielen Stellen der Musik zu finden. Da sind zunächst     Erfolg mit diesem Werk, das
                                                         der legendäre Geiger Jascha
die einleitenden Paukenfiguren – ein kollegialer Gruß
                                                         Heifetz „unspielbar“ genannt
in Richtung des Beethovenschen Violinkonzerts, das       hatte, bildete den Auftakt zu
ebenfalls mit Paukenklängen beginnt? Oder die düs-       Brosas internationaler Karri-
                                                         ere. Britten bezeichnete den
tere Erinnerung an den Spanischen Bürgerkrieg, des-
                                                         Künstler, dessen herausragen-
sen fatales Ende mit dem Sieg der Faschisten den         des Können ihn von Anfang
letzten Impuls für Brittens Reise ins selbstgewählte     an zutiefst beeindruckt hatte,
                                                         als einen „Gott der Fiedel“.
Exil gegeben hatte? Welche Bedeutung man der
rhythmisch markanten Quartenfigur auch beimisst:
Als bedrohliche Präsenz durchzieht sie nicht nur den
ersten der drei Sätze des Violinkonzerts, sondern
taucht auch in den Folgesätzen immer wieder auf.
Das melodisch schwelgende Hauptthema des ersten
Satzes wiederum lässt sich als Ausdruck der in dieser
Zeit aufblühenden Liebe Brittens zu dem Tenor Peter
Pears betrachten, der bis zu seinem Lebensende sein

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BENJAMIN BRITTEN
                                     Violinkonzert op. 15

MONOLITH BENJAMIN                Partner bleiben sollte. Mit spektakulären Läufen und
BRITTEN
                                 Sprüngen, mit extremen Lagen und Doppelgriffen
                                 fordert der zweite Satz des Konzerts dem Solisten ein
Natürlich kennt man heute
                                 Maximum an technischem Können ab. Er endet mit
eine Reihe britischer Kompo-
nisten der ersten Hälfte des     einer mal tastenden, mal leidenschaftlich singenden
20. Jahrhunderts, darunter       Solokadenz. Deren abschließende, beharrlich aufstei-
Edward Elgar oder Ralph
                                 gende Tonfolge wird gleich zu Beginn des unmittel-
Vaughan Williams. Keiner von
ihnen hat jedoch den Ruhm        bar anschließenden Finalsatzes von den Posaunen
von Benjamin Britten erreicht.   übernommen. Die markante Tonfolge bleibt das
Mit zahlreichen Opern,
                                 Hauptthema dieses Satzes, dem Britten die traditi-
Chorwerken und nicht zuletzt
seinem monumentalen „War         onsreiche Form der Passacaglia gab: einer Folge von
Requiem“ wurde Britten zum       Variationen über einem gleichbleibenden Bass. Nach
mit Abstand bedeutendsten
                                 dem grotesken zweiten Satz, dessen ungezügelte
britischen Komponisten
seiner Generation – in den       Wildheit an Brittens Idole Mahler und Schostako-
Augen mancher sogar dem          witsch erinnert, gab der Komponist seiner Musik so
bedeutendsten seit der Zeit
                                 wieder Halt und Sicherheit. Und vielleicht klingt in
von Purcell und Händel. Sein
unverkennbarer Stil, der sich    diesem Rückbezug auf eine tief in der europäischen
souverän zwischen Rückbe-        Musik verwurzelte Form auch seine Sehnsucht nach
zügen auf die Tradition und
                                 einer (vermutlich mehr inneren als äußeren) Heimat
Verwendung moderner Tech-
niken bewegt, hat seinem         an? Die fundamentale Unsicherheit bleibt dem Kon-
Werk einen dauerhaften Platz     zert dennoch bis zum Schluss erhalten. Noch als letz-
im internationalen Repertoire
                                 ten Akkord spielt das Orchester eine leere Quinte:
beschert. Gleichzeitig ist er
durch eben diese hochexpres-     zwei Rahmentöne, bei denen ohne die dazwischenlie-
sive und ganz individuelle       gende Terz unklar bleibt, ob sie einen Dur- oder einen
Tonsprache ein Solitär geblie-
                                 Mollakkord bilden. Diese Entscheidung ließ Britten
ben, der weder eine Schule
begründet noch überzeugende      denn auch bewusst offen. Die Solovioline beschließt
Nachahmer gefunden hat.          das Werk auf einem Halbtontriller, der die Harmonie
Und so nimmt Brittens Werk
                                 zwischen Dur und Moll oszillieren lässt – eine
bis heute eine Ausnahmestel-
lung in der britischen Musik-    (tonale) Heimat erreicht das Werk also nicht. Und
geschichte ein.                  auch Benjamin Britten sollte nicht auf Dauer in Ame-
                                 rika heimisch werden. Im Jahr 1942, mitten im Zwei-
                                 ten Weltkrieg, kehrte er nach England zurück, um
                                 dort als Komponist und nach wie vor bekennender
                                 Pazifist eine hörbare Stimme gegen Gewalt und Dis-
                                 kriminierung zu bleiben.

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ELLA MILCH-SHERIFF
                                   Der ewige Fremde

H E I M AT A L S S E H N S U C H T S O R T: E L L A
M ILCH - SH ERIF F S „DER E W IGE F REM DE“

„Ein Mann beobachtet Menschen an einem fremden
Ort.“ So beginnt und endet die Erzählung des Spre-
chers in Ella Milch-Sheriffs Monodram „Der ewige
Fremde“. Wer er ist, woher er kommt und warum: Der
Zuhörer erfährt es nicht. Er könnte ein Flüchtling
sein, ein Vertriebener, ein Reisender – oder jemand,     Ella Milch-Sheriff
der träumt. Und tatsächlich liegt der Ursprung für
das Werk der israelischen Komponistin in einem
Traum. Geträumt hat ihn Ludwig van Beethoven auf         Wenn ich an Bach
einer Reise im September 1821. „Während ich nun
                                                         und Beethoven,
schlummerte, so träumte mir, ich reiste sehr weit.
Nicht weniger nach Syrien, nicht weniger nach Indien     Schubert und Men-
– wieder zurück nicht weniger nach Arabien, endlich
                                                         delssohn denke,
kam ich gar nach Jerusalem“, schilderte er die imagi-
nierte Reise in einem Brief an seinen Verleger Tobias    kann ich nicht kom-
Haslinger. An diesen Brief erinnerte sich Ella Milch-
                                                         ponieren. Nur wenn
Sheriff, als sie den Auftrag bekam, zum Beethoven-
Jahr 2020 ein neues Werk zu schreiben. Die               ich vergesse, dass
Vorstellung, wie sich Beethoven im Orient gefühlt
                                                         es diese große
haben könnte, umgeben von fremden Klängen und
Eindrücken, wurde zur Initialzündung für das Pro-        Musik gab, kann
jekt. Um aus der Idee mehr zu machen als die obliga-
                                                         ich meine Noten
torische Hommage an Beethoven, gewürzt mit etwas
orientalischem Flair, holte Milch-Sheriff sich einen     zusammenbringen.
Autor mit ins Boot: ihren Landsmann Joshua Sobol.
                                                         Ella Milch-Sheriff
Sie bat ihn, aus den in Beethovens Brief geschilderten
Ereignissen einen Monolog für einen Schauspieler zu
machen – Beethoven-Bezug nicht zwingend erforder-
lich. Das Resultat ist eine hochexpressive Meditation
über das Gefühl des Fremdseins. Dieses Gefühl
beschränkt sich nicht auf die Ebene der Sprache: Ges-
tik und Mimik, selbst den Ausdruck in den Augen der
Menschen um ihn herum kann der Protagonist von
Sobols Text nicht deuten. Die Musik unterstreicht das

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ELLA MILCH-SHERIFF
                                       Der ewige Fremde

                                  Gefühl der Heimatlosigkeit des Protagonisten, indem
                                  sie unaufhörlich zwischen jüdischer und arabischer
                                  Musik, „westlicher“ Moderne und der Musik zur Zeit
                                  Beethovens changiert. Ein flirrender Klangteppich
                                  der Streicher scheint das Werk zu Beginn schon fest
                                  in der Musik der Moderne zu verorten. Orientalisch
                                  wirkende Melodien der Oboe stellen diese Wahrneh-
                                  mung jedoch bald wieder in Frage. Ein Kanon, den
Joshua Sobol (2001)
                                  Beethoven in dem erwähnten Brief als Scherz an sei-
                                  nen Verleger schickte, ist ebenso Teil der musikali-
„W I E E I N E N U K L E A R E    schen Faktur wie wienerische Walzer-Anklänge, zu
EXPLOSION“
                                  denen der Protagonist seine Liebe zu den Menschen
                                  und allem Leben beschwört. Aus dem Gefühl der
Theater ist Provokation, findet
                                  Fremdheit folgt die tiefe Sehnsucht danach, sich wie-
Joshua Sobol, es muss an die
Grenzen gehen und Folgen          der geborgen und zugehörig zu fühlen: Frei oder
haben wie eine nukleare           rhythmisch gebunden sprechend, deklamierend, flüs-
Explosion. Und mit seinen
                                  ternd, schreiend und singend, sucht er nach Kontakt
Werken geht der 1939 geborene
israelische Autor und Drama-      zu seiner Umgebung.
tiker in dieser Hinsicht mit
gutem Beispiel voran. Ob es
                                  Nachdem alle verbalen Versuche, auf die anderen
um die Kollaboration von
Juden mit den Nazis geht          zuzugehen, ins Leere gelaufen sind, lässt der Protago-
(„Ghetto“), um die potentiell     nist schließlich seinen Körper sprechen: „Wo die
katastrophalen Folgen von
                                  Sprache der Worte ihr Ende findet, bricht der Körper
jüdischem Fundamentalismus
(„Das Jerusalem-Syndrom“)         sein Schweigen.“ In einer überwältigenden Steigerung
oder eine kontroverse Figur       kommt hier – aller sozialen Isolation zum Trotz –
wie den Antisemiten und
                                  eine unbändige Lebensfreude zum Ausdruck. Klang-
Frauenhasser Otto Weininger
(„Weiningers Nacht“) – in         lich eröffnet die arabische Trommel Darbuka diesen
seinen Stücken hält Sobol dem     Abschnitt – im Idealfall, so wünscht es sich die Kom-
Publikum unerbittlich einen
                                  ponistin, vom Sprecher selbst geschlagen. Er trom-
Spiegel vor und spricht The-
men an, über die andere lieber    melt und tanzt in dem Versuch, über die Musik
schweigen würden. Sein Text       Kontakt zu seiner Umgebung herzustellen. Üppige,
„Die Wanderschaft des ewigen
                                  rauschhafte Klänge vom Orchester scheinen die
Flüchtlings und der Kampf
gegen die Verzweiflung“ bildet    schmerzhafte Einsamkeit zumindest für einen
die Grundlage für Ella Milch-     Moment zu betäuben – doch die Freude ist trüge-
Sheriffs „Der ewige Fremde“.
                                  risch. Ziellos kreist die Musik um sich selbst, die bei-
                                  den einander so fremden musikalischen Sphären
                                  finden keine Verbindung. Und so scheint schließlich

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LUDWIG VAN BEETHOVEN
                               Sinfonie Nr. 4 B-Dur op. 60

auch die Hoffnung zu sterben; fahl verzittern die            „O TOBIAS DOM INUS“

Orchesterklänge beinahe ins Nichts. Das letzte Wort
hat der Sprecher über leisen, lang gehaltenen Tönen:         Im oberösterreichischen Bad
                                                             Zell geboren, kam der Färber-
„Ein Mann beobachtet Menschen an einem fremden
                                                             sohn Tobias Haslinger schon
Ort.“ Nichts hat sich geändert. Alles Bemühen hat die        früh mit Musik in Berührung.
Kluft zwischen ihm und seiner Umgebung nicht klei-           Bereits im Kindesalter lernte
                                                             er mehrere Instrumente,
ner werden lassen. Die Heimat bleibt ein Sehnsuchts-
                                                             arbeitete später in einer
ort, der in der Realität nicht zu erreichen ist.             Musikhandlung und kompo-
                                                             nierte auch selbst. 1810, im
                                                             Alter von 23 Jahren, kam
S C H AT T E N D A S E I N :
                                                             Haslinger nach Wien und
LU DW I G VA N B E E T H OV E NS SI N FO N I E N R . 4       arbeitete dort für die Kunst-
                                                             handlung Steiner, die er später
                                                             übernahm und zu einem der
Emotional hallt der „ewige Fremde“ sicher noch
                                                             bedeutendsten Musikverlage
nach, wenn unmittelbar im Anschluss daran die                seiner Zeit machte. Neben
Vierte Sinfonie von Beethoven beginnt, die ja auch           Beethoven verlegte Haslinger
                                                             Werke von Mozart, Moscheles,
immer ein wenig fremd wirkt zwischen seiner mono-
                                                             Spohr, Hummel und Carl
lithischen Dritten und der schicksalsschweren Fünf-          Maria von Weber. Mit Beetho-
ten. Als eine „liebliche Maid zwischen zwei                  ven pflegte er einen regen und
                                                             oft humorvollen Briefwechsel
Nordlandriesen“ bezeichnete Robert Schumann die
                                                             – so schilderte ihm der Kom-
Sinfonie – und als solche dürfte sie sich einiger-           ponist etwa jenen Traum, der
maßen fremd gefühlt haben in ihrer unmittelbaren             Ausgangspunkt von Milch-
                                                             Sheriffs „Der ewige Fremde“
musikalischen Umgebung. Darin ging es ihr nicht
                                                             ist, und schrieb ihm einen
viel anders als ihrem Komponisten, der sich auch oft         Kanon mit dem Text „O Tobias
als Fremder in seiner Welt fühlte. Einerseits genial         Dominus Haslinger“.
begabt, andererseits mürrisch, jähzornig und unge-
hobelt, stellte Beethoven sein Umfeld im persönli-
chen Umgang vor einige Herausforderungen. Dass
ihm das durchaus bewusst war, davon spricht in
anrührenden Worten das sogenannte Heiligenstädter
Testament, das der gerade 31-jährige Beethoven im
Jahr 1801 verfasste. Darin bittet er seine Mitmenschen
um Verständnis für sein oft gewöhnungsbedürftiges
Verhalten und begründet dieses mit seiner zuneh-
menden Schwerhörigkeit, die ihn nicht nur innerlich
verzweifeln ließ, sondern ihm auch ganz faktisch die
Unterhaltung mit anderen erschwerte. Im Jahr 1806
jedoch, als Beethoven seine Vierte Sinfonie

                                            9
LUDWIG VAN BEETHOVEN
                                      Sinfonie Nr. 4 B-Dur op. 60

                                    komponierte, sah die Welt schon wieder anders aus:
                                    Sein Gehörleiden zeigte zwar keine Anzeichen der
                                    Besserung, dennoch hatte der Komponist in dieser
                                    Zeit vielleicht zum ersten Mal seit langem wieder das
                                    Gefühl, emotional einen Heimathafen angesteuert zu
                                    haben. Grund dafür war seine (offenbar erwiderte)
                                    Liebe zu Josephine Deym (geborene Brunsvik), seiner
                                    ehemaligen Klavierschülerin, die er schon lange
Ludwig van Beethoven (Gemälde
                                    heimlich verehrte. Im Jahr 1804 war Josephine verwit-
von Isidor Neugaß, 1806)            wet und ihre Beziehung zu Beethoven wurde enger
                                    – nun hoffte er auf die Erfüllung des lang gehegten
UNSTERBLICHE GELIEBTE?              Wunsches, seine Liebe zu ihr vor aller Welt bekennen
                                    zu dürfen.
Mit der Gräfin Josephine
Deym von Stritetz, geborene
                                    Diese optimistische und beglückte Stimmung kommt
Gräfin Brunsvik de Korompa
(1779–1821) verband Beethoven       in der Vierten Sinfonie deutlich zum Tragen. Insbe-
eine lange und enge Bezie-          sondere die schnellen Ecksätze sprechen von Hoff-
hung. Kennengelernt hat er
                                    nung und Lebensfreude – und lassen gelegentlich
die damals 20-Jährige, als sie
1799 in Wien gemeinsam mit          einen hintergründigen Humor aufblitzen, den man
ihrer Schwester Therese seine       bei Beethoven nicht allzu häufig antrifft. So tritt bei-
Klavierschülerin wurde. Als
                                    spielsweise das Fagott gerade im ersten Satz mit
sie nach kurzer Ehe mit dem
Grafen Joseph von Deym im           scherzhaft hüpfenden Staccato-Figuren immer wieder
Jahr 1804 Witwe wurde,              prominent in den Vordergrund – eine Überraschung
vertiefte sich die Beziehung,
                                    bei einem Instrument, das seine Klangfarbe sonst
wovon eine Reihe leiden-
schaftlicher Liebesbriefe           meist eher dem Orchestertutti beimischt als solis-
Beethovens zeugt. Da eine           tisch hervortreten lässt. Nach dem lyrisch-melancho-
Eheschließung jedoch unmög-
                                    lischen zweiten und dem eigensinnigen dritten Satz
lich war – Josephine hätte
ihren Adelsrang und damit die       vermittelt das Finale noch einmal ein Gefühl über-
Vormundschaft über ihre vier        schäumender Freude. In einem stürmischen Tanz
Kinder verloren –, distanzierte
                                    scheint es das ganze Leben zu feiern und schließt
sie sich schließlich von
Beethoven und heiratete 1810        wiederum mit einem kleinen Scherz: Eine fragende
den estnischen Baron Chris-         Linie einer einzelnen Geige wird zögernd vom Fagott
toph von Stackelberg. Mög-
                                    beantwortet. Die Geige bekräftigt die kleine Antwort-
licherweise ist Josephine die
Adressatin von Beethovens           phrase noch einmal, bevor das gesamte Orchester
1812 verfasstem Brief an seine      das Werk schwungvoll zum Abschluss bringt. Ob
bis heute nicht sicher identi-
                                    Beethoven sich hier wohl tatsächlich ein Gespräch
fizierte „Unsterbliche Geliebte“.
                                    vorgestellt hat – und wenn ja, worum ging es wohl?

                                                  10
LUDWIG VAN BEETHOVEN
                              Sinfonie Nr. 4 B-Dur op. 60

Diese Frage muss wohl bis auf Weiteres unbeantwor-          Zusammengefasster
tet bleiben.
                                                            energischer, inniger
Die Hoffnung auf eine Beziehung – und vielleicht            habe ich noch kei-
sogar Ehe? – mit Josephine Deym erfüllte sich für
                                                            nen Künstler gese-
Beethoven letztlich nicht, und auch in seinem weite-
ren Leben sollte es ihm nicht gelingen, eine Heimat         hen. Ich begreife
in einer romantischen Beziehung zu finden. Ebenso
                                                            recht gut, wie er
wenig Glück war seiner Vierten Sinfonie im Konzert-
leben beschieden: Angesichts der Begeisterung               gegen die Welt wun-
gerade späterer Generationen für die beiden „Nord-
                                                            derlich stehen
landriesen“, Beethovens Dritte und Fünfte Sinfonie,
muss es vielleicht nicht verwundern, dass die „klassi-      muss.
sche“ Vierte im Repertoire nie so recht heimisch
                                                            Johann Wolfgang von Goethe
wurde. Ihre heitere Eleganz, die Robert Schumann so         über Ludwig van Beethoven
begeisterte, passte möglicherweise nicht ins Bild von       (1812)
einem grüblerischen Genie, dessen größte Werke vom
Kampf gegen Welt und Schicksal erzählen. Schade
eigentlich, denn um mit den Worten des Musikwis-
senschaftlers Robert Greenberg zu sprechen: „Wenn
irgendeiner von Beethovens Zeitgenossen diese Sinfo-
nie geschrieben hätte, würde man sie als das Meister-
werk dieses Komponisten betrachten und man würde
sich allein wegen dieser Sinfonie an ihn erinnern.“

Juliane Weigel-Krämer

                                          11
DIRIGENT

                              Omer Meir Wellber
                                     Omer Meir Wellber gehört zu den führenden Dirigenten
                                     für Opern- und Orchesterrepertoire. Gegenwärtig teilt er
                                     seine Zeit zwischen seinen Positionen als Chefdirigent
                                     des BBC Philharmonic Orchestra, Music Director des
                                     Teatro Massimo in Palermo, Erster Gastdirigent der
                                     Semperoper Dresden und Music Director des Raanana
                                     Symphonette Orchestra in Israel. Ab September 2022
                                     wird Wellber außerdem Musikdirektor an der Volksoper
                                     Wien. Er arbeitet mit zahlreichen erstklassigen Ensemb-
H Ö H E P U N K T E 2 0 21/2 0 2 2   les weltweit zusammen, so etwa mit dem London Phil-
                                     harmonic Orchestra, Gewandhausorchester Leipzig,
• Bizets „Carmen“ in einer           Swedish Radio Symphony und City of Birmingham
  Inszenierung von Calixto
                                     Symphony Orchestra, der Staatskapelle Dresden, Deut-
  Bieito und Verdis „Les
  Vêpres siciliennes“ in einer       schen Kammerphilharmonie Bremen, dem Israel Phil-
  Inszenierung von Emma              harmonic Orchestra, SWR Symphonieorchester,
  Dante (gestreamt auf ARTE
                                     Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin sowie dem Ton-
  Concert) am Teatro Massimo
  in Palermo                         halle-Orchester Zürich. Trotz seiner weltweiten Engage-
• Wiederaufnahmen von                ments pflegt Wellber eine enge Verbindung zu
  Mozarts „Don Giovanni“,
                                     Ensembles in seiner Heimat Israel. Mit dem Raanana
  „Così fan tutte“ und „Le
  nozze di Figaro“ sowie eine        Symphonette Orchestra setzt er sich besonders für
  Neuproduktion von Puccinis         Musikvermittlung und -erziehung ein. Er ist zudem Bot-
  „Madama Butterfly“ an der
                                     schafter der in Israel ansässigen Non-Profit-Organisa-
  Semperoper Dresden
• Bizets „Carmen“ an der             tion „Save a Child’s Heart“, die sich um die Behandlung
  Wiener Staatsoper                  herzkranker Kinder aus Entwicklungsländern sowie um
• Konzerte mit dem Orchestre
                                     die Ausbildung von Ärzten vor Ort kümmert. Außerdem
  National de France in Paris,
  dem BBC Philharmonic               arbeitet er regelmäßig mit verschiedenen Institutionen
  Orchestra, den Wiener              in Outreach-Programmen zusammen und fördert die
  Symphonikern und der
                                     nächste Dirigenten-Generation durch Workshops, Kurse
  Staatskapelle Dresden
                                     und Besuche an Hochschulen. Omer Meir Wellber hat
                                     im Herbst 2019 seinen ersten Roman „Die vier Ohn-
                                     machten des Chaim Birkner” veröffentlicht. Er ist das
                                     literarische Debüt des Dirigenten. Im Januar 2021
                                     erschien der Roman auf Italienisch; 2022 wird er auch
                                     auf Französisch herausgebracht.

                                                 12
VIOLINE

                      Augustin Hadelich
Augustin Hadelich ist seit 2019 für drei Spielzeiten Asso-
ciate Artist des NDR Elbphilharmonie Orchesters. Er hat
sich als einer der großen Geiger seiner Generation etab-
liert und konzertiert mit allen bedeutenden amerikani-
schen Orchestern. Auch bei seinen Auftritten in Europa
und Fernost – etwa beim Symphonieorchester des BR,
Royal Concertgebouw Orchestra, der Academy of St Mar-
tin in the Fields, beim London Philharmonic, Seoul
Philharmonic oder NHK Symphony Orchestra – eilt ihm
ein phänomenaler Ruf voraus. Kritiken loben seine            H Ö H E P U N K T E 2 0 21/2 0 2 2

überragende Technik, die Stringenz und Überzeugungs-
kraft seiner Interpretationen und seinen hinreißenden        • Artist in Residence des Frank-
                                                               furter Museumsorchesters
Ton. Hadelich war Artist in Residence in Bournemouth,
                                                             • Debüt bei den Berliner
beim Fort Worth Symphony und beim Netherlands                  Philharmonikern
Philharmonic Orchestra. Sein Debüt bei den BBC Proms         • Uraufführung des Violin-
                                                               konzerts von Donnacha
gab er 2016, bei den Salzburger Festspielen 2018 und
                                                               Dennehy
beim Verbier Festival 2021. Sein Aufnahmekatalog             • Konzerte in Europa mit dem
umfasst u. a. die Konzerte von Sibelius, Adès, Tschai-         WDR Sinfonieorchester,
                                                               Deutschen Symphonie-
kowsky, Lalo, Mendelssohn, Bartók, Brahms und Ligeti
                                                               Orchester Berlin, den
sowie die 24 Capricen von Paganini. 2016 wurde er für          Münchner Philharmoni-
seine Einspielung des Violinkonzerts von Dutilleux mit         kern, dem Tonkünstler-
                                                               Orchester, Mozarteum-
einem Grammy ausgezeichnet. Für seine CD „Bohe-
                                                               orchester Salzburg, Danish
mian Tales“ erhielt er einen OPUS KLASSIK. Von der             National Symphony, Finnish
Presse gefeiert wurde auch seine jüngste Aufnahme mit          Radio Symphony, Warsaw
                                                               Philharmonic Orchestra und
Bachs Sonaten und Partiten. Hadelich, heute amerika-
                                                               Orchestre National de France
nischer und deutscher Staatsbürger, wurde 1984 als           • Zahlreiche Auftritte in den
Sohn deutscher Eltern in Italien geboren. Er studierte         USA u. a. mit dem San Francis-
                                                               co Symphony und New York
bei Joel Smirnoff an der New Yorker Juilliard School und
                                                               Philharmonic Orchestra
gewann 2006 den Internationalen Violinwettbewerb in          • Asien-Gastspiele mit dem
Indianapolis. Das Fachmagazin „Musical America“                Seoul und Taiwan Philhar-
                                                               monic Orchestra
wählte ihn 2018 zum „Instrumentalist of the Year“. 2021
                                                             • Rezital-Tournee mit Statio-
wurde er in den Lehrkörper der Yale School of Music            nen u. a. in Amsterdam,
berufen. Er spielt auf der Guarneri-Violine „Leduc, ex         London, Frankfurt und Paris
Szeryng“ (1744), einer Leihgabe des Tarisio Trusts.

                                           13
SCHAUSPIELER

 Eli Danker
Eli Danker ist ein israelischer Schauspieler, der sich
in seiner Arbeit zwischen der Theaterwelt in Israel
und Hollywood bewegt. Nach einem Studium an der
Schauspielschule „Beit Zvi“ in Israel setzte Danker
sein Studium in New York fort. Nach seiner Rückkehr
nach Israel schloss er sich der Gruppe „Khan Thea-
tre“ in Jerusalem an. Seine Fähigkeiten als Pianist
und Sänger eröffneten ihm ein breites künstlerisches
Spektrum und ermöglichen ihm die Verkörperung
verschiedenster Rollen. Unter anderem spielte er im
Ensemble in Jerusalem den Rogozin in Dostojewskis
„Der Idiot“, in Bertolt Brechts „Im Dickicht der
Städte“, das Pferd in Erich Kästners „Der 35. Mai oder
Konrad reitet in die Südsee“ und Dumbo in Joseph
Hellers „Catch-22“. Bald wurde er Mitglied des israeli-
schen Nationaltheaters „Habimah“, wo er Jason in
„Medea“ und Mortimer in „Maria Stuart“ spielte.
Eli Danker erhielt von der französischen Regierung
Mittel, um an der École Jacques Lecoq Pantomime zu
studieren. Er arbeitet genreübergreifend auch in
Opernproduktionen und für Film und Fernsehen,
zuletzt etwa in „Victor“ mit Gérard Depardieu und
der amerikanischen TV-Serie „24 Legacy“. Aktuell ist
er Mitglied im Ensemble des Cameri-Theaters in
Tel Aviv, wo er zuletzt als Koch in „Mutter Courage“
auftrat. Mit Omer Meir Wellber hat Eli Danker bereits
als Sprecher in Strawinskys „Die Geschichte vom Sol-
daten“ zusammengearbeitet.

            14
Foto: Paul Schirnhofer | NDR
 ”
  Für                                                mich ist
Musik                                                das Leben
                                                     selbst!
                                                         “
                                                     C A R OL IN W ID M A NN

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NDR ELBPHILHARMONIE ORCHESTERS
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TEXT DES SCHAUSPIELERS
                               Ella Milch-Sheriff: Der ewige Fremde

E L L A M I L C H - S H E R I F F: D E R E W I G E F R E M D E
TEXT VON JOSHUA SOBOL
DEU T SC H E FAS SU NG VON BA RBA R A L I N N E R

Ein Mann beobachtet Menschen                        Ich liebe das Wasser,
  an einem fremden Ort.                             ich liebe den Wind.
An die Küsten hat das Meer ihn                      Ich liebe und liebe, ich liebe und liebe,
  geworfen.                                         ich liebe, ich liebe, ich liebe und liebe…
Versucht die Verhaltensart
  der Menschen dort,                                Doch so stark meine Liebe auch ist,
der Herren des Landes zu begreifen.                 von eurem Hass erlöst sie mich nicht.
Ihre Gesten und das Spiel
  ihrer Mienen,                                     Du lebtest ein stilles Leben,
den Blick in ihren Augen,                           hattest keinen Menschen auf der Welt,
  schneidend und kalt.                              um mit ihm zu reden –
Ein messerscharfer Katzenblick.                     nicht über Freude
                                                    noch Schmerz oder Klagen.
Halten sie ihn für einen                            Nicht über Schaffensglück
  Menschenhasser?                                   noch Angst vor Versagen.
Er sieht es an den Blicken                          Kein banales Alltagsgespräch:
  der Menschen.                                     Wie hast du heut’ Nacht geschlafen,
                                                    was hast du geträumt
Ich bin kein Menschenhasser!                        und was machst du heut’ Abend.
Im Gegenteil!                                       Einfach nur so zu reden,
Ich liebe Menschen,                                 Gedanken auszutauschen
ich liebe auch Tiere,                               mit einem menschlichen Wesen.
  Pflanzen und Wald,                                Die Sprache der Menschen rings um dich
Pflanzen und Wald,                                  ist Gewisper von Insekten im Gras.
alle Natur.                                         Das Seufzen der Bäume im Wind,
Ich liebe das Licht der Sonne                       die Brandung der Wellen im Meer,
  und ihre Wärme.                                   das Blöken von Vieh von weit her.
Ich liebe den Schatten des
  dichten Laubs,                                    Meiner Mutter Sprache ist
ich liebe die Brise, die in den                       begraben in mir.
  Blättern spielt.                                  Ihre Stimme ruft in der Stille nach mir.

                                               16
TEXT DES SCHAUSPIELERS
                          Ella Milch-Sheriff: Der ewige Fremde

Mein Sohn, wo bist du,                         Du allein
wo bist du mein Sohn?                          in dunkelster Nacht,
Mein geliebter Sohn,                           du allein warst du mir ein Stern,
ruft sie aus meinem Innern                     du allein.
  heraus nach mir
wie aus bracher Erde.                          Du warst mein einziges Licht im Leben
                                               in einer gottlosen Welt.
Blumen der Schönheit erklingen
  im Wind,                                     Ein Mann beobachtet Menschen
Stimmen verlorener Menschen                      an einem fremden Ort.
in einer schriftlosen Sprache.

In einer Sprache ohne Worte
erzählt er von der Sehnsucht
  des Herzens.
Und seine Hand ausgestreckt etwas
  zu fassen, das lebendig
und warm atmend.
Seine Hand kehrte leer zurück zu ihm.

Wo die Sprache der Worte
  ihr Ende findet,
bricht der Körper sein Schweigen,
bricht die sprechende Stimme,
spricht der Körper seine Sprache.
Taucht die Augen in Tränen,
setzt die Knochen in Brand.
Tost das Blut in den Adern,
lässt die Glieder tanzen
zum Rhythmus des pochenden Puls.
Schlägt den Takt in den Schläfen.
Schließt die sehnenden Augen,
lässt die Toten wiederauferstehen
im Traum, im Traum.
Gibt ihnen ihre Stimmen wieder.
Die Stimme explodierender Freude!

                                          17
IMPRESSUM

                       Herausgegeben vom
               NORDDEUTSCHEN RUNDFUNK
                  Programmdirektion Hörfunk
                  Orchester, Chor und Konzerte
                    Rothenbaumchaussee 132
                        20149 Hamburg
                   Leitung: Achim Dobschall

           NDR ELBPHILHARMONIE ORCHESTER
                   Management: Sonja Epping

                 Redaktion des Programmheftes
                          Julius Heile

       Der Einführungstext von Dr. Juliane Weigel-Krämer
              ist ein Originalbeitrag für den NDR.

                             Fotos
             akg-images / Album / Documenta (S. 5)
                    Ella Milch-Sheriff (S. 7)
                 akg-images / Bruni Meya (S. 8)
                      Rori Palazzo (S. 12)
                      Suxiao Yang (S. 13)
                       Maya Lusky (S. 14)

             Druck: Eurodruck in der Printarena
Das verwendete Papier ist FSC-zertifiziert und chlorfrei gebleicht.

                Nachdruck, auch auszugsweise,
            nur mit Genehmigung des NDR gestattet.

                                18
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Fotos: Marco Borggreve | Peter Hundert | NDR | Fotolia

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